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Sachverhalt ab Seite 255 BGE 144 IV 254 S. 255 A. Das Bezirksgericht Zürich verurteilte X. am 23. Mai 2016 wegen mehrfacher einfacher und qualifizierter Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz (BetmG) in verschiedenen Anklagepunkten, Gewalt und Drohung gegen Beamte, einfacher Körperverletzung, Entwendung eines Motorfahrzeugs zum Gebrauch sowie Fahrens ohne Berechtigung zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von 30 Monaten, unter Anrechnung der Untersuchungshaft von 367 Tagen. Vom Vorwurf der Widerhandlung gegen das BetmG in weiteren Anklagepunkten sprach es ihn frei. B. Gegen diesen Entscheid erhob X. Berufung und beantragte einen Freispruch von einigen Vorwürfen mehrfacher qualifizierter Widerhandlung gegen das BetmG. In teilweiser Gutheissung der Berufung bestrafte ihn das Obergericht des Kantons Zürich am 9. Oktober 2017 wegen mehrfacher qualifizierter Widerhandlung gegen das BetmG mit einer teilbedingten Freiheitsstrafe von 18 Monaten, unter Anrechnung der Untersuchungshaft von 367 Tagen. In einem Anklagepunkt sprach es ihn vom Vorwurf der Widerhandlung gegen das BetmG frei. Das Obergericht hält bezüglich der vorliegend noch relevanten Anklagepunkte zusammengefasst für erwiesen, X. habe in der Zeit vom 20. Januar bis 11. März 2015 von A. mehrfach Kokain zwecks gewinnbringenden Weiterverkaufs erworben. C. X. führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, das Urteil des Obergerichts sei teilweise aufzuheben und er sei vom Vorwurf der mehrfachen qualifizierten Widerhandlung gegen das BetmG teilweise freizusprechen. Eventualiter sei die Sache zu neuer Beurteilung an das Obergericht zurückzuweisen. X. ersucht um unentgeltliche Rechtspflege. BGE 144 IV 254 S. 256 D. Das Obergericht verzichtet auf eine Vernehmlassung. Die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich liess sich nicht vernehmen. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut, soweit es darauf eintritt. Das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 9. Oktober 2017 hebt es auf und weist die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurück. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. 1.1 Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 141 Abs. 1, 272 Abs. 1, 277 Abs. 2 und 278 StPO. Sämtliche Erkenntnisse aus den Überwachungsmassnahmen, welche seit dem 12. Juli 2013 gewonnen worden seien, seien unverwertbar. Die Überwachung seines Post- und Fernmeldeverkehrs sei an diesem Tag beendet worden. Er vertritt den Standpunkt, zu dieser Beendigung sei es infolge nicht erfüllter Voraussetzungen einer Überwachung gekommen, und verweist dabei auf eine Mitteilung der Staatsanwaltschaft, mit welcher diese den Dienst für die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs zur Aufhebung der Überwachung zweier Rufnummern auffordert. Mangels aus den Akten ersichtlicher Verweigerung einer Genehmigung oder Verlängerung komme einzig das Fehlen der Voraussetzungen der Überwachung gemäss Art. 275 Abs. 1 lit. a StPO in Frage. Aufgrund fehlender Voraussetzungen einer Überwachung nach dem 12. Juli 2013 seien laut Art. 278 Abs. 2 StPO auch die nach diesem Zeitpunkt erhobenen Zufallsfunde unverwertbar. Es liege zudem keine Genehmigung von Zufallsfunden für den Zeitraum nach dem 12. Juli 2013 vor, weshalb die Erkenntnisse aus den Überwachungsmassnahmen nach diesem Datum nicht gegen ihn verwertbar seien. 1.2 Die Vorinstanz erwägt, ab der ersten gegen den Beschwerdeführer ergangenen Verfügung des Zwangsmassnahmengerichts vom 7. Dezember 2012 seien seine Telefonnummern überwacht worden. Die Ermittlungen im Zusammenhang mit einer weiteren Genehmigungsverfügung des Zwangsmassnahmengerichts gegen A. vom 8. Januar 2015 beträfen den gleichen Sachverhaltskomplex. Darüber hinaus seien den Beschwerdeführer belastende Zufallsfunde ohne Befristung bewilligt worden und damit verwertbar. Entsprechend sei es nicht erforderlich, im gleichen Rahmen später erneut eine Zufallsfundgenehmigung einzuholen. Dass die Überwachung seiner Telefonanschlüsse am 12. Juli 2013 beendet worden sei, ändere an dieser BGE 144 IV 254 S. 257 Schlussfolgerung nichts. Die Verwertbarkeit von Zufallsfunden hänge nicht von der Beendigung einer früher angeordneten Überwachung dieser Person ab. Die Telefonkontrollprotokolle seien mit Ausnahme der Telefongespräche vom 27. Dezember 2013 (14:34:29 Uhr) und vom 20. Januar 2013 (12:11:07 Uhr), bei welchen die Unterschrift des Übersetzers fehle, verwertbar. 1.3 Nach Art. 269 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 StPO kann eine Überwachung des Fernmeldeverkehrs angeordnet werden, wenn nebst weiteren Voraussetzungen der dringende Verdacht besteht, eine in der Bestimmung genannte Straftat (Katalogtat) sei begangen worden. Die Überwachungsanordnung bedarf der Genehmigung durch das Zwangsmassnahmengericht ( Art. 272 Abs. 1 StPO ). Dieses erteilt die Genehmigung für höchstens 3 Monate und kann sie ein- oder mehrmals um jeweils höchstens 3 Monate verlängern ( Art. 274 Abs. 5 StPO ). Ergebnisse nicht genehmigter Überwachungen sind nicht verwertbar ( Art. 277 Abs. 2 StPO ). Laut Art. 278 Abs. 2 StPO können Erkenntnisse über Straftaten einer Person, die in der Überwachungsanordnung keiner strafbaren Handlung beschuldigt wird, verwendet werden, wenn die Voraussetzungen für eine Überwachung dieser Person erfüllt sind. Die Staatsanwaltschaft ordnet u.a. in solchen Fällen personeller Zufallsfunde unverzüglich die Überwachung an und leitet das Genehmigungsverfahren ein (vgl. Art. 278 Abs. 3 StPO ). Das Zwangsmassnahmengericht entscheidet nach Art. 274 Abs. 2 StPO mit kurzer Begründung innert fünf Tagen. Diese Regelung für die Verwendung personeller Zufallsfunde beruht auf dem Grundsatz, dass nur jene Erkenntnisse aus einer Überwachung verwendet werden dürfen, welche auch dann hätten gewonnen werden können, wenn der Verdacht gegen eine andere Person schon zum Zeitpunkt der Überwachungsanordnung bestanden hätte (vgl. Botschaft vom 21. Dezember 2005 zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts, BBl 2006 1085 ff., 1251 Ziff. 2.5.8.1). Wird der Post- und Fernmeldeverkehr überwacht, ist nicht nur das Grundrecht auf Schutz der Privatsphäre der Zielperson der Überwachungsanordnung tangiert, sondern zwangsläufig stets auch jenes ihrer Kommunikationspartner. Eine Genehmigung der Überwachung der Zielperson umfasst aber deswegen nicht gleichzeitig die Überwachung des Kommunikationspartners. Für die Frage, ob ein Zufallsfund vorliegt, ist nach dem klaren Wortlaut von Art. 278 BGE 144 IV 254 S. 258 Abs. 2 StPO die gegen die Zielperson gerichtete Überwachungsanordnung entscheidend. Erkenntnisse über Straftaten von Personen, die in der Überwachungsanordnung nicht formell verdächtigt werden, sind nach dieser Bestimmung Zufallsfunde (so auch MARC JEAN-RICHARD-DIT-BRESSEL, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, N. 10 zu Art. 278 StPO ; NIKLAUS OBERHOLZER, Grundzüge des Strafprozessrechts, 3. Aufl. 2012, N. 1209). Wird eine Person in der Überwachungsanordnung nicht individualisierbar bezeichnet und stellt sich später heraus, diese Person könnte ebenfalls eine Straftat begangen haben, handelt es sich nach dem klaren Willen des Gesetzgebers stets um einen personellen Zufallsfund. Dies gilt ebenso, wenn die Staatsanwaltschaft bereits zum Zeitpunkt der Anordnung der Überwachung einen Verdacht auch gegen diese Person hat, ihn aber in der Überwachungsanordnung nicht erkenntlich macht. Allein massgebend ist folglich, wer von der Staatsanwaltschaft als beschuldigte Person bezeichnet wird. Ohne Anordnung der Überwachung und entsprechende Genehmigung gegen eine zumindest individualisierbare Person bestünde die Gefahr einer Umgehung der Zufallsfundregelung von Art. 278 Abs. 2 StPO (vgl. THOMAS HANSJAKOB, Überwachungsrecht der Schweiz, Kommentar zu Art. 269 ff. StPO und zum BÜPF, 2017, N. 1168). Das Bundesgericht hat denn auch bereits in einem früheren Entscheid zu Art. 278 Abs. 2 StPO eine erneute Genehmigung des Zwangsmassnahmengerichts zur Verwendung der Erkenntnisse als notwendig erachtet, wenn sich anlässlich einer bereits genehmigten Überwachung eines Telefonanschlusses herausstellt, dass sich nebst der beschuldigten Person auch deren nicht in der Überwachungsanordnung aufgeführte Freundin aktiv an einem Betäubungsmittelhandel beteiligt. Dies gilt unabhängig davon, ob die beiden Personen demselben Drogenhändlerring angehören (Urteil 1B_211/2012 vom 2. Mai 2012 E. 2.2). 1.4 1.4.1 Die Auffassung des Beschwerdeführers, es ergebe sich aus der gegen ihn von der Staatsanwaltschaft per 12. Juli 2013 aufgehobenen Überwachung, die Voraussetzungen einer solchen hätten nach diesem Datum nicht mehr vorgelegen, ist nicht nachvollziehbar. Dass die Staatsanwaltschaft mangels erfüllter Überwachungsvoraussetzungen den Dienst für die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs nach Art. 2 des Bundesgesetzes vom 6. Oktober BGE 144 IV 254 S. 259 2000 betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (BÜPF; SR 780.1) über die Beendigung der Überwachung zweier Rufnummern informierte, ergibt sich entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers weder aus dieser Mitteilung noch aus einer in den Akten nicht ersichtlichen Verweigerung einer Genehmigung oder Verlängerung der Überwachung. Der Beschwerdeführer begründet denn auch nicht, weshalb die Voraussetzungen für gegen ihn gerichtete Überwachungsmassnahmen nicht mehr hätten erfüllt sein sollen. Die Wahl der sachlich gebotenen Untersuchungsführung liegt im pflichtgemässen Ermessen der Staatsanwaltschaft (vgl. Art. 16 Abs. 2 i.V.m. Art. 6 Abs. 1, Art. 139 Abs. 1 und Art. 308 Abs. 1 StPO ; BGE 140 IV 40 E. 4.4.2 S. 46). Die in Art. 275 Abs. 1 lit. a und b StPO genannten Gründe verpflichten die Staatsanwaltschaft zu unverzüglicher Beendigung einer Überwachung. Daneben kann die Staatsanwaltschaft die Überwachung unter Beachtung des strafprozessualen Verfolgungszwangs ( Art. 7 StPO ) in pflichtgemässen Ermessen und ohne Verpflichtung zu unverzüglichem Handeln beenden, so beispielsweise wenn sie davon ausgeht, der überwachte Anschluss werde nicht mehr verwendet, aufgrund des Beschleunigungsgebots ( Art. 5 Abs. 1 StPO ) oder unverhältnismässig hoher Kostenfolgen. Die Schlussfolgerung, mit der blossen Tatsache der Beendigung der Überwachung seien auch die Voraussetzungen einer solchen nicht mehr erfüllt gewesen, ist somit unzutreffend. Selbst wenn die Voraussetzungen einer Überwachung im Moment der Beendigung am 12. Juli 2013 tatsächlich nicht mehr erfüllt gewesen wären, so hiesse dies im Übrigen nicht, dass die Voraussetzungen zu einem späteren Zeitpunkt und insbesondere ab dem 19. März 2015 - beispielsweise aufgrund der weiteren Ermittlungen - nicht wieder erfüllt waren. 1.4.2 Die Rüge des Beschwerdeführers, es liege für die Verwertbarkeit der aus den Überwachungen nach dem 12. Juli 2013 resultierenden Erkenntnisse und damit implizit auch der Tatvorwürfe für den Zeitraum 20. Januar bis 11. März 2015 keine Genehmigung vor, ist indessen begründet. Die Vorinstanz stützt sich bei der Erstellung der einzelnen dem Beschwerdeführer in diesem Zeitraum vorgeworfenen Betäubungsmitteldelikte auf die Erkenntnisse der gegen A. im Rahmen der Aktionen "OPET" und "OPET 3" angeordneten Überwachungsmassnahmen. Aufschlussreich waren in erster Linie offenbar die aus dieser Überwachung gewonnenen Inhalte von Telefongesprächen und Textnachrichten zwischen A. und dem BGE 144 IV 254 S. 260 Beschwerdeführer. Diesbezüglich genehmigte das Zwangsmassnahmengericht mit Verfügung vom 8. Januar 2015 betreffend Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz (Aktion "OPET 3" [x] bzw. "OPET" [y]) die Verlängerung von Echtzeitüberwachungen elf verschiedener Rufnummern, darunter derjenigen, mittels welcher A. jeweils mit dem Beschwerdeführer kommunizierte. In der entsprechenden vorhergehenden Überwachungsanordnung vom 7. Januar 2015 werden jeweils A. sowie eine unbekannte Person, genannt "B.", bei welcher es sich offensichtlich nicht um den Beschwerdeführer handelte, als beschuldigte Personen aufgeführt. Mit einer separaten Verfügung genehmigte das Zwangsmassnahmengericht ferner die Verlängerung technischer Überwachungsmassnahmen zur Standortidentifikation zweier von A. zumindest verwendeten Personenwagen. Der Beschwerdeführer wird von der Staatsanwaltschaft und in der Folge vom Zwangsmassnahmengericht jeweils weder als beschuldigte Person bezeichnet noch in den Erwägungen erwähnt. Auch in der ursprünglichen Überwachungsanordnung gegen A. vom 17. April 2014 betreffend qualifizierte Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz (Aktion "OPET") wird der Beschwerdeführer nicht beschuldigt. Dass dies in den weiteren Anordnungen bis zur genannten Verlängerung durch das Zwangsmassnahmengericht am 8. Januar 2015 der Fall war, lässt sich dem angefochtenen Entscheid und soweit ersichtlich auch den Akten nicht entnehmen. Folglich handelt es sich um Zufallsfunde nach Art. 278 Abs. 2 StPO , soweit aus den genannten Überwachungsmassnahmen Erkenntnisse über Straftaten des in der Überwachungsanordnung nicht beschuldigten Beschwerdeführers erlangt wurden. Für die Verwertung der Erkenntnisse über die Straftaten des Beschwerdeführers war deshalb eine Genehmigung erforderlich. Daran ändert entgegen dem Standpunkt der Vorinstanz ebenso wenig, dass das Zwangsmassnahmengericht bereits mit Verfügung vom 7. Dezember 2012 betreffend Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz (Aktion "FIDES" [z]) die Verwendung der aus derÜberwachung gegen die "neu beschuldigte unbekannte Person", genannt "C.", welche sich später als der Beschwerdeführer herausstellte, belastenden Erkenntnissen genehmigte. Das Zwangsmassnahmengericht genehmigte zwar die Verlängerung dieser Überwachungsmassnahme. Die Staatsanwaltschaft hob jedoch am 12. Juli 2013 die gegen den Beschwerdeführer angeordnete Überwachung von zwei Mobiltelefonnummern wieder auf. Art. 278 Abs. 2 StPO stellt auf BGE 144 IV 254 S. 261 Straftaten einer Person, die in der Anordnung keiner strafbaren Handlung beschuldigt wird und nicht etwa auf durch eine solche Person begangene Tatbestände ab (vgl. auch HANSJAKOB, a.a.O., N. 1131). Die späteren Überwachungsanordnungen und Genehmigungsverfügungen ab April 2014 bis Januar 2015 betreffen nicht nur andere beschuldigte Personen und Rufnummern, sondern offensichtlich auch andere Straftaten. Damit sind die Erkenntnisse über Taten des Beschwerdeführers im Zeitraum 20. Januar bis 11. März 2015 unabhängig davon, ob diese unter dieselben Tatbestände wie frühere Taten fallen, Zufallsfunde im Sinne der genannten Bestimmung. Im Zusammenhang mit der Genehmigungsverfügung vom 7. Dezember 2012 betreffend Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz bestand ferner ein Verdacht auf einen "Handel mit grossen Mengen von Betäubungsmitteln". Ein Hinweis auf gewerbsmässige Tätigkeit ist der Genehmigungsverfügung, dem entsprechenden Überwachungsantrag sowie dem Verwertungsgesuch der Staatsanwaltschaft hingegen nicht zu entnehmen. Die Vorinstanz wirft dem Beschwerdeführer im Zusammenhang mit den späteren und beschwerdegegenständlichen Delikten desgleichen keine gewerbsmässige Tätigkeit, sondern den Kauf einer Bruttomenge von mindestens 95 Gramm Kokain vor. Dieser Vorwurf fällt unter Art. 19 Abs. 2 lit. a BetmG (SR 812.121; Gefährdung der Gesundheit vieler Menschen). Anders als etwa bei einer gewerbsmässigen Tätigkeit im Sinne von Art. 19 Abs. 2 lit. c BetmG drängt sich bei diesem Vorwurf kein Kollektivdelikt auf, dessen nicht bekannte Einzeltaten im Gesamtdelikt aufgingen und das Vorliegen eines Zufallsfunds ausschliessen würden (vgl. dazu Urteil 6B_795/2014 vom 6. Januar 2015 E. 2.5 mit Hinweisen). Mithin wurde die Verwertung der Erkenntnisse der Taten des Beschwerdeführers im Zeitraum 19. Januar bis 11. März 2015 trotz entsprechender Notwendigkeit nicht genehmigt. 1.4.3 Ob es sich bei Art. 278 Abs. 3 StPO um eine Gültigkeitsvorschrift handelt und ob Zufallsfunde ohne Genehmigung absolut unverwertbar sind, hat das Bundesgericht zuletzt offengelassen (Urteil 6B_795/2014 vom 6. Januar 2015 E. 2.6). aArt. 9 Abs. 3 BÜPF sah noch ein ausdrückliches Verwertungsverbot für rechtswidrig erlangte Zufallsfunde vor. Im Zuge der Überführung in die Strafprozessordnung veränderte der Gesetzgeber indessen diese Bestimmung. Art. 278 Abs. 4 StPO sieht lediglich noch vor, dass BGE 144 IV 254 S. 262 Aufzeichnungen, die nicht als Zufallsfunde verwendet werden dürfen, gesondert von den Verfahrensakten aufzubewahren und erst nach Abschluss des Verfahrens zu vernichten sind. Gemäss Art. 141 Abs. 1 Satz 2 StPO sind Beweise aber nicht verwertbar, wenn die Strafprozessordnung einen Beweis als unverwertbar bezeichnet. Art. 277 Abs. 2 StPO sieht ein solches Beweisverwertungsverbot für Erkenntnisse aus nicht genehmigten Überwachungen ausdrücklich vor. Da nicht nur für die Anordnung einer Überwachung eine Genehmigung erforderlich ist, sondern laut Art. 278 Abs. 3 StPO die Staatsanwaltschaft auch in Fällen von Zufallsfunden unverzüglich das Genehmigungsverfahren einzuleiten hat, sind nicht zur Verwertung genehmigte Zufallsfunde gleichfalls absolut unverwertbar im Sinne von Art. 277 Abs. 2 StPO . Dies ungeachtet der unterschiedlichen Folge, was den Zeitpunkt der Vernichtung von Zufallsfundaufzeichnungen nach Art. 278 Abs. 4 StPO und von Dokumenten und Datenträgern aus nicht genehmigten Überwachungen nach Art. 277 Abs. 1 StPO betrifft. Die in Art. 278 Abs. 4 StPO im Gegensatz zu Art. 277 Abs. 1 StPO nicht sofortige, sondern erst nach Abschluss des Verfahrens vorgesehene Vernichtung ist darin begründet, dass sich einzelne Überwachungsergebnisse mit Zufallsfunden gleichzeitig auf verwertbare Funde beziehen können und den Parteien ermöglicht wird, nachzuvollziehen, ob die Ausscheidung durch die Staatsanwaltschaft zu Recht erfolgte und unverwertbare Erkenntnise nicht doch auf Umwegen Eingang in die Untersuchung gefunden haben (HANSJAKOB, a.a.O., N. 1189). Nichts anderes ergibt sich bei Betrachtung der gesetzgeberischen Überführung der strafprozessualen Bestimmungen des BÜPF in die Schweizerische Strafprozessordnung. Die Botschaft schlug Änderungen nur dort vor, wo sie zur Integrierung notwendig waren, namentlich bei der Bezeichnung der Behörden und der Verfahrensabschnitte. Sodann wurde der Harmonisierung mit der Regelung anderer Zwangsmassnahmen, insbesondere der verdeckten Ermittlung, Beachtung geschenkt. Schliesslich sollten Unklarheiten und von der Lehre kritisierte Unzulänglichkeiten behoben werden, soweit sich diese Kritik als berechtigt erwies. Die Regelung für die Verwendung von Zufallsfunden wurde im Vergleich zu jener in aArt. 9 BÜPF zwar dennoch verändert, dies aber ausschliesslich im Sinne einer Verschärfung. Auf die betreffenden strengeren materiellen Voraussetzungen der Verwendung eines Zufallsfunds bei einer neu entdeckten Straftat gegen die Zielperson der Überwachung weist die BGE 144 IV 254 S. 263 Botschaft denn auch ausdrücklich hin (vgl. BBl 2006 1085 ff., 1248 und 1251 Ziff. 2.5.8.1). Hinweise für eine weniger restriktive Handhabung von Zufallsfunden, mit welcher eine neue Qualifikation der Genehmigungspflicht als blosse Ordnungsvorschrift einhergehen würde, sind der Botschaft demgegenüber nicht zu entnehmen. Es ist deshalb davon auszugehen, dass die neue Formulierung in Art. 278 Abs. 2 StPO keine Änderung der Folge der Unverwertbarkeit nicht genehmigter Zufallsfunde herbeiführen sollte und nicht genehmigte Zufallsfunde im Sinne von Art. 278 StPO auch nach Inkrafttreten der Schweizerischen Strafprozessordnung absolut unverwertbar sind. Für eine Interessenabwägung nach Art. 141 Abs. 2 StPO besteht damit kein Raum. Die Lehre vertritt überwiegend ebenfalls diese Ansicht (SCHMID/JOSITSCH, Handbuch des schweizerischen Strafprozessrechts, 3. Aufl. 2017, N. 1160; MOREILLON/PAREIN-REYMOND, CPP, Code de procédure pénale, 2. Aufl. 2016, N. 13 zu Art. 278 StPO ; MARK PIETH, Schweizerisches Strafprozessrecht, 3. Aufl. 2016, S. 167; HANSJAKOB, a.a.O., N. 1120; ders. , in: Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung [StPO], Donatsch/Hansjakob/Lieber [Hrsg.], 2. Aufl. 2014, N. 24 zu Art. 278 StPO ;DONATSCH/SCHWARZENEGGER/WOHLERS, Strafprozessrecht, 2. Aufl. 2014, S. 236; FRANZ RIKLIN, StPO Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung [...], 2. Aufl. 2014, N. 2 zu Art. 278 StPO ;OBERHOLZER, a.a.O., N. 1211; einschränkend JEAN-RICHARD-DIT-BRESSEL, a.a.O., N. 29 f. zu Art. 278 StPO ; BACHER/ZUFFEREY, in: Commentaire romand, Code de procédure pénale suisse, 2011, N. 18 zu Art. 278 StPO ; SCHMID/JOSITSCH, Schweizerische Strafprozessordnung[StPO], Praxiskommentar, 3. Aufl. 2018, N. 11 zu Art. 278 StPO ). 1.5 Demzufolge ist die Beschwerde begründet. Die Vorinstanz, an welche die Sache zurückzuweisen ist, wird unter Ausserachtlassung der rechtswidrig erlangten Beweise zu beurteilen haben, ob auch die dem Beschwerdeführer im Zeitraum vom 20. Januar bis 11. März 2015 vorgeworfenen Straftaten rechtsgenüglich erstellt werden können.
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Sachverhalt ab Seite 124 BGE 140 IV 123 S. 124 A. Die Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich (im Folgenden: Staatsanwaltschaft Zürich) übermittelte am 1. März 2012 den kolumbianischen Behörden unaufgefordert Informationen über die Geschäftsbeziehungen von drei Privatpersonen und einer Stiftung bei der Bank Credit Suisse AG (im Folgenden: CS AG), dies nachdem sie selbst von einer Meldung im Sinne von Art. 305 ter Abs. 2 StGB der CS AG an die Meldestelle für Geldwäscherei informiert worden war. Das Schreiben der Staatsanwaltschaft Zürich bezog sich auf die Geschäftsbeziehungen von D., A., B. und der Stiftung C., Curaçao, Niederlande. Die Staatsanwaltschaft Zürich erkundigte sich bei den kolumbianischen Behörden, ob sie gestützt auf die Angaben ein Rechtshilfeersuchen an die Schweiz richten wollten. Sollte ein solches bzw. ein allfälliges Fristerstreckungsgesuch nicht bis zum 4. Juni 2012 eintreffen, gehe man indessen davon aus, dass auf Rechtshilfe verzichtet werde. Die Staatsanwaltschaft Zürich erstreckte die Frist in der Folge bis am 1. Oktober 2012. Am 18. Oktober 2012 erliess sie eine Nichtanhandnahmeverfügung. Zur Begründung führte sie aus, dass trotz der Fristverlängerung noch kein Rechtshilfeersuchen eingegangen sei und dass sich mangels Informationen über den Hintergrund der gemeldeten Transaktionen die deliktische Herkunft der in der Schweiz verwalteten Vermögenswerte nicht beweisen lasse. Daher falle auch Geldwäscherei ( Art. 305 bis StGB ) als Nachtat ausser Betracht. Bezüglich des Tatbestands der Geldwäscherei fehle zudem die Zuständigkeit, da die Kontoeröffnung und die Anordnung der Transfers von Curaçao aus, im Auftrag des in Bogotá wohnhaften wirtschaftlichen Berechtigten D., erfolgt sei. Die Untersuchung sei deshalb nicht anhand zu nehmen, wobei eine spätere Eröffnung bzw. Bearbeitung im Rahmen des Rechtshilfevollzugs vorbehalten bleibe. Zwei Tage zuvor, am 16. Oktober 2012, hatte die kolumbianische Botschaft den Schweizer Behörden ein Rechtshilfeersuchen der BGE 140 IV 123 S. 125 7. Sonderstaatsanwaltschaft in Bogotá, Kolumbien, vom 11. Juli 2012 übermittelt, inklusive deutscher Übersetzung (diese datierend vom 24. September 2012). Darin ersuchte die Sonderstaatsanwaltschaft im Wesentlichen um Edition diverser Unterlagen zu den Geschäftsbeziehungen Nr. x-5 (angeblich lautend auf D.) und Nr. y-9 (lautend auf A.) bei der CS AG in Zürich. Mit Eintretensverfügung vom 22. März 2013 entsprach die Staatsanwaltschaft Zürich dem Rechtshilfeersuchen und wies die CS AG an, sämtliche Bankdokumente (namentlich Eröffnungsunterlagen, Konto- und Depotauszüge, Korrespondenzen, interne Aktennotizen, Kundengeschichte sowie Einzelbelege zu Ein- und Ausgängen) der erwähnten Geschäftsbeziehungen zu edieren. Mit Schreiben vom 5. April 2013 kam die CS AG der Anordnung nach. Dabei wies sie darauf hin, dass die Bankbeziehung unter der Stammnummer x-5 nicht auf D. laute, sondern auf die Stiftung C. Mit ergänzender Editionsverfügung vom 12. April 2013 ersuchte die Staatsanwaltschaft Zürich die CS AG um Zustellung von Detailbelegen zu sechs spezifischen Transaktionen, welche die CS AG ebenfalls aufforderungsgemäss herausgab. Am 13. Mai 2013 erliess die Staatsanwaltschaft Zürich die Schlussverfügung. Sie ordnete die rechtshilfeweise Herausgabe der edierten Bankunterlagen zu Konto Nr. y-92 (lautend auf A.) und Konto Nr. x-52 (lautend auf die Stiftung C.) an. Gegen die Schlussverfügung erhoben A., B. und die Stiftung C. Beschwerde ans Bundesstrafgericht. Mit Entscheid vom 25. Februar 2014 wies dieses das Rechtsmittel ab. B. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ans Bundesgericht vom 10. März 2014 beantragen A., B. und die Stiftung C., der Entscheid des Bundesstrafgerichts und die Schlussverfügung der Staatsanwaltschaft Zürich seien aufzuheben und das Gesuch um Rechtshilfe sei abzuweisen. (...) Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. (Auszug) Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Kolumbien und die Schweiz sind Vertragsstaaten des Übereinkommens der Vereinten Nationen vom 31. Oktober 2003 gegen Korruption (SR 0.311.56; nachfolgend: UNCAC). Dieses enthält in BGE 140 IV 123 S. 126 Kapitel III einen Gesetzgebungsauftrag an die Vertragsstaaten, der sich auf mit Korruption zusammenhängende Straftatbestände bezieht. Dazu gehört nach Art. 23 UNCAC auch der hier zur Diskussion stehende Tatbestand der Geldwäscherei (vgl. Art. 305 bis StGB sowie die Botschaft vom 21. September 2007 zum UNO-Übereinkommen gegen Korruption, BBl 2007 7358 Ziff. 1.5 und 7383 f. Ziff. 2.3.1.9). Art. 46 UNCAC hat die Rechtshilfe zwischen den Vertragsstaaten zum Gegenstand. Danach leisten diese einander so weit wie möglich Rechtshilfe bei Ermittlungen, Strafverfolgungsmassnahmen und Gerichtsverfahren im Zusammenhang mit den Straftaten nach dem Übereinkommen (Abs. 1). Um Rechtshilfe kann unter anderem zum Zweck der Überlassung von Informationen und Beweismitteln ersucht werden (Abs. 3 lit. e). Art. 46 UNCAC regelt weiter die unaufgeforderte Übermittlung von Informationen ohne vorheriges Ersuchen (Abs. 4 und 5) sowie die beidseitige Strafbarkeit (Abs. 9) und zählt die erforderlichen Angaben eines Rechtshilfeersuchens (Abs. 15 und 16) sowie mögliche Rechtshilfeverweigerungsgründe (Abs. 21) auf. Das Rechtshilfegesetz (IRSG; SR 351.1) und die Rechtshilfeverordnung (IRSV; SR 351.11) sind anwendbar, wenn die UNCAC zu ei-ner Frage keine Regelung enthält (Art. 1 Abs. 1 Ingress IRSG) oder das innerstaatliche Recht vorbehält. Sie sind ebenfalls anwendbar, wenn das innerstaatliche Recht für die Rechtshilfe günstiger ist ( BGE 136 IV 82 E. 3.1 S. 84 mit Hinweisen). (...) 5. 5.1 Die Beschwerdeführer argumentieren, die unaufgeforderte Übermittlung von Informationen gemäss Art. 67a IRSG setze die Eröffnung einer Strafuntersuchung in der Schweiz voraus. Dieses Erfordernis sei hier nicht erfüllt. Die unaufgeforderte Übermittlung von Informationen an die kolumbianischen Strafverfolgungsbehörden und die daraufhin angeordnete Rechtshilfe seien somit gesetzeswidrig. 5.2 Die unaufgeforderte Übermittlung von Informationen wird im vorliegenden Fall neben Art. 67a IRSG auch von Art. 46 Abs. 4 und 5 UNCAC geregelt. Die beiden Bestimmungen haben folgenden Wortlaut: Art. 46 UNCAC - Rechtshilfe (...) 4. Unbeschadet des innerstaatlichen Rechts können die zuständigen Behörden eines Vertragsstaats einer zuständigen Behörde in einem anderen Vertragsstaat ohne vorheriges Ersuchen Informationen im BGE 140 IV 123 S. 127 Zusammenhang mit Strafsachen übermitteln, wenn sie der Auffassung sind, dass diese Informationen der Behörde dabei behilflich sein könnten, Ermittlungen und Strafverfahren durchzuführen oder erfolgreich abzuschliessen, oder den anderen Vertragsstaat dazu veranlassen könnten, ein Ersuchen nach diesem Übereinkommen zu stellen. 5. Die Übermittlung von Informationen nach Absatz 4 erfolgt unbeschadet der Ermittlungen und des Strafverfahrens in dem Staat, dessen zuständige Behörden die Informationen bereitstellen. (...) Art. 67a IRSG - Unaufgeforderte Übermittlung von Beweismitteln und Informationen 1 Eine Strafverfolgungsbehörde kann Beweismittel, die sie für ihre eigene Strafuntersuchung erhoben hat, unaufgefordert an eine ausländische Strafverfolgungsbehörde übermitteln, wenn diese Übermittlung aus ihrer Sicht geeignet ist: a. ein Strafverfahren einzuleiten; oder b. eine hängige Strafuntersuchung zu erleichtern. 2 Die Übermittlung nach Absatz 1 hat keine Einwirkung auf das in der Schweiz hängige Strafverfahren. 3 Die Übermittlung von Beweismitteln an einen Staat, mit dem keine staatsvertragliche Vereinbarung besteht, bedarf der Zustimmung des Bundesamtes. 4 Die Absätze 1 und 2 gelten nicht für Beweismittel, die den Geheimbereich betreffen. 5 Informationen, die den Geheimbereich betreffen, können übermittelt werden, wenn sie geeignet sind, dem ausländischen Staat zu ermöglichen, ein Rechtshilfeersuchen an die Schweiz zu stellen. 6 Jede unaufgeforderte Übermittlung ist in einem Protokoll festzuhalten. Art. 46 Abs. 4 UNCAC begünstigt die unaufgeforderte Übermittlung von Informationen. Diese ist jedoch nach dem Wortlaut in jedem Fall fakultativ. Zudem wird das Landesrecht mit der Formulierung "[u]nbeschadet des innerstaatlichen Rechts" (in der gemäss Art. 71 Abs. 2 UNCAC verbindlichen französischen Version: "[s]ans préjudice du droit interne") vorbehalten. Aus den Materialien ergeben sich keine Hinweise darauf, dass damit nur für die Rechtshilfe günstigere innerstaatliche Vorschriften gemeint wären. Dies widerspräche dem Wortlaut, der sich auf sämtliches Landesrecht bezieht (so hinsichtlich der analogen Bestimmung von Art. 18 Abs. 4 des Übereinkommens der Vereinten Nationen vom 15. November 2000 gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität [SR 0.311.54] die Botschaft vom BGE 140 IV 123 S. 128 26. Oktober 2005 über die Genehmigung des UNO-Übereinkommens gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität, BBl 2005 6734 Ziff. 2.2.16; vgl. auch UN Doc. A/AC.261/3 [Part III] vom 27. Dezember 2001 S. 5 Fn. 7, wonach der Text von Art. 46 Abs. 4 UNCAC auf einen Vorschlag von Österreich, den Niederlanden und Kolumbien zurückgeht). Mitzuberücksichtigen ist in diesem Zusammenhang Art. 46 Abs. 21 lit. d UNCAC , wonach Rechtshilfe insbesondere dann verweigert werden kann, wenn es dem Rechtshilferecht des ersuchten Vertragsstaats zuwiderliefe, dem Ersuchen stattzugeben. Diese letztgenannte Bestimmung bezieht sich auf die Rechtshilfe an sich und umfasst damit das gesamte, dem Entscheid über die Gewährung der Rechtshilfe vorangehende Verfahren, auch wenn dieses nicht mit einem Ersuchen, sondern einer unaufgeforderten Übermittlung von Informationen eingeleitet wurde. Im Folgenden ist somit zu untersuchen, ob die unaufgeforderte Übermittlung an die kolumbianischen Strafverfolgungsbehörden nach der in Art. 46 Abs. 4 UNCAC vorbehaltenen Regelung von Art. 67a IRSG angesichts der späteren Nichtanhandnahmeverfügung der Staatsanwaltschaft Zürich rechtmässig war. 5.3 Das Bundesstrafgericht hat sich in seinem Entscheid RR.2012.311 vom 11. Juli 2013 (welcher mithin nach der hier zur Diskussion stehenden Schlussverfügung vom 13. Mai 2013 erging) einlässlich mit der Problematik auseinandergesetzt. Es hielt fest, nur wenn ein nach schweizerischer Beurteilung genügender Verdacht vorliege, könne angenommen werden, dass die informierte ausländische Behörde ebenfalls ein Strafverfahren einleiten könnte. Das Gleiche müsse auch für Informationen und/oder Beweismittel gelten, die zur Erleichterung eines ausländischen Strafverfahrens weitergeleitet werden sollten ( Art. 67a Abs. 1 lit. a und b IRSG ). Bereits daraus ergebe sich die klare Absicht des Gesetzgebers, die unaufgeforderte Übermittlung nur nach Eröffnung einer Strafuntersuchung zuzulassen. Eine restriktive Handhabung von Art. 67a IRSG sei auch deshalb angezeigt, weil es sich um einen Rechtfertigungsgrund nach Art. 14 StGB handle. In Fällen, wo ein Straftatbestand oder eine Prozessvoraussetzung nach Schweizer Recht eindeutig nicht erfüllt sei und daher auch keine Strafuntersuchung gegen die betroffene Person eröffnet werden könne ( Art. 310 Abs. 1 lit. a StPO ), dürften weder Beweismittel noch Informationen gestützt auf Art. 67a IRSG an ausländische Behörden herausgegeben werden. Liege ein schweizerisches Strafverfolgungsinteresse offensichtlich nicht vor, so sei es unverhältnismässig, zwecks BGE 140 IV 123 S. 129 Durchsetzung rein ausländischer Strafverfolgungsinteressen Beweismittel oder Informationen unaufgefordert an ausländische Behörden weiterzuleiten. 5.4 Ein Teil der Literatur fordert, ausgehend vom Wortlaut von Art. 67a IRSG , ebenfalls die vorgängige Eröffnung einer Strafuntersuchung (ALEXANDER M. GLUTZ VON BLOTZHEIM, Die spontane Übermittlung, 2010, S. 76 ff.; BIANCHI/HEIMGARTNER, Die Rückerstattung von Potentatengeldern, AJP 2012 S. 363; PETER POPP, Grundzüge der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen, 2001, Rz. 534; ROBERT ZIMMERMANN, La coopération judiciaire internationale en matière pénale, 3. Aufl. 2009, S. 382 Rz. 415). GLUTZ VON BLOTZHEIM argumentiert, wenn Abs. 2 von Art. 67a IRSG keine Einwirkung auf ein hängiges Strafverfahren zulasse, so werde ein solches gleichzeitig vorausgesetzt. Eine Eröffnung wiederum erfordere gemäss Art. 309 Abs. 1 lit. a StPO einen hinreichenden Tatverdacht auf eine in der Schweiz strafbare Handlung (a.a.O., S. 81). Zudem enthalte Art. 67a IRSG keinen Hinweis auf die Datenbeschaffung, weshalb diese nicht unabhängig von einer schweizerischen Strafuntersuchung und direkt gestützt auf Art. 67a IRSG zulässig sei (a.a.O., S. 78). ZIMMERMANN führt aus, der Gesetzgeber habe mit Abs. 2 verhindern wollen, dass leichtfertig bzw. nur deshalb ein schweizerisches Strafverfahren eingeleitet werde, um das ausländische Verfahren zu unterstützen. Ein anderer Teil der Literatur ist der Ansicht, dass Art. 67a IRSG bereits vor der Eröffnung einer Strafuntersuchung anwendbar ist (PAOLO BERNASCONI, Förderung der internationalen Zusammenarbeit dank der schweizerischen Normen zur Bekämpfung der Geldwäscherei, Automatic Paper and Assets Tracing, in: Strafrecht und Wirtschaftsrecht, Köln 2008, S. 1480 f.; THIERRY AMY, Entraide administrative internationale en matière bancaire, boursière et financière, 1998, S. 492). BERNASCONI geht für den Bereich der Geldwäschereibekämpfung davon aus, dass die mit einer Mitteilung der Meldestelle für Geldwäscherei befasste schweizerische Strafbehörde direkt zu einer unaufgeforderten Übermittlung nach Art. 67a IRSG schreiten kann (a.a.O.). HAFFTER verlangt, ohne ausdrücklich auf die Frage der Eröffnung einer Strafuntersuchung einzugehen, dass an den erforderlichen Tatverdacht hohe Anforderungen zu stellen seien, habe der Gesetzgeber die spontane Rechtshilfe doch restriktiv und insbesondere im Kampf gegen die internationale organisierte Wirtschaftskriminalität eingesetzt wissen wollen (ANDREAS HAFFTER, Internationale Zusammenarbeit in BGE 140 IV 123 S. 130 Strafsachen im Spannungsfeld zwischen Denunziation und Verbrechensbekämpfung: Zur Problematik der spontanen Rechtshilfe [ Art. 67a IRSG ], AJP 1999 S. 118; ähnlich: STEPHANIE EYMANN, Die strafprozessuale Kontosperre, 2009, S. 193; LEA UNSELD, Internationale Rechtshilfe im Steuerrecht, 2011, S. 196 f.). EYMANN stellt das Erfordernis einer eigenen Strafuntersuchung ins Licht des Verbots von sogenannten fishing expeditions: Im Rahmen einer Untersuchung aufgefundene Informationen und Beweismittel, die mit dem innerstaatlichen Verfahren in keinem Zusammenhang stehen, dürften nicht übermittelt werden (a.a.O., S. 183). 5.5 5.5.1 Das Bundesgericht hat in seiner Rechtsprechung unter Hinweis auf die Botschaft des Bundesrats festgehalten, dass Art. 67a IRSG zurückhaltend anzuwenden ist. Die Bestimmung will nicht die Denunziation fördern und einen unkontrollierten Informationsfluss an das Ausland ermöglichen ( BGE 125 II 238 E. 5a S. 245). Sie unterwirft deshalb die unaufgeforderte Übermittlung von Beweismitteln und Informationen in Abs. 2 bis 6 einer Reihe von einschränkenden Vorgaben. Dazu gehört, dass die Übermittlung nach Abs. 2 keine Einwirkung auf das in der Schweiz hängige Strafverfahren hat, welches weder sistiert noch sonstwie behindert werden soll ( BGE 125 II 238 E. 5a S. 245, BGE 125 II 356 E. 12b S. 267; vgl. zum Ganzen auch die Botschaft vom 29. März 1995 betreffend die Änderung des Rechtshilfegesetzes und des Bundesgesetzes zum Staatsvertrag mit den USA über gegenseitige Rechtshilfe in Strafsachen sowie den Bundesbeschluss über einen Vorbehalt zum Europäischen Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen, BBl 1995 III 24 Ziff. 241). 5.5.2 Das Bestreben des Gesetzgebers, den Informationsfluss ans Ausland zu regulieren, spiegelt sich in den zitierten Literaturmeinungen, wonach ein schweizerisches Strafverfahren nicht quasi als Vorwand für die unaufgeforderte Übermittlung eingeleitet werden dürfe (ZIMMERMANN, a.a.O.) und Beweismittel aus sogenannten fishing expeditions nicht zu übermitteln seien (EYMANN, a.a.O.). Den beiden Autoren zufolge ist demnach zu verhindern, dass das schweizerische Strafverfahren vorgeschoben und sein Zweck umgangen wird. Dem ist grundsätzlich zuzustimmen. Gleichzeitig ist jedoch festzuhalten, dass bei der unaufgeforderten Übermittlung von Informationen das schweizerische Strafverfolgungsinteresse nicht im Vordergrund steht. Ihr Hauptzweck ist es, die Einleitung oder den Fortschritt eines ausländischen Strafverfahrens zu befördern ( BGE 125 II 238 E. 4b S. 244). BGE 140 IV 123 S. 131 In diesem Sinne ist die vorinstanzliche Feststellung zu relativieren, es sei unverhältnismässig, zwecks Durchsetzung rein ausländischer Strafverfolgungsinteressen Beweismittel oder Informationen unaufgefordert an ausländische Behörden weiterzuleiten. Zu bedenken ist auch, dass Art. 67a IRSG im Jahr 1997 und damit lange vor der eidgenössischen Strafprozessordnung in Kraft getreten ist. Von Bundesrechts wegen war damals, anders als heute (vgl. Art. 309 Abs. 3 StPO ), nicht vorgeschrieben, die Untersuchung förmlich mit Verfügung zu eröffnen (HAUSER/SCHWERI/HARTMANN, Schweizerisches Strafprozessrecht, 6. Aufl. 2005, § 76 Rz. 5 S. 392). 5.5.3 Gerade der vorliegende Fall zeigt zudem, dass nicht nur dann, wenn die schweizerische Staatsanwaltschaft gestützt auf einen hinreichenden Tatverdacht eine Strafuntersuchung einleitet, angenommen werden kann, dass dies auch die informierte ausländische Behörde tut. Die Staatsanwaltschaft Zürich behielt aus diesem Grund in ihrer Nichtanhandnahmeverfügung die Bearbeitung eines Rechtshilfeersuchens ausdrücklich vor. Das Bundesstrafgericht selbst ging in der Folge - und dies, wie bereits ausgeführt, zu Recht - von einem Verdacht auf Geldwäscherei aus. Dies erhellt, dass nicht in jedem Fall erst die Strafuntersuchung den erforderlichen Deliktsverdacht hervorbringt. Daraus folgt, dass ein Rechtshilfeverfahren und ein allfälliges auf denselben Sachverhalt gestütztes schweizerisches Strafverfahren im Grundsatz voneinander unabhängig sind. Dies ist im Übrigen auch die Hauptaussage von Art. 67a Abs. 2 IRSG , wonach die unaufgeforderte Übermittlung keine Einwirkung auf das in der Schweiz hängige Strafverfahren hat (vgl. LAURENT MOREILLON UND ANDERE, Commentaire romand, Entraide internationale en matière pénale, 2004, N. 8 zu Art. 67a IRSG ). Vorliegend bildet einzig das Rechtshilfeverfahren Prozessgegenstand. Es ist dagegen nicht zu beurteilen, ob die Staatsanwaltschaft zu Recht eine Nichtanhandnahmeverfügung erlassen hat. 5.5.4 Schliesslich lässt sich auch nicht behaupten, die Staatsanwaltschaft Zürich habe ausserhalb der strafprozessualen Vorschriften im Sinne einer "entraide sauvage" (vgl. dazu POPP, a.a.O., Rz. 90 und 530) Informationen ans Ausland übermittelt. Ausgangspunkt des Verfahrens war eine Meldung der CS AG an die Meldestelle für Geldwäscherei. Die Meldestelle ihrerseits benachrichtigte die Staatsanwaltschaft Zürich, wozu sie rechtlich BGE 140 IV 123 S. 132 verpflichtet war. Nach Art. 23 Abs. 4 lit. b des Bundesgesetzes vom 10. Oktober 1997 über die Bekämpfung der Geldwäscherei und der Terrorismusfinanzierung im Finanzsektor (Geldwäschereigesetz, GwG; SR 955.0) erstattet die Meldestelle der zuständigen Strafverfolgungsbehörde unverzüglich Anzeige, wenn sie den begründeten Verdacht schöpft, dass Vermögenswerte aus einem Verbrechen herrühren. Die Staatsanwaltschaft Zürich war somit aufgrund einer gesetzlich zwingend vorgesehenen Anzeige rechtmässig mit der Sache befasst. Der von GLUTZ VON BLOTZHEIM geäusserte Einwand, Art. 67a IRSG enthalte keinen Hinweis auf die Datenbeschaffung, weshalb diese nicht unabhängig von einer schweizerischen Strafuntersuchung und direkt gestützt auf Art. 67a IRSG zulässig sei, läuft damit ins Leere. Die "Datenbeschaffung" der Staatsanwaltschaft Zürich findet ihre Grundlage vorliegend nicht in Art. 67a IRSG , sondern in Art. 23 Abs. 4 lit. b GwG . 5.5.5 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Staatsanwaltschaft Zürich durch die unaufgeforderte Übermittlung von Informationen Art. 67a IRSG nicht verletzt hat. Eine sich an Sinn und Zweck orientierende Auslegung dieser Bestimmung ergibt, dass die darin enthaltenen Hinweise auf eine Strafuntersuchung bzw. ein Strafverfahren in der Schweiz nicht generell im Sinne einer unabdingbaren Voraussetzung für die unaufgeforderte Übermittlung zu verstehen sind. Entscheidend ist nach dem Ausgeführten insbesondere, dass die Staatsanwaltschaft Zürich aufgrund einer gesetzlichen Meldepflicht rechtmässig mit der Sache befasst war und von einem hinreichenden Tatverdacht ausgehen durfte. Die Informationen waren zudem geeignet, Kolumbien zu ermöglichen, ein Rechtshilfeersuchen an die Schweiz zu stellen ( Art. 67a Abs. 5 IRSG ). Ob die Staatsanwaltschaft gestützt auf die betreffenden Angaben gehalten gewesen wäre, eine Untersuchung zu eröffnen, ist nach dem Ausgeführten nicht zu beurteilen. Die Rüge der Beschwerdeführer, aufgrund der Nichtanhandnahmeverfügung sei die unaufgeforderte Übermittlung von Informationen an die kolumbianischen Strafverfolgungsbehörden und eine darauf gestützte Rechtshilfe gesetzeswidrig, ist unbegründet.
de
7e71348b-3f8b-4567-8583-f11c3b45e2e6
Sachverhalt ab Seite 119 BGE 141 V 119 S. 119 A. A.a Die am 1. Mai 2003 errichtete Stiftung N. (ab 21. Oktober 2005: BVG-Sammelstiftung der N.; nachfolgend: Stiftung) wurde 2003 im Handelsregister des Kantons Zug eingetragen und bezweckte die Durchführung jeglicher Form der beruflichen Vorsorge. Mit einer Verwaltungsvollmacht für Finanzintermediäre vom 19. September BGE 141 V 119 S. 120 2003 räumte sie der M. AG das Recht ein, die unter der Stammnummer ... bei der V. AG deponierten Vermögenswerte ohne jede Einschränkung zu verwalten. Am 12. Februar 2004 räumte die Stiftung der M. AG eine weitere umfassende Verwaltungsvollmacht für Finanzintermediäre ein. Diesmal betraf es Vermögenswerte unter der Stammnummer ... bei der V. AG, wobei die Kontogruppe auf dem Formular näher mit "Rubrik: R. AG" bezeichnet wurde. Einziger Verwaltungsrat der M. AG ist seit 1996 A. A.b Am 14. Juli 2006 bzw. 2. August 2006 verfügte das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) als Aufsichtsbehörde die Suspendierung aller acht amtierenden Stiftungsräte und bestimmte O. und P. als interimistische Stiftungsräte. P. erstattete am 17. August 2006 beim Untersuchungsrichteramt Zug Strafanzeige gegen B. (seit der Gründung Stiftungsratspräsident) und E. (Stiftungsrat seit 15. April 2004) sowie allenfalls weitere Personen wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung und Veruntreuung von Vermögenswerten. Mit Verfügung vom 1. September 2006 ordnete das BSV die Aufhebung der Stiftung sowie die Amtsenthebung der suspendierten Stiftungsräte an und setzte die interimistischen Stiftungsräte als Liquidatoren ein. Auf Gesuch der Stiftung hin richtete der Sicherheitsfonds BVG (nachfolgend: Sicherheitsfonds) zur Sicherstellung gesetzlicher Leistungen einen Vorschuss von Fr. 33'000'000.- aus (Verfügung vom 26. Dezember 2006). In der Folge trat der Sicherheitsfonds in die Ansprüche gegenüber 13 (natürlichen und juristischen) Personen ein - darunter A. - und liess sich von der Stiftung sämtliche Ansprüche, die dieser gegenüber denselben 13 Personen allenfalls noch zustanden, abtreten (Erklärung vom 13. Dezember 2010 und Abtretungsvereinbarung vom 14./16. Dezember 2010). Am 15. August 2007 reichte die Stiftung in Liquidation beim Eidgenössischen Finanzdepartement gegen die Schweizerische Eidgenossenschaft ein Schadenersatzbegehren in der Höhe von Fr. 33'000'000.- zuzüglich Zins seit 28. Dezember 2006 und unter Vorbehalt der Nachklage für weiteren Schaden ein. B. B.a Am 17. Dezember 2010 erhob der Sicherheitsfonds beim Verwaltungsgericht des Kantons Zug Klage gegen folgende 13 Personen: B. (Stiftungsratspräsident, Beklagter 1), C. (Stiftungsrat, Beklagter 2), D. (Stiftungsrätin, Beklagte 3), E. (Stiftungsrat, Beklagter 4), F. (Stiftungsrat, Beklagter 5), G. (Stiftungsrat, Beklagter 6), BGE 141 V 119 S. 121 H. (Stiftungsrat, Beklagter 7), I. (Stiftungsrat, Beklagter 8), J. AG (Kontrollstelle, Beklagte 9), K. (BVG-Experte, Beklagter 10), L. GmbH (Buchhaltung, Beklagte 11), M. AG (Finanzdienstleisterin, Beklagte 12) und A. (alleiniger Verwaltungsrat der M. AG, Beklagter 13); mit folgenden Anträgen: 1. Die Beklagten 1-12 seien unter solidarischer Haftung je einzeln bis zur nachfolgend aufgeführten Höhe zu verpflichten, der Klägerin den Gesamtbetrag von CHF 30'000'000.- nebst Zins zu 5 % seit 01.06.2006 zu bezahlen; 2. Die Beklagten 1-4 seien unter solidarischer Haftung gemäss Ziff. 1 hievor je einzeln zu verpflichten, der Klägerin CHF 30'000'000.- nebst Zins zu 5 % seit 01.06.2006 zu bezahlen. 3. Die Beklagten 5-8 seien unter solidarischer Haftung gemäss Ziff. 1 hievor je einzeln zu verpflichten, der Klägerin CHF 6'401'254.- nebst Zins zu 5 % seit 01.06.2006 zu bezahlen. 4. Die Beklagte 9 sei unter solidarischer Haftung gemäss Ziff. 1 hievor zu verpflichten, der Klägerin CHF 9'571'254.- nebst Zins zu 5 % seit 01.06.2006 zu bezahlen. 5. Der Beklagte 10 sei unter solidarischer Haftung gemäss Ziff. 1 hievor zu verpflichten, der Klägerin CHF 9'571'254.- nebst Zins zu 5 % seit 01.06.2006 zu bezahlen. 6. Die Beklagte 11 sei unter solidarischer Haftung gemäss Ziff. 1 hievor zu verpflichten, der Klägerin CHF 9'571'254.- nebst Zins zu 5 % seit 01.06.2006 zu bezahlen. 7. Die Beklagte 12 sei unter solidarischer Haftung gemäss Ziff. 1 hievor zu verpflichten, der Klägerin CHF 20'399'230.- nebst Zins zu 5 % seit 01.06.2006 zu bezahlen. 8. Der Beklagte 13 sei unter solidarischer Haftung gemäss Ziff. 1 hievor zu verpflichten, der Klägerin CHF 30'000'000.- nebst Zins zu 5 % seit 01.06.2006 zu bezahlen. 9. (Kostenfolgen) Dabei wies der Sicherheitsfonds darauf hin, dass mit der Klage lediglich ein Teilschaden geltend gemacht werde. Die Nachklage über den restlichen Schaden bleibe ausdrücklich vorbehalten. Im Prozessverlauf passte er sodann seine Klageanträge insoweit an, als er in Ziffer 1 (und betreffend die Kostenfolgen) neu die Beklagten 1-13 aufführte. B.b Das Verwaltungsgericht des Kantons Zug, Sozialversicherungsrechtliche Kammer, hiess die Klage mit Entscheid vom 21. Januar 2014 gut und verpflichtete die Beklagten zu folgenden Zahlungen: BGE 141 V 119 S. 122 a) Die Beklagten 1-13 haben der Klägerin unter solidarischer Haftung je einzeln bis zur nachfolgend aufgeführten Höhe in den Buchstaben b) bis h) den Gesamtbetrag von CHF 30'000'000.- nebst Zins zu 5 % seit 1. Juni 2006 zu bezahlen. b) Die Beklagten 1, 2, 3 und 4 haben, unter solidarischer Haftung gemäss Buchstabe a) hievor, der Klägerin je einzeln CHF 30'000'000.- nebst Zins zu 5 % seit 1. Juni 2006 zu bezahlen. c) Der Beklagte 5 hat, unter solidarischer Haftung gemäss Buchstabe a) hievor, der Klägerin CHF 4'600'000.- nebst Zins zu 5 % seit 1. Juni 2006 zu bezahlen. d) Der Beklagte 6 hat, unter solidarischer Haftung gemäss Buchstabe a) hievor, der Klägerin CHF 3'600'000.- nebst Zins zu 5 % seit 1. Juni 2006 zu bezahlen. e) Der Beklagte 7 hat, unter solidarischer Haftung gemäss Buchstabe a) hievor, der Klägerin CHF 6'401'254.- nebst Zins zu 5 % seit 1. Juni 2006 zu bezahlen. f) Der Beklagte 8 hat, unter solidarischer Haftung gemäss Buchstabe a) hievor, der Klägerin CHF 3'900'000.- nebst Zins zu 5 % seit 1. Juni 2006 zu bezahlen. g) Die Beklagten 9, 10 und 11 haben, unter solidarischer Haftung gemäss Buchstabe a) hievor, der Klägerin je einzeln CHF 9'130'000.- nebst Zins zu 5 % seit 1. Juni 2006 zu bezahlen. h) Die Beklagten 12 und 13 haben, unter solidarischer Haftung gemäss Buchstabe a) hievor, der Klägerin je einzeln CHF 19'034'230.39 nebst Zins zu 5 % seit 1. Juni 2006 zu bezahlen. C. Hiegegen reicht A. Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ein und beantragt, der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zug vom 21. Januar 2014 sei aufzuheben und es sei die Klage vom 17. Dezember 2010 abzuweisen. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. In verfahrensrechtlicher Hinsicht verlangt er, der Beschwerde sei die aufschiebende Wirkung zu erteilen. D. Mit Verfügung vom 26. Mai 2014 hat die Instruktionsrichterin der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkannt. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut. Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Der Beschwerdeführer wird - gleich wie die M. AG (vgl. BGE 141 V 112 ) - gestützt auf Art. 56a BVG ins Recht gefasst. Er macht geltend, ausschliesslich als deren Organ gehandelt und nicht BGE 141 V 119 S. 123 persönlich in einem Auftragsverhältnis zur Stiftung gestanden zu haben. 3.1 Für die Geschäftsorganisation der Stiftung war der Umstand charakteristisch, dass zahlreiche Aufgaben an Dritte delegiert wurden: Bereits in der Stiftungsurkunde wurde die Q. AG als technische Verwalterin bezeichnet. Bei dieser am 24. März 2003 gegründeten Gesellschaft mit Sitz an der gleichen Adresse wie die Stiftung sassen die Beklagten 1-3 von Beginn weg im Verwaltungsrat. Am 22. Dezember 2003 stiess der Beklagte 4 dazu. Mit Leistungsauftrag 1.0 vom 15. Juni 2004 - rückwirkend per 1. Januar 2004 - übertrug die Stiftung die vollständige unternehmerische und fachliche Führung, inkl. derjenigen der in ihr zusammengeschlossenen Vorsorgewerke, auf die Q. AG. Die übertragenen Aufgaben umfassten die fachliche, organisatorische und technische Betreuung der bestehenden Kunden, das ordnungsgemässe administrative und buchhalterische Führen der einzelnen Versicherten- und Rentnerbestände sowie die Führung der dazugehörenden Kassen (Vorsorgewerke), das ordnungsgemässe administrative und buchhalterische Führen der Stiftung und der Stiftungsbuchhaltung inklusive aller notwendigen periodischen Abschlussarbeiten sowie die Kommunikation mit den Aufsichtsorganen und den staatlichen Stellen. Noch am gleichen Tag, d.h. am 15. Juni 2004, übertrug die Q. AG mit Leistungsauftrag 1.1 - ebenfalls rückwirkend auf den 1. Januar 2004 - die unternehmerische und fachliche Führung der Stiftung vollständig weiter an die R. AG, mit Sitz an der identischen Adresse wie die Stiftung und die Q. AG. Als Verwaltungsräte der R. AG amteten u.a. die Beklagten 1 (ab 15. Dezember 2000), 2 (ab 25. Januar 2002) und 4 (ab 18. Mai 2005). Der von ihr zu erfüllende Aufgabenkatalog entsprach dabei praktisch wörtlich demjenigen, der zuvor der Q. AG übertragen worden war. Die Buchhaltung der Stiftung wurde indessen weder von der Q. AG noch von der R. AG ausgeführt. Diese Aufgabe übernahm die Beklagte 11. Ebenfalls am 15. Juni 2004 unterzeichnete die Stiftung zwei Agenturverträge mit der R. AG. Diese wurde darin - rückwirkend auf den 1. Januar 2004 - mit der Akquisition von Neukunden beauftragt. Am 8. Januar 2004 schloss die Stiftung mit der S. Ltd., ansässig in T., einen Vermögensverwaltungsauftrag - rückwirkend auf den 1. November 2003 - ab. Dieser unterlag folgenden Einschränkungen: Die Verwaltungshandlungen waren im Rahmen des vorhandenen BGE 141 V 119 S. 124 Anlagereglements der Stiftung vom 7. April 2003 vorzunehmen. Die S. Ltd. durfte keine Vermögensverwaltungsaktivitäten entfalten, ohne dass das Deckungskapital jederzeit zu 100 % abgesichert war, bzw. nur solche Geschäfte abschliessen, welche eine Wertverminderung des Deckungskapitals ausschlossen. Dazu wurde ausdrücklich festgehalten, dass das Deckungskapital jederzeit im Besitz der Stiftung verblieb. Die beauftragte Vermögensverwalterin war auch nicht berechtigt, zur Verwaltung anvertraute Vermögenswerte an sich selbst oder an Dritte zu überweisen bzw. ausliefern zu lassen. Schliesslich wurde klargestellt, dass auf das noch zu definierende Bankkonto, auf welchem das Deckungskapital zu deponieren war, ausschliesslich Organe der Stiftung Zugriff haben durften. Der S. Ltd. wurden über die im Vertrag eingeräumten Rechte hinaus keine weiteren Rechte an den Vermögenswerten auf dem Bankkonto eingeräumt. Anfangs Juni 2004 schloss die Stiftung einen (weiteren) umfassenden Vermögensverwaltungsauftrag - ebenfalls rückwirkend auf den 1. November 2003 - mit der U. AG ab, welcher die Beklagten 4 und 13 als Verwaltungsräte angehörten. Der Auftrag war mit Blick auf das weitgehende freie Ermessen und die zu beachtenden Einschränkungen identisch abgefasst wie der zuvor erwähnte Vertrag mit der S. Ltd. Ein wesentlicher Unterschied bestand darin, dass im Vertrag ein Bankkonto (Haupt-Nr. ...) bei der V. AG vordefiniert wurde. Am 16. Juni 2005 verlegte die U. AG ihren Sitz an die gleiche Adresse wie die Stiftung, die Q. AG und die R. AG. Mit einer Verwaltungsvollmacht für Finanzintermediäre vom 19. September 2003 räumte die Stiftung der Beklagten 12 das Recht ein, die unter der Stammnummer ... bei der V. AG deponierten Vermögenswerte ohne jede Einschränkung zu verwalten. Am 12. Februar 2004 räumte die Stiftung der Beklagten 12 erneut eine umfassende Verwaltungsvollmacht für Finanzintermediäre ein. Diesmal betraf es die Konti unter der Stammnummer ... bei der V. AG. Die Kontogruppe wurde auf dem Formular näher mit "Rubrik: R. AG" bezeichnet. 3.2 Mit BGE 141 V 112 E. 5.2.2 S. 116 vom heutigen Tag bestätigte das Bundesgericht das vom kantonalen Gericht angenommene Auftragsverhältnis zwischen der Stiftung und der M. AG. Das wiederholte Tätigwerden im Interesse der Stiftung, die Art der von dieser in Anspruch genommenen Dienstleistungen, die gewichtige Vertrauensstellung und der in zeitlicher Hinsicht offene Rahmen würden gegen BGE 141 V 119 S. 125 blosse Gefälligkeitshandlungen sprechen. Wenn auch Zahlungsaufträge (zu Lasten der Konten der Stiftung bei der V. AG) nur vereinzelt weitergeleitet worden seien, ändere dies nichts am Gesamtbild einer über längere Zeit anhaltenden Geschäftsbeziehung. Es komme nicht allein auf die Häufigkeit der einzelnen Leistungen an. Vielmehr sei auch auf die Bedeutung und Intensität der Unterstützung abzustellen. Diese liessen nicht auf Uneigennützigkeit und reine Gelegenheit schliessen. Dass keine Vergütung abgemacht worden sei, wie die M. AG behaupte, nach den überzeugenden Erwägungen der Vorinstanz jedoch wenig glaubhaft sei, spiele für das Zustandekommen eines Auftrags keine Rolle. 3.3 Der Beschwerdeführer selber stand in keinem Vertragsverhältnis mit der Stiftung. Er mag der (physische) Verfasser verschiedener Erklärungen sein, welche die M. AG - u.a. nach Vorgabe des Beklagten 4 - abgegeben hat (vgl. BGE 141 V 112 E. 5.3 S. 117). Indes agierte er nie persönlich resp. in eigenem Namen, sondern stets für die M. AG oder - in anderem Kontext - für eine andere Unternehmung des Firmenkonglomerats rund um die Stiftung (vgl. E. 3.1 vorne und E. 3.4 nachfolgend). So hat denn auch die Vorinstanz für das Bundesgericht verbindlich festgestellt (nicht publ. E. 1.1), dass der Beschwerdeführer immer in seiner Eigenschaft als einziger Verwaltungsrat für die Beklagte 12 gehandelt hat. Mithin nahm er keine Aufgabe im Bereich der beruflichen Vorsorge wahr, womit ein Anspruch gemäss Art. 56a Abs. 1 BVG entfällt, ausser es wäre ein Haftungsdurchgriff möglich. 3.4 Der Haftungsdurchgriff ist nach Schweizer Recht ein Anwendungsfall des Rechtsmissbrauchsverbots ( BGE 128 III 346 E. 3.1.4 S. 349 mit Hinweis auf BGE 121 III 319 E. 5a/aa S. 321). Ein solcher (Anwendungsfall) lässt sich in concreto nicht ausmachen: Die M. AG wurde bereits im Jahr 1996 gegründet. Sie war seit jeher im Finanzbereich tätig und befand sich in Wartestellung, die "eigentliche" Vermögensverwaltung der Stiftung zu übernehmen (vgl. BGE 141 V 112 E. 5.2.2 S. 116). Wie sich aus den Akten ergibt, verkaufte sie zwar am 27. August 2003 die Aktien der U. AG u.a. an den Beklagten 4, wobei der Beschwerdeführer bis 18. November 2004 noch in deren Verwaltungsrat blieb. Am 4. Juni 2004 unterzeichnete er in dieser Funktion zusammen mit dem Beklagten 4 für die U. AG einen Vermögensverwaltungsauftrag mit der Stiftung, in welchem das Bankkonto mit der Haupt-Nr. ... bei der V. AG BGE 141 V 119 S. 126 vordefiniert und festgehalten wurde, dass das Deckungskapital zu jeder Zeit im Besitz der Stiftung verbleibt. Allein gestützt auf diese (vertraglichen) Gegebenheiten lässt sich jedoch nicht sagen, der Beschwerdeführer habe die M. AG dafür instrumentalisiert, um sich einer allfälligen berufsvorsorgerechtlichen Verantwortung zu entziehen. Aus dem vorinstanzlichen Entscheid ergeben sich keine gegenteiligen Anhaltspunkte. 3.5 Nach dem Gesagten hat der Beschwerdeführer selber keine Aufgabe im Bereich der beruflichen Vorsorge wahrgenommen und der Sicherheitsfonds kann sich zur Begründung seines auf Art. 56a Abs. 1 BVG gestützten Anspruchs - anders als gegenüber der M. AG - nicht auf einen zwischen der Stiftung und dem Beschwerdeführer abgeschlossenen Vertrag berufen (vgl. BGE 135 V 373 E. 3.4 S. 381). Der Vollständigkeit halber sei jedoch auf Folgendes hingewiesen: Nachdem sich das Strafverfahren (vgl. Sachverhalt lit. A.b), wie von der Vorinstanz für das Bundesgericht verbindlich festgestellt (nicht publ. E. 1.1), nebst den Beklagten 1 und 4 auch gegen den Beschwerdeführer richtet und dieser erstinstanzlich durch das Zuger Strafgericht verurteilt worden ist, kann es durchaus sein, dass der Sicherheitsfonds den Beschwerdeführer aus Delikt in Anspruch nehmen kann. Für die Beurteilung dieses Streits ist indessen nicht der Berufsvorsorgerichter zuständig (vgl. Art. 73 Abs. 1 lit. c und d BVG ).
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) entsteht der Rentenanspruch in der Invalidenversicherung nicht am nächsten Monatsbeginn nach Eintritt des anspruchsbegründenden Sachverhaltes, sondern gleich am Tage dieses Ereignisses. - Sowohl in der AHV als auch in der Invalidenversicherung entsteht der Rentenanspruch von Gesetzes wegen. Die Kassenverfügung hat nicht konstitutiven Charakter. Sachverhalt ab Seite 158 BGE 101 V 157 S. 158 A.- Marguerite Romann, Ehefrau des 1909 geborenen Robert Romann, erreichte im August 1971 das 62. Altersjahr, weshalb ihr die Ausgleichskasse des Kantons Zürich am 9. September 1971 verfügungsweise mitteilte, sie erhalte vom 1. September 1971 hinweg eine einfache Altersrente. Am 6. März 1972 eröffnete die Ausgleichskasse Robert Romann, der damals schon seit mehreren Jahren eine Invalidenrente der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) bezog, mit einer neuen Verfügung, dass ihm seit dem 1. Mai 1971 eine ganze Ehepaar-Invalidenrente zustehe. Schliesslich eröffnete die SUVA dem heute am Recht stehenden Versicherten mit Verfügung vom 18. Mai 1973 folgendes: Vergleiche man sein aus der SUVA-Rente, der Rente der Invalidenversicherung von Fr. 1'200.-- und dem Eigenverdienst bestehendes Gesamteinkommen mit dem ohne Invalidität mutmasslich erzielbaren Verdienst, so ergebe sich eine Überversicherung, welche das Rentenguthaben gegenüber der SUVA übersteige. Die Zahlung der SUVA-Rente werde daher ab 1. Juni 1973 eingestellt. B.- Gegen diese Verfügung liess Robert Romann am 17. Oktober 1973 beim Versicherungsgericht des Kantons Zürich "Klage" erheben mit dem Antrag, die SUVA sei zu verpflichten, ihm auch nach dem 1. Juni 1973 die Rente auszurichten. Zur Begründung wurde unter anderem vorgebracht: Die im Betrag von Fr. 1'200.-- enthaltene einfache Altersrente der Ehefrau dürfe gemäss Art. 39bis Abs. 3 lit. b IVV nicht angerechnet werden. Obschon mit Wirkung ab 1. Mai 1971 zugesprochen, sei der Anspruch auf die ganze Ehepaar-IV-Rente erst entstanden, als die Ausgleichskasse des Kantons Zürich am 6. März 1972 die entsprechende Verfügung erlassen habe. Vorher habe der Beschwerdeführer keine "rechtliche Berechtigung" auf die Ehepaar-IV-Rente gehabt. Somit sei die Altersrente der Ehefrau im Sinne der zitierten Verordnungsbestimmung vor Entstehung der Ehepaar-IV-Rente entstanden ... BGE 101 V 157 S. 159 Das kantonale Versicherungsgericht wies die Beschwerde ab: Die Ehepaar-IV-Rente sei zu dem Zeitpunkt entstanden, da der Anspruch begonnen habe. Dies sei am 1. Mai 1971 der Fall gewesen. Somit dürfe bei der Ermittlung der Überversicherung die ganze Ehepaar-IV-Rente von Fr. 1'200.-- angerechnet werden. C.- Gegen diesen Entscheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtsbeschwerde, mit welcher der Antrag erneuert wird, es sei die einfache Altersrente der Ehefrau bei der Beurteilung, ob Überversicherung bestehe, nicht anzurechnen. Der Beschwerdeführer begründet dies wiederum damit, dass die erwähnte Altersrente vor der Ehepaar-IV-Rente entstanden sei. Im Gegensatz zur Altersrente, die der Frau von Gesetzes wegen "automatisch" mit zurückgelegtem 62. Altersjahr zukomme, entstehe der Anspruch auf eine Ehepaar-IV-Rente erst dann, wenn diese von der Ausgleichskasse zugesprochen werde. Dies ergebe sich auch aus dem französischen Wortlaut von Art. 39bis Abs. 3 lit. b IVV , wo "Entstehen der Ehepaar-Invalidenrente" mit "octroi de la rente d'invalidité pour couple" übersetzt sei. "Octroi" bedeute Bewilligung bzw. Erteilung ... Die SUVA trägt auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an. Erwägungen Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 1. Streitig ist heute allein, ob die Altersrente der Marguerite Romann, die diese vom September 1971 hinweg bezogen hat, für die Frage nach der Kürzung der SUVA-Rente im Sinne von Art. 45 Abs. 1 IVG angerechnet werden muss. Nach Art. 45 Abs. 1 IVG werden die Renten der SUVA und der Militärversicherung gekürzt, soweit diese zusammen mit der Rente der Invalidenversicherung den entgangenen mutmasslichen Jahresverdienst übersteigen. Bei der Ermittlung, ob dies der Fall ist, darf gemäss Art. 39bis Abs. 3 lit. b nicht angerechnet werden der Betrag, den die Ehefrau des Versicherten "vor Entstehen der Ehepaar-Invalidenrente" als Invaliden- oder Altersrente unter Einschluss allfälliger Zusatzrenten bezogen hat. Es fragt sich, was unter dem Begriff "Entstehen der Ehepaar-Invalidenrente" zu verstehen ist. BGE 101 V 157 S. 160 Grundvoraussetzung für den Bezug von Versicherungsleistungen ist das Rechtsverhältnis des Versicherungsfalles. Vom Eintritt des Versicherungsfalles zu unterscheiden ist die Erfüllung des leistungsbegründenden Sachverhalts. Dieser umfasst alle jene Elemente, die in tatbeständlicher Hinsicht gegeben sein müssen, damit der Versicherungsfall überhaupt eintreten kann. Der Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles und jener der Erfüllung des anspruchsbegründenden Sachverhalts sind nicht ohne weiteres identisch. Mit andern Worten beinhaltet der leistungsbegründende Sachverhalt noch kein Rechtsverhältnis. Den Zeitpunkt, da dieses beginnt, umschreibt das Gesetz regelmässig in der Weise, dass es erklärt, wann der Leistungsanspruch "entsteht". Wenn in der Invalidenversicherung die Entstehung des Anspruchs auf eine Invalidenrente unabhängig von einem bestimmten Monatstag auf jenen Zeitpunkt festgelegt wird, da die erwerbliche Beeinträchtigung eine gewisse Intensität erreicht hat (vgl. Art. 29 Abs. 1 IVG ), so stimmen hier der Zeitpunkt des anspruchsbegründenden Sachverhalts und jener der Entstehung des Rechtsverhältnisses von Gesetzes wegen überein. Anders verhält es sich in der AHV, wo der Anspruch auf Alters- und Hinterlassenen-Rente nach dem gesetzlichen Wortlaut am ersten Tag des Monats "entsteht", der auf jenen Monat folgt, in welchem sich der anspruchsbegründende Sachverhalt (Erreichen des Rentenalters bzw. Tod des Ehemannes, des Vaters oder der Mutter) verwirklicht hat (vgl. Art. 21 Abs. 2, 22 Abs. 3, 23 Abs. 3, 25 Abs. 2 und 26 Abs. 2 AHVG; BGE 100 V 208 ). Der Anspruch auf eine Rente der AHV oder der Invalidenversicherung entsteht demnach von Gesetzes wegen, sobald nach Erfüllung des leistungsbegründenden Sachverhalts der Versicherungsfall eingetreten ist. Er besteht unabhängig von der Kassenverfügung und wird nicht erst durch diese begründet. Die Verfügung hat keinen konstitutiven Charakter. Mit ihr gewährt die Kasse nicht einen Rentenanspruch, sondern sie stellt lediglich fest, ob und allenfalls wann der Versicherungsfall sich verwirklicht hat. 2. Der Anspruch der Marguerite Romann auf die einfache Altersrente ist am 1. September 1971 entstanden, was unbestritten ist. Hinsichtlich der Ehepaar-IV-Rente hat die Ausgleichskasse wohl erst am 6. März 1972 verfügt. Dieser Verwaltungsakt hatte aber die rückwirkende Feststellung zum BGE 101 V 157 S. 161 Gegenstand, dass der Rentenanspruch am 1. Mai 1971 entstanden sei. War somit der Anspruch auf die einfache Altersrente der Ehefrau nach der Ehepaar-IV-Rente entstanden, so besteht kein Raum für die Anwendung von Art. 39bis Abs. 3 lit. b IVV .
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Über die Begriffe des Versicherungsfalls und des anspruchsbegründenden Sachverhalts. Bei der Witwenrente tritt der Versicherungsfall am Tage nach Ablauf des Todesmonats ein ( Art. 23 Abs. 3 AHVG ). Sachverhalt ab Seite 208 BGE 100 V 208 S. 208 A.- Am 5. Dezember 1972 verstarb der 1924 geborene Jean Humbert, der seit 1948 mit Gertrud Suter kinderlos verheiratet war. Mit Verfügung vom 20. März 1973 sprach die Ausgleichskasse der Uhrenindustrie der am 10. November 1928 geborenen Ehefrau eine Witwenabfindung zu. B.- Beschwerdeweise verlangte Gertrud Humbert-Suter, dass ihr anstelle der Witwenabfindung die ordentliche Witwenrente ausbezahlt werde. Das Versicherungsgericht des Kantons Bern hat die Beschwerde am 4. Juli 1973 abgewiesen: Es sei nicht nach altem, sondern nach dem am 1. Januar 1973 in Kraft getretenen neuen Recht (8. AHV-Revision) zu beurteilen, ob der Beschwerdeführerin eine Abfindung oder aber eine ordentliche Hinterlassenenrente zustehe. Auf Grund des Art. 23 Abs. 3 AHVG wäre ein allfälliger Rentenanspruch nämlich erst am 1. Januar 1973 entstanden. Damals sei aber das neurechtliche Erfordernis, dass die Witwe das 45. Altersjahr zurückgelegt habe, nicht erfüllt gewesen. C.- Mit der gegen diesen Entscheid erhobenen Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt Gertrud Humbert ihr Rentenbegehren wiederholen. Zur Begründung wird im wesentlichen vorgebracht: Das Gesetz stelle auf den Zeitpunkt der Verwitwung ab. Im Sozialversicherungsrecht von diesem klar definierten zivilrechtlichen Begriff abzuweichen, bestehe kein Anlass. Die Verschiebung des Rentenbeginns auf den Ersten des nächsten Monats stelle eine rein technische Massnahme BGE 100 V 208 S. 209 dar, die keine Auswirkungen auf den Zeitpunkt und den Begriff der Verwitwung habe. Hätte der Gesetzgeber das Datum des Rentenbeginns als massgebend erachtet, so hätte er dies im Gesetz gesagt. Massgebend sei daher im vorliegenden Fall der 5. Dezember 1972, weshalb altes Recht zur Anwendung gelange. Damals habe die Beschwerdeführerin das 40. Altersjahr bereits zurückgelegt gehabt, so dass ihr vom Januar 1973 hinweg eine Witwenrente zustehe. Die Ausgleichskasse und das Bundesamt für Sozialversicherung beantragen die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Erwägungen Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 1. Nach dem altrechtlichen Art. 23 Abs. 1 lit. b AHVG haben kinderlose Witwen dann Anspruch auf eine Hinterlassenenrente, wenn sie im Zeitpunkt der Verwitwung das 40. Altersjahr zurückgelegt haben und mindestens fünf Jahre verheiratet gewesen sind. Das hier festgelegte Mindestalter ist mit dem Inkrafttreten der 8. AHV-Revision am 1. Januar 1973 auf 45 Jahre hinaufgesetzt worden (vgl. den neurechtlichen Art. 23 Abs. 1 lit. d AHVG ). Der Anspruch auf Witwenrente entsteht - sowohl nach altem wie nach neuem Recht - am 1. Tag des dem Tode des Ehemannes folgenden Monats ( Art. 23 Abs. 3 AHVG ). Ob in einem Fall wie dem vorliegenden altes oder neues Recht angewandt werden muss, beurteilt sich nach dem Zeitpunkt, in welchem das Rechtsverhältnis des Versicherungsfalles als Grundvoraussetzung für den Bezug von Versicherungsleistungen entstanden ist (vgl. Rz. 8 der Rentenwegleitung). Vom Versicherungsfall zu unterscheiden ist die Erfüllung des leistungsbegründenden Sachverhalts. Dieser umfasst alle jene Elemente, die in tatbeständlicher Hinsicht gegeben sein müssen, damit der Versicherungsfall überhaupt eintreten kann. Der Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles und jener der Erfüllung des anspruchsbegründenden Sachverhalts sind nicht ohne weiteres identisch. Mit andern Worten beinhaltet der leistungsbegründende Sachverhalt noch kein Rechtsverhältnis. Den Zeitpunkt, da dieses entsteht, umschreibt das Gesetz regelmässig in der Weise, dass es erklärt, wann der Leistungsanspruch entsteht. Wenn in der Invalidenversicherung BGE 100 V 208 S. 210 beispielsweise die Entstehung des Anspruchs auf eine Invalidenrente unabhängig von einem bestimmten Monatstag auf jenen Zeitpunkt festgelegt wird, da die erwerbliche Beeinträchtigung eine gewisse Intensität erreicht hat (vgl. Art. 29 Abs. 1 IVG ), so stimmen hier der Zeitpunkt der Erfüllung des anspruchsbegründenden Sachverhalts und jener der Entstehung des Rechtsverhältnisses von Gesetzes wegen. überein. Dagegen bestimmt Art. 23 Abs. 3 AHVG implicite, dass der Anspruch auf Witwenrente nicht schon mit der Erfüllung des anspruchsbegründenden Sachverhalts, nämlich mit dem Tod des Ehemannes, sondern am Ersten des darauffolgenden Monats entsteht. Der Zeitpunkt, da sich der anspruchsbegründende Sachverhalt erfüllt, unterscheidet sich nach dem klaren gesetzlichen Wortlaut vom Zeitpunkt der Entstehung des Rentenanspruchs. Das Rechtsverhältnis des Versicherungsfalles entsteht hier - entgegen Rz. 9. der Rentenwegleitung - erst nach Ablauf des Todesmonats (Beschluss des Gesamtgerichts vom 18. September 1974). 2. Für die vorliegenden Belange ergibt sich daraus, dass der Versicherungsfall hinsichtlich des Rentenanspruchs nicht schon mit dem Tod des Versicherten am 5. Dezember 1972, sondern am 1. Januar 1973 eingetreten wäre. Auf diesen Zeitpunkt ist aber der revidierte Art. 23 Abs. 1 AHVG in Kraft getreten. Somit beurteilt sich nach neuem Recht, ob der Beschwerdeführerin eine Witwenrente zusteht. Da das neue Recht eine Hinterlassenenrente lediglich jenen kmderlosen Witwen zuerkennt, die bereits das 45. Altersjahr zurückgelegt haben, eine Voraussetzung, welche die Beschwerdeführerin am 1. Januar 1973 nicht erfüllte, steht ihr kein Rentenanspruch, sondern eine Abfindung gemäss Art. 24 AHVG zu.
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Erwägungen ab Seite 83 BGE 102 IV 83 S. 83 Aus den Erwägungen: 1. Der Beschwerdeführer wirft dem Obergericht vor, es habe bei den drei Betrugsfällen nicht berücksichtigt, dass nach dem psychiatrischen Gutachten der Grund seines Handelns "zumindest ebensosehr in tieferliegenden, persönlichkeitsbedingten, triebhaften Motiven" gelegen habe. Mit der Annahme, er habe sich auch von Bereicherungsabsicht leiten lassen, verletze die Vorinstanz das Gesetz; Schuldspruch wegen Betrugs setze voraus, dass der Täter bewusst die einzelnen Tatbestandsmerkmale verwirklicht habe. Das sei nicht der Fall, wenn er überwiegend aus triebhaften Motiven handle, denn dann fehle eine freie Verwirklichung der Bereicherungsabsicht. Das Bestehen einer "untergeordneten" Bereicherungsabsicht genüge nicht. In einer von der Vorinstanz wörtlich übernommenen Äusserung hat der Gutachter indessen nicht ein Überwiegen des triebhaften Handelns angenommen, sondern bloss festgestellt, dieses sei von zumindest gleich grosser Bedeutung wie die Bereicherungsabsicht gewesen. Dass die Vorinstanz trotzdem die Bereicherungsabsicht bejahte, verletzt das Gesetz nicht. Es genügt schon eine bloss mitgewollte oder in Kauf genommene Bereicherung. Voraussetzung ist, dass die Absicht des Täters selbst dann, wenn er die Bereicherung bloss für möglich hält, auf Erlangung des Vorteils gerichtet ist, er will die Bereicherung für den Fall, dass sie eintritt. Anders verhält es sich, wenn die Erlangung des Vorteils nur eine notwendige, dem BGE 102 IV 83 S. 84 Täter vielleicht gleichgültige oder gar unerwünschte Nebenfolge eines von ihm erstrebten andern Erfolges ist ( BGE 69 IV 80 , BGE 72 IV 125 , BGE 74 IV 45 , BGE 98 IV 66 , BGE 101 IV 207 ). Die Vorinstanz stellt in tatsächlicher Hinsicht und damit für den Kassationshof verbindlich fest ( Art. 277bis Abs. 1 BStP ), dass der Beschwerdeführer, der sich in prekärer finanzieller Lage befand, auch in Bereicherungsabsicht gehandelt hat, dass diese auf der Hand liege, auch wenn Geltungssucht mitgespielt haben möge. Der Vermögensvorteil war demnach für den Beschwerdeführer nicht bloss gleichgültige oder gar unerwünschte notwendige Folge seines Handelns. Die Bereicherungsabsicht war also mitbestimmend, was nach Art. 148 StGB genügt.
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Sachverhalt ab Seite 359 BGE 142 V 358 S. 359 A. A.a A. arbeitete vom 1. September 2004 bis 31. März 2005 bei der B. AG und war dadurch bei der Helvetia Sammelstiftung für Personalvorsorge (nachfolgend: Helvetia) berufsvorsorgeversichert. Am 29. Februar 2008 überwies die Helvetia der Personalvorsorgestiftung C. zugunsten von A. eine Austrittsleistung von Fr. 118'127.30. Diese gelangte daraufhin über die Pensionskasse D. und die Freizügigkeitsstiftung E. an die Bafidia Pensionskasse (nachfolgend: Bafidia), bei welcher A. aufgrund eines Arbeitsverhältnisses bei der F. AG inzwischen vorsorgeversichert ist. A.b Mit E-Mail vom 20. November 2014 gelangte die Helvetia an die Personalvorsorgestiftung C. Sie informierte diese, sie habe in einer Kontrolle festgestellt, dass sie A. am 1. April 2005 irrtümlich die Freizügigkeitsleistung eines anderen Mitarbeiters in der Höhe von Fr. 103'427.10 gutgeschrieben habe. Sie ersuchte um Besprechung des weiteren Vorgehens. In der Folge erfuhr die Helvetia, dass A. nicht mehr bei der Personalvorsorgestiftung C., sondern bei der BGE 142 V 358 S. 360 Bafidia vorsorgeversichert war. Dementsprechend informierte sie auch die Bafidia über den ihr unterlaufenen Fehler. Sie ersuchte die Bafidia um Rücküberweisung der irrtümlich eingebauten Freizügigkeitsleistung von Fr. 103'427.10 zuzüglich Zins (Schreiben vom 24. November 2014), worüber sie auch den Versicherten, mit welchem sie bereits zuvor telefonisch Kontakt gehabt hatte, in Kenntnis setzte. Die Bafidia stellte sich auf den Standpunkt, sie sei ohne Einwilligung des A. nicht befugt, den Betrag rückzuvergüten, und A. sehe keinen Rechtsgrund für eine Rückübertragung (E-Mail vom 12. Dezember 2014). Eine Einigung kam nicht zustande. B. Am 27. Januar 2015 erhob die Helvetia Klage mit dem Antrag, die Bafidia sei zu verpflichten, ihr Fr. 103'427.10 zu bezahlen, zuzüglich Zins zu 5 % seit 16. Januar 2015. A. wurde als Mitinteressierter zum Verfahren beigeladen. Mit Entscheid vom 6. Oktober 2015 wies das Versicherungsgericht des Kantons Aargau die Klage ab. C. Die Helvetia führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit den Rechtsbegehren, der kantonale Entscheid sei aufzuheben und die Bafidia zu verpflichten, ihr Fr. 103'427.10 zu bezahlen, zuzüglich Zins zu 5 % seit 16. Januar 2015. Eventualiter sei die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die Bafidia beantragt die Abweisung der Beschwerde. Der zum Verfahren beigeladene A. enthält sich eines formellen Antrags, schliesst aber sinngemäss ebenfalls auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. 3.1 Streitig und zu prüfen ist, ob die Helvetia von der Bafidia die Rückerstattung von Fr. 103'427.10, welchen Betrag sie dem Konto des A. am 1. April 2005 irrtümlich gutschrieb, verlangen kann. 3.2 Dabei steht fest, dass die Helvetia bis zum Ausscheiden des Versicherten grundsätzlich die Möglichkeit gehabt hätte, sein individuelles Konto um die irrtümliche Eintragung - die versehentlich erfolgte Gutschrift von Fr. 103'427.10 - zu berichtigen und damit den gesetzlichen Zustand wiederherzustellen (vgl. dazu auch BGE 130 V 414 ). BGE 142 V 358 S. 361 4. 4.1 Die Vorinstanz erwog, hinsichtlich der streitigen Rückerstattung stelle sich in erster Linie die Frage der Passivlegitimation der Bafidia. Nach der Rechtsprechung gemäss BGE 133 V 205 und BGE 141 V 197 sei der beigeladene Versicherte Gläubiger der irrtümlich gutgeschriebenen Freizügigkeitsleistung. Der eingeklagte Anspruch auf Rückerstattung des zu Unrecht gutgeschriebenen Betrags habe sich deshalb gegen ihn und nicht gegen die Beklagte zu richten. Die Beklagte verwalte das ihr anvertraute Vorsorgevermögen lediglich für Rechnung des Beigeladenen. Gestützt auf diese Überlegungen verneinte das kantonale Gericht die Passivlegitimation der Bafidia und wies die Klage ab. 4.2 Nach Auffassung der Helvetia bedarf die Frage, welche Partei bei der Rückforderung einer zu Unrecht überwiesenen Freizügigkeitsleistung zu belangen sei, höchstrichterlicher Klärung. Der von der Vorinstanz beigezogene BGE 141 V 197 betreffe einen ganz anderen Sachverhalt; aus dem Urteil lasse sich für die hier zu beurteilende Frage, ob Vorsorgeeinrichtungen Fehlbuchungen selbständig korrigieren dürfen oder dazu die Zustimmung des Versicherten brauchen, nichts ableiten. Die Helvetia macht geltend, Korrekturen von Fehlbuchungen müssten gestützt auf gesetzlich geregelte Tatbestände von Rückerstattungsansprüchen zwischen Vorsorgeeinrichtungen wie Art. 3 Abs. 1 und Art. 11 Abs. 2 FZG (SR 831.42) oder Art. 26 Abs. 4 BVG möglich sein. Die Vorsorgeeinrichtung sei die "Eigentümerin" der Freizügigkeitsleistung und damit passivlegitimiert, wobei der Versicherte selbstverständlich zur Stellungnahme aufgefordert und in einem Prozess beigeladen werden könne bzw. solle. Wenn die Bestimmungen des FZG eine genügende Rechtsgrundlage für die selbständige Rückforderung eines an eine andere Vorsorgeeinrichtung irrtümlich überwiesenen Guthabens bildeten, könne der Rückforderungsanspruch sich nicht nur gegen die direkt nachfolgende, sondern gegen jede Vorsorgeeinrichtung, welche die Freizügigkeitsleistung in diesem Zeitpunkt verwalte, richten. Auch die Verjährung stehe dem Anspruch nicht entgegen, weil Freizügigkeitsleistungen rechtsprechungsgemäss unverjährbar seien. 4.3 Die Bafidia stellt sich auf den Standpunkt, die Vorsorgeeinrichtung könne eine ihr unterlaufene Falschbuchung bei einem Alterskonto nur korrigieren, solange die versicherte Person noch bei ihr versichert sei. Mit der Überweisung an eine neue BGE 142 V 358 S. 362 Vorsorgeeinrichtung ändere sich dies. Die versicherte Person könne zwar nicht frei über ihr Sparguthaben verfügen, wenn nicht ein Barauszahlungsfall vorliege. Dennoch sei sie und nicht etwa die neue Vorsorgeeinrichtung alleinige Gläubigerin der Austrittsleistung. Die Vorinstanz habe deshalb zu Recht erkannt, dass sich der Rückforderungsanspruch gegen A. richten müsse. Im Übrigen sei es unverständlich, dass die Beschwerdeführerin den von ihr geltend gemachten Buchungsfehler aus dem Jahr 2005 erst im Jahr 2014 entdeckt habe. Derartige Fehler sollten korrigiert werden können, aber nicht zeitlich unbeschränkt, sondern innerhalb der von Art. 35a BVG gesetzten Fristen. 4.4 A. bringt vor, er sei im Vertrauen auf die seit 2008 ausgestellten Versicherungsausweise jeweils vom "korrekten Vorhandensein des entsprechenden Vorsorgeguthabens" ausgegangen; er habe zu keiner Zeit Anlass gehabt, an den Vorsorgeausweisen zu zweifeln. Es gehe nicht an, dass die Vorsorgeeinrichtung eigene, auf Unsorgfalt zurückzuführende Fehler nach so langer Zeit zulasten gutgläubiger Versicherter bereinige. 5. 5.1 Mit den Beiträgen, welche im Rahmen der beruflichen Vorsorge geleistet werden, wird für den Versicherten ein individuelles Vorsorgeguthaben - das Altersguthaben im Sinne von Art. 15 BVG - geäufnet. Dieses besteht gemäss Art. 15 Abs. 1 BVG aus den Altersgutschriften samt Zinsen für die Zeit, während welcher der Versicherte der Vorsorgeeinrichtung angehört hat, oder längstens bis zum Erreichen des ordentlichen Rentenalters (lit. a) und den Altersguthaben samt Zinsen, die von den vorhergehenden Einrichtungen überwiesen und dem Versicherten gutgeschrieben worden sind (lit. b). Die Vorsorgeeinrichtung muss für jeden Versicherten ein Alterskonto führen, aus dem das Altersguthaben nach Art. 15 Abs. 1 BVG ersichtlich ist (Art. 11 Abs. 1 der Verordnung vom 18. April 1984 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge [BVV 2; SR 831.441.1]). 5.2 Versicherte, welche eine Vorsorgeeinrichtung verlassen, bevor ein Vorsorgefall eintritt, haben Anspruch auf eine Austrittsleistung ( Art. 2 Abs. 1 FZG ), welche nach Art. 15 ff. FZG berechnet wird und mit dem Austritt aus der Vorsorgeeinrichtung fällig wird ( Art. 2 Abs. 3 FZG ; BGE 129 V 440 E. 4 S. 441). Entsprechend dem Ziel, den Vorsorgeschutz aufrechtzuerhalten, enthält das Gesetz die folgende Regelung: Treten Versicherte in eine BGE 142 V 358 S. 363 neue Vorsorgeeinrichtung ein, hat die frühere Vorsorgeeinrichtung die Austrittsleistung an die neue zu überweisen ( Art. 3 Abs. 1 FZG ). Versicherte, die nicht in eine neue Vorsorgeeinrichtung eintreten, haben ihrer Vorsorgeeinrichtung mitzuteilen, in welcher zulässigen Form (Freizügigkeitspolice oder -konto; Art. 10 Abs. 1 FZV [SR 831. 425]) sie den Vorsorgeschutz erhalten wollen ( Art. 4 Abs. 1 FZG ). Eine Mitwirkung der Versicherten ist insofern vorgesehen, als sie der Vorsorgeeinrichtung vor dem Austritt bekannt zu geben haben, an welche neue Vorsorgeeinrichtung oder an welche Freizügigkeitseinrichtung die Austrittsleistung zu überweisen ist ( Art. 1 Abs. 2 FZV ). Sodann bestimmt Art. 11 Abs. 2 FZG , dass die Vorsorgeeinrichtung die Austrittsleistung aus dem früheren Vorsorgeverhältnis sowie das Vorsorgekapital aus einer Form der Vorsorgeschutzerhaltung für Rechnung des Versicherten einfordern kann. Muss die frühere Vorsorgeeinrichtung Hinterlassenen- oder Invalidenleistungen erbringen, nachdem sie die Austrittsleistung an die neue Vorsorgeeinrichtung überwiesen hat, ist ihr diese Austrittsleistung so weit zurückzuerstatten, als dies zur Auszahlung der Hinterlassenen- oder Invalidenleistungen nötig ist ( Art. 3 Abs. 2 FZG ). 5.3 Die in E. 5.2 dargelegten Bestimmungen zeigen auf, dass die Übertragung oder Rückübertragung von Austrittsleistungen von einer Vorsorgeeinrichtung auf eine andere als technischer Vorgang unmittelbar unter den Vorsorgeeinrichtungen erfolgt. Eine Mitwirkung des Versicherten ist nur insofern vorgesehen, als er bei Beendigung des Vorsorgeverhältnisses anzugeben hat, was mit der zu diesem Zeitpunkt fällig werdenden Austrittsleistung zu geschehen hat: ob sie an eine neue Vorsorgeeinrichtung zu übertragen ist ( Art. 3 FZG ), ob der Vorsorgeschutz in anderer Form erhalten werden soll ( Art. 4 FZG ) oder ob ein Barauszahlungstatbestand vorliegt ( Art. 5 FZG ). Gestützt auf die Angaben des Versicherten erfolgt sodann in den hier allein interessierenden ersten beiden Fällen die direkte versicherungstechnische Abwicklung unter den Einrichtungen. 5.4 Ist die Austrittsleistung nach Art. 3 Abs. 1 FZG durch die bisherige Vorsorgeeinrichtung an die neue zu überweisen, so begründet dies nach der Rechtsprechung gemäss BGE 133 V 205 , auf welche sich der angefochtene Entscheid stützt, kein eigenes Forderungsrecht der neuen Vorsorgeeinrichtung. Diese kann nur Zahlung für den Vorsorgenehmer verlangen, mithin die Leistung auf Rechnung des Vorsorgenehmers einfordern. Es besteht kein BGE 142 V 358 S. 364 Gläubigerverhältnis zwischen der neuen und der alten Vorsorgeeinrichtung; vielmehr bleibt der Versicherte Gläubiger der Austrittsleistung ( BGE 133 V 205 E. 4.6 S. 212 mit Hinweisen; vgl. auch BETTINA KAHIL-WOLFF, in: Handkommentar zum BVG und FZG, Schneider/Geiser/Gächter [Hrsg.], 2010, N. 2 ff. zu Art. 11 FZG ). Diese Überlegungen führten im erwähnten BGE 133 V 205 E. 4.6 S. 211 f. zum Ergebnis, dass die Vorsorgeeinrichtung anders als bei einer Verletzung des Art. 5 Abs. 2 FZG bei einer nach Art. 5 Abs. 1 FZG unzulässigen Barauszahlung nicht riskiert, ein zweites Mal bezahlen zu müssen. Denn wenn sie ihre Leistung an den Vorsorgenehmer direkt statt an die neue Vorsorgeeinrichtung erbringt, leistet sie lediglich an eine falsche Zahlungsadresse. Die neue Vorsorgeeinrichtung könnte nur auf Rechnung des Versicherten diejenige Leistung einfordern, welche diesem gegenüber der bisherigen Vorsorgeeinrichtung zusteht. Der Versicherte aber hat keinen Anspruch mehr, nachdem er selber die falsche Zahlung veranlasst und die Austrittsleistung bereits erhalten hat; er kann weder für sich noch zuhanden seiner allfälligen neuen Vorsorgeeinrichtung die Leistung ein zweites Mal verlangen. Entgegen der Vorinstanz ergibt sich aus BGE 133 V 205 indessen nichts für den hier zu beurteilenden Fall, welcher die Rückforderung einer sich noch immer im Vorsorgekreislauf befindenden, irrtümlich erfolgten Gutschrift und damit einen ganz anders gelagerten Sachverhalt betrifft. Aus dem fehlenden Gläubigerverhältnis zwischen den Vorsorgeeinrichtungen allein lässt sich nicht bereits ableiten, dass die alte Vorsorgeeinrichtung sich für ihren Rückforderungsanspruch an den Versicherten halten müsse. Vielmehr ist zu prüfen, ob analog zum - unabhängig von einem Gläubigerverhältnis bestehenden - Einforderungsrecht der neuen Vorsorgeeinrichtung für Rechnung des Versicherten gemäss Art. 11 Abs. 2 FZG ein Rückforderungsrecht der alten Vorsorgeeinrichtung zu Lasten der Rechnung des Versicherten besteht. 5.5 Zu Unrecht stützt sich die Vorinstanz des Weitern auf BGE 141 V 197 , welcher Entscheid den speziell geregelten, hier nicht zur Diskussion stehenden Rückerstattungstatbestand des Art. 3 Abs. 2 FZG betrifft: In einem Fall, in welchem eine frühere Vorsorgeeinrichtung Invalidenleistungen erbrachte, nachdem sie die Austrittsleistung an eine Freizügigkeitseinrichtung überwiesen hatte, stellte sich die Frage, ob die leistungspflichtige Vorsorgeeinrichtung die Rückerstattung der Austrittsleistung erzwingen kann bzw. muss. Das Bundesgericht verneinte die Frage nach einer Auslegung der Bestimmung BGE 142 V 358 S. 365 des Art. 3 Abs. 2 FZG und verwies darauf, dass der Vorsorgeeinrichtung allein die Möglichkeit zustehe, die fehlende Rückerstattung mit einer Leistungskürzung zu sanktionieren ( Art. 3 Abs. 3 FZG ). 5.6 Nach dem Gesagten steht fest, dass sich die Frage der Passivlegitimation - entgegen dem angefochtenen Entscheid - gestützt auf die von der Vorinstanz beigezogene bisherige Rechtsprechung nicht beantworten lässt. 6. 6.1 Der Rückerstattungspflicht unterliegen zu Unrecht - d.h. ohne gesetzlichen oder bei nachträglich weggefallenem Grund - ausgerichtete Leistungen im Sinne der Art. 13 ff. BVG (vgl. RIEMER/RIEMER-KAFKA, Das Recht der beruflichen Vorsorge in der Schweiz, 2. Aufl. 2006, § 7 N. 88). Bis zum Inkrafttreten der 1. BVG-Revision waren zu Unrecht bezogene Leistungen nach reglementarischer Grundlage und beim Fehlen einer solchen subsidiär nach den Bestimmungen über die ungerechtfertigte Bereicherung ( Art. 62 ff. OR ) zurückzuerstatten ( BGE 130 V 414 E. 2 S. 417; BGE 128 V 50 ; vgl. auchULRICH MEYER, Die Rückerstattung von Sozialversicherungsleistungen, in: Ausgewählte Schriften, Thomas Gächter [Hrsg.], 2013, S. 141 ff., 161 f.). Mit der Einführung des Art. 35a BVG (vgl. dazu Botschaft vom 1. März 2000 zur Revision des Bundesgesetzes über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge [BVG], BBl 2000 2637 ff., 2692) wurde im BVG erstmals eine gesetzliche Grundlage für die Rückerstattung zu Unrecht bezogener Leistungen geschaffen: Nach Art. 35a BVG sind unrechtmässig bezogene Leistungen zurückzuerstatten. Von der Rückforderung kann abgesehen werden, wenn der Leistungsempfänger gutgläubig war und die Rückforderung zu einer grossen Härte führt (Abs. 1). Der Rückforderungsanspruch verjährt mit Ablauf eines Jahres, nachdem die Vorsorgeeinrichtung davon Kenntnis erhalten hat, spätestens aber mit Ablauf von fünf Jahren seit der Auszahlung der Leistung (Abs. 2 erster Satz). Art. 35a BVG ist auf die obligatorische und die weitergehende Vorsorge anwendbar ( Art. 49 Abs. 2 Ziff. 4 BVG ). 6.2 Die Bestimmung des Art. 35a BVG ist gegenüber anderen Rückerstattungstatbeständen des BVG abzugrenzen (wie z.B. Art. 53e BVG betreffend die Rückzahlung des Deckungskapitals bei Kündigung des Versicherungsvertrags zwischen Vorsorgeeinrichtung und Versicherer etc.). Sie bezieht sich nach ihrer Zielsetzung und BGE 142 V 358 S. 366 systematischen Stellung im 6. Kapitel, welches gemeinsame Bestimmungen für Vorsorgeleistungen im Sinne der Art. 13 ff. BVG enthält, auf Vorsorgeleistungen im engen Sinne, d.h. auf Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenrenten (KAHIL-WOLFF, a.a.O., N. 1 und 5 zu Art. 35a BVG ). 6.3 Freizügigkeitsleistungen dienen der Erhaltung des Vorsorgeschutzes und damit ebenso der beruflichen Vorsorge. Sie stellen indessen keine Leistungen im versicherungsrechtlichen und -technischen Sinne (wie Alters-, Hinterlassenen- oder Invalidenrenten) dar, sondern sind die erworbene Finanzierungsgrundlage für allfällig künftig entstehende Versicherungsleistungen ( BGE 127 V 315 E. 3b S. 318; HÜRZELER/BRÜHWILER, Obligatorische berufliche Vorsorge, in: Soziale Sicherheit, SBVR Bd. XIV, 3. Aufl. 2016, S. 2129 Rz. 168 und S. 2147 Rz. 221). Eine direkte Anwendung der Bestimmung des Art. 35a BVG auf sie fällt nicht in Betracht, weil eine entsprechende ausdrückliche Verweisung in Art. 25 FZG fehlt. Aus Gründen der Einheitlichkeit rechtfertigt es sich aber, für die Rückabwicklung von unrechtmässig erfolgten Überweisungen von Austrittsleistungen an eine neue Vorsorgeeinrichtung Art. 35a BVG analogieweise beizuziehen (vgl. KAHIL-WOLFF, a.a.O., N. 5 zu Art. 35a BVG ; RIEMER/RIEMER-KAFKA, a.a.O., § 7 N. 88). 6.4 Rückerstattungspflichtig gemäss Art. 35a Abs. 1 BVG ist der Leistungsempfänger, wie sich aus Satz 2 der Bestimmung ergibt. Die Rückerstattungspflicht trifft somit den Leistungsbezüger, gegebenenfalls seinen gesetzlichen Vertreter, und im Fall des Todes seine Erben. Auch Drittpersonen oder Behörden, an welche die Leistungen in rechtlich zulässiger Weise ausbezahlt worden sind, können unter Umständen rückerstattungspflichtig sein (z.B. bei Drittauszahlung von Kinderrenten; vgl. Art. 17 und 25 BVG ). Anders verhält es sich bei Drittpersonen (wie z.B. bei Banken), welche die Leistungen lediglich im Auftrag des Berechtigten als Inkasso- oder Zahlstelle entgegennehmen: Da diese keine Rechte und Pflichten (insbesondere keine Meldepflicht) aus dem Vorsorgeverhältnis haben, rechtfertigt es sich nicht, sie als rückerstattungspflichtig zu betrachten ( BGE 110 V 10 E. 2b S. 14 f.; KAHIL-WOLFF, a.a.O., N. 7 zu Art. 35a BVG ; MEYER, a.a.O., S. 146). Mit Blick auf die Rechte und Pflichten, welche die Vorsorgeeinrichtungen im Zusammenhang mit der Überweisung von Freizügigkeitsleistungen beim Aus- und Eintritt eines Versicherten haben (vgl. dazu E. 5.1-5.3 hiervor), kann die Vorsorgeeinrichtung, die eine Freizügigkeitsleistung eines neu bei ihr BGE 142 V 358 S. 367 eintretenden Versicherten entgegennimmt, nicht als blosse Inkasso- oder Zahlstelle betrachtet werden. Auch sie trifft damit grundsätzlich eine Rückerstattungspflicht, ebenso wie sämtliche weiteren Vorsorgeeinrichtungen, an welche eine entsprechende Freizügigkeitsleistung in der Folge übertragen wird. Rückerstattungspflichtig ist damit die Vorsorgeeinrichtung, bei welcher sich das Guthaben befindet. 6.5 Eine Anwendung dieser Grundsätze auf den hier zu beurteilenden Sachverhalt ergibt, dass eine Rückerstattungspflicht grundsätzlich auch die Bafidia trifft, welche als neue Vorsorgeeinrichtung die (diese beinhaltende) Austrittsleistung des Versicherten nach verschiedenen anderen (Vorsorge- und Freizügigkeits-)Einrichtungen bei seinem Eintritt entgegennahm. Damit ist die Passivlegitimation der Bafidia, entgegen dem angefochtenen Entscheid, zu bejahen. 7. 7.1 Gemäss Art. 35a Abs. 2 Satz 1 BVG verjährt der Rückforderungsanspruch mit Ablauf eines Jahres, nachdem die Vorsorgeeinrichtung davon Kenntnis erhalten hat, spätestens aber mit Ablauf von fünf Jahren seit der Auszahlung der Leistung. Bei der relativen einjährigen und der absoluten fünfjährigen Frist zur Geltendmachung des Rückforderungsanspruchs handelt es sich um Verjährungsfristen im obligationenrechtlichen Sinne ( BGE 142 V 20 E. 3.3 S. 25). Als solche können sie, im Unterschied zu Verwirkungsfristen, unterbrochen werden ( BGE 142 V 20 E. 2 S. 21 f.; BASILE CARDINAUX, Die Verjährung der Berufsvorsorgeleistungen: Eine Bestandesaufnahme und ein Ausblick, in: BVG-Tagung 2013, Aktuelle Fragen der beruflichen Vorsorge, Kieser/Stauffer [Hrsg.], 2014, S. 98; vgl. auch ANDRÉ PIERRE HOLZER, Verjährung und Verwirkung der Leistungsansprüche im Sozialversicherungsrecht, 2005, S. 72 ff.). 7.2 Zu welchem Zeitpunkt die Vorsorgeeinrichtung Kenntnis vom Rückforderungsanspruch erhalten hat, was für den Beginn der einjährigen relativen Verjährungsfrist entscheidend ist, kann offengelassen werden, weil der Anspruch jedenfalls zufolge Ablaufs der fünfjährigen absoluten Frist verjährt ist: Letztere Frist beginnt in dem Zeitpunkt zu laufen, in welchem die Vorsorgeeinrichtung, welche die irrtümliche Gutschrift vornahm, die (diese beinhaltende) Austrittsleistung an eine neue Vorsorge- oder eine Freizügigkeitseinrichtung überweist. Dies war hier am 29. Februar 2008 der Fall, als die Helvetia die Freizügigkeitsleistung des Beigeladenen an die BGE 142 V 358 S. 368 Personalvorsorgestiftung C. übertrug. Verjährungsunterbrechende Handlungen sind weder ersichtlich noch geltend gemacht. Als die Helvetia im November 2014 um Rückerstattung ersuchte, war ihr Anspruch mithin bereits verjährt. 7.3 Zusammenfassend ergibt sich, dass die von der Helvetia gegen die Bafidia am 27. Januar 2015 angehobene Klage auf Rückerstattung des A. irrtümlich gutgeschriebenen Betrages zufolge Verjährung abzuweisen ist. (...)
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3c6f8d42-55d8-4433-8d7d-2f69a80c52c3
Erwägungen ab Seite 39 BGE 139 III 38 S. 39 Aus den Erwägungen: 2. Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz habe das Ausweisungsbegehren zu Unrecht im summarischen Verfahren beurteilt und damit die Zivilprozessordnung verletzt. 2.1 Die beiden kantonalen Instanzen gingen davon aus, das Ausweisungsbegehren sei in der Grundform des summarischen Verfahrens nach Art. 248 lit. a und Art. 252-256 ZPO i.V.m. § 3 lit. f der Vollzugsverordnung des Kantons Schwyz zum Schweizerischen Obligationenrecht vom 25. Oktober 1974 (SRSZ 217.110; GS 16-549; nachfolgend: VVzOR/SZ) zu behandeln. Die Vorinstanz erwog, Art. 123 Abs. 1 BV begründe eine verpflichtende Gesetzgebungskompetenz mit nachträglich derogatorischer Wirkung. Soweit der Bund in einem Bereich, in welchem er zwar umfassend, aber mit nachträglich derogatorischer Wirkung zuständig ist, nicht abschliessend legiferiert habe, seien die Kantone zuständig geblieben, ohne dass es dazu einer Delegation durch das Bundesrecht bedürfe. Im Katalog von Art. 250 ZPO , welcher Angelegenheiten dem summarischen Verfahren zuweist, sei die Ausweisung von Mietern nicht aufgeführt. § 3 lit. f VVzOR/SZ sehe nun aber für die Ausweisung von Mietern und Pächtern generell das summarische Verfahren vor. 2.2 Der Beschwerdeführer beanstandet, diese Auffassung sei bundesrechtswidrig. Unter der Geltung der ZPO könne eine Ausweisung nur im summarischen Verfahren angeordnet werden, sofern die Voraussetzungen von Art. 248 lit. b i.V.m. Art. 257 ZPO erfüllt seien. Indem die Vorinstanz die Anwendbarkeit der Grundform des summarischen Verfahrens im Sinne von Art. 248 lit. a i.V.m. Art. 252-256 ZPO auf eine Mietausweisung aus kantonalem Recht ableite und BGE 139 III 38 S. 40 dabei auf das Erfordernis eines liquiden Sachverhalts verzichte, verletze sie Bundesrecht. Denn dieses verlange für eine im summarischen Verfahren verfügte Mieterausweisung einen klaren Fall im Sinne von Art. 257 ZPO ; fehle es an einem solchen, so könne sie nicht in einem Summarium angeordnet werden. 2.3 Nach Art. 248 ZPO ist das summarische Verfahren anwendbar: a. in den vom Gesetz bestimmten Fällen; b. für den Rechtsschutz in klaren Fällen; c. für das gerichtliche Verbot; d. für die vorsorglichen Massnahmen; und e. für die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Die beiden Vorinstanzen gingen davon aus, ein Gesetz im Sinne von Art. 248 lit. a ZPO könne auch ein kantonales Gesetz sein, das eine vom Bundeszivilrecht geregelte Materie wie die Mieterausweisung ins summarische Verfahren verweist. Die von der Vorinstanz zur Stützung dieser Auffassung zitierten Stellen belegen sie aber gerade nicht: weder der Expertenbericht zum Vorentwurf der ZPO (S. 125), der einzig von Zivilsachen spricht, die im kantonalen Privatrecht geregelt sind, noch die Kommentarmeinungen von KAUFMANN (in: Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Brunner et al. [Hrsg.], 2011, N. 3 zu Art. 248 ZPO ), der im Zusammenhang mit Gesetzen im Sinne von Art. 248 lit. b ZPO nur von Spezialgesetzen des Bundesprivatrechts sowie des kantonalen Privatrechts spricht; von GASSER/RICKLI (Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], 2010, N. 3 zu Art. 248 ZPO ), die kantonalrechtliche Zivilsachen aufführen, oder schliesslich von JENT-SØRENSEN (in: ZPO, Oberhammer [Hrsg.], 2010, N. 1 zu Art. 249 ZPO ), die sich auf "andere in kantonalen Erlassen oder in Spezialgesetzen des Bundes vorgesehene Klagen bzw. Gesuche" beschränkt. 2.4 Art. 249-251 ZPO weisen bestimmte Angelegenheiten des Zivilgesetzbuches, des Obligationenrechts und des SchKG dem summarischen Verfahren i.S. von Art. 248 lit. a ZPO zu. Diese Kataloge sind nicht abschliessend, worauf namentlich die jeweilige Verwendung der Formulierung, das summarische Verfahren gelte insbesondere für die aufgeführten Angelegenheiten, hinweist. Die Botschaft des Bundesrates hält dazu fest, das Gesetz bestimme den Geltungsbereich des summarischen Verfahrens im Wesentlichen selbst, doch könne sich die Anwendbarkeit auch aus einem anderen Bundesgesetz ergeben (BBl 2006 7349 Ziff. 5.17 zu Art. 244-247 E-ZPO). Während weitere, von der Vorinstanz nicht zitierte Kommentatoren ebenfalls davon ausgehen, nur das Bundesrecht könne die von ihm geregelten Materien dem summarischen Verfahren i.S. von Art. 248 lit. a ZPO BGE 139 III 38 S. 41 gesetzlich zuweisen (STEPHAN MAZAN, in: Basler Kommentar, Zivilprozessordnung, 2010, N. 2 zu Art. 248 ZPO ; BERNHARD RUBIN, in: Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Baker & McKenzie [Hrsg.], 2010, N. 5 zu Art. 248 ZPO ), wird soweit ersichtlich in der Lehre nirgends die Meinung vertreten, es sei auch dem kantonalen Recht freigestellt, dies zu tun. Vielmehr halten etwa HAUSER/SCHWERI/LIEBER (Kommentar zum zürcherischen Gesetz über die Gerichts- und Behördenorganisation im Zivil- und Strafprozess, 2012, N. 4 der Vorb. vor § 137 GOG; N. 4 zu § 140 GOG) ausdrücklich fest, es stehe den Kantonen nicht zu, weitere Geschäfte des Obligationenrechts dem summarischen Verfahren zuzuweisen. Für diese Ansicht spricht auch bereits der Umstand, dass an den wenigen Stellen, wo die ZPO den Kantonen eine Restkompetenz belässt, der Gesetzestext die Kantone bzw. das kantonale Recht ausdrücklich erwähnt (so u.a. in Art. 3, 4, 6, 7, 68 Abs. 2 lit. d, Art. 96, 116 Abs. 1 und Art. 218 Abs. 3 ZPO ). Die Frage braucht hier indessen nicht abschliessend geklärt zu werden, denn aus der Entstehungsgeschichte der Zivilprozessordnung ergibt sich eindeutig der spezifische Wille des Gesetzgebers, die Erwirkung einer Mieterausweisung in einem summarischen Verfahren einzig beim Vorliegen eines klaren Falles nach Massgabe von Art. 248 lit. b i.V.m. Art. 257 ZPO zu ermöglichen. 2.5 2.5.1 Vor der Vereinheitlichung des Zivilprozessrechts oblag es den Kantonen, die Verfahrensart für die Ausweisung von Mietern zu bestimmen ( BGE 119 II 141 E. 4b S. 145). Wegen der bundesrechtlichen Vorschrift von aArt. 274g OR war es den Kantonen allerdings nicht gestattet, für die Beurteilung von Ausweisungsgesuchen mehrere Behörden zu bezeichnen: Focht der Mieter eine ausserordentliche Kündigung wegen Zahlungsrückstands ( Art. 257d OR ) an und war gleichzeitig ein Ausweisungsverfahren anhängig, so hatte die für die Ausweisung zuständige Behörde auch über die Wirkung der Kündigung zu entscheiden (aArt. 274g Abs. 1 OR). Wandte sich der Mieter mit seinem Begehren an die Schlichtungsbehörde, so hatte diese das Verfahren an die Ausweisungsinstanz zu überweisen (aArt. 274g Abs. 3 OR; vgl. BGE 118 II 302 E. 4a S. 306 f.; WEBER, in: Basler Kommentar, 4. Aufl. 2011, N. 2 zu Art. 274g OR ). 2.5.2 Diese verfahrensrechtliche Regelung war Gegenstand intensiver Debatten in den parlamentarischen Beratungen der schweizerischen Zivilprozessordnung. Im Ständerat als Erstrat stellte Herr Ständerat Hoffmann (AB 2007 S 517) einen Antrag auf Aufnahme des BGE 139 III 38 S. 42 Ausweisungsverfahrens in den Katalog der im summarischen Grundverfahren zu behandelnden Angelegenheiten des Obligationenrechtes als neuen Art. 246 lit. b Ziff. 1 des bundesrätlichen Entwurfes (welcher Artikel schliesslich als Art. 250 ZPO Gesetz wurde). Er begründete dies damit, dass ansonsten die ZPO wegen der beabsichtigten Streichung von aArt. 274g OR in einem wesentlichen Punkt lückenhaft bleiben werde (AB 2007 S 519). Ständerat Hoffmann zog seinen Antrag zurück, nachdem Bundesrat Blocher im Ständerat versichert hatte, er werde selbst das Problem in die Kommission des Nationalrates hineintragen (AB 2007 S 521). In der ersten Lesung im Nationalrat wollte eine Minderheit die Verfahrensbestimmung von aArt. 274g OR in die ZPO überführen und die Ausweisung in den Katalog der im summarischen Grundverfahren zu behandelnden Angelegenheiten des Obligationenrechtes als Art. 246 lit. b Ziff. 0 des Entwurfes aufnehmen (AB 2008 N 968). Bundesrätin Widmer-Schlumpf erklärte hierzu, der Bundesrat und die Mehrheit der Nationalratskommission seien der Auffassung, dass diese Spezialbestimmung überflüssig werde, weil dem Vermieter nach Art. 253 des bundesrätlichen Entwurfes (welcher Artikel schliesslich als Art. 257 ZPO Gesetz wurde) in klaren Fällen der schnelle Rechtsschutz zur Verfügung stehe. Sie führte wörtlich aus (AB 2008 N 950): "Das Konzept ist einfach: Eindeutige Fälle gehen direkt zum Ausweisungsrichter, egal, ob es sich um eine ordentliche oder eine ausserordentliche Kündigung handelt. Nicht liquide Fälle hingegen beginnen bei der Schlichtungsbehörde. (...) Die mietrechtliche Sonderregelung von Art. 274g OR , welche in der Praxis doch einige Schwierigkeiten bereitet, wird durch eine gleichwertige allgemeine Regelung abgelöst." Der Minderheitsantrag wurde indessen mit 104 zu 61 Stimmen angenommen (AB 2008 N 951). Die ständerätliche Kommission hielt zuhanden der Differenzbereinigung an der Nichtaufnahme der Ausweisung in den Katalog der im summarischen Grundverfahren zu behandelnden Angelegenheiten des Obligationenrechtes fest (AB 2008 S 279). Nachdem Ständerat Hess seinen Antrag auf Zustimmung zum entgegengesetzten Beschluss des Nationalrates zurückgezogen hatte, blieb es bei der Nichtaufnahme in den Katalog (AB 2008 S 279). Der Nationalrat schloss sich in der Schlussberatung dem Beschluss des Ständerates mit 101 gegen 70 Stimmen an (AB 2008 N 1627, 1628). 2.5.3 Zusammenfassend hatte sich das Parlament somit dafür entschieden, die Verfahrensregelung gemäss aArt. 274g OR aufzuheben, BGE 139 III 38 S. 43 weil es der Ansicht war, dass das summarische Verfahren in der Variante nach Art. 257 ZPO - und nur in dieser - für die Gewährung von raschem Rechtsschutz in Ausweisungssachen ausreiche (HOHL, Procédure civile, Bd. II, 2. Aufl. 2010, S. 260 Rz. 1428 i.f.; vgl. ferner Zeitschrift für Walliser Rechtsprechung 2012, S. 248 f. sowie BOHNET, Le droit de bail en procédure civile suisse, in: 16 e Séminaire sur le droit du bail, Bohnet/Wessner [Hrsg.], 2010, S. 54 Rz 196-199). 2.6 Damit erweist sich die Rüge, die Vorinstanz habe durch Anwendung der Grundform des summarischen Verfahrens auf eine Mieterausweisung gestützt auf kantonales Recht Bundesrecht verletzt, als begründet. 3. Als Konsequenz der bundesrechtswidrigen Durchführung eines summarischen Verfahrens gestützt auf kantonales Recht hat die erste Instanz es unterlassen und die Vorinstanz ausdrücklich darauf verzichtet zu prüfen, ob es sich vorliegend um einen klaren Fall i.S. von Art. 248 lit. b ZPO handelt. Der angefochtene Entscheid ist damit aufzuheben und an die Vorinstanz zu neuer Entscheidung zurückzuweisen. Diese wird dabei zu beurteilen haben, ob die Voraussetzungen für die Anordnung der Ausweisung als klarer Fall gestützt auf Art. 257 Abs. 1 lit. a und b ZPO vorliegen und damit das Verfahren bundesrechtskonform im Summarium mit Sachurteil abgeschlossen werden kann oder ob nach Massgabe von Art. 257 Abs. 3 ZPO wegen Illiquidität auf das Gesuch nicht einzutreten ist.
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808d4c57-f096-4408-85ed-dcf8c52eee94
Sachverhalt ab Seite 97 BGE 116 IV 97 S. 97 A.- Am 31. Januar 1989, um 23.15 Uhr, fuhr K. mit seinem PW auf der Weidstrasse von Heiden Dorfzentrum in Richtung Weid. Er geriet auf der leicht ansteigenden asphaltierten BGE 116 IV 97 S. 98 Nebenstrasse bei guten Verhältnissen im Bereich einer Rechtskurve in einen links der Strasse angebrachten Eisenzaun. Am Zaun und am Fahrzeug entstand Sachschaden im Betrag von je ca. Fr. 1'000.--. K. fuhr nach Hause, ohne sich um den Schaden zu kümmern. Am 1. Februar 1989, um 9.10 Uhr, meldete der Geschädigte L. der Polizei den Schaden am Zaun. Aufgrund von Spuren und Aussagen von Nachbarn konnte K. noch am gleichen Vormittag als der fehlbare Fahrzeuglenker ausfindig gemacht werden. Da K. um ca. 11.00 Uhr, anlässlich der ersten Kontaktnahme, deutliche Anzeichen von Alkoholisierung (Alkoholgeruch) aufwies, musste er sich einem Alcotest unterziehen. Dieser verlief positiv. Die Analyse der ihm daraufhin abgenommenen Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 0,31 bis 0,41 Gew.-%o im Zeitpunkt der Blutentnahme und damit eine Blutalkoholkonzentration von mindestens 1,3 Gew.-%o zur Zeit der Fahrt. Bei Berücksichtigung des von K. anlässlich seiner Einvernahme durch das Verhöramt des Kantons Appenzell A.Rh. vom 22. Februar 1989 nachträglich geltend gemachten Nachtrunks von 50 bis 100 g Cognac ergibt sich, je nach Variante, eine durchschnittliche Blutalkoholkonzentration von 0,7 bis 1,0 Gew.-%o zur Zeit der Fahrt. B.- Das Obergericht von Appenzell A.Rh. sprach K. am 12. Dezember 1989 des Nichtbeherrschens des Fahrzeugs (Art. 31 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 90 Ziff. 1 SVG ), des pflichtwidrigen Verhaltens bei Unfall (Art. 51 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 92 Abs. 1 SVG ) sowie der Vereitelung einer Blutprobe ( Art. 91 Abs. 3 SVG ) schuldig und verurteilte ihn deswegen zu einer unbedingten Gefängnisstrafe von vier Wochen sowie zu einer Busse von Fr. 1'500.--. Es widerrief zudem den K. mit Strafverfügung des Verhöramtes von Appenzell A.Rh. vom 25. Juni 1987 gewährten bedingten Strafvollzug hinsichtlich einer Gefängnisstrafe von zwei Wochen wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand. C.- Der Verurteilte führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit den Anträgen, der Entscheid des Obergerichts von Appenzell A.Rh. vom 12. Dezember 1989 sei aufzuheben und die Sache zu seiner Freisprechung vom Vorwurf der Vereitelung einer Blutprobe, eventuell zur Gewährung des bedingten Strafvollzugs und zum Verzicht auf den Widerruf des ihm am 25. Juni 1987 gewährten bedingten Strafvollzugs an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Appenzell A.Rh. wurde zu einer Vernehmlassung zur Frage der Gewährung des bedingten BGE 116 IV 97 S. 99 Strafvollzugs eingeladen. Sie beantragt die Abweisung der Nichtigkeitsbeschwerde auch in diesem Punkt. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. b) Der Beschwerdeführer ist der Auffassung, dass ihm unter den gegebenen Umständen jedenfalls in bezug auf die neue Gefängnisstrafe von vier Wochen der bedingte Vollzug gewährt werden müsse. Die Vorinstanz hat nicht übersehen, dass der Beschwerdeführer sich nicht im Spezialrückfall befindet. Sie hat zutreffend ausgeführt, dass es sich aber bei der Vereitelung einer Blutprobe und dem Fahren in angetrunkenem Zustand um ähnliche Tatbestände handelt. Das gilt gerade in einem Fall der vorliegenden Art, in dem der Fahrzeuglenker zur Zeit der Fahrt bzw. des Unfalls unbestrittenermassen Alkohol im Körper hatte. Die Vorinstanz weist darauf hin, dass gemäss BGE 100 IV 194 f. ein genügender Grund für eine schlechte Prognose schon dann gegeben sei, wenn jemand nach einer früheren Verurteilung - auch unter Gewährung des bedingten Strafvollzugs - auf gleichem oder ähnlichem Gebiet erneut straffällig geworden ist. Diese Rechtsprechung ist indessen durch neueste Entscheide, gerade auch auf dem Gebiet des Fahrens in angetrunkenem Zustand, relativiert worden (siehe BGE 115 IV 81 , 85; vgl. auch STRATENWERTH, Strafrecht, Allg. Teil II, § 4 N 62 ). Das Obergericht hat entgegen einem Einwand in der Nichtigkeitsbeschwerde nicht ausser acht gelassen, dass nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (siehe BGE 107 IV 91 zu Art. 41 Ziff. 3 Abs. 2 StGB ) bei der Beurteilung der Bewährungsaussichten im Sinne von Art. 41 Ziff. 1 Abs. 1 StGB die zu erwartenden Wirkungen des angeordneten Vollzugs der zweiwöchigen Gefängnisstrafe gemäss Entscheid des Verhöramtes von Appenzell A.Rh. vom 25. Juni 1987 mitberücksichtigt werden müssen. Es erwartet aber vom Vollzug dieser kurzen zweiwöchigen Gefängnisstrafe allein keine dauernde Bewährung des Beschwerdeführers. Zur Begründung hält es fest, dass erstens die resozialisierende Wirkung von kurzen Freiheitsstrafen (bis zu drei Monaten) stark umstritten sei, dass zweitens zudem der automobilistische Leumund des Beschwerdeführers getrübt sei und dessen Verurteilung wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand im Zeitpunkt der Gegenstand des angefochtenen Entscheides bildenden Taten nur rund zwei Jahre zurückgelegen habe und dass drittens BGE 116 IV 97 S. 100 im vorliegenden Fall nicht unvorhergesehene Umstände dazu geführt hätten, dass sich der Beschwerdeführer nach dem Konsum von Alkohol in drei verschiedenen Gasthäusern noch zwecks Heimfahrt ans Steuer seines Wagens gesetzt habe. Es besteht Anlass zur Annahme, dass der im angefochtenen Urteil an erster Stelle enthaltene Hinweis auf die Zweifelhaftigkeit der resozialisierenden Wirkung kurzer Freiheitsstrafen für die Verweigerung des bedingten Vollzugs hinsichtlich der Gefängnisstrafe von vier Wochen von entsprechender Bedeutung war. Es trifft zu, dass die resozialisierende Wirkung kurzer Freiheitsstrafen umstritten ist (siehe etwa STRATENWERTH, op. cit., § 3 N 19 -22; KARL-LUDWIG KUNZ, Die kurzfristige Freiheitsstrafe und die Möglichkeit ihres Ersatzes, ZStrR 103/1986, S. 182 ff.; KARL-LUDWIG KUNZ (Hrsg.), Die Zukunft der Freiheitsstrafe, 1989, passim; SCHULTZ, Bericht und Vorentwurf zur Revision des Allgemeinen Teils ... des Schweizerischen Strafgesetzbuches, 1987, S. 74 ff.; vgl. auch BGE 99 IV 134 , BGE 108 IV 150 oben). Dieser Umstand darf sich aber etwa in einem Fall der vorliegenden Art, in dem der Widerruf des bedingten Vollzugs hinsichtlich einer früheren Strafe und die Gewährung des bedingten Vollzugs hinsichtlich einer neuen Strafe zur Diskussion stehen, nicht zum Nachteil des Angeschuldigten in dem Sinne auswirken, dass beide Strafen vollzogen werden. Soweit in BGE 98 IV 81 zumindest andeutungsweise eine andere Auffassung vertreten wurde, kann daran nicht festgehalten werden. Der Vollzug kurzer Freiheitsstrafen kann sodann namentlich gegenüber an sich sozial integrierten Personen, die sich noch nie im Strafvollzug befunden haben, eine Schock- und Warnungswirkung zeitigen (siehe BGE 110 IV 67 ). Die kurze Freiheitsstrafe gewinnt unter anderem aus diesem Grunde in neuester Zeit in verschiedenen Ländern wieder an Wertschätzung (KARL-LUDWIG KUNZ, ZStrR 103/1986, S. 195 ff.). Indem die Vorinstanz die Verweigerung des bedingten Vollzugs hinsichtlich der Gefängnisstrafe von vier Wochen insbesondere auch mit dem Argument begründete, dass die resozialisierende Wirkung kurzer Freiheitsstrafen umstritten sei, und sie die Möglichkeit einer Schock- und Warnungswirkung des von ihr angeordneten Vollzugs der zweiwöchigen Gefängnisstrafe nicht prüfte, verletzte sie Bundesrecht. Das Argument der Vorinstanz ist im übrigen insoweit etwas widersprüchlich, als auch die beiden Strafen von zwei und vier Wochen zusammen noch eine kurze Freiheitsstrafe darstellen. BGE 116 IV 97 S. 101 Die Sache ist daher in teilweiser Gutheissung der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde in bezug auf die Frage der Gewährung des bedingten Vollzugs hinsichtlich der Gefängnisstrafe von vier Wochen an die Vorinstanz zurückzuweisen. Diese wird zu prüfen haben, ob der von ihr angeordnete Vollzug der Gefängnisstrafe von zwei Wochen eine Schock- und Warnungswirkung auf den Beschwerdeführer haben und ob davon eine dauernde Bewährung des Beschwerdeführers erwartet werden könne.
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Erwägungen ab Seite 298 BGE 100 Ia 298 S. 298 Aus den Erwägungen: 4. Auch wenn dem Beschwerdeführer die Legitimation zur Anfechtung des Sachentscheides fehlt, kann er nach ständiger Rechtsprechung gegen den Kostenentscheid staatsrechtliche Beschwerde führen, denn durch die Kostenauflage (Gerichts- und/oder Parteikosten) wird er persönlich und unmittelbar in seinen Interessen betroffen (BIRCHMEIER, Bundesrechtspflege S. 376, nicht veröffentlichte Urteile vom 12. Dezember 1973 i.S. Alther, vom 27. September 1972 i.S. Geiger, vom 14. BGE 100 Ia 298 S. 299 Oktober 1971 i.S. M., vom 29. April 1959 i.S. Schweiz. Textildetaillisten-Verband). An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten. Soweit sich die vorliegende Beschwerde gegen den Kostenspruch richtet, ist demnach darauf einzutreten. Der Beschwerdeführer glaubt offenbar, auf dem Wege über die Anfechtung des Kostenspruchs eine Überprüfung des Sachentscheides (Freispruch des Angeklagten Demuth) durch das Bundesgericht erwirken zu können. Diese Ansicht ist unzutreffend. Da dem Beschwerdeführer nach dem in Erw. 1 Gesagten die Legitimation zur Anfechtung des Sachentscheids abgeht, hat das Bundesgericht in jedem Fall von diesem auszugehen und deshalb lediglich zu prüfen, ob es bei Freispruch von der Anschuldigung der fahrlässigen Tötung und fahrlässigen schweren Körperverletzung willkürlich war, den Beschwerdeführer, der im kantonalen Strafverfahren Privatkläger war, nach dem Ausgang desselben zur Zahlung eines Parteikostenbeitrages zu verpflichten. Insoweit fehlt indessen jeder Anhaltspunkt für ein verfassungswidriges Verhalten des Obergerichts. Der Beschwerdeführer macht nicht geltend, der Parteikostenbeitrag für die beiden Verfahren vor den kantonalen Instanzen hätte trotz Freispruch des Angeklagten ganz oder teilweise dem Beschwerdegegner oder dem Staat auferlegt werden müssen, oder es sei nach der Berner Strafprozessordnung klarerweise unzulässig gewesen, dem Beschwerdegegner bei diesem Ergebnis des Strafverfahrens einen Parteikostenbeitrag zuzusprechen. Er rügt in diesem Zusammenhang nur, das Obergericht habe seine eigenen Parteikosten im ersten staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren, das am 3. Dezember 1971 teilweise zu seinen Gunsten ausgegangen ist, nicht berücksichtigt. Mit dieser Rüge verkennt er, dass die staatsrechtliche Beschwerde nicht Teil des Strafprozesses ist, sondern ein neues bundesrechtliches Verfahren mit eigenen Voraussetzungen und einem eigenen Streitgegenstand darstellt ( BGE 83 I 272 ; MARTI, Die staatsrechtliche Beschwerde, S. 37). Demgemäss war in jenem Verfahren auch über die Kosten- und Entschädigungsfolgen unter Anwendung der einschlägigen bundesrechtlichen Bestimmungen (Art. 149 ff. OC) abschliessend zu befinden. Der Beschwerdeführer behauptet ferner nicht, dass das Obergericht bei der Bemessung des Parteikostenbeitrages in Willkür verfallen sei, sondern bringt lediglich vor, das Obergericht hätte den Beschwerdegegner zu BGE 100 Ia 298 S. 300 Unrecht freigesprochen. Mit dieser Begründung kann er jedoch, wie ausgeführt, nicht durchdringen.
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Sachverhalt ab Seite 20 BGE 130 III 19 S. 20 A. B. (Klägerin) war vom 1. Januar 1995 bis zum 30. September 1999 bei A. (Beklagter) im Landgasthof X. als Küchenhilfe und "Frau für Alles" angestellt. Am 4. Februar 1999 ersuchte sie den Beklagten schriftlich um Klärung von Unstimmigkeiten bezüglich des Quellensteuer- und Verpflegungskostenabzugs. Mit Schreiben vom 12. November 1999 forderte sie ihn in diesem Zusammenhang auf, ihr insgesamt Fr. 9'444.90 zurückzuerstatten. B. Am 1. November 2000 belangte die Klägerin den Beklagten vor Kantonsgericht von Appenzell AR auf Zahlung eines Betrages von Fr. 40'241.80 nebst Zins. Das Kantonsgericht nahm mit Urteil vom 29. Oktober 2001 von der Anerkennung der Forderung im Betrag von Fr. 5'321.- Kenntnis, sprach der Klägerin darüber hinaus den Betrag von Fr. 30'796.90 nebst Zins zu und wies die Klage im Übrigen ab. Auf Appellation des Beklagten und Anschlussappellation der Klägerin hin reduzierte das Obergericht des Kantons Appenzell AR den über die anerkannte Forderung hinaus zugesprochenen Betrag auf Fr. 24'444.45. Das Obergericht hielt den Anspruch der Klägerin auf Entschädigung für nicht bezogene Ferien- und Feiertage im Umfang von Fr. 5'906.95 brutto sowie für Überzeit im Zeitraum vom 1. Januar 1995 bis 30. November 1998 in der Höhe von Fr. 18'537.50 für ausgewiesen. C. Der Beklagte führt gegen dieses Urteil eidgenössische Berufung. Er beantragt im Wesentlichen, die Klage abzuweisen. Die Klägerin schliesst auf Abweisung der Berufung und erhebt Anschlussberufung. Sie verlangt damit im Wesentlichen, das angefochtene Urteil sei soweit aufzuheben, als das Obergericht ihren Anspruch auf Erstattung eines ungerechtfertigten Verpflegungskostenabzugs in der Höhe von Fr. 4'123.90 nicht gutgeheissen habe, und die Sache sei zur ergänzenden Sachverhaltsabklärung und Neubeurteilung zurückzuweisen. Der Beklagte verlangt, auf die Anschlussberufung sei nicht einzutreten, eventuell sei sie abzuweisen. BGE 130 III 19 S. 21 Das Bundesgericht weist die Berufung ab und heisst die Anschlussberufung teilweise gut. Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Hinsichtlich der Entschädigung für nicht bezogene Ferien- und Feiertage macht der Beklagte nicht geltend, dass die Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz unter Verletzung bundesrechtlicher Beweisvorschriften zustande gekommen seien. Es ist überdies unbestritten, dass die Bestimmungen des Landes-Gesamtarbeitsvertrags des Gastgewerbes (L-GAV) über die Ferien und die Feiertage und über die Entschädigung nicht bezogener Tage mit Bundesratsbeschluss vom 10. Dezember 1992 bzw. vom 19. November 1998 allgemeinverbindlich erklärt wurden und damit grundsätzlich auf das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien anwendbar sind. 3.1 Der Beklagte rügt aber, die Vorinstanz habe die Entschädigung für die Zeit zwischen dem Ende der Gültigkeitsdauer des L-GAV 92 (am 30. Juni 1996) und der Allgemeinverbindlicherklärung des L-GAV 98 (ab 1. Januar 1999) zu Unrecht gestützt auf die entsprechenden Bestimmungen des L-GAV 92 zugesprochen, obwohl sie nicht mehr in Kraft gewesen seien. 3.1.1 Mit der ersatzlosen Beendigung des GAV werden die Vertragsparteien grundsätzlich von allen gegenseitig vereinbarten Rechten und Verpflichtungen entbunden (EUGEN X. HAENER, Das Arbeitsverhältnis nach der ersatzlosen Beendigung des Gesamtarbeits-vertrages, Basel 1984, S. 94; STREIFF/VON KAENEL, Arbeitsvertrag, 5. Aufl., Zürich 1992, N. 5 zu Art. 356c OR ). Soweit die Einzelarbeitsverträge durch den GAV direkt geregelt waren, werden sie durch dessen Beendigung ebenfalls betroffen, da die normativen Bestimmungen des GAV ihre unmittelbare Wirkung auf sie verlieren. Mit Beendigung des GAV fällt dabei das einzelne Arbeitsverhältnis nicht einfach dahin. Sein Inhalt muss deshalb auch nach dem Wegfall des GAV bestimmbar sein (HAENER, a.a.O., S. 106; KRAMER, Berner Kommentar, Art. 1-18 OR , Allgemeine Einleitung in das OR, N. 74). Insoweit stellt sich die Frage nach der Nachwirkung des GAV auf jene Einzelarbeitsverträge, die während seiner Geltung geschlossen oder erneuert wurden (SCHÖNENBERGER/VISCHER, Zürcher Kommentar, N. 40 zu Art. 356c OR ). Im Gegensatz zum deutschen und österreichischen Recht (§ 4 Abs. 5 des deutschen Tarifvertragsgesetzes vom 9. April 1949 BGE 130 III 19 S. 22 und § 13 des österreichischen Arbeitsverfassungsgesetzes vom 14. Dezember 1973), in denen die Nachwirkung eines gekündigten GAV ausdrücklich sichergestellt wird, fehlt im schweizerischen Recht eine entsprechende Regelung. Die Nachwirkung des Gesamtarbeitsvertrags bei seinem Dahinfallen sowie beim Austritt eines Arbeitsvertragspartners aus dem vertragsschliessenden Verband wurde zwar anlässlich des Erlasses des Bundesgesetzes über die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen vom 28. September 1956 und zur Revision des Gesamtarbeitsvertragsrechts zur Diskussion gestellt. Letztlich wurde jedoch darauf verzichtet, eine entsprechende Regelung ins Gesetz aufzunehmen (HANS PETER TSCHUDI, Geschichte des schweizerischen Arbeitsrechts, Basel 1987, S. 48 f.). Es steht den GAV-Parteien grundsätzlich frei, die Nachwirkung der normativen Vertragsbestimmungen zu vereinbaren. So kann aus dem GAV klar hervorgehen, dass die Wirkung von Normen auf dessen Dauer beschränkt ist. In seltenen Fällen ergibt sich aus der Natur von Vertragsbestimmungen, dass ihre Geltung auf die GAV-Dauer begrenzt ist (vgl. dazu: HAENER, a.a.O., S. 141, mit Beispielen). Meist regelt der GAV diese Frage aber nicht. Das trifft auch für den hier zu beurteilenden L-GAV 92 zu. 3.1.2 Der Inhalt des Einzelarbeitsvertrages versteht sich als die Gesamtheit aller geltenden Eigen- und Fremdnormen (HAENER, a.a.O., S. 107; JÄGGI/GAUCH, Zürcher Kommentar, N. 275 ff. zu Art. 18 OR ). Es ist somit zu prüfen, in welchem Verhältnis die einzelarbeitsvertraglichen und gesamtarbeitsvertraglichen Bestimmungen nach der Beendigung des GAV zueinander stehen. In der Lehre wird diese Frage unterschiedlich beurteilt. Dabei stehen sich im Wesentlichen zwei Auffassungen gegenüber: 3.1.2.1 Ein Teil der Lehre geht vom Umstand aus, dass die Bestimmungen des GAV bis zu seiner ersatzlosen Beendigung zwingend und unmittelbar auf die Arbeitsverhältnisse wirken (STREIFF/VON KAENEL, a.a.O., N. 6 zu Art. 356 OR ; SCHÖNENBERGER/VISCHER, a.a.O., N. 67 zu Art. 356 OR ). Sie regeln die Einzelarbeitsverträge wie gesetzliches Recht. D.h. sie stellen zwingendes ergänzendes Recht der Einzelarbeitsverträge dar, ohne zu deren Inhalt zu werden (SCHÖNENBERGER/VISCHER, a.a.O., N. 68 zu Art. 356 OR ; OSER/SCHÖNENBERGER, Zürcher Kommentar 1936, N. 10 zu Art. 323 aOR S. 1200). Die Einzelarbeitsverträge werden somit nach ersatzloser BGE 130 III 19 S. 23 Beendigung des GAV durch das Gesetz geregelt, um nicht als inhaltloser Vertrag dazustehen (OSER/SCHÖNENBERGER, a.a.O., N. 12 zu Art. 323 aOR; dazu: HAENER, a.a.O., S. 107 ff.). Bei diesem Ansatz ergeben sich zum einen Schwierigkeiten, wenn das Gesetz Punkte, die durch den GAV detailliert geregelt sind, überhaupt nicht oder nur in den Grundzügen konkretisiert. Zum anderen fällt ins Gewicht, dass mittels des GAV den branchen- und berufsspezifischen Verhältnissen Rechnung getragen wird (STÖCKLI, Der Inhalt des Gesamtarbeitsvertrages, Bern 1990, S. 383 ff.). Gegen ein Ersetzen nur einzelner GAV-Normen durch die entsprechenden Gesetzesbestimmungen spricht sodann der Umstand, dass den Parteien des Einzelarbeitsvertrages im Augenblick der ersatzlosen Beendigung des GAV nicht klar ist, welche einzelnen Inhaltsnormen oder sogar Inhaltsnormbestandteile ersetzt werden sollen (HAENER, a.a.O., S. 111). 3.1.2.2 Die andere Lehrmeinung geht davon aus, dass der Einzelarbeitsvertrag mit allen sich daraus ergebenden Rechten und Pflichten ein Ganzes bildet. Es ist insofern anzunehmen, dass die GAV-Normen nach dem effektiven Willen der Vertragsparteien auch Inhalt des Einzelarbeitsvertrages wurden, sofern die Parteien nicht zulässigerweise einen abweichenden Inhalt vereinbart haben. Die Bestimmungen des jeweils geltenden GAV sind damit ein integrierender Bestandteil der Einzelarbeitsverträge. Sie haben eine doppelspurige Wirkung, indem sie einerseits gesetzlich normative Geltung erlangen und andererseits dem übereinstimmenden wirklichen Willen der Parteien des Einzelarbeitsvertrages entsprechen (HAENER, a.a.O., S. 114 f.; VISCHER, Der Arbeitsvertrag, in: Schweizerisches Privatrecht, Bd. VII/1,III, Basel 1994, S. 283). Nach der ersatzlosen Beendigung des GAV gelten dessen Bestimmungen nur noch - aber immerhin - als vereinbarter Inhalt des Einzelarbeitsvertrages (SCHÖNENBERGER/VISCHER, a.a.O., N. 45 zu Art. 356c OR ; HAENER, a.a.O., S. 128 [vgl. auch BGE 98 Ia 561 E. 1, wo die Auffassung, dass ein GAV noch nach Ablauf seiner Gültigkeitsdauer dem mutmasslichen Parteiwillen entspreche, nicht als willkürlich beurteilt wurde]). Nach dieser zweiten Auffassung ist zuerst zu prüfen, ob die Parteien für den Fall der Beendigung des GAV selbständig etwas geregelt haben oder ob eine Vereinbarung vorliegt, mit der sie inhaltlich in zulässiger Weise von der Regelung im GAV abgewichen BGE 130 III 19 S. 24 sind. Trifft dies nicht zu, gelten die Normen des dahingefallenen GAV als dem tatsächlichen beidseitigen Parteiwillen entsprechender Inhalt des Einzelarbeitsvertrages. Diesfalls ist nach den allgemeinen Rechtsgrundsätzen davon auszugehen, dass der Vertrag mit entsprechendem Inhalt gilt, bis die Parteien ihn mittels Änderungsvertrag aufgehoben bzw. abgeändert haben (VISCHER, a.a.O., S. 283). Ein Abänderungsvertrag kommt nur zustande, wenn sich die Parteien über die Änderung verständigt haben. Keine Partei kann der anderen Änderungen aufzwingen. Jede Partei hat allerdings die Möglichkeit, auf die andere Partei mit einer Änderungskündigung einen gewissen Druck auszuüben, indem sie diese vor die Alternative stellt, entweder der Änderung zuzustimmen oder die Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Kauf zu nehmen (vgl. GEISER, Die Änderungskündigung im schweizerischen Arbeitsrecht, AJP 1999 S. 61 ff.). Solche Änderungskündigungen sind nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zulässig, sofern formell richtig vorgegangen wird und von der Gegenseite nicht eine Änderung gefordert wird, "die sich sachlich nicht rechtfertigen lässt" ( BGE 123 III 246 E. 3b und 4a S. 250 f.). Diese zweite Lehrmeinung überzeugt jedenfalls für jene GAV-Bestimmungen, welche die Leistungen der Parteien betreffen. Hier ist davon auszugehen, dass die Parteien ihre gegenseitigen Leistungspflichten auf die für sie gültigen Bestimmungen eines GAV abgestimmt haben. Insofern haben sie den Inhalt des GAV beim Abschluss des Einzelarbeitsvertrages als Vertragsinhalt übernommen, sofern keine abweichende Vereinbarung nachgewiesen ist. Vorbehältlich anderer Abrede verändert der Wegfall des GAV dann aber auch den Inhalt des Einzelarbeitsvertrages nicht. Er bewirkt nur eine grössere Vertragsfreiheit. Die Parteien können anderes vereinbaren, wenn sie dies wollen, unabhängig davon, ob der GAV es zulässt, dass die Parteien den Einzelarbeitsvertrag hinsichtlich bestimmter Punkte individualisieren (vgl. dazu STÖCKLI, a.a.O., S. 227 und 367 Fn. 4). Solange sie das aber nicht getan haben, gilt der bisherige Vertrag unverändert weiter. Für Arbeitsverträge, die vor Inkrafttreten des GAV oder erst nach dessen Beendigung geschlossen worden sind, gilt das Gesagte nicht ohne weiteres. Wie es sich insoweit im Einzelnen verhält, braucht aber hier nicht entschieden zu werden. 3.1.3 Im vorliegenden Fall wurde der Arbeitsvertrag während der Gültigkeitsdauer des L-GAV 92 geschlossen. Es ist nicht BGE 130 III 19 S. 25 nachge wiesen, dass sich die Parteien bezüglich der Ferien- und Feiertage auf etwas vom GAV Abweichendes geeinigt oder für den Fall der Beendigung des GAV eine spezielle Vereinbarung getroffen hätten. Die Regelung ist damit Vertragsinhalt geworden. Dem angefochtenen Entscheid ist auch keine dahingehende Feststellung zu entnehmen, dass sich die Parteien nach dem Wegfallen des GAV über eine Änderung des Vertrages geeinigt hätten. Die Regelung des GAV hat somit, wie die Vorinstanz richtig angenommen hat, über die Gültigkeitsdauer des GAV hinaus Bestand gehabt. Die Kritik des Beklagten am angefochtenen Entscheid ist auch insoweit unbegründet. 3.2 Der Beklagte hält sodann dafür, dass die Klägerin ihre Ferien jeweils spätestens im Folgejahr hätte beziehen müssen. Da sie dies nicht getan habe, sei ihr Anspruch teilweise verwirkt. Damit verkennt der Beklagte die Rechtslage. Das Gesetz kennt keine entsprechende Verwirkungs- oder Verjährungsfrist. Die Verjährung richtet sich vielmehr nach den allgemeinen Verjährungsregeln und beträgt somit nicht bloss ein Jahr, sondern fünf oder zehn Jahre ( Art. 127 und 128 Ziff. 3 OR ; in der Lehre werden beide Meinungen vertreten [vgl. REHBINDER/PORTMANN, Basler Kommentar, N. 4 zu Art. 329c OR ]; vgl. auch Botschaft des Bundesrates vom 27. September 1982 zur Volksinitiative "für eine Verlängerung der bezahlten Ferien" und zur Revision der Ferienregelung im Obligationenrecht, BBl 1982 III 201, S. 237). Die gegenteilige, auf den Wortlaut von Art. 329c aOR gestützte Rechtsprechung (zuletzt publiziert in BGE 107 II 430 E. 3b; vgl. auch darauf bezugnehmend STAEHELIN, Zürcher Kommentar, N. 7 zu Art. 329c OR ) ist durch die Revision des Art. 329c OR gemäss Bundesgesetz vom 16. Dezember 1983 (in Kraft seit 1. Juli 1984; AS 1984 S. 580 f.) überholt. Abgesehen vom gesetzestechnischen Argument, dass es an jeder Norm fehlt, die eine Befristung auf ein Jahr vorsähe, besteht auch materiell kein Bedürfnis für eine solche. Es ist der Arbeitgeber und damit der Schuldner, der den Zeitpunkt der Ferien festlegt und dafür sorgen kann und muss, dass der Arbeitnehmer seine Ferien im Sinne von Art. 329c Abs. 1 OR "in der Regel im Laufe des betreffenden Dienstjahres" bezieht ( Art. 329c Abs. 2 OR ). Grundsätzlich ist er damit auch dafür verantwortlich, wenn der Anspruch erst viel später geltend gemacht wird (vgl. Botschaft, a.a.O., S. 237) BGE 130 III 19 S. 26 . Es erweist sich somit, dass das Obergericht der Klägerin die Entschädigung für nicht bezogene Ferien- und Feiertage zu Recht zugesprochen hat. Deren Berechnung durch die Vorinstanz wird vom Beklagten nicht in Frage gestellt. Die Berufung ist somit abzuweisen. 4. Die Klägerin wendet sich mit ihrer Anschlussberufung gegen die Abweisung ihrer Forderung auf Erstattung von Verpflegungskostenabzügen. Sie hatte vor den kantonalen Instanzen geltend gemacht, seit März 1997 nicht mehr im Betrieb des Beklagten gegessen zu haben. Deshalb sei sie ab diesem Zeitpunkt für Mahlzeiten nichts mehr schuldig gewesen. Ihr sei aber weiterhin, und zu Unrecht, ein entsprechender Betrag vom Lohn abgezogen worden. Der Beklagte bestritt, dass die Klägerin schon seit März 1997 keine Mahlzeiten mehr bei ihm eingenommen habe. Die Vorinstanz verzichtete auf die Einvernahme der von der Klägerin dagegen angerufenen Zeugen, da die Frage gar nicht entscheidwesentlich sei. Entscheidend sei einzig, wann die Vereinbarung über eine entgeltliche Verpflegung zwischen den Parteien aufgehoben worden sei. Die Klägerin macht dagegen geltend, die Verpflegungsvereinbarung sei durch den Nichtbezug der Mahlzeiten ab März 1997 konkludent aufgehoben worden. Dies werde durch den L-GAV 98 bestätigt, nach dem nur tatsächlich bezogene Leistungen in Rechnung gestellt werden dürften. Ein Gastaufnahmevertrag sei überdies jederzeit auch konkludent auflösbar. Die Vorinstanz habe den Sachverhalt in Verletzung der bundesrechtlichen Beweisvorschrift von Art. 8 ZGB nicht vollständig abgeklärt, indem sie nicht festgestellt habe, ab wann die Klägerin ihre Mahlzeiten nicht mehr im Betrieb eingenommen habe. 4.1 Die streitigen Abzüge betreffen die Zeit zwischen März 1997 und Dezember 1998. Für diese Zeit galt der L-GAV 92 (vgl. vorstehende E. 3). Dieser äussert sich nicht darüber, ob ein vereinbarter pauschaler Verpflegungskostenabzug auch erhoben werden kann, wenn die entsprechende Leistung gar nicht bezogen worden ist. Diesbezüglich ist somit auf die Regeln des Gesetzes zurückzugreifen. Es kann dahingestellt bleiben, ob es sich beim Arbeitsvertrag und der strittigen Vereinbarung bezüglich der Mahlzeiten insgesamt um einen gemischten Vertrag handelt, der neben BGE 130 III 19 S. 27 arbeitsvertraglichen Elementen auch solche des Gastaufnahmevertrages enthält. Die Verpflegungsvereinbarung ist jedenfalls aufs Engste mit dem Arbeitsvertrag verflochten. Das Einnehmen der Mahlzeiten in der Gastwirtschaft macht in erster Linie Sinn, wenn die Arbeitnehmerin dort arbeitet. Es soll ihr damit ermöglicht werden, sich ohne grossen Aufwand in einer Arbeitspause oder am Anfang oder am Ende der Arbeit zu verpflegen. Es handelt sich somit bei der Verpflegungsvereinbarung nicht um einen selbständigen Vertrag, der auch ohne den Arbeitsvertrag Bestand haben könnte, sondern um eine Nebenabrede zu diesem. 4.2 Nebenabreden sind bei einem Arbeitsvertrag ohne weiteres zulässig. Allerdings haben sie sich innerhalb des gesetzlichen Rahmens des Arbeitsvertragsrechts zu halten. Im vorliegenden Zusammenhang ist Art. 323b Abs. 3 OR zu beachten. Nach dieser Norm sind Abreden über die Verwendung des Lohnes im Interesse des Arbeitgebers nichtig. Damit soll verhindert werden, dass die Arbeitnehmerin Waren statt Geld erhält. Verpönt ist sowohl die Übereignung von Waren an Zahlungsstatt, wie auch der vorherige Abschluss eines Kauf- oder anderen Vertrags mit anschliessender Verrechnung (sog. "Truckverbot"; REHBINDER/PORTMANN, a.a.O., N. 5 zu Art. 323b OR ). Das Verbot richtet sich jedoch nicht gegen eine Vereinbarung von Naturallohn. Soweit aber Geldlohn vereinbart worden ist, soll die Arbeitnehmerin frei über ihren Lohn verfügen können (STAEHELIN, a.a.O., N. 23 zu Art. 323b OR ; VISCHER, a.a.O., S. 119). Dadurch wird auch nicht verhindert, dass die Arbeitnehmerin beim Arbeitgeber Waren kaufen kann. Ihr muss aber der Kaufentschluss frei stehen. Sie kann sich nicht dazu verpflichten, beim Arbeitgeber Waren zu kaufen (REHBINDER/PORTMANN, a.a.O., N. 6 zu Art. 323b OR ; VISCHER, a.a.O., S. 119; WYLER, Droit du travail, Bern 2002, S. 203 f.). 4.3 Vorliegend ist unbestrittenermassen Geldlohn vereinbart. Eine Nebenabrede, dass ein Teil dieses Geldlohnes für den Bezug von Waren und Dienstleistungen (Mahlzeiten) verwendet werden muss, erweist sich somit als unzulässig. Das hindert freilich den Arbeitgeber nicht, die Kosten von Mahlzeiten mit dem Lohn zu verrechnen, welche die Arbeitnehmerin tatsächlich und freiwillig bezogen hat. Zu Recht macht die Klägerin aber geltend, dass sie nicht verpflichtet war, solche zu beziehen. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz kommt es somit nicht darauf an, ob die Parteien die BGE 130 III 19 S. 28 Vereinbarung abgeändert oder aufgehoben haben, denn diese enthielt nie eine verbindliche Verpflichtung, Mahlzeiten zu beziehen. Massgebend ist einzig, ob die Klägerin tatsächlich Mahlzeiten bezogen hat oder nicht. Darüber haben die kantonalen Instanzen weder Beweise geführt ( Art. 8 ZGB ) noch tatsächliche Feststellungen getroffen ( Art. 63 Abs. 2 OG ). Weil der Beklagte Verrechnung mit einer Forderung geltend macht, die ihm aus der Leistung von Mahlzeiten zusteht, trifft ihn die Beweislast, dass er die Mahlzeiten tatsächlich geliefert hat, bzw. dass sie von der Klägerin bezogen worden sind ( Art. 8 ZGB ; vgl. BGE 128 III 271 E. 2a/aa). Die Anschlussberufung erweist sich somit insoweit als begründet, als die Klägerin die Rückweisung der Sache zur ergänzenden Sachverhaltsabklärung verlangt. Der Klägerin kann der geforderte Betrag mangels Schlüssigkeit des Sachverhalts nicht zugesprochen werden. Die Sache ist vielmehr zu dessen Ergänzung und neuer Entscheidung hinsichtlich der Forderung auf Erstattung von Verpflegungskostenabzügen an die Vorinstanz zurückzuweisen ( Art. 64 Abs. 1 OG ). Eine Teilaufhebung des angefochtenen Entscheids erweist sich nicht als erforderlich.
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Sachverhalt ab Seite 325 BGE 133 IV 324 S. 325 A. X. wird vorgeworfen, von November 1997 bis April 2000 zusammen mit mehreren Mittätern in Griechenland ein hochtechnologisiertes Labor zur Herstellung von Amphetamintabletten in grossen Mengen betrieben zu haben. Dieses Labor befand sich auf dem Firmenareal der von ihm präsidierten B. AG und der von ihm mitbeherrschten A. GmbH in Kazarma/Korinth. B. Weil X. als griechisch-schweizerischer Doppelbürger nicht an Griechenland ausgeliefert werden konnte, ersuchte das griechische Justizministerium die Schweiz um Übernahme des dort gegen diesen geführten Strafverfahrens. Am 13. Juli 2005 erhob die Schweizerische Bundesanwaltschaft beim Bundesstrafgericht Anklage gegen X. wegen qualifizierter Widerhandlungen gegen die Betäubungsmittelgesetzgebung sowie wegen Anstiftung zu falschem Zeugnis. Mit Entscheid vom 22. September/25. Oktober 2005 trat das Bundesstrafgericht auf die Anklage wegen fehlender Bundesgerichtsbarkeit nicht ein. Dieser Entscheid wurde vom Bundesgericht kassiert ( BGE 132 IV 89 ). C. Am 5. Juli 2006 wurde X. vom Bundesstrafgericht der qualifizierten Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz im Sinne von Art. 19 Ziff. 1 Abs. 2 und 6 in Verbindung mit Art. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG schuldig befunden, indes freigesprochen vom Vorwurf des Verkaufs von Betäubungsmitteln ( Art. 19 Ziff. 1 Abs. 4 BetmG ). Auf die Anklage betreffend Anstiftung zu falschem Zeugnis ( Art. 307 StGB ), respektive Versuchs dazu, wurde nicht eingetreten. X. wurde mit 6 1/2 Jahren Zuchthaus und einer Busse von Fr. 600'000.- bestraft. D. Gegen diesen Entscheid erheben sowohl die Schweizerische Bundesanwaltschaft (6S.479/2006) als auch X. (6S.482/2006) eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde. Beide verlangen die teilweise Aufhebung des angefochtenen Entscheids. Die Bundesanwaltschaft beantragt die Rückweisung der Sache zur Neubeurteilung, X. die Rückweisung zur Freisprechung und die Gewährung der aufschiebenden Wirkung. Das Bundesgericht heisst die Nichtigkeitsbeschwerde der Bundesanwaltschaft teilweise gut. BGE 133 IV 324 S. 326 Erwägungen Aus den Erwägungen: I. Nichtigkeitsbeschwerde der Bundesanwaltschaft (6S.479/2006) 3. Das Bundesstrafgericht ist auf den Anklagevorwurf der Anstiftung zu falschem Zeugnis nicht eingetreten, weil er in der Anklageschrift nicht hinreichend substantiiert sei. Die Bundesanwaltschaft bestreitet dies und verlangt, dass darüber materiell zu entscheiden sei. 3.1 Das Bundesgericht hat in einem kürzlich ergangenen Urteil festgehalten, das Bundesstrafgericht könne sich nicht damit begnügen, auf eine in einzelnen Punkten für ungenügend erachtete Anklage nicht einzutreten, sondern habe der Bundesanwaltschaft Gelegenheit zur Verbesserung zu geben ( BGE 133 IV 93 ). Das gilt auch hier. 3.2 Allerdings wird im angefochtenen Urteil in einer Eventualbegründung die Auffassung vertreten, die Einvernahme von Zeugen durch ausländische Richter falle nicht unter den Schutz von Art. 307 StGB . Dem kann jedenfalls mit Bezug auf die rechtshilfeweise auf schweizerisches Begehren durchgeführte Befragung durch einen griechischen Richter nicht beigepflichtet werden (a.A. URSULA CASSANI, Commentaire du droit pénal suisse, Volume 9: Crimes ou délits contre l'administration de la justice, Art. 303-311 CP, Bern 1996, N. 4 zu Art. 307 StGB ). Der Tatbestand von Art. 307 StGB schützt die wahrheitsgemässe Tatsachenfeststellung in gerichtlichen Verfahren und damit die Rechtspflege in ihrer Funktionsfähigkeit. Es geht darum sicherzustellen, dass der Richter bei der Beweisaufnahme nicht durch falsche Aussagen in die Irre geführt und die Wahrheitsfindung im Prozess dadurch gefährdet wird (BERNARD CORBOZ, Les infractions en droit suisse, Bd. II, Bern 2002, N. 1-4 zu Art. 307 StGB ; PAUL LOGOZ, Commentaire du Code pénal suisse, Partie spéciale Il, Neuenburg/Paris 1956, N. 1 zu Art. 307 StGB ). Auch wenn, was hier nicht zu entscheiden ist, der Schutzbereich auf schweizerische gerichtliche Verfahren beschränkt sein sollte, so bleibt festzustellen, dass die Lauterkeit des schweizerischen Verfahrens tangiert ist, wenn bei der rechtshilfeweisen Einvernahme für dieses Verfahren vor dem ausländischen Richter falsche Aussagen getätigt werden. Auch die Eventualbegründung hält damit vor Bundesrecht nicht stand, weshalb der angefochtene Entscheid in diesem Punkt aufzuheben ist. (...) BGE 133 IV 324 S. 327 5. Das Bundesstrafgericht hat die im Ermittlungs- und Untersuchungsverfahren angefallenen Kosten für die Übersetzung der aus Griechenland übermittelten Unterlagen in Höhe von Fr. 193'000.- unter Hinweis auf Art. 6 Ziff. 3 lit. e EMRK auf die Staatskasse genommen. Die Bundesanwaltschaft macht demgegenüber geltend, diese Kosten seien in Anwendung von Art. 172 Abs. 1 BStP dem Verurteilten aufzuerlegen. 5.1 Nach Art. 6 Ziff. 3 lit. e EMRK hat jede angeklagte Person das Recht, unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher zu erhalten, wenn sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts, die mit derjenigen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte übereinstimmt, besteht grundsätzlich ein Anspruch auf Übersetzung aller Schriftstücke und mündlichen Äusserungen, auf deren Verständnis der Angeklagte angewiesen ist, um in den Genuss eines fairen Verfahrens zu kommen (BGE 118 la 462 E. 2a; Urteile des EGMR i.S. Luedicke , Belkacem und Koç gegen Deutschland vom 28. November 1978, Serie A, Band 62, Ziff. 48, sowie i.S. Kamasinski gegen Österreich vom 19. Dezember 1989, Serie A, Band 168, Ziff. 74). Dadurch wird dem der Gerichtssprache nicht mächtigen Angeklagten ermöglicht, die ihn betreffenden Verfahrensvorgänge zu verstehen und sich im Verfahren verständlich zu machen: Er soll nicht aufgrund seiner Fremdsprachigkeit zum blossen Objekt des Verfahrens herabgesetzt werden. Die Kostenlosigkeit der Unterstützung durch einen Dolmetscher ist zudem geeignet, einer Ungleichbehandlung des sprachunkundigen Angeklagten durch Kostenfolgen entgegenzuwirken, die auf einen Angeklagten, der die Gerichtssprache versteht, nicht zukommen können. Der Entscheid des Bundesstrafgerichts, die Übersetzungskosten nicht dem Verurteilten zu überbinden, kann sich nicht auf Art. 6 Ziff. 3 lit. e EMRK stützen. Der Verurteilte war als griechisch-schweizerischer Doppelbürger mit der - deutschen - Gerichtssprache vertraut. Er verstand aber auch die aus Griechenland übermittelten Unterlagen. Diese mussten nicht wegen ihm übersetzt werden, sondern weil Strafverfolgungsbehörde und Gericht sie sonst nicht verstanden hätten. Damit aber ist nicht die menschenrechtliche Garantie eines der Gerichtssprache nicht kundigen Angeklagten betroffen. 5.2 Gemäss Art. 172 Abs. 1 Satz 1 BStP werden in der Regel die Kosten des Strafverfahrens einschliesslich derjenigen des BGE 133 IV 324 S. 328 Ermittlungsverfahrens, der Voruntersuchung sowie der Anklageerhebung und -vertretung dem Verurteilten auferlegt. Die Übersetzungskosten, soweit Art. 6 Ziff. 3 lit. e EMRK nicht anwendbar ist, gehören zu den Verfahrenskosten, die grundsätzlich vom Verurteilten zu tragen sind. Jedoch sieht Art. 172 Abs. 1 Satz 2 BStP vor, dass das Gericht den Verurteilten aus besonderen Gründen ganz oder teilweise von der Kostenpflicht befreien kann. Dies kann namentlich geboten sein, wenn die soziale Wiedereingliederung aufgrund der Kostentragungspflicht gefährdet wäre, was allerdings nicht generell, sondern nur aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls angenommen werden darf ( BGE 133 IV 187 E. 6). Besondere Gründe für eine Kostenbefreiung sind aber auch anderweitig denkbar. Die Kosten für die Übersetzung der griechischen Untersuchungsakten und Dokumente sind hier deshalb entstanden, weil der Beschwerdegegner als schweizerisch-griechischer Doppelbürger nicht an Griechenland ausgeliefert werden konnte und die Schweiz deshalb auf Ersuchen des griechischen Justizministeriums die strafrechtliche Verfolgung übernommen hat. In der besonderen Situation, dass ein angeschuldigter Schweizer von seinem verfassungsrechtlich verbürgten Anspruch Gebrauch machte, nicht ausgeliefert zu werden ( Art. 25 Abs. 1 BV ), mag ein hinreichender Grund gesehen werden, ihn von den gerade deshalb angefallenen Übersetzungskosten zu befreien. Das Urteil des Bundesstrafgerichts kann daher in diesem Punkt bestätigt werden.
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Sachverhalt ab Seite 90 BGE 132 IV 89 S. 90 A. Beamte der griechischen Polizei haben am 26. April 2000 Areal und Räumlichkeiten der Unternehmungen A. und B. in Z. (Korinth) durchsucht. Dabei sollen sie ein illegales und zur Herstellung synthetischer Betäubungsmittel und deren Ausgangsstoffe geeignetes Laboratorium entdeckt haben, welches in jenem Zeitpunkt in Betrieb war und in welchem rund 21'000 Amphetamintabletten sichergestellt worden sein sollen. Eigentümerin des Laboratoriums soll nach Angaben von C. die seinem Bruder X. gehörende B. gewesen sein. In der Folge eröffneten die griechischen Strafverfolgungsbehörden gegen X. und weitere Beteiligte eine Hauptuntersuchung unter anderem wegen gemeinsamer Herstellung von Amphetaminen sowie wegen gemeinsamen Schmuggels und Imports ohne schriftliche Bewilligung des Laboratoriums. Später wurde eine weitere Hauptuntersuchung wegen Exports (mit dem Ziel des Verkaufs) von Betäubungsmitteln in Mittäterschaft sowie wegen unmittelbarer Mitwirkung bei dieser Handlung angeordnet. Gegen den landesabwesenden X. erging am 4. Mai 2000 ein internationaler Haftbefehl. Am 26. Juni 2001 sprach das Appellationsgericht Nafplio die neben X. ebenfalls angeklagten C., D., E. sowie G. der gewerbsmässigen Herstellung von Amphetaminen schuldig. Dabei ging es davon aus, dass die Verurteilten in Mittäterschaft mit X. gehandelt haben. Das Gerichtsverfahren in Bezug auf Letzteren war am 22. März 2001 in Erwartung seiner Festnahme sistiert worden. B. Weil X. als Schweizerbürger nicht an Griechenland ausgeliefert werden konnte, stellte das griechische Justizministerium ein Gesuch BGE 132 IV 89 S. 91 gemäss Art. 6 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 12 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens vom 13. Dezember 1957 (SR 0.353.1) um gerichtliche Verfolgung von X. Die Anklagekammer des Kantons Bern kam diesem Ersuchen mit Beschluss vom 31. Oktober 2001 nach und wies die Akten dem Untersuchungsrichteramt III Bern-Mittelland zur weiteren Bearbeitung zu. Gestützt auf einen Bericht des Untersuchungsrichters unterbreitete indessen der Generalprokurator des Kantons Bern am 20. Februar 2002 die Akten der Bundesanwaltschaft, wobei er ausführte, die in Frage kommenden Delikte würden unter die organisierte Kriminalität fallen und seien zu einem wesentlichen Teil im Ausland begangen worden, weshalb Bundeszuständigkeit gegeben sei. Der Bundesanwalt verneinte diese jedoch zunächst, erklärte sich aber am 22. April 2002 dennoch bereit, das Verfahren zu übernehmen. In der Folge eröffnete die Schweizerische Bundesanwaltschaft am 5. Juli 2002 ein gerichtspolizeiliches Ermittlungsverfahren gegen X. wegen gewerbs- und bandenmässig begangener Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz im Sinne von Art. 19 Ziff. 2 lit. b und c. Auf Antrag der Schweizerischen Bundesanwaltschaft eröffnete sodann das Eidgenössische Untersuchungsrichteramt eine Voruntersuchung wegen Verdachts der Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz, qualifiziert begangen ab ca. 1998 in Griechenland und anderswo, sowie wegen Anstiftung zu falschem Zeugnis, mehrfach begangen im Jahr 2003 in Bern und anderswo. C. Am 13. Juli 2005 erhob die Schweizerische Bundesanwaltschaft beim Bundesstrafgericht Anklage gegen X. wegen qualifizierter Widerhandlungen gegen die Betäubungsmittelgesetzgebung sowie wegen Anstiftung zu falschem Zeugnis. Mit Entscheid vom 22. September/25. Oktober 2005 trat indessen das Bundesstrafgericht auf die Anklage nicht ein. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, nach dem Wortlaut von Art. 340 bis Abs. 1 lit. a StGB unterlägen der Bundesgerichtsbarkeit - soweit hier interessierend - einzig die von einer kriminellen Organisation im Sinne von Art. 260 ter StGB ausgehenden Verbrechen. Die Beteiligung an einer solchen werde dem Angeklagten aber nicht zur Last gelegt, und aus der Anklageschrift gehe auch nicht hervor, dass die Verbrechen von einer solchen Organisation ausgegangen seien. Was die Anklage wegen Anstiftung zu falschem Zeugnis BGE 132 IV 89 S. 92 betreffe, beziehe sich diese Tat auf in Griechenland rechtshilfeweise auf schweizerisches Begehren einvernommene Zeugen, weshalb sie sich nicht, wie dies gemäss Art. 340 Ziff. 1 al. 7 StGB für Bundesgerichtsbarkeit erforderlich wäre, gegen eine Behörde des Bundes, sondern gegen eine ausländische Behörde richte. D. Gegen diesen Nichteintretensentscheid des Bundesstrafgerichts hat die Schweizerische Bundesanwaltschaft am 28. November 2005 Nichtigkeitsbeschwerde an den Kassationshof des Bundesgerichts eingereicht. Sie beantragt, den angefochtenen Entscheid aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurück-zuweisen, eventuell die Strafkammer des Bundesstrafgerichts für die Beurteilung der Sache zuständig zu erklären. In seiner Vernehmlassung vom 21. Februar 2006 beantragt der Generalprokurator des Kantons Bern, die Nichtigkeitsbeschwerde gutzuheissen, während X. mit Eingabe vom 10. März 2006 auf Abweisung schliesst. Das Bundesstrafgericht hat auf Gegenbemerkungen verzichtet. Das Bundesgericht heisst die Nichtigkeitsbeschwerde gut. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Das Bundesstrafgericht in Bellinzona ist das erstinstanzliche Strafgericht des Bundes ( Art. 191a Abs. 1 BV ; Art. 1 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 4. Oktober 2002 über das Bundesstrafgericht [Strafgerichtsgesetz, SGG; SR 173.71]). Seine Strafkammer beurteilt Strafsachen, die nach den Artikeln 340 und 340 bis StGB der Bundesstrafgerichtsbarkeit unterstehen, soweit der Bundesanwalt die Untersuchung und Beurteilung nicht den kantonalen Behörden übertragen hat ( Art. 26 lit. a SGG ). Die Entscheide der Strafkammer des Bundesstrafgerichts können beim Kassationshof des Bundesgerichts mit Nichtigkeitsbeschwerde angefochten werden ( Art. 1 Abs. 2 und Art. 33 Abs. 3 lit. b SGG ). Das Verfahren richtet sich nach den Art. 268 ff. BStP , wobei der Bundesanwalt zur Beschwerde berechtigt ist ( Art. 33 Abs. 3 lit. b SGG ). Die Nichtigkeitsbeschwerde der Bundesanwaltschaft wird damit begründet, dass der Nichteintretensentscheid der Strafkammer des Bundesstrafgerichts eidgenössisches Recht verletze, was den zulässigen Rügegründen des Art. 269 Abs. 1 BStP entspricht. Fragen liesse sich indessen, ob die Nichtigkeitsbeschwerde BGE 132 IV 89 S. 93 ausgeschlossen ist, weil dem Streit ein Zuständigkeitskonflikt zu Grunde liegt. Tatsächlich haben der Kassationshof des Bundesgerichts und die frühere Anklagekammer stets an der Auffassung festgehalten, dass aArt. 264 BStP, wonach Gerichtsstandskonflikte von der Anklagekammer zu entscheiden waren, als Sonderbestimmung dem Art. 268 BStP vorging, was selbst dann galt, wenn ein kantonales Gericht seine Zuständigkeit verneinte ( BGE 91 IV 107 ). Heute ist für die Entscheidung von Anständen zwischen den Kantonen, aber auch von Anständen zwischen Bund und Kantonen die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts zuständig ( Art. 279 und Art. 260 BStP ), wobei die Beschwerde gegen solche Entscheide an das Bundesgericht ausgeschlossen ist ( Art. 33 Abs. 3 lit. a SGG , e contrario). Wenngleich es somit dabei bleiben muss, dass Gerichtsstandskonflikte zwischen den Kantonen, aber auch Anstände zwischen den Strafverfolgungsbehörden von Bund und Kantonen definitiv durch die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts entschieden werden, kann es sich nicht gleich verhalten, wenn es die Strafkammer des Bundesstrafgerichts ist, welche den Zuständigkeitskonflikt durch einen Nichteintretensentscheid auslöst. Es wäre nicht sachgerecht, wenn dieser Konflikt durch die andere Kammer desselben Gerichts geregelt werden müsste. Vielmehr muss in einem solchen Fall die Nichtigkeitsbeschwerde wegen Verletzung eidgenössischen Rechts zugelassen werden. Mithin ist auf die fristgerecht erhobene Beschwerde der Bundesanwaltschaft einzutreten. 2. Gemäss Art. 340 bis StGB unterstehen der Bundesgerichtsbarkeit unter anderem die strafbaren Handlungen nach Art. 260 ter StGB sowie die Verbrechen, die von einer kriminellen Organisation im Sinne dieser Bestimmung ausgehen, sofern die strafbaren Handlungen zu einem wesentlichen Teil im Ausland (lit. a) oder in mehreren Kantonen begangen wurden und dabei kein eindeutiger Schwerpunkt in einem Kanton besteht (lit. b). Die Bundesgerichtsbarkeit ist zwingend im Unterschied zu den in Art. 340 bis Abs. 2 StGB genannten Verbrechen des zweiten und des elften Titels, wo die Eröffnung des Ermittlungsverfahrens durch die Bundesanwaltschaft die Bundesgerichtsbarkeit begründet (Abs. 3). Allerdings ändert der zwingende Charakter der Bundesgerichtsbarkeit nichts daran, dass diese in hohem Masse unbestimmt ist und nicht trennscharf bestimmt werden kann. Dies gilt nicht nur, was den Begehungsort, sondern auch was den Tatbestand der kriminellen Organisation BGE 132 IV 89 S. 94 selbst betrifft, wobei hinzukommt, dass die Eröffnung eines Verfahrens nach Art. 260 ter StGB nicht Voraussetzung der Zuständigkeit ist, sondern es genügt, dass das Verbrechen von einer solchen Organisation ausgeht. Wie es sich damit verhält, kann vielfach zu Beginn einer Untersuchung nicht mit Bestimmtheit festgestellt werden. Gleich wie bei der Bestimmung des interkantonalen Gerichtsstandes, sind auch die Strafverfolgungsbehörden des Bundes und der Kantone gehalten, sich über die Zuständigkeit zu verständigen. Erst wenn eine solche Verständigung scheitert, liegt ein Kompetenzkonflikt vor, und unterbreitet die Strafverfolgungsbehörde, die zuerst mit dem Fall befasst war, die Angelegenheit der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts ( Art. 279 Abs. 1 BStP ; SCHWERI/ BÄNZIGER, Interkantonale Gerichtsstandsbestimmung in Strafsachen, 2. Aufl., Bern 2004, Rz. 561 ff.). Kommt es demgegenüber zu einer Einigung, so kann der Beschuldigte an die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts gelangen (Art. 279 Abs. 2 i.V.m. Art. 214 Abs. 2 BStP ; vgl. BGE 128 IV 225 E. 2.3), was er hier aber nicht getan hat. Nach der Rechtsprechung ist eine nachträgliche Änderung der einmal vereinbarten Zuständigkeit zwar grundsätzlich möglich, es bedarf dafür aber triftiger Gründe ( BGE 120 IV 282 E. 3a S. 286; BGE 107 IV 158 E. 1; 71 IV 60 E. 1). Das ergibt sich namentlich bei fortgeschrittener Untersuchung bereits daraus, dass Gründe der Effizienz und der beschleunigten Durchführung des Verfahrens gegen eine solche Änderung sprechen ( BGE 130 IV 68 E. 2.4; BGE 128 IV 225 E. 3.5; BGE 120 IV 282 E. 3b S. 286). Die Strafkammer des Bundesstrafgerichts wird daher eine Vereinbarung zwischen den eidgenössischen und kantonalen Strafverfolgungsbehörden über die Zuständigkeit nur in Frage stellen dürfen, wenn diese auf einem eigentlichen Missbrauch des Ermessens beruht ( BGE 120 IV 282 E. 3a S. 286; BGE 119 IV 250 E. 3c; BGE 117 IV 90 E. 4a). Nach diesem Massstab hatte die Strafkammer des Bundesstrafgerichts keinen Anlass, die Bundesgerichtsbarkeit in Frage zu stellen. Wohl trifft zu, dass die Bundesanwaltschaft zunächst ihre Zuständigkeit verneinte und auch nach Übernahme des Falles noch erklärte, sie würde die rechtlichen Überlegungen des Generalprokurators des Kantons Bern nicht integral anerkennen. Dieser hatte ausgeführt, Hintergrund der Straftaten sei eine grössere BGE 132 IV 89 S. 95 Organisation von Griechen, welche eines der grössten Labors zur Herstellung von Amphetamintabletten betrieben. Verwiesen wurde weiter auf die erhebliche Bedeutung des Drogengeschäftes, auf den beachtlichen Organisationsgrad der Täterschaft und den multinationalen Kontext (Produktion in Griechenland, Export in Schiffsgeneratoren nach den Arabischen Emiraten, Transport und Verkauf in Westeuropa, Rückfluss des Gewinnes über verschiedene Finanzinstitute zurück nach Griechenland). Im Schlussbericht des Eidgenössischen Untersuchungsrichters wird ferner festgehalten, Gegenstand des Verfahrens sei eine arbeitsteilige und methodisch hoch professionelle Produktion von Amphetaminen, welche einerseits im Rahmen einer betrieblichen Hierarchie erfolgt sei, anderseits als illegaler Bereich in den legalen Produktionsbereich der A. integriert und gleichzeitig abgeschottet gewesen sei. Zutritt zu den Räumlichkeiten hätten bloss die Beschuldigten als unmittelbar Mitwirkende gehabt, und Kontakte zwischen den Mitarbeitenden der A. zu dem für die Produktion zuständigen D. seien unterbunden worden. Die getätigte Investition des Kaufes eines Reaktors mache deutlich, dass die Produktion auf Dauer angelegt gewesen sei. Bei dieser Ausgangslage kann jedenfalls nicht gesagt werden, es habe keinen sachlichen Hintergrund für die Annahme gegeben, die Straftaten seien von einer kriminellen Organisation ausgegangen. Dass der Bundesanwalt die rechtlichen Ausführungen des Generalprokurators nicht vollumfänglich teilen wollte, ändert hieran nichts. Vereinbarungen über die Zuständigkeit werden nicht selten trotz unterschiedlicher Auffassungen der beteiligten Strafverfolgungsbehörden geschlossen, was aber die Einigung nicht missbräuchlich erscheinen lässt. Erweist sich die Bejahung der Bundesgerichtsbarkeit demnach als haltbar, so hätte die Strafkammer des Bundesstrafgerichts auf die Anklage eintreten müssen. 3. Die Strafkammer des Bundesstrafgerichts verneint auch die Zuständigkeit für die Beurteilung der Anklage wegen Anstiftung zu falschem Zeugnis ( Art. 307 StGB ). Gemäss Art. 340 Ziff. 1 al. 7 StGB unterstehen der Bundesgerichtsbarkeit unter anderem die strafbaren Handlungen des 17. Titels, sofern sie gegen die Behörden des Bundes oder gegen die Bundesrechtspflege gerichtet sind. In Frage steht die Beeinflussung von Zeugen, welche auf Begehren der Strafverfolgungsbehörde des Bundes in Griechenland rechtshilfeweise einvernommen wurden. Für die Zuständigkeit kann BGE 132 IV 89 S. 96 es nur darauf ankommen, ob ein Verfahren der kantonalen Rechtspflege oder aber der Bundesrechtspflege betroffen ist. Da hier das zweite zutrifft, ist Bundesgerichtsbarkeit gegeben.
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SR 742.144 1 Bundesgesetz über die Lärmsanierung der Eisenbahnen (BGLE)1 vom 24. März 2000 (Stand am 1. März 2014) Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf die Artikel 74 und 87 der Bundesverfassung2, nach Einsicht in die Botschaft des Bundesrates vom 1. März 19993, beschliesst: 1. Abschnitt: Allgemeine Bestimmungen4 Art. 15 Gegenstand 1 Dieses Gesetz regelt in Ergänzung zum Umweltschutzgesetz vom 7. Oktober 19836 die Lärmsanierung der Eisenbahnen durch Massnahmen: a. an Schienenfahrzeugen; b. an der Fahrbahn; c. auf dem Ausbreitungsweg des Schalls; d. an bestehenden Gebäuden. 2 Es regelt zudem die Investitionsförderung für besonders lärmarme Technologien und die Ressortforschung im Eisenbahnbereich. Art. 2 Prioritäten 1 Der Lärmschutz soll in erster Linie durch Massnahmen an Schienenfahrzeugen und an der Fahrbahn erreicht werden.7 2 Soweit die Massnahmen gemäss Absatz 1 nicht ausreichen, sind Massnahmen auf dem Ausbreitungsweg des Schalls zu treffen.8 AS 2000 2206 1 Abkürzung eingefügt durch Ziff. I des BG vom 27. Sept. 2013, in Kraft seit 1. März 2014 (AS 2014 469; BBl 2013 489). 2 SR 101 3 BBl 1999 4904 4 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 27. Sept. 2013, in Kraft seit 1. März 2014 (AS 2014 469; BBl 2013 489). 5 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 27. Sept. 2013, in Kraft seit 1. März 2014 (AS 2014 469; BBl 2013 489). 6 SR 814.01 7 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 27. Sept. 2013, in Kraft seit 1. März 2014 (AS 2014 469; BBl 2013 489). 8 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 27. Sept. 2013, in Kraft seit 1. März 2014 (AS 2014 469; BBl 2013 489). 742.144 Eisenbahnen 2 742.144 3 Massnahmen nach den Absätzen 1 und 2 sollen netzweit mindestens zwei Drittel der schädlichem oder lästigem Lärm ausgesetzten Bevölkerung vor diesem Lärm schützen. Das restliche Drittel der Bevölkerung ist durch Schallschutzmassnahmen an Gebäuden zu schützen. Art. 39 Fristen 1 Die Massnahmen an Schienenfahrzeugen, auf dem Ausbreitungsweg des Schalls und an bestehenden Gebäuden müssen bis zum 31. Dezember 2015 durchgeführt werden. 2 Ergänzende Massnahmen nach Artikel 7a müssen bis zum 31. Dezember 2025 durchgeführt werden. 2. Abschnitt: Massnahmen an Schienenfahrzeugen10 Art. 4 Emissionsbegrenzungen 1 Die Lärmemissionen der Schienenfahrzeuge sind durch technische Massnahmen soweit zu begrenzen, als dies technisch und betrieblich möglich sowie wirtschaftlich tragbar ist. 2 Der Bundesrat legt die Massnahmen zur Emissionsbegrenzung im Einzelnen fest. Er berücksichtigt die technische Entwicklung. 3 Er erlässt Emissionsgrenzwerte für Güterwagen auf dem Normalspurnetz. Diese Grenzwerte gelten ab dem 1. Januar 2020.11 4 Er kann aus wichtigen Gründen das Inkrafttreten der Grenzwerte um höchstens zwei Jahre verschieben.12 5 Er kann insbesondere für Spezialfahrzeuge mit geringer Laufleistung und histori- sche Fahrzeuge Ausnahmen vorsehen.13 Art. 5 Beiträge 1 Der Bund stellt den anspruchsberechtigten Fahrzeugeigentümerinnen die Mittel à fonds perdu zur Verfügung, die zur Deckung der anrechenbaren Kosten der techni- schen Massnahmen bei in Betrieb stehenden Schienenfahrzeugen erforderlich sind. Die entsprechenden Beiträge können pauschal ausgerichtet werden. 9 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 27. Sept. 2013, in Kraft seit 1. März 2014 (AS 2014 469; BBl 2013 489). 10 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 27. Sept. 2013, in Kraft seit 1. März 2014 (AS 2014 469; BBl 2013 489). 11 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 27. Sept. 2013, in Kraft seit 1. März 2014 (AS 2014 469; BBl 2013 489). 12 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 27. Sept. 2013, in Kraft seit 1. März 2014 (AS 2014 469; BBl 2013 489). 13 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 27. Sept. 2013, in Kraft seit 1. März 2014 (AS 2014 469; BBl 2013 489). Lärmsanierung der Eisenbahnen. BG 3 742.144 2 Schienenfahrzeuge, die den neuen Standards der Lärmsanierung entsprechen, werden bei der Bemessung des Deckungsbeitrages bevorzugt behandelt. 3 Beiträge werden nur für Schienenfahrzeuge ausgerichtet, die mindestens bis zum 31. Dezember 2019 oder während zehn Jahren nach der Lärmschutzmassnahme in Betrieb bleiben. Bei einer vorzeitigen Ausserbetriebnahme ist die Finanzhilfe zu- rückzuerstatten.14 3. Abschnitt: Massnahmen an der Fahrbahn und auf dem Ausbreitungsweg des Schalls15 Art. 6 Emissionsplan 1 Der Bundesrat erlässt nach Anhörung der Kantone einen Plan, der die bis am 31. Dezember 2015 zu erwartenden Lärmemissionen bestehender ortsfester Eisen- bahnanlagen enthält. Auf Grund dieses Planes werden die baulichen Massnahmen bestimmt. 2 Der Bundesrat berücksichtigt beim Erlass des Planes insbesondere: a. die erstellte Infrastruktur, die bis am 31. Dezember 2015 in Betrieb sein wird, sowie die Menge und die Zusammensetzung des Verkehrs, die zu die- sem Zeitpunkt zu erwarten sind; b. die von Schienenfahrzeugen zu erwartenden Lärmemissionen. Art. 7 Umfang der Massnahmen 1 Bei bestehenden ortsfesten Eisenbahnanlagen sind Massnahmen an der Fahrbahn und auf dem Ausbreitungsweg des Schalls so weit anzuordnen, bis die Immissions- grenzwerte eingehalten sind.16 2 Bauliche Massnahmen, die von Grundeigentümern getroffen worden sind, werden bei der Sanierung berücksichtigt. 3 Die Behörde gewährt Erleichterungen, wenn: a. die Sanierung unverhältnismässige Kosten verursachen würde; b. überwiegende Interessen, namentlich des Ortsbild-, Natur- und Landschafts- schutzes oder der Verkehrs- oder Betriebssicherheit, der Sanierung entge- genstehen. 14 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 27. Sept. 2013, in Kraft seit 1. März 2014 (AS 2014 469; BBl 2013 489). 15 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 27. Sept. 2013, in Kraft seit 1. März 2014 (AS 2014 469; BBl 2013 489). 16 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 27. Sept. 2013, in Kraft seit 1. März 2014 (AS 2014 469; BBl 2013 489). Eisenbahnen 4 742.144 4 Der Bundesrat regelt die Beurteilung der Verhältnismässigkeit der Kosten. 5 …17 Art. 7a18 Ergänzende Massnahmen 1 Wurden Erleichterungen nach Artikel 7 Absatz 3 gewährt, so kann das Bundesamt für Verkehr ab 2016 Massnahmen an der Fahrbahn und weitergehende Massnahmen auf dem Ausbreitungsweg des Schalls anordnen. 2 Der Bundesrat regelt die Massnahmen und die Beurteilung der Verhältnismässig- keit der Kosten. Art. 8 Kosten Der Bund trägt die Kosten der Massnahmen an der Fahrbahn und auf dem Ausbrei- tungsweg des Schalls.19 Er stellt die benötigten Mittel à fonds perdu zur Verfügung. Die entsprechenden Beiträge können pauschal ausgerichtet werden. Art. 9 Rückerstattung Kosten für bauliche Massnahmen, die anspruchsberechtigte Grundeigentümer seit 1985 getroffen haben, sind im Umfang ihrer Berücksichtigung bei der Sanierung zurückzuerstatten. 4. Abschnitt: Schallschutzmassnahmen an bestehenden Gebäuden20 Art. 10 …21 1 Können bei bestehenden ortsfesten Eisenbahnanlagen wegen gewährter Erleichte- rungen die Alarmwerte nicht eingehalten werden, so müssen die Eigentümer von bestehenden Gebäuden die Fenster von Räumen mit lärmempfindlicher Nutzung gegen Schall dämmen oder ähnliche bauliche Massnahmen treffen. Der Bund trägt die Kosten der Massnahmen. Er stellt die benötigten Mittel à fonds perdu zur Verfü- gung. 2 Sind die Immissionsgrenzwerte überschritten, so stellt der Bund denjenigen Eigen- tümern der bestehenden Gebäude, welche die Fenster von Räumen mit lärm- empfindlicher Nutzung gegen Schall dämmen oder ähnliche bauliche Massnahmen treffen, 50 Prozent der Kosten à fonds perdu zur Verfügung. 17 Aufgehoben durch Ziff. I des BG vom 27. Sept. 2013, mit Wirkung seit 1. März 2014 (AS 2014 469; BBl 2013 489). 18 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 27. Sept. 2013, in Kraft seit 1. März 2014 (AS 2014 469; BBl 2013 489). 19 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 27. Sept. 2013, in Kraft seit 1. März 2014 (AS 2014 469; BBl 2013 489). 20 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 27. Sept. 2013, in Kraft seit 1. März 2014 (AS 2014 469; BBl 2013 489). 21 Aufgehoben durch Ziff. I des BG vom 27. Sept. 2013, mit Wirkung seit 1. März 2014 (AS 2014 469; BBl 2013 489). Lärmsanierung der Eisenbahnen. BG 5 742.144 3 Die entsprechenden Beiträge können pauschal gewährt werden. 4 Gebäude gelten als bestehend, wenn die Baubewilligung am 1. Januar 1985 rechts- kräftig war. 5. Abschnitt:22 Investitionsförderung und Ressortforschung Art. 10a 1 Der Bund kann für den Erwerb und Betrieb von besonders lärmarmen Güterwagen Finanzhilfen gewähren. 2 Die Mittel für die Ressortforschung werden aus dem Verpflichtungskredit für die Lärmsanierung der Eisenbahnen zur Verfügung gestellt. 6. Abschnitt: Schlussbestimmungen23 Art. 11 Ausführungsbestimmungen Der Bundesrat erlässt die Ausführungsbestimmungen. Art. 12 Personal 1 Der Bundesrat kann die für den Vollzug dieses Gesetzes notwendigen Stellen beim Bundesamt für Verkehr und beim Bundesamt für Umwelt24 ausserhalb der Personal- plafonierung nach dem Bundesgesetz vom 4. Oktober 197425 über Massnahmen zur Verbesserung des Bundeshaushaltes schaffen. 2 Die Kosten für das Personal werden dem Verpflichtungskredit angelastet. Art. 13 Verfahren und Zuständigkeit 1 Die Verfahren und Zuständigkeiten richten sich nach dem Eisenbahngesetz vom 20. Dezember 195726. 2 Die Kantone sorgen für den Vollzug der Vorschriften über Schallschutzmassnah- men an Gebäuden. 22 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 27. Sept. 2013, in Kraft seit 1. März 2014 (AS 2014 469; BBl 2013 489). 23 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 27. Sept. 2013, in Kraft seit 1. März 2014 (AS 2014 469; BBl 2013 489). 24 Die Bezeichnung der Verwaltungseinheit wurde in Anwendung von Art. 16 Abs. 3 der Publikationsverordnung vom 17. Nov. 2004 (AS 2004 4937) angepasst. 25 SR 611.010 26 SR 742.101 Eisenbahnen 6 742.144 Art. 14 Übergangsbestimmung Lärmsanierungsprojekte, die bei Inkrafttreten dieses Gesetzes noch hängig sind, werden nach diesem Gesetz beurteilt. Art. 15 Referendum, Inkrafttreten und Geltungsdauer 1 Dieses Gesetz untersteht dem fakultativen Referendum. 2 Der Bundesrat bestimmt das Inkrafttreten. 3 Dieses Gesetz gilt bis zum 31. Dezember 2015. 4 Die Geltungsdauer dieses Gesetzes wird bis zum 31. Dezember 2028 verlängert.27 Datum des Inkrafttretens : 1. Oktober 200028 27 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 27. Sept. 2013, in Kraft seit 1. März 2014 (AS 2014 469; BBl 2013 489). 28 BRB vom 29. Aug. 2000
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Erwägungen ab Seite 12 BGE 105 IV 12 S. 12 Aus den Erwägungen: 4. Der Beschwerdeführer wendet ein, ein Teil der Betrugshandlungen sei verjährt. Auch bei Annahme der Gewerbsmässigkeit BGE 105 IV 12 S. 13 hätten die einzelnen Handlungen ihre Selbständigkeit nicht verloren und müssten daher auch selbständig verjähren. a) Die betrügerische Geldaufnahme fiel in die Zeit vom 1. Februar 1962 bis zum 10. April 1965. Als die Strafuntersuchung am 22. Februar 1971 abgeschlossen wurde, war die für Verbrechen geltende Verjährungsfrist von 10 Jahren ( Art. 70 Abs. 2 StGB ) noch nicht abgelaufen. In der Folge wurde sie auch durch richterliche Verfügungen immer wieder unterbrochen. Im Zeitpunkt des obergerichtlichen Urteils, d.h. am 8. November 1978, war die absolute Verfolgungsverjährung von 15 Jahren ( Art. 72 Ziff. 2 Abs. 2 StGB ) noch nicht eingetreten; denn die Frist beginnt, wenn der Täter die strafbare Tätigkeit zu verschiedenen Zeiten ausführt, mit dem Tag, an dem er die letzte Tätigkeit ausführt ( Art. 71 Abs. 2 StGB ). T. hat sämtliche Betrüge seit Februar 1962 gewerbsmässig begangen. Er hat sie aber auch fortgesetzt verübt; es lag ihnen der einheitliche Willensentschluss zu Grunde, unter falschen Angaben die sogenannten Beteiligungszertifikate B abzusetzen und auf diese Weise durch gleichartige Handlungen ein Kapital von Fr. 900'000.-- zu beschaffen. Die Gewerbsmässigkeit schliesst den Fortsetzungszusammenhang nicht aus ( BGE 76 IV 101 ). Sowohl bei gewerbsmässiger wie bei fortgesetzter Begehung liegt ein sogenanntes Kollektivdelikt vor, das rechtlich eine Einheit bildet, für welche die Verjährung gemäss Art. 71 Abs. 2 StGB erst mit der letzten Teilhandlung zu laufen beginnt. Ist diese nicht verjährt, so bleiben alle vorausgegangenen Teilhandlungen dieses Kollektivdelikts strafbar ( BGE 93 IV 94 E. 1, BGE 72 IV 184 f. für das fortgesetzte Delikt; BGE 77 IV 9 . E. 3 für das gewerbsmässige Delikt; HAFTER, AT, Bd. 2, S. 348 für das fortgesetzte und BT, S. 80, betreffend Art. 119 Ziff. 3, für das gewerbsmässige Delikt; LOGOZ, AT, Art. 71 N. 2 für das fortgesetzte und BT, Art. 119 N. 5a für das gewerbsmässige Delikt; SCHWANDER, S. 220, Nr. 411 Ziff. 3 für das fortgesetzte und das gewerbsmässige Delikt; THORMANN/VON OVERBECK, BT, Art. 119 N. 21 für das gewerbsmässige Delikt; ARDINAY, ZStR 86/1970 S. 262). T. wurde somit zu Recht für alle seine Betrugshandlungen ab 1. Februar 1962 bestraft. b) Der Beschwerdeführer ist indessen der Auffassung, der Fortsetzungszusammenhang sei im März 1963 unterbrochen BGE 105 IV 12 S. 14 worden. Er erblickt die Zäsur darin, dass die Vorinstanz bis zum März 1963 lediglich Eventualdolus, für die folgenden Handlungen dagegen unbedingten Vorsatz angenommen hat. Es lägen somit zwei Handlungskomplexe vor, und die vor März 1963 verübten Delikte seien verjährt. Das trifft nicht zu. Die beiden Vorsatzformen, die das Gesetz selber in Art. 18 Abs. 2 StGB nicht unterscheidet, sind nicht derart verschieden, dass der Übergang von der einen Form zur andern den Fortsetzungszusammenhang zu unterbrechen vermöchte. Denn beiden Formen ist das voluntative Element eigen, d.h. das Willenselement muss beim Eventualvorsatz in gleicher Weise vorhanden sein wie beim direkten Vorsatz ( BGE 98 IV 66 ). Gerade auf das, was der Täter will, kommt es aber beim gewerbsmässigen wie beim fortgesetzten Delikt entscheidend an. Die beiden Arten des Vorsatzes unterscheiden sich nicht durch den Inhalt und die Intensität des Willens, sondern durch das Wissen, die Erkenntnis, die Vorstellung des Täters ( BGE 86 IV 11 ). Ob der Täter den Erfolg als sicher oder nur als möglich voraussieht, hat auf seinen einmal gefassten Willen, auf seine Bereitschaft zu delinquieren, wo immer sich ihm Gelegenheit dazu bietet, keinen Einfluss. Durch den Übergang von der einen zur andern Vorsatzform werden die Merkmale der Kollektivdelikte nicht berührt.
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Sachverhalt ab Seite 65 BGE 98 IV 65 S. 65 Aus dem Tatbestand: A.- Arthur Bing schloss am 11. Juni 1965 einen Vertrag mit der Triscal AG, in welchem er dieser für das Gebiet der Schweiz und des Fürstentums Liechtenstein das ausschliessliche Recht zur Verarbeitung der von der Antiperporan AG hergestellten Kunststoffe übertrug. Dabei verschwieg er, dass er im Jahre 1962 das Alleinvertretungsrecht für einen Teil der Schweiz anderen eingeräumt hatte und diese Verträge noch gültig waren. B.- Das Obergericht des Kantons Bern verurteilte deshalb Bing am 14. Mai 1971 wegen Betruges zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe. C.- Die gegen dieses Urteil eingereichte Nichtigkeitsbeschwerde, mit welcher der Verurteilte unter anderem bestritt, mit Täuschungsvorsatz gehandelt zu haben, wurde vom Kassationshof abgewiesen. BGE 98 IV 65 S. 66 Erwägungen Aus den Erwägungen: 4. Zu Unrecht bestreitet der Beschwerdeführer, die Triscal AG vorsätzlich getäuscht zu haben. Ob er, wie er behauptet, im Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit der Triscal überzeugt und im guten Glauben gewesen sei, die im Jahre 1962 mit andern Partnern abgeschlossenen Konzessionsverträge seien längstens untergegangen, ist als innerer Vorgang Tatfrage. Die Vorinstanz hat sie verneint und in Würdigung der gesamten Umstände erklärt, der Beschwerdeführer habe gewusst, dass die früher geschlossenen Verträge, mindestens ein Teil von ihnen, noch gültig waren. Damit ist das für den direkten Vorsatz erforderliche Wissen verbindlich festgestellt und auf Nichtigkeitsbeschwerde hin nicht überprüfbar ( BGE 90 IV 78 Erw. 3, 120 Erw. 4). Nach der weitern verbindlichen Feststellung der Vorinstanz hat der Beschwerdeführer gebilligt, dass er sich über die bestehenden Verträge hinwegsetzte. Das kann nur dahin verstanden werden, dass er die im Verheimlichen der Verträge liegende Täuschung der Triscal AG in seinen Willensentschluss einbezogen, den eingetretenen Deliktserfolg also gewollt hat. Dass das Wort "billigen" ebenso wie die sachlich annähernd gleichbedeutenden Ausdrücke "in Kauf nehmen", "sich abfinden" u. dgl. im allgemeinen bei der Umschreibung des Willenselementes beim Eventualvorsatz gebräuchlich sind, ändert nichts. Der Eventualvorsatz unterscheidet sich vom einfachen oder direkten Vorsatz einzig durch das Wissen des Täters, indem er im ersten Fall den Eintritt des deliktischen Erfolges bloss für möglich hält, im zweiten dagegen als sicher voraussieht, während das Willenselement bei beiden Vorsatzformen in gleicher Weise erfüllt sein muss ( BGE 96 IV 99 /100). Gilt aber beim Eventualvorsatz zum Nachweis des Willens als ausreichend, dass der Täter den Erfolg in Kauf genommen hat, so ist nicht einzusehen, warum beim einfachen Vorsatz an den Nachweis des Willensmoments höhere Anforderungen gestellt werden sollten. Hiefür liegt umso weniger ein Grund vor, als sowohl beim einfachen Vorsatz wie beim Eventualvorsatz der deliktische Erfolg mit dem vom Täter erstrebten Ziel nicht übereinstimmen muss, sondern genügt, dass der Täter den deliktischen Erfolg, magihm dieser gleichgültig oder sogar unerwünscht sein, als notwendige Folge oder als Mittel zur Erreichung des BGE 98 IV 65 S. 67 verfolgten Zwecks in seinen Entschluss miteinbezogen hat (nicht veröffentlichtes Urteil des Kassationshofes vom 3. Februar 1967 i.S. Ulmann; SCHWANDER, Schweiz. Strafgesetzbuch, S. 92 Nr. 188; SCHULTZ, ZBJV 1967 S. 420; GERMANN, Das Verbrechen, S. 177/178; HAFTER, Allg. Teil, S. 119 Ziff. 2; LOGOZ, Kommentar zu Art. 18, N 5 lit. bb, S. 65). Gerade um die Fälle, in denen der deliktische Erfolg bloss "mitgewollt" ist, zu erfassen, wird denn auch in der Literatur das Willensmoment des einfachen Vorsatzes von verschiedenen Autoren mit dem Ausdruck des Inkaufnehmens umschrieben (GERMANN a.a.O., SCHWANDER a.a.O., HAFTER a.a.O.). Umso weniger ist zu beanstanden, dass die Vorinstanz das Wort "billigen" verwendet, das den Sinn der Zustimmung noch stärker zum Ausdruck bringt.
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Sachverhalt ab Seite 387 BGE 133 III 386 S. 387 Am 5. Oktober 2001 ging die SAirLines in die (provisorische) Nachlassstundung, und am 20. Juni 2003 bestätigte das Bezirksgericht Zürich den von der SAirLines mit ihren Gläubigern geschlossenen Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung. Die Nachlassliquidatoren Karl Wüthrich und Roger Giroud wiesen mit Verfügungen vom 18. Juli 2006 die Forderungen des Staates Belgien, Société Fédérale de Participations S.A., der Société Fédérale d'Investissement S.A. und S.A. Zephyr-Fin ab und liessen diese in dem am 19. Juli 2006 aufgelegten Kollokationsplan nicht zu. Hiergegen erhoben die vier Gläubiger Beschwerde und verlangten, dass die Verfügungen aufzuheben und ihre in der Nachlassliquidation der SAirLines angemeldeten Forderungen von insgesamt fast 3,9 Mia. Schweizer Franken im Kollokationsplan pro memoria mit Fr. 1.- bis zur rechtskräftigen Erledigung der von ihnen in Belgien anhängig gemachten Klage vorzumerken seien. Mit Beschluss vom 9. August 2006 wies das Bezirksgericht Zürich als untere Aufsichtsbehörde die Beschwerde ab, soweit darauf eingetreten wurde. Das Obergericht des Kantons Zürich, als obere kantonale Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen wies die von den Gläubigern erhobene Beschwerde mit Beschluss vom 16. November 2006 ebenfalls ab. Die Gläubiger haben den Beschluss der oberen Aufsichtsbehörde mit Beschwerdeschrift vom 18. Dezember 2006 (rechtzeitig) an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts weitergezogen und beantragen, der angefochtene Beschluss sei aufzuheben. In der Sache verlangen sie (wie im kantonalen Verfahren), die Verfügungen der Nachlassliquidatoren seien aufzuheben und ihre angemeldeten Forderungen seien im Kollokationsplan pro memoria mit Fr. 1.- bis zur rechtskräftigen Erledigung der von ihnen in Belgien anhängig gemachten Klage vorzumerken. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit darauf einzutreten ist. BGE 133 III 386 S. 388 Erwägungen Aus den Erwägungen: 4. 4.1 Beim Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung haben die Liquidatoren zur Feststellung der am Liquidationsergebnis teilnehmenden Gläubiger und ihrer Rangstellung einen Kollokationsplan zu erstellen ( Art. 321 Abs. 1 SchKG ). Hierfür gelten nicht allein die gesetzlichen Vorschriften des Konkursverfahrens ( Art. 321 Abs. 2 SchKG mit Verweisung auf Art. 244 bis 251 SchKG), sondern sinngemäss auch die einschlägigen Vorschriften der Verordnung des Bundesgerichts vom 13. Juli 1911 über die Geschäftsführung der Konkursämter (KOV; SR 281.32; vgl. BGE 115 III 144 E. 2 S. 145; BGE 130 III 769 E. 3.1 S. 772). Gemäss Art. 63 KOV sind streitige Forderungen, welche im Zeitpunkt der Konkurseröffnung bereits Gegenstand eines Prozesses bilden, im Kollokationsplan zunächst ohne Verfügung der Konkursverwaltung lediglich pro memoria vorzumerken (Abs. 1). Wird der Prozess weder von der Masse noch von einzelnen Gläubigern nach Art. 260 SchKG fortgeführt, so gilt die Forderung als anerkannt, und die Gläubiger haben kein Recht mehr, ihre Kollokation nach Art. 250 SchKG anzufechten (Abs. 2). Wird der Prozess dagegen fortgeführt, so wird er zum Kollokationsprozess gemäss Art. 250 SchKG bzw. das Urteil des Richters zum Kollokationsurteil ( BGE 132 III 89 E. 1.4 S. 94; BGE 130 III 769 E. 3.2 S. 772; GILLIÉRON, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, N. 11 zu Art. 250 SchKG ) und erfolgt je nach Ausgang des Prozesses die Streichung der Forderung oder ihre definitive Kollokation, welche von den Gläubigern ebenfalls nicht mehr angefochten werden kann (Abs. 3). 4.2 Die Beschwerdeführer haben nach eigenem Vorbringen im Juli 2001 gegen die SAirLines über die streitigen Forderungen in Belgien Klage erhoben, noch bevor diese in die Nachlassstundung ging (5. Oktober 2001) bzw. der Nachlassvertrag bestätigt wurde (20. Juni 2003). Die obere Aufsichtsbehörde hat erwogen, dass es keinen Grund gebe, die in Belgien im Prozess liegenden Forderungen im Kollokationsplan lediglich pro memoria vorzumerken. Sie hat sich dabei auf BGE 130 III 769 (E. 3.2.3 S. 773) gestützt. Das Bundesgericht hat in diesem Urteil entschieden, dass die in Art. 63 KOV getroffene Einschränkung der Regeln betreffend die Kollokation, wonach über Konkursforderungen, welche Gegenstand eines Prozesses BGE 133 III 386 S. 389 bilden, keine Kollokationsverfügung und kein Kollokationsverfahren durchzuführen ist, gemäss dem Territorialitätsprinzip auf das Gebiet der Schweiz beschränkt ist. Die Beschwerdeführer behaupten zu Recht nicht, dass der belgische Richter durch einen Staatsvertrag verpflichtet sei, den schweizerischen Konkurs zu beachten und den Prozess gemäss Art. 207 SchKG , auf welchen sich Art. 63 KOV stützt, zu sistieren. Das Abkommen vom 29. April 1959 zwischen der Schweiz und Belgien über die Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen und Schiedssprüchen (SR 0.276.191.721) ist auf Konkurs- und Nachlassvertragssachen nicht anwendbar (Art. 1 Abs. 2 des Abkommens). Der Hinweis der Beschwerdeführer auf Art. 166 ff. IPRG geht ins Leere, da diese Bestimmungen die Anerkennung eines ausländischen Konkursdekretes in der Schweiz betreffen. Insoweit ist keine gesetzliche Grundlage ersichtlich, um die hoheitliche Kompetenz der Liquidatoren (Art. 245 i.V.m. Art. 321 Abs. 2 SchKG ) zur Anerkennung bzw. Abweisung der angemeldeten Forderungen in Frage zu stellen. 4.3 Die Beschwerdeführer erheben im Wesentlichen den Einwand, gestützt auf die dem SchKG vorgehenden Regeln ( Art. 30a SchKG ) über die gerichtliche Zuständigkeit gemäss LugÜ seien die in Belgien im Prozess liegenden Forderungen lediglich pro memoria im Kollokationsplan vorzumerken. Sie machen sinngemäss geltend, das LugÜ verpflichte die Schweiz, für die Kollokation (Kollokationsverfügung und -klage) vom Territorialitätsprinzip abzuweichen. 4.3.1 Nach Art. 1 Abs. 2 Ziff. 2 LugÜ sind "Konkurse, Vergleiche und ähnliche Verfahren" vom Anwendungsbereich des Übereinkommens ausgenommen. Nach der Rechtsprechung gilt gemäss EuGH der Ausschluss allgemein nur für solche Klagen, welche im Rahmen einer Konkursliquidation stattfinden, direkt aus dem Konkursverfahren hervorgehen und sich eng in eine Liquidation von Vermögenswerten oder einen gerichtlichen Vergleich einfügen. Das Bundesgericht hielt mit Hinweis auf die Lehre allgemein fest, dass Verfahren, die ihren Ursprung nicht im Schuldbetreibungs- und Konkursrecht haben bzw. keine direkte Folge davon sind, und stattdessen aller Wahrscheinlichkeit nach auch ohne den Konkurs erhoben worden wären, nicht unter den Ausschluss fallen ( BGE 131 III 227 E. 3.2 S. 231). 4.3.2 Nach überwiegender Lehre fällt die Kollokationsklage gemäss Art. 250 SchKG nicht in den Anwendungsbereich des LugÜ (STOFFEL, BGE 133 III 386 S. 390 Ausschliessliche Gerichtsstände des Lugano-Übereinkommens und SchKG-Verfahren, insbesondere Rechtsöffnung, Widerspruchsklage und Arrest, in: Festschrift für Oscar Vogel, Freiburg 1991, S. 370; WALTER, Internationales Zivilprozessrecht der Schweiz, 4. Aufl., Bern 2007, S. 177, 249 Fn. 240; BRUNNER/REUTTER, Kollokations- und Widerspruchsklagen nach SchKG, 2. Aufl., Bern 2002, S. 50; MEIER, Internationales Zivilprozessrecht und Zwangsvollstreckungsrecht, 2. Aufl., Zürich 2005, S. 180; BRACONI, La collocation des créances en droit international suisse de la faillite, Diss. Zürich 2005, S. 149; a.M. DONZALLAZ, La Convention de Lugano, Bd. I, Bern 1996, Ziff. 965). Zum Teil wird in der Lehre Art. 16 Ziff. 5 LugÜ als Ausnahme von Art. 1 Abs. 2 Ziff. 2 LugÜ aufgefasst und geschlossen, die Zuständigkeit der schweizerischen Gerichte für die konkursrechtliche Kollokationsklage ergebe sich jedenfalls aus Art. 16 Ziff. 5 LugÜ (SPÜHLER/INFANGER, Anwendung des LugÜ, insbesondere von Art. 16 Ziff. 5 LugÜ auf SchKG-Klagen, in: Spühler [Hrsg.], Aktuelle Probleme des nationalen und internationalen Zivilprozessrechts, Zürich 2000, S. 126; im Ergebnis gleich DONZALLAZ, a.a.O., Bd. III, Bern 1998, Ziff. 6393). Auf Art. 16 Ziff. 5 LugÜ , welche der Ausübung staatlicher Hoheitsrechte Rechnung trägt und die zwingende Zuständigkeit von Verfahren auf Zwangsvollstreckung aus Entscheidungen vorsieht (STOFFEL, a.a.O., S. 365 f.), berufen sich stellenweise auch die Beschwerdeführer. 4.3.3 Zweck des Kollokationsverfahrens im Konkurs (Art. 244 bis 251 SchKG) ist die Feststellung der Passivmasse, d.h. der Forderungen, die am Konkursergebnis nach Bestand, Höhe, Rang und allfälligen Vorzugsrechten am Vermögen des Schuldners teilzunehmen haben. Der Kollokationsprozess dient ausschliesslich der Bereinigung des Kollokationsplanes und hat so wenig wie dieser irgendwelche Rechtskraftwirkung über das Konkursverfahren hinaus. Das Schuldverhältnis als solches - zwischen Schuldner und Gläubiger - wird dadurch nicht rechtskräftig festgelegt. Im Kollokationsprozess kann der Bestand einer Forderung wohl Gegenstand gerichtlicher Prüfung, nicht aber Gegenstand rechtskräftiger Beurteilung sein. Vielmehr ist Gegenstand des Kollokationsurteils nur die Feststellung, inwieweit die streitigen Gläubigeransprüche bei der Liquidationsmasse zu berücksichtigen sind. Diese in BGE 65 III 28 (E. 1 S. 30) festgelegten Grundsätze entsprechen konstanter Rechtsprechung (zuletzt BGE 119 III 84 E. 2b S. 85; Urteil 5C.193/2005 vom BGE 133 III 386 S. 391 31. Januar 2006, E. 1 nicht publ. in BGE 132 III 437 ) und werden von der Lehre bestätigt, welche die Kollokationsklage ( Art. 250 SchKG ) daher als konkursrechtliche Klage mit Reflexwirkung auf das materielle Recht bezeichnet (GILLIÉRON, a.a.O., N. 44 zu Art. 250 SchKG ; AMONN/WALTHER, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 7. Aufl., Bern 2003, § 46 Rz. 62; BRACONI, a.a.O., S. 119, mit weiteren Hinweisen). Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer ist die Kollokationsklage nicht mit der Arrestprosequierungsklage ( Art. 279 SchKG ) vergleichbar, welche - als eine rein materiellrechtliche Streitigkeit - zu einem Urteil mit voller materieller Rechtskraft führt (AMONN/WALTHER, a.a.O., § 4 Rzn. 48 und 49). Wohl kann - wie die Beschwerdeführer zu Recht festhalten - ein strittiges Rechtsverhältnis, wie es in einem positiven Kollokationsprozess ( Art. 250 Abs. 1 SchKG ) als materielle Vorfrage zu beurteilen ist, Gegenstand eines vor Konkurseröffnung und insoweit unabhängig vom Konkurs erhobenen Prozesses sein. Der enge Zusammenhang mit dem Konkursverfahren ist aber dennoch gegeben (BRUNNER/REUTTER, a.a.O.), weil der betreffende Prozess zu einem Kollokationsurteil führt (E. 4.1), dessen Wirkungen nicht über das Konkursverfahren hinausgehen. Die schweizerische Kollokationsklage unterscheidet sich insoweit nicht von der schweizerischen Anfechtungsklage, welche als konkursrechtliche Klage mit Reflexwirkung auf das materielle Recht vom LugÜ ausgenommen ist ( BGE 131 III 227 E. 3.3 S. 232). Auch die Kollokationsklage ist ein Rechtsbehelf, der eng mit der Struktur des Konkursrechts und seinen Besonderheiten verbunden ist (GILLIÉRON, a.a.O., N. 47 zu Art. 247 SchKG ) und einen integrierenden Bestandteil der Konkursliquidation bildet. Ob der enge Zusammenhang mit dem Konkursverfahren dazu führt, dass die Kollokationsklage schweizerischen Rechts im Lichte der Rechtsprechung zu den konkursrechtlichen Verfahren gemäss Art. 1 Abs. 2 Ziff. 2 LugÜ (Ausschluss) zu zählen ist, oder die Kollokationsklage unter den zwingenden Gerichtsstand gemäss Art. 16 Ziff. 5 LugÜ fällt, musste im vorliegenden Verfahren, d.h. von den Aufsichtsbehörden nicht weiter erörtert werden. Entscheidend ist, dass sich in jedem Fall aus der verfahrensrechtlichen Natur der Auseinandersetzung ergibt, dass das Territorialitätsprinzip gilt und die Schweiz für das Kollokationsverfahren (Art. 244 bis 251 SchKG) im hierzulande durchgeführten Nachlassvertrag international zuständig ist (vgl. SPÜHLER/GEHRI/PFISTER, Schuldbetreibungs- und BGE 133 III 386 S. 392 Konkursrecht I, 3. Aufl., Zürich 2004, S. 41). Das LugÜ bietet jedenfalls keine staatsvertragliche Grundlage, um die hoheitliche Kompetenz der schweizerischen Konkursverwaltung zu beschneiden ( Art. 245 SchKG ) und ihre Kollokationsverfügung der Anfechtung vor dem schweizerischen Kollokationsrichter zu entziehen. Der Einwand der Beschwerdeführer, die Liquidatoren müssten "vorfrageweise berücksichtigen", dass der schweizerische Kollokationsrichter sich wegen einer Vereinbarung über die Zuständigkeit belgischer Gerichte, wo bereits eine Klage hängig sei, unzuständig erklären müsse, geht daher fehl. Es ist nicht zu beanstanden, wenn die obere Aufsichtsbehörde zum Ergebnis gelangt ist, dass die Liquidatoren die Kollokationsverfügungen zu treffen und diese weder auszusetzen noch die Forderungen pro memoria vorzumerken haben. 4.4 Nach dem Dargelegten ergibt sich, dass Art. 63 KOV bei Prozessen in einem Vertragsstaat des LugÜ ebenso wenig wie in anderen Staaten anwendbar ist; über die Kollokation entscheiden einzig die Konkursverwaltung bzw. der Kollokationsrichter in der Schweiz. Damit fällt ausser Betracht, diese Bestimmung im Rahmen der Durchführung des Liquidationsvergleichs analog anzuwenden ( Art. 321 Abs. 2 SchKG ). Die Rüge, die obere Aufsichtsbehörde habe einen dem SchKG vorgehenden Staatsvertrag verletzt, ist unbegründet.
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Sachverhalt ab Seite 94 BGE 82 III 94 S. 94 A.- Im Konkurs der Hinterlassenschaft des Jakob Signer, Mels, meldete Karl Peter eine Forderung an, die mit Fr. 11'004.80 kolloziert wurde. Auf Klage eines Miterben und Gläubigers der Hinterlassenschaft, Jakob Signer, der mit einer Forderung von Fr. 7500.-- rechtskräftig kolloziert ist, hob das Kantonsgericht von St. Gallen jene Kollokation der Forderung von Peter auf, mit der Begründung, ein Anspruch Peters könne nur gegen die Witwe des Erblassers persönlich, nicht gegen die Erbengemeinschaft bzw. die Hinterlassenschaft entstanden sein. B.- Mit der vorliegenden Berufung gegen das kantonsgerichtliche Urteil vom 9. März 1956 stellt Peter den Antrag, dieses sei aufzuheben und die Klage Signers abzuweisen. Er beharrt somit auf dem Begehren um Kollokation seiner Forderung von Fr. 11'004.80. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: Den Streitwert bezeichnet der Berufungskläger, ohne Begründung, mit Fr. 11'004.80, d.h. mit dem vollen Betrag seiner Forderung. Indessen handelt es sich um eine BGE 82 III 94 S. 95 Kollokationsklage nach Art. 250 SchKG , deren Streitwert dem voraussichtlich auf den umstrittenen Anspruch (Forderungsbetrag, Klassenvorrang nach Art. 219 SchKG , Pfandrecht usw.) entfallenden Konkursbetreffnis bzw. Mehrbetreffnis entspricht, wie in BGE 65 III 28 von der II. Zivilabteilung und in BGE 65 II 41 daran anschliessend von der I. Zivilabteilung des Bundesgerichtes entschieden worden ist. Für den Kollokationskläger Signer geht der Streit um den Dividendenanteil, den er je nach Wegweisung oder Zulassung der Forderung Peters gewinnt oder verliert; für den Beklagten Peter um den Wert der Konkursdividende, die er bei endgültiger Kollokation seines Anspruchs erhält. Da bei Obsiegen des Klägers ihm allein die dem Beklagten entgehende Dividende zufällt ( Art. 250 Abs. 3 SchKG ), sind diese Werte übereinstimmend. Streitwert ist also die vom Beklagten angestrebte, ihm vom Kläger in vollem Betrag streitig gemachte Dividende. Diese Berechnungsweise wird allerdings von GULDENER, Schw. Zivilprozessrecht 1947, I S. 84 N. 22, c, beanstandet, in der Meinung, es wäre richtiger - nach frührerer Praxis - auf die Höhe der Forderung abzustellen, da auch bei Wegfall jeder Dividende der Gläubiger doch ein Interesse habe, einen Verlustschein zu erhalten. Das Bundesgericht hat jedoch die neuere Praxis seither bestätigt ( BGE 79 III 173 , BGE 81 II 474 und III 73). Daran ist festzuhalten. Im Kollokationsprozesse selbst geht es nur um die Kollokation und um die ihr entsprechende Teilnahme am Konkursergebnis. Das in einem solchen Prozess ergehende Urteil hat gar keine Rechtskraftwirkung über den Konkurs hinaus, dem Gemeinschuldner gegenüber. Dieser kann, wenn er auf Grund des Konkursverlustscheins betrieben wird, die Forderung neuerdings bestreiten, und hierauf muss, sofern gegen ihn noch kein Urteil vorliegt, ein solches nun erst erstritten werden. Deshalb ist denn auch nach Art. 265 Abs. 1 SchKG im Verlustschein anzugeben, ob die Forderung vom Gemeinschuldner anerkannt oder bestritten worden war. Nur im erstern Falle gilt der Verlustschein BGE 82 III 94 S. 96 (kraft der Erklärung des Schuldners, nicht auch kraft eines Kollokationsurteils) als Schuldanerkennung im Sinne von Art. 82 SchKG , wobei gegenüber provisorischer Rechtsöffnung auch hier die Aberkennungsklage vorbehalten bleibt. Angesichts der beschränkten Rechtskraftwirkung eines Kollokationsurteils ist nach wie vor als eigentlicher Streitgegenstand nur die Art der Teilnahme an der Liquidation zu betrachten. Freilich ist ein Kollokationsstreit wegen der Wirkungen des Verlustscheins auch dann zulässig, wenn das auf den bestrittenen Anspruch entfallende Konkursbetreffnis voraussichtlich Null sein wird. In diesem Fall ist aber nur ein minimaler Streitwert, entsprechend dem mehr nur symbolischen, jedenfalls ausserhalb des unmittelbaren Prozesserfolges liegenden Streitinteresse, anzunehmen. Die geringe Möglichkeit, dass der zu Verlust kommende Betrag sich später doch noch einbringen lasse, kann nur in solcher Weise berücksichtigt werden. Ob nun der Berufungskläger bei Kollokation seiner Forderung von Fr. 11'004.80 eine Dividende von wenigstens Fr. 4000.-- zu erwarten hätte, ergibt sich aus dem angefochtenen Urteil nicht, und die Berufungsschrift enthält nichts zu dieser Frage. Nach den vorinstanzlichen Feststellungen besteht eine solche Aussicht kaum. Der Konkurs wurde ja zunächst mangels Aktiven eingestellt und wird nun erst nach Vorschussleistung durchgeführt. Jedenfalls ist es nicht Sache des Bundesgerichtes, von Amtes wegen darüber Nachforschungen anzustellen. Vielmehr hätte der Berufungskläger gemäss Art. 55 Abs. 1 lit. a OG diese Frage abklären und eine in sachentsprechender Weise kurz begründete Streitwertangabe machen müssen ( BGE 79 III 173 , BGE 81 II 74 ff.).
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Sachverhalt ab Seite 46 BGE 115 III 45 S. 46 A.- Die Eheleute M.-B. stehen seit 1983 im Scheidungs- bzw. Ehetrennungsprozess. Für die Dauer des Prozesses vereinbarten sie unter richterlicher Mitwirkung, dass Xaver M. seiner Ehefrau Heidi M.-B. monatlich einen Unterhaltsbeitrag zu bezahlen und überdies die Kosten der ehelichen Liegenschaft zu übernehmen habe, welche weiterhin von der Ehefrau bewohnt wird. Infolge vorzeitiger Pensionierung verlangte der Ehemann in der Folge die Herabsetzung der Barbeträge, die er monatlich an seine Frau zu entrichten hatte. Das Obergericht des Kantons Zürich legte diese mit Entscheid vom 20. Februar 1986 auf Fr. 1500.-- fest. Derzeit leben die Ehegatten M.-B. aufgrund des Urteils des Bezirksgerichts Bülach vom 19. Dezember 1985 auf unbestimmte Zeit getrennt. B.- Auf Betreibung von Heidi M.-B. gegen Xaver M. hin ordnete das Betreibungsamt von P. am 17. März 1988 die Pfändung der ehelichen Liegenschaft in K. an (Betr. Nr. 3262). C.- a) Da Xaver M. seit Januar 1988 sowohl die Zahlung der Unterhaltsbeiträge als auch die Übernahme der Liegenschaftskosten verweigerte, betrieb ihn Heidi M.-B. im Juli 1988 wiederum (Betr. Nr. 3402). Am 14. März 1989 pfändete deshalb das Betreibungsamt von P. die Liegenschaft in K. ein zweites Mal. b) Gegen diesen Pfändungsvollzug erhob Heidi M.-B. am 28. März 1989 beim Bezirksgerichtspräsidenten von Sargans Beschwerde und beantragte, anstelle der Liegenschaft in K. seien die beweglichen Vermögenswerte des Schuldners zu pfänden, insbesondere Hausrat in seinem Domizil in P., das Auto und Forderungen des Schuldners gegenüber verschiedenen Banken. Mit Entscheid vom 14. April 1989 verfügte der Bezirksgerichtspräsident von Sargans, Hausrat und Mobiliar sowie das Auto des Schuldners seien vor der Liegenschaft in K. zu pfänden. Die Forderungen des Schuldners gegenüber verschiedenen Banken unterlägen demgegenüber als letztes der Pfändung, da jene aus einer Kapitalabfindung einer Pensionskasse stammten. D.- Gegen diesen Entscheid beschwerten sich sowohl Xaver M. als auch Heidi M.-B. beim Kantonsgericht St. Gallen als obere kantonale Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs. Während Xaver M. sich gegen die Pfändung des Hausrates und des Mobiliars in der Liegenschaft in P. wendete und die Pfändung des Mobiliars im Haus in K. verlangte, wiederholte Heidi M.-B. ihre vor dem Bezirksgerichtspräsidenten gestellten Anträge, soweit sie vom angefochtenen Entscheid abwichen. Die BGE 115 III 45 S. 47 kantonale Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs wies beide Beschwerden am 6. Juli 1989 ab. E.- Mit Rekurs vom 21. Juli 1989 gelangt Heidi M.-B. an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts. Sinngemäss verlangt sie die Pfändung der bei verschiedenen Banken hinterlegten Wertschriften und der Forderungen, welche aus der Kapitalabfindung der Pensionskasse stammen, und allenfalls die Rückweisung der Sache an die obere kantonale Aufsichtsbehörde zur neuen Beurteilung. Xaver M. und das Betreibungsamt von P. beantragen die Abweisung des Rekurses. Das Bundesgericht weist den Rekurs ab, soweit darauf einzutreten ist aus den folgenden Erwägungen Erwägungen: 1. Das Betreibungsamt hat die Guthaben des Schuldners bei verschiedenen Banken deshalb nicht gepfändet, weil diese aus einer Kapitalabfindung herrühren, welche Xaver M. bei seiner vorzeitigen Pensionierung von der Personalvorsorgeeinrichtung seiner ehemaligen Arbeitgeberin ausbezahlt erhielt. Gemäss der gefestigten bundesgerichtlichen Rechtsprechung sind Kapitalabfindungen von Einrichtungen der beruflichen Vorsorge wie Renten im Sinne von Art. 93 SchKG nur beschränkt pfändbar (vgl. BGE 53 III 74 ; BGE 60 III 226 ; BGE 62 III 21 ; BGE 63 III 77 ; BGE 78 III 107 ; BlSchK 29. Jahrg. 1965, 1965, S. 148 f.; BGE 113 III 15 ). Von der Gleichbehandlung der Kapitalabfindung mit einer Rente wurde nur in BGE 109 III 82 abgewichen, wo das Bundesgericht entschied, dass die Abgangsentschädigung, die eine Pensionskasse einem austretenden, sich im Konkurs befindenden Mitglied zugesprochen hatte, unter den Konkursbeschlag falle, weil sie mit Ersparnissen zu vergleichen sei, die der Konkursit vor Konkurseröffnung aus seinem Arbeitserwerb hätte machen können. Die Rekurrentin stellt diese Rechtsprechung nicht grundsätzlich in Frage. Sie macht zuerst geltend, was für die fällige, aber noch nicht ausbezahlte Forderung auf Kapitalabfindung gegenüber der Pensionskasse gelte, sei nicht auch für die Ersatzgegenstände massgebend, die der Schuldner mit dem ausbezahlten Kapital erworben habe. a) In der Tat hatte das Bundesgericht bis anhin hauptsächlich zu beurteilen, in welchem Umfang verfallene, aber noch nicht BGE 115 III 45 S. 48 ausgerichtete Ansprüche auf Kapitalabfindungen gegenüber Einrichtungen der beruflichen Vorsorge gepfändet werden können. Nur in BGE 62 III 18 ff. war die Kapitalabfindung vor der Pfändung bereits ausbezahlt und auf zwei Sparheften angelegt worden. Die Rekurrentin verweist darauf, dass in der Lehre die Meinung vertreten werde, bereits ausgerichtete Kapitalabfindungen seien nur insoweit wie Renten beschränkt pfändbar, als "die bereits bezogenen Leistungen (...) sich mit dem übrigen Vermögen noch nicht vermengt haben, sondern vielmehr aus diesem klar ausgeschieden und in eindeutiger Weise qualifiziert werden können" (SIEGRIST, Die Vermögensrechte der Destinatäre von betrieblichen Personalvorsorgeeinrichtungen im Lichte des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, Diss. Zürich 1967, S. 65). b) Die bundesgerichtliche Rechtsprechung bezweckt, den durch Art. 93 SchKG zu verwirklichenden Sozialschutz dem Schuldner unabhängig davon zuteil werden zu lassen, in welcher Form die Vorsorgeeinrichtung ihre Leistung ausrichtet. Dem Schuldner soll es nicht zum Nachteil gereichen, wenn die Vorsorgeeinrichtung ihre Leistung als Kapital und nicht als Rente erbringt. Die beiden Leistungsformen sind grundsätzlich als gleichwertig zu betrachten. Der Schuldner kann nicht gezwungen werden, mit der ihm ausbezahlten Abfindungssumme eine Rente zu kaufen ( BGE 113 III 15 ). Von daher ist nicht einzusehen, warum das ausbezahlte Kapital anders behandelt werden soll als die fällige, aber noch nicht ausgerichtete Kapitalforderung gegenüber der Vorsorgeeinrichtung. Ein Vergleich mit ausbezahltem und erspartem Lohn, welcher grundsätzlich nicht mehr unter Art. 93 SchKG fällt (vgl. JAEGER, Kommentar, N. 1 zu Art. 93 SchKG ), ist nicht am Platze, da dieser im Gegensatz zum ausbezahlten Kapital nicht für den zukünftigen Unterhalt bestimmt ist. Es rechtfertigt sich deshalb, Art. 93 SchKG auch dann anzuwenden, wenn das Kapital bereits ausgerichtet worden ist. c) Demgegenüber mag es fraglich erscheinen, ob der mit Art. 93 SchKG bezweckte Sozialschutz auch dann noch gerechtfertigt ist, wenn der Schuldner das als Abfindung erhaltene Kapital mit seinem übrigen Vermögen vermischt hat oder auf andere Weise zu erkennen gibt, dass er es zweckwidrig nicht für seinen Unterhalt zu verwenden gedenkt. Diese Frage kann indessen offenbleiben, da auch die Rekurrentin nicht behauptet, es habe eine Vermischung mit dem übrigen Vermögen des Schuldners stattgefunden. Der Umstand, dass die Kapitalabfindung in Bankguthaben und Wertschriften BGE 115 III 45 S. 49 angelegt worden ist, vermag auch in keiner Weise darzutun, der Schuldner wolle selber die Kapitalabfindung anders als für seinen künftigen Unterhalt verwenden. Es handelt sich vielmehr um eine gängige Anlageform für Vermögenswerte, die dem zukünftigen Unterhalt dienen und deshalb einerseits einen angemessenen Ertrag abwerfen und andererseits leicht verfügbar sein sollen. Das Betreibungsamt hat somit Art. 93 SchKG zu Recht auf die in Frage stehenden Wertschriften und Bankguthaben anwendbar erklärt. 2. Die Rekurrentin macht überdies geltend, aus der Gleichstellung der Kapitalabfindung mit der Rente in bezug auf Art. 93 SchKG dürfe nicht geschlossen werden, dass diese beiden Arten von Leistungen auch bei der Reihenfolge der zu pfändenden Werte gleich zu behandeln seien. a) Nach Art. 95 SchKG ist in erster Linie das bewegliche Vermögen mit Einschluss der Forderungen zu pfänden. Das unbewegliche Vermögen soll grundsätzlich nur dann gepfändet werden, wenn das bewegliche zur Deckung der Forderung nicht ausreicht. Das Bundesgericht hat diese Rangordnung insofern verfeinert, als es die Lohnguthaben nicht zu den gewöhnlichen Forderungen zählt, welche nach Art. 95 SchKG vor den Liegenschaften zu pfänden sind. Sie sind vielmehr nur dann in die Zwangsverwertung einzubeziehen, wenn sonst nichts Pfändbares vorhanden ist, aber immerhin vor den Vermögenswerten, die der Schuldner als Dritten gehörig bezeichnet oder die von Dritten beansprucht werden ( BGE 107 III 81 ; BGE 99 III 54 f.; BGE 97 II 117 f.; BGE 91 III 56 E. 4; BGE 82 III 53 E. 3; AMONN, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, Bern 1988, S. 165). Im ersten Entscheid, in dem das Bundesgericht festhielt, dass eine Lohnforderung erst nach dem unbeweglichen Vermögen zu pfänden sei, konnte es sich auf eine entsprechende Praxis der kantonalen Behörden und die Lehre stützen (vgl. JAEGER, a. a. O., N. 5 zu Art. 93 SchKG am Ende und N. 1 zu Art. 95, S. 290). Das Bundesgericht begründete seinen Entscheid damit, dass die Lohnpfändung genauer betrachtet nur eine bedingte Pfändung sei, bedingt nämlich durch die künftige Entstehung der Lohnforderung und durch die Einschränkung gemäss Art. 93, d.h. nur soweit letztere das Existenzminimum übersteigen wird ( BGE 82 III 53 ). Somit legte das Bundesgericht mehr Gewicht auf die Beschaffenheit der Lohnforderung als auf die Pfändungsbeschränkung nach BGE 115 III 45 S. 50 Art. 93 SchKG . Es erklärte diese Reihenfolge der Pfändung ausdrücklich auch dann für anwendbar, wenn der Notbedarf nur beschränkt zu berücksichtigen ist, weil es sich bei der in Betreibung gesetzten Forderung um Alimente handelt ( BGE 82 III 53 ). In den nachfolgenden Entscheidungen hat die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer diese Rechtsprechung bestätigt, ohne auf ihre Begründung weiter einzugehen ( BGE 107 III 81 ; BGE 99 III 54 f.; BGE 97 II 117 f.; BGE 91 III 56 E. 4). c) Die Rekurrentin weist zu Recht darauf hin, dass es sich bei der bereits ausgerichteten Kapitalabfindung im Gegensatz zum zukünftigen Lohn nicht um eine bedingte Forderung handle. Das Kapital steht dem Schuldner bedingungslos zu. Damit entfällt ein wesentlicher Grund dafür, die Pfändung von Grundstücken vorgehen zu lassen. Zu beachten bleibt aber, dass das Kapital nur soweit verwertet werden kann, als es zusammen mit den übrigen Einkünften für den Notbedarf des Schuldners nicht erforderlich ist ( BGE 113 III 16 ). Es ist somit zuerst zu errechnen, wie hoch die jährliche bzw. monatliche Rente wäre, die der Schuldner mit der Kapitalabfindung hätte erwerben können. Sodann ist der monatliche Notbedarf des Schuldners zu bestimmen. Für die Befriedigung des Gläubigers steht schliesslich nur jener Teil des Kapitals zur Verfügung, der während eines Jahres der hypothetischen monatlichen Rente abzüglich des durch das übrige Einkommen nicht gedeckten Notbedarfes entspricht ( BGE 113 III 16 ; vgl. auch JdT 137 (1989), II 116, N. 8). Die Verwertung einer gepfändeten Kapitalabfindung erstreckt sich somit - wie bei einer Lohnpfändung - über ein Jahr, was im allgemeinen weder im Interesse des Gläubigers noch des Schuldners ist. Es rechtfertigt sich deshalb, eine Kapitalabfindung auch mit Bezug auf die Reihenfolge der Pfändung einer Rente gleichzustellen. 3. a) Die vom Gesetz und der Rechtsprechung vorgeschriebene Reihenfolge der zu pfändenden Werte enthält allerdings keine starren Rechtssätze. Sie darf bloss als Richtlinie betrachtet werden, wovon aus wichtigen Gründen abgewichen werden kann ( BGE 91 III 56 ; EICHENBERGER, Die Reihenfolge in der Pfändung der Vermögensobjekte nach Art. 95 SchKG , BlSchK 1970, S. 5 oben). Art. 95 SchKG belässt damit dem Betreibungsamt ein gewisses Ermessen. Es hat bei der Auswahl der zu pfändenden Gegenstände die Interessen beider Parteien zu berücksichtigen. Es fragt sich allerdings, ob Art. 95 Abs. 5 SchKG es zulässt, von den in Art. 95 Abs. 1 bis 4 SchKG aufgestellten Grundsätzen abzuweichen, oder BGE 115 III 45 S. 51 ob diese Bestimmung das Betreibungsamt nur verpflichtet, die Interessen beider Parteien angemessen zu berücksichtigen, soweit die Pfändung verschiedener Gegenstände der gleichen Kategorie in Frage steht. Die Vorinstanz hat mit EICHENBERGER (a. a. O. S. 9 f.) ein Abweichen von den in Art. 95 Abs. 1 bis 4 SchKG festgelegten Grundsätzen abgelehnt. Demgegenüber schloss das Bundesgericht in BGE 91 III 56 f. diese Möglichkeit nicht aus. In einem unveröffentlichten Entscheid vom 14. Mai 1987 (i. S. P. c. GE, E. 2) hat es schliesslich die Pfändung eines Ferienhauses vor der Pfändung von Aktien mit der Begründung geschützt, dass dieses Abweichen von den in Art. 95 SchKG aufgestellten Grundsätzen im Interesse der Schuldnerin geboten sei, weil der Aktiengesellschaft das Haus gehörte, welches die Schuldnerin bewohnte. Vom Zweck der Norm her, nämlich die Interessen von Schuldner und Gläubiger angemessen zu wahren und eine möglichst einfache und rasche Verwertung der gepfändeten Gegenstände zu ermöglichen, ist nicht ersichtlich, warum ein Abweichen von der vorgegebenen Rangordnung aus wichtigen Gründen unzulässig sein sollte. Soweit die kantonale Aufsichtsbehörde ein Abweichen von den in Art. 95 Abs. 1 bis 4 SchKG aufgestellten Grundsätzen von vornherein abgelehnt hat, kann dem Entscheid nicht gefolgt werden. b) Die kantonale Aufsichtsbehörde ist aber nicht nur deshalb von der in Art. 95 SchKG festgelegten Pfändungsordnung nicht abgewichen, weil sie diese für zwingend gehalten hat. Sie führt vielmehr zusätzlich aus, dass auch ein Abwägen der Parteiinteressen nicht zu einem anderen Ergebnis führen könne. Die Liegenschaft in K. sei bereits für eine vorgehende Gläubigergruppe gepfändet und in jener Betreibung sei das Verwertungsbegehren schon gestellt worden. Sinngemäss hält die Vorinstanz dem zweifellos bedeutenden Interesse der Rekurrentin daran, dass nicht durch ihre eigene Betreibung jene Liegenschaft verwertet werde, die sie selber bewohnt, entgegen, dass die Verwertung wegen der vorgehenden Gläubiger ohnehin erfolgen werde. Das Verwertungsbegehren sei in dieser ersten Betreibung auch schon gestellt. Demgegenüber bestreitet die Rekurrentin das Vorliegen eines Verwertungsbegehrens bezüglich der Liegenschaft in K. Damit übt sie indessen unzulässige Kritik an den von der Vorinstanz für das Bundesgericht verbindlich festgestellten tatsächlichen Verhältnissen (Art. 81 in Verb. mit 63 Abs. 2 OG). Auf den Rekurs kann insoweit nicht eingetreten werden. Daran kann auch der Umstand nichts ändern, dass das Betreibungsamt der Gemeinde P. in seiner BGE 115 III 45 S. 52 Vernehmlassung die Darstellung der Rekurrentin insofern bestätigt, als es ausführt, die Verwertung könne zur Zeit nicht erfolgen, weil die Leistung des für diese notwendigen Kostenvorschusses von der Rekurrentin verweigert worden sei. Die Vorinstanz ist somit in Abwägung der gegenseitigen Interessen zum Ergebnis gelangt, dass in der vorliegenden Betreibung eine Pfändung der Liegenschaft in K. vor der Kapitalabfindung als angemessen erscheine. Das Bundesgericht kann diesen Entscheid der kantonalen Aufsichtsbehörde nur darauf hin überprüfen, ob nicht Bundesrecht verletzt sei. Demgegenüber ist eine Prüfung auf blosse Unangemessenheit nicht zulässig (vgl. BGE 91 III 57 ). Da die kantonalen Behörden ihr Ermessen weder überschritten noch überhaupt nicht genutzt haben, ist der Entscheid auch in dieser Hinsicht zu schützen.
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Erwägungen ab Seite 301 BGE 129 V 300 S. 301 Aus den Erwägungen: 3. I., geb. 1935, seines Zeichens ehemaliger alleiniger Verwaltungsrat der konkursiten Aktiengesellschaft X., starb am 18. Januar 1996. Zu prüfen ist daher, ob der geltend gemachte öffentlich-rechtliche Schadenersatzanspruch (als Passivum) vererblich ist, bejahendenfalls, ob die Beschwerdegegnerin den Anspruch gegenüber den letztinstanzlich am Recht stehenden Erben in Beachtung der AHV-rechtlichen und allgemeinen prozessrechtlichen Vorschriften rechtsgültig geltend machte und - sofern dies auch positiv zu beantworten ist - schliesslich die Begründetheit der Forderung. 3.1 Nach der Rechtsprechung geht die Verpflichtung aus einer vom Erblasser begangenen unerlaubten Handlung auf die Erben über, welche die Erbschaft angenommen haben ( BGE 103 II 334 Erw. 3). In BGE 119 V 168 Erw. 3c erwog das Eidgenössische Versicherungsgericht, dieser Grundsatz gelte auch für Schadenersatzpflichten nach Art. 52 AHVG (grundlegend: BGE 96 V 73 Erw. 1). Von dieser Regel ausgehend ist es unerheblich, ob der AHV-rechtlich präsumtiv haftende Erblasser, wie im hier zu beurteilend en Fall, vor Erlass einer ihn persönlich ins Recht fassenden Verfügung stirbt oder der Tod erst nachher eingetreten ist (so in dem in BGE 119 V 168 Erw. 3c zu beurteilenden Sachverhalt) (in SVR 2000 AHV Nr. 16 S. 49 nicht publizierte Erw. 3a; Urteil K. und V. vom 10. Oktober 2002, H 36/02 und H 38/02). Macht die Verwaltung nach dem Tod einer Ergänzungsleistungen empfangenden Person die Rückerstattung zu Unrecht ausgerichteter Versicherungsleistungen geltend, genügt es sodann für die Rechtswirksamkeit BGE 129 V 300 S. 302 der Verfügung, wenn mit dieser nur eine einzelne Erbin oder ein einzelner Erbe ins Recht gefasst wurde ( BGE 129 V 70 ). Das Eidgenössische Versicherungsgericht begründete die Änderung der bisherigen Rechtsprechung, wonach die Verfügung jedem einzelnen Erben persönlich zu eröffnen war, wenn die Rückforderung erst nach dem Tod des Leistungsbezügers geltend gemacht wurde, im Wesentlichen damit, dass die Erben Solidarschuldner sind ( Art. 143 Abs. 2 OR in Verbindung mit Art. 603 Abs. 1 ZGB ) und nach Art. 144 OR von Gläubigern je einzeln für einen Teil oder auch für das Ganze belangt werden können ( BGE 129 V 71 f. Erw. 3.2 und 3.3). Von diesen Grundsätzen abzugehen, wenn die Geltendmachung eines Schadenersatzanspruches nach Art. 52 AHVG in Frage steht, besteht kein Anlass. Entgegen den Vorbringen der Beschwerdeführer ist es daher nicht zu beanstanden, dass die Beschwerdegegnerin nicht alle, sondern bloss zwei Erben ins Recht fassen wollte. 3.2 Das kantonale Gericht hat die Literatur (THOMAS NUSSBAUMER, Das Schadenersatzverfahren nach Art. 52 AHVG , in: SCHAFFHAUSER/KIESER [Hrsg.], Aktuelle Fragen aus dem Beitragsrecht der AHV, St. Gallen 1998; derselbe, Die Ausgleichskasse als Partei im Schadenersatzprozess nach Art. 52 AHVG , in: ZAK 1991 S. 383 ff., 433 ff., insbesondere S. 434) zum Grundsatz, wonach die in der Schadenersatzverfügung der Ausgleichskasse als Adressat bezeichnete und damit als Schadenersatzschuldnerin ins Recht gefasste Partei im Laufe des Prozesses nicht gewechselt werden kann, zutreffend dargelegt. Entgegen der Vorinstanz liegt hinsichtlich des Beschwerdeführers W. nicht eine statthafte, bloss formelle Berichtigung einer Parteibezeichnung in einem Verfahren vor, in welchem die Identität der Partei von Anfang an eindeutig feststand, deren Benennung aber falsch war ( BGE 116 V 344 mit Hinweis). Mit Verfügung vom 28. Januar 1997 verpflichtete die Verwaltung I. in seiner Eigenschaft als ehemaliger Verwaltungsrat der konkursiten Gesellschaft. Der Umstand, dass die genannte Verfügung wegen falscher Adressierung beim Beschwerdeführer einging, ändert nichts daran, dass die Beschwerdegegnerin ursprünglich I. und nicht den Beschwerdeführer als passivlegitimiert betrachtete. Indem die Beschwerdegegnerin nach Einspruch des Beschwerdeführers und Ermittlung der zivilstands- und erbrechtlichen Verhältnisse ohne Erlass einer den Beschwerdeführer ins Recht fassenden Verfügung Klage gegen diesen führte, fehlte es vorinstanzlich (bezüglich des Beschwerdeführers) an einer Verfügung, deren Vorliegen eine Prozessvoraussetzung bildet. Hat das kantonale Gericht diesen BGE 129 V 300 S. 303 Umstand übersehen und hat es materiell entschieden, ist dies im Rechtsmittelverfahren - von Amtes wegen - zu berücksichtigen mit der Folge, dass der angefochtene Entscheid, soweit er den Beschwerdeführer betrifft, aufzuheben ist ( BGE 125 V 405 f. Erw. 4a). Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde des Beschwerdeführers ist damit begründet. 3.3 Dem an die Beschwerdeführerin M. gerichteten Schreiben der Ausgleichskasse vom 17. März 1997 kommt materiell Verfügungsgehalt zu, indem der Adressatin darin, unter Einräumung einer 30-tägigen Frist zum Einspruch gemäss Art. 81 Abs. 3 AHVV , eröffnet wird, dass sie für den erlittenen Schaden als Erbin des nach Art. 52 AHVG haftpflichtig erachteten I. ins Recht gefasst wird. Am Verfügungscharakter ändert nichts, dass die Ausgleichskasse die Bezeichnung Verfügung nicht verwendete, vielmehr festhielt, es handle sich bloss um einen Brief. Die Vorinstanz ist demnach zu Recht auf die Klage der Ausgleichskasse eingetreten, soweit diese gegen die Beschwerdeführerin gerichtet war. 3.4 Das kantonale Gericht hat verbindlich festgestellt, dass der von der Ausgleichskasse geltend gemachte Schaden im Betrag von Fr. 12'764.60 darauf beruht, dass die Aktiengesellschaft X. die vierteljährlichen Pauschalzahlungen gemäss Art. 34 Abs. 3 AHVV sowie die Schlussabrechnung (vom 29. Januar 1996) für das Jahr 1995 nicht bezahlt hat. 3.4.1 Soweit der Schaden nicht geleistete Pauschalzahlungen betrifft, sind die weiteren Tatbestandselemente für eine Haftung nach Art. 52 AHVG in der Person des Erblassers I. erfüllt. Es kann hiefür auf die einlässlichen und in allen Teilen überzeugenden Erwägungen der Vorinstanz verwiesen werden. Weil mit der rechtzeitigen Geltendmachung der Schadenersatzforderung der Anspruch während der Rechtshängigkeit der Klage ein für alle Mal gewahrt bleibt (ZAK 1991 S. 129 Erw. 2c), kann von einer im erstinstanzlichen Verfahren eingetretenen Verwirkung keine Rede sein. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde der Beschwerdeführerin ist insoweit unbegründet und es ist festzustellen, dass sie für die nicht geleisteten Pauschalzahlungen schadenersatzpflichtig ist. 3.4.2 Eine Eigenheit des Pauschalverfahrens gemäss Art. 34 Abs. 3 AHVV (in der hier anwendbaren, bis 31. Dezember 2000 gültig gewesenen Fassung) liegt darin, dass der Ausgleich zwischen den geleisteten Akontobeiträgen und den tatsächlich geschuldeten Beiträgen am Ende des Kalenderjahres erfolgt. Ermittelt die Kasse, dass Beiträge auszugleichen sind, stellt sie ihre entsprechende BGE 129 V 300 S. 304 Forderung in Rechnung. Nach Art. 41bis Abs. 2 lit. d AHVV (in der bis 31. Dezember 2000 geltenden Fassung) beginnt der Zinsenlauf für Beiträge aufgrund von Jahresabrechnungen im Sinne von Art. 34 Abs. 3 AHVV mit dem Kalendermonat, welcher der Rechnungsstellung durch die Ausgleichskasse folgt. Bei dieser Gesetzeslage kann - entgegen der Vorinstanz - nicht gestützt auf Art. 34 Abs. 4 AHVV (in der bis 31. Dezember 2000 gültig gewesenen Fassung), wonach die für die Zahlungsperiode geschuldeten Beiträge mit deren Ablauf fällig und innert zehn Tagen zu zahlen sind, geschlossen werden, dass ausstehende Beiträge ohne Rechnungsstellung jeweils am 10. Januar des nachfolgenden Jahres zu bezahlen sind. Die Zahlungs- wie die Verzugszinspflicht betreffend die auszugleichenden Beiträge setzen vielmehr voraus, dass die entsprechende Forderung - grundsätzlich wie masslich - feststeht und dem Schuldner gegenüber geltend gemacht wurde (ZAK 1992 S. 247 Erw. 4). Weil die Schlussabrechnung (vom 29. Januar 1996) erst nach dem Tod des I. (am 18. Januar 1996) erging, besteht nach dem Gesagten insoweit mangels Widerrechtlichkeit und Verschuldens in der Person des Erblassers keine Schadenersatzpflicht gemäss Art. 52 AHVG der Beschwerdeführerin.
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Sachverhalt ab Seite 189 BGE 132 II 188 S. 189 A. Mit Beschluss der Stimmberechtigten von Engelberg vom 28. September 1986 wurde die damals Marie Barmettler gehörende, unbebaute Parzelle Nr. 1866 der Zone für öffentliche Bauten und Anlagen zugewiesen. Der Regierungsrat des Kantons Obwalden genehmigte diese zonenplanerische Festsetzung am 21. April 1987. Das genannte Grundstück liegt bei der Talstation der Bergbahnen und ist seit vielen Jahren als Parkplatz an die Bergbahnen Engelberg-Trübsee-Titlis AG verpachtet. B. Mit Klage bei der kantonalen Schätzungskommission in Enteignungssachen vom 18. April 1997 machte Marie Barmettler das Heimschlagsrecht gegenüber der Einwohnergemeinde Engelberg geltend und verlangte überdies eine Entschädigung wegen materieller Enteignung. Die Schätzungskommission wies die Klage bezüglich der Entschädigung wegen materieller Enteignung mit Entscheid vom 12. April 2000 ab. Zur Begründung führte sie aus, die Festsetzung der Zone für öffentliche Bauten und Anlagen im Jahre 1987 stelle eine Nichteinzonung dar, und die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise Entschädigung im Falle der Nichteinzonung seien nicht erfüllt. Auch sei der Grundeigentümerin kein Sonderopfer im Sinne der Rechtsprechung zur materiellen Enteignung auferlegt worden. Das Gesuch um Heimschlag hiess die Schätzungskommission in ihrem Entscheid vom 12. April 2000 gut und setzte die Heimschlagentschädigung zu Lasten der Einwohnergemeinde Engelberg anstelle der verlangten rund Fr. 2,4 Mio. auf Fr. 966'231.60 fest. Das Heimschlagsrecht ergebe sich aus Art. 21 des Baureglements der Einwohnergemeinde Engelberg (BR, in der Fassung vom 22. Februar 1994), welcher den Grundeigentümer berechtige, sein in der Zone für öffentliche Bauten und Anlagen gelegenes Grundstück innert zehn Jahren seit deren Erlass der Gemeinde heimzuschlagen, auch wenn keine materielle Enteignung vorliege. Am 25. Mai 2000 erklärte Marie Barmettler gegenüber der Schätzungskommission, sie nehme den Entscheid nicht an und halte ihre Klagebegehren vollumfänglich aufrecht. Diese BGE 132 II 188 S. 190 Nichtannahme-Erklärung übermittelte die Schätzungskommission dem Verwaltungsgericht des Kantons Obwalden. Mit Schreiben vom 30. Mai 2000 teilte der Verwaltungsgerichtspräsident Marie Barmettler mit, ihr komme im Gerichtsverfahren wegen materieller Enteignung die Klägerrolle zu. Zur Einreichung der Klage setzte er eine Frist von 30 Tagen. In der Folge ersuchte Marie Barmettler regelmässig um Fristerstreckung, welche der Verwaltungsgerichtspräsident jeweils gewährte. C. Am 25. September 2004 veräusserte Marie Barmettler die Parzelle Nr. 1866 an ihre sieben Töchter, welche das Grundstück als Erbvorbezug zu Gesamteigentum erwarben. D. Am 20. April 2005 beantragte die Einwohnergemeinde Engelberg beim Verwaltungsgericht, den Klägerinnen sei eine letztmalige Frist anzusetzen zur Einreichung der Klageschrift mit Androhung von Säumnisfolgen. Weitere Fristerstreckungen seien nicht zu gewähren. Die Töchter von Marie Barmettler beantragten die Abweisung der Begehren der Gemeinde und ersuchten um eine weitere Fristerstreckung. Mit Entscheid vom 29. Juli 2005 wies der Verwaltungsgerichtspräsident das Gesuch der Gemeinde um Ansetzung einer Verwirkungsfrist zur Klageanhebung ab und trat auf das Fristerstreckungsgesuch der Gesuchsgegnerinnen nicht ein. E. Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 23. August 2005 beantragt die Einwohnergemeinde Engelberg, der Entscheid des Verwaltungsgerichtspräsidenten vom 29. Juli 2005 sei aufzuheben und dieser sei anzuweisen, den Beschwerdegegnerinnen eine Frist zur Klageerhebung mit Verwirkungsfolgen im Säumnisfall anzusetzen. Eventuell seien weitere Massnahmen zur Prozessbeschleunigung anzuordnen. Die Beschwerdeführerin macht Rechtsverweigerung bzw. Rechtsverzögerung geltend, welche Art. 5 des Bundesgesetzes vom 22. Juni 1979 über die Raumplanung (Raumplanungsgesetz, RPG; SR 700) in Verbindung mit Art. 29 Abs. 1 BV verletze. Das Bundesgericht heisst die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gut. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. 1.1 Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist zulässig gegen Verfügungen, die sich auf öffentliches Recht des Bundes stützen oder hätten stützen sollen ( Art. 5 VwVG i.V.m. Art. 97 OG ), sofern diese von einer in Art. 98 OG genannten Vorinstanz erlassen worden BGE 132 II 188 S. 191 sind und keiner der in Art. 99 ff. OG oder in der Spezialgesetzgebung vorgesehenen Ausschlussgründe greift. Sodann unterliegen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gemischtrechtliche Verfügungen bzw. (auch) auf unselbständiges kantonales Ausführungsrecht zum Bundesrecht gestützte Anordnungen sowie auf übrigem kantonalem Recht beruhende Anordnungen, die einen hinreichend engen Sachzusammenhang mit der im Rahmen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu beurteilenden Frage des Bundesverwaltungsrechts aufweisen ( BGE 131 II 470 E. 1.1 S. 474; BGE 128 I 46 E. 1b/aa; BGE 123 II 359 E. 1a/aa S. 361, je mit Hinweisen). 1.2 Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht im Sinne von Art. 97 OG in Verbindung mit Art. 5 VwVG ist nach Art. 34 Abs. 1 RPG zulässig gegen Entscheide letzter kantonaler Instanzen über Entschädigungen als Folge von Eigentumsbeschränkungen ( Art. 5 RPG ; vgl. BGE 131 II 571 E. 1.1 S. 574 mit Hinweisen). Verfahrensleitende und andere Zwischenverfügungen in einem der Endverfügung vorangehenden Verfahren, die einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können, sind selbständig durch Beschwerde anfechtbar ( Art. 45 Abs. 1 VwVG ). Als selbständig anfechtbare Zwischenverfügungen gelten unter anderem Verfügungen über die Sistierung des Verfahrens ( Art. 45 Abs. 2 lit. c VwVG ). 1.3 Nach der Rechtsprechung ist gegen Entscheide über die Festsetzung der Entschädigung für die Ausübung des Heimschlagsrechts jedenfalls dann die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegeben, wenn der kantonale Gesetzgeber das Heimschlagsrecht als Folge einer Planungsmassnahme gemäss RPG gewährt, in welcher eine enteignungsähnliche Eigentumsbeschränkung liegt oder liegen könnte, und wenn - zumindest unter anderem - umstritten ist, ob und in welchem Masse eine Entschädigung für den planerischen Eingriff geschuldet sei ( BGE 110 Ib 255 E. 1 S. 257 f. mit Hinweisen). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt: Beim Zonenplan der Einwohnergemeinde Engelberg handelt es sich um einen Nutzungsplan, der für die betroffenen Grundeigentümer zu Eigentumsbeschränkungen im Sinne von Art. 5 Abs. 2 und 34 Abs. 1 RPG führt. In Art. 26 Abs. 2 des Baugesetzes des Kantons Obwalden vom 12. Juni 1994 (BauG) wird zudem ausdrücklich das Recht des Eigentümers anerkannt, gegen volle Entschädigung die Übernahme des Bodens durch das Gemeinwesen zu verlangen, wenn die auf einem Grundstück lastende Zone für öffentliche BGE 132 II 188 S. 192 Bauten und Anlagen in ihrer Wirkung einer Enteignung gleichkommt. Art. 21 BR bestimmt darüber hinaus, dass jeder Grundeigentümer berechtigt ist, sein in der Zone für öffentliche Bauten und Anlagen gelegenes Grundstück innert zehn Jahren seit deren Erlass der Gemeinde heimzuschlagen. Dieses Recht besteht neben einem allfälligen Entschädigungsanspruch aus materieller Enteignung, doch hat sich der Grundeigentümer bereits erhaltene Vergütungen anrechnen zu lassen (Art. 21 Satz 3 BR). Dem vorliegenden Verfahren liegt somit in dreifacher Hinsicht eine Streitigkeit zu Grunde, die eine Entschädigung für eine Eigentumsbeschränkung aufgrund einer Nutzungsplanung im Sinne des RPG betrifft. Zunächst kann die Festsetzung der Zone für öffentliche Bauten und Anlagen eine materielle Enteignung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 RPG bewirkt haben (vgl. Art. 26 Abs. 1 BauG). Zudem kann als Folge der Eigentumsbeschränkung ein Heimschlag nach Art. 26 Abs. 2 BauG in Frage kommen, und schliesslich steht - selbst wenn keine materielle Enteignung vorliegt - das Heimschlagsrecht nach Art. 21 BR zur Diskussion. Die Problematik der Heimschlagsentschädigung nach Art. 21 BR steht in der vorliegenden Angelegenheit in einem derart engen Sachzusammenhang mit Art. 5 Abs. 2 RPG , dass auch sie im Rahmen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu behandeln ist (vgl. BGE 114 Ib 174 E. 1 S. 175 und 3b S. 177 f.). 1.4 Die Einwohnergemeinde Engelberg macht zu Recht geltend, der angefochtene Entscheid wirke wie eine Sistierung des Entschädigungsverfahrens. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist somit zulässig im Lichte von Art. 45 Abs. 2 lit. c VwVG in Verbindung mit Art. 101 lit. a OG (e contrario; vgl. BGE 122 II 211 E. 1c S. 213 mit Hinweisen). Die Beschwerdefrist gegen Zwischenentscheide von 10 Tagen ( Art. 106 Abs. 1 OG ) ist eingehalten. 1.5 Gemäss Art. 34 Abs. 2 RPG sind die Gemeinden zur Beschwerde gegen Entscheide letzter kantonaler Instanzen über Entschädigungen als Folge von Eigentumsbeschränkungen im Sinne von Art. 5 Abs. 2 RPG berechtigt. Die Einwohnergemeinde Engelberg ist demnach befugt, den Entscheid des Verwaltungsgerichtspräsidenten beim Bundesgericht anzufechten. Da auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde einzutreten. BGE 132 II 188 S. 193 2. 2.1 Nach Art. 104 lit. a OG kann mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde die Verletzung von Bundesrecht einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens gerügt werden. Soweit die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig ist, kann die Beschwerdeführerin auch geltend machen, der angefochtene Entscheid verletze Bundesverfassungsrecht, weil dieses zum Bundesrecht im Sinne von Art. 104 lit. a OG gehört ( BGE 126 II 300 E. 1b; BGE 121 II 39 E. 2d/bb S. 47, BGE 121 II 72 E. 1b, je mit Hinweisen). Ist in einer Streitsache sowohl materielles kantonales als auch eidgenössisches Verwaltungsrecht anwendbar, so kann auch geltend gemacht werden, die Anwendung des kantonalen Rechts stelle zugleich eine Bundesrechtsverletzung dar, insbesondere eine Verletzung verfassungsmässiger Rechte. Kommt dem kantonalen Recht gegenüber dem Bundesrecht selbständige Bedeutung zu, so prüft das Bundesgericht dessen Auslegung und Anwendung auf Willkür hin, soweit nicht spezielle Normen des eidgenössischen oder kantonalen Verfassungsrechts in Frage stehen ( BGE 125 II 1 E. 2a S. 5; BGE 121 II 235 E. 1 S. 238; BGE 118 Ib 326 E. 1b S. 329 f., je mit weiteren Hinweisen). 2.2 Das Bundesgericht darf in Fällen wie dem vorliegenden weder zu Gunsten noch zu Ungunsten der Parteien über deren Begehren hinausgehen. An die Begründung der Begehren ist es nicht gebunden ( Art. 114 Abs. 1 OG ). 3. 3.1 Die Festsetzung der Entschädigung für materielle Enteignung und für die Ausübung des Heimschlagsrechts erfolgt im Kanton Obwalden gemäss einer vom Verwaltungsgerichtspräsidenten als "nicht leicht nachvollziehbar" bezeichneten Ordnung, die "nicht mehr in das heutige System der Verwaltungsrechtspflege passe". Die Normen seien aus ihrem historischen Kontext heraus zu verstehen und seien auch dementsprechend von der Praxis interpretiert worden. Die Rechtslage nach Obwaldner Recht kann wie folgt zusammengefasst werden: 3.1.1 Gemäss Art. 13 Abs. 2 des kantonalen Gesetzes über die Zwangsenteignung vom 9. April 1877 (EntG/OW; GDB 760.1) urteilt die Schätzungskommission über die Frage der Entschädigung und alle mit derselben in Verbindung stehenden, zur Erörterung gelangenden Nebenfragen und teilt ihren Entscheid den Parteien beförderlichst mit. Wird von einer Partei nicht innert 14 Tagen nach BGE 132 II 188 S. 194 Mitteilung des Entscheids die Behandlung der Frage durch das Verwaltungsgericht verlangt, so wird der Entscheid der Schätzungskommission rechtskräftig ( Art. 13 Abs. 3 Satz 1 EntG /OW). Falls aber die Nichtannahme erklärt wird, gelangt insoweit die Frage der Entschädigung an das Verwaltungsgericht, in dessen Hand es sodann liegt, weitere Sachverständige zuzuziehen oder nicht ( Art. 13 Abs. 3 Satz 2 EntG /OW). Nach Art. 14 Abs. 1 EntG /OW ist angreifender Teil im gerichtlichen Verfahren in der Regel der Expropriant. Für das Verfahren gelten im Allgemeinen, jedoch unter Berücksichtigung der Sonderbestimmungen des Enteignungsgesetzes, die Bestimmungen über das Klageverfahren vor Verwaltungsgericht ( Art. 14 Abs. 2 EntG /OW). 3.1.2 Diese Bestimmungen werden in der publizierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts wie folgt interpretiert (vgl. NICCOLÒ RASELLI, Aus der Rechtsprechung in Enteignungssachen, in: Verwaltungs- und Verwaltungsgerichtsentscheide des Kantons Obwalden [VVGE] 1978-1980, S. 147 ff.; vgl. etwa auch VVGE 1995/96, Nr. 50; 1985/86, Nr. 64): Die Durchführung des Verfahrens vor der Schätzungskommission gilt sowohl bei der formellen als auch bei der materiellen Enteignung als Prozessvoraussetzung für das nachfolgende Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht (NICCOLÒ RASELLI, a.a.O., S. 150). Die Nichtannahme des Entscheids der Schätzungskommission wird als Rechtsmittel sui generis bezeichnet, welches wie ein ordentliches Rechtsmittel die Rechtskraft hemme, jedoch keinen Devolutiveffekt entfalte. Die Sache werde durch die Nichtannahme allein nicht zur Entscheidung vor eine höhere Instanz befördert. Das Schätzungsverfahren erscheine somit nicht als eigentliches erstinstanzliches Verfahren, sondern als ein dem ordentlichen Verfahren vorgelagertes, besonderes Verfahren, das - ähnlich dem Vermittlungsversuch im Zivilprozess - Voraussetzung für das ordentliche Verfahren vor dem Verwaltungsgericht sei. Bei Nichtannahme des Schätzungsentscheids werde der Weg frei zur gerichtlichen Beurteilung der Sache. Gegenstand des anschliessenden gerichtlichen Verfahrens sei nicht der Entscheid der Schätzungskommission, sondern die Klage. Das Gesetz enthalte keine Bestimmung darüber, ob dies innert einer bestimmten Frist zu geschehen habe. In der Praxis teile deshalb der Präsident der Schätzungskommission die Nichtannahme dem Präsidenten des Verwaltungsgerichts mit. Dieser setze derjenigen Partei, welcher die Klägerrolle zufalle, eine Frist zur Erhebung der BGE 132 II 188 S. 195 verwaltungsgerichtlichen Klage. Obwohl eine solche Frist nicht eigens vorgesehen sei, habe sie sich im Interesse eines geordneten Verfahrens in der Praxis als zweckmässig erwiesen. Die Frist sei nach der kantonalen Rechtsprechung erstreckbar, und selbst das unbenützte Verstreichen der Frist habe keine Verwirkung des Klagerechts zur Folge (NICCOLÒ RASELLI, a.a.O., S. 150 f. mit Hinweisen). Im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht, das sich nach den Regeln des Zivilprozesses richte und von der Dispositionsmaxime beherrscht sei, werde der nicht angenommene Entscheid der Schätzungskommission als neutrales, amtliches Gutachten betrachtet. In Fällen materieller Enteignung habe in der Regel der Enteignete als Kläger aufzutreten (NICCOLÒ RASELLI, a.a.O., S. 151 ff.). 3.1.3 Aus der beschriebenen Rechtslage soll sich nach den Ausführungen im angefochtenen Entscheid ergeben, dass die Gutheissung des Antrags der Gemeinde, den Klägerinnen eine Klagefrist mit Verwirkungsfolge anzusetzen, voraussetzt, dass die Gemeinde über ein schutzwürdiges Interesse zur Klageprovokation oder zur Einreichung einer negativen Feststellungsklage verfüge ( BGE 120 II 20 E. 3 S. 22 ff. mit Hinweisen). Ein entsprechendes hinreichendes Rechtsschutzinteresse der Gemeinde wird im angefochtenen Entscheid sowohl in Bezug auf die Frage der Entschädigung wegen materieller Enteignung als auch hinsichtlich des Heimschlags verneint. Die Gemeinde habe kein erhebliches Schutzbedürfnis, bereits heute zu wissen, ob sie nach allfälliger Durchführung des Klageverfahrens in Zukunft einmal aus materieller Enteignung entschädigungspflichtig werde. Die Fortdauer der bestehenden Ungewissheit behindere sie nicht in unzumutbarer Weise in ihrer Bewegungsfreiheit. Zum Heimschlagsrecht wird im angefochtenen Entscheid ausgeführt, es handle sich dabei um ein Recht, das nicht dem Gemeinwesen, sondern nur den Grundeigentümern zustehe. Im Kanton Obwalden sei gegen den Willen des Grundeigentümers namentlich die Erweiterung der materiellen zur formellen Enteignung unzulässig, wenn die Voraussetzungen der formellen Enteignung nicht vorlägen. Benötige das Gemeinwesen das fragliche Land, so habe es den Weg der formellen Enteignung zu beschreiten. 3.2 Das Verfahren für die Beurteilung von Entschädigungen als Folge von Eigentumsbeschränkungen wird weitgehend im kantonalen Recht geregelt ( Art. 36 RPG ). Dieses muss jedoch den bundesrechtlichen Mindestanforderungen an das kantonale BGE 132 II 188 S. 196 Verfahren genügen und hat der Verwirklichung des materiellen Rechts zu dienen. Seit dem Inkrafttreten des RPG am 1. Januar 1980 besteht für die Kantone die Pflicht, mindestens ein Rechtsmittel gegen Verfügungen aus dem Anwendungsbereich des RPG vorzusehen ( Art. 33 Abs. 2 RPG ; EJPD/BRP, Erläuterungen zum Bundesgesetz über die Raumplanung, Bern 1981, N. 12 zu Art. 33 RPG ). Zudem sind die Gemeinden nach Art. 34 Abs. 2 RPG ausdrücklich zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen Entscheide über Entschädigungen als Folge von Eigentumsbeschränkungen ( Art. 5 RPG ) berechtigt. Das kantonale Recht muss die Beschwerdeberechtigung im kantonalen Rechtsmittelverfahren im gleichen Umfang gewährleisten ( Art. 33 Abs. 3 lit. a RPG ) und die volle Überprüfung durch wenigstens eine Beschwerdebehörde sicherstellen ( Art. 33 Abs. 3 lit. b RPG ; BGE 127 II 238 E. 3b/aa S. 242 f. mit Hinweisen). Mit dieser Regelung hat der Bundesgesetzgeber den Kantonen die Pflicht auferlegt, für den Prozess über die Entschädigung als Folge von Eigentumsbeschränkungen einen Rechtsmittelweg einzurichten, der auch den Gemeinden offen steht. Den Gemeinden stehen als Prozesspartei vor allen Instanzen von Verfassungs wegen die gleichen prozessualen Rechte zu wie den Grundeigentümern, und sie haben auch Anspruch auf eine Beurteilung innert angemessener Frist ( Art. 29 Abs. 1 BV ). Aus den Materialien zum RPG ergibt sich, dass Art. 33 Abs. 2 RPG nicht zwingend eine "Beschwerde" zur Gewährung des Rechtsschutzes verlangt. Hingegen muss das kantonale Rechtsmittel im Ergebnis den bundesrechtlichen Standard erfüllen (EJPD/BRP, a.a.O., N. 13 zu Art. 33 RPG ). 3.3 Bei den im vorliegenden Fall umstrittenen Entschädigungsfragen handelt es sich um eine Entschädigung für eine nutzungsplanerische Massnahme im Sinne des RPG. Dies gilt auch für den Fall, dass lediglich eine Entschädigung für den Heimschlag nach Art. 21 BR in Frage kommen sollte. Die Tatsache, dass der Heimschlag auch für nicht enteignungsgleich wirkende Eingriffe zur Verfügung steht, bedeutet allein noch nicht, dass dieser ein selbständiges Institut des kantonalen Rechts ist und nie Folge einer Planungsmassnahme im Sinne des RPG sein kann ( BGE 114 Ib 174 E. 3a S. 177; Urteil des Bundesgerichts 1P.119/1991 vom 1. Februar 2000, publ. in: ZBl 101/2000 S. 635, E. 2b; PETER HÄNNI, Planungs-, Bau- und besonderes Umweltschutzrecht, 4. Aufl., Bern 2002, S. 624). Ungeachtet der Frage, ob sich die Entschädigungspflicht schliesslich BGE 132 II 188 S. 197 aus Art. 5 RPG , Art. 26 BauG oder Art. 21 BR ergibt, muss das kantonale Verfahren somit ein Rechtsmittel zur Verfügung stellen, das den Anforderungen von Art. 33 Abs. 2 RPG genügt, soweit die Entschädigung für die mit dem Zonenplan direkt festgelegte Eigentumsbeschränkung umstritten ist. 3.4 Die Ausführungen im angefochtenen Entscheid, die sich auf die kantonale Praxis stützen (E. 3.1 hiervor), tragen den genannten bundesrechtlichen Grundsätzen nicht hinreichend Rechnung. Sie beruhen auf der noch vor 1980 geltenden Rechtslage, als es den Kantonen von Bundesrechts wegen lediglich verwehrt war, den Bürgern eine Entschädigung für schwere Eigentumsbeschränkungen zu Unrecht zu verweigern. Seit der Einführung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde in diesem Bereich haben sich die Gerichte jedoch auch zu den Grenzen der Entschädigungspflicht zu äussern (vgl. ENRICO RIVA, Hauptfragen der materiellen Enteignung, S. 17). Dabei handelt es sich um einen Anspruch der Kantone und Gemeinden, den die Kantone mit ihrem Verfahrensrecht nicht vereiteln dürfen, ansonsten sie gegen die verfahrensrechtlichen Minimalanforderungen im RPG sowie Art. 49 Abs. 1 BV verstossen würden. 3.4.1 Es ist unbestritten, dass das Obwaldner Recht keine Beschwerde und auch sonst kein Rechtsmittel gegen den Entscheid der Schätzungskommission vom 12. April 2000 vorsieht. Stattdessen steht den Grundeigentümern bei Nichtannahme des Entscheids der Schätzungskommission die Klage an das Verwaltungsgericht offen. Für die Gemeinde soll - nach Auffassung des Verwaltungsgerichtspräsidenten im angefochtenen Entscheid - die negative Feststellungsklage gegeben sein, wobei das Rechtsschutzinteresse der Gemeinde zumindest zweifelhaft sei. Die Beschwerdeführerin macht geltend, den Grundeigentümerinnen sei eine Verwirkungsfrist anzusetzen, innert welcher sie ihren Entschädigungsanspruch einzuklagen haben. 3.4.2 Weder die negative Feststellungsklage noch die von der Beschwerdeführerin verlangte Verwirkungsfrist zur Klageeinreichung sind geeignet, einen den Anforderungen von Art. 33 Abs. 2 RPG genügenden Rechtsschutz zu gewährleisten. Gegenstand des an die Nichtannahme-Erklärung anschliessenden gerichtlichen Verfahrens ist nach dem kantonalen Recht nicht der Entscheid der Schätzungskommission, sondern die Klage an das Verwaltungsgericht (s. vorne E. 3.1.2). Da Art. 33 Abs. 2 RPG nach seinem klaren Wortlaut jedoch BGE 132 II 188 S. 198 wenigstens ein Rechtsmittel gegen den erstinstanzlichen Entscheid verlangt, genügt es nicht, wenn das kantonale Recht eine selbständige Klage zur Geltendmachung der Enteignungsentschädigung zur Verfügung stellt, welche nicht die Überprüfung des Entscheids der Schätzungskommission zum Gegenstand hat. Der Entscheid der Schätzungskommission stellt im Lichte von Art. 33 Abs. 2 RPG eine Verfügung über die Entschädigungsfrage dar, die bei einer kantonalen Rechtsmittelinstanz anfechtbar sein muss. Diese Anforderung erfüllt nur ein Rechtsmittel, das von allen am Schätzungsverfahren beteiligten Parteien erhoben werden kann. Die Klage an das Verwaltungsgericht steht jedoch nach der kantonalen Praxis in Fällen wie dem vorliegenden nur den Grundeigentümern zu. Aber auch die negative Feststellungsklage, welche nach dem angefochtenen Entscheid bei Bejahung des Rechtsschutzinteresses zulässig sein könnte, bietet keine Gewähr, dass der Entscheid der Schätzungskommission vollständig überprüft wird. Da die Grundeigentümerinnen nicht verpflichtet sind, im Rahmen einer solchen Klage das vor der Schätzungskommission ursprünglich geltend gemachte Heimschlagsrecht auszuüben, kann der Entscheid des Verwaltungsgerichts unter Umständen lediglich auf Nichtbestand des Anspruchs auf eine Entschädigung lauten, weil die Grundeigentümerinnen das Heimschlagsrecht noch gar nicht ausgeübt haben. Über den Heimschlag selbst wäre damit nicht entschieden, obwohl das Gesuch um Heimschlag von der Schätzungskommission in ihrem Entscheid vom 12. April 2000 gutgeheissen wurde. Damit besteht im Kanton Obwalden für die Überprüfung des Entscheids der Schätzungskommission kein Rechtsmittel, das den Anforderungen von Art. 33 Abs. 2 RPG genügt. 3.5 Für die Beurteilung eines Rechtsmittels gegen den Entscheid der Schätzungskommission im Sinne von Art. 33 Abs. 2 RPG kommt nach der kantonalen Zuständigkeitsordnung lediglich das Verwaltungsgericht in Frage (Art. 10 und 62 ff. des kantonalen Gesetzes vom 22. September 1996 über die Gerichtsorganisation [GOG]). Dieses muss eine gegen den Entscheid der Schätzungskommission eingereichte Nichtannahme-Erklärung gestützt auf die bundesrechtliche Garantie gemäss Art. 33 Abs. 2 RPG als ordentliches Rechtsmittel entgegennehmen und nach den üblichen für die kantonale Verwaltungsgerichtsbeschwerde geltenden Grundsätzen behandeln (vgl. Art. 8 ff. der kantonalen Verordnung vom 9. März 1973 über das Verwaltungsgerichtsverfahren [VGV/OW]). Auf BGE 132 II 188 S. 199 diese Weise kann ein Art. 33 Abs. 2 RPG genügender Rechtsschutz gewährleistet werden. Der damit verbundene Eingriff in die kantonale Organisationshoheit ergibt sich aus dem Bundesrecht (vgl. BGE 118 Ib 331 E. 3b S. 334 f. mit Hinweisen). Der Kanton Obwalden wird diesen Grundsätzen sowie den Anforderungen an das kantonale Verfahren, die sich aus dem neuen Bundesgerichtsgesetz vom 17. Juni 2005 (BGG, BBl 2005 S. 4045 ff.; s. insbesondere Art. 86 Abs. 2 und 3 BGG ) ergeben werden, im Rahmen der Anpassung seiner Rechtsordnung an das Bundesrecht Rechnung zu tragen haben. 3.6 In Bezug auf die vorliegende Angelegenheit ergibt sich, dass die Frist von 30 Tagen zur Einreichung einer kantonalen Verwaltungsgerichtsbeschwerde gemäss Art. 8a VGV /OW längst verstrichen ist. Nach Treu und Glauben kann der unbenützte Ablauf der Beschwerdefrist den am vorliegenden Verfahren beteiligten Parteien nicht entgegengehalten werden. Das Verwaltungsgericht hat deshalb den Grundeigentümerinnen als Rechtsnachfolgerinnen von Marie Barmettler, welche die Nichtannahme des Entscheids der Schätzungskommission am 25. Mai 2000 erklärt hatte, im Anschluss an das vorliegende Urteil eine neue Frist zur Begründung des Rechtsmittels zu eröffnen. Sollten die Grundeigentümerinnen die festgesetzte Frist unbenützt verstreichen lassen, so wäre das Rechtsmittel aufgrund der blossen Nichtannahme-Erklärung vom 25. Mai 2000 durch das Verwaltungsgericht zu behandeln. 4. Zusammenfassend ergibt sich, dass das Klageverfahren, wie es im Kanton Obwalden für Fälle wie den vorliegenden vorgesehen ist, den bundesrechtlichen Rechtsschutzanforderungen gemäss Art. 33 Abs. 2 RPG nicht genügt. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde der Gemeinde Engelberg ist deshalb im Sinne der Erwägungen gutzuheissen und der angefochtene Entscheid aufzuheben. Der Verwaltungsgerichtspräsident hat den privaten Beschwerdegegnerinnen eine angemessene Frist zur Begründung ihrer Nichtannahme-Erklärung, welche als kantonale Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu behandeln ist, anzusetzen. (...)
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Erwägungen ab Seite 427 BGE 81 II 427 S. 427 Aus den Erwägungen: In materieller Hinsicht macht der Beklagte geltend, die Vorinstanz habe zwar in Übereinstimmung mit der bundesgerichtlichen Praxis (Urteil vom 25. November 1954 i.S. Ditscher) festgestellt, dass der Verwandtenunterstützungsanspruch auf den Notbedarf begrenzt bleibe, auch wenn der Pflichtige in der Lage sei, mehr zu leisten; dagegen habe sie Bundesrecht verletzt, indem sie zwischen dem armenrechtlichen und einem höhern zivilrechtlichen Existenzminimum unterschieden und auf dieses letzte abgestellt habe, obwohl nicht einzusehen sei, weshalb ein Berechtigter bei direkter Unterstützung durch Verwandte mehr erhalten sollte als bei Unterstützung durch die zuständige Behörde; auf diese Weise habe die Vorinstanz der Klägerin einen Beitrag zugesprochen, der sich nicht nach ihrem Notbedarf, sondern in Wirklichkeit nach der Leistungsfähigkeit des Beklagten richte. Diese Rüge ist unbegründet. Welche Leistung im Sinne von Art. 329 ZGB zum Lebensunterhalt des Bedürftigen erforderlich sei, bestimmt sich unabhängig vom sog. armenrechtlichen Existenzminimum, d.h. vom Betrage, den die Armenbehörden zum Richtsatz nehmen würden, um zu entscheiden, ob und in welchem Umfange dem Bedürftigen Armenunterstützung zu gewähren sei. Die Unterstützungspflicht im Sinne von Art. 328 ff. ZGB , die auf naher Verwandtschaft beruht, und die Armenunterstützung durch das Gemeinwesen sind zwei ganz verschiedene Dinge. Den unterstützungspflichtigen Verwandten darf mehr zugemutet BGE 81 II 427 S. 428 werden und wird durch die Vorschrift, dass sie dem Bedürftigen das für den Lebensunterhalt Erforderliche zu gewähren haben, mehr zugemutet als nur die Beseitigung einer Notlage, die so krass ist, dass sie beim Ausbleiben genügender privater Hilfe aus Gründen der öffentlichen Ordnung mit öffentlichen Mitteln behoben werden muss. Der vom Beklagten angerufene Art. 329 Abs. 3 ZGB kann nicht zu einer andern Auffassung führen. Der Armenbehörde, die den Bedürftigen unterstützt, steht freilich ein Ersatzanspruch gegenüber den unterstützungspflichtigen Verwandten (vgl. BGE 76 II 114 E. 2) nur im Rahmen der von ihr vor der Klageeinleitung tatsächlich geleisteten Unterstützung zu. Dagegen kann sie unter dem Titel der laufenden Unterstützung zugunsten des Bedürftigen sehr wohl einen Betrag einklagen, der über die Leistungen hinausgeht, welche der Bedürftige von der öffentlichen Armenpflege zu erwarten hätte. Wollte man aber noch annehmen, es könne nicht Sache der Armenbehörde sein, einen solchen Mehrbetrag geltend zu machen, so müsste man dem Bedürftigen die Befugnis zugestehen, dies selber zu tun. Aus Art. 329 Abs. 3 ZGB folgt also keineswegs, dass die Verwandtenunterstützung sich auf das sog. armenrechtliche Existenzminimum beschränke.
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Sachverhalt ab Seite 7 BGE 83 II 7 S. 7 A.- Am 28. März 1955 stellte Frau A. Meier, geb. 1903, beim Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt das Begehren, ihre Zwillingsschwester Fräulein E. Meyer sei zu verpflichten, ihr vom 1. Januar 1955 an monatliche Unterstützungsbeiträge von Fr. 400.-- zu bezahlen. Mit Entscheid vom 15. Juli 1955 wies der Regierungsrat ihre Klage ab, weil sie gemäss Gutachten des Gesundheitsamtes Basel-Stadt vom 24. Juni 1955 arbeitsfähig sei und ihren Lebensunterhalt als Haushälterin verdienen könne. B.- Gegen diesen Entscheid rekurrierte die Klägerin an das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt als Verwaltungsgericht. Am 15. September 1955 verheiratete sie sich mit W. Brägger. Nach Einholung eines ärztlichen Gutachtens sowie eines Berichtes der Allgemeinen Armenpflege und nach Abklärung der Verhältnisse des Bruders der Parteien hat das Appellationsgericht am 21. September BGE 83 II 7 S. 8 1956 erkannt, die Beklagte werde verpflichtet, an die Klägerin mit Wirkung ab 1. Mai 1955 monatliche vorauszahlbare Unterstützungsbeiträge von Fr. 350.-- zu leisten; die Mehrforderung werde abgewiesen. C.- Mit ihrer Berufung an das Bundesgericht beantragt die Beklagte, die Klage sei für den Fr. 250.-- pro Monat übersteigenden Betrag abzuweisen. Die Klägerin schliesst auf Bestätigung des angefochtenen Urteils. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: Die Beklagte bestreitet nicht mehr, dass die Klägerin unterstützungsbedürftig sei. Mit Recht lässt sie auch gelten, dass sie selber sich im Sinne von Art. 329 Abs. 2 ZGB in günstigen Verhältnissen befindet. Sie macht jedoch geltend, die Vorinstanz habe der Klägerin einen zu hohen Betrag zugesprochen und zu Unrecht angenommen, der Bruder der Parteien könne nicht zur Leistung eines Unterstützungsbeitrages herangezogen werden. 1. Der Anspruch auf Unterstützung geht gemäss Art. 329 Abs. 1 ZGB auf die Leistung, die zum Lebensunterhalt des Bedürftigen erforderlich und den Verhältnissen des Pflichtigen angemessen ist. Es ist also in erster Linie zu prüfen, wie hoch der Notbedarf des Berechtigten ist. Auf diesen Betrag bleibt der Unterstützungsanspruch auch dann begrenzt, wenn der Pflichtige in der Lage wäre, mehr zu leisten. Dies ergibt sich aus Art 328 ZGB , wonach die Unterstützungspflicht zur Voraussetzung hat, dass die Verwandten, welche Unterstützung beanspruchen, "ohne diesen Beistand in Not geraten würden". Die Verwandtenunterstützung soll demnach nur der Not abhelfen. Die Vorschrift, dass die Unterstützung den Verhältnissen des Pflichtigen angemessen sein muss, bezieht sich nur auf den Fall, dass der Pflichtige nicht für den ganzen Notbedarf aufkommen kann (Urteil vom 25. November 1954 i.S. Ditscher; vgl. auch BGE 81 II 427 ). Auf welchen Betrag der Notbedarf im Sinne von Art. 329 ZGB zu beziffern sei, haben die gemäss Art. 329 Abs. 3 BGE 83 II 7 S. 9 ZGB zuständigen Behörden unter Berücksichtigung der besondern Verhältnisse des einzelnen Falles mit Hilfe der allgemeinen Lebenserfahrung selbständig zu bestimmen. Das sog. armenrechtliche Existenzminimum kann für sie, wie in BGE 81 II 427 dargelegt, nicht massgebend sein. Auch die Richtlinien, welche die Betreibungsbehörden bei der Festsetzung des Notbedarfs im Sinne von Art. 93 SchKG befolgen, sind für sie nicht verbindlich. Die zuständigen Behörden sind aber immerhin nicht gehindert, sich an diese - vielerorts auf eingehenden Untersuchungen über die Lebensbedürfnisse beruhenden - Richtlinien anzulehnen, da zwischen dem im Sinne von Art. 329 zum Lebensunterhalt Erforderlichen und dem im Sinne von Art. 93 SchKG unumgänglich Notwendigen kein Unterschied besteht, wenn man davon absieht, dass Art. 329 ZGB nur die Bedürfnisse des Unterstützungsberechtigten, Art. 93 SchKG dagegen diejenigen des Schuldners und seiner Familie in Betracht zieht (vgl. das bereits angeführte Urteil i.S. Ditscher und Erw. 5 des in BGE 81 II 427 auszugsweise veröffentlichten Urteils i.S. Kläsi, wo als nicht bundesrechtswidrig erklärt wurde, dass die kantonalen Behörden bei der Bemessung der dem Bedürftigen nach Art. 329 ZGB zukommenden Leistung vom betreibungsrechtlichen Notbedarf ausgingen). Die Auffassung der Vorinstanz, dass der Unterstützungsberechtigte auf eine über dem betreibungsrechtlichen Notbedarf liegende Lebenshaltung Anspruch habe, erweckt also mindestens in dieser allgemeinen Form Bedenken. Trotzdem ist die Bemessung des Unterstützungsanspruchs der Klägerin durch die Vorinstanz im Ergebnis nicht zu beanstanden. Der Betrag von Fr. 260.--, auf den der Unterstützungsberechtigte laut der Vernehmlassung des Departementes des Innern des Kantons Basel-Stadt vom 8. September 1955 nach ständiger Praxis des Regierungsrates Anspruch erheben kann, entspricht dem Grundbetrag des Existenzminimums für einen alleinstehenden, im Haushalt Angehöriger lebenden Schuldner ohne Unterstützungspflicht BGE 83 II 7 S. 10 gemäss der Weisung der Aufsichtsbehörde über das Betreibungs- und Konkursamt Basel-Stadt vom 9. Januar 1952. Seither sind die Lebenskosten erheblich gestiegen. Die kantonale Aufsichtsbehörde hat deswegen, wie dem Bundesgericht als Oberaufsichtsbehörde bekannt ist, am 15. Dezember 1956 mit Wirkung auf 1. Januar 1957 eine neue Weisung für die Berechnung des Existenzminimums erlassen, nach welcher der entsprechende Ansatz Fr. 240.-- zuzüglich Wohnungszins beträgt. Die Vorinstanz brauchte diese (erst nach Ausfällung des angefochtenen Urteils erfolgte) Revision nicht abzuwarten, um bei Anwendung von Art. 329 ZGB der in den letzten Jahren eingetretenen Teuerung Rechnung zu tragen. Auf Grund der allgemeinen Lebenserfahrung hatte sie auch zu berücksichtigen, dass die Klägerin wegen ihres prekären Gesundheitszustandes mit besondern, im Grundansatz des betreibungsrechtlichen Existenzminimums nicht berücksichtigten Auslagen (z.B. für Medikamente und gelegentlichen Beizug von Hilfskräften) zu rechnen hat. Die Heirat mit Brägger, bei dem sie schon vorher gelebt hatte, verbesserte die Lage der Klägerin in keiner Weise, da Brägger seit einiger Zeit selber arbeitsunfähig und auf Armenunterstützung angewiesen war. Unter diesen Umständen konnte die Vorinstanz ohne Verstoss gegen das Bundesrecht oder einen berufungsrechtlich diesem gleichzustellenden Erfahrungssatz annehmen, zum Lebensunterhalt der Klägerin sei ein Betrag von Fr. 350.-- pro Monat erforderlich. Dass die Beklagte, die nach ihren eigenen Angaben infolge Erbgangs über ein Vermögen von ungefähr Fr. 650'000.-- und entsprechende Einnahmen verfügt, sich auch bei Leistung von Beiträgen in dieser Höhe die Lebenshaltung einer wohlhabenden Person gestatten kann, bedarf keiner nähern Begründung. 2. Der Bruder der Parteien besitzt nach den Feststellungen der Vorinstanz kein Vermögen und verdient als Prokurist einer angesehenen Firma monatlich ca. BGE 83 II 7 S. 11 Fr. 1180.--. Im Falle BGE 82 II 197 hat das Bundesgericht das Vorliegen günstiger Verhältnisse im Sinne von Art. 329 Abs. 2 ZGB verneint bei einem verheirateten städtischen Beamten, der ein Vermögen von Fr. 13 000.-- versteuerte und ein Monatseinkommen von netto Fr. 968.55 bezog. Der Bruder der Parteien verdient rund Fr. 210.-- monatlich mehr. Die Vorinstanz nimmt aber als erwiesen an, dass er zufolge Kränklichkeit seiner Ehefrau besonders hohe Auslagen habe, und ausserdem zieht sie mit Recht in Betracht, dass er als Prokurist eines Privatunternehmens mehr Repräsentationskosten habe als "ein städtischer Beamter in jedenfalls nicht übergeordneter Stellung". Unter diesen Umständen kann nicht gesagt werden, er lebe in merklich bessern Verhältnissen als jener Beamte. Mit ihrer Annahme, dass er sich im Sinne von Art. 329 Abs. 2 nicht in günstigen Verhältnissen, d.h. im Wohlstand, befinde, hat also die Vorinstanz das ihr zustehende Ermessen nicht überschritten. Ihr Entscheid ist in diesem Punkte um so weniger zu beanstanden, als aus dem Grundsatze, dass mehrere Pflichtige die Unterstützungslast im Verhältnis ihrer Leistungsfähigkeit zu tragen haben ( BGE 59 II 6 ), zu schliessen ist, dass ein Pflichtiger, dessen grundsätzliche Leistungsfähigkeit auf jeden Fall zweifelhaft ist, dann gänzlich entlastet werden darf, wenn ein anderer sich in weit bessern Verhältnissen befindet und die nötige Unterstützung ohne Schwierigkeit allein aufzubringen vermag. So verhält es sich hier, da die Beklagte, die abgesehen von der Klägerin nur für sich selber zu sorgen hat, nicht nur im Wohlstande lebt, sondern geradezu über Reichtum verfügt.
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29851287-2778-4070-9246-2686a5846fb7
Sachverhalt ab Seite 151 BGE 121 I 150 S. 151 S. wurde im Rahmen von vorsorglichen Massnahmen vom Bezirksgericht Zürich verpflichtet, seiner im Kanton Zürich wohnhaften Ehefrau während des Ehescheidungsverfahrens monatliche Unterhaltsbeiträge von Fr. -.-- zu zahlen. Die Steuerkommission X. (Kanton Thurgau), wo S. damals Wohnsitz hatte, setzte sein steuerbares Einkommen für das Veranlagungsjahr 1991 (ab 1. Juni 1991) unter Aufrechnung der abgezogenen Unterhaltszahlungen auf Fr. -.-- fest. Der Steuerpflichtige erhob dagegen erfolglos Einsprache und Rekurs. Das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau wies das Begehren von S., die seiner im Kanton Zürich wohnhaften Ehefrau bezahlten Unterhaltsbeiträge zum Abzug zuzulassen, mit Urteil vom 17. August 1994 ab. Das Bundesgericht heisst die staatsrechtliche Beschwerde von S. gut und hebt den Entscheid des Verwaltungsgerichts vom 17. August 1994 auf, Erwägungen aus folgenden Erwägungen: 1. a) Gemäss § 19 lit. c des Steuergesetzes des Kantons Thurgau in der hier noch anwendbaren Fassung vom 9. Juli 1964 (StG) können dauernde periodische Beiträge an den geschiedenen oder gerichtlich getrennten Ehegatten vom steuerbaren Einkommen des Schuldners abgezogen werden. Hingegen werden Unterhaltsbeiträge, die nach Aufhebung des gemeinsamen Haushalts vom Massnahmerichter gestützt auf Art. 145 ZGB für die Dauer des Scheidungsverfahrens zugesprochen werden, nicht zum Abzug zugelassen. In § 34 Abs. 1 Ziff. 5 des neuen thurgauischen Steuergesetzes vom 14. September 1992 (nStG) ist der Abzug periodischer Unterhaltsbeiträge umfassender vorgesehen: nebst den Unterhaltsbeiträgen an den geschiedenen oder gerichtlich getrennten können auch Unterhaltsbeiträge an den tatsächlich getrennten Ehegatten abgezogen werden. b) Der Beschwerdeführer macht geltend, seine Ehefrau sei im fraglichen Zeitraum im Kanton Zürich wohnhaft gewesen und habe die Alimente dort gestützt auf § 19 lit. h des Zürcher Gesetzes vom 8. Juli 1951 über die direkten Steuern versteuern müssen. Wenn er die Alimente nicht abziehen könne, entstehe eine unzulässige Doppelbesteuerung. Nach Art. 46 Abs. 2 BV sei es nicht zulässig, das gleiche Einkommen beim Ehemann und bei der Ehefrau zu besteuern. Auch bei nach Art. 145 Abs. 1 ZGB getrenntlebenden BGE 121 I 150 S. 152 Ehegatten bestehe - wie dies das Bundesgericht für Alimentenzahlungen an die Kinder angenommen habe ( BGE 118 Ia 277 ff.) - eine enge wirtschaftliche und rechtliche Beziehung fort, so dass es sich rechtfertige, das Doppelbesteuerungsverbot auf den Fall der Ehegattenalimente anzuwenden. c) Das Doppelbesteuerungsverbot von Art. 46 Abs. 2 BV schliesst eine Besteuerung der gleichen Person durch zwei oder mehrere Kantone für das gleiche Steuerobjekt und die gleiche Zeit aus. Unzulässig ist sowohl die aktuelle als auch die virtuelle Doppelbesteuerung (vgl. BGE 117 Ia 516 E. 2 S. 518; 116 Ia 127 E. 2a S. 130, mit Hinweisen). Vom Erfordernis, dass sich die Steueransprüche gegen das gleiche Steuersubjekt richten (Steuersubjektidentität), kann abgesehen werden, wenn zwei Steuersubjekte mit Bezug auf einen bestimmten Sachverhalt rechtlich und wirtschaftlich in besonderem Masse verbunden sind (Steuersubjektverbundenheit, vgl. ERNST HÖHN, Interkantonales Steuerrecht, 3. Aufl. 1993, N. 12 zu § 4 S. 71 und BGE 118 Ia 277 E. 2 S. 279/280, mit Beispielen und Hinweisen). Eine solche Verbundenheit, die zur Anwendung des Doppelbesteuerungsverbots führt, hat das Bundesgericht angenommen für Kinderunterhaltsbeiträge zwischen dem Leistenden und dem Empfänger der Unterhaltsbeiträge ( BGE 118 Ia 277 ff.), bei der Nutzniessung zwischen Nutzniesser und Eigentümer, bei der Kollektiv- und Kommanditgesellschaft zwischen der Gesellschaft und dem Gesellschafter, zwischen der Stiftung und dem Stifter sowie dem Schenkenden und dem Beschenkten (vgl. THOMAS KOLLER, Die Besteuerung von Unterhaltsleistungen an Kinder im Lichte von BGE 118 Ia 277 ff. [= ASA 61 S. 741 ff.] und deren Auswirkungen auf das Zivilrecht, ASA 62 S. 289 ff., S. 296 ff.; HÖHN, a.a.O., N. 13 zu § 4 S. 71, und Kommentar BV, N. 41 zu Art. 46 Abs. 2 BV , mit Hinweisen). aa) Bei Ehegatten hat das Bundesgericht eine Doppelbesteuerung zufolge Identität des Steuersubjekts angenommen, wenn Ehemann und Ehefrau, die zusammenleben und demzufolge gemeinsam besteuert werden, je von einem Kanton für das gleiche Objekt zu Steuern herangezogen werden (HÖHN, a.a.O., N. 13 zu § 4 S. 71 f.). Es hat das Vorliegen einer Doppelbesteuerung in bezug auf Ehegattenalimente bisher verneint ( BGE 90 I 293 E. 2 S. 297); massgebend hiefür war die Erwägung, dass bei Scheidung oder Trennung der gemeinsame Haushalt aufgelöst ist, keine Gemeinschaftlichkeit der Mittel mehr besteht und beide Ehegatten demzufolge als eigenständige Steuersubjekte behandelt werden. Im folgenden ist zu prüfen, ob daran festgehalten werden kann. BGE 121 I 150 S. 153 bb) Getrennt lebende Ehegatten sind nach dem Gesagten im interkantonalen Verhältnis eigenständige Steuersubjekte, wenn keine Gemeinschaftlichkeit der Mittel für Wohnung und Lebensunterhalt besteht, d.h. wenn sich die Unterstützung des einen an den anderen Ehegatten - wie im vorliegenden Fall - in der Leistung von ziffernmässig bestimmten Unterhaltsbeiträgen erschöpft (vgl. BGE 121 I 14 E. 5c S. 19; BGE 118 Ia 277 E. 2 S. 279 unten). Tatsächlich bleiben sie jedoch in bezug auf den Unterhalt auch nach der Trennung oder Scheidung rechtlich und wirtschaftlich in besonderem Masse verbunden: So gilt die Unterhaltspflicht der Ehegatten ( Art. 163 Abs. 1 ZGB ) für die ganze Dauer des rechtlichen Bestands der Ehe und somit auch für die Dauer des Getrenntlebens nach Art. 175 f. ZGB (vgl. Art. 176 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB ) oder des Scheidungsprozesses (vgl. BÜHLER/SPÜHLER, Berner Kommentar, N. 111 zu Art. 145 ZGB ; SPÜHLER/FREI-MAURER, Berner Kommentar, Ergänzungsband 1991, N. 111 zu Art. 145 ZGB ). In der Bedürftigkeitsrente nach Art. 152 ZGB lebt aus dem Gedanken der nachehelichen Solidarität die Beistandspflicht der Ehegatten ( Art. 159 Abs. 3 ZGB ) auch nach der Scheidung fort (SPÜHLER/FREI-MAURER, a.a.O., N. 4 zu Art. 152 ZGB ). Die Unterhaltsersatzrente nach Art. 151 Abs. 1 ZGB ist zwar nicht eine Forderung aus der ehelichen Gemeinschaft, sondern Schadenersatz; doch beruht auch dieser auf dem Verlust von Ansprüchen, die sich aus der Ehe ergeben (SPÜHLER/FREI-MAURER, a.a.O., N. 9 zu Art. 151 ZGB , mit Hinweisen). Unabhängig davon, ob die Ehegatten noch verheiratet oder bereits geschieden sind, besteht demnach in bezug auf den Unterhalt eine besondere rechtliche und wirtschaftliche Verbundenheit der Ehegatten, in der die Ehe bzw. die frühere Ehe nach der Trennung noch Folgen zeitigt. Eine solche Verbundenheit zwischen den betroffenen Steuersubjekten rechtfertigt es, auf das formale Erfordernis der Steuersubjektidentität zu verzichten (vgl. KOLLER, a.a.O., S. 296 ff. und 301). In bezug auf die Unterhaltsbeiträge, die ein Ehegatte vom anderen nach der Trennung oder Scheidung für sich erhält, ist daher im interkantonalen Verhältnis das Doppelbesteuerungsverbot zu beachten. An der bisherigen Praxis, die der nach wie vor bestehenden besonderen rechtlichen und wirtschaftlichen Verbindung der Ehegatten zuwenig Rechnung trägt, kann nicht festgehalten werden. Das Doppelbesteuerungsverbot schliesst aus, dass der Wohnsitzkanton des Ehegatten, der die Unterhaltsbeiträge zahlt, dessen Einkommen voll (ohne Abzug der Unterhaltsbeiträge) erfasst und der Wohnsitzkanton des Empfängers die Beiträge gleichzeitig ebenfalls als Einkommen besteuert; BGE 121 I 150 S. 154 dadurch würden getrenntlebende gegenüber zusammenlebenden Ehegatten in nicht zu rechtfertigender Weise schlechter gestellt (vgl. KOLLER, a.a.O., S. 301). cc) Mit dieser Praxisänderung wird zudem der Rechtsentwicklung in den Kantonen und im Bund Rechnung getragen. Innerkantonal sind alle Kantone dazu übergegangen, Unterhaltsleistungen an den geschiedenen oder getrennten Ehegatten und an die Kinder nur einmal steuerlich zu belasten (vgl. KOLLER, a.a.O., S. 294). Nur noch einige wenige Kantone lassen den Abzug von Ehegattenalimenten beim leistenden Ehegatten nicht bereits mit der tatsächlichen Trennung, sondern erst mit der Scheidung oder gerichtlichen Trennung zum Abzug zu. Art. 7 Abs. 4 lit. g des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (Steuerharmonisierungsgesetz; StHG, SR 642.14) verpflichtet die Kantone einerseits, die vom geschiedenen oder gerichtlich oder tatsächlich getrenntlebenden Ehegatten erhaltenen Unterhaltsbeiträge beim Empfänger zu besteuern, Art. 9 Abs. 2 lit. c StHG verpflichtet sie andererseits, die entsprechenden Unterhaltsbeiträge beim Leistenden zum Abzug zuzulassen; dieselbe Besteuerung sehen auch die Art. 23 lit. f und 24 lit. e des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer (DBG; SR 642.11) vor. Wie dies in BGE 118 Ia 277 (E. 3 S. 281) bereits für die Unterhaltsbeiträge an die Kinder entschieden wurde, rechtfertigt sich auch für die Unterhaltsbeiträge der Ehegatten doppelbesteuerungsrechtlich keine Zuteilungsnorm, die von den in den Steuergesetzen getroffenen Regelungen abweicht. In Anlehnung an die Lösung, die bei der Steuerharmonisierung gewählt und bereits von den meisten Kantonen übernommen wurde, sind daher Alimente, die an den geschiedenen oder (gerichtlich oder tatsächlich) getrenntlebenden Ehegatten bezahlt werden, im interkantonalen Verhältnis zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung dem Wohnsitzkanton des Empfängers zur ausschliesslichen Besteuerung zuzuweisen und beim Verpflichteten zum Abzug zuzulassen (vgl. KOLLER, a.a.O., S. 305 ff.). d) Der Kanton Thurgau hat somit seine Steuerhoheit überschritten, indem er den Beschwerdeführer einschliesslich der an seine Ehefrau im Kanton Zürich bezahlten Alimente besteuert hat. Die Beschwerde ist daher gutzuheissen und der angefochtene Entscheid aufzuheben. Das Verwaltungsgericht hat einen neuen Entscheid zu fällen und dabei die vom Beschwerdeführer geleisteten Unterhaltsbeiträge zum Abzug zuzulassen.
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Erwägungen ab Seite 50 BGE 121 III 49 S. 50 Aus den Erwägungen: 1. a) Bei der Festsetzung der der Klägerin gestützt auf Art. 152 ZGB zugesprochenen Rente hat das Obergericht in grundsätzlicher Hinsicht bemerkt, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts der Bedürftigkeit des anspruchsberechtigten Ehegatten in der Regel Rechnung getragen sei, wenn der Unterhaltsbeitrag 20% über dem individuell zu berechnenden betreibungsrechtlichen Notbedarf liege. Es ist von dieser Praxis jedoch abgewichen und hat auf das soziale Existenzminimum gemäss den von der Schweizerischen Konferenz für öffentliche Fürsorge (SKöF) erarbeiteten Richtlinien für die Bemessung der Sozialhilfe abgestellt. Einerseits entspreche der erwähnte Ansatz von 20% nur einem Grundsatz und könne aufgrund der konkreten Verhältnisse, beispielsweise je nach Einkommen des Pflichtigen, auch unterschritten oder überhaupt nicht berücksichtigt werden; die 20%-Regel führe mithin zu einer gewissen Unsicherheit bezüglich ihrer Anwendbarkeit und des prozentualen Ansatzes. Andererseits wirke sich der prozentuale Zuschlag je nach Höhe des betreibungsrechtlichen Notbedarfs nominell unterschiedlich aus. Es sei nicht ersichtlich, weshalb bei einem höheren Existenzminimum der Bedürftigkeit mit einem nominell höheren Zuschlag Rechnung zu tragen sei. So könnten bei grundsätzlich, d.h. hinsichtlich Grundbeträge, Krankenkassenprämien, Radio/TV usw., vergleichbaren Verhältnissen zweier Anspruchsberechtigter die Wohnungsmieten aufgrund des Marktes unter Umständen stark variieren, so dass dem einen Berechtigten höhere Mietkosten angerechnet werden müssten als dem andern; die Existenzminima und damit die 20%-Zuschläge seien mithin unterschiedlich hoch, obwohl die Bedürftigkeit an sich bei beiden Berechtigten gleich zu veranschlagen sei. Werde demgegenüber vom sozialen Existenzminimum ausgegangen, bestehe Gewähr, dass die konkrete Bedürftigkeit im Einzelfall mehr oder weniger zuverlässig ermittelt werden könne. Dies gelte um so mehr, als die SKöF-Richtlinien im Gegensatz zum betreibungsrechtlichen Notbedarf verschiedene weitere Ausgaben, zum Beispiel einen Betrag zur freien Verfügung, für Information, Bildung, weitere Hilfen, berücksichtigten, den tatsächlichen Verhältnissen und Bedürfnissen deshalb näher kämen. Die Ansätze basierten denn auch auf Haushaltsbudgets von Einzelpersonen und Familien mit bescheidenen, aber zur wirtschaftlichen Selbständigkeit ausreichenden Einkommen. b) Die Klägerin beanstandet, dass die Berechnungsweise der Vorinstanz zu BGE 121 III 49 S. 51 einer Nivellierung nach unten führe, was hier gerade in Anbetracht der ausserordentlich guten wirtschaftlichen Verhältnisse des Beklagten nicht gerechtfertigt sei. Es könne auch nicht angehen, dass die kantonalen Gerichte bei der Bemessung von Bedürftigkeitsrenten nach Gutdünken unterschiedliche Tarife zur Anwendung brächten. c) Gemäss bereits langjähriger Rechtsprechung des Bundesgerichts ist von Bedürftigkeit im Sinne von Art. 152 ZGB in der Tat grundsätzlich dann zu sprechen, wenn das Einkommen des betreffenden Ehegatten nicht mehr als 20% über dem - um die laufende Steuerlast erweiterten - betreibungsrechtlichen Notbedarf liegt ( BGE 118 II 97 E. 4b/aa S. 99 mit Hinweisen). Diese Betrachtungsweise ist in der Lehre unangefochten geblieben (vgl. HAUSHEER, Neuere Tendenzen der bundesgerichtlichen Rechtsprechung im Bereiche der Ehescheidung, in: Festschrift für Cyril Hegnauer, Bern 1986, S. 181, und ZBJV 122/1986, S. 63; SPÜHLER/FREI-MAURER, N. 10 zu Art. 152 ZGB ; HEGNAUER/BREITSCHMID, Grundriss des Eherechts, 3. A., Rz. 11.22). Die vom Obergericht angerufenen Richtlinien stammen von der Schweizerischen Konferenz für öffentliche Fürsorge, d.h. von einer privatrechtlichen Vereinigung (vgl. WOLFFERS, Grundriss des Sozialhilferechts, Bern/Stuttgart/Wien 1993, S. 48). Das objektive Recht enthält keine Verweisung auf deren Richtlinien, so dass diese nicht etwa verbindlich sind. Freilich schliesst das an sich nicht aus, dass die Richtlinien im Sinne von Empfehlungen bei der Auslegung insbesondere des kantonalen Rechts (so etwa von Bestimmungen betreffend die unentgeltliche Rechtspflege) herangezogen werden. Was das Obergericht zu bedenken gibt, rechtfertigt jedoch nicht, in der hier zu beurteilenden Frage von der bisherigen Praxis abzuweichen. Diese hat sich allgemein eingebürgert und hilft, die bundesrechtliche Bestimmung des Art. 152 ZGB in allen Kantonen nach einheitlichen Kriterien anzuwenden. Die Zuschlagsregelung bietet hinreichend Gewähr dafür, dass den konkreten wirtschaftlichen Verhältnissen der betroffenen Ehegatten angemessen Rechnung getragen wird. Wohl mag es wegen der möglichen Unterschiede bei den Mietzinsen gewisse Unzulänglichkeiten geben, doch geht es letztlich nur um den Differenzbetrag von unterschiedlich hohen Mietzinsen. Die Auswirkungen beim Zuschlag sind prozentual gesehen deshalb verhältnismässig gering. Zudem lassen sich stossende Ergebnisse gegebenenfalls durch eine flexible Handhabung der Zuschlagsregel vermeiden.
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Sachverhalt ab Seite 412 BGE 113 Ia 412 S. 412 Der Grosse Rat des Kantons Bern verabschiedete am 10. September 1985 das Gesetz betreffend die Änderung des Gesetzes über die Organisation der Gerichtsbehörden, des Gesetzes über das Strafverfahren des Kantons Bern, des Gesetzes betreffend die BGE 113 Ia 412 S. 413 Einführung des schweizerischen Strafgesetzbuches und des Gesetzes über das Dienstverhältnis der Behördemitglieder und des Personals der bernischen Staatsverwaltung. Nachdem die Referendumsfrist unbenutzt abgelaufen war, wurde das Abänderungsgesetz mit Beschluss des Regierungsrates des Kantons Bern vom 11. Februar 1986 auf diesen Tag hin in Kraft gesetzt. Die Publikation der Inkraftsetzung erfolgte im Amtsblatt des Kantons Bern vom 15. Februar 1986. Das Abänderungsgesetz enthielt u.a. folgende Bestimmungen: "I. Gesetz über die Organisation der Gerichtsbehörden (GOG [neue Fassung vom 10. September 1985 nachfolgend mit nGOG bezeichnet]): Art. 9a: Eine der beiden Kriminalkammern bildet das Wirtschaftsstrafgericht des Kantons. II. Gesetz über das Strafverfahren des Kantons Bern (StrV [neue Fassung vom 10. September 1985 nachfolgend mit nStrV bezeichnet]): Art. 29 Das Geschworenengericht beurteilt die mit Zuchthaus von mehr als fünf Jahren bedrohten Verbrechen. Vorbehalten bleiben die Artikel 208, 208a und 208b. Art. 208 2 Handelt es sich um politische Verbrechen oder Vergehen oder um in der Presse begangene Ehrverletzungen, die öffentliche Interessen berühren, so sind die Überweisungsbehörden auch befugt, an ein Gericht mit anderer, insbesondere höherer sachlicher Zuständigkeit zu überweisen, wenn besondere Gründe dafür sprechen. Ebenso können unter den in Artikel 208b genannten Voraussetzungen Straffälle in der Zuständigkeit des Amtsgerichts an das Wirtschaftsstrafgericht überwiesen werden. Art. 208b (neu) Ein Fall soll an das Wirtschaftsstrafgericht überwiesen werden, wenn zur Hauptsache strafbare Handlungen gegen das Vermögen oder Urkundenfälschungen in Frage stehen und deren Beurteilung besondere wirtschaftliche Kenntnisse oder die Würdigung einer grossen Zahl schriftlicher Beweismittel voraussetzt; die in Artikel 208a genannten Erfordernisse müssen nicht vorliegen. Art. 296 1 Die Kriminalkammer und das Wirtschaftsstrafgericht befolgen bei der Behandlung der ihnen überwiesenen Fülle die Vorschriften über das Hauptverfahren vor dem Amtsgericht und dem Einzelrichter. Anstelle von Artikel 235 ist Artikel 285 anwendbar. 2 Zu berücksichtigen sind die folgenden, besonderen Bestimmungen: 1. Die Akten zirkulieren vor der Hauptverhandlung bei allen Mitgliedern des Gerichts. 2. Hatte der Angeschuldigte oder sein Verteidiger schon in der Voruntersuchung Gelegenheit, einem Zeugen oder Sachverständigen Fragen zu stellen, steht es im Ermessen des Gerichtes, diese Personen zur Hauptverhandlung vorzuladen und abzuhören. ... Art. 398 Dieses Gesetz und dessen spätere Änderungen treten auf den vom Regierungsrat festzusetzenden Zeitpunkt in Kraft mit folgenden BGE 113 Ia 412 S. 414 Einschränkungen: 1. Strafprozesse, welche in diesem Zeitpunkte in das Rechtsmittelverfahren eingetreten und in denen die Vorladungen zur Verhandlung ergangen sind, werden nach altem Recht zu Ende geführt; doch gilt betreffend Beweiswürdigung, Wiederaufnahme des Verfahrens, Vollstreckung und Begnadigung das neue Recht, ebenso, wenn die Sache zu neuer Verhandlung an die erste Instanz zurückgewiesen wird. 2. Strafprozesse, welche in diesem Zeitpunkte in das Hauptverfahren eingetreten und in denen die Vorladungen zur Hauptverhandlung ergangen sind, werden nach altem Recht in der betreffenden Instanz zu Ende geführt; doch gilt das neue Recht betreffend Beweiswürdigung, Rechtsmittel, Vollstreckung und Begnadigung, ebenso, wenn die Sache zu neuer Verhandlung an die erste Instanz zurückgewiesen wird. 3. Unverändert." Am 25. Februar 1986 erhoben X., Y. und Z., die alle im Kanton Bern wohnhaft sind, staatsrechtliche Beschwerde gegen dieses Abänderungsgesetz wegen Verletzung des Öffentlichkeits- und Unmittelbarkeitsprinzips (Art. 50 der bernischen Kantonsverfassung [KV]; Art. 211, 230, 244, 249, 289 und 295 Abs. 1 StrV; Art. 58 Abs. 1 und Art. 4 BV ; Art. 6 Ziff. 1 EMRK ), wegen Verletzung der Garantie des Geschworenengerichtes (Art. 61 KV), wegen fehlender Verfassungsgrundlage für das Wirtschaftsstrafgericht(Art. 49 KV), wegen Verletzung des Rechts auf den verfassungsmässigen Richter und des Verbots von Ausnahmegerichten (Art. 49 KV; Art. 58 Abs. 1 und Art. 4 BV ; Art. 6 Ziff. 1 EMRK ), wegen willkürlicher Zuweisungsregelung (Art. 208b nStrV; 58 Abs. 1 und Art. 4 BV ) sowie wegen willkürlicher Übergangsbestimmungen (Art. 398 nStrV; Art. 58 Abs. 1 und Art. 4 BV ). Sie stellen den Antrag, Art. 9a nGOG sowie Art. 29 Satz 2, Art. 208 Abs. 2 Satz 2, Art. 296 Abs. 2 Ziff. 1 und 2 und Art. 398 Ziff. 1 und 2 nStrV seien aufzuheben. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit auf sie eingetreten werden kann. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Hatte der Angeschuldigte oder sein Verteidiger schon in der Voruntersuchung Gelegenheit, einem Zeugen oder Sachverständigen Fragen zu stellen, so steht es gemäss Art. 296 Abs. 2 Ziff. 2 nStrV im Ermessen des Gerichtes, diese Personen zur Hauptverhandlung vorzuladen und abzuhören. Die Beschwerdeführer machen geltend, diese Bestimmung verletze das Öffentlichkeitsprinzip, welches sie in Art. 50 KV, in der Bundesverfassung BGE 113 Ia 412 S. 415 (als ungeschriebenes Verfassungsrecht, evtl. in Art. 58 Abs. 1 oder in Art. 4 BV ) und in Art. 6 Ziff. 1 EMRK gewährleistet sehen. a) Nach Art. 50 KV gilt für die Verhandlungen vor den Gerichten als Regel der Grundsatz der Öffentlichkeit und der Mündlichkeit, wobei die Gesetzgebung Ausnahmen gestatten kann. Der Gewährleistung verfassungsmässiger Rechte der Kantone kommt allerdings nur dort selbständige Bedeutung zu, wo ihr Schutzgehalt über den der verfassungsmässigen Rechte der Bundesverfassung oder der Europäischen Menschenrechtskonvention hinausgeht ( BGE 112 Ia 126 E. 3a, 103 Ia 171, BGE 99 Ia 266 E. II, je mit Hinweisen; s. auch WALTER KÄLIN, Das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde, Bern 1984, S. 78). Ob der Grundsatz der Öffentlichkeit der Strafgerichtsverhandlung im Sinne der Auffassung der Beschwerdeführer als ungeschriebenes Verfassungsrecht der Bundesverfassung anerkannt werden kann, war vom Bundesgericht bisher nicht zu entscheiden und erscheint als fraglich. Die Frage kann jedoch offenbleiben, da jedenfalls Art. 6 Ziff. 1 EMRK das Öffentlichkeitsprinzip der Strafgerichtsverhandlung gewährleistet und auf ein erstinstanzliches Verfahren grundsätzlich unmittelbar anwendbar ist ( BGE 111 Ia 243 f. E. 6, BGE 108 Ia 92 E. 2c, je mit Hinweisen). Da das Bundesgericht im Rahmen der abstrakten Normenkontrolle frei und umfassend prüft, ob der angefochtene Erlass die angerufene Verfassungs- oder Konventionsbestimmung verletzt (s. BGE 111 Ia 24 f. E. 2 mit Hinweisen), kommt der von den Beschwerdeführern im vorliegenden Zusammenhang zusätzlich erhobenen Rüge, mit Art. 296 Abs. 2 Ziff. 2 nStrV werde auch das Willkürverbot verletzt, keine selbständige Bedeutung zu. Die Beschwerdeführer haben im übrigen nicht dargetan, weshalb diese Bestimmung mit "keinen hinreichenden Gründen sachlicher Natur zu rechtfertigen", d.h. willkürlich sein soll; ihr insoweit blosser Verweis auf andernorts in ihrer Beschwerde gemachte Ausführungen vermag jedenfalls ihre Willkürrüge nicht rechtsgenüglich zu substantiieren ( Art. 90 Abs. 1 lit. b OG ; vgl. BGE 110 Ia 3 f. E. 2a). Inwiefern der Grundsatz der Öffentlichkeit der Strafgerichtsverhandlung durch Art. 58 BV gewährleistet sein soll, wie dies die Beschwerdeführer ebenfalls geltend machen, ist nicht ersichtlich. Die Bestimmung des Art. 58 BV ist gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung als Garantie eines unparteiischen und unabhängigen Richters zu verstehen; sie gewährleistet jedermann die Freiheit, nur von dem Richter Recht zu nehmen, der nach den bestehenden Verfassungsnormen, Gesetzen und Verordnungen allgemein BGE 113 Ia 412 S. 416 für die Streitsachen zuständig ist, zu denen der in Frage stehende Prozess gehört ( BGE 91 I 401 mit Hinweisen), und sie gibt jedermann Anspruch auf richtige Besetzung des Gerichts (s. BGE 112 Ia 290 ff., BGE vom 4. Februar 1987 in EuGRZ 1987, S. 156 f., je mit Hinweisen). Soweit Unabhängigkeit, Unparteilichkeit und Gesetzmässigkeit durch Art. 58 BV gewährleistet sind, stimmt zwar diese Bestimmung mit Art. 6 Ziff. 1 EMRK überein (s. auch BGE 105 Ia 166 E. 7 und 180 E. 6; Entscheide der Europäischen Kommission für Menschenrechte vom 1. Dezember 1986 i.S. K. und i.S. S. gegen die Schweiz [auszugsweise publ. in VPB 1987 Nr. 78] in welchen die Kommission sowohl die Divisionsgerichte als auch das Militärkassationsgericht gemäss schweizerischer Militärstrafprozessordnung als unabhängige und unparteiliche Gerichte im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK erachtet; ferner: JÖRG PAUL MÜLLER/STEFAN MÜLLER, Grundrechte, Besonderer Teil, Bern 1985, S. 279). Mit dem Grundsatz der Öffentlichkeit als weiterem, eigenständigem Schutzgehalt von Art. 6 Ziff. 1 EMRK (s. nachf. lit. b und c) hat die Garantie des Art. 58 BV an sich jedoch nichts zu tun. b) Aus diesen Gründen und weil die Beschwerdeführer nicht behauptet haben, Art. 50 KV gehe weiter als Art. 6 Ziff. 1 EMRK , ist die von ihnen erhobene Rüge der Verletzung des Öffentlichkeitsprinzips ausschliesslich im Lichte dieser letztgenannten Bestimmung zu beurteilen. Die Schweiz hat zu Art. 6 Ziff. 1 EMRK in bezug auf den Grundsatz der Öffentlichkeit einen Vorbehalt angebracht, doch betrifft dieser nicht die im vorliegenden Verfahren einzig zur Diskussion stehende Strafgerichtsverhandlung, sondern das Verfahren vor Verwaltungsbehörden sowie die Öffentlichkeit der Urteilsverkündung an sich (s. hiezu LUZIUS WILDHABER, Internationaler Kommentar zur EMRK, Köln/Berlin/Bonn/München 1986, N. 603 ff. zu Art. 6 EMRK ). Es ist daher hier nicht auf diesen Vorbehalt einzugehen. c) Der in Art. 6 Ziff. 1 EMRK enthaltene Grundsatz der Öffentlichkeit der Gerichtsverhandlung bezieht sich nicht bloss auf die Partei-, sondern auch auf die Publikumsöffentlichkeit ( BGE 111 Ia 244 E. 7a). Er bedeutet eine Absage an jede Form geheimer Kabinettsjustiz und soll durch die Kontrolle der Öffentlichkeit dem Angeschuldigten und allen übrigen am Prozess Beteiligten eine korrekte und gesetzmässige Behandlung gewährleisten. Der Öffentlichkeit soll darüber hinaus ermöglicht werden, Kenntnis BGE 113 Ia 412 S. 417 davon zu erhalten, wie das Recht verwaltet und wie die Rechtspflege ausgeführt wird. Durch die Öffentlichkeit der Hauptverhandlung wird es der Allgemeinheit ermöglicht, den Strafprozess unmittelbar zu verfolgen. Die rechtsstaatliche und demokratische Bedeutung des Grundsatzes der Öffentlichkeit im Strafprozess verbietet einen Ausschluss der Öffentlichkeit dort, wo nicht überwiegende Gründe der staatlichen Sicherheit, öffentlichen Ordnung und Sittlichkeit oder schützenswerte Interessen Privater das vordringlich gebieten. In diesem Sinn sieht auch Art. 6 Ziff. 1 EMRK Ausnahmen vom Grundsatz der Öffentlichkeit vor ( BGE 111 Ia 245 E. 7b, BGE 108 Ia 92 E. 3a mit Hinweisen; Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom 22. Februar 1984 i.S. Sutter, Publications de la Cour européenne des droits de l'homme, Série A Nr. 74, nichtamtliche deutsche Übersetzung in VPB 1984 Nr. 83; s. ferner: GERARD PIQUEREZ, Précis de procédure pénale suisse, Lausanne 1987, S. 158 ff.; HERBERT MIEHSLER/THEO VOGLER, Internationaler Kommentar zur EMRK, N. 331 ff. zu Art. 6 EMRK ; JOCHEN FROWEIN/WOLFGANG PEUKERT, EMRK Kommentar, Kehr/Strassburg/Arlington 1985, N. 79 ff. zu Art. 6 EMRK ; ROBERT HAUSER, Kurzlehrbuch des schweizerischen Strafprozessrechts, 2. Aufl., Basel 1984, S. 140 ff.; HANS SCHULTZ, Die Strafprozessreform in der Schweiz, Juristische Rundschau 1981, S. 50; HANS SCHULTZ, Der Grundsatz der Öffentlichkeit im Strafprozess, SJZ 1973 S. 129 ff.; HEINZ GURADZE, Die Europäische Menschenrechtskonvention, Kommentar, Berlin und Frankfurt a.M. 1968, S. 99). Der Öffentlichkeitsgrundsatz besagt jedoch nicht, welche Prozesshandlungen an der Hauptverhandlung vorgenommen werden müssen und in welcher Form sie zu geschehen haben. Er enthält insbesondere keine Aussage darüber, ob bzw. welche Zeugen in der Hauptverhandlung anzuhören sind. Dies betrifft vielmehr Fragen der Prinzipien der Unmittelbarkeit und der Mündlichkeit, die zwar mit dem Grundsatz der Öffentlichkeit in einem gewissen Zusammenhang stehen, dabei aber Prinzipien mit durchaus je eigenständigem Gehalt darstellen (s. GERARD PIQUEREZ, a.a.O., S. 163 ff.; ROBERT HAUSER, a.a.O., S. 136 ff.; ROBEBRT HAUSER, Zum Prinzip der Unmittelbarkeit, ZStrR 1981 S. 168 ff.; ROLF KÜNG-HOFER, Die Beschleunigung des Strafverfahrens unter Wahrung der Rechtsstaatlichkeit, Diss. Bern 1984, S. 228; KARL PETERS, Strafprozess, 4. Aufl., Heidelberg/Karlsruhe 1985, S. 317 ff. und S. 557 f.; CLAUS ROXIN, Strafverfahrensrecht, 20. Aufl., München 1987, S. 281 ff.; vgl. auch MARTIN SCHUBARTH, Die BGE 113 Ia 412 S. 418 Artikel 5 und 6 der Konvention, insbesondere im Hinblick auf das schweizerische Strafprozessrecht, ZSR 1975 Bd. I, S. 502; s. im übrigen nachf. E. 3). Entscheidend ist im Lichte des Öffentlichkeitsgrundsatzes, dass ebenfalls der unbeteiligte Dritte, also die Öffentlichkeit, am gesamten Prozessgeschehen der Hauptverhandlung, so wie sie - allenfalls unter Vorbehalt der in Art. 6 Ziff. 1 EMRK genannten Ausnahmefälle - in den einzelnen Strafprozessgesetzen geregelt ist, teilnehmen und derart die Rechtspflege kontrollieren kann. Die Teilnahme in diesem Sinne ist auch nach den im Abänderungsgesetz vom 10. September 1985 enthaltenen Bestimmungen des bernischen Strafverfahrens gewährleistet. Die Beschwerde ist demnach unbegründet, soweit mit ihr eine Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes gerügt wird. 3. a) Die Beschwerdeführer leiten aus der in Art. 50 KV gewährleisteten Öffentlichkeit und Mündlichkeit des Verfahrens den Grundsatz der Unmittelbarkeit ab. Diesen Grundsatz sehen sie durch Art. 230 und 254 StrV konkretisiert, wonach die notwendigen - als Urteilsgrundlage unerlässlichen - Beweismassnahmen auf den Zeitpunkt der Hauptverhandlung anzuordnen sind und der Richter das Ergebnis der Beweisaufnahme auf Grund der Hauptverhandlung zu würdigen hat. Sie machen geltend, Art. 296 Abs. 2 Ziff. 1 und 2 nStrV stelle eine Ausnahmeregelung für das Wirtschaftsstrafgericht und die Kriminalkammer dar, welche das Unmittelbarkeitsprinzip verletze, indem sie den Richter davon entbinde, Zeugen oder Sachverständige zur Hauptverhandlung vorzuladen und in dieser abzuhören. Ferner werde das Unmittelbarkeitsprinzip durch die genannte Ausnahmeregelung dadurch verletzt, dass sie dem Richter Aktenkenntnis schon vor der Hauptverhandlung verschaffe (soweit mit dieser Aktenkenntnis auch die Kenntnis der Einvernahmeprotokolle der Voruntersuchung gemeint sein sollte). Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass die Hauptverhandlung nach bernischem Strafverfahren aufgrund der darin enthaltenen Vorschriften vom Grundsatz der Unmittelbarkeit beherrscht ist (vgl. das den Straffall Gasser betreffende Urteil des Kassationshofes des Kantons Bern vom 26. August 1983 i.S. B. in ZBJV 1984, S. 422 ff.; GERARD PIQUEREZ, Traité de procédure pénale bernoise et jurassienne, Neuchâtel 1983, Bd. I S. 96 ff. und Bd. II S. 634 ff.; FRITZ FALB, Das bernische Strafverfahren, Vorlesungsskriptum, 3. Aufl. 1975, S. 57 ff.). Indes kann dahingestellt bleiben, ob sich dieser Grundsatz aus der die Prinzipien der Öffentlichkeit und BGE 113 Ia 412 S. 419 Mündlichkeit gewährleistenden Bestimmung des Art. 50 KV ergibt. Wäre dies der Fall, so könnte die Gesetzgebung gemäss der erwähnten kantonalen Verfassungsnorm auch insoweit Ausnahmen vorsehen, wie dies der Kassationshof des Kantons Bern im soeben angeführten Urteil vom 26. August 1983 selber - zutreffend - festgestellt hat (ZBJV 1984, S. 423; s. auch BGE vom 11. November 1983 in ZBJV 1984, S. 433 ff.). Aus diesem Urteil vermögen die Beschwerdeführer daher im vorliegenden Zusammenhang entgegen ihrer Auffassung nichts zu ihren Gunsten abzuleiten. Ausnahmen der genannten Art sind denn auch bereits in der bisherigen Fassung des Strafverfahrens vorgesehen, so beispielsweise bezüglich der Verlesung von Abhörungsprotokollen (Art. 249 StrV). Solche Ausnahmen stellen aber auch die Vorschriften von Art. 296 Abs. 2 Ziff. 1 und 2 nStrV dar. Da Ziff. 1 dieser Bestimmung schon in der Fassung des Strafverfahrens vom 7. Mai 1980 im damaligen Art. 295 enthalten war, ist es fraglich, ob diese Teilbestimmung überhaupt noch Gegenstand des vorliegenden Normenkontrollverfahrens bilden kann. Diese Frage kann hier jedoch letztlich offenbleiben, da sich Art. 296 Abs. 2 nStrV insgesamt weder als bundesverfassungs- noch als konventionswidrig erweist, hat doch der Beschuldigte weder nach der Verfassung noch nach der Europäischen Menschenrechtskonvention einen Anspruch darauf, dass das Unmittelbarkeitsprinzip im Beweisverfahren schrankenlos zum Tragen kommt (vgl. JOCHEN FROWEIN/WOLFGANG PEUKERT, a.a.O., N. 71 ff. zu Art. 6 EMRK ; ARTHUR HAEFLIGER, Alle Schweizer sind vor dem Gesetze gleich, Bern 1985, S. 246). Die gesetzlich vorgesehene Einschränkung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes für das Beweisverfahren im Rahmen der Hauptverhandlung bei der Kriminalkammer und beim Wirtschaftsstrafgericht erfolgt nicht deshalb, um - wie die Beschwerdeführer behaupten - dieses "Prinzip in sein Gegenteil" zu "verkehren" und "es praktisch auszuhöhlen", sondern aus dem einzigen Grund, bei den komplexen und äusserst umfangreichen Wirtschaftsstraffällen die Durchführung einer Strafgerichtsverhandlung in vernünftigem Rahmen und in angemessener Zeitdauer überhaupt zu ermöglichen. Damit erfolgt diese Einschränkung des Grundsatzes der Unmittelbarkeit nicht nur im Interesse der Justiz und der Rechtspflege an sich, deren Lahmlegung es zu verhindern gilt, sondern insbesondere auch im Interesse des Beschuldigten selber. Dass die Strafuntersuchung innert angemessener Frist zu Ende geführt wird, gehört auch zu den Rechten eines Beschuldigten; BGE 113 Ia 412 S. 420 das in diesem Zusammenhang zu beachtende Beschleunigungsgebot ist vom Bundesgericht aus Art. 4 BV abgeleitet worden (vgl. BGE 103 V 190 ff., s. auch BGE 107 Ib 165 ), und es ist in Art. 6 Ziff. 1 EMRK ebenfalls ausdrücklich enthalten (vgl. hiezu auch ROLF KÜNG-HOFER, a.a.O., insbesondere S. 78 ff., und S. 99 ff.; JOCHEN FROWEIN/WOLFGANG PEUKERT, a.a.O., N. 98 ff. zu Art. 6 EMRK ; WOLFGANG PEUKERT, Die überlange Verfahrensdauer ( Art. 6 Abs. 1 EMRK ) in der Rechtsprechung der Strassburger Instanzen, EuGRZ 1979 S. 261 ff.; JÖRG PAUL MÜLLER/STEFAN MÜLLER, a.a.O., S. 232). Im Lichte dieses Gebotes darf ein Kanton prozessuale Bestimmungen, die es verunmöglichen, eine Strafuntersuchung innert vernünftiger Frist zu beenden, nicht gelten lassen. Dementsprechend und in Anbetracht der grossen Probleme, welche die bisherige bernische Regelung der Wirtschaftskriminalkammer mit sich brachte, ist nicht zu beanstanden, dass der bernische Gesetzgeber das Abänderungsgesetz vom 10. September 1985 besser als die frühere Regelung nach dem Beschleunigungsgebot ausrichtete. Im übrigen wird die Einvernahme eines Zeugen in der Hauptverhandlung durch Art. 296 Abs. 2 Ziff. 2 nStrV weder ausdrücklich noch durch die Praxis ausgeschlossen. Nur dort, wo der Angeschuldigte oder sein Verteidiger schon in der Voruntersuchung die Gelegenheit hatte, einem Zeugen oder Sachverständigen Fragen zu stellen, steht es im Ermessen des Gerichts, diese Person zur Hauptverhandlung vorzuladen und abzuhören (was, wie nachfolgend [lit. c] aufzuzeigen ist, auch keine Verletzung von Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK darstellt); bestand diese Möglichkeit der Fragestellung aber in der Voruntersuchung nicht, so muss in der Hauptverhandlung vor dem Strafgericht dafür Gelegenheit eingeräumt werden. Entgegen der Behauptung der Beschwerdeführer steht dem Richter somit nicht das "generelle und unbeschränkte Recht auf Verweigerung der Zeugenabhörungen in der Hauptverhandlung" zu. Vielmehr hat er sein Ermessen nach allgemeinen Grundsätzen pflichtgemäss auszuüben. Das Unmittelbarkeitsprinzip darf also nur dann im dargelegten Umfang eingeschränkt werden, wenn die genannten gesetzlichen Voraussetzungen hiefür erfüllt sind. Als gesetzmässige Beschränkung des Unmittelbarkeitsprinzips hält die Regelung gemäss Art. 296 Abs. 2 Ziff. 2 nStrV aber - wie ausgeführt - vor der Verfassung und vor der Europäischen Menschenrechtskonvention stand. b) Die Beschwerdeführer machen ferner geltend, die durch das Abänderungsgesetz vom 10. September 1985 vorgesehene Einschränkung BGE 113 Ia 412 S. 421 des Unmittelbarkeitsprinzips verstosse auch gegen das Grundrecht des "fair trial", also gegen den Grundsatz des fairen bzw. gerechten Verfahrens. Dieser Grundsatz ergibt sich namentlich aus Art. 6 Ziff. 1 EMRK , wonach - wie schon erwähnt worden ist - jedermann Anspruch darauf hat, dass seine Sache in billiger Weise gehört wird, und nebstdem ist er auch durch Art. 6 Ziff. 3 EMRK garantiert (vgl. dazu insbesondere: JOCHEN FROWEIN/WOLFGANG PEUKERT, a.a.O., N. 1 und N. 54 ff. zu Art. 6 EMRK ; ROBERT HAUSER, a.a.O., S. 153 f.; WOLFGANG PEUKERT, Die Garantie des "fair trial" in der Strassburger Rechtsprechung, EuGRZ 1980, S. 247 ff.; STEFAN TRECHSEL, Die Verteidigungsrechte in der Praxis zur Europäischen MRK, ZStrR 1979, S. 375 ff.). Die Beschwerdeführer rufen in diesem Zusammenhang indes nicht Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention an, sondern sie machen geltend, der Grundsatz des fairen Verfahrens sei als ungeschriebener Verfassungsgrundsatz in der Bundesverfassung enthalten oder ergebe sich allenfalls aus Art. 58 Abs. 1 BV . Allerdings begründen sie diese Behauptung nicht näher. Der Grundsatz des fairen oder gerechten Verfahrens ist im schweizerischen Verfassungsrecht zwar nicht ausdrücklich, jedoch der Sache nach garantiert; es sind damit dem Gehalte nach im wesentlichen die vom Bundesgericht in seiner Rechtsprechung zu Art. 4 BV entwickelten Prinzipien eines rechtsstaatlichen Verfahrens gemeint (vgl. hiezu: PETER SALADIN, Das Verfassungsprinzip der Fairness, in: Erhaltung und Entfaltung des Rechts in der Rechtsprechung des Schweizerischen Bundesgerichts, Basel 1975, S. 41 ff., insbesondere S. 81 ff.; s. auch JÖRG PAUL MÜLLER/STEFAN MÜLLER, a.a.O., S. 227 ff. und 259 ff.). Konkret rügen die Beschwerdeführer unter dem Titel des fairen Verfahrens allerdings nur, dass aufgrund der Bestimmungen des Abänderungsgesetzes vom 10. September 1985 keine Waffengleichheit bestehe, indem der Beschuldigte in verschiedener Hinsicht gegenüber dem Untersuchungsrichter als Anklagevertreter erheblich benachteiligt würde. Diese Rüge der Verletzung des Gebotes der Waffengleichheit ist indes nicht rechtsgenüglich substantiiert ( Art. 90 Abs. 1 lit. b OG ); auch der insoweit erfolgte Hinweis auf andernorts in der Beschwerdeschrift gemachte Ausführungen vermag keine hinreichende Begründung dafür abzugeben. Es ist daher nicht weiter darauf einzugehen. BGE 113 Ia 412 S. 422 c) Weiter machen die Beschwerdeführer geltend, die Einschränkung des Unmittelbarkeitsprinzips gemäss Art. 296 Abs. 2 Ziff. 2 nStrV verstosse ebenfalls gegen Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK . Gemäss dieser Bestimmung steht jedem Angeklagten das Recht zu, Fragen an die Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung der Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen wie die der Belastungszeugen zu erwirken. Nach der Rechtsprechung ist dem Beschuldigten gestützt auf Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK unabhängig von der Ausgestaltung des kantonalen Prozessrechtes mindestens einmal während des Verfahrens Gelegenheit zu geben, der Einvernahme von Zeugen, die ihn belasten, beizuwohnen und Ergänzungsfragen zu stellen oder aber, sofern er der Vernehmung nicht beiwohnen kann, nach Einsicht in die Aussagen schriftlich ergänzende Fragen anzubringen ( BGE 105 Ia 397 , BGE 104 Ia 319 ). Aus Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK lässt sich jedoch nicht ableiten, dass dem Beschuldigten mehrmals Gelegenheit geboten werden müsse, zu verlangen, dass Zeugen in seiner Gegenwart oder ein zweites Mal ergänzend befragt werden ( BGE 104 Ia 319 ). Insbesondere lässt sich aus dieser Bestimmung auch nicht ableiten, dass alle Zeugeneinvernahmen vor dem Richter in der Hauptverhandlung vor dem Strafgericht zu erfolgen haben. Vielmehr will diese Bestimmung lediglich ausschliessen, dass ein Strafurteil auf Aussagen von Zeugen abgestützt werde, ohne dass dem Beschuldigten wenigstens einmal Gelegenheit geboten worden ist, nach deren Vernehmung oder nach Einsicht in deren Aussagen Ergänzungsfragen zu stellen (s. die soeben zitierten Urteile). Dabei genügt es, wenn diese Möglichkeit irgend einmal im Laufe des Verfahrens gewährt wird (vgl. STEFAN TRECHSEL, a.a.O., S. 371; s. auch JOCHEN FROWEIN/WOLFGANG PEUKERT, a.a.O., N. 137 f. zu Art. 6 EMRK ; vgl. ferner JÖRG PAUL MÜLLER/STEFAN MÜLLER, a.a.O., S. 239). Dieses Recht wird durch Art. 296 Abs. 2 Ziff. 2 nStrV klarerweise nicht beeinträchtigt. Demnach erweist sich die Beschwerde auch insoweit als unbegründet, als damit eine Verletzung des Unmittelbarkeitsprinzips gerügt wird. 4. (Das Wirtschaftsstrafgericht laut Abänderungsgesetz vom 10. September 1985 widerspricht der bernischen Kantonsverfassung nicht; vielmehr stellt diese klarerweise eine hinreichende verfassungsmässige Grundlage zu seiner Schaffung dar.) 5. a) Die Schaffung eines Wirtschaftsstrafgerichts verstösst entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer auch nicht gegen BGE 113 Ia 412 S. 423 Art. 58 Abs. 1 BV . Laut dieser Bestimmung darf niemand seinem verfassungsmässigen Richter entzogen werden, und es dürfen keine Ausnahmegerichte eingeführt werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts gelten als Ausnahmegerichte Gerichte, die ausserhalb der verfassungsmässigen Gerichtsorganisation stehen und nur für einen oder mehrere konkrete Fälle gebildet werden ( BGE 110 Ib 281 E. 5). Keine Ausnahmegerichte sind demgegenüber ständige Spezialgerichte, die für zum voraus generell bestimmte Sachbereiche zuständig sind (so z.B. die Handels- und Gewerbegerichte gemäss kantonalen Prozessgesetzen, ebenso die Militärgerichte gemäss Militärstrafprozessordnung, vgl. hiezu die bereits erwähnten Entscheide der Europäischen Kommission für Menschenrechte vom 1. Dezember 1986). Voraussetzung ist allerdings, dass die Zuständigkeit derartiger Spezialgerichte durch Gesetz festgelegt und die Errichtung sachlich begründet ist (vgl. JÖRG PAUL MÜLLER/STEFAN MÜLLER, a.a.O., S. 272; JÖRG PAUL MÜLLER, Die Garantie des verfassungsmässigen Richters in der Bundesverfassung, ZBJV 1970, S. 257). Wie festgestellt worden ist, wurde das Wirtschaftsstrafgericht gemäss Abänderungsgesetz vom 10. September 1985 für einen zum voraus generell festgelegten Sachbereich geschaffen, nämlich für Straffälle, bei welchen zur Hauptsache strafbare Handlungen gegen das Vermögen oder Urkundenfälschungen in Frage stehen und deren Beurteilung besondere wirtschaftliche Kenntnisse oder die Würdigung einer grossen Zahl schriftlicher Beweismittel voraussetzt. Wirtschaftliche Kenntnisse gelten allgemein als sachliche Begründung von Spezialgerichten (Fachgerichten), wie dies die Schaffung von Handelsgerichten in verschiedenen Kantonen belegt. Ebenso lässt es sich vertreten, Wirtschaftsstrafsachen, bei welchen zahlreiche schriftliche Beweismittel zu würdigen sind, einem solchen Spezialgericht mit für derart umfangreiche Verfahren geeigneten Prozessbestimmungen zu unterstellen. Davon, die Schaffung des bernischen Wirtschaftsstrafgerichts verletze Art. 58 Abs. 1 BV , kann demnach nicht die Rede sein. b) Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer wird Art. 58 Abs. 1 BV auch nicht durch die die Überweisung an das Wirtschaftsstrafgericht regelnde Bestimmung von Art. 208b nStrV verletzt. Diese Zuweisungsregel ist notwendig, um den Sachbereich der Zuständigkeit des Wirtschaftsstrafgerichts generell festzulegen, BGE 113 Ia 412 S. 424 und sie ist - wie ausgeführt worden ist - auch durch sachliche Gründe gerechtfertigt. Entgegen der Behauptung der Beschwerdeführer ist der Zuständigkeitsbereich in sachlicher Hinsicht ohne weiteres bestimmbar, und nebstdem steht diese sachliche Zuständigkeit keineswegs im Widerspruch zur übrigen sachlichen Zuständigkeitsordnung der bernischen Strafgerichte. Darin und auch in den Verfahrensvorschriften von Art. 296 Abs. 2 Ziff. 2 nStrV liegt im übrigen entgegen der Darstellung der Beschwerdeführer ebenfalls kein Verstoss gegen das Rechtsgleichheitsgebot. Diesen Grundsatz verletzt ein Erlass, der sich nicht auf ernsthafte sachliche Gründe stützt, sinn- und zwecklos ist oder rechtliche Unterscheidungen trifft, für die ein vernünftiger Grund in den zu regelnden tatsächlichen Verhältnissen nicht ersichtlich ist ( BGE 112 Ia 243 f. E. 4a und 258 E. 4b, BGE 111 Ia 91 E. 3a, mit Hinweisen; ARTHUR HAEFLIGER, a.a.O., S. 62; s. auch JÖRG PAUL MÜLLER/STEFAN MÜLLER, a.a.O., S. 191 ff.). Dass die genannten Vorschriften durchaus sinnvoll und zweckmässig sind, ist bereits dargelegt worden. Es werden jedoch durch sie auch nicht rechtliche. Unterschiede getroffen, für die ein vernünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen nicht zu finden ist (vgl. ARTHUR HAEFLIGER, a.a.O., S. 63). Vielmehr weist Art. 208b nStrV klare Kriterien auf, aufgrund welcher die Zuweisung erfolgt, und diese Regelung - wie übrigens auch diejenige der speziellen Verfahrensvorschriften gemäss Art. 296 Abs. 2 Ziff. 2 nStrV - ist sachlich vernünftig begründet durch die Notwendigkeit, komplexe und umfangreiche Strafprozesse zu beschleunigen und durch kompetente Richter mit besonderen Fach- und Personenkenntnissen beurteilen zu lassen. Im übrigen entsteht dadurch keine Benachteiligung des Beschuldigten. So werden insbesondere auch die Verteidigungsrechte durch die Neuregelung nicht beeinträchtigt. 6. Art. 398 nStrV entspricht mit Ausnahme kleinerer Präzisierungen dem bisherigen Art. 398 StrV. Die Beschwerdeführer machen geltend, die Regelung gemäss Art. 398 nStrV sei willkürlich, indem darin bestimmt werde: "... doch gilt betreffend Beweiswürdigung, Wiederaufnahme des Verfahrens (bzw. Rechtsmittel), Vollstreckung und Begnadigung das neue Recht, ebenso, wenn die Sache zur neuen Verhandlung an die erste Instanz zurückgewiesen wird." Sie rügen, diese Vorschrift bezwecke, rückwirkend die Verteidigungsrechte zu beschneiden und die Anwendbarkeit des Abänderungsgesetzes vom 10. September 1985 auf den - bereits an anderer Stelle erwähnten - Fall Gasser zu ermöglichen. Damit BGE 113 Ia 412 S. 425 rügen die Beschwerdeführer jedoch gerade den Passus der genannten Bestimmung als willkürlich, welcher mit der früheren Regelung praktisch übereinstimmt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts liegt eine Rückwirkung eines Erlasses dann vor, wenn bei der Anwendung des neuen Rechts an ein Ereignis angeknüpft wird, das in der Vergangenheit liegt und vor Erlass des Gesetzes abgeschlossen wurde ( BGE 107 Ib 196 E. 3b mit Hinweisen). Es lässt in seiner Rechtsprechung zu Art. 4 BV die Rückwirkung regelmässig nur dann zu, wenn sie ausdrücklich angeordnet oder nach dem Sinn des Erlasses klar gewollt ist, in zeitlicher Beziehung mässig ist, zu keinen stossenden Rechtsungleichheiten führt, sich durch beachtenswerte Gründe rechtfertigen lässt und nicht in wohlerworbene Rechte eingreift ( BGE 102 Ia 72 E. 3 mit Hinweisen, BGE 102 Ib 338 E. 2b). Keine - bzw. eine sog. unechte - Rückwirkung ist dann gegeben, wenn der Gesetzgeber lediglich auf Verhältnisse abstellt, die zwar noch unter der Herrschaft des alten Rechts entstanden sind, beim Inkrafttreten des neuen Rechts aber noch andauern ( BGE 107 Ib 196 E. 3b, 203 E. 7b/aa, mit Hinweisen; s. auch ALFRED KÖLZ, Intertemporales Verwaltungsrecht, ZSR 1983 Bd. II, S. 164 ff.). Im Verfahrensrecht das neue Recht auf alle pendenten Angelegenheiten anzuwenden, gilt in der Praxis nicht als eigentliche Rückwirkung im aufgezeigten Sinne ( BGE 79 I 87 E. 1; vgl. auch MAX IMBODEN/RENE A. RHINOW, Verwaltungsrechtsprechung, 6. Aufl. 1986, Bd. I, S. 106 f.). Ganz allgemein kommt der Grundsatz der Nichtrückwirkung im Verfahrensrecht und damit auch im Falle einer Revision einer Strafprozessordnung nicht zum Tragen (vgl. BGE 112 Ib 584 f. E. 2; s. auch HANS SCHULTZ, Das schweizerische Auslieferungsrecht, Basel 1953, S. 323). Nur eine sog. unechte Rückwirkung ist denn auch für die im Abänderungsgesetz vom 10. September 1985 vorgesehenen Übergangsbestimmungen - wie übrigens auch schon für die bisherigen - ausdrücklich vorgesehen. Es werden lediglich gewisse Einschränkungen für die Anwendbarkeit des neuen Rechts im Hinblick auf Strafprozesse festgelegt, welche sich in einem bestimmten Verfahrensstadium befinden, wobei aber auch für die betreffenden Strafprozesse teilweise wieder das neue Recht als anwendbar erklärt wird. Inwiefern diese Regelung verfassungswidrig sein soll, haben die Beschwerdeführer nicht dargetan und ist denn auch nicht ersichtlich. Vor allem gilt das neue Recht, soweit es gestützt auf die von den Beschwerdeführern beanstandete Regelung von BGE 113 Ia 412 S. 426 Art. 398 Ziff. 1 und 2 nStrV anzuwenden ist, nicht nur für den Fall Gasser, sondern auch für die anderen im selben Verfahrensstadium befindlichen Strafprozesse. Demnach erweist sich die Beschwerde ebenfalls insoweit als unbegründet.
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355a113a-1be5-4294-8656-5ea8e8615741
Sachverhalt ab Seite 20 BGE 144 V 20 S. 20 A. Im Rahmen der dreijährlichen Überprüfung der Aufnahmebedingungen derjenigen Arzneimittel, die in der Liste der pharmazeutischen Spezialitäten und konfektionierten Arzneimittel mit Preisen (Spezialitätenliste; fortan: SL) aufgeführt sind, informierte das Bundesamt für Gesundheit (BAG) die A. AG am 19. März 2013 darüber, dass die Arzneimittel mit SL-Aufnahmedatum 2010, 2007, 2004, 2001 etc. überprüft würden und verlangte Daten betreffend die BGE 144 V 20 S. 21 Arzneimittel B. ® Nasenspray und B. ® Tabletten - beides Generika der Arzneimittel C. ® Nasenspray und C. ® Tabletten - ein. Mit Mitteilungen vom 31. Juli und 16. August 2013 an die A. AG legte das BAG dar, die Preise für B. ® Nasenspray und B. ® Tabletten müssten gesenkt werden, um den nach Art. 35b Abs. 10 KLV (SR 832.112.31) geforderten Abstand von 20 % zum durchschnittlichen Auslandspreis der Originalpräparate C. ® Nasenspray und C. ® Tabletten einzuhalten. Nach Einwänden der A. AG, wonach ein Preisabstand von 10 % statt 20 % zum Auslandpreisniveau der Originalpräparate anzuwenden sei, senkte das BAG am 23. September 2013 die SL-Preise von B. ® Nasenspray und B. ® Tabletten per 1. November 2013 um 23,10 % bzw. 12,95 %, unter Anwendung eines Preisabstands von 20 % sowie unter Gewährung einer Toleranzmarge von 5 %. B. Eine hiergegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung eines dreifachen Schriftenwechsels mit Entscheid vom 25. Oktober 2016 ab. C. Die A. AG führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und beantragt im Wesentlichen, der Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Oktober 2016 sei aufzuheben, und die Preise von B. ® Nasenspray und B. ® Tabletten seien gemäss Berechnungsmethode des BAG, aber mit einem Senkungssatz von 10 % zu senken. Eventualiter sei die Streitsache an die Vorinstanz oder das BAG zum Erlass einer neuen Verfügung zurückzuweisen. In verfahrensrechtlicher Hinsicht beantragt sie, der Beschwerde sei die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Der Beschwerdegegner trägt auf Abweisung der Beschwerde an. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. (...) Auszugsweise wiederzugeben sind die in concreto relevanten Bestimmungen der KVV und KLV zur Beurteilung der Wirtschaftlichkeit von Generika bei der Aufnahme in die SL und im Rahmen der dreijährlichen Überprüfung der Aufnahmebedingungen. Diese lauten wie folgt: Art. 65c KVV Beurteilung der Wirtschaftlichkeit bei Generika 1 Bei Generika werden für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit die geringeren Kosten für die Entwicklung im Vergleich zum Originalpräparat berücksichtigt. BGE 144 V 20 S. 22 2 Ein Generikum gilt bei der Aufnahme in die Spezialitätenliste als wirtschaftlich, wenn sein Fabrikabgabepreis gegenüber dem mit ihm austauschbaren Originalpräparat: a) mindestens 10 Prozent tiefer ist, sofern das Schweizer Marktvolumen des Originalpräparates und von dessen Co-Marketing-Arzneimittel während vier Jahren vor Patentablauf im Durchschnitt pro Jahr 4 Millionen Franken nicht übersteigt; b) mindestens 20 Prozent tiefer ist, sofern das Schweizer Marktvolumen des Originalpräparates und von dessen Co-Marketing-Arzneimittel während vier Jahren vor Patentablauf im Durchschnitt pro Jahr zwischen 4 Millionen und 8 Millionen Franken liegt; c) mindestens 40 Prozent tiefer ist, sofern das Schweizer Marktvolumen des Originalpräparates und von dessen Co-Marketing-Arzneimittel während vier Jahren vor Patentablauf im Durchschnitt pro Jahr zwischen 8 Millionen und 16 Millionen Franken liegt; d) mindestens 50 Prozent tiefer ist, sofern das Schweizer Marktvolumen des Originalpräparates und von dessen Co-Marketing-Arzneimittel während vier Jahren vor Patentablauf im Durchschnitt pro Jahr zwischen 16 Millionen und 25 Millionen Franken liegt; e) mindestens 60 Prozent tiefer ist, sofern das Schweizer Marktvolumen des Originalpräparates und von dessen Co-Marketing-Arzneimittel während vier Jahren vor Patentablauf im Durchschnitt pro Jahr 25 Millionen Franken übersteigt. [Es folgen die hier nicht massgebenden Abs. 3-5] Art. 35b KLV Überprüfung der Aufnahmebedingungen alle drei Jahre 1 Das BAG führt die Überprüfung der Fabrikabgabepreise der Originalpräparate nach Artikel 65d Absatz 1 KVV einmal pro Kalenderjahr durch. Es überprüft dabei jeweils die Fabrikabgabepreise derjenigen Originalpräparate, die in absteigender Reihenfolge bis zum Jahr 1955 im Abstand von drei Jahren in die Spezialitätenliste aufgenommen wurden. [...] 10 Im Zuge der Überprüfung nach Absatz 1 gelten Generika als wirtschaftlich, wenn ihre Fabrikabgabepreise mindestens um die folgenden Prozentsätze tiefer sind als die am 1. April des Überprüfungsjahres gültigen durchschnittlichen Fabrikabgabepreise der entsprechenden Originalpräparate im Ausland: a) 10 Prozent, sofern ihre Fabrikabgabepreise bei der Aufnahme in die Spezialitätenliste die Voraussetzungen nach Artikel 65c Absatz 2 Buchstabe a KVV erfüllten; b) 20 Prozent in allen anderen Fällen. BGE 144 V 20 S. 23 3. Die Vorinstanz hat keine Feststellungen dazu getroffen, wann die Aufnahme in die SL erfolgte, weshalb das Bundesgericht den Sachverhalt insoweit ergänzen kann (nicht publ. E. 1 hiervor; BGE 143 V 19 E. 6.1.3 i.f. S. 32). Mithin ist festzustellen, dass die Generika B. ® Nasenspray und B. ® Tabletten gemäss SL-Eintrag (abrufbar unter www.spezialitätenliste.ch) am 15. März 1999 bzw. am 1. August 2006 in die SL aufgenommen wurden. Im Streit liegt, ob die Fabrikabgabepreise der Generika B. ® Nasenspray und B. ® Tabletten bei der dreijährlichen Überprüfung der Aufnahmebedingungen mindestens 10 % oder aber mindestens 20 % tiefer sein müssen als die am 1. April des Überprüfungsjahres (hier: 2013) gültigen durchschnittlichen Fabrikabgabepreise der Originalpräparate C. ® Nasenspray und C. ® Tabletten im Ausland, um als wirtschaftlich zu gelten. Dies entscheidet sich danach, ob Art. 35b Abs. 10 lit. a KLV auf B. ® Nasenspray und B. ® Tabletten zur Anwendung gelangt, was von der Beschwerdeführerin bejaht, von Verwaltung und Vorinstanz indes verneint wird. Dies ist eine Rechtsfrage, die vom Bundesgericht ohne Einschränkung der Kognition frei zu prüfen ist ( Art. 95 lit. a BGG ). 4. Das Bundesverwaltungsgericht erwog, das Textverständnis der Verwaltung, wonach sich Art. 35b Abs. 10 lit. a KLV nur auf Generika beziehe, deren Aufnahme in die SL nach Inkrafttreten des Art. 65c Abs. 2 lit. a KVV (SR 832.102) am 1. Januar 2012 stattgefunden habe, sei nachvollziehbar. Indes räume das BAG ein, dass Art. 35b Abs. 10 lit. a KLV zu wenig präzise formuliert sei, da er seinen Anwendungsbereich nicht ausdrücklich festhalte. Vor diesem Hintergrund erscheine auch der Standpunkt der Beschwerdeführerin aufgrund der grammatikalischen Interpretation als vertretbar. Mithin könne der Wortlaut der Bestimmung auf beide Weisen verstanden werden. Zur Ermittlung von Sinn und Zweck der Verordnungsnorm berücksichtigte die Vorinstanz Ziff. III 2.4 der Publikation "Änderungen und Kommentar im Wortlaut" des BAG vom 8. Mai 2013 zu den vorgesehenen Änderungen der KVV und der KLV per 1. Juni 2013 und 1. Januar 2014 sowie Ziff. E.1.13 des vom BAG herausgegebenen Handbuchs betreffend die Spezialitätenliste (SL) vom 1. September 2011 (Stand: 1. März 2013; beide Dokumente abrufbar unter www.bag.admin.ch). Sie gelangte zum Schluss, aus diesen Dokumenten gehe der Wille des Verordnungsgebers klar hervor. Dieser habe - nachdem per 1. Januar 2012 neu eine Preisdifferenz von 10 % für Generika mit geringerem Marktvolumen eingeführt worden sei - BGE 144 V 20 S. 24 mit Art. 35b Abs. 10 lit. a KLV verhindern wollen, dass der einmal gewährte geringe Preisabstand im Rahmen der dreijährlichen Überprüfung wieder ausgeweitet werde. Daran ändere nichts, dass der vorliegende Fall in den erwähnten Dokumenten nicht ausdrücklich ausgeschlossen werde. Bei einer systematischen Betrachtungsweise sei der Bezug zwischen Art. 35b Abs. 10 KLV zu Art. 65c Abs. 2 lit. a KVV zentral. Letztgenannte Bestimmung habe bezweckt, den Anreiz zur Einführung bzw. Neulancierung von Generika zu erhöhen (Ziff. 3.1.2 der Publikation "Änderungen und Kommentar im Wortlaut" des BAG vom 2. Februar 2011 zu den vorgesehenen Änderungen der KVV und der KLV per 1. März 2011; abrufbar unter www.bag.admin.ch). Wiederum treffe der Einwand der Beschwerdeführerin zu, dass dies die von ihr vertretene Auffassung nicht ausschliesse. Dennoch sprächen die Gründe für die Schaffung der KVV-Norm eher für das Normverständnis der Verwaltung. Ferner spreche auch die in Art. 43 Abs. 6 KVG verankerte Zielsetzung einer qualitativ hochstehenden und zweckmässigen gesundheitlichen Versorgung zu möglichst günstigen Kosten gegen die Auffassung der Beschwerdeführerin. Schliesslich lasse die Änderung der KLV per 1. Juni 2015 keine Rückschlüsse auf das Verständnis der hier auszulegenden Norm zu. Zusammenfassend sei die Preisdifferenz von 10 % zum Originalpräparat jenen Generika vorbehalten, die nach dem 1. Januar 2012 in die SL aufgenommen worden seien. 5. Die Beschwerdeführerin rügt, das Bundesverwaltungsgericht habe Art. 35b Abs. 10 lit. a KLV falsch ausgelegt. Entgegen der Vorinstanz, welche bereits auf Stufe Auslegung des Wortlauts "historische Überlegungen" einfliessen lasse, sei der Wortlaut der Bestimmung klar und die Bestimmung somit auf den vorliegenden Fall anwendbar. Bei der historischen bzw. teleologischen Auslegung habe die Vorinstanz die Verordnungsänderung per 1. Juni 2015 in rechtsfehlerhafter Weise gewürdigt. Aus dieser lasse sich nämlich auch ableiten, dass eine generelle Begünstigung von Generika mit geringem Marktvolumen beabsichtigt gewesen sei, womit der hier strittige Sachverhalt von Art. 35b Abs. 10 lit. a KLV erfasst werde. Unzutreffend sei auch die systematische Auslegung des Bundesverwaltungsgerichts zu Art. 43 Abs. 6 KVG , die die Bedeutung dieses Artikels verkenne. Schliesslich verletze die vom Bundesverwaltungsgericht vertretene Auslegung sowohl das allgemeine Gleichbehandlungsgebot ( Art. 8 Abs. 1 BV ) als auch das Gleichbehandlungsgebot der Konkurrenten ( Art. 27 BV ) und sei zudem willkürlich ( Art. 9 BV ). BGE 144 V 20 S. 25 6. 6.1 Verordnungsrecht ist gesetzeskonform auszulegen. Es sind die gesetzgeberischen Anordnungen, Wertungen und der in der Delegationsnorm eröffnete Gestaltungsspielraum mit seinen Grenzen zu berücksichtigen. Auch ist den Grundrechten und verfassungsmässigen Grundsätzen Rechnung zu tragen und zwar in dem Sinne, dass - sofern durch den Wortlaut (und die weiteren massgeblichen normunmittelbaren Auslegungselemente) nicht klar ausgeschlossen - der Verordnungsbestimmung jener Rechtssinn beizumessen ist, welcher im Rahmen des Gesetzes mit der Verfassung (am besten) übereinstimmt (verfassungskonforme oder verfassungsbezogene Interpretation; BGE 143 V 139 E. 6.1 S. 143 mit Hinweisen). 6.2 6.2.1 Was die grammatikalische Auslegung des - in allen drei Amtssprachen übereinstimmenden - Art. 35b Abs. 10 lit. a KLV betrifft ("10 Prozent, sofern ihre Fabrikabgabepreise bei der Aufnahme in die Spezialitätenliste die Voraussetzungen nach Artikel 65c Absatz 2 Buchstabe a KVV erfüllten"; "s'il leur est inférieur d'au moins 10 % et qu'ils satisfaisaient aux exigences de l'art. 65c, al. 2, let. a, OAMal lors de leur admission dans la liste des spécialités"; "10 per cento, purché il suo prezzo di fabbrica al momento dell'ammissione nell'elenco delle specialità soddisfi i requisiti secondo l'articolo 65c capoverso 2 lettera a OAMal"), wird für dessen Anwendbarkeit (lediglich) gefordert, dass die Fabrikabgabepreise des Generikums bei der Aufnahme in die SL die Voraussetzungen nach Art. 65c Abs. 2 lit. a KVV erfüllten (Preisabstand von 10 % zum Originalpräparat; Schweizer Marktvolumen des Originalpräparats und des Co-Marketing-Arzneimittels während vier Jahren vor Patentablauf im Durchschnitt pro Jahr nicht höher als 4 Millionen Franken). Eine Bedingung dergestalt, dass diese Voraussetzungen im Zeitpunkt der SL-Aufnahme bereits galten, enthält Art. 35b Abs. 10 lit. a KLV nicht. Mithin ist mit dem Wortlaut der Bestimmung ohne Weiteres vereinbar, (gegebenenfalls) retrospektiv zu prüfen, ob die Fabrikabgabepreise des Generikums im Zeitpunkt der SL-Aufnahme die Voraussetzungen des - am 1. Januar 2012 in Kraft getreten - Art. 65c Abs. 2 lit. a KVV erfüllten. Für eine Auslegung in dem Sinne, dass sich Art. 35b Abs. 10 lit. a KLV nur auf jene Generika beziehe, die nach dem Inkrafttreten des Art. 65c Abs. 2 lit. a KVV in die SL aufgenommen worden seien, bietet der Wortlaut der Verordnungsbestimmung keine Stütze (a.M. offenbar JUNOD/DECOLLOGNY, Les prix des médicaments génériques, Jusletter 27. Januar 2014 Ziff. 2.2 S. 8 f.). BGE 144 V 20 S. 26 6.2.2 Betreffend die von der Vorinstanz vorgenommene Auslegung nach dem Sinn und Zweck ist namentlich mit Blick auf Ziff. III 2.4 der erwähnten Publikation des BAG vom 8. Mai 2013 zu Recht unbestritten, dass mit der Änderung des Art. 35b Abs. 10 lit. a KLV per 1. Juni 2013 verhindert werden sollte, dass der per 1. Januar 2012 eingeführte Preisabstand von 10 % für Generika mit geringerem Marktvolumen im Rahmen der dreijährlichen Überprüfung der Aufnahmebedingungen auf 20 % ( Art. 35b Abs. 10 lit. a KLV in der bis Ende Mai 2013 geltenden Fassung [AS 2010 3249]) ausgeweitet wird. Damit ist indes nicht beantwortet, ob auch jene Generika in den Genuss des Preisabstands von mindestens 10 % kommen sollten, die nach altem Recht mit einem grösseren Preisabstand in die SL aufgenommen worden waren. Hierbei steht nicht zur Diskussion, dass altrechtlich aufgenommene Generika gestützt auf Art. 35b Abs. 10 KLV Anspruch auf eine Preiserhöhung haben könnten - eine solche ist bereits durch die Formulierung ausgeschlossen, der Preisabstand müsse "mindestens" (und nicht: genau) 10 % betragen. Die Frage nach dem massgebenden Preisabstand stellt sich einzig bei der Prüfung, ob bzw. in welchem Umfang der SL-Preis im Rahmen der dreijährlichen Prüfung der Aufnahmebedingungen zu senken ist. Wie die Beschwerdeführerin zutreffend vorbringt, lässt die von ihr ins Feld geführte, undatierte Publikation "Änderungen und Kommentar im Wortlaut" des BAG zu den vorgesehenen Änderungen der KVV und der KLV per 1. Juni 2015 (abrufbar unter www.bag.admin.ch ) gewisse Rückschlüsse auf die hier zu beantwortende Rechtsfrage zu: Unter Ziff. III 2.11 zum Art. 34g KLV wird zum einen festgehalten, Abs. 1 (von Art. 34g KLV ) entspreche grundsätzlich Art. 35b Abs. 10 KLV . Zum anderen wird erläutert, mit dem Preisabstand von 10 % werde der "Versorgungssituation bei umsatzschwachen Arzneimitteln Rechnung getragen". Die Erläuterung, Art. 34g Abs. 1 entspreche grundsätzlich dem bisherigen Art. 35b Abs. 10 KLV , ist deshalb von Interesse, da Art. 34g Abs. 1 unbestrittenermassen auf sämtliche "umsatzschwachen" Generika zur Anwendung gelangt, unbesehen vom Zeitpunkt der Aufnahme in die SL. Der Umstand, dass der Kommentar - abgesehen von technischen Fragen - keine Änderung zum bisherigen Recht aufführt, sondern die grundsätzliche Übereinstimmung mit Art. 35b Abs. 10 KLV hervorhebt, deutet darauf hin, bereits unter der Geltung von Art. 35b Abs. 10 lit. a KLV sei der Zeitpunkt der SL-Aufnahme kein Kriterium für die Anwendbarkeit BGE 144 V 20 S. 27 des Preisabstands von 10 % gewesen. Alsdann verdeutlicht der Hinweis auf die "Versorgungssituation bei umsatzschwachen Arzneimitteln", was Sinn und Zweck des Art. 35b Abs. 10 KLV war. Der Verordnungsgeber hegte die Befürchtung, Generika könnten - sollte der neu eingeführte Preisabstand von 10 % im Rahmen der dreijährlichen Überprüfung der Aufnahmebedingungen auf 20 % ausgeweitet werden - für die Zulassungsinhaberinnen in der Schweiz nicht mehr rentabel sein und deshalb nicht mehr angeboten werden. Dieser Gefahr sollte, worauf auch die Verwaltung sinngemäss hinweist, mit der Beibehaltung des Preisabstands von 10 % begegnet werden. Was nun die hier unter altem Recht mit einem grösseren Preisabstand zum Originalpräparat in die SL aufgenommenen Generika B. ® Nasenspray und B. ® Tabletten betrifft, ist nicht erkennbar und wird vom BAG auch nicht dargelegt, weshalb diese von der Gefahr der mangelnden Rentabilität nicht bzw. minder betroffen sein sollten. Im Gegenteil lässt der grössere (altrechtliche) Preisabstand auf eine höhere Gefahr der Unrentabilität schliessen. Der Zweck der Verordnungsbestimmung, den Generika von umsatzschwachen Originalpräparaten den Verbleib in der SL zu ermöglichen, spricht daher für die Anwendung von Art. 35b Abs. 10 lit. a KLV auch auf jene Arzneimittel, die vor dem 1. Januar 2012 in die SL aufgenommen wurden. 6.2.3 Aus der systematischen Auslegung, wobei der Bezug zwischen Art. 35b Abs. 10 KLV zu Art. 65c Abs. 2 lit. a KVV zentral sei und hierbei der beabsichtigte Anreiz zur Einführung von Generika im umsatzschwachen Arzneimittelsegment, leitete das Bundesverwaltungsgericht ab, diese spreche eher für das Normverständnis der Verwaltung. Diese Argumentation greift zu kurz. Es trifft zwar zu und ist unbestritten, dass die Schaffung des geringeren Preisabstands von 10 % gemäss Art. 65c Abs. 2 lit. a KVV die Neulancierung von Generika im Bereich der umsatzschwachen Arzneimittel bezweckte. Dass bereits bestehende Generika von dieser (Aufnahme-)Regelung nicht erfasst sind und daher keine Preiserhöhung geltend machen können, liegt auf der Hand. Doch geht es bei der hier massgebenden Bestimmung nicht bloss um eine Art "Anschubfinanzierung" in Form eines befristeten Preiszuschlags von 10 %, die eine ausschliesslich auf neu zugelassene Generika bezogene Privilegierung zu rechtfertigen vermöchte. Vielmehr bezweckt Art. 35b Abs. 10 lit. a KLV mit der Beibehaltung des privilegierten Preisabstands im Rahmen der dreijährlichen Überprüfung der Aufnahmebedingungen den langfristigen Verbleib umsatzschwacher Generika auf der SL. BGE 144 V 20 S. 28 Letztere Zielsetzung spricht - wie bereits dargelegt (E. 6.2.2 hiervor) - für die Anwendung von Art. 35b Abs. 10 lit. a KLV auf vor dem 1. Januar 2012 gelistete Generika. Die systematische Auslegung unter dem Blickwinkel des in Art. 43 Abs. 6 KVG statuierten Sparsamkeitsgebots führt zu keinem anderen Ergebnis. Mit der Vorinstanz führt die Gewährung des Preisabstands von mindestens 10 % gemäss Art. 35b Abs. 10 lit. a KLV auch für die vor dem 1. Januar 2012 in die SL aufgenommenen Generika - jedenfalls sofern die Möglichkeit des Wegfalls umsatzschwacher Generika ausgeblendet wird, wodurch die Medikamentenkosten ebenfalls stiegen - zu höheren Preisen und einer insgesamt teureren Gesundheitsversorgung, was der Intention von Art. 43 Abs. 6 KVG widerspricht. Mit der Argumentation der möglichst tiefen Kosten liesse sich jedoch auch die Beibehaltung des Preisabstands für die unter der Geltung von Art. 65c Abs. 2 lit. a KVV in die SL aufgenommenen Generika nicht rechtfertigen. Nimmt man die Befürchtung des Verordnungsgebers ernst, Generika mit geringem Marktvolumen könnten mangels Rentabilität vom Markt genommen werden, womit letztlich nur noch (teurere) Originalpräparate zur Verfügung stünden, muss dem Interesse am Verbleiben auf der SL höheres Gewicht beigemessen werden als demjenigen an einem möglichst günstigen Preis. 6.3 Zusammenfassend ergibt die sprachlich-grammatikalische, systematische und zweckgerichtete Auslegung von Art. 35b Abs. 10 lit. a KLV , dass diese Bestimmung auch für jene Generika zur Anwendung gelangt, die vor dem 1. Januar 2012 in die SL aufgenommen worden sind. Der anderslautende Schluss der Vorinstanz ist bundesrechtswidrig.
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Microsoft Word - 661.1.de.doc 1 Verordnung über die Wehrpflichtersatzabgabe (WPEV)1 vom 30. August 1995 (Stand am 1. Januar 2021) Der Schweizerische Bundesrat, gestützt auf die Artikel 23 Absatz 2, 24 Absatz 3, 35 Absatz 2 und 47 Absätze 1 und 3 des Bundesgesetzes vom 12. Juni 19592 über die Wehrpflichtersatzabgabe (WPEG3),4 verordnet: 1. Abschnitt: Ersatzpflicht Art. 1 Ersatzbefreiung wegen erheblicher Behinderung 1 ...5 2 Für die Ersatzbefreiung nach Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe abis WPEG beim Bezug von Renten oder Hilflosenentschädigungen der obligatorischen Unfallversicherung ist der gleiche Mindestgrad an Invalidität oder Hilflosigkeit vorausgesetzt, wie er bei der Eidgenössischen Invalidenversicherung für die Ausrichtung einer Rente oder Hilflosenentschädigung massgebend ist. 3 Die Abklärung der Ersatzbefreiung bei Dienstuntauglichen nach Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe ater WPEG erfolgt nach den Verwaltungsweisungen der Eidgenössischen Invalidenversicherung für die Ausrichtung von Hilflosenentschädigungen durch die kantonalen IV-Stellen. Art. 2 Ersatzbefreiung wegen Gesundheitsschädigung durch Militär- oder Zivildienst6 1 Eine Gesundheitsschädigung durch Militär- oder Zivildienst (Art. 4 Abs. 1 Bst. b WPEG) liegt vor, wenn der Wehrpflichtige seine Diensttauglichkeit wegen eines AS 1995 4324 1 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 3. Sept. 2003, in Kraft seit 1. Jan. 2004 (AS 2003 3715). 2 SR 661 3 Ausdruck gemäss Ziff. I der V vom 12. Aug. 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 3625). Diese Änd. wurde im ganzen Erlass berücksichtigt. 4 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 3. Sept. 2003, in Kraft seit 1. Jan. 2004 (AS 2003 3715). 5 Aufgehoben durch Ziff. I der V vom 3. Sept. 2003, mit Wirkung seit 1. Jan. 2004 (AS 2003 3715). 6 Ausdruck gemäss Anhang 3 Ziff. 5 der Zivildienstverordnung vom 11. Sept. 1996, in Kraft seit 1. Jan. 1997 (AS 1996 2685). Diese Änd. ist im ganzen Erlass berücksichtigt. 661.1 Wehrpflichtersatz 2 661.1 Leidens oder einer Rückfallsgefahr verloren hat, die ganz oder teilweise durch den Militär- oder Zivildienst verursacht oder verschlimmert worden sind. 2 Wer wegen Schädigung der Gesundheit durch Militär- oder Zivildienst vom Dienst dispensiert ist, wird nur für die Dauer der Dispensation von der Wehrpflichtersatz- abgabe7 befreit. Art. 38 Militärisches Personal Als militärisches Personal im Sinne von Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe c WPEG gelten die nach den Artikeln 47 und 101 des Militärgesetzes vom 3. Februar 19959 (MG) bezeichneten Berufsgruppen. Art. 410 Auslandjahr Als Auslandjahr im Sinne von Artikel 4a Absatz 2 WPEG gelten zwölf zusammen- hängende Kalendermonate, während deren der Schweizer Bürger, ungeachtet seines Alters:11 a. im Ausland wohnt; oder b. sich mit Auslandurlaub nach den militärischen oder zivildienstlichen Vor- schriften im Ausland aufhält. Art. 512 Nicht eingeteilte Angehörige der Armee Angehörige der Armee, die nach Artikel 60 Absätze 1 und 3 MG13 sowie nach Artikel 6 der Verordnung vom 29. März 201714 über die Strukturen der Armee nicht in Formationen eingeteilt sind, sind ersatzpflichtig, wenn sie keinen jährlich obliga- torischen Dienst leisten und ihre Ausbildungsdienstpflicht noch nicht erfüllt haben. Art. 5a15 Anrechnung von Schutzdienstleistungen 1 Schutzdienstleistenden wird die nach dem WPEG berechnete Ersatzabgabe für jeden im Ersatzjahr geleisteten Tag Schutzdienst, der nach Artikel 41 des Bevölke- 7 Ausdruck gemäss Ziff. I der V vom 3. Sept. 2003, in Kraft seit 1. Jan. 2004 (AS 2003 3715). Diese Änd. ist im ganzen Erlass berücksichtigt. 8 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 3. Sept. 2003, in Kraft seit 1. Jan. 2004 (AS 2003 3715). Diese Änd. ist erstmals anwendbar auf das Ersatzjahr 2004 (Ziff. II dieser Änd.). 9 SR 510.10 10 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 3. Sept. 2003, in Kraft seit 1. Jan. 2004 (AS 2003 3715). Diese Änd. ist erstmals anwendbar auf das Ersatzjahr 2004 (Ziff. II dieser Änd.). 11 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 12. Aug. 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 3625). 12 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 12. Aug. 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 3625). 13 SR 510.10 14 SR 513.11 15 Eingefügt durch Ziff. I der V vom 3. Sept. 2003 (AS 2003 3715). Fassung gemäss Ziff. I der V vom 12. Aug. 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 3625). Wehrpflichtersatzabgabe. V 3 661.1 rungsschutz- und Zivilschutzgesetzes vom 20. Dezember 201916 besoldet ist, um 4 Prozent ermässigt. 2 Schutzdiensttage, die vor Beginn der Ersatzpflicht geleistet wurden, werden be- rücksichtigt. 3 Ist gemäss Absatz 1 eine hundertprozentige Ermässigung erreicht und verbleiben weitere anrechenbare Schutzdiensttage, die noch nicht berücksichtigt wurden, so werden diese auf das Folgejahr übertragen. 2. Abschnitt: Taxpflichtiges Einkommen Art. 617 Art. 718 Art. 8 Bemessungsperiode 1 Bemessungsperiode für die Ersatzabgabe von Ersatzpflichtigen, die für das ganze Ersatzjahr die direkte Bundessteuer vom Gesamteinkommen zu bezahlen haben, ist die Bemessungsperiode der Bundessteuer. 2 Ist Absatz 1 nicht anwendbar, so bildet das Einkommen im Ersatzjahr die Bemes- sungsgrundlage.19 3 ...20 Art. 921 Art. 1022 16 BBl 2019 8687 17 Aufgehoben durch Ziff. I der V vom 3. Sept. 2003, mit Wirkung seit 1. Jan. 2004 (AS 2003 3715). 18 Aufgehoben durch Ziff. I der V vom 14. Okt. 2009, mit Wirkung seit 1. Jan. 2010 (AS 2009 5259). 19 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 12. Aug. 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 3625). 20 Aufgehoben durch Ziff. I der V vom 12. Aug. 2020, mit Wirkung seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 3625). 21 Aufgehoben durch Ziff. I der V vom 3. Sept. 2003, mit Wirkung seit 1. Jan. 2004 (AS 2003 3715). 22 Aufgehoben durch Ziff. I der V vom 12. Aug. 2020, mit Wirkung seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 3625). Wehrpflichtersatz 4 661.1 3. Abschnitt: Behörden Art. 11 Aufsichtsbehörde Die Aufsicht des Bundes über die Erhebung der Ersatzabgabe wird unter Leitung des Eidgenössischen Finanzdepartements von der Eidgenössischen Steuerverwaltung ausgeübt. Art. 12 Obliegenheiten und Befugnisse der Aufsichtsbehörde 1 Die Eidgenössische Steuerverwaltung sorgt für eine gleichmässige Handhabung der Bundesvorschriften; sie erlässt die erforderlichen allgemeinen Weisungen, bestimmt Form und Inhalt der zu verwendenden Formulare und Register und geneh- migt Informatik-Programme der Ersatzbehörden. 2 Sie ist insbesondere befugt: a. im Einzelfall Untersuchungsmassnahmen anzuordnen und von den Unter- suchungsbefugnissen einer Veranlagungsbehörde Gebrauch zu machen; b.23 Beschwerde beim Bundesgericht zu erheben sowie Revisions- und Berichti- gungsbegehren zu stellen. 3 Die Personendaten und die hierbei verwendeten Einrichtungen wie Datenträger, EDV-Programme und Programmdokumentationen sind vor unbefugtem Bearbeiten, vor unbefugter Veränderung und Zerstörung sowie vor Entwendung zu schützen. Die Eidgenössische Steuerverwaltung kann Weisungen über die Anforderungen an die Datensicherheit erlassen und sorgt für die Koordination gemäss den Empfehlun- gen des Bundesamtes für Informatik. Sie hört zuvor die Kantone an. Für Kontrollen gilt Absatz 2 Buchstabe a sinngemäss. Art. 1324 Kantonale Behörden für die Wehrpflichtersatzabgabe Die kantonalen Behörden für die Wehrpflichtersatzabgabe sorgen für die gleichmäs- sige Handhabung der Bundesvorschriften im Gebiet ihres Kantons, bringen alle ihre Weisungen der Eidgenössischen Steuerverwaltung zur Kenntnis und veranlassen, dass die Eidgenössische Steuerverwaltung von jedem Beschwerdeentscheid ein Doppel erhält. Art. 14 Kantonale Zuständigkeit zur Erhebung der Ersatzabgabe 1 Stellt ein Kanton, dessen Zuständigkeit zur Erhebung einer Ersatzabgabe neu begründet worden ist, fest, dass in früheren Jahren Ersatzabgaben beim Ersatzpflich- tigen zu Unrecht nicht erhoben worden sind, so hat er Veranlagung und Bezug in eigener Zuständigkeit unverzüglich nachzuholen. 23 Fassung gemäss Ziff. II 48 der V vom 8. Nov. 2006 über die Anpassung von Bundes- ratsverordnungen an die Totalrevision der Bundesrechtspflege, in Kraft seit 1. Jan. 2007 (AS 2006 4705). 24 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 14. Okt. 2009, in Kraft seit 1. Jan. 2010 (AS 2009 5259). Wehrpflichtersatzabgabe. V 5 661.1 2 Die Ersatzabgaben von Wehrpflichtigen auf Auslandurlaub nach Artikel 25 Ab- satz 4 WPEG werden für die Ersatzjahre, in denen sich der Wehrpflichtige am 31. Dezember im Ausland aufhält, von dem Kanton veranlagt und bezogen, in dem der Wehrpflichtige vor dem Auslandurlaub Wohnsitz hatte.25 3 ...26 Art. 1527 Art. 16 Schweigepflicht 1 Wer mit dem Vollzug der Gesetzgebung über die Wehrpflichtersatzabgabe betraut ist oder dazu beigezogen wird, hat gegenüber andern Amtsstellen und Privaten über die in Ausübung seines Amts gemachten Wahrnehmungen Stillschweigen zu bewah- ren und den Einblick in amtliche Akten zu verweigern. 2 Ärztliche Zeugnisse und Akten dürfen nur solchen Personen zugänglich gemacht werden, die mit der Ersatzbefreiung oder verwaltungsmässigen Überprüfung der Ersatzbefreiung unmittelbar befasst sind. Darüber hinaus dürfen ärztliche Zeugnisse und Akten in einem gerichtlichen Verfahren nur im Zusammenhang mit der Ersatz- befreiung zugänglich gemacht werden. Art. 17 Register der Ersatzpflichtigen im Inland 1 Die kantonale Behörde für die Wehrpflichtersatzabgabe führt ein Register über alle in ihrem Kanton militärisch und zivildienstlich angemeldeten Ersatzpflichtigen.28 2 Das Register enthält die für die Feststellung der Ersatzpflicht, für die Veranlagung und den Bezug der Ersatzabgabe sowie für die Ersatzbefreiung notwendigen Daten von Wehrpflichtigen.29 3 Das Register muss auch diejenigen Wehrpflichtigen enthalten, die nach Artikel 4 WPEG von der Ersatzpflicht vorübergehend oder dauernd befreit sind oder deren Ersatzabgabe nach Artikel 13 Absatz 2 oder Artikel 19 Absatz 1 WPEG ermässigt ist. Besondere Anordnungen der Eidgenössischen Steuerverwaltung bleiben vorbe- halten.30 25 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 14. Okt. 2009, in Kraft seit 1. Jan. 2010 (AS 2009 5259). 26 Aufgehoben durch Ziff. I der V vom 14. Okt. 2009, mit Wirkung seit 1. Jan. 2010 (AS 2009 5259). 27 Aufgehoben durch Ziff. I der V vom 12. Aug. 2020, mit Wirkung seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 3625). 28 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 14. Okt. 2009, in Kraft seit 1. Jan. 2010 (AS 2009 5259). 29 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 3. Sept. 2003, in Kraft seit 1. Jan. 2004 (AS 2003 3715). Diese Änd. ist erstmals anwendbar auf das Ersatzjahr 2004 (Ziff. II dieser Änd.). 30 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 14. Okt. 2009, in Kraft seit 1. Jan. 2010 (AS 2009 5259). Wehrpflichtersatz 6 661.1 4 Das Register ist laufend nachzuführen und mindestens einmal pro Jahr durch Vergleich mit den militärischen und zivildienstlichen Stammkontrollen zu bereini- gen.31 5 Eintragungen, die aus dem Register entfernt werden, sind noch während mindes- tens zehn Jahren nach Ablauf des letzten Veranlagungsjahres gesondert aufzube- wahren. Art. 1832 Register der Ersatzpflichtigen im Ausland 1 Die kantonale Behörde für die Wehrpflichtersatzabgabe führt ein Register über alle in ihrem Kanton militärisch oder zivildienstlich gemeldeten landesabwesenden Ersatzpflichtigen. 2 Ein Eintrag ist aus dem Register zu entfernen, sobald die Behörde Kenntnis über die Rückkehr in die Schweiz erhalten hat. 3 Artikel 17 Absätze 2, 4 und 5 gilt sinngemäss. 4. Abschnitt: Veranlagung Art. 1933 Veranlagung und Bezug der Ersatzabgabe für Auslandurlauber 1 Die Ersatzabgabe wird vor Antritt des Auslandurlaubs für das Ausreisejahr und die nachfolgenden Ersatzjahre provisorisch bezogen. 2 Der Bezug erfolgt auf Grund einer besonderen Ersatzabgabe-Erklärung. Dabei sind der Ermittlung des taxpflichtigen Einkommens die in den massgeblichen Ersatz- jahren voraussichtlich erzielbaren Einkünfte zu Grunde zu legen. 3 Lassen sich die voraussichtlichen Einkünfte nicht festsetzen, so wird die Min- destabgabe erhoben. 4 Kann die Ersatzabgabe nicht vor Antritt des Auslandurlaubs bezogen werden, so erfolgt die Veranlagung nach der Rückkehr in die Schweiz auf Grund einer besonde- ren Ersatzabgabe-Erklärung unter Vorbehalt von Artikel 38 WPEG. Der Veranla- gung sind die in den massgeblichen Ersatzjahren erzielten Einkünfte zu Grunde zu legen. Art. 20 Umrechnung von Einkünften in ausländischer Währung 1 Sind bei der Rückkehr von landesabwesenden Ersatzpflichtigen für die Veran- lagung der Ersatzabgabe die in ausländischer Währung erzielten Einkünfte in 31 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 12. Aug. 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 3625). 32 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 14. Okt. 2009, in Kraft seit 1. Jan. 2010 (AS 2009 5259). 33 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 3. Sept. 2003, in Kraft seit 1. Jan. 2004 (AS 2003 3715). Diese Änd. ist erstmals anwendbar auf das Ersatzjahr 2004 (Ziff. II dieser Änd.). Wehrpflichtersatzabgabe. V 7 661.1 Schweizerfranken umzurechnen, so gilt für die Umrechnung der Jahresmittelkurs (Mittel des Geld- und Briefkurses) des Ersatzjahres. 2 Der Jahresmittelkurs wird von der Eidgenössischen Steuerverwaltung festgesetzt. Art. 21 Eingaben 1 Alle Eingaben sind handschriftlich zu unterzeichnen, sollen bestimmte Anträge enthalten und die zu deren Begründung dienenden Tatsachen angeben. Die Beweis- mittel sind zu bezeichnen und nach Möglichkeit beizulegen. Eingaben, die diesen Anforderungen nicht entsprechen, sind dem Einreichenden unter Ansetzung einer kurzen Frist zur Verbesserung zurückzugeben. 2 Die Nachfrist ist mit der Androhung zu verbinden, nach unbenütztem Fristablauf werde auf Grund der Akten entschieden oder, wenn Begehren, Begründung oder Unterschrift fehlen, auf die Eingabe nicht eingetreten. 3 Behörden haben Eingaben ungeachtet ihrer Bezeichnung so zu behandeln, wie es der erkennbaren Absicht des Einreichenden entspricht. Art. 22 Fristberechnung 1 Die Frist beginnt mit dem Tage zu laufen, der auf die Eröffnung der Verfügung oder des Entscheides folgt. 2 Ist eine Frist nach Monaten oder Jahren bestimmt, so endigt sie mit demjenigen Tage, der durch seine Zahl dem Tag entspricht, mit dem sie zu laufen begann, und wenn dieser Tag im letzten Monat fehlt, mit dem letzten Tag dieses Monats. 3 Fällt der letzte Tag einer Frist auf einen Samstag oder Sonntag oder auf einen am Wohnsitz des Ersatzpflichtigen oder am Sitz der zuständigen Behörde anerkannten Feiertag, so endigt die Frist am nächstfolgenden Werktag. Art. 23 Einhaltung der Fristen 1 Schriftliche Eingaben müssen spätestens am letzten Tag der Frist der Behörde ein- gereicht oder zu deren Handen der Schweizerischen Post34 oder einer schweizeri- schen Vertretung im Ausland übergeben werden. 2 Gelangt der Ersatzpflichtige rechtzeitig an eine unzuständige Behörde, so gilt die Frist als gewahrt. Art. 24 Fristverlängerung 1 Eine gesetzliche Frist kann nicht verlängert werden. 2 Eine behördlich angesetzte Frist kann aus zureichenden Gründen verlängert wer- den, wenn die Partei vor Ablauf der Frist darum nachsucht. 34 Ausdruck gemäss Ziff. I der V vom 3. Sept. 2003, in Kraft seit 1. Jan. 2004 (AS 2003 3715). Wehrpflichtersatz 8 661.1 Art. 25 Säumnisfolgen Die Behörde, die eine Frist ansetzt, droht gleichzeitig die Folgen der Versäumnis an; im Versäumnisfalle treten nur die angedrohten Folgen ein. Art. 26 Fristwiederherstellung Wiederherstellung einer Frist kann erteilt werden, wenn der Ersatzpflichtige unver- schuldet abgehalten worden ist, innert der Frist zu handeln, binnen zehn Tagen nach Wegfall des Hindernisses ein begründetes Begehren um Wiederherstellung einreicht und die versäumte Rechtshandlung nachholt. Art. 27 Einforderung von Beweismitteln, Einvernahme 1 Die Veranlagungsbehörde kann Auskünfte schriftlich oder mündlich einholen und den Ersatzpflichtigen zur Einvernahme laden. 2 Ist der Ersatzpflichtige zur Zeit der Veranlagung landesabwesend, so kann er auf- gefordert werden, die Auskünfte zuhanden der Veranlagungsbehörde der schweize- rischen Vertretung zu erteilen. Art. 28 Augenschein, Buchprüfung, Gutachten Sachverständiger 1 Die Veranlagungsbehörde kann die Buchhaltung des Ersatzpflichtigen prüfen und bei ihm einen Augenschein vornehmen; sie kann dabei die Hilfe der Steuerbehörden in Anspruch nehmen. 2 Der Ersatzpflichtige ist berechtigt und auf Verlangen der Behörde verpflichtet, dem Augenschein und der Buchprüfung beizuwohnen und die erforderlichen Auf- schlüsse zu erteilen. 3 Wer die Ersatzbefreiung wegen erheblicher Behinderung oder wegen Gesundheits- schädigung durch Militär- oder Zivildienst beansprucht (Art. 4 Abs. 1 Bst. a und b WPEG), ist auf Verlangen der Veranlagungsbehörde verpflichtet, sich den Untersu- chungen der von ihr bestellten medizinischen Fachperson zu unterziehen, seinen Arzt oder seine Ärztin vom Berufsgeheimnis zu entbinden und Abklärungen durch die kantonalen IV-Stellen vornehmen zu lassen.35 Art. 29 Mitwirkung des Ersatzpflichtigen 1 Die Bestreitung der Ersatzpflicht entbindet nicht von der Erfüllung der Verfahrens- pflichten. 2 Kommt der Ersatzpflichtige den ihm im Veranlagungsverfahren auferlegten Pflich- ten nicht nach, so ist er zu mahnen. 3 Gibt er auch der Mahnung keine Folge, so können ihm die durch sein Verhalten verursachten Verfahrenskosten überbunden werden. 35 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 14. Okt. 2009, in Kraft seit 1. Jan. 2010 (AS 2009 5259). Wehrpflichtersatzabgabe. V 9 661.1 Art. 30 Veranlagung nach Ermessen Lässt sich der für die Veranlagung massgebende Sachverhalt nicht sicher ermitteln, so wird die zu entrichtende Abgabe nach Ermessen veranlagt. Art. 3136 Begründung der Veranlagungsverfügung Weicht die Veranlagungsverfügung in den Bemessungsgrundlagen von der Abga- beerklärung ab, so ist die Verfügung kurz zu begründen. Art. 32 Eröffnung von Mitteilungen, Auflagen und Verfügungen37 1 Mitteilungen und Auflagen an Ersatzpflichtige, an deren Vertreterinnen oder Vertreter oder an die Erben erfolgen schriftlich oder, mit deren Einverständnis, auf dem elektronischen Weg. Ist für den Fall der Nichtbefolgung oder nicht richtigen Befolgung einer Auflage ein Rechtsnachteil vorgesehen, so ist in der Aufforderung darauf hinzuweisen.38 2 Verfügungen sind, auch wenn die Behörde sie in Briefform kleidet, als solche zu bezeichnen, zu begründen und mit einer Rechtsmittelbelehrung zu versehen. 3 Die Rechtsmittelbelehrung muss das zulässige ordentliche Rechtsmittel, die Rechtsmittelinstanz und die Rechtsmittelfrist nennen; vorbehalten bleibt die weiter- gehende Vorschrift nach Artikel 33 Absatz 2. 4 Auf die Eröffnungen der kantonalen Rekursinstanz39 finden im Übrigen die Artikel 34–38 und 61 Absätze 2 und 3 und über den Entzug der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde der Artikel 55 Absätze 2 und 4 des Verwaltungsverfah- rensgesetzes40 Anwendung. 5 Aus Eröffnungen, die diesen Vorschriften nicht entsprechen, darf dem Betroffenen kein Nachteil erwachsen. Art. 33 Verfügung über Befreiung von der Ersatzabgabe41 1 Der Ersatzpflichtige kann jederzeit beantragen, dass sein Anspruch auf Befreiung von der Ersatzabgabe mit Wirkung für noch nicht rechtskräftig abgeschlossene Veranlagungen untersucht wird.42 36 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 3. Sept. 2003, in Kraft seit 1. Jan. 2004 (AS 2003 3715). Diese Änd. ist erstmals anwendbar auf das Ersatzjahr 2004 (Ziff. II dieser Änd.). 37 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 12. Aug. 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 3625). 38 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 12. Aug. 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 3625). 39 Ausdruck gemäss Ziff. I der V vom 12. Aug. 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 3625). Diese Änd. wurde im ganzen Erlass berücksichtigt. 40 SR 172.021 41 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 12. Aug. 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 3625). 42 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 12. Aug. 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 3625). Wehrpflichtersatz 10 661.1 2 In der Rechtsmittelbelehrung zur getroffenen Verfügung ist der Ersatzpflichtige darauf hinzuweisen, dass die in Rechtskraft erwachsene Verfügung nach Artikel 29 Absatz 2 WPEG gültig bleibt, solange keine neuen wesentlichen Tatsachen eintre- ten. 5. Abschnitt: Rechtsmittel Art. 34 Einsprachelegitimation und Wirkung der Einsprache 1 Wer durch die angefochtene Verfügung berührt ist und ein schutzwürdiges Inter- esse an deren Aufhebung oder Änderung hat, ist zur Einsprache bei der Veranla- gungsbehörde berechtigt. 2 Zur Einsprache berechtigt sind: a. der Ersatzpflichtige; b. seine Vertreterin oder sein Vertreter; c. seine Erben.43 3 Die Behörde kann die Vertreterin oder den Vertreter auffordern, eine schriftliche Vollmacht des Ersatzpflichtigen vorzuweisen.44 4 Die Einsprache hat für alle durch die Verfügung Betroffenen aufschiebende Wir- kung.45 Art. 35 Einspracheverfahren 1 Sind bei einer Einsprache mehrere von der angefochtenen Verfügung betroffen, so ist allen Betroffenen davon Kenntnis zu geben, unter Ansetzung einer Frist, Anträge zu stellen und Beweismittel einzureichen. 2 Wer Anträge gestellt hat, kann sie auf Verlangen mündlich vertreten. 3 Das Einspracheverfahren ist trotz Rückzug der Einsprache weiterzuführen, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die angefochtene Verfügung dem WPEG nicht entspricht, oder wenn ein Betroffener eigene Anträge gestellt hat und diese auf- rechterhält. Art. 36 Überspringen des Einspracheverfahrens Mit Zustimmung des Einsprechers und der anderen Antragsteller kann jede Ein- sprache zur Behandlung als Beschwerde an die Rekursinstanz weitergeleitet werden. 43 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 14. Okt. 2009, in Kraft seit 1. Jan. 2010 (AS 2009 5259). 44 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 14. Okt. 2009, in Kraft seit 1. Jan. 2010 (AS 2009 5259). 45 Eingefügt durch Ziff. I der V vom 14. Okt. 2009, in Kraft seit 1. Jan. 2010 (AS 2009 5259). Wehrpflichtersatzabgabe. V 11 661.1 Art. 37 Beschwerdeverfahren 1 Die Beschwerdelegitimation richtet sich nach Artikel 34. 2 Die Rekursinstanz trifft die erforderlichen Untersuchungsmassnahmen. Sie kann damit einzelne ihrer Mitglieder betrauen. Die Rekursinstanz und ihre Mitglieder haben alle Untersuchungsbefugnisse einer Veranlagungsbehörde. 3 Erweist sich die Beschwerde nicht als offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist den vom Einspracheentscheid Betroffenen, der kantonalen Behörde für die Wehrpflichtersatzabgabe und der Eidgenössischen Steuerverwaltung Gelegenheit zu geben, am Verfahren teilzunehmen und Anträge zu stellen; zugleich werden die vollständigen Vorakten beigezogen. Bei Beschwerden gegen Verfügungen nach Artikel 52 Absatz 2 nimmt die Eidgenössische Steuerverwaltung nicht am Verfahren teil.46 4 Das Beschwerdeverfahren ist trotz Rückzug der Beschwerde weiterzuführen, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Entscheid dem WPEG nicht entspricht oder wenn ein Betroffener, die kantonale Behörde für die Wehrpflichtersatzabgabe47 oder die Eidgenössische Steuerverwaltung Anträge gestellt haben und aufrechterhalten. Art. 38 Neuer Einspracheentscheid 1 Die kantonale Behörde für die Wehrpflichtersatzabgabe kann bis zu ihrer Ver- nehmlassung den angefochtenen Einspracheentscheid in Wiedererwägung ziehen. 2 Sie eröffnet einen neuen Entscheid und bringt ihn der Rekursinstanz zur Kenntnis. 3 Die Rekursinstanz setzt die Behandlung der Beschwerde fort, soweit diese durch den neuen Entscheid nicht gegenstandslos geworden ist. Artikel 37 Absatz 3 findet Anwendung, wenn der neue Entscheid auf einem erheblich veränderten Sachverhalt beruht oder eine erheblich veränderte Rechtslage schafft. Art. 3948 Art. 40 Revisionsgründe 1 Die Veranlagungsbehörde oder Rekursinstanz zieht eine rechtskräftige Verfügung oder einen rechtskräftigen Entscheid von Amtes wegen oder auf Begehren eines Betroffenen in Revision, wenn: a. neue erhebliche Tatsachen oder Beweismittel vorgebracht werden; b. die Behörde aktenkundige erhebliche Tatsachen oder bestimmte Begehren übersehen hat; 46 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 14. Okt. 2009, in Kraft seit 1. Jan. 2010 (AS 2009 5259). 47 Ausdruck gemäss Ziff. I der V vom 3. Sept. 2003, in Kraft seit 1. Jan. 2004 (AS 2003 3715). Diese Änd. ist im ganzen Erlass berücksichtigt. 48 Aufgehoben durch Ziff. II 48 der V vom 8. Nov. 2006 über die Anpassung von Bundesratsverordnungen an die Totalrevision der Bundesrechtspflege, mit Wirkung seit 1. Jan. 2007 (AS 2006 4705). Wehrpflichtersatz 12 661.1 c. die Behörde wesentliche Verfahrensgrundsätze, insbesondere das Recht auf Akteneinsicht oder auf rechtliches Gehör, verletzt hat. 2 Die Revision ist ausgeschlossen, wenn der Antragsteller als Revisionsgrund vor- bringt, was er bei der ihm zumutbaren Sorgfalt schon im ordentlichen Verfahren hätte geltend machen können. 3 ...49 Art. 41 Revisionsbegehren Ein Revisionsbegehren nach Artikel 40 Absatz 1 ist der Behörde, welche die Verfü- gung oder den Entscheid erlassen hat, innert 90 Tagen seit Entdeckung des Revi- sionsgrundes, spätestens aber innert zehn Jahren seit Eröffnung der Verfügung oder des Entscheids schriftlich einzureichen. Es hat den Revisionsgrund und die Recht- zeitigkeit des Begehrens darzutun; im Übrigen findet Artikel 21 Absatz 1 letzter Satz Anwendung. Diese Fristen gelten auch für die Ersatzbehörden. Art. 42 Revisionsentscheid Tritt die Behörde auf das Revisionsbegehren ein und erachtet sie es als begründet, so hebt sie die Verfügung oder den Entscheid auf und entscheidet von neuem. Art. 43 Berichtigung von Rechnungsfehlern und Schreibversehen 1 Rechnungsfehler und Schreibversehen in rechtskräftigen Verfügungen und Ent- scheiden können innert fünf Jahren nach Eröffnung auf Antrag oder von Amtes wegen von der Behörde, der sie unterlaufen sind, berichtigt werden. 2 Gegen die Berichtigung oder ihre Ablehnung können die gleichen Rechtsmittel wie gegen die Verfügung oder den Entscheid ergriffen werden. 6. Abschnitt: Bezug der Ersatzabgabe Art. 44 Zuständigkeit Die Ersatzabgabe wird von dem Kanton bezogen, der sie veranlagt hat. Art. 45 Minimalbetrag 1 Ersatzabgaben unter 20 Franken werden nicht erhoben.50 2 Rückzahlungen erfolgen ungeachtet der Höhe des Betrages. 49 Aufgehoben durch Ziff. I der V vom 14. Okt. 2009, mit Wirkung seit 1. Jan. 2010 (AS 2009 5259). 50 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 12. Aug. 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 3625). Wehrpflichtersatzabgabe. V 13 661.1 Art. 4651 Teilzahlungen Reicht eine Zahlung nicht aus für die Tilgung aller fälligen Ansprüche auf Ersatz- abgaben, Gebühren, Kosten und Bussen, und wird die Zahlung nicht zur Beglei- chung der Abgabeschuld eines bestimmten Ersatzjahres vorgenommen, so wird sie zunächst auf den ältesten unverjährten Rückstand angerechnet. Vom Rückstand eines Jahres werden zuerst Gebühren, Kosten sowie Bussen und danach die Ersatz- abgabe und die Zinsen getilgt. Art. 4752 Mahnung Die Mahnung erfolgt gebührenfrei. Art. 48 Betreibung 1 Ist eine Sicherstellungsverfügung nach Artikel 36 WPEG erlassen worden, so kann die Betreibung ohne vorherige Mahnung eingeleitet werden. 2 Die kantonalen Behörden für die Wehrpflichtersatzabgabe haben gegen zahlungs- säumige Landesabwesende, die Vermögensstücke in der Schweiz haben, nach Arti- kel 50 Absatz 2 oder 52 und 271 ff. des Schuldbetreibungs- und Konkursgesetzes53 die Schuld- oder Arrestbetreibung einzuleiten. 3 Die Betreibungskosten trägt der Ersatzpflichtige. Art. 4954 Art. 50 Sperre des Auslandurlaubes durch Behörden in der Schweiz 1 Vor der Erteilung des Auslandurlaubes an Wehrpflichtige, die in der Schweiz mili- tärisch oder zivildienstlich angemeldet sind, vergewissert sich die für die Erteilung zuständige Stelle, dass keine Ersatzabgaben geschuldet sind. 2 Die Erteilung des Auslandurlaubes ist in der Regel aufzuschieben, wenn der Wehr- pflichtige im Rückstand ist mit der Bezahlung von: a. rechtskräftig festgesetzten und fälligen Ersatzabgaben; b. nach Artikel 25 Absatz 3 WPEG geschuldeten Ersatzabgaben; oder c. Ersatzabgaben, für die eine Sicherstellungsverfügung nach Artikel 36 Ab- satz 1 Buchstabe a WPEG erlassen worden ist.55 51 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 14. Okt. 2009, in Kraft seit 1. Jan. 2010 (AS 2009 5259). 52 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 14. Okt. 2009, in Kraft seit 1. Jan. 2010 (AS 2009 5259). 53 SR 281.1 54 Aufgehoben durch Ziff. I der V vom 12. Aug. 2020, mit Wirkung seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 3625). 55 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 12. Aug. 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 3625). Wehrpflichtersatz 14 661.1 3 Unterlässt ein Wehrpflichtiger die Zahlung vorsätzlich oder zeigt er sich in den ersatzrechtlichen Angelegenheiten im Rückfall nachlässig, so ist der Auslandurlaub zu verweigern. Art. 51 Sicherstellungsverfügung, Arrest im Allgemeinen 1 Der Erlass einer Sicherstellungsverfügung ist Sache der kantonalen Behörde für die Wehrpflichtersatzabgabe, soweit er nicht einer andern vom Kanton bestimmten zentralen Behörde übertragen ist. 2 Die Sicherstellung ist durch Realkaution, Bürgschaften, Garantien oder Kautions- versicherungen zu leisten. Über die Hinlänglichkeit der angebotenen oder geleisteten Sicherheit sowie über die Freigabe von Sicherheiten entscheidet die Behörde, die sie verfügt hat. 3 ...56 4 Ist der Arrest für eine noch nicht rechtskräftig festgesetzte Ersatzabgabe vollzogen worden, so hat die Behörde die Betreibung innert zehn Tagen nach Eintritt der Rechtskraft der Veranlagung anzuheben. Art. 52 Stundung, Ratenzahlung und Erlass57 1 Für die Verlängerung der Zahlungsfrist und für die Bewilligung von Ratenzahlun- gen ist die Bezugsbehörde zuständig. 2 Über Erlassgesuche verfügt die zuständige kantonale Behörde. Über Beschwerden entscheidet ein oberes kantonales Gericht als einzige Instanz.58 3 Für das Verfahren gelten die Bestimmungen über die Rechte und Pflichten im Veranlagungsverfahren sinngemäss. 4 Eine Stundung oder Ratenzahlung ist zu widerrufen, wenn die Bedingungen und Auflagen, an die sie geknüpft ist, nicht erfüllt werden.59 56 Aufgehoben durch Ziff. IV 15 der V vom 22. Aug. 2007 zur formellen Bereinigung des Bundesrechts, mit Wirkung seit 1. Jan. 2008 (AS 2007 4477). 57 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 12. Aug. 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 3625). 58 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 14. Okt. 2009, in Kraft seit 1. Jan. 2010 (AS 2009 5259). 59 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 12. Aug. 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 3625). Wehrpflichtersatzabgabe. V 15 661.1 Art. 53 Bescheinigung und Überweisung von Ersatzabgaben60 1 Die kantonale Behörde für die Wehrpflichtersatzabgabe ist für die Bescheinigung der Zahlung der Ersatzabgabe sowie der Bussen, Gebühren und Kosten des Ersatz- pflichtigen verantwortlich.61 2 Ersatzabgaben, die eine Behörde für Rechnung der Bezugsbehörde einzieht, über- weist sie unverzüglich. 7. Abschnitt: Rückerstattung der Ersatzabgabe62 Art. 54 Allgemeine Bestimmungen63 1 Ob die Gesamtdienstleistungspflicht erfüllt wurde, wird nach den entsprechenden militärischen und zivildienstlichen Vorschriften beurteilt.64 2 Die Rückerstattung wird ohne Antrag ausgelöst aufgrund einer Meldung des Per- sonalinformationssystems der Armee und des Zivilschutzes (PISA) oder aufgrund einer Meldung, die das Bundesamt für Zivildienst gestützt auf das Informations- system des Zivildienstes (E-ZIVI) erstattet.65 3 ...66 4 In fremder Währung bezahlte Ersatzabgaben werden in Schweizerfranken und mit dem Betrag, der seinerzeit dem zuständigen Kanton gutgeschrieben wurde, zurück- erstattet.67 5 Die kantonalen Ersatzbehörden können den ermittelten Rückerstattungsbetrag sowie Rückzahlungen um allfällige Verlustscheine, Betreibungskosten und Verzugs- zinsen früherer Ersatzjahre kürzen. Weitere Verrechnungen mit anderen Forderun- gen sind ausgeschlossen.68 60 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 3. Sept. 2003, in Kraft seit 1. Jan. 2004 (AS 2003 3715). Diese Änd. ist erstmals anwendbar auf das Ersatzjahr 2004 (Ziff. II dieser Änd.). 61 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 3. Sept. 2003, in Kraft seit 1. Jan. 2004 (AS 2003 3715). Diese Änd. ist erstmals anwendbar auf das Ersatzjahr 2004 (Ziff. II dieser Änd.). 62 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 12. Aug. 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 3625). 63 Eingefügt durch Ziff. I der V vom 12. Aug. 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 3625). 64 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 14. Okt. 2009, in Kraft seit 1. Jan. 2010 (AS 2009 5259). 65 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 12. Aug. 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 3625). 66 Aufgehoben durch Ziff. I der V vom 3. Sept. 2003, mit Wirkung seit 1. Jan. 2004 (AS 2003 3715). 67 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 14. Okt. 2009, in Kraft seit 1. Jan. 2010 (AS 2009 5259). 68 Eingefügt durch Ziff. I der V vom 12. Aug. 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 3625). Wehrpflichtersatz 16 661.1 Art. 54a69 Höhere Unteroffiziere und Offiziere des Zivilschutzes 1 Höhere Unteroffiziere und Offiziere des Zivilschutzes erhalten für die nach der Ersatzpflicht geleisteten Schutzdiensttage einen Teil oder alle Ersatzabgaben zu- rückerstattet. 2 Als Ausweis der geleisteten Diensttage gelten das Dienstbüchlein oder die EO- Abrechnungen. 3 Die Höhe der Rückerstattung ist abhängig von den effektiv absolvierten und anre- chenbaren Schutzdiensttagen ab dem Folgejahr des Wegfalls der Ersatzpflicht bis zum Ende der Schutzdienstpflicht. Zu viel geleistete Schutzdiensttage aus den elf Jahren Ersatzpflicht werden bei der Rückerstattung berücksichtigt. 4 Die Rückerstattung pro Schutzdiensttag beträgt den zweihundertfünfundsiebzigsten Teil des Gesamtbetrages der Ersatzabgaben. 5 Die für die Rückerstattung an Militär- und an Zivildienstleistende geltenden Be- stimmungen (Art. 39 Abs. 3–5 WPEG sowie Art. 54 Abs. 4 und 5 dieser Verord- nung) sind sinngemäss auf die nach Absatz 1 rückerstattungsberechtigten Schutz- dienstleistenden anwendbar. 6 Die Rückerstattung wird ohne Antrag ausgelöst aufgrund der Meldungen des Personalinformationssystems des Zivilschutzes (PISA ZS). 8. Abschnitt: Strafverfolgung Art. 55 Strafbehörde 1 Die rechtskräftige Verfügung oder Entscheidung über die Ersatzpflicht und die Bemessung der Ersatzabgabe ist für die Strafbehörden verbindlich. 2 Der Erlass einer Strafverfügung und die Überweisung an die Strafverfolgungs- behörde unterbleiben, bis über die Ersatzpflicht und die Bemessung der Ersatz- abgabe eine rechtskräftige Verfügung oder Entscheidung vorliegt. 3 Die Kantone sorgen dafür, dass auch die Widerhandlungen landesabwesender Ersatzpflichtiger, denen eine Vorladung nicht zugestellt werden kann oder die dieser Vorladung keine Folge geben, verfolgt und beurteilt werden können. Fehlen ent- sprechende Vorschriften, so sind die Artikel 32 und 148 des Bundesgesetzes vom 15. Juni 193470 ber die Bundesstrafrechtspflege71 sinngemäss anwendbar. 69 Eingefügt durch Ziff. I der V vom 12. Aug. 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 3625). 70 [BS 3 303; AS 1971 777 Ziff. III 4, 1974 1857 Anhang Ziff. 2, 1978 688 Art. 88 Ziff. 4, 1979 1170, 1992 288 Anhang Ziff. 15 2465 Anhang Ziff. 2, 1993 1993, 1997 2465 Anhang Ziff. 7, 2000 505 Ziff. I 3 2719 Ziff. II 3 2725 Ziff. II, 2001 118 Ziff. I 3 3071 Ziff. II 1 3096 Anhang Ziff. 2 3308, 2003 2133 Anhang Ziff. 9, 2004 1633 Ziff. I 4, 2005 5685 Anhang Ziff. 19, 2006 1205 Anhang Ziff. 10, 2007 6087, 2008 1607 Anhang Ziff. 1 4989 Anhang 1 Ziff. 6 5463 Anhang Ziff. 3, 2009 6605 Anhang Ziff. II 3. AS 2010 1881 Anhang 1 Ziff. I 1]. Siehe heute: die Strafprozessordnung vom 5. Okt. 2007 (SR 312.0). 71 SR 312.0 Wehrpflichtersatzabgabe. V 17 661.1 Art. 5672 Bezug von Bussen Für den Bezug der von den Verwaltungsbehörden verhängten Bussen gelten die Artikel 32b, 34, 37 und 38 WPEG sowie die Artikel 44, 46, 48, 52 und 53 dieser Verordnung sinngemäss. 9. Abschnitt: Abrechnung mit dem Bund Art. 5773 1 Jeder Kanton reicht der Eidgenössischen Steuerverwaltung auf dem Formular «Generalausweis» bis zum 10. Januar eine Abrechnung über das abgelaufene Kalen- derjahr ein. Dem Generalausweis legt der Kanton den Jahresbericht und die Belege über die von ihm zurückerstatteten Ersatzabgaben bei, aus denen die Namen und Adressen der Empfänger sowie der Grund und der Betrag der Rückerstattung er- sichtlich sind. 2 Er verfügt über die Gebühren, die Vergütungen für die vom Kanton getragenen Kosten sowie über alle Einnahmen aus Bussen. 10. Abschnitt: Schlussbestimmungen Art. 57a74 Übergangsbestimmungen zur Änderung vom 12. August 2020 1 Die Änderungen vom 12. August 2020 dieser Verordnung werden erstmals auf das Ersatzjahr 2021 angewendet. 2 Erstes Jahr der Berücksichtigung von vor der Ersatzpflicht geleisteten Diensttagen nach Artikel 5a Absatz 2 ist das Rekrutierungsjahr 2021. Überträge aus früheren Jahren sind nicht möglich. Bei Ersatzpflichtigen, die 2018, 2019 oder 2020 im selben Jahr sowohl die Rekrutierung als auch die Grundausbildung und allenfalls weitere Diensttage im Zivilschutz absolviert haben, werden alle diese Diensttage berücksichtigt. 3 Artikel 5a Absatz 3 wird erstmals im Jahr 2020 angewendet. Überträge aus frühe- ren Jahren sind nicht möglich. 4 Die anteilsmässige Rückerstattung von Ersatzabgaben nach Artikel 54a wird erstmals denjenigen höheren Unteroffizieren und Offizieren des Zivilschutzes ge- währt, die im Jahr 2021 in ihrem 41. Altersjahr aus der Schutzdienstpflicht entlassen werden. 72 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 14. Okt. 2009, in Kraft seit 1. Jan. 2010 (AS 2009 5259). 73 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 14. Okt. 2009, in Kraft seit 1. Jan. 2010 (AS 2009 5259). 74 Eingefügt durch Ziff. I der V vom 12. Aug. 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 3625). Wehrpflichtersatz 18 661.1 5 Die anteilsmässige Rückerstattung wird allen Personen gewährt, deren Dienstzeit gemäss Artikel 99 Absatz 3 BZG75 verlängert wurde Art. 58 Aufhebung bisherigen Rechts Die Verordnung vom 20. Dezember 197176 über den Militärpflichtersatz wird aufge- hoben. Art. 59 Inkrafttreten Diese Verordnung tritt am 1. Januar 1996 in Kraft und ist erstmals auf das Ersatzjahr 1995 anwendbar. 75 SR 520.1 76 [AS 1972 6, 1979 1740, 1983 1649, 1992 1337]
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Sachverhalt ab Seite 340 BGE 116 Ia 339 S. 340 Der 34jährige A.C. ist seit dem 1. Januar 1990 Förster des Reviers Mittel-Lugnez. Im Nebenerwerb betreibt er zusammen mit seiner Frau auf seinem Land in Tersnaus einen Landwirtschaftsbetrieb, den er später vielleicht zu einem Vollerwerbsbetrieb ausbauen möchte. Aus diesen Gründen möchte die fünfköpfige Familie nach Tersnaus, wo sie schon früher Wohnsitz hatte, zurückkehren. Vorübergehend konnte sie in Tersnaus eine Wohnung mieten; diese soll in der Zwischenzeit gekündigt worden sein. A.C. beabsichtigt nun, auf seiner Parzelle Nr. 117, die nach dem Zonen- und Gestaltungsplan der Gemeinde Tersnaus vom 31. Oktober 1985, den die Regierung am 15. September 1986 und 30. März 1987 genehmigt hat, in der Landwirtschaftszone liegt, ein Wohnhaus zu errichten. Ein entsprechendes Vorentscheidgesuch wies das kantonale Amt für Raumplanung am 23. August 1989 mangels Zonenkonformität des Vorhabens ab. Wegen fehlender Wohnmöglichkeit in Tersnaus droht nun der Wegzug der Familie. Dies würde für die kleine Gemeinde eine Reduktion der Wohnbevölkerung um 9% und der Zahl der schul- und vorschulpflichtigen Kinder um 20% bedeuten. Um den Wegzug der Familie C. zu verhindern, zonte die Gemeindeversammlung Tersnaus vom 9. Dezember 1989 den vorgesehenen Bauplatz von der Landwirtschaftszone in die Dorferweiterungszone um. Der Platz liegt ungefähr 25-30 m von der Dorfzone sowie von der bisherigen Dorferweiterungszone entfernt auf der Parzelle Nr. 117, grenzt an eine Meliorationsstrasse und hat eine Fläche von rund 320 m2. Die Regierung verweigerte dieser Zonenplanänderung am 11. Juni 1990 die Genehmigung. Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 3. August 1990 beantragt die Gemeinde Tersnaus, dieser Entscheid sei aufzuheben. Sie hält der Regierung entgegen, sie habe die konkreten Verhältnisse zu wenig gewürdigt. Dem Vorhaben stünden keine wesentlichen landwirtschaftlichen Gründe entgegen. Die Gefahr der Entvölkerung dieser Berggegend sei sehr ernst zu nehmen. Eine Ansiedlung der Familie C. sei aus finanziellen Gründen nur auf eigenem Land möglich. Die Bauzone sei bei der letzten Revision bewusst sehr bescheiden erweitert worden, um in Fällen wie dem vorliegenden den notwendigen Spielraum zu haben. Der Grundsatz der haushälterischen Bodennutzung werde nicht verletzt. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. BGE 116 Ia 339 S. 341 Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Die Beschwerdeführerin behauptet zunächst, die Bauparzelle gehöre - der Sache nach - in die Bauzone. a) Bauzonen umfassen nach dem eidgenössischen Raumplanungsgesetz das Land, das sich für die Überbauung eignet ( Art. 15 RPG Ingress), schon weitgehend überbaut ist ( Art. 15 lit. a RPG ) oder voraussichtlich innert 15 Jahren benötigt und erschlossen wird ( Art. 15 lit. b RPG ). Die Eignung der fraglichen Parzelle als Bauland ist offensichtlich gegeben. Ebenso klar ist, dass der Bauplatz nicht zum "weitgehend überbauten Land" der Siedlung Tersnaus gehört und insbesondere nicht bloss eine Baulücke ist ( BGE 113 Ia 450 ff. E. 4d). b) aa) Umstritten ist die Bestimmung des Baulandbedarfs ( Art. 15 lit. b RPG ). Im allgemeinen bestimmt der Kanton Graubünden den Baulandbedarf anhand der sogenannten Trendmethode. Danach wird der Baulandverbrauch der letzten 10 bis 15 Jahre mit den vorhandenen Baulandreserven verglichen und angenommen, die Entwicklung verlaufe an sich in den nächsten 15 Jahren ähnlich; dabei werden zusätzliche, besonders entwicklungshemmende oder -fördernde Faktoren mitberücksichtigt (vgl. BGE 114 Ia 366 f. E. 3b; Urteil vom 27. Oktober 1982 i.S. Wetzikon, in: ZBl 84/1983, S. 319 E. 5c; unveröffentlichtes Urteil vom 30. Mai 1990 i.S. Malans, E. 4b/aa). Diese Praxis schliesst es nicht aus, im einzelnen Fall anhand der konkreten Verhältnisse zu differenzieren, wie dies die Beschwerdeführerin hier verlangt. Die Regierung teilt diese Auffassung, wie ihre Genehmigungsentscheide vom 15. September 1986 und 30. März 1987 belegen. Die Grundsätze der Raumplanung verlangen, dass das Gemeinwesen eine Ordnung der Besiedlung schafft, die auf die erwünschte Entwicklung des Landes ausgerichtet ist ( Art. 22quater Abs. 1 BV ; Art. 1 Abs. 1 Satz 2 RPG ). Die Vorschrift über die Dimensionierung der Bauzonenfläche auf 15 Jahre ( Art. 15 lit. b RPG ) will einen Massstab schaffen, der dieser Ordnungsidee gerecht wird: Die Bauzone soll sich sowohl nach der privaten Bauentwicklung richten als auch diese mit Rücksicht auf den Gesamtzusammenhang begrenzen. Folglich rechtfertigt eine private Nachfrage allein keine Bauzonenerweiterung. Diese darf aber auch nicht einzig deshalb ausgeschlossen werden, weil in jüngster Zeit keine private Bautätigkeit stattfand. Für eine Bauzonenerweiterung sind demnach besondere Gründe erforderlich. Sie muss durch eine umfassende BGE 116 Ia 339 S. 342 Abwägung und Abstimmung aller räumlich wesentlichen Interessen und Gesichtspunkte gerechtfertigt sein ( Art. 1 Abs. 1 Satz 2 und Art. 2 Abs. 1 RPG ; Art. 1 bis 3 RPV; BGE 114 Ia 368 ff., 374 ff.). Überdies hat sie einer Vorstellung von der lokal und vor allem regional oder überregional erwünschten Entwicklung zu entsprechen. bb) Aus der Entstehungsgeschichte des 1987 genehmigten Zonenplanes ergibt sich, dass sich der Kanton und die Beschwerdeführerin über die Zielvorstellung für die Gemeinde einig waren: Der Gemeinde soll die bauliche Entwicklungsmöglichkeit gewährleistet bleiben, obwohl in der Vergangenheit praktisch keine private Bautätigkeit stattfand - seit 1980 wurden keine neuen Gebäude, seit 1947 lediglich deren sechs gebaut. Dieses Entwicklungsinteresse ist nicht nur legitim, sondern entspricht auch raumplanerischen Grundsätzen ( Art. 1 Abs. 2 lit. b und c RPG ; Art. 1 KRG). Streitig ist indessen, welche Mittel zur Verfolgung der Zielvorstellung benützt werden dürfen. Im Rahmen der 1987 abgeschlossenen Ortsplanung wurde aufgrund einer umfassenden Abwägung und Abstimmung und im Blick auf das definierte Förderungsziel die Bauzone erweitert. Die Beschwerdeführerin nahm detaillierte Abklärungen über die Eignung des Bodens zur Landwirtschaft, über die Erschliessung, die Gefahrenzone, das Ortsbild und die Siedlungseignung vor. Zudem berücksichtigte sie soweit wie möglich die Vorstellungen der Einwohner. In der Dorfzone wurden 3000 m2, in der Wohn- und Gewerbezone 1000 m2 sowie in einer zusätzlichen Dorferweiterungszone 4200 m2, insgesamt also über 8000 m2 Baulandreserven ausgeschieden. Gemessen an der Bevölkerungszahl von rund 66 Einwohnern in 20 Wohnbauten oder 26 Wohnungen sowie an der bescheidenen wirtschaftlichen und infrastrukturellen Basis ermöglicht dies eine erhebliche bauliche Entwicklung. Unter diesem Gesichtspunkt ist es nicht willkürlich, von der Beschwerdeführerin zu verlangen, mit einer weiteren Bauzonenerweiterung zurückzuhalten. Das gilt selbst, wenn die Beschwerdeführerin die Bauzone anlässlich der letzten Revision bewusst nur sehr bescheiden erweitert haben will, damit sie unter anderem in Fällen wie dem vorliegenden den notwendigen Spielraum hat, um unmittelbar angrenzende, im Idealfall - wie hier - bereits verkehrsmässig erschlossene Kleinparzellen noch einzonen zu können. Denn die einzelfallweise Einzonung widerspricht dem Prinzip der gesamthaften Beurteilung der Ortsplanung. Die Regierung verfiel deshalb nicht in Willkür, wenn sie der BGE 116 Ia 339 S. 343 Beschwerdeführerin entgegenhält, sie hätte bei der Ausscheidung der Dorferweiterungszone auch darauf achten sollen, dass das fragliche Land effektiv verfügbar ist. Dass das Bauland nicht erworben werden kann oder die finanziellen Möglichkeiten eines Bauinteressenten nicht ausreichen, durfte die Regierung ohne Willkür als ungenügende Gründe für eine Bauzonenerweiterung bezeichnen, da die Bauzonendimensionierung sich nicht bloss nach den jeweiligen Privatinteressen richten darf. c) Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Ausscheidung der streitigen Fläche berühre keine wesentlichen landwirtschaftlichen Interessen. Der Bauplatz grenze an eine Meliorationsstrasse und befinde sich in einem Gebiet, das ohnehin für Stallbauten bestimmt sei. Indessen begründet dies für sich allein keine Einzonung, sondern besagt höchstens, dass einer Einweisung in die Bauzone - wenn die Voraussetzungen (insbesondere gemäss Art. 15 RPG ) dafür erfüllt wären - keine überwiegenden Interessen entgegenstünden, die eine Zuteilung der streitigen Fläche in die Landwirtschaftszone ( Art. 16 RPG ) forderten. 4. Die Regierung hält der Beschwerdeführerin zusätzlich entgegen, dass die Einzonung des Bauplatzes auch dann, wenn sie der Sache nach akzeptiert werden dürfte, ihrem Ort nach nicht haltbar sei; die Beschwerdeführerin habe eine unzulässige Kleinstbauzone bezeichnet. Im allgemeinen bildet es ein wichtiges Anliegen des Bundesgesetzes, die Siedlungstätigkeit in Bauzonen zusammenzufassen und die Streubauweise für nicht freilandgebundene Bauten zu verhindern; es besteht ein allgemeines Interesse daran, dass vom Ortskern entferntes Land der Überbauung entzogen bleibt ( BGE 107 Ia 242 E. a; Urteil vom 13. Februar 1980 i.S. Niesengarage AG, in: BVR 1980, S. 378 f. E. b). Kleinbauzonen sind daher im allgemeinen nicht nur unzweckmässig, sondern grundsätzlich sogar gesetzwidrig ( BGE 109 Ia 188 ; Urteil vom 23. Mai 1984 i.S. Brüttelen, in: BVR 1984, S. 297 E. 6b; Urteil vom 3. Februar 1982 i.S. Mühledorf, in: ZBl 83/1982, S. 353, E. c). Ausnahmen sind nur bei besonderen, überwiegenden Gründen gerechtfertigt, etwa aus Rücksichtnahme auf eine traditionelle Siedlungsstruktur (vgl. BGE 113 Ia 452 E. db; BGE 111 Ia 20 f. E. c; Urteile vom 23. Mai 1984 i.S. Brüttelen, in: BVR 1984, S. 297 E. 6b, und vom 13. Februar 1980 i.S. Niesengarage, in: BVR 1980, S. 378 E. b). Im Lichte dieser Grundsätze ist es nicht willkürlich, eine rund 30 m von der Bauzone entfernte, isolierte, kleinräumige Punktzone BGE 116 Ia 339 S. 344 für ein einzelnes Einfamilienhaus als unzulässig zu bezeichnen. Dies gilt umso mehr, als der Ortsbildschutz verlangt, den Hang oberhalb des Dorfes freizuhalten. 5. Die Beschwerdeführerin hält schliesslich ihre Zonierung für gerechtfertigt, weil der Bauherr einen landwirtschaftlichen Betrieb begründen wolle. Indessen ist auf der streitigen Fläche ein Wohnhaus geplant, und ein solches ist ausserhalb der Bauzone grundsätzlich nicht zulässig ( BGE 113 Ib 141 E. d, 222 E. 3). Diese Begründung der Bauzonierung läuft somit auf eine Umgehung der Vorschriften über die Beschränkung des Bauens in der Landwirtschaftszone im speziellen ( Art. 16 RPG ) und ausserhalb der Bauzone im allgemeinen ( Art. 24 RPG ) hinaus. Das Bundesgericht verlangt deshalb, dass eine Nutzungsplanung im Hinblick auf ein konkretes Bauvorhaben ausserhalb einer bestehenden Bauzone auch den Anforderungen von Art. 24 RPG zu genügen hat ( BGE 114 Ia 125 E. 4c/cf; BGE 113 Ib 230 E. 2c). Insbesondere muss auch die Standortgebundenheit ( Art. 24 Abs. 1 lit. a RPG ) gegeben sein ( BGE 115 Ib 514 E. 6b). Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall jedoch nicht erfüllt.
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Sachverhalt ab Seite 54 BGE 108 V 54 S. 54 Die 1955 geborene Franziska Fahrländer bezog bis zum Abschluss ihrer Ausbildung als Gymnastiklehrerin (August 1978) eine einfache Waisenrente der AHV. Ab Dezember 1979 besuchte sie in Florenz einen Keramikkurs und verlangte für die Zeit des Kursbesuches wiederum die Gewährung der Waisenrente. Die Ausgleichskasse lehnte das Begehren ab, die AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich hiess es dem Grundsatze nach gut. Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt die Ausgleichskasse die Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Streitpunkt bildet die Frage, ob die Beschwerdegegnerin in bezug auf den Keramikkurs, den sie seit anfangs Dezember 1979 besuchte, erneut einen Anspruch auf AHV-Waisenrente erworben hat. Nach Art. 25 Abs. 2 zweiter Satz AHVG dauert der Rentenanspruch für Kinder, deren leiblicher Vater gestorben ist (Abs. 1 erster Satz dieser Bestimmung) und die noch in Ausbildung begriffen sind, "bis zum Abschluss der Ausbildung, längstens aber bis zum vollendeten 25. Altersjahr". a) Zum Begriff der Ausbildung äusserte sich das Eidg. Versicherungsgericht in BGE 106 V 149 Erw. 1 (in Übereinstimmung mit BGE 104 V 66 Erw. 2, BGE 102 V 163 Erw. 1 und dem dort zitierten unveröffentlichten Urteil Götsch vom 30. August 1976 sowie ZAK 1975 S. 376 Erw. 2) folgendermassen: "Als in Ausbildung begriffen gelten Waisen, die während einer bestimmten Zeit Schulen oder Kurse besuchen oder der beruflichen Ausbildung BGE 108 V 54 S. 55 obliegen. Unter beruflicher Ausbildung ist jede Tätigkeit zu verstehen, welche die systematische Vorbereitung auf eine künftige Erwerbstätigkeit zum Ziel hat und während welcher die Waise mit Rücksicht auf den vorherrschenden Ausbildungscharakter ein wesentlich geringeres Erwerbseinkommen erzielt, als ein Erwerbstätiger mit abgeschlossener Berufsbildung orts- und branchenüblich erzielen würde. Das Arbeitsentgelt gilt dann als wesentlich geringer als dasjenige eines Vollausgebildeten, wenn es nach Abzug der besonderen Ausbildungskosten um mehr als 25% unter dem ortsüblichen Anfangslohn für voll ausgebildete Erwerbstätige der entsprechenden Branche liegt." Dieser Wortlaut scheint darauf hinzuweisen, dass das Gericht zwei Ausbildungskategorien unterscheidet: einerseits Schul- oder Kursbesuch und anderseits berufliche Ausbildung, welche ihrerseits noch näher definiert wird. Die Unterscheidung dieser beiden Kategorien kommt besonders deutlich zum Ausdruck im erwähnten Urteil Götsch. Hier wurde die gleiche oben wiedergegebene Umschreibung verwendet mit dem Zusatz, dass unter beruflicher Ausbildung "insbesondere" jede Tätigkeit zu verstehen sei, welche die systematische Vorbereitung auf eine künftige Erwerbstätigkeit zum Ziele habe (und des weiteren sich im erforderlichen Mass auf das Erwerbseinkommen des Rentenansprechers auswirke). b) In BGE 102 V 210 Erw. 1 hielt das Gericht dagegen fest: "La jurisprudence constante, reprise par la pratique administrative, a conféré une acception large aux termes d'apprentissage ou d'études, les englobant dans la notion générale de formation professionnelle. Est considérée comme une telle formation toute préparation systématique tendant à donner des connaissances professionnelles déterminées, durant laquelle l'orphelin ne peut prétendre à aucun salaire ou qu'à un salaire sensiblement inférieur - soit inférieur de plus de 25% - à la rémunération initiale de celui qui possède une formation complète dans la branche en cause. Peut faire partie déjà de cette formation, le cas échéant, l'acquisition de connaissances préliminaires, en particulier de connaissances linguistiques (voir par exemple ATFA 1960, p. 109 et 1958, p. 127, ainsi que les arrêts qui y sont cités; voir aussi les Directives concernant les rentes, nos 194 et 195)." In die gleiche Richtung deutet ferner der in ZAK 1974 S. 485 publizierte Entscheid. Der wesentliche Unterschied dieser beiden Urteile gegenüber den erstgenannten Entscheiden (Erw. 1a hievor) besteht darin, dass der Ausdruck "berufliche Ausbildung" generell als Oberbegriff für den gesetzlichen Terminus der Ausbildung ( Art. 25 Abs. 2 AHVG ) verstanden wird. Dies hat zur Folge, dass die besonderen Voraussetzungen, welche in den zuerst zitierten Urteilen lediglich für den dort in einem engeren Sinne verwendeten spezifischen BGE 108 V 54 S. 56 Begriff der "beruflichen Ausbildung" aufgestellt worden sind, auch für die daneben erwähnte Kategorie der "Schulen und Kurse" Geltung haben. Die in Erw. 1a genannten Entscheide subsumieren somit unter den gesetzlichen Begriff der "Ausbildung" nicht nur die Berufsbildung, sondern auch die Bildung oder Allgemeinbildung (Schulen und Kurse) schlechthin, wogegen BGE 102 V 210 Erw. 1 und ZAK 1974 S. 485 zum vornherein die Ausbildung auf ein bestimmtes Berufsziel hin (Berufsbildung im engern Sinn) im Auge haben. c) Für beide Auffassungen lassen sich triftige Gründe anführen: Einerseits liegt es im AHV/IV-Bereich nahe, den gesetzlichen Begriff der Ausbildung im Sinne der beruflichen Ausbildung (1. Fallgruppe) zu verstehen; anderseits geht es aber um Ausbildung auch dort, wo entweder zum vornherein kein spezieller Berufsabschluss beabsichtigt und nur die Ausübung des betreffenden Berufes angestrebt wird (2. Fallgruppe) oder wo es sich um eine Ausbildung handelt, die vorerst nicht einem speziellen Beruf dient (3. Fallgruppe), sei es, dass die fragliche Massnahme nur die allgemeine Grundlage für eine Mehrzahl von Berufen bildet, sei es, dass die anbegehrte Vorkehr überhaupt nur im Sinne der Allgemeinbildung gedacht ist (z.B. Matura). Bezüglich der Berufsausbildung im engern Sinne (1. Fallgruppe) ist an der letztmals in BGE 106 V 149 Erw. 1 verwendeten Umschreibung festzuhalten; darüber hinaus sind als Ausbildung im Sinne von Art. 25 Abs. 2 AHVG die in jenem Urteil zusätzlich erwähnten "Schulen und Kurse" nur anzuerkennen, wenn sie entweder dazu geeignet sind, als Vorbereitung für eine Berufsausbildung im engeren Sinne (1. Fallgruppe) zu dienen - ob eine solche dann folgt, ist ebensowenig von Bedeutung wie die Frage, ob bei Erlernung eines Berufes auch wirklich die Absicht besteht, diesen später effektiv auszuüben - oder wenn sie ganz einfach auf ein echtes Bildungsziel im Sinne der 2. und 3. Fallgruppe gerichtet sind. Dabei ist aber unter allen Umständen (und ganz besonders dort, wo es sich nicht um eine eigentliche Berufsausbildung handelt) eine systematische Vorbereitung auf eines der genannten Ziele (Berufsausübung ohne Abschluss gemäss der 2. Fallgruppe; berufsbezogene Vorkenntnisse oder Allgemeinbildung gemäss der 3. Fallgruppe) hin erforderlich, und zwar auf der Grundlage eines ordnungsgemässen, rechtlich oder zumindest faktisch anerkannten (üblichen) Lehrganges. In allen Fällen muss sich sodann die strittige Vorkehr in dem von der Rechtsprechung umschriebenen Masse BGE 108 V 54 S. 57 auf die Erwerbseinkünfte auswirken (vgl. BGE 106 V 149 Erw. 1 in fine mit Hinweis). 2. a) Nach Auffassung der Vorinstanz ist die Beschwerdegegnerin während des Winterhalbjahres 1979/80 als "in Ausbildung begriffen" zu betrachten, weil sie damals in Florenz ganztägig einen Kurs besucht habe, wobei die Art des Kurses unerheblich sei. Dem kann nach dem Gesagten nicht vorbehaltlos gefolgt werden. b) In ihrer Anmeldung bei der AHV vom 21. November 1979 hatte die Beschwerdegegnerin u.a. ausgeführt, sie habe sich seit längerem mit gestalterischer Keramik befasst und sich nun, auch unter dem Eindruck ihrer Stellenlosigkeit, entschieden, "darin eine Ausbildung zu machen"; im weiteren sehe sie die Möglichkeit, die gestalterische Keramik später mit der (erlernten) Gymnastik zu verbinden, z.B. in therapeutischer Richtung. Die Angaben der Beschwerdegegnerin lassen erkennen, dass sie sich im Herbst 1979 über ihren weiteren beruflichen Werdegang nicht vollends schlüssig war. Seither ist jedoch eine gewisse Klärung eingetreten; denn sowohl in der vorinstanzlichen Beschwerdeschrift als auch in der Vernehmlassung wird von seiten der Beschwerdegegnerin glaubwürdig dargelegt, dass der Keramikkurs als Vorbereitung auf eine künftige Ausbildung zur Heimerzieherin gedacht war. Es sind zudem konkrete Schritte in dieser Richtung unternommen worden, indem der Stiefvater der Beschwerdegegnerin sich anfangs 1980 bei der Schule für Soziale Arbeit, Zürich, nach den Aufnahmevoraussetzungen erkundigte. Unter diesen Umständen darf als - jedenfalls auf längere Sicht angestrebtes - Berufsziel der Erwerb des Heimerzieherinnendiploms betrachtet werden. Diese Annahme wird, entgegen der Ansicht der Ausgleichskasse, durch den Umstand, dass die Beschwerdegegnerin sich nach Abschluss des Töpferkurses Ende April 1980 nicht sogleich der Heimerzieherinnenausbildung widmete, nicht widerlegt. Des weiteren kann nach den Angaben der Schule für Soziale Arbeit vom 10. Januar 1980 nicht in Abrede gestellt werden, dass der Besuch eines Keramikkurses eine sinnvolle und zweckmässige Vorbereitung des geplanten Ausbildungsganges als Heimerzieherin darstellt.
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Sachverhalt ab Seite 7 BGE 112 III 6 S. 7 A.- Nachdem in den Geschäftsräumlichkeiten einer schweizerischen Bank der Arrest gegen die Schuldnerin C. vollzogen worden war, prosequierte die Gläubigerin K. den Arrest durch Betreibung. Das Betreibungsamt liess den Zahlungsbefehl und die Arresturkunde durch den schweizerischen diplomatischen Dienst an die von der Gläubigerin genannte Adresse der Schuldnerin in Irland zustellen. Da sich indessen die Zustellung an der angegebenen Adresse als unmöglich erwies, veranlasste das Betreibungsamt - nachdem es noch die Gläubigerin angefragt hatte, ob ihr eine andere Anschrift der Schuldnerin bekannt sei, und die Gläubigerin das verneint hatte - die öffentliche Bekanntmachung des Zahlungsbefehls in einem kantonalen Amtsblatt. In der Folge liess die Schuldnerin C. durch ihren Rechtsanwalt in der Schweiz Beschwerde gegen das Betreibungsamt einreichen. Sie verlangte, es seien der Zahlungsbefehl sowie sämtliche Fortsetzungshandlungen in der angefochtenen Betreibung aufzuheben und es sei dem Betreibungsamt sofort zu verbieten, irgendwelche Auszahlungen an die Gläubigerin vorzunehmen. Als ihr Domizil nannte die Schuldnerin eine Anschrift in den Vereinigten Staaten. B.- Die kantonale Aufsichtsbehörde hiess die Beschwerde gut, hob die öffentliche Bekanntmachung des Zahlungsbefehls als ungültig auf und stellte fest, dass sämtliche Fortsetzungshandlungen in der angefochtenen Betreibung nichtig seien. Sie wies das Betreibungsamt an, den Zahlungsbefehl der Schuldnerin an deren derzeitigem Domizil (nach Angabe ihres Rechtsvertreters) zuzustellen. Die Gläubigerin K. reichte bei der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer Rekurs gegen den Entscheid der kantonalen Aufsichtsbehörde ein. BGE 112 III 6 S. 8 Erwägungen Aus den Erwägungen: 4. Nach dem Dafürhalten der Rekurrentin hat die kantonale Aufsichtsbehörde die Mitteilung des Zahlungsbefehls an die Schuldnerin auf dem Ediktalweg zu Unrecht als ungültig bezeichnet. Die Rekurrentin ist der Auffassung, die Aufsichtsbehörde könne vom Betreibungsamt nicht verlangen, dass es mit zusätzlichen Nachforschungen die Anschrift der Schuldnerin zu eruieren versuche; insbesondere sei die Bank wegen des Bankgeheimnisses daran gehindert gewesen, Auskunft über die Adresse der Schuldnerin zu geben. Dieser Auffassung kann nicht zugestimmt werden. Zu Recht hat die Aufsichtsbehörde erkannt, dass das Betreibungsamt nicht Zuflucht zur öffentlichen Bekanntmachung des Zahlungsbefehls nehmen konnte, bevor es zusätzliche Nachforschungen über die Adresse der Schuldnerin anstellte. Die Zustellung auf dem Ediktalweg ist in der Tat letztes Mittel (AMONN, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 3. Aufl. 1983, § 12 N. 15; FRITZSCHE/WALDER, Schuldbetreibung und Konkurs nach schweizerischem Recht I, § 14 Rz 27; GILLIÉRON, Poursuite pour dettes, faillite et concordat, S. 96, B). Es obliegt in erster Linie dem Gläubiger, dem Betreibungsamt Name und Wohnort des Schuldners bekanntzugeben, welchem der Zahlungsbefehl zuzustellen ist ( Art. 67 Abs. 1 Ziff. 2 SchKG ; BGE 109 III 7 ). Im vorliegenden Fall hat sich denn auch das Betreibungsamt an die Gläubigerin gewandt, um von ihr die Adresse der Schuldnerin zu erfahren, nachdem der Zahlungsbefehl an der angegebenen Adresse in Irland nicht hatte zugestellt werden können. Doch hat die Gläubigerin - obwohl sie selber in Irland ansässig ist und somit am besten in der Lage gewesen wäre, das Domizil der dort gesuchten Schuldnerin zu erfahren - umgehend durch ihren Rechtsvertreter in der Schweiz dem Betreibungsamt mitteilen lassen, dass es ihr nicht möglich sei, die neue Anschrift der Schuldnerin bekanntzugeben, und die Mitteilung des Zahlungsbefehls auf dem Ediktalweg verlangt. Der Verweis der kantonalen Aufsichtsbehörde auf BGE 64 III 43 E. 2, wo das Bundesgericht ausgeführt hat, es müssten vor der Beschreitung des Ediktalweges alle zweckmässigen, der Sachlage entsprechenden Nachforschungen versucht werden, um den Wohnort des Schuldners, d.h. eine mögliche Zustelladresse - sei es auch nicht an seinem allfälligen festen Wohnsitz - herauszufinden, BGE 112 III 6 S. 9 ist zutreffend. Im Lichte dieser Rechtsprechung hat die Vorinstanz insbesondere weitere Erkundigungen bei der Bank, an deren Geschäftsniederlassung der Arrest zu vollziehen war, über das Domizil der Schuldnerin verlangt. In tatsächlicher Hinsicht hat die Vorinstanz dazu festgestellt, dass die Bank in der Lage gewesen wäre, dem Betreibungsamt Angaben über die Adresse der Schuldnerin zu machen. Die Rekurrentin behauptet nicht, dass diese Feststellung auf offensichtlichem Versehen beruhe oder unter Verletzung bundesrechtlicher Beweisvorschriften zustande gekommen sei (Art. 63 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 81 OG ; BGE 108 II 217 f. E. 1a). Sie machte nur geltend, dass die Bank wegen des Bankgeheimnisses zur Verweigerung jeglicher Auskunft verpflichtet gewesen sei und dass sie deshalb schon die Auskunft über von ihr verwahrte Vermögenswerte der Schuldnerin verweigert habe. Diese Argumentation der Rekurrentin widerspricht der Rechtsprechung. Richtig ist im Gegenteil, dass die Banken gegenüber dem Betreibungsamt zur Auskunft über Vermögensgegenstände, die sie verwahren und die mit Arrest zu belegen sind, verpflichtet sind und die Auskunft nicht unter Berufung auf das Bankgeheimnis verweigern können. Die Banken machen sich gegenüber dem Gläubiger, der durch die Verweigerung der Auskunft einen Schaden erleidet, zivilrechtlich verantwortlich. Allerdings zieht die Verweigerung keine strafrechtlichen Folgen nach sich, wenn der Bestand der Forderung im Zeitpunkt, wo der Arrest vollzogen wird, noch ungewiss ist ( BGE 101 III 63 E. 3 mit Hinweisen). Dasselbe gilt bezüglich der Auskunft von Banken über Wohnort bzw. Zustelldomizil eines Schuldners, der verarrestierbare Vermögenswerte bei ihnen hinterlegt hat. Die Ausführungen der kantonalen Aufsichtsbehörde erweisen sich demnach als bundesrechtskonform.
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Sachverhalt ab Seite 230 BGE 109 V 229 S. 230 A.- Mit Verfügung vom 24. Februar 1982 eröffnete die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA) ihrem Versicherten Heinrich Scherrer, die ihm seit April 1973 gewährte Rente werde mit Wirkung ab 1. Mai 1982 revisionsweise aufgehoben. B.- Heinrich Scherrer beschwerte sich gegen diese Verfügung und stellte u.a. den Antrag, die SUVA sei anzuweisen, ihm die Rente während der Prozessdauer unverändert auszurichten. Mit Zwischenentscheid vom 21. Februar 1983 wies das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern das Begehren um Ausrichtung der Rente während der Dauer des Verfahrens gestützt auf § 131 des luzernischen Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege vom 3. Juli 1972 (VRG/LU) ab. C.- Heinrich Scherrer lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und beantragen, in Aufhebung des kantonalen Entscheides sei die SUVA anzuweisen, ihm die Rente während des Beschwerdeverfahrens unverändert auszurichten. Die Vorinstanz schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Die SUVA beantragt, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten; eventualiter sei sie abzuweisen. BGE 109 V 229 S. 231 Erwägungen Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 1. Gemäss Art. 128 OG beurteilt das Eidg. Versicherungsgericht letztinstanzlich Verwaltungsgerichtsbeschwerden gegen Verfügungen im Sinne von Art. 97 und 98 lit. b-h OG auf dem Gebiet der Sozialversicherung. Hinsichtlich des Begriffs der mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde anfechtbaren Verfügungen verweist Art. 97 OG auf Art. 5 VwVG . Nach Art. 5 Abs. 1 VwVG gelten als Verfügungen Anordnungen der Behörden im Einzelfall, die sich auf öffentliches Recht des Bundes stützen (und im übrigen noch weitere, nach dem Verfügungsgegenstand näher umschriebene Voraussetzungen erfüllen). Dazu zählen nach der Rechtsprechung auch Verfügungen, die sich richtigerweise auf öffentliches Recht des Bundes hätten stützen müssen ( BGE 107 Ib 397 mit Hinweisen). Verfügungen im Sinne dieser Umschreibung können nach dem Wortlaut des zweiten Absatzes von Art. 5 VwVG auch Zwischenverfügungen sein, insoweit sie den Anforderungen des vorangehenden ersten Absatzes entsprechen. Zudem verweist Art. 5 Abs. 2 VwVG bezüglich der Zwischenverfügungen auf Art. 45 des gleichen Gesetzes, laut dem nur solche Zwischenverfügungen anfechtbar sind, die einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können ( Art. 45 Abs. 1 VwVG ). Dieser grundsätzliche Vorbehalt gilt als Voraussetzung für die Zulässigkeit eines selbständigen, der Endverfügung vorangehenden Beschwerdeverfahrens, insbesondere für alle in Art. 45 Abs. 2 VwVG - nicht abschliessend - aufgezählten Zwischenverfügungen. Für das letztinstanzliche Beschwerdeverfahren ist ferner zu beachten, dass gemäss Art. 129 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 101 lit. a OG die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen Zwischenverfügungen nur zulässig ist, wenn sie auch gegen die Endverfügung offensteht ( BGE 105 V 267 Erw. 1, BGE 104 V 176 Erw. 1, BGE 98 V 220 f. mit Hinweisen; GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl., S. 140 ff.). 2. a) Die vorliegende Verwaltungsgerichtsbeschwerde richtet sich gegen den kantonalen Zwischenentscheid vom 21. Februar 1983, worin das Begehren um unveränderte Ausrichtung der Rente während der Dauer des Verfahrens abgewiesen wurde. Der vorinstanzliche Zwischenentscheid stützt sich indessen formell nicht auf Bundesrecht, sondern ist in Anwendung kantonalen Verfahrensrechts ergangen (§ 131 VRG/LU). Verfügungen, die sich auf kantonales Recht stützen, unterliegen grundsätzlich der Verwaltungsgerichtsbeschwerde BGE 109 V 229 S. 232 an das Eidg. Versicherungsgericht nicht (vgl. Erw. 1 hievor). Hingegen fragt es sich, ob der angefochtene Zwischenentscheid richtigerweise auf Bundesrecht beruhen müsste und die Verwaltungsgerichtsbeschwerde daher zulässig sei. Nach Art. 1 Abs. 1 VwVG findet dieses Gesetz Anwendung auf das Verfahren in Verwaltungssachen, die durch Verfügungen von Bundesverwaltungsbehörden in erster Instanz oder auf Beschwerde zu erledigen sind. Als Behörden im Sinne dieser Bestimmung gelten u.a. die autonomen eidgenössischen Anstalten oder Betriebe ( Art. 1 Abs. 2 lit. c VwVG ). Die SUVA ist eine autonome eidgenössische Anstalt im Sinne von Art. 1 Abs. 2 lit. c VwVG . Auf ihr Verfahren ist daher grundsätzlich das VwVG anwendbar. Gemäss Art. 55 Abs. 1 VwVG hat die Beschwerde aufschiebende Wirkung. Nach Abs. 2 dieser Vorschrift kann die Vorinstanz einer allfälligen Beschwerde gegen eine Verfügung, die nicht eine Geldleistung zum Gegenstand hat, die aufschiebende Wirkung entziehen; dieselbe Befugnis steht der Beschwerdeinstanz oder, wenn es sich um eine Kollegialbehörde handelt, ihrem Vorsitzenden nach Einreichung der Beschwerde zu. Eine Geldleistung im Sinne dieser Bestimmung haben Verfügungen nur dann zum Gegenstand, wenn sie den Empfänger der Verfügung zu einer vermögensrechtlichen Leistung verpflichten ( BGE 99 Ib 219 Erw. 4, RSKV 1981 Nr. 445 S. 78). Da im vorliegenden Fall die Verfügung der SUVA vom 24. Februar 1982 den Beschwerdeführer nicht zu einer Geldleistung verpflichtete, wäre ein Entzug der Suspensivwirkung durch die Anstalt an sich zulässig gewesen. Davon hat sie jedoch keinen Gebrauch gemacht. Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen Verfügungen der SUVA kann entgegen der Auffassung von Beschwerdegegnerin und Vorinstanz nicht sinngemäss entzogen werden. Diese berufen sich zu Unrecht auf das (unveröffentlichte) Urteil Bolt vom 7. Dezember 1976, wo für Ausgleichskassen, welche dem VwVG nicht unterstehen, ein bloss sinngemässer Entzug des Suspensiveffekts als zulässig bezeichnet wurde; diese Rechtsprechung ist durch den am 1. Januar 1979 in Kraft getretenen Art. 97 Abs. 2 AHVG überholt. Der Entzug des Suspensiveffekts muss durch die Anstalt ausdrücklich verfügt werden, wenn sich die aufschiebende Wirkung nicht entfalten soll. Schliesslich vermag der Einwand der SUVA nichts zu ändern, angesichts der sechsmonatigen Beschwerdefrist könnte der Suspensiveffekt negative Konsequenzen zur Folge haben, namentlich hinsichtlich der Pflicht zur allfälligen Weiterausrichtung BGE 109 V 229 S. 233 von aufgehobenen oder herabgesetzten Versicherungsleistungen. Diese befürchteten Auswirkungen treten nicht ein, wenn einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung ausdrücklich entzogen wird. Der kantonale Zwischenentscheid vom 21. Februar 1983 hat demzufolge nicht die Abweisung eines Wiederherstellungsbegehrens zum Gegenstand, sondern beinhaltet einen Entzug der aufschiebenden Wirkung von Amtes wegen. Da auf das Verfahren letzter kantonaler Instanzen, die gestützt auf öffentliches Recht des Bundes nicht endgültig verfügen, Art. 55 Abs. 2 VwVG über den Entzug der aufschiebenden Wirkung Anwendung findet ( Art. 1 Abs. 3 VwVG ), hätte sich der angefochtene Zwischenentscheid nicht auf kantonales, sondern richtigerweise auf Bundesrecht stützen müssen. Weil ferner die Verwaltungsgerichtsbeschwerde auch gegen die Endverfügung offensteht, ist auf die Beschwerde gegen den vorinstanzlichen Zwischenentscheid einzutreten, wenn er einen irreparablen Nachteil bewirken kann. b) Ein nicht wieder gutzumachender Nachteil liegt nach der Rechtsprechung vor, wenn die plötzliche Einstellung der Rentenzahlungen den Versicherten aus dem finanziellen Gleichgewicht bringen und zu kostspieligen oder sonstwie unzumutbaren Massnahmen zwingen könnte. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht gegeben. Denn der Beschwerdeführer erzielt nach eigenen Angaben gegenüber der SUVA vom 11. Januar 1982 seit anfangs Januar 1982 ein jährliches Erwerbseinkommen von Fr. 41'600.--. Hinzu kommt die Rente der SUVA, die gemäss nachträglicher Eingabe des Beschwerdeführers vom 20. September 1983 im gleichen Zeitpunkt monatlich Fr. 1'045.-- (= Fr. 12'540.-- im Jahr) betrug. Unter diesen Umständen kann nicht gesagt werden, dass die Einstellung der Rentenzahlungen den Beschwerdeführer aus dem finanziellen Gleichgewicht wirft. Somit bewirkt der Entzug der aufschiebenden Wirkung keinen nicht wieder gutzumachenden Nachteil. Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist demnach nicht einzutreten. An diesem Ergebnis vermögen die in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde unter dem Gesichtspunkt der Interessenabwägung erhobenen Einwendungen nichts zu ändern.
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Sachverhalt ab Seite 313 BGE 147 V 312 S. 313 A. A.a Der 1982 geborenen A., die an einer bipolaren affektiven Störung leidet, sprach die IV-Stelle des Kantons St. Gallen mit Verfügung vom 10. Februar 2015 ab 1. Mai 2010 eine ganze Rente zu. Am 22. Mai 2015 meldete sich die Versicherte bei der EL-Durchführungsstelle der Sozialversicherungsanstalt des Kantons St. Gallen (SVA) zum Bezug von Ergänzungsleistungen an. Zudem hatte die Beiständin des am 30. Juni 2012 geborenen Sohnes der Versicherten die SVA mit Brief vom 4. Mai 2015 ersucht, die behinderungsbedingten Kosten für die Fremdbetreuung des Kindes, namentlich die Kosten für die Kinderkrippe sowie die Aufenthalte in der Pflegefamilie bei den Ergänzungsleistungen anzurechnen. Mit BGE 147 V 312 S. 314 Verfügung vom 20. Februar 2016 sprach die SVA A. rückwirkend ab 1. August 2010 - mit Unterbrüchen wegen Einnahmenüberschüssen - (jährliche) Ergänzungsleistungen zu. A.b Am 6. Juni 2016 informierte die Versicherte die SVA, dass sie wegen den Betreuungskosten für ihr Kind einen finanziellen Engpass auf sich zukommen sehe und fragte, wer für diese Kosten aufkäme. Zudem stellte sie mit Schreiben vom 11. November 2016 ein "Anpassungsgesuch" zur Überprüfung, ob diese Aufwendungen als Behinderungskosten einzustufen seien. Mit Verfügung vom 30. Dezember 2016 bzw. Einspracheentscheid vom 20. März 2017 lehnte die SVA eine Kostenübernahme für die Betreuung des Sohnes der Versicherten unter Art. 10 ELG (SR 831.30) (jährliche Ergänzungsleistung) ab. Über die Krankheitskosten werde separat verfügt. Die SVA entschied alsdann betreffend die Krankheits- und Behinderungskosten, dass sie die Auslagen für die Kinderkrippe des Vereins X., abzüglich der Verpflegungskosten, von Januar bis Mai 2017 übernehme. A.c Das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen trat mit Entscheid vom 28. August 2018 auf die Beschwerde gegen den Einspracheentscheid vom 20. März 2017 nicht ein. Es wies aber in seinen Erwägungen darauf hin, das Gesuch der Versicherten um Übernahme der Kosten für die Kinderkrippe und Pflegefamilie rückwirkend ab Juni 2012 sei weiterhin unbehandelt. A.d Mit Verfügung vom 14. November 2018 lehnte die Verwaltung die Übernahme der Kosten des Vereins X. von Juni 2012 bis Oktober 2018 ab, weil es sich bei den Betreuungskosten für ein Kind nicht um Krankheits- und Behinderungskosten handle. Daran hielt die SVA mit Einspracheentscheid vom 25. Februar 2019 fest. B. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 12. Februar 2020 ab. C. A. lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und beantragen, in Aufhebung des kantonalen Entscheids sei festzustellen, die Kosten für die Kinderkrippe von Juni 2012 bis Oktober 2018 müssten von der SVA im Rahmen der Ergänzungsleistungen übernommen werden. Der Begründung der Beschwerde ist zudem zu entnehmen, dass sie um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege, Einsicht in die Akten der Verwaltung und Vorinstanz sowie um Anordnung eines zweiten Schriftenwechsels ersucht. BGE 147 V 312 S. 315 Die SVA verweist in ihrer Vernehmlassung auf den Einspracheentscheid vom 25. Februar 2019 sowie ihre vorinstanzliche Beschwerdeantwort und lässt damit sinngemäss auf Abweisung der Beschwerde schliessen. Das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen lässt sich dahingehend vernehmen, dass es an den Schlussfolgerungen im angefochtenen Entscheid festhält. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet hingegen auf eine Stellungnahme. A. fordert mit Eingabe vom 15. Februar 2021 die Gutheissung der mit Beschwerde gestellten Anträge. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. Erwägungen Aus den Erwägungen: 4. 4.1 Der streitige Leistungsanspruch betrifft den Zeitraum von Juni 2012 bis Oktober 2018. Die ab 1. Januar 2021 in Kraft getretenen Änderungen, insbesondere die neu eingeführten Bestimmungen in Art. 10 Abs. 3 lit. f ELG und Art. 16e ELV (SR 831.301) finden keine Anwendung (vgl. Übergangsbestimmung zur Änderung des ELG vom 22. März 2019 [EL-Reform] und Schlussbestimmung der Änderung des ELV vom 29. Januar 2020; Urteil 8C_579/2020 vom 6. November 2020 E. 3). 4.2 Die Ergänzungsleistungen bestehen aus der jährlichen Ergänzungsleistung sowie der Vergütung von Krankheits- und Behinderungskosten ( Art. 3 Abs. 1 ELG ). 4.3 4.3.1 Art. 14 bis 16 ELG regeln die Vergütung der Krankheits- und Behinderungskosten durch die Kantone. Nach Art. 14 Abs. 1 lit. b ELG vergüten die Kantone den Bezügerinnen und Bezügern einer jährlichen Ergänzungsleistung ausgewiesene, im laufenden Jahr entstandene Kosten für die Hilfe, Pflege und Betreuung zu Hause sowie in Tagesstrukturen. Die Kantone bezeichnen die Kosten, die nach Absatz 1 vergütet werden können. Sie können die Vergütungen auf im Rahmen einer wirtschaftlichen und zweckmässigen Leistungserbringung erforderliche Ausgaben beschränken ( Art. 14 Abs. 2 ELG ). Diese dürfen jedoch bei zu Hause lebenden alleinstehenden Personen den Betrag von Fr. 25'000.- nicht unterschreiten (Art. 14 Abs. 3 lit. a Ziff. 1 ELG). 4.3.2 Nach Art. 4 bis des st. gallischen Ergänzungsleistungsgesetzes vom 22. September 1991 (ELG/SG; sGS 351.5) beschränkt sich der Anspruch auf Vergütung der ausgewiesenen Krankheits- und BGE 147 V 312 S. 316 Behinderungskosten nach Art. 14 Abs. 1 Bst. a bis g des Bundesgesetzes über Ergänzungsleistungen auf die im Rahmen einer wirtschaftlichen und zweckmässigen Leistungserbringung erforderlichen Ausgaben, soweit diese nicht Versicherer oder Dritte decken (Abs. 1). Pflichtleistungen, die von Versicherern der obligatorischen Sozialversicherung angerechnet wurden, gelten als wirtschaftlich und zweckmässig. Kosten, die den Leistungskatalog einer obligatorischen Sozialversicherung übersteigen, werden in der Regel nicht vergütet (Abs. 2). Kosten für Leistungen, die ausserhalb des Geltungsbereichs der obligatorischen Sozialversicherung erbracht wurden, werden ausnahmsweise vergütet, wenn die medizinische Notwendigkeit, die Wirtschaftlichkeit und Zweckmässigkeit nachgewiesen sind (Abs. 3). Als Höchstbetrag gelten die in Art. 14 Abs. 3 bis 5 des Bundesgesetzes über Ergänzungsleistungen festgelegten Ansätze (Abs. 4). Die Regierung regelt die Einzelheiten durch Verordnung (Abs. 5). 4.3.3 Gemäss Art. 13 Abs. 1 der st. gallischen Verordnung vom 11. Dezember 2007 über die Vergütung von Krankheits- und Behinderungskosten bei den Ergänzungsleistungen (VKB; sGS 351.53) werden Kosten für Hilfe und Betreuung in anerkannten Tagesstrukturen an Personen in einer Einrichtung mit Behinderung vergütet (Bst. a) und an Personen in einer zugelassenen Tages- und Nachtstruktur nach dem Gesetz über die Pflegefinanzierung vom 13. Februar 2011 (Bst. b). Nach Art. 2 Abs. 1 Bst. b des st. gallischen Gesetzes vom 13. Februar 2011 über die Pflegefinanzierung (PFG; sGS 331.2) sind Leistungserbringer Tages- und Nachtstrukturen, soweit sie nach Art. 38 des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung vom 18. März 1994 zugelassen sind. Art. 1 der st. gallischen Verordnung vom 14. Dezember 2010 über die Zulassung von Tages- und Nachtstrukturen (sGS 331.22) bestimmt zudem, dass Tages- und Nachtstrukturen als Leistungserbringer nach Art. 2 Abs. 1 Bst. b PFG zugelassen werden, wenn sie die in Art. 39 Abs. 1 Bst. a bis c des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung vom 18. März 1994 geltenden Voraussetzungen erfüllen. Mit anderen Worten ausgedrückt, müssen solche Einrichtungen dem Spitalbegriff im Sinne des KVG genügen. 5. 5.1 Die Vorinstanz hielt mit Verweis auf ihren (früheren) Entscheid vom 28. August 2018 fest, Art. 14 Abs. 1 lit. b ELG und die BGE 147 V 312 S. 317 kantonale Ausführungsgesetzgebung sähen keine Vergütung von Kinderkrippenkosten vor. Der Gesetzgeber habe mit der aktuell gültigen Regelung in Kauf genommen, dass in Einzelfällen eine existenzgefährdende Leistungslücke im EL-Recht bestehe. Das müsse als qualifiziertes Schweigen des Gesetzgebers interpretiert werden, sodass keine ausfüllungsbedürftige Lücke vorliege. 5.2 Die Beschwerdeführerin stimmt der Vorinstanz zu, dass weder in der kantonalen Verordnung noch im Bundesgesetz allfällige Kosten für die familienergänzende Kinderbetreuung erwähnt seien. Dabei handle es sich aber um eine Lücke, die Raum für eine richterliche Ergänzung lasse. Die geltend gemachten Kosten seien mit Blick darauf unter Art. 14 Abs. 1 lit. b ELG zu subsumieren. Ansonsten bestehe eine krasse Ungleichbehandlung zwischen Kindern, die dauerhaft fremdplatziert seien und bei denen die Kosten für das Kinderheim oder die Pflegefamilie in die Berechnung aufgenommen würden, und Kindern, die nur teilweise fremdbetreut würden. Der Beschwerdeführerin drohe eine weitergehende Sozialhilfeabhängigkeit. Zudem verletze der vorinstanzliche Entscheid auch Art. 9 des Übereinkommens vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes (Kinderrechtskonvention, KRK; SR 0.107), untergrabe er doch das Recht des Kindes, nicht gegen den Willen der Eltern von diesen getrennt zu leben. 6. 6.1 Das Bundesgericht hat zu aArt. 3d Abs. 1 ELG, der bis zum 31. Dezember 2007 gültig war, ausgeführt, der Gesetzgeber habe die Krankheits- und Behinderungskosten detailliert aufgezählt, die Bezügern einer Ergänzungsleistung vergütet würden. Der Konkretisierungsgrad lasse darauf schliessen, dass der Gesetzgeber die Kosten im Einzelnen bestimmen wollte. Die Aufzählung sei abschliessend. Zusätzliche, vom Gesetz nicht genannte Kosten könnten nicht übernommen werden ( BGE 129 V 378 E. 3.1). Die Aufzählung in Art. 14 Abs. 1 ELG , welche die bisherige Regelung weiterführt, ist somit ebenfalls abschliessend (vgl. Urteil 9C_84/2009 vom 10. August 2009 E. 4.4 in fine; vgl. auch Urteil 9C_125/2019 vom 11. Juni 2019 E. 4.1). Diese vom Gesetzgeber getroffene Entscheidung ist zu respektieren ( Art. 190 BV ). Es ist also nicht möglich, auf dem Weg der Interpretation eine Lücke im Katalog der zu vergütenden Leistungen zu "entdecken" und dadurch zu füllen, dass eine nicht aufgelistete Art von Krankheits- und Behinderungskosten als ebenfalls vergütungsfähig erklärt wird (JÖHL/USINGER-EGGER, BGE 147 V 312 S. 318 Ergänzungsleistungen zur AHV/IV, in: Soziale Sicherheit, SBVR Bd. XIV, 3. Aufl. 2016, S. 1929 Rz. 244). Entgegen der Beschwerde ist somit das Vorliegen einer ausfüllungsbedürftigen Lücke betreffend Art. 14 Abs. 1 ELG zu verneinen. Die Beschwerdeführerin kann zudem nichts aus dem - hier nicht anwendbaren - ab 1. Januar 2021 gültigen Recht ableiten. 6.2 Der Kanton St. Gallen hat sich bei Erlass der VKB an der vormalig gültigen Verordnung vom 29. Dezember 1997 über die Vergütung von Krankheits- und Behinderungskosten (ELKV; AS 1998 239) orientiert (vgl. CARIGIET/KOCH, Ergänzungsleistungen zur AHV/IV, 2. Aufl. 2009, S. 215 und 220). Der kantonale Verordnungsgeber hielt sich etwa bei der Bezeichnung der zu vergütenden Kosten relativ eng an die bisherige Struktur der ELKV (vgl. Art. 4-15 VKB vs. Art. 8-16 ELKV ). Die Pflege und Betreuung in Tagesstrukturen wird nun durch Art. 13 VKB geregelt, welcher sich an Art. 14 ELKV anlehnt, diesen jedoch nicht eins zu eins übernimmt. Nicht verändert hat sich insbesondere, dass Art. 13 Abs. 1 VKB gleich wie der früher geltende Art. 14 ELKV keine Übernahme von Kosten für die Betreuung eines gesunden Kindes in einer Tagesstruktur vorsieht. Diese kantonale Ausführungsbestimmung ist als gesetzeskonform einzustufen, da mit der Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA) letzteren keine umfangreicheren Leistungspflichten als im bisherigen Rahmen auferlegt werden sollten (vgl. BGE 138 I 225 E. 3.3.2; Urteil 9C_125/2019 vom 11. Juni 2019 E. 4.1 in fine mit Hinweisen). 6.3 Die Beschwerdeführerin erblickt darin eine Verletzung der Rechtsgleichheit, weil bei Kindern, die dauerhaft fremdplatziert seien, die Kosten für das Kinderheim oder die Pflegefamilie in die Berechnung der Ergänzungsleistungen aufgenommen würden. 6.3.1 Die Grundrechte richten sich in erster Linie als Abwehrrechte gegen den Staat und geben nur ausnahmsweise und punktuell verfassungsunmittelbare Leistungsansprüche. Namentlich liegt keine Verletzung von Grundrechten darin, dass die Sozialversicherung nicht alle durch die Behinderung verursachten Kosten übernimmt. Aus den Grundrechten kann in der Regel kein direkter Anspruch auf positive staatliche Leistungen abgeleitet werden. Bei der Auslegung sozialversicherungsrechtlicher Leistungsnormen sowie bei der Ermessenshandhabung ist jedoch den Grundrechten und verfassungsmässigen Grundsätzen Rechnung zu tragen, soweit dies im Rahmen von Art. 190 BV , wonach Bundesgesetze und Völkerrecht für das BGE 147 V 312 S. 319 Bundesgericht und die anderen rechtsanwendenden Behörden massgebend sind, möglich ist ( BGE 138 I 225 E. 3.5 mit Hinweisen; vgl. auch BGE 140 I 77 E. 5.3). 6.3.2 Das Gebot der rechtsgleichen Behandlung ( Art. 8 Abs. 1 BV ) ist verletzt, wenn ein Erlass hinsichtlich einer entscheidwesentlichen Tatsache rechtliche Unterscheidungen trifft, für die ein vernünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen nicht ersichtlich ist, oder wenn er Unterscheidungen unterlässt, die sich aufgrund der Verhältnisse aufdrängen. Die Rechtsgleichheit ist verletzt, wenn Gleiches nicht nach Massgabe seiner Gleichheit gleich oder Ungleiches nicht nach Massgabe seiner Ungleichheit ungleich behandelt wird. Dem Gesetzgeber bleibt im Rahmen dieser Grundsätze und des Willkürverbots ein weiter Spielraum der Gestaltung, den das Bundesgericht nicht durch eigene Gestaltungsvorstellungen schmälert ( BGE 142 V 557 E. 4.2 mit Hinweisen). 6.3.3 6.3.3.1 Bei Kindern, die dauerhaft fremdplatziert sind, findet - auch wenn sie keinen eigenen EL-Anspruch haben ( BGE 141 V 155 E. 3) - eine separate Berechnung statt ( Art. 9 Abs. 5 lit. a ELG i.V.m. Art. 7 Abs. 1 lit. c ELV ). Bei ihnen werden gemäss Art. 10 Abs. 2 Satz 1 ELG für das Heim die Tagestaxen als Ausgaben anerkannt. Diese Bestimmung verpflichtet die Kantone aber nicht, die Tagestaxen bei anderen Einrichtungen als Pflegeheimen nach Art. 39 Abs. 3 KVG so festzusetzen, dass die EL-Bezüger - in der Regel - keine Sozialhilfe beziehen müssen ( BGE 143 V 9 E. 6.2 mit Hinweis auf BGE 138 II 191 E. 5.5.4). Das Ziel, eine durch einen Pflegeheimaufenthalt bewirkte Sozialhilfeabhängigkeit zu verhindern, kann somit nicht gleichgesetzt werden mit jenem, eine solche für alle invaliden Personen zu vermeiden ( BGE 138 I 225 E. 3.6.2). Entsprechend gelten Taxen für Institutionen, die nicht unter Art. 39 Abs. 3 KVG fallen, erst dann nicht als existenzsichernd im EL-rechtlichen Sinne, wenn die Beträge für den allgemeinen Lebensbedarf nach Art. 10 Abs. 1 lit. a Ziff. 1 ELG, für den höchstmöglichen Mietzins nach Art. 10 Abs. 1 lit. b Ziff. 1 ELG und für die anerkannten Ausgaben von Art. 10 Abs. 3 ELG durch die anrechenbaren Einnahmen nicht gedeckt sind ( Art. 13 Abs. 2 ELG ; BGE 143 V 9 E. 6.1; vgl. auch Urteile 9C_237/2020 vom 6. November 2020 E. 3.3 und 9C_884/ 2018 vom 1. Mai 2019 E. 7.3). 6.3.3.2 Bei der Beschwerdeführerin wurden keine Ausgaben für die zeitweise Fremdbetreuung ihres Kindes berücksichtigt. Bei ihr und BGE 147 V 312 S. 320 ihrem Sohn ist aber ebenfalls gewährleistet, dass die Kosten für den allgemeinen Lebensbedarf ( Art. 10 Abs. 1 lit. a ELG ), für den Mietzins einer Wohnung und die damit zusammenhängenden Nebenkosten (maximal bis zum Höchstbetrag; Art. 10 Abs. 1 lit. b ELG ) sowie die weiteren Ausgaben im Sinne von Art. 10 Abs. 3 ELG gedeckt sind. Zudem wird von Gesetzes wegen auch bei EL-Bezügern mit im Heim lebenden Kindern eine Sozialhilfeabhängigkeit nicht generell ausgeschlossen (vgl. E. 6.3.3.1 hiervor) und diesfalls werden die mit der jährlichen Ergänzungsleistung nicht gedeckten externen Kinderbetreuungskosten ebenfalls nicht als Krankheits- und Behinderungskosten nach Art. 14 Abs. 1 ELG sowie den Ausführungsbestimmungen des Kantons St. Gallen vergütet (vgl. Urteil 9C_237/ 2020 vom 6. November 2020 E. 3.2, den Kanton St. Gallen betreffend, mit Hinweisen). Es ist somit nicht ersichtlich, inwiefern die Beschwerdeführerin in einer gegen Art. 8 Abs. 1 BV verstossenden Weise ungleich behandelt wird im Vergleich zu Ergänzungsleistungsbezügern mit in einem Heim lebendem Kind. Die Beschwerdeführerin kann daher keinen Leistungsanspruch aus dem Gleichbehandlungsgebot herleiten und es hat bei der vom Gesetzgeber angelegten Ordnung sein Bewenden, dass durch die Ergänzungsleistungen nicht in jedem Einzelfall alle zur Deckung des Existenzbedarfs unausweichlich nötigen Leistungen vergütet werden (vgl. JÖHL/ USINGER-EGGER, a.a.O., S. 1930 Rz. 245). 6.4 Weiter beruft sich die Beschwerdeführerin auf das Übereinkommen über die Rechte des Kindes. 6.4.1 Nach Art. 9 KRK stellen die Vertragsstaaten sicher, dass ein Kind nicht gegen den Willen seiner Eltern von diesen getrennt wird, es sei denn, dass die zuständigen Behörden in einer gerichtlich nachprüfbaren Entscheidung nach den anzuwendenden Rechtsvorschriften und Verfahren bestimmen, dass diese Trennung zum Wohl des Kindes notwendig ist. Eine solche Entscheidung kann im Einzelfall notwendig werden, wie etwa wenn das Kind durch die Eltern misshandelt oder vernachlässigt wird oder wenn bei getrennt lebenden Eltern eine Entscheidung über den Aufenthaltsort des Kindes zu treffen ist. Das Recht auf Achtung des Familienlebens wird auch durch Art. 8 EMRK und Art. 13 Abs. 1 BV geschützt. 6.4.2 Ein staatlicher Eingriff in das Familienleben ist wegen der finanziellen Verhältnisse der Beschwerdeführerin nicht erfolgt und auch der angefochtene Entscheid bewirkt keinen Zwang, den Sohn BGE 147 V 312 S. 321 in institutionelle Pflege zu geben. Zudem ist nicht ersichtlich, inwiefern die Gefahr einer Trennung der Beschwerdeführerin von ihrem Sohn besteht, wenn ein Anspruch auf Ergänzungsleistungen für die hier strittigen Kinderbetreuungskosten abgelehnt wird. Dies legt die Beschwerdeführerin auch nicht substanziiert dar. Es kann auf die Akten verwiesen werden, aus denen hervorgeht, dass die Beschwerdeführerin in der Vergangenheit vom Sozialamt - zumindest bevorschussend - finanzielle Hilfe zur Bezahlung der Kinderkrippe erhalten hat, sofern sie dazu nicht in der Lage war. Im Umstand, dass die Beschwerdeführerin und ihr Sohn allenfalls Sozialhilfe beziehen und auf dem sozialrechtlichen Existenzminimum leben müssen, ist keine Verletzung von Grundrechten zu erblicken. Diese geben nämlich keinen Anspruch, dass sämtliche behinderungsbedingten Kosten von der Sozialversicherung gedeckt werden ( BGE 138 I 225 E. 3.8.2). 6.4.3 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Vorinstanz mit der Verneinung der Vergütung von Betreuungskosten des nicht in einem Heim lebenden Kindes durch Ergänzungsleistungen kein Bundesrecht verletzte.
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Sachverhalt ab Seite 339 BGE 137 IV 339 S. 339 Die Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen führt ein Strafverfahren gegen X. wegen des Verdachts der versuchten vorsätzlichen Tötung. Sie wirft ihm vor, er habe am Abend des 23. Dezember 2010 versucht, seine Ehefrau umzubringen. Gleichentags wurde er verhaftet. Mit Entscheid vom 9. Juni 2011 verlängerte der Regionale Zwangsmassnahmenrichter am Kreisgericht See-Gaster die Untersuchungshaft. Die von X. dagegen erhobene Beschwerde wies die Anklagekammer des Kantons St. Gallen am 12. Juli 2011 ab. Sie bejahte Ausführungsgefahr gemäss Art. 221 Abs. 2 der Schweizerischen Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (StPO; SR 312.0). X. führt Beschwerde in Strafsachen mit dem Antrag, der Entscheid der Anklagekammer sei aufzuheben; er sei umgehend aus der Untersuchungshaft zu entlassen. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt. (Zusammenfassung) Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. 2.4 Der Beschwerdeführer macht in der Replik erstmals geltend, es fehle an einer Drohung, weshalb Art. 221 Abs. 2 StPO nicht BGE 137 IV 339 S. 340 anwendbar sei. Es kann offenbleiben, ob darauf eingetreten werden kann, da der Beschwerdeführer den Einwand bereits in der Beschwerde hätte vorbringen können ( BGE 132 I 42 E. 3.3.4 S. 47 mit Hinweisen). Dieser ist jedenfalls unbegründet. Art. 221 Abs. 2 StPO setzt die Drohung voraus, ein schweres Verbrechen auszuführen. Es trifft zu, dass eine ausdrückliche Drohung des Beschwerdeführers, er werde seine Frau töten, nicht aktenkundig ist. Die Drohung kann jedoch auch konkludent erfolgen (MARC FORSTER, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2011, N. 18 zu Art. 221 StPO ). So verhält es sich hier. Der Beschwerdeführer steht unter dem dringenden Verdacht, am 23. Dezember 2010 in der Waschküche seiner Ehefrau die Pulsader des linken Handgelenks aufgeschnitten und sie dort zurückgelassen zu haben in der Annahme, sie werde verbluten. Darin ist eine konkludente Drohung zu erblicken, der Beschwerdeführer werde die bisher nur bis zum Versuchsstadium gelangte vorsätzliche Tötung noch verwirklichen (vgl. FORSTER, a.a.O., Fn. 75; NIKLAUS SCHMID, Schweizerische Strafprozessordnung, Praxiskommentar, 2009, N. 14 zu Art. 221 StPO ). Aufgrund des Vorfalls vom 23. Dezember 2010 ist die Bedrohung sogar konkreter, als wenn der Beschwerdeführer lediglich verbal gedroht hätte. Liegt demnach eine konkludente Drohung vor, sind die Voraussetzungen der Haft nach Art. 221 Abs. 2 StPO auch insoweit erfüllt.
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Sachverhalt ab Seite 21 BGE 127 III 21 S. 21 A.- E.M. unterzeichnete am 31. Oktober 1997 ein Antragsformular zur Aufnahme in die X. Versicherung. Dabei verneinte sie, zur Zeit krank oder arbeitsunfähig zu sein, bejahte aber das Vorliegen von Krankheiten der Knochen und Gelenke mit dem präzisierenden Hinweis auf Arthritis, die 1990 durch Dr. B. behandelt worden sei; die Behandlung sei abgeschlossen. Die X. Versicherung ordnete eine Untersuchung durch den Hausarzt von E.M., Dr. Z. an, welche am 25. November 1997 durchgeführt wurde. Per 1. Januar 1998 wurde E.M. bei der X. Versicherung obligatorisch krankenversichert. BGE 127 III 21 S. 22 Dabei schloss sie auch Zusatzversicherungen für erweiterte besondere Pflegeleistungen, Aufenthalte in der Privatabteilung eines Spitals oder einer Klinik sowie für Naturheilmethoden ab. Erstmals am 13. Januar 1998 begab sich E.M. wieder wegen Gelenkschmerzen in ärztliche Behandlung. Die behandelnde Ärztin Dr. G. diagnostizierte aufgrund von Untersuchungen vom 18. und 24. März 1998 eine seropositive, ANA positive Polyarthritis mit mässiger Entzündungsaktivität. Mit Schreiben vom 28. August 1998 unterbreitete Dr. Z. als behandelnder Hausarzt der X. Versicherung ein Kurgesuch für eine stationäre Balneotherapie, da E.M. seit Monaten an einem Schub ihrer bekannten chronischen Polyarthritis leide. Die X. Versicherung teilte der Versicherten am 12. November 1998 mit, sie hebe die Zusatzversicherungen rückwirkend auf Vertragsbeginn auf und werde die dafür geleisteten Prämien zurückerstatten, da die behandelten Beschwerden bereits im Jahre 1990, also vor dem Beitritt in die Krankenkasse, aufgetreten seien, was weder im medizinischen Fragebogen des Aufnahmegesuchs noch bei der Arztvisite bei Dr. Z. erwähnt worden sei. B.- Mit Klage vom 30. April 1999 beantragte E.M. dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau, 2. Kammer, die X. Versicherung zur Ausrichtung der vertraglich vereinbarten Leistungen aus den Zusatzversicherungen zu verpflichten. Das Versicherungsgericht stellte in teilweiser Gutheissung der Klage fest, E.M. habe die Anzeigepflicht nicht verletzt und die X. Versicherung sei somit nicht berechtigt gewesen, gestützt auf Art. 6 VVG vom Vertrag bezüglich der Zusatzversicherungen zurückzutreten; im Übrigen wies es aber die Klage ab. C.- Gegen das Urteil des Versicherungsgerichts führt E.M. Berufung mit dem Antrag, dieses aufzuheben und die Klage vollumfänglich gutzuheissen. Die X. Versicherung schliesst auf Abweisung der Berufung. Das Bundesgericht weist die Berufung ab. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Die Vorinstanz verneinte ein Rücktrittsrecht der Beklagten gemäss Art. 6 des Bundesgesetzes vom 2. April 1908 über den Versicherungsvertrag (VVG; SR 221.229.1) , da nicht erstellt sei, dass die Klägerin ihre Anzeige- bzw. Nachmeldepflicht verletzt habe. Sie erwog, gemäss Art. 4.1.1 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Zusatzversicherung (im Folgenden: AVB) seien bei Inkrafttreten des Vertrages bereits bestehende Leiden von der Versicherung BGE 127 III 21 S. 23 ausgeschlossen. Unter einem bestehenden Leiden sei eine Krankheit zu verstehen, die bereits ausgebrochen sei und bei der Aufnahme in die Kasse andaure. Sowohl Dr. Z. als auch die Rheumatologin Dr. G. seien übereinstimmend zum Schluss gekommen, dass die Klägerin an einer chronischen Polyarthritis leide, deren erster Schub im Jahre 1990 erfolgt sei. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses sei diese Krankheit bereits ausgebrochen gewesen, wenn sie auch zwischen Januar 1991 und Herbst 1997 offenbar keine Symptome gezeigt habe. 2. a) Dass der Klägerin keine Verletzung ihrer Anzeigepflicht vorgeworfen werden kann und die Beklagte mithin zu einem Vertragsrücktritt gemäss Art. 6 VVG nicht berechtigt war, ist nicht mehr umstritten. Zu beurteilen bleibt, ob die Beklagte berechtigt ist, die Ausrichtung von Leistungen für das erneut ausgebrochene Arthritisleiden der Klägerin zu verweigern. Dass die Untersuchung durch Dr. Z. vom 25. November 1997 mangelhaft gewesen sei, wird von der Beklagten nicht behauptet und ergibt sich auch nicht aus den vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen, so dass auf die Frage, wem dies anzulasten wäre, nicht einzugehen ist. b) Die Beklagte hält den Argumenten der Klägerin sinngemäss entgegen, eine individuelle Abrede betreffend Kostenübernahme für ein bei Vertragsschluss bereits bestehendes Leiden sei gar nicht möglich, da eine entsprechende Abrede gemäss dem zwingend anwendbaren Art. 9 VVG nichtig wäre. aa) Gemäss Art. 9 VVG ist ein Versicherungsvertrag u.a. dann nichtig, wenn bei Vertragsschluss das befürchtete Ereignis bereits eingetreten ist. Die Gefahr, gegen deren Folgen versichert wird, muss sich auf ein zukünftiges Ereignis beziehen; ist dieses bereits eingetreten, ist eine künftige Verwirklichung der Gefahr nicht möglich. Eine sogenannte Rückwärtsversicherung, bei welcher der Versicherer die Deckung für ein bereits vor Vertragsschluss eingetretenes Ereignis übernimmt, ist unzulässig, unabhängig davon, ob der entsprechende Schaden vor oder nach Vertragsschluss eintritt. Ob die Vertragsparteien vom Eintritt des Ereignisses bei Vertragsschluss Kenntnis hatten, ist unerheblich (ROELLI/KELLER/TÄNNLER, Kommentar zum Schweizerischen Bundesgesetz über den Versicherungsvertrag, Band I, Bern 1968, S. 172 ff.). In der Krankenversicherung besteht die Gefahr, gegen deren Folgen versichert wird, in der Erkrankung der versicherten Person (ROELLI/KELLER/TÄNNLER, a.a.O., S. 234). Die Beklagte versichert als Krankheit "jede Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen BGE 127 III 21 S. 24 Gesundheit, die nicht Folge eines Unfalles ist und die eine medizinische Untersuchung oder Behandlung erfordert oder eine Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat" (Ziff. 2.4 AVB); die Umschreibung entspricht der Krankheitsdefinition nach Art. 2 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG; SR 832.10). Ist eine Krankheit im Sinne dieser Definition bei Vertragsschluss bereits ausgebrochen, so ist die Versicherung gegen ihre Folgen nach Art. 9 VVG ausgeschlossen, unbekümmert darum, ob sie noch andauert (vgl. BGE 118 V 158 E. 5c S. 169). Nicht erfasst werden von Art. 9 VVG Fälle, da die Gefahr nur teilweise eingetreten ist; die Versicherung eines nach Vertragsschluss eingetretenen Teilereignisses ist zulässig (ROELLI/KELLER/TÄNNLER, a.a.O., S. 175 und Fn. 1). Als nur teilweise eingetreten gilt die Gefahr bei einzelnen Krankheitsfällen (a.a.O., S. 610); insoweit schliessen Erkrankungen vor Abschluss des Versicherungsvertrages die Deckung künftiger Erkrankungen nicht ohne weiteres aus, handle es sich um gleichartige Erkrankungen oder um andersartige. Fraglich ist nun, wie ein Gesundheitszustand zu bewerten ist, wenn die Krankheit früher bereits einmal ausgebrochen ist und, obwohl seither eine längere Phase der Symptomfreiheit zu verzeichnen war, aus medizinischer Sicht die Gefahr von Rückfällen besteht. bb) Nach den im angefochtenen Urteil zitierten Äusserungen von Dr. B. soll sich aus seinen Aufzeichnungen ergeben, dass die Röntgenbilder der Hände und Füsse der Klägerin nebst geringen Abnutzungen Hinweise auf eine Polyarthritis zeigten. Dr. G. erklärte zu Handen der Vorinstanz, eine chronische Polyarthritis könne chronisch progressiv oder intermittierend mit Perioden von teilweiser oder vollständiger Remission verlaufen; bei der Klägerin sei von einem intermittierenden Verlauf auszugehen, wobei im Jahre 1990 der erste Schub erfolgt sei. Schliesslich diagnostizierte nach den Feststellungen der Vorinstanz auch Dr. Z. nach dem Auftreten des zweiten Schubes eine chronische Polyarthritis, wobei die Erkrankung im Jahre 1990 als deren erster Schub zu betrachten sei. Aus medizinischer Sicht ist demnach die Erkrankung der Klägerin als einheitliches Ereignis aufzufassen, wobei die Symptome nur intermittierend auftreten. Der rechtliche Krankheitsbegriff deckt sich nicht notwendig mit dem medizinischen ( BGE 124 V 118 E. 3b S. 121). Das heisst aber nicht, dass er beliebig definierbar ist und auf medizinische Grundgegebenheiten keine Rücksicht zu nehmen hat. Dies wäre aber der Fall, wenn nur darauf abgestellt würde, ob jemand an gesundheitlichen BGE 127 III 21 S. 25 Symptomen leidet und unberücksichtigt bliebe, dass sich die Gesundheit trotz Verschwindens der Symptome in einem prekären Zustand befindet, wenn sich der Wiedereintritt der Störung mit Wahrscheinlichkeit voraussehen lässt, die Krankheit also trotz vorübergehender Symptomfreiheit als Ursache künftiger Störungen bestehen bleibt. Eine Differenzierung aufgrund mehr oder weniger langer symptomfreier Phasen führte zu kaum lösbaren Abgrenzungsschwierigkeiten. Daraus folgt aber, dass das erneute Auftreten von Symptomen einer vorbestandenen, rückfallgefährdeten Krankheit juristisch nicht als selbstständige Neuerkrankung bzw. als Teilereignis aufzufassen ist, sondern als Fortdauern einer bereits eingetretenen Krankheit, mithin als Anwendungsfall eines bereits eingetretenen Ereignisses im Sinne von Art. 9 VVG . Die Auffassung, wonach nicht das Auftreten von Symptomen, sondern deren medizinische Ursache für die Definition des Krankheitsbegriffs im Vordergrund steht, ist mit der Praxis des Eidgenössischen Versicherungsgerichts ( BGE 124 V 118 E. 6b S. 124 f.), aber auch mit der Regelung des Vorbehaltsrechts in der obligatorischen Krankenversicherung im Einklang. Art. 69 Abs. 1 KVG (SR 832.10) behandelt den Rückfall bezüglich des Ausschlusses aus der freiwilligen Taggeldversicherung ausdrücklich gleich wie eine bestehende Krankheit; schon Art. 5 Abs. 3 KVG kannte eine entsprechende Regelung, die im Übrigen nach der Botschaft des Bundesrates (BBl 1961 I 1440) in Anlehnung an Art. 9 VVG getroffen wurde, dem man auch damals das Verbot der Versicherung von Rückfällen entnahm. Obwohl der Krankheitsschub der Klägerin im Jahre 1998 nach einer relativ langen symptomfreien Phase auftrat, liegt aufgrund der verbindlichen Sachverhaltsdarstellung der behandelnden Ärzte ein Rückfall in eine vorbestehende Krankheit vor. Somit war das massgebende Ereignis mit der vor Vertragsschluss erfolgten Arthritiserkrankung der Klägerin bereits eingetreten und dieses Leiden damit gemäss Art. 9 VVG nicht mehr versicherbar. Da es sich hierbei um eine zwingende Vorschrift handelt ( Art. 97 Abs. 1 VVG ), ist irrelevant, ob die zwischen den Parteien getroffene Individualabrede nach Treu und Glauben als Derogation des Leistungsausschlusses gemäss Art. 4.1.1 AVB zu verstehen wäre.
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Sachverhalt ab Seite 293 BGE 113 Ia 291 S. 293 Der Gemeinderat Kleinandelfingen beschloss am 28. März 1973 "...künftig Wahlinserate für Gemeindewahlen unter folgenden Voraussetzungen auf die Gemeindekasse zu übernehmen: 1. Der Wahlvorschlag muss von organisierten Ortsparteien (BGB/SP/FDP) gemeinsam unterstützt sein. 2. Der Vorschlag ist der Gemeinderatskanzlei schriftlich bis spätestens 10 Tage vor dem Wahltag einzureichen. 3. Die Publikation erfolgt durch die Gemeinderatskanzlei in der Andelfinger Zeitung und im Weinländer Tagblatt, je in den Ausgaben vom Mittwoch und Freitag vor dem Abstimmungstag. 4. Kampfinserate und Stützungsinserate werden von der Gemeinde nicht übernommen." Am 16. März 1986 fanden in Kleinandelfingen die Gesamterneuerungswahlen u.a. für den siebenköpfigen Gemeinderat statt. Aufgrund von Gesprächen unter den traditionellen Parteien (SVP, SP, FDP) sowie je einer öffentlichen, für jedermann zugänglichen Wählerversammlung in Alten und Oerlingen kam ein gemeinsamer Vorschlag von 7 Kandidaten zustande, davon zwei bisherige und fünf neue Behördemitglieder. Zusätzlich kandidierte Dora Geissberger allein; sie gehörte keiner Partei an. Sie hatte sich auf die vom Präsidenten der Sektion Kleinandelfingen der SVP einberufene öffentliche Wählerversammlung in Alten vom 8. Januar 1986 hin vergeblich telefonisch bei ihm um die Aufnahme auf die gemeinsame Liste bemüht; an der Versammlung selber nahm sie nicht teil. BGE 113 Ia 291 S. 294 Die Gemeinde publizierte auf Begehren der drei erwähnten Ortsparteien und der EVP zulasten der Gemeindekasse die gemeinsamen Wahlvorschläge für alle Behörden, darunter diejenigen für die sieben Gemeinderatssitze, dreimal je in der "Andelfinger Zeitung" und im "Weinländer Tagblatt", nämlich am 7., 12. und 14. März 1986. Die Aufnahme von Dora Geissberger in die Inserate wurde trotz rechtzeitigen Gesuchs mit der Begründung abgelehnt, "dies gehe nur über die Parteien". Stützungs- und Kampfinserate würden nicht unterstützt. Die sieben Kandidaten des gemeinsamen Vorschlages wurden bei einem absoluten Mehr von 258 Stimmen mit 385 bis 567 Stimmen gewählt. Dora Geissberger erzielte 196 Stimmen. Eine Beschwerde wegen Verletzung des Stimmrechts von Dora Geissberger wies der Bezirksrat Andelfingen am 27. Juni 1986 ab; er gab der Eingabe auch aufsichtsrechtlich keine Folge. Hierauf gelangte Dora Geissberger an den Regierungsrat des Kantons Zürich und beantragte, sowohl den Gemeinderatsbeschluss vom 28. März 1973 wie auch die Gemeinderatswahlen vom 16. März 1986 zu kassieren. Der Regierungsrat wies den Rekurs am 15. Oktober 1986 ab. Dora Geissberger beantragt mit einer staatsrechtlichen Beschwerde im Sinne von Art. 85 lit. a OG , der Entscheid des Regierungsrates des Kantons Zürich vom 15. Oktober 1986 sei aufzuheben. Erwägungen Auszug aus den Erwägungen: 3. a) Das politische Stimmrecht ist ein vom Bundesrecht gewährleistetes verfassungsmässiges Recht. Es gibt dem Stimmbürger unter anderem Anspruch darauf, dass kein Wahl- oder Abstimmungsergebnis anerkannt wird, das nicht den freien Willen der Stimmberechtigten zuverlässig und unverfälscht zum Ausdruck bringt ( BGE 112 Ia 211 E. 1b mit Hinweis sowie BGE 102 Ia 268 E. 3; BGE 97 I 662 E. 3). Daraus folgt, dass jeder Stimmbürger, der die als verfassungskonform anerkannten Voraussetzungen erfüllt, mit gleichen Chancen an einer Wahl soll teilnehmen können, sei es als Wähler oder als Kandidat. Zudem soll er seinen Entscheid gestützt auf einen möglichst freien und umfassenden Prozess der Meinungsbildung treffen können. Im Blick auf dieses Ziel demokratischer Willensbildung und Willensbetätigung erweisen sich die grundrechtlichen Garantien der Kommunikation und der Vereinigung BGE 113 Ia 291 S. 295 nicht nur als verfassungsrechtliche Bedingungen möglicher Verwirklichung aller elementaren Erscheinungen menschlicher Persönlichkeitsentfaltung, sondern auch als solche einer lebendigen Demokratie (vgl. dazu BGE 107 Ia 69 E. 3b; BGE 98 Ia 80 E. 3b, BGE 96 I 224 E. 4, 592 E. 6; JÖRG PAUL MÜLLER/STEFAN MÜLLER, Grundrechte, Besonderer Teil, Bern 1985, S. 75 f.; JÖRG PAUL MÜLLER, Grundrechte in der Demokratie, EuGRZ 1983, S. 337 ff., 338, und aus der Sicht der EMRK: MARTIN BULLINGER, Freedom of expression and information: an essential element of democracy, Human Rights Law Journal, 6/1985, S. 339 ff.). Das Recht freier Meinungsäusserung, die Pressefreiheit sowie die Versammlungs- und Vereinsfreiheit, um nur die wichtigsten Gewährleistungen zu nennen, lassen auch Minderheitsmeinungen zum Tragen kommen, fördern den Pluralismus und eröffnen erst so eine Chance zur demokratischen Entscheidung (vgl. dazu JÖRG PAUL MÜLLER, a.a.O., S. 338; RENÉ A. RHINOW, Grundprobleme der schweizerischen Demokratie, ZSR NF Bd. 103, 1984, II, S. 111 ff., 255, MARTIN BULLINGER, a.a.O., S. 342 f.). Im Idealfall soll der Bürger alle Informationen über alle möglichen Kandidaten bei voller Chancengleichheit unter ihnen äussern, verbreiten, diskutieren, die Vor- und Nachteile erwägen können und erst gestützt darauf entscheiden. Das Wahlrecht kann indessen nicht ausgeübt werden, ohne dass der Staat die institutionellen Voraussetzungen dazu schafft und angesichts sozialer Realitäten diejenigen Bedingungen setzt, welche eine möglichst weitgehende Verwirklichung der Stimmrechtsfreiheit sichern. b) Dass der Staat derart tätig werden muss, bedeutet indessen nicht, dass er dabei frei wäre. Die Freiheit der Meinungsbildung schliesst grundsätzlich jede direkte Einflussnahme der Behörden aus, welche geeignet wäre, die freie Willensbildung der Stimmbürger im Vorfeld von Wahlen und Abstimmungen zu verfälschen ( BGE 112 Ia 335 E. 4b mit Hinweis; vgl. auch Urteil vom 24. November 1982 i.S. Pfenninger, E. 3, veröffentlicht in BVR 1983, S. 1 ff., S. 4 f.; BGE 108 Ia 157 E. 3b mit Hinweis; Urteil vom 11. Mai 1979 i.S. Bauert, in der amtlichen Sammlung ( BGE 105 Ia 243 ff.) nicht veröffentlichte E. 3, publiziert im ZBl 81/1980, S. 21, sowie ANDREAS AUER, L'intervention des collectivités publiques dans les campagnes référendaires, Revue de droit administratif et de droit fiscal, 41/1985, S. 185 ff., S. 187 ff., mit weiteren Hinweisen auf die Literatur). Bei Sachabstimmungen gilt es immerhin als zulässig, dass eine Behörde ihre Sachvorlagen BGE 113 Ia 291 S. 296 den Stimmberechtigten zur Annahme empfiehlt und Erläuterungen oder Berichte dazu beilegt, sofern sie dabei ihre Pflicht zu objektiver Information nicht verletzt und über den Zweck und die Tragweite der Vorlage nicht falsch orientiert ( BGE 112 Ia 131 E. 1, 335 E. 4b; je mit Hinweisen). Weitergehende direkte Interventionen in den Abstimmungskampf über eigene Vorlagen, d.h. Stellungnahmen für eine oder gegen eine andere Alternative, sind nur ausnahmsweise erlaubt. Solches behördliches Eingreifen muss sich auf Fälle beschränken, in denen triftige Gründe für ein Tätigwerden der Behörde sprechen. Triftig sind Gründe für eine zusätzliche Information, Klarstellung usw. nur dann, wenn sie im Interesse einer unverfälschten Willensbildung und Willensbetätigung der Stimmbürger als notwendig erscheinen und so gewichtig sind, dass sie die Interessen an der freien, unbeeinflussten Meinungsbildung überwiegen ( BGE 112 Ia 336 f. E. 4d mit Hinweisen). Anders als bei Sachabstimmungen fehlen bei Wahlen meist solche besonderen Gründe, die einen behördlichen Eingriff in den Prozess der freien Meinungsbildung rechtfertigen würden. Behördliche Wahlpropaganda ist grundsätzlich unzulässig (Urteil vom 8. Juli 1964 i.S. Beuttner, E. 2, veröffentlicht im ZBl 66/1965, S. 245 ff., S. 247 mit Hinweis; JEAN-FRANÇOIS AUBERT, Traité de droit constitutionnel suisse, Neuchâtel 1967, Nr. 1218, S. 448; ANDREAS AUER, a.a.O., S. 196; WERNER STAUFFACHER, Die Stellung der Behörden im Wahl- und Abstimmungskampf, im ZBl 68/1967, S. 385 ff., S. 386; VITO PICENONI, Die Kassation von Volkswahlen und Volksabstimmungen in Bund, Kantonen und Gemeinden, Aarau 1945, S. 76 f.). Dies gilt insbesondere dann, wenn es um die (Wieder-)Wahl der betreffenden Behörde selber geht oder wenn Kampfkandidaten auftreten (ANDREAS AUER, a.a.O., S. 196). Bei Wahlen kommt den Behörden keine Beratungsfunktion zu wie bei Sachentscheiden. Hier haben sie nicht von Rechts wegen mitzuwirken und ihre Auffassung der öffentlichen Interessen zu wahren. Es ist zu verhindern, dass sich der Staat im Wahlkampf auch nur indirekt in den Dienst parteiischer Interessen stellt. Demzufolge haben sich die Behörden parteipolitisch neutral zu verhalten und dürfen sich nicht mit einzelnen Gruppen oder Richtungen identifizieren (vgl. dazu auch BGE 110 Ia 38 E. 3a). Eine Intervention kommt auch hier - wenn überhaupt - nur in Frage, wenn sie im Interesse der freien und unverfälschten Willensbildung und Willensbetätigung der Wähler als unerlässlich erscheint. So kann z.B. eine Richtigstellung offensichtlich falscher BGE 113 Ia 291 S. 297 Informationen, die im Verlauf eines Wahlkampfes verbreitet werden, als zulässig erscheinen. Indessen dürfte eine Behörde bei dieser Gelegenheit nicht gleichzeitig Wahlpropaganda für sich selbst, für ihre Mitglieder oder für andere Kandidaten machen oder den politischen Gegner verunglimpfen (nicht veröffentlichtes Urteil vom 23. März 1979 i.S. Demierre; vgl. auch VITO PICENONI, a.a.O., S. 77, sowie WERNER STAUFFACHER, a.a.O., S. 386). c) Die Gemeinde Kleinandelfingen hat nicht durch Wahlpropaganda direkt interveniert, sondern nur mittelbare Hilfeleistung erbracht, indem sie öffentliche Gelder zur Verfügung stellte. Solche indirekte Unterstützung durch eine Behörde ist nicht von vornherein verboten. Im Gegenteil, die Gemeindeorgane sind bereits aufgrund des kantonalen Rechts verpflichtet, zur ordnungsgemässen Durchführung der Wahl gewisse Aufgaben wahrzunehmen, z.B. Wahlvorschläge zu veröffentlichen und Wahlzettel zu drucken und zu verteilen (vgl. Gesetz über die Wahlen und Abstimmungen (Wahlgesetz) vom 4. September 1983, insbesondere § 55 Abs. 2, § 56 und § 60). Auch kann es aufgrund von Bundesverfassungsrecht geboten sein, öffentlichen Grund für die politische Meinungsbildung zur Verfügung zu stellen ( BGE 105 Ia 95 E. 4a; BGE 97 I 893 ff.; vgl. auch PETER SALADIN, Grundrechte im Wandel, 3. Auflage, Bern 1982, S. XXI ff.; GIORGIO MALINVERNI, L'exercice des libertés sur le domaine public, Mélanges André Grisel, Neuchâtel 1983, S. 145 ff.). Zu Recht verweist der Kanton in seiner Vernehmlassung auf ein gewisses Bedürfnis nach behördlichen Anstössen auch vor Wahlen hin, um überhaupt Kandidaten zu gewinnen. Auch verbietet das Verfassungsrecht des Bundes nicht, Parteien und ihre Fraktionen finanziell oder anderweitig zu unterstützen, ja solche Massnahmen können sich heute im Interesse einer lebendigen Demokratie geradezu als notwendig erweisen (vgl. dazu z.B. PETER HUG, Die verfassungsrechtliche Problematik der Parteienfinanzierung, Zürich 1970, S. 49 ff.; RENÉ A. RHINOW, Funktionen und Probleme der politischen Parteien in der Schweiz, recht 1986, S. 105 ff., S. 109 f.; GERHARD SCHMID, Politische Parteien, Verfassung und Gesetz, Basel/Frankfurt a. M. 1981, S. 10 ff., S. 81 ff.; GERHARD SCHMID, Parlament und Parteien in der Schweiz, Jahrbuch des öffentlichen Rechts, NF Bd. 31, 1982, S. 169 ff., S. 185 ff.). Erfolgen solche Hilfeleistungen indessen im Rahmen eines Wahlkampfes, so sind sie wie direkte Interventionen nur zulässig, wenn sie sich in bezug auf die Willensbildung und Willensbetätigung der Wähler als klarerweise neutral erweisen oder, BGE 113 Ia 291 S. 298 falls dies nicht zutrifft, wenn sie im Interesse eines unverfälschten Wahlergebnisses notwendig sind. Zudem dürfen solche Massnahmen auch sonst nicht unverhältnismässig oder rechtsungleich und willkürlich sein. d) Die Publikation von Wahlinseraten ist nicht nur geeignet, die Meinungsbildung der Wähler zu beeinflussen, sondern es ist geradezu ihr Zweck, diese Wirkung zu entfalten. Die Übernahme der Insertionskosten durch die Gemeinde Kleinandelfingen kann deshalb keinesfalls als eine gegenüber dem Wahlkampf neutrale Massnahme bezeichnet werden. Daran ändert auch der Einwand der Gemeinde nichts, ihre Hilfe sei mit lediglich Fr. 470.-- pro Gemeinderatskandidat, bzw. Fr. 58.75 bei Umrechnung auf alle Kandidaten, die damals in der Gemeinde zur Wahl standen, unbedeutend. Es ist gerichtsnotorisch, dass die Parteien zur Finanzierung ihrer Wahlkämpfe nur über beschränkte Mittel verfügen. Unter diesen Umständen kann bereits eine geringe Unterstützung wesentlich sein, können doch die dadurch frei werdenden Mittel für andere Aktionen eingesetzt werden. e) Der Kanton bestreitet, dass man von einer Intervention durch eine Behörde sprechen dürfe. Es sei für den Bürger ja erkennbar gewesen, dass es sich um Inserate der Parteien handle. Nur diese hätten unterschrieben. Dem kann nicht zugestimmt werden. Richtig ist, dass die Wahlvorschläge nur von den Ortsparteien unterzeichnet waren und dass aus den Inseraten selbst nicht ersichtlich war, dass die Gemeinde ihre Bezahlung übernommen hatte. Indessen bleibt eben gerade diese Tatsache bestehen. Es handelt sich somit im vorliegenden Fall klarerweise um eine indirekte Intervention einer Behörde im eigenen Wahlkampf. Dabei spielt keine Rolle, ob sie den Wählern allgemein bekannt war oder nicht. Sowohl im einen wie im anderen Fall war sie geeignet, die freie Meinungsbildung zu beeinflussen. Da die fraglichen Inserate den Anschein erweckten, die dafür verantwortlich zeichnenden Parteien hätten sie auf eigene Kosten erscheinen lassen, muss in der Nichtinformation über die tatsächlichen Verhältnisse eine für den Wahlausgang relevante Falschinformation gesehen werden. Andererseits hätte bei Bekanntgabe der Finanzierung der Eindruck entstehen können, die Gemeinde identifiziere sich mit einzelnen Gruppierungen, was im Blick auf das politische Stimmrecht des Bürgers, wie es durch die Bundesverfassung gewährleistet wird, auch als unzulässig zu betrachten BGE 113 Ia 291 S. 299 f) Der Kanton und die Gemeinde Kleinandelfingen beurteilen die Finanzierung von Wahlempfehlungen der Parteien als einen Sonderfall der Partei- und Fraktionsfinanzierung. Eine solche sei grundsätzlich zulässig. Dass die Beschwerdeführerin als parteiunabhängige Person nicht unterstützt worden sei, lasse sich vertreten. Es liege im Wesen der Parteifinanzierung, dass nur formierte Gruppen auf sie Anspruch erheben könnten, nicht aber der einzelne Bürger. Die Finanzierung würde sonst uferlos. Auch liege der Sinn der Parteifinanzierung nicht zuletzt darin, die politisch interessierten Bürger anzuhalten, sich zu Gruppen zusammenzuschliessen, denen ein gewisses politisches Gewicht zukomme und die damit in der Lage seien, einen massgebenden Einfluss auf das politische Geschehen auszuüben. Diese Begründung gibt zu Bedenken Anlass: aa) Kanton und Gemeinde verkennen, dass die zu beurteilende Inseratenfinanzierung im Rahmen eines Wahlkampfes erfolgte. Für solche Massnahmen aber gelten aufgrund der Verfassung besonders strenge Bedingungen (vgl. E. 3b und c). Es ist fraglich, ob sich die Übernahme der Insertionskosten durch die Gemeinde im Blick auf das politische Stimmrecht der Bürger rechtfertigen lässt. Der Regierungsrat des Kantons Zürich macht in seiner Vernehmlassung geltend, Anregungen der Gemeinden erfolgten nicht nur von Alters her, sondern seien auch unerlässlich, um Kandidaten überhaupt zu gewinnen, sie hinreichend bekannt zu machen und dem Bürger eine sinnvolle Auswahl unter ihnen zu ermöglichen. Auch wenn diesem Anliegen durchaus ein gewisses Verständnis entgegengebracht werden kann, so muss der Entscheid trotzdem davon abhängen, ob und wieweit die indirekte Unterstützung in ihren materiellen Wirkungen einer verbotenen inhaltlichen Einflussnahme gleichkommt. Massgebend ist, ob die tatsächlich bewirkte Bevorzugung oder Benachteiligung einzelner Kandidaten durch triftige Gründe gerechtfertigt wird, welche die Interessen an einer freien, von staatlichen Interventionen unbeeinflussten Meinungsbildung überwiegen. Die eingesetzten Mittel müssen gemessen an diesen Anliegen verhältnismässig, d.h. insbesondere für die Zielerreichung unerlässlich sein und dürfen die freie Meinungsbildung nur soweit beeinträchtigen, als dies unbedingt notwendig erscheint. Zudem müssen sie die Chancengleichheit des Kandidaten wahren. bb) Unzulässig ist die Beschränkung auf organisierte Ortsparteien. Der Hinweis auf die Fraktionsfinanzierung stimmt sachlich BGE 113 Ia 291 S. 300 nicht. Die Gemeinde Kleinandelfingen ist nicht in der Form der repräsentativen Demokratie organisiert. Sie verfügt weder über ein Gemeindeparlament noch über Fraktionen, die für die Erfüllung bestimmter Funktionen im Parlamentsbetrieb zu entschädigen wären. cc) Eine finanzielle Unterstützung der Parteien durch den Staat kann die Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben erleichtern und ihnen eine gewisse Unabhängigkeit von Spendern sichern (PETER HUG, a.a.O., S. 84 ff.; GERHARD SCHMID, Politische Parteien, Verfassung und Gesetz, Basel/Frankfurt a. M. 1981, S. 117). Indessen sind die Grenzen zu beachten, welche sich aus dem verfassungsmässigen Recht des Bürgers auf eine unverfälschte Meinungsbildung einerseits und der Rechtsgleichheit andererseits ergeben. Die Gemeinde Kleinandelfingen hat den etablierten Parteien Mittel zur Verfügung gestellt, mit denen für und damit auch gegen einzelne Kandidaten Stellung bezogen wurde. Die Kandidatur der Beschwerdeführerin, welche als Nichtparteimitglied von den Unterstützungsinseraten ausgeschlossen war, wurde dadurch erschwert. Diese Ausschlusswirkung widerspricht dem Prinzip der Offenheit des Wahlsystems und ist geeignet, das Wahlergebnis selbst zu beeinflussen. Zudem wird dadurch die Chancengleichheit aller Kandidaten verletzt, ohne dass dies durch überwiegende Gründe zu rechtfertigen wäre. dd) Der Kanton anerkennt, dass die Auflage, sich auf eine gemeinsame Liste zu einigen, einen Druck zum Konsens, zur Konkordanz ausübt. Dies sei gerechtfertigt. Das Konkordanzprinzip sei dem kantonalen Recht nicht unbekannt, so im Institut der stillen Wahl, die meistens eine ausdrückliche oder stillschweigende Übereinkunft der Parteien voraussetze. Es könne nicht als widerrechtlich betrachtet werden, wenn die Gemeinde nur die Kandidaten unterstütze, welche durch eine breite Übereinkunft getragen werde. Andernfalls würden öffentliche Mittel dazu dienen, die Austragung von Meinungsverschiedenheiten zwischen den Parteien zu finanzieren, was nicht dem Sinn der Parteifinanzierung entspreche. Es bestehe zudem ein öffentliches Interesse daran zu wissen, welche Kandidaten unbestritten seien. Im übrigen besitze die Gemeinde bei der Ausgestaltung der Parteifinanzierung, die im kantonalen Recht nicht geordnet sei, einen Spielraum eigenen Ermessens. Konkordanz meint jenes Konfliktregelungsmuster, das die Entscheidung durch Verhandlungen und gütliches Einvernehmen unter BGE 113 Ia 291 S. 301 den politischen Mächten von einigem Gewicht zustande bringt und damit der Konkurrenz und dem Mehrheitsentscheid ausweicht (AREND LIJPHART, The politics of accommodation, Berkeley/Los Angeles 1968, S. 103 ff.; LUZIUS WILDHABER, Vertrag und Gesetz - Konsensual- und Mehrheitsentscheid im schweizerischen Staatsrecht, ZSR NF Bd. 94, 1975, II, S. 113 ff., S. 133 ff.; RENÉ A. RHINOW, Grundprobleme der schweizerischen Demokratie, ZSR NF Bd. 103, 1984, II, S. 117 ff., S. 237 ff.). Die Idee der Konkordanz hat im schweizerischen Staatsverständnis eine gewisse Anerkennung gefunden und in der Form des Proporzsystems, zum Teil verbunden mit einem Quorum (vgl. z.B. BGE 103 Ia 603 ff.; ALFRED KÖLZ, Probleme des kantonalen Wahlrechts, ZBl 88/1987, S. 197 ff.), auch gerade für das Wahlrecht Bedeutung erhalten (GERHARD LEHMBRUCH, Proporzdemokratie, Tübingen 1967, S. 15 ff., S. 39 ff.). Konkordanzdenken vermag deshalb oft auch vor Wahlen zu privaten Absprachen sowie gegenseitigen Unterstützungsversprechen insbesondere unter Parteien führen. Trotzdem darf aber die Problematik dieses staatlichen Konfliktregelungsmusters und sein Spannungsverhältnis zum Konkurrenzprinzip nicht übersehen werden. Konkordanz verleiht den Etablierten, Bisherigen und bereits Organisierten ein Übergewicht und behindert die Opposition von Aussenseitern. Sie verstärkt die Tendenz der Bürger, sich emotional mit den traditionellen Trägern des politischen Lebens und den bestehenden Autoritäten zu identifizieren. Die freie Volkswahl ist indessen nicht nur rückwärtsgerichtete Bestätigung der bisherigen Machtverteilung, sondern soll über die künftige Stärke entscheiden. Eine chancengleiche Kandidatur muss demzufolge allen Bürgern offenstehen, welche die als verfassungskonform anerkannten Voraussetzungen dazu erfüllen. Eine behördliche Intervention im Rahmen des Wahlkampfes, welche diese Ausschlusstendenz noch verstärkt oder sogar direkt zur Folge hat, wo das positive Recht die offene Konkurrenz vorsieht, ist deshalb unzulässig. Das an sich berechtigte Anliegen, um der Leistungsfähigkeit des politischen Systems willen eine gewisse Konzentration der Kräfte zu fördern, wie dies der Regierungsrat verficht, vermag dagegen nicht aufzukommen. g) Der Kern der Problematik des Gemeindebeschlusses von 1973 und der behördlichen Intervention im Rahmen des Wahlkampfes für die Gemeinderatswahl von 1986 liegt darin, dass er Kandidaten, welche nicht Mitglied einer der vier Parteien (SVP/FDP/SP/EVP) waren, vor die Alternative stellte, entweder BGE 113 Ia 291 S. 302 einer dieser Parteien beizutreten, bzw. als Parteiloser auf ihren Listen Aufnahme zu finden, oder eine staatlich bewirkte Benachteiligung in ihren Chancen zu akzeptieren. Zwar ging es um geringe finanzielle Mittel; die Wirkung dieser Unterstützung aber reichte weit: Einerseits führte sie tatsächlich zum Ausschluss einer Aussenseiterin aus dem Unterstützungsinserat, welches von allen in der Gemeinde tätigen Parteien mit Hilfe der Gemeinde gemeinsam veröffentlicht wurde. Andererseits war die behördliche Massnahme gerade wegen dieser Wirkung geeignet, die freie Willensbildung der Wähler zu beeinträchtigen. Dies muss als schwerwiegender Eingriff in die Wahlfreiheit beurteilt werden, der sich durch keine triftigen Gründe rechtfertigen lässt. Sowohl der Beschluss des Gemeinderates Kleinandelfingen von 1973 als auch die gestützt darauf erfolgte Finanzierung der Wahlinserate im Rahmen des Wahlkampfes für die Gemeinderatswahl von 1986 waren daher verfassungswidrig. 4. Damit stellt sich die Frage nach der Sanktion. a) Über die Auswirkungen des festgestellten Mangels bestimmt das kantonale Gesetz, dass die Behörde die Wahl aufhebt, wenn glaubhaft ist, die Unregelmässigkeit könne das Ergebnis der Wahl wesentlich beeinflussen, Abhilfe aber nicht mehr möglich ist (§ 131 Abs. 2 Wahlgesetz). Im wesentlichen gelten dieselben Grundsätze von Bundesrechts wegen: Wenn sich der Mangel einer ziffernmässigen Ermittlung entzieht, so ist nach den gesamten Umständen zu beurteilen, ob eine Beeinflussung des Ergebnisses möglich sei oder nicht. Dabei ist insbesondere auf die Grösse des Stimmenunterschieds, die Schwere des festgestellten Mangels und auf dessen Bedeutung im Rahmen der gesamten Abstimmung abzustellen. Erscheint die Möglichkeit, dass die Abstimmung ohne den Mangel anders ausgefallen wäre, als derart gering, dass sie nicht mehr ernsthaft in Betracht kommt, so kann von der Aufhebung des Urnenganges abgesehen werden. Rechtfertigt sich eine solche Beurteilung jedoch nicht, so ist der Mangel als erheblich zu erachten und die Abstimmung zu kassieren ( BGE 112 Ia 338 E. 5 mit Hinweis). Diese zur Sachabstimmung entwickelten Grundsätze gelten auch bei behördlichen Einwirkungen auf Wahlen (vgl. BGE 107 Ia 217 ff.), eingeschlossen die Einwirkungen auf Wahlvorbereitungen (nicht veröffentlichtes Urteil vom 23. März 1979 i.S. Demierre, E. 5e). Die vermehrte Zurückhaltung bei rein privaten oder teilweise privaten Einflussnahmen ( BGE 102 Ia 269 E. 3; BGE 98 Ia 83 E. 3c) spielt im vorliegenden BGE 113 Ia 291 S. 303 Fall keine Rolle; dies um so mehr, als das kantonale Recht diese Differenzierung nicht kennt. b) Im vorliegenden Fall lässt sich der Mangel zwar nicht quantitativ ermitteln, aber doch in seiner Bedeutung etwas näher erfassen. Die Beschwerdeführerin erreichte 196 Stimmen. Bezogen auf das absolute Mehr fehlten ihr 62 Stimmen. Wichtiger ist, dass sie weitere 190 Stimmen benötigt hätte, um den letztgewählten Kandidaten, der 385 Stimmen auf sich vereinigte, zu übertreffen. Das sind bezogen auf die eingegangenen 657 Wahlzettel 28,9%, auf alle 902 Stimmberechtigte 21% und auf die ferngebliebenen 245 Wähler 77,6%; die Stimmbeteiligung betrug 72,8%. Diese Differenz von 190 Stimmen ist gross; eine Wahl hätte praktisch eine Verdoppelung der Stimmen erfordert. Ein Viertel bis ein Drittel der Urnengänger hätte eine der sieben Stimmen anders abgeben müssen. Da die Stimmbeteiligung ohnehin bereits hoch war, wäre die Mobilisierung zusätzlicher Wähler schwer gefallen; zudem hätte dies auch den anderen Kandidaten genützt. Der quantitative Unterschied ist so erheblich, dass die Wahl der Beschwerdeführerin nicht als wahrscheinlich bezeichnet werden kann. Der Entscheid hängt damit von einer qualitativen Würdigung der gesamten Umstände des Falles ab. Die behördliche Intervention wiegt hier - wie dargelegt - schwer. Dies gilt um so mehr, wenn der Gemeinderat in die Vorbereitung seiner eigenen Wahl eingreift, in der sogar noch zwei bisherige Behördemitglieder kandidieren. Die Einwände des Kantons gegen eine Aufhebung überzeugen nicht. Auf die Überschaubarkeit der Verhältnisse kann es nicht ankommen; die Inserate konnten durch die Beschränkung auf einen gemeinsamen Vorschlag der Parteien die Willensbildung der Wähler verfälschen. Der Regierungsrat selber gesteht der Beschwerdeführerin zu, sie habe einen bemerkenswerten Achtungserfolg erzielt. Nach der bundesgerichtlichen Formel genügt es zur Aufhebung, dass eine Beeinflussung des Ergebnisses als möglich erscheint. Nimmt man diese Formel ernst und bedenkt man die Grundsätzlichkeit des Fehlers, so ist es nicht zu umgehen, die Beschwerde gutzuheissen und den Entscheid des Regierungsrates des Kantons Zürich vom 15. Oktober 1986 aufzuheben.
de
32a413ec-981b-4738-b722-2261c5053771
Sachverhalt ab Seite 154 BGE 146 V 152 S. 154 A. A.a Die 1935 geborene, in der Schweiz wohnhafte A. ist niederländische Staatsangehörige und bezieht eine niederländische Altersrente. Sie ist bei der Gemeinsamen Einrichtung KVG (nachfolgend: GE KVG) für die internationale Leistungsaushilfe nach den geltenden EU-Koordinationsrechtsgrundlagen registriert. A.b Am 25. Dezember 2017 reiste sie ferienhalber in die Vereinigten Arabischen Emirate. Zwei Tage später, am 27. Dezember 2017, unterzog sie sich im Spital B. in Dubai einer Knieuntersuchung (Erstkonsultation). In der Folge machte sie in den Niederlanden die Rückvergütung der entsprechenden Behandlungskosten von umgerechnet knapp Fr. 100.- geltend. Die zuständige niederländische Behörde wies das Kostenübernahmegesuch mit Beschluss vom 17. April 2018 ab, welcher auf Rechtsmittel hin mit Entscheid der niederländischen Verbindungsstelle für Krankheit und Mutterschaft in der EU/ EFTA CAK vom 20. Juli 2018 bestätigt wurde. Im August 2018 meldete sich A. bei der GE KVG und ersuchte um Übernahme der in Dubai angefallenen Behandlungskosten. Dies wurde durch die GE KVG abgelehnt. B. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Entscheid vom 25. März 2019 ab. C. A. führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem (sinngemässen) Rechtsbegehren, in Aufhebung des angefochtenen Entscheids und des Einspracheentscheids der GE KVG vom 15. November 2018 sei letztere zu verpflichten, die am 27. Dezember 2017 im Spital B. in Dubai angefallenen Behandlungskosten zu übernehmen. Die GE KVG schliesst auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) BGE 146 V 152 S. 155 beantragt ebenfalls die Abweisung der Rechtsvorkehr. A. lässt sich nochmals mit Eingaben vom 14. und 18. Juni 2019 in der Sache vernehmen. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. (...) 1.2 Zu beurteilen ist zunächst, inwiefern die Beschwerdegegnerin in der vorliegenden Konstellation überhaupt befugt ist, eine Verfügung zu erlassen. 1.2.1 Die GE KVG erfüllt u.a. - so auch hier - Aufgaben als aushelfende Trägerin am Wohn- oder Aufenthaltsort der Versicherten, für die auf Grund von Art. 95a KVG Anspruch auf internationale Leistungsaushilfe besteht ( Art. 18 Abs. 3 KVG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 1 Satz 2 KVV [SR 832.102]; vgl. zum Begriff der Leistungsaushilfe im Detail E. 4.2.2.2 und 9.1 hiernach). Sie fungiert in dieser Funktion im Rahmen der Sachleistungsaushilfe in der Schweiz als Honorarschuldnerin gegenüber den Leistungserbringern (Tiers payant) oder den Leistungsansprechern (Tiers garant; vgl. GEBHARD EUGSTER, Krankenversicherung [nachfolgend: Krankenversicherung], in: Soziale Sicherheit, SBVR Bd. XIV, 3. Aufl. 2016, S. 595 oben Rz. 611). 1.2.2 Weder Art. 18 KVG ("Gemeinsame Einrichtung") noch Art. 19 KVV ("Gemeinsame Einrichtung" - "Erfüllung internationaler Aufgaben") bzw. Art. 22 KVV ("Streitigkeiten") räumen der GE KVG im Falle der Leistungsaushilfe in der Schweiz explizit eine Verfügungsbefugnis gegenüber Leistungsansprechern ein. Es ergibt sich daher nicht unmittelbar aus den rechtlichen Grundlagen, in welchen Verfahren allfällige Differenzen auszutragen sind (anders bei Streitigkeiten mit Versicherern respektive Leistungserbringern: vgl. Art. 22 KVV ). Da die GE KVG in diesen Fällen die gleiche Stellung inne hat wie ein zugelassener Krankenversicherer, erscheint es jedoch sachgerecht, ihr ebenfalls Verfügungskompetenz zuzugestehen (in diesem Sinne auch EUGSTER, Krankenversicherung, a.a.O., S. 595 oben Rz. 611; ders. , Rechtsprechung des Bundesgerichts zum KVG [nachfolgend: Rechtsprechung], 2. Aufl. 2018, S. 117 oben zu Art. 18 KVG ). Die Beschwerdegegnerin hat der Beschwerdeführerin die Ablehnung der Rückerstattung der Behandlungskosten in Dubai somit prozessual BGE 146 V 152 S. 156 zu Recht in Form einer Verfügung eröffnet bzw. - auf Einsprache hin - mittels Einspracheentscheids bestätigt. (...) 3. 3.1 Streitgegenstand bildet die Frage, ob Bundesrecht verletzt wurde, indem die Vorinstanz die Kostenvergütungspflicht der Beschwerdegegnerin in Bezug auf die am 27. Dezember 2017 im Spital B. in Dubai durchgeführte ärztliche Behandlung verneint und den Einspracheentscheid vom 15. November 2018 bestätigt hat. 3.2 Unbestritten ist, dass angesichts der Gegebenheiten - die Beschwerdeführerin ist niederländische Staatsangehörige mit Wohnsitz in der Schweiz, die eine niederländische Altersrente bezieht und sich im Dezember 2017 in Dubai einer ärztlichen Untersuchung unterzogen hat - ein grenzüberschreitender Sachverhalt vorliegt. 4. 4.1 Nach Art. 1 Abs. 1 des auf der Grundlage von Art. 8 des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (FZA; SR 0.142.112.681) ausgearbeiteten und Bestandteil des Abkommens bildenden ( Art. 15 FZA ) Anhangs II FZA (in der bis 31. März 2012 geltenden Fassung) in Verbindung mit Abschnitt A dieses Anhangs wenden die Vertragsparteien untereinander insbesondere die Verordnungen (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbstständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (AS 2004 121; nachfolgend: VO Nr. 1408/71), und (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 (AS 2005 3909) oder gleichwertige Vorschriften an. Mit Wirkung auf 1. April 2012 sind diese beiden Rechtsakte durch die Verordnungen (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (SR 0.831.109.268.1; nachfolgend: VO Nr. 883/2004) sowie (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (SR 0.831. 109.268.11) abgelöst worden ( BGE 144 V 127 E. 4.1 S. 129; BGE 143 V 52 E. 6.1 S. 55 f.; BGE 141 V 246 E. 2.1 S. 248 f.). BGE 146 V 152 S. 157 4.2 Diese neuen Verordnungen - in der seit 1. Januar 2015 geltenden Fassung (somit einschliesslich der Änderung gemäss Verordnung [EU] Nr. 465/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2012 zur Änderung der Verordnung [EG] Nr. 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit und der Verordnung [EG] Nr. 987/2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung [EG] Nr. 883/2004 [AS 2015 345]) - sind auf den hier zu beurteilenden Fall in zeitlicher, persönlicher und sachlicher Hinsicht anwendbar (vgl. auch BGE 145 V 266 E. 6.1.2 und 6.1.3 S. 272 f.; BGE 144 V 127 E. 4.2 S. 129 f.; BGE 143 V 52 E. 6.2 S. 56; BGE 141 V 612 E. 3.1 S. 615 f. mit weiteren Hinweisen). 4.2.1 4.2.1.1 Titel II der VO Nr. 883/2004 (Art. 11-16) enthält allgemeine Kollisionsregeln zur Bestimmung der anzuwenden Rechtsvorschriften. Dabei legt Art. 11 Abs. 1 VO Nr. 883/2004 den kollisionsrechtlichen Grundsatz der Einheitlichkeit der anwendbaren Rechtsvorschriften in dem Sinne fest, dass für jede betroffene Person die Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats massgebend sind. 4.2.1.2 Bei Arbeitnehmenden und Selbstständigerwerbenden gelten in der Regel die Rechtsvorschriften desjenigen Mitgliedstaats, in dem sie ihre Tätigkeit ausüben (Art. 11 Abs. 3 Bst. a VO Nr. 883/2004 [Beschäftigungsland- oder Erwerbsortprinzip]; BGE 143 V 52 E. 6.2.1 S. 56; BGE 140 V 98 E. 6.3 S. 102; Urteil 8C_273/2015 vom 12. August 2015 E. 3.2). Nichterwerbstätige sind sodann ebenfalls den Rechtsvorschriften (nur) eines Mitgliedstaats unterstellt. Nach Art. 11 Abs. 3 Bst. e VO Nr. 883/2004 unterliegen sie den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats, sofern nichts anderes bestimmt ist. Dabei handelt es sich um einen eigenen Anspruch auf Grund des Wohnorts ( BGE 144 V 127 E. 4.2.1.2 S. 130; BGE 143 V 52 E. 6.2.2 S. 56 f.; BGE 140 V 98 E. 8.1 S. 103). 4.2.2 Die allgemeinen Vorschriften gemäss Titel II VO Nr. 883/2004 gelten jedoch nur insoweit, als die besonderen Bestimmungen für die einzelnen Leistungsarten, die Titel III bilden ("Besondere Bestimmungen über die verschiedenen Arten von Leistungen" [Art. 17-70]), nicht etwas anderes bestimmen (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union [EuGH] vom 14. Oktober 2010 C-345/09 van Delft u.a. , Slg. 2010 I-9879 Randnr. 47 [zwar zur Vorgängerverordnung Nr. 1408/71, hier aber ebenfalls anwendbar, vgl. BGE 144 V 127 E. 6.3.2.1 S. 136]). BGE 146 V 152 S. 158 4.2.2.1 Titel III VO Nr. 883/2004 beinhaltet Kollisionsnormen für besondere Situationen im jeweiligen Zweig des Systems der sozialen Sicherheit (beispielsweise in Kapitel 1 [Art. 17-35] Leistungen bei Krankheit sowie Leistungen bei Mutterschaft und gleichgestellte Leistungen bei Vaterschaft). Der Charakter als Kollisionsnorm ist dabei nicht immer bereits aus dem Wortlaut klar erkennbar. Im Unterschied zu Titel II handelt es sich bei diesen Bestimmungen regelmässig nur um punktuelle Regelungen bezüglich einzelner Zweige der sozialen Sicherheit oder einzelner Rechtsgebiete (Näheres bei FRANK SCHREIBER, in: VO [EG] Nr. 883/2004, Verordnung zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, Kommentar [nachfolgend: Kommentar], 2012, N. 11 zu Vor Art. 11 VO Nr. 883/2004). 4.2.2.2 Art. 23-30 VO Nr. 883/2004 regeln im Sinne der beschriebenen speziellen gemeinschaftsrechtlichen Koordinationsbestimmungen den Sachleistungsanspruch der Rentnerinnen und Rentner und ihrer Familienangehörigen bei Krankheit. Gemäss Art. 24 Abs. 1 VO Nr. 883/2004 erhält eine Person, die eine Rente oder Renten nach den Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten bezieht und die keinen Anspruch auf Sachleistungen nach den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats hat, dennoch Sachleistungen für sich und ihre Familienangehörigen, sofern nach den Rechtsvorschriften des für die Zahlung ihrer Rente zuständigen Mitgliedstaats Anspruch auf Sachleistungen bestünde, wenn sie in diesem Mitgliedstaat wohnte. Die Sachleistungen werden vom Träger des Wohnorts für Rechnung des in Abs. 2 der Bestimmung genannten Trägers erbracht, als ob die betreffende Person Anspruch auf eine Rente und Sachleistungen nach den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats hätte (Art. 24 Abs. 1 VO Nr. 883/2004 [sog. Sachleistungsaushilfe]). Hat der Rentner nur Anspruch auf Sachleistungen nach den Rechtsvorschriften eines einzigen Mitgliedstaats, so übernimmt der zuständige Träger dieses Mitgliedstaats die Kosten für die Sachleistungen (Art. 24 Abs. 2 Bst. a VO Nr. 883/2004). Art. 24 VO Nr. 883/2004 umfasst somit den Fall, dass Rentnerinnen und Rentner mangels hinreichender Beziehungen zum Rentensystem ihres Wohnortstaats keinen originären Anspruch auf Sachleistungen bei Krankheit im Wohnortstaat haben. Beim Bezug nur einer Rente ist der Träger für Leistungen bei Krankheit desjenigen Staats kostenpflichtig, der die Rente leistet. Der Rentnerin oder dem Rentner wird ein Anspruch auf Sachleistungsaushilfe gegenüber dem Träger des Wohnortstaats gewährt (SCHREIBER, Kommentar, a.a.O., N. 1 und 7 zu Art. 24 VO Nr. 883/2004). BGE 146 V 152 S. 159 4.2.3 4.2.3.1 Die Anwendung der Kollisionsnormen der VO Nr. 883/2004, nach denen sich die anzuwendenden Rechtsvorschriften bestimmen, ist für die Mitgliedstaaten zwingend. Sie bilden ein geschlossenes System von Kollisionsnormen, das den nationalen Gesetzgebern die Befugnis nimmt, in diesem Bereich den Geltungsbereich und die Anwendungsvoraussetzungen ihrer nationalen Rechtsvorschriften im Hinblick darauf zu bestimmen, welche Personen ihnen unterliegen und in welchem Gebiet sie ihre Wirkung entfalten sollen (erwähntes EuGH-Urteil C-345/09 van Delft u.a. , Randnrn. 51 f., 56; BGE 144 V 127 E. 4.2.3.1 S. 131). 4.2.3.2 Bei den vorgenannten Art. 24 f. VO Nr. 883/2004 handelt es sich somit um - von den Mitgliedstaaten zu rezipierende - Bestimmungen, die abweichende Sonderregelungen für die den Rentnern bei Krankheit zustehenden Leistungen enthalten ( BGE 144 V 127 E. 4.2.3.2 S. 131 f.). 4.2.4 Dem hat die Schweiz gesetzgeberisch Rechnung getragen. 4.2.4.1 Gemäss Art. 3 Abs. 1 KVG (in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 KVV ) muss sich grundsätzlich jede Person mit Wohnsitz in der Schweiz innert drei Monaten nach der Wohnsitznahme oder der Geburt in der Schweiz für Krankenpflege versichern lassen, untersteht also dem Krankenversicherungsobligatorium nach KVG. Abs. 2 der Bestimmung stipuliert, dass der Bundesrat Ausnahmen von der Versicherungspflicht vorsehen kann. Er ist damit befugt, bestimmte Personen mit Wohnsitz in der Schweiz von der Versicherungspflicht auszunehmen ( BGE 144 V 127 E. 4.2.4.1 S. 132; BGE 134 V 34 E. 5.5 S. 37 f. mit Hinweisen; Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts K 141/97 vom 3. Dezember 1999 E. 4b, in: SVR 2000 KV Nr. 30 S. 95). 4.2.4.2 Die Ausnahmen von der Versicherungspflicht wurden zum einen in der - hier interessierenden - Form der Nichtunterstellung geregelt, die nach Gesetz oder Verordnung automatisch eintritt ( Art. 2 Abs. 1 KVV ; vgl. auch EUGSTER, Krankenversicherung, a.a.O., S. 423 Rz. 46). So sind in der Schweiz niedergelassene Personen, die zwar keinen Anspruch auf eine schweizerische, aber nach dem FZA sowie seinem Anhang II einen Anspruch auf eine Rente eines Mitgliedstaats der Europäischen Gemeinschaft haben, von der Versicherungspflicht in der Schweiz befreit ( Art. 2 Abs. 1 lit. e KVV ). 5. Die Vorinstanz erwog, die in der Schweiz wohnhafte, niederländische Beschwerdeführerin, die ausschliesslich eine Altersrente aus BGE 146 V 152 S. 160 den Niederlanden beziehe, unterstehe als sogenannte Einfachrentnerin gestützt auf die einschlägigen gemeinschaftsrechtlichen wie auch schweizerischen Rechtsgrundlagen nicht der Versicherungspflicht in der Schweiz. Vielmehr bleibe sie grundsätzlich der Krankenversicherung des Mitgliedstaats, welcher die Rente ausrichte, d.h. hier der Niederlanden, angeschlossen. Gemäss den anwendbaren Koordinationsregeln von Art. 23 ff. der VO Nr. 883/2004 sei der Träger für Leistungen bei Krankheit desjenigen Staats kostenpflichtig, der die Rente leiste, wobei der Rentnerin oder dem Rentner ein Anspruch auf Sachleistungsaushilfe gegenüber dem Träger des Wohnortstaats gewährt werde. Dieser mit der VO Nr. 883/2004 implementierte Mechanismus beziehe sich indessen - so das kantonale Gericht im Folgenden - auf medizinische Behandlungen auf dem Territorium des Mitglied-/Wohnsitzstaats, sodass der räumliche Geltungsbereich nicht betroffen sei, soweit eine Behandlung, wie im vorliegenden Fall, in einem Drittstaat beansprucht werde. Der entsprechende Schluss ergebe sich aus Art. 24 VO Nr. 883/2004. Die Vereinigten Arabischen Emirate seien nicht Vertragsstaat des FZA, womit dieses und demzufolge die VO Nr. 883/2004 grundsätzlich nicht zur Anwendung gelangten. Dies betreffe namentlich auch das Diskriminierungsverbot nach Art. 2 FZA bzw. das insoweit gleich weit reichende Gleichbehandlungsgebot nach Art. 3 Abs. 1 VO Nr. 1408/71 und Art. 4 VO Nr. 883/2004, welches an die Staatsangehörigkeit anknüpfe und sich insbesondere auf die Rechtsvorschriften gemäss Anhang II (Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit) erstrecke ( BGE 143 V 402 E. 6.1 S. 405 f. mit Hinweisen). Bei dieser Ausgangslage sei auch belanglos, dass die obligatorische Krankenpflegeversicherung unter bestimmten Voraussetzungen Kosten von einem in einem Drittstaat erbrachten Leistungen übernehme ( Art. 36 KVV ). Diese rein binnenrechtliche Norm sei von vornherein nicht anwendbar, da die Beschwerdeführerin, wie dargelegt, nicht nach dem KVG versichert sei. Art. 36 KVV behalte denn auch explizit die Bestimmungen über die internationale Leistungsaushilfe vor. Die in der VO Nr. 883/2004 stipulierte Leistungsaushilfe beschränke sich nach dem Gesagten jedoch auf das eurointernationale Verhältnis der Mitgliedstaaten. Eine weitergehende internationale Leistungsaushilfe sei sodann mangels Sozialversicherungsabkommens zwischen der Schweiz und den Vereinigten Arabischen Emiraten nicht vorgesehen. Ebenso wenig sei in der vorliegenden Konstellation ein Ausnahmefall im Sinne der Rechtsprechung gegeben, BGE 146 V 152 S. 161 der es auf Grund einer spezifischen sozialrechtlichen Anknüpfung gebieten würde, die einschlägigen Normen der VO Nr. 883/2004 auch in Bezug auf Drittstaaten anzuwenden. 6. 6.1 Dagegen bringt die Beschwerdeführerin letztinstanzlich zum einen vor, auf Grund ihres schweizerischen Wohnsitzes unterstehe sie der hiesigen Rechtsordnung und sei damit in der Schweiz obligatorisch krankenpflegeversichert. 6.2 Dem ist entgegen zu halten, dass die Krankenpflegeversicherung nach KVG in der Schweiz zwar grundsätzlich obligatorisch ist. Dies gilt jedoch nur für Personen, welche die im Gesetz und in den Ausführungsverordnungen festgelegten Voraussetzungen erfüllen. Wie hiervor aufgezeigt (vgl. E. 4.2.4), kann der Bundesrat gemäss Art. 3 Abs. 2 KVG Ausnahmen vorsehen, was mit Art. 2 KVV geschehen ist. Gemäss dessen Abs. 1 lit. c-f KVV sind sämtliche Personen, die in der Schweiz wohnen, aber gestützt auf das europäische Koordinationsrecht der Versicherungspflicht eines anderen Mitgliedstaats unterstehen, automatisch von der Versicherungspflicht in der Schweiz ausgenommen. Dazu gehören explizit auch - in Umsetzung von Art. 24 Abs. 2 Bst. a VO Nr. 883/2004, welche Bestimmung als Kollisionsnorm für bestimmte Situationen der allgemeinen Kollisionsregel gemäss Art. 11 Abs. 3 Bst. e VO Nr. 883/2004 vorgeht (vgl. E. 4.2.1 ff. hiervor) - ausländische Rentenbezügerinnen und -bezüger (lit. e). In wenigen, abschliessend aufgeführten Spezialfällen besteht die Möglichkeit eines freiwilligen Anschlusses an die Krankenpflegeversicherung (Art. 3 [Grenzgänger und -gängerinnen], 4 Abs. 3 [entsandte Arbeitnehmer und -nehmerinnen] und Art. 6 KVV [Personen mit Vorrechten nach internationalem Recht]). Personen mit Wohnsitz in der Schweiz, die eine ausländische Rente erhalten, fallen nicht darunter, sondern sind im Gegenteil gemäss Art. 2 Abs. 1 lit. e KVV gerade von der Versicherungspflicht (und -möglichkeit) ausgenommen (vgl. BGE 144 V 127 E. 6.2.2 S. 133 f.; zudem EUGSTER, Krankenversicherung, a.a.O., S. 442 Rz. 110, S. 594 Rz. 609; EDGAR IMHOF, Über die Kollisionsnormen der Verordnung Nr. 1408/ 71 [anwendbares Sozialrecht, zugleich Versicherungsunterstellung], SZS 2008 S. 313 ff., insb. S. 336 unten f.). 7. Die Beschwerdeführerin macht ferner geltend, auch für den Fall, dass ihr lediglich der Anspruch auf Sachleistungsaushilfe gegenüber der Schweiz zustehe mit anschliessender Kostenrückerstattung BGE 146 V 152 S. 162 durch die Niederlande als rentenleistendem Staat, sei die Schweiz verpflichtet, im Rahmen der Sachleistungsaushilfe die in Dubai angefallenen Behandlungskosten zu übernehmen. 8. 8.1 Die Vorinstanz hält dem entgegen, die in Art. 23 ff. VO Nr. 883/ 2004 stipulierten Koordinationsregeln - und damit auch die darin geregelte Sachleistungsaushilfe bei Rentnerinnen und Rentnern - kämen lediglich zum Tragen bei medizinischen Behandlungen auf dem Territorium eines Mitglied-/Wohnsitzstaats. Soweit eine solche, wie im vorliegenden Fall, in einem Drittstaat erfolge, entfalle der entsprechende Mechanismus mangels räumlichen Geltungsbereichs (vgl. auch E. 5 hiervor). 8.2 Die VO Nr. 883/2004 enthält keine ausdrückliche Bestimmung bezüglich ihres räumlichen (territorialen) Geltungsbereichs. Die Frage danach stellt sich immer dann, wenn betroffene Personen sich auf die Verordnung berufen möchten, aber Vorgänge im Raum stehen, die sich ausserhalb des Gebiets der EU-Mitgliedstaaten abgespielt haben (vgl. MAXIMILIAN FUCHS, in: Europäisches Sozialrecht [nachfolgend: Sozialrecht], Maximilian Fuchs [Hrsg.], 7. Aufl. 2018, N. 46 Einführung). 8.2.1 Im grundlegenden Urteil des EuGH van Roosmalen (vom 23. Oktober 1986 C-300/84, Slg. 1986 03097) wurde hervorgehoben, dass es für die Bejahung des räumlichen Geltungsbereichs - und damit auch für die Anwendung der VO Nr. 883/2004 - nicht auf den Ort der Tätigkeit ankomme, sondern auf die Beziehungen der betreffenden Person zu dem Mitgliedstaat, unter dessen sozialrechtlichem Regime sie relevante Zeiten zurückgelegt habe (Randnr. 29). Das ausschlaggebende Kriterium für die Anwendbarkeit der Verordnung bestehe - so das Gericht im Folgenden (Randnr. 30) - in der Bindung der versicherten Person an ein System der sozialen Sicherheit eines Mitgliedstaats. Dieser Grundsatz wurde in der Folge bestätigt (Urteil vom 14. November 1990 C-105/89 Buhari Haji , Slg. 1990 I-04211; ferner Urteil vom 29. Juni 1994 C-60/93 Aldewereld , Slg. 1994 I-2991, besprochen und adaptiert in BGE 139 V 216 ). Damit kommt es zu einer scheinbaren Erstreckung des räumlichen Geltungsbereichs der Verordnung auf Gebiete ausserhalb der Mitgliedstaaten. Tatsächlich aber geht es nicht um eine Erweiterung des Geltungsbereichs, sondern um die Frage der funktionalen Bestimmung der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Sozialrechtsordnung des BGE 146 V 152 S. 163 Mitgliedstaats. Die funktionale Zuordnung ist nicht so sehr vom Ort abhängig, an dem sich der Einzelne befindet, sondern von anderen Merkmalen, welche die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Sozialrechtssystem ausdrücken (in diesem Sinne auch FUCHS, Sozialrecht, a.a.O., N. 48 Einführung; SUSANNE DERN, Kommentar, a.a.O., N. 40 zu Art. 1 VO Nr. 883/2004; BETTINA KAHIL-WOLFF, Droit social européen, Union européenne et pays associés, 2017, S. 358 Ziff. 566 und S. 359 Ziff. 569). Im Urteil Keller (vom 12. April 2005 C-145/03, Slg. 2005 I-02529 [betreffend lebensnotwendiger Behandlung in einem Drittstaat unter dem Blickwinkel von Art. 22 VO Nr. 1408/71]) wies der EuGH denn auch ausdrücklich darauf hin, der blosse Umstand, dass die fragliche Behandlung ausserhalb des Gemeinschaftsgebiets erfolgt sei, reiche nicht aus, um die Anwendung der Verordnungen auszuschliessen, da das entscheidende Kriterium für deren Anwendbarkeit in der Bindung der betreffenden versicherten Person an ein System der sozialen Sicherheit eines Mitgliedstaats liege (Randnr. 38 mit weiteren Hinweisen). 8.2.2 Daraus lässt sich für den vorliegend zu beurteilenden Fall ohne Weiteres der Schluss ziehen, dass der Umstand, dass sich die in der Schweiz wohnhafte niederländische Beschwerdeführerin, welche über ihren niederländischen Rentenbezug dem Krankenversicherungssystem in den Niederlanden angeschlossen ist, in Dubai einer medizinischen Behandlung unterzogen hat, die Anwendbarkeit der VO Nr. 883/2004 nicht ausschliesst. Die in Art. 24 der Verordnung enthaltene Regelung - und damit auch die darin vorgesehene, durch den Träger des Wohnortstaats für Leistungen bei Krankheit zu erbringende Sachleistungsaushilfe - gilt daher auch für die Beschwerdeführerin. 9. 9.1 Im Rahmen der erwähnten Sachleistungsaushilfe werden in der Schweiz als Wohnstaat Sachleistungen durch die GE KVG nach den schweizerischen Rechtsvorschriften erbracht, und zwar so, als ob die betroffene Person in der Schweiz versichert wäre (vgl. Art. 17 und 19 Abs. 1 Satz 2 VO Nr. 883/2004). Es handelt sich um eine punktuelle Anwendung des schweizerischen Leistungssystems (sog. Versichertenfiktion [punktuelle Integration über eine Fiktion des Mitgliedsstatus]; sieheKARL-JÜRGEN BIEBACK, Sozialrecht, a.a.O., N. 14 und 16 zu Art. 17 VO Nr. 883/2004, N. 11 zu Art. 19 VO Nr. 883/ 2004 sowie N. 4 zu Art. 24 VO Nr. 883/2004; SCHREIBER, Kommentar, a.a.O., N. 7 zu Art. 17 VO Nr. 883/2004 und N. 10 zu Art. 24 VO BGE 146 V 152 S. 164 Nr. 883/2004; EUGSTER, Krankenversicherung, a.a.O., S. 583 Rz. 570, S. 584 f. Rz. 576 f.; in diesem Sinne auch Urteile 9C_562/ 2010 vom 29. April 2011 E. 3.2 und 5.1, in: SVR 2012 KV Nr. 8 S. 25, und 9C_61/2007 vom 25. Februar 2008 E. 2.3). Wer in einem Mitgliedstaat krankenversichert ist, hat demnach Anrecht darauf, in jedem anderen Mitgliedstaat, in dem er oder sie sich aufhält, die Krankenversicherungsleistungen des dortigen Systems aushilfsweise in Anspruch nehmen zu können (vgl. etwa URSULA HOHN, Rechtsprobleme bei der Umsetzung des Koordinationsrechts in der Krankenversicherung, in: Das europäische Koordinationsrecht der sozialen Sicherheit und die Schweiz, 2006, S. 61 ff., insb. S. 73). Nichts Abweichendes ergibt sich aus der vom BSV in seiner Vernehmlassung angeführten Rechtsprechung des EuGH. So hält dieser u.a. fest, dass ein "Zugang zur Behandlung in den anderen Mitgliedstaaten unter Voraussetzungen der Kostenübernahme" dazu beitrage, "die Freizügigkeit der Sozialversicherten zu fördern [...] und in gleichemMasse die Erbringung von grenzüberschreitenden medizinischen Dienstleistungen zwischen den Mitgliedstaaten zu erleichtern" (Urteil vom 23. Oktober 2003 C-56/01 Inizan , Slg. 2003 I-12403 Randnr. 21; ferner Urteil vom 12. Juli 2001 C-368/98 Vanbraekel , Slg. 2001 I-5363). Die Sachleistungsaushilfe soll es den betroffenen Personen vielmehr ermöglichen, in den anderen Mitgliedstaaten Sachleistungen zu erhalten (Urteil vom 3. Juli 2003 C-156/01 Van der Duin , Slg. 2003 I-7045 Randnr. 50). 9.2 Die Beschwerdeführerin ist somit, was ihre ärztliche Untersuchung in Dubai und die dadurch angefallenen Kosten anbelangt, im Rahmen der Sachleistungsaushilfe so zu behandeln, als wenn sie dem schweizerischen Krankenversicherungsrecht unterstellt wäre. 10. 10.1 Das schweizerische KVG beinhaltet, worauf die Beschwerdeführerin sich denn auch beruft, insbesondere folgende Bestimmung: Gemäss aArt. 34 Abs. 2 Satz 1 KVG (in der bis 31. Dezember 2017 in Kraft gestandenen Fassung) kann der Bundesrat bestimmen, dass die obligatorische Krankenpflegeversicherung die Kosten von Leistungen nach Art. 25 Abs. 2 oder Art. 29 KVG übernimmt, die aus medizinischen Gründen im Ausland erbracht werden. In der seit 1. Januar 2018 geltenden Fassung von Art. 34 Abs. 2 lit. a KVG kann der Bundesrat vorsehen, dass die obligatorische Krankenpflegeversicherung die Kosten von Leistungen nach Art. 25 Abs. 2 und Art. 29 KVG übernimmt, die aus medizinischen Gründen oder im Rahmen der BGE 146 V 152 S. 165 grenzüberschreitenden Zusammenarbeit für in der Schweiz wohnhafte Versicherte im Ausland erbracht werden. Gestützt auf diese Delegationsnorm hat der Bundesrat Art. 36 KVV mit der Überschrift "Leistungen im Ausland" erlassen. Nach dessen Abs. 2 übernimmt die obligatorische Krankenpflegeversicherung die Kosten von Behandlungen, die in Notfällen im Ausland erbracht werden. Ein Notfall liegt vor, wenn Versicherte bei einem vorübergehenden Auslandsaufenthalt einer medizinischen Behandlung bedürfen und eine Rückreise in die Schweiz nicht angemessen ist. Kein Notfall besteht, wenn sich Versicherte zum Zweck dieser Behandlung ins Ausland begeben. Laut Art. 36 Abs. 4 Satz 1 KVV wird für Leistungen nach Abs. 2 der Bestimmung höchstens der doppelte Betrag der Kosten übernommen, die in der Schweiz vergütet würden. Der Begriff des Auslandaufenthalts gemäss Art. 36 Abs. 2 KVV definiert sich mit Bezug auf den Wohnortstaat der betroffenen Person und umfasst daher auch sog. Drittstaaten (u.a. EUGSTER, Krankenversicherung, a.a.O., S. 575 Rz. 545). 10.2 Weshalb Art. 36 Abs. 2 KVV im Falle der Beschwerdeführerin keine Anwendung finden sollte, ist - entgegen der Betrachtungsweise von Vorinstanz, BSV und Beschwerdegegnerin - nicht einsichtig. 10.2.1 Das Argument, es handle sich dabei um eine rein binnenrechtliche Norm, welche von vornherein nicht einschlägig sei, da die Beschwerdeführerin nicht nach dem KVG versichert sei, greift im Rahmen der Sachleistungsaushilfe, die ein punktuelles Heranziehen der Bestimmungen zur schweizerischen obligatorischen Krankenpflegeversicherung vorsieht, gerade nicht. 10.2.2 Auch lässt sich nichts Gegenteiliges aus Art. 36 Abs. 5 KVV schliessen, worin der Vorbehalt der Bestimmungen über die internationale Leistungsaushilfe stipuliert wird. Zwar ist das Verhältnis von Art. 36 Abs. 2 KVV und der internationalen Leistungshilfe, wie in der Lehre verschiedentlich ausgeführt, nicht restlos geklärt (vgl. u.a. EUGSTER, Rechtsprechung, a.a.O., N. 39 zu Art. 34 KVG ; SILVIA BUCHER, Hospitalisation im europäischen Ausland, in: Ausserkantonale Hospitalisation: Eine Tür zu mehr Wettbewerb im Gesundheitswesen?, 2006, S. 47 f. Rz. 66 ff.). Aus der Botschaft vom 23. Juni 1999 zur Genehmigung der sektoriellen Abkommen zwischen der Schweiz und der EG ist ersichtlich, dass der Bundesrat davon ausging, der Versicherungsschutz der Versicherten würde sich mit der Einführung der internationalen Leistungsaushilfe verbessern BGE 146 V 152 S. 166 (BBl 1999 6128 ff., insb. 6154 Ziff. 1.4.7.3 und 6355 f. Ziff. 2.7.4.4). Diesen Willen des Verordnungsgebers gilt es im Rahmen der Auslegung von Art. 36 Abs. 5 KVV zu berücksichtigen. Sinn und Zweck des in der Bestimmung statuierten Vorbehalts der internationalen Leistungsaushilfe ist daher darin zu sehen, dass damit eine Verbesserung - sicher aber keine Verschlechterung - des Versicherungsschutzes bei Auslandsbehandlung angestrebt wird. Der aushelfende Mitgliedstaat hat in keinem Fall mehr oder anderes zu leisten, als sein System für die eigenen Bürger vorsieht (vgl. EUGSTER, Krankenversicherung, a.a.O., S. 582 Rz. 566), aber eben auch nicht weniger. Der Regelung von Art. 36 Abs. 2 KVV betreffend Übernahme der Kosten von Notfallbehandlungen im Ausland kann daher nicht mit der Begründung die Anwendung versagt werden, sie würde durch die internationale Leistungsaushilfe gänzlich verdrängt. Art. 36 Abs. 5 KVV ist vielmehr so zu verstehen, dass das nationale Recht nur insofern der internationalen Leistungsaushilfe zu weichen hat, als sich diese als das für die betroffene Person günstigere Recht erweist. Die koordinationsrechtlichen Verordnungen stehen einer Anwendung von Art. 36 Abs. 2 KVV mithin nicht entgegen, wenn der Anspruch auf Leistungen aus nationalem Recht gleich hoch oder höher ist als der, den die betroffene Person hätte, wenn die Erstattung der Kosten unter den Voraussetzungen der Sachleistungsaushilfe gemäss Koordinationsrecht erfolgt wäre (zur Thematik u.a. EUGSTER, Rechtsprechung, a.a.O., N. 40 f. zu Art. 34 KVG ). 10.3 Nach dem Dargelegten ist die in Art. 36 Abs. 2 KVV vorgesehene Kostenübernahme von notfallmässigen Behandlungen im Ausland im Rahmen der Sachleistungsaushilfe grundsätzlich auch auf die Beschwerdeführerin anwendbar. Die obligatorische Krankenpflegeversicherung wird daher für die in Dubai angefallenen Behandlungskosten aushilfsweise leistungspflichtig, sofern ein Notfall gemäss der Bestimmung vorliegt. Dies wurde bislang nicht geprüft. Insbesondere nicht geäussert haben sich Beschwerdegegnerin und Vorinstanz namentlich zu den Merkmalen der Unaufschiebbarkeit der Behandlung aus medizinischen Gründen und der Unangemessenheit der Rückkehr in die Schweiz (siehe etwa Urteile 9C_566/ 2010 vom 25. Februar 2011 E. 4.2 sowie des Eidg. Versicherungsgerichts K 24/04 vom 20. April 2005 E. 4.2 und K 65/03 vom 5. August 2003 E. 2.2; ferner EUGSTER, Rechtsprechung, a.a.O., N. 8 zu Art. 34 KVG ). Ein Notfall wird in der Regel durch eine plötzlich auftretende, nicht vorhersehbare Behandlungsnotwendigkeit BGE 146 V 152 S. 167 ausgelöst (Urteile 9C_202/2015 vom 26. Juni 2015 E. 3.2 und 9C_11/ 2007 vom 4. März 2008 E. 3.2 sowie des Eidg. Versicherungsgerichts K 65/03 vom 5. August 2003 E. 2.2; weitere Hinweise in EUGSTER, Rechtsprechung, a.a.O., N. 8 zu Art. 34 KVG ). Die Sache ist zur entsprechenden Beurteilung an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen. Diese wird dabei insbesondere auch die letztinstanzlich eingereichten Unterlagen der Beschwerdeführerin zu berücksichtigen haben. Mit dieser Vorgehensweise bleiben den Parteien sämtliche Rechte, insbesondere auch der Anspruch auf den doppelten Instanzenzug ( BGE 125 V 413 E. 2c S. 417 mit Hinweisen; Urteile 9C_263/2017 vom 21. März 2018 E. 7.2.3.2, nicht publ. in: BGE 144 V 127 , aber in: SVR 2018 KV Nr. 14 S. 82, und 9C_154/2014 vom 3. September 2014 E. 2.2), gewahrt.
de
c6f0dd0a-b9d6-4373-a96c-050904d3f590
Sachverhalt ab Seite 2 BGE 143 V 1 S. 2 A. Mit Mitteilungen vom 27. und 30. Juli 2012 sprach die IV-Stelle des Kantons Zürich A. medizinische Massnahmen für die Behandlung der Geburtsgebrechen Ziff. 344 und 346 ab 24. Juli 2011 (Geburt) bis 31. Juli 2031 (Vollendung 20. Altersjahr) zu. 2013 zog die Familie nach Deutschland. Mit Verfügung vom 4. Dezember 2013 verneinte die nunmehr zuständige IV-Stelle für Versicherte im Ausland IVSTA den Anspruch von A. auf Eingliederungsmassnahmen wegen Fehlens der versicherungsmässigen Voraussetzungen ab dem Zeitpunkt seiner Ausreise (30. Juni 2013). B. Auf Beschwerde hin hob das Bundesverwaltungsgericht, Abteilung III, mit Entscheid vom 26. Juli 2016 die Verfügung vom 4. Dezember 2013 auf und sprach A. über den 30. Juni 2013 hinaus medizinische Massnahmen zu. C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt die IVSTA, der Entscheid vom 26. Juli 2016 sei aufzuheben und die Verfügung vom 4. Dezember 2013 wiederherzustellen. (...) Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut. (Auszug) BGE 143 V 1 S. 3 Erwägungen Aus den Erwägungen: 5. 5.1 Das Bundesgericht hat in einer sachverhaltsmässig vergleichbaren Konstellation entschieden, Art. 9 Abs. 2 IVG , welcher die Kinder von in der Schweiz tätigen Grenzgängern von der Unterstellung unter die schweizerische Invalidenversicherung ausnehme, halte sich im Rahmen der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbstständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (AS 2004 121; nachfolgend: VO 1408/71), verstosse insbesondere nicht gegen das Gleichbehandlungsgebot von Art. 3 Abs. 1 der Verordnung ( BGE 142 V 538 ). Dies führte zur Aufhebung des in E. 4.1 hiervor erwähnten Entscheids der Vorinstanz C-6261/2013 vom 22. März 2016. In E. 6 hat das Bundesgericht u.a. Folgendes erwogen: (...) 5.2 5.2.1 Die VO 1408/71 hatte für die Schweiz bis 31. März 2012 Geltung und wurde durch die vorliegend anwendbare Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (SR 0.831.109.268.1; nachfolgend: VO 883/2004) ersetzt (vgl. BGE 138 V 392 E. 4.1.3 S. 396). Die besonderen Vorschriften zu den Leistungen bei Krankheit und Mutterschaft für Arbeitnehmer und Selbstständige sowie deren Familienangehörige (Titel III Kapitel 1, Abschnitt 2, Art. 19 ff. VO 1408/71) finden sich neu unter den besonderen Bestimmungen über die Leistungen bei Krankheit [Art. 3 Abs. 1 Bst. a] sowie Leistungen bei Mutterschaft und gleichgestellte Leistungen bei Vaterschaft für Versicherte und ihre Familienangehörigen mit Ausnahme von Rentnern und deren Familienangehörigen (Titel III Kapitel 1, Abschnitt 1, Art. 17 ff. VO 883/2004). Art. 17 mit der Überschrift "Wohnort in einem anderen als dem zuständigen Mitgliedstaat" lautet wie folgt: "Ein Versicherter oder seine Familienangehörigen, die in einem anderen als dem zuständigen Mitgliedstaat wohnen, erhalten in dem Wohnmitgliedstaat Sachleistungen, die vom Träger des Wohnorts nach den für ihn geltenden Rechtsvorschriften für Rechnung des zuständigen Trägers erbracht werden, als ob sie nach diesen Rechtsvorschriften versichert wären". Art. 18 mit der Überschrift "Aufenthalt in dem zuständigen Mitgliedstaat, wenn sich der Wohnort in einem anderen Mitgliedstaat befindet - BGE 143 V 1 S. 4 Besondere Vorschriften für die Familienangehörigen von Grenzgängern" hält fest: "(1) Sofern in Absatz 2 nichts anderes bestimmt ist, haben der in Artikel 17 genannte Versicherte und seine Familienangehörigen auch während des Aufenthalts in dem zuständigen Mitgliedstaat Anspruch auf Sachleistungen. Die Sachleistungen werden vom zuständigen Träger für dessen Rechnung nach den für ihn geltenden Rechtsvorschriften erbracht, als ob die betreffenden Personen in diesem Mitgliedstaat wohnen würden. (2) Die Familienangehörigen von Grenzgängern haben Anspruch auf Sachleistungen während ihres Aufenthalts im zuständigen Mitgliedstaat. Ist dieser Mitgliedstaat jedoch in Anhang III aufgeführt, haben die Familienangehörigen von Grenzgängern, die im selben Mitgliedstaat wie der Grenzgänger wohnen, im zuständigen Mitgliedstaat nur unter den Voraussetzungen des Artikels 19 Absatz 1 Anspruch auf Sachleistungen". 5.2.2 Ein Vergleich dieser Bestimmungen mit Art. 19 und 20 VO 1408/71 (vgl. E. 5.1 hiervor [ BGE 142 V 538 E. 6.3.2.1 S. 543]) zeigt Folgendes (zum Ganzen KARL-JÜRGEN BIEBACK, in: Europäisches Sozialrecht, Maximilian Fuchs [Hrsg.], 5. Aufl. 2010, N. 1 zu Art. 17, N. 1 und 3 zu Art. 18 VO 883/2004): Art. 17 VO 883/2004 entspricht weitgehend Art. 19 Abs. 1 VO 1408/71. Sodann stimmt Art. 18 Abs. 1 VO 883/2004 insoweit mit Art. 20 erster und zweiter Satz VO 1408/71 überein, dass sie (auch) den Grenzgängern ein Wahlrecht geben, Leistungen namentlich bei Krankheit nicht nur am Wohnort, sondern auch am Beschäftigungsort in Anspruch zu nehmen, wenn sie sich dort aufhalten. Hingegen hat Art. 18 Abs. 2 VO 883/2004 insofern eine bedeutsame Änderung gegenüber Art. 20 dritter Satz VO 1408/71 gebracht, als neu das Wahlrecht der Familienangehörigen, d.h. deren Anspruch auf Sachleistungen während des Aufenthalts im zuständigen Mitgliedstaat - von der hier nicht interessierenden einen Ausnahme abgesehen - nicht mehr beschränkt ist. Insbesondere muss eine allgemeine Gleichstellung mit dem Grenzgänger nicht notwendigerweise in einem besonderen Abkommen zwischen Mitgliedstaaten geregelt worden sein. Eine solche Vereinbarung stellte Ziff. 4 Anhang VI (Schweiz) VO 1408/71 dar. Danach galt u.a. für die Personen, die in Deutschland wohnten, jedoch in der Schweiz für Krankenpflege versichert waren, bei einem Aufenthalt in der Schweiz Art. 20 erster und zweiter Satz VO 1408/71 sinngemäss. BGE 143 V 1 S. 5 5.2.3 Die VO 883/2004 setzt somit im Unterschied zur VO 1408/71 selber keinen Grund, der den Ausschluss von Familienangehörigen von in der Schweiz erwerbstätigen Grenzgängern von Leistungen der schweizerischen Invalidenversicherung, insbesondere medizinische Massnahmen für die Behandlung von Geburtsgebrechen ( Art. 13 IVG ), im Lichte des neu in Art. 4 verankerten in der Substanz jedoch unveränderten Grundsatzes der Gleichbehandlung bzw. des Verbots von Diskriminierung zu rechtfertigen vermöchte. Hingegen enthält auch die neue Verordnung keine Vorschrift, wonach grundsätzlich alle Versicherungszweige im zuständigen Mitgliedstaat, welche die Kosten für bestimmte gleiche Sachleistungen übernehmen, im Wahlrecht der Familienangehörigen des Grenzgängers stehen. Dagegen spricht auch Folgendes (vgl. BGE 135 V 339 E. 5.3 S. 349 zur Auslegung der beiden Abkommen): Art. 18 Abs. 1 VO 883/2004 steht unter dem Vorbehalt von Abs. 2, welcher im ersten Satz als Regel festhält, dass die Familienangehörigen von Grenzgängern Anspruch auf Sachleistungen während ihres Aufenthalts im zuständigen Mitgliedstaat haben, und im zweiten Satz eine Ausnahme formuliert. Im Unterschied zu Abs. 1 fehlt in Abs. 2 als lex specialis jedoch der Zusatz "als ob die betreffenden Personen in diesem Mitgliedstaat wohnen würden". Dieser Umstand ist bedeutsam, da der Verordnungsgeber in Art. 18 Abs. 2 VO 883/2004 einfach den einzigen die Familienangehörigen von Grenzgängern betreffenden Ausnahmetatbestand hätte normieren können. Das hat er indessen nicht getan, sondern nochmals den grundsätzlichen Anspruch dieser Personen auf Sachleistungen während ihres Aufenthalts im zuständigen Mitgliedstaat festgehalten. Abgesehen davon ist es nicht Sinn und Zweck des vom FZA (SR 0.142.112.681) übernommenen Gemeinschaftsrechts im Bereich soziale Sicherheit, die Unterstellung unter eine bestimmte Versicherung, ganz oder in Bezug auf bestimmte Leistungen, gleichsam zu erzwingen. Dieses will koordinieren, nicht harmonisieren. Die Mitgliedstaaten bestimmen grundsätzlich, unter welchen Voraussetzungen ein Recht auf Unterstellung unter eine Versicherung oder eine Verpflichtung hierzu besteht und Leistungen gewährt werden ( BGE 142 V 538 E. 6.3.2.3 S. 545; BGE 140 V 98 E. 9.3 S. 107; BGE 134 V 428 E. 3.1 S. 431). Sie dürfen diese rechts- und sozialpolitische Gestaltungsfreiheit jedoch nicht zielgerichtet einsetzen, um Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten gegenüber eigenen zu benachteiligen (EBERHARD EICHENHOFER, in: Europäisches Sozialrecht, Maximilian Fuchs [Hrsg.], 5. Aufl. 2010, N. 9 zu Art. 4 VO 883/2004; BGE 140 V 98 E. 9.3 S. 107). BGE 143 V 1 S. 6 5.2.4 Die hier in Frage stehende Behandlung von Geburtsgebrechen fällt in den Leistungsbereich sowohl der Invalidenversicherung als auch der Krankenversicherung. Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, von in der Schweiz erwerbstätigen Grenzgängern sind im Unterschied zu diesen nicht der Invalidenversicherung unterstellt ( Art. 1b IVG i.V.m. Art. 1a Abs. 1 lit. a e contrario und lit. b AHVG); für sie wie auch für diese gilt jedoch die Versicherungspflicht in der schweizerischen Krankenversicherung (von der Möglichkeit der Befreiung haben die Eltern des Beschwerdegegners keinen Gebrauch gemacht; Nr. 3 Bst. a Ziff. i und iv Anhang XI [Schweiz] VO 883/2004 sowie Art. 1 Abs. 2 lit. d KVV [SR 832.102] i.V.m. Art. 3 Abs. 3 lit. a KVG ; Urteil 9C_801/2014 vom 10. März 2015, in: SVR 2015 KV Nr. 20 S. 80). Gemäss Vorinstanz stellt es eine mit Art. 4 VO 883/2004 nicht vereinbare (indirekte) Diskriminierung dar, dass der Beschwerdegegner sich nach der schweizerischen Krankenversicherungsgesetzgebung allenfalls an den Kosten der Behandlung seiner Geburtsgebrechen zu beteiligen habe. Durch den (für die Unterstellung unter die IV) vorausgesetzten inländischen Wohnort würden im Ergebnis Staatsangehörige eines Mitgliedstaats der EU besonders beeinträchtigt, weil sie vermehrt als Grenzgänger in der Schweiz tätig seien. Eine Bestimmung des Landesrechts ist als indirekt diskriminierend im Sinne von Art. 4 VO 883/2004 zu betrachten, wenn sie ihrer Natur nach geeignet ist, die Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten stärker zu beeinträchtigen als die eigenen Bürger, und wenn folglich die Gefahr besteht, dass insbesondere die Ersteren benachteiligt werden. Dies ist der Fall bei einer Voraussetzung, die durch inländische Arbeitnehmer leichter erfüllt werden kann als durch Wanderarbeitnehmer. Anderes gilt, wenn die betreffende Bestimmung objektiv gerechtfertigt und in Bezug auf das anvisierte Ziel verhältnismässig ist ( BGE 136 V 182 E. 7.1 S. 191 f. mit Hinweisen). 5.2.4.1 In der Schweiz erwerbstätige Grenzgänger sind in der überwiegenden Mehrheit - gemäss Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) rund 95 % - Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten. Sie bzw. ihre ebenfalls nicht in der Schweiz wohnenden Kinder sind vom Ausschluss von medizinischen Massnahmen zur Behandlung von Geburtsgebrechen nach Art. 13 IVG jedenfalls dann stärker betroffen als die hier lebenden Kinder, wenn im Wohnmitgliedstaat (hier: Deutschland) keine mit der schweizerischen IV nach BGE 143 V 1 S. 7 Unterstellung, Finanzierung und Leistungen vergleichbare Versicherung besteht und die dortige Krankenversicherung, für welche ein Optionsrecht besteht (Nr. 3 Bst. a Ziff. i und iv Anhang XI [Schweiz] VO 883/2004), ebenfalls eine Kostenbeteiligung der Versicherten vorsieht, oder wenn die Prämien bedeutend höher sind als in der Schweiz. Wie es sich vorliegend damit verhält, kann offenbleiben. 5.2.4.2 Wie der Beschwerdegegner festhält, geht es nicht um eine gänzliche Unterstellung unter die schweizerische Invalidenversicherung, sondern lediglich in Bezug auf medizinische Massnahmen nach Art. 13 IVG . Diese Vorkehren sind auf die Behandlung von Geburtsgebrechen an sich gerichtet, unabhängig von der Möglichkeit einer Eingliederung ins Erwerbsleben oder in den Aufgabenbereich ( Art. 8 Abs. 2 IVG ; SILVIA BUCHER, Eingliederungsrecht der Invalidenversicherung, 2011, S. 128 ff. Rz. 198 ff.). Die Ordnung der medizinischen Massnahmen nach Art. 13 IVG stellt somit sachlich eine (obligatorische eidgenössische) Krankenpflegeversicherung für Geburtsgebrechen im Rechtssinne dar (MEYER/REICHMUTH, Bundesgesetz über die Invalidenversicherung [IVG], 3. Aufl. 2014, N. 11 zu Art. 13 IVG ). Bereits dieser Umstand lässt Art. 9 Abs. 2 IVG bzw. die Beschränkung des Wahlrechts in Bezug auf medizinische Massnahmen nach Art. 13 IVG der nicht in der Schweiz wohnenden Kinder von hier als Grenzgänger erwerbstätigen Eltern auf die Krankenversicherung objektiv als gerechtfertigt erscheinen. Es kommt - umgekehrt - dazu, dass die Behebung oder Milderung der als Folge eines Geburtsgebrechens eingetretenen Beeinträchtigung, was solche Vorkehren bezwecken ( BGE 115 V 202 E. 4e/cc S. 205; Urteil 8C_664/2014 vom 21. Mai 2015 E. 2.2), mittelbar auch der Eingliederung ins Erwerbsleben oder in den Aufgabenbereich dient, indem die dazu erforderlichen gesundheitlichen Voraussetzungen erhalten oder verbessert werden und dadurch das Invaliditätsrisiko vermindert wird. Wie das BSV in seiner Vernehmlassung vorbringt, erfüllten jedoch die wenigsten Grenzgängerkinder (frühestens nach vollendetem 18. Altersjahr; Art. 29 Abs. 1 IVG ) die versicherungsmässigen Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Rente der schweizerischen Invalidenversicherung (vgl. Art. 6 Abs. 2, Art. 9 Abs. 3, Art. 36 Abs. 1 und Art. 39 IVG sowie Art. 24 Anhang I FZA ), weshalb es zu vermeiden gelte zu versuchen, sie hier (medizinisch und beruflich) einzugliedern. Der Umstand, dass Kinder, welche die schweizerische Staatsbürgerschaft besitzen, im Unterschied zu ausländischen Kindern sich jederzeit in der Schweiz niederlassen BGE 143 V 1 S. 8 können, wie der Beschwerdegegner einwendet, ist schon aus Gründen der Gleichbehandlung nicht von Bedeutung. Sodann beträgt die Kostenbeteiligung von Kindern im Rahmen der schweizerischen Krankenversicherung jährlich maximal Fr. 350.- ( Art. 64 Abs. 4 KVG und Art. 103 Abs. 2 KVV ). Dies ergibt für die Dauer, für welche bei gegebenen Voraussetzungen Anspruch auf medizinische Massnahmen zur Behandlung von Geburtsgebrechen besteht (bis zum vollendeten 20. Altersjahr; Art. 13 Abs. 1 IVG ), den "nicht ganz kleinen Betrag" von Fr. 7'000.-, wie der Beschwerdegegner bemerkt. Zu beachten ist jedoch, was er unerwähnt lässt, dass die obligatorische Krankenpflegeversicherung die Kosten für Leistungen übernimmt, die der Diagnose oder Behandlung einer Krankheit und ihrer Folgen dienen ( Art. 25 Abs. 1 KVG ). Darunter fallen bei weitem nicht nur Geburtsgebrechen im Sinne der Invalidenversicherung. Als solche gelten lediglich diejenigen Krankheiten, die bei vollendeter Geburt bestehen ( Art. 3 Abs. 2 ATSG ) und in der Liste im Anhang zur Verordnung vom 9. Dezember 1985 über Geburtsgebrechen (GgV; SR 831.232.21; nachfolgend: Anhang GgV) aufgeführt sind ( Art. 13 IVG ; vgl. Urteil 9C_418/2016 vom 4. November 2016 E. 6.1). Der Selbstbehalt lässt sich somit nicht ohne Weiteres, allenfalls sogar nur zu einem kleinen Teil oder überhaupt nicht, der Behandlung der Geburtsgebrechen (hier: Ziff. 344 und 346 Anhang GgV) zuordnen. Unter diesen Umständen kann die Kostenbeteiligung (von jährlich maximal Fr. 350.-) als Folge des Ausschlusses der nicht in der Schweiz wohnenden Kinder von hier als Grenzgänger erwerbstätigen Eltern von medizinischen (Eingliederungs-)Massnahmen der Invalidenversicherung bzw. der Beschränkung des Wahlrechts in Bezug auf diese Sachleistungen nach Art. 3 Abs. 1 Bst. a und Art. 18 Abs. 2 VO 883/2004 auf die schweizerische Krankenversicherung nicht als unverhältnismässig bezeichnet werden. Daraus ergibt sich die Vereinbarkeit dieser innerstaatlichen Regelung der Leistungszuständigkeit mit Art. 4 VO 883/2004. 5.3 Die Auffassung der Beschwerdeführerin, wonach die medizinischen Massnahmen für die Behandlung der Geburtsgebrechen nach Ziff. 344 und 346 Anhang GgV beim Beschwerdegegner nicht von der schweizerischen Invalidenversicherung übernommen werden, verletzt kein (Bundes- oder Abkommens-)Recht, was die Vorinstanz zu Unrecht anders gesehen hat. (...)
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Sachverhalt ab Seite 57 BGE 124 III 57 S. 57 Am 21. Dezember 1990 vermietete A. der B. SA Gewerberäumlichkeiten in den Liegenschaften X. und Y. in Fehraltorf. Das Mietverhältnis begann am 16. Februar 1991 und war unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sieben Monaten erstmals per 31. März 1996 kündbar. Ziffer 6a räumte der Mieterin nach Ablauf der festen Vertragsdauer eine Option auf Verlängerung des Mietvertrages um weitere fünf Jahre ein, die bis zum 31. März 1995 schriftlich ausgeübt werden musste, andernfalls sich der Vermieter vorbehielt, anderweitig über die Mietobjekte zu verfügen. Gemäss Ziffer 6 des Vertrages betrug der kostendeckende jährliche Mietzins insgesamt Fr. 589'740.--, wurde jedoch "im Sinne eines einmaligen Entgegenkommens des Vermieters gegenüber der Mieterin" bis zum 31. März 1996, also für die gesamte feste Vertragsdauer, auf Fr. 383'220.-- reduziert. Der Mietzins konnte ausserdem gemäss Ziffer 22 den Veränderungen des Landesindexes der Konsumentenpreise BGE 124 III 57 S. 58 angepasst werden. Für den Fall, dass die Mieterin die Option auf Verlängerung des Vertrages um weitere fünf Jahre ausüben sollte, galt gemäss Ziffer 6a ausdrücklich nicht mehr der reduzierte, sondern der als kostendeckend bezeichnete Mietzins von Fr. 589'740.--, angepasst an die seit 30. Juni 1990 eingetretene Veränderung des Landesindexes der Konsumentenpreise. Am 1. Januar 1995 belief sich der Mietzins nach verschiedenen, mit einem Anstieg des Landesindexes der Konsumentenpreise begründeten Anpassungen auf jährlich Fr. 442'494.--. Die B. SA machte von ihrem Recht auf Verlängerung des Mietvertrages um fünf Jahre keinen Gebrauch, doch setzten die Parteien das Mietverhältnis unbefristet fort. Mit Schreiben und amtlichen Formularen vom 28. Juli und 11. Dezember 1995 teilte A. seiner Mieterin unter Bezugnahme auf die Ziffern 6a und 22 des Mietvertrages mit, dass der Mietzins ab 1. April 1996 neu Fr. 693'152.-- zuzüglich Nebenkosten betrage. Die B. SA focht die Mietzinserhöhung bei der Schlichtungsbehörde in Mietsachen des Bezirkes Pfäffikon an. Nachdem vor der Schlichtungsstelle eine Einigung zwischen den Parteien nicht erzielt werden konnte, beantragte A. am 25. April 1996 dem Bezirksgericht Pfäffikon, es sei der mit Schreiben und amtlichen Formularen vom 28. Juli und 11. Dezember 1995 per 1. April 1996 angezeigte Mietzins von Fr. 693'152.-- als vertragsgemäss, nicht anfechtbar und allenfalls als nicht missbräuchlich zu erklären. Das Bezirksgericht wies die Klage am 12. Juli 1996 ab. Die dagegen erhobene Berufung wurde vom Obergericht des Kantons Zürich mit Beschluss vom 9. April 1997 ebenfalls abgewiesen. Das Bundesgericht weist die Berufung des Klägers ab und bestätigt den angefochtenen Entscheid. Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. a) Grundsätzlich kann ein einmal vereinbarter Mietzins während der festen Vertragsdauer von keiner Partei einseitig geändert werden. Eine Anpassung ist jeweils erst auf den nächstmöglichen Kündigungstermin zulässig ( Art. 269d und 270a OR ). Das Gesetz sieht mit der Indexierung ( Art. 269b OR ) und der Staffelung ( Art. 269c OR ) aber ausdrücklich zwei Anpassungsklauseln vor, die es erlauben, bereits bei Vertragsschluss bestimmte Änderungen des Mietzinses während einer festen Vertragsdauer im voraus zu vereinbaren. Voraussetzung ist, dass der Mietvertrag beim indexierten Mietzins für mindestens fünf, bei der Staffelmiete für mindestens BGE 124 III 57 S. 59 drei Jahre fest abgeschlossen wird. In diesem Zeitraum sind die Parteien an die vertraglich vorgesehene Anpassungsmöglichkeit gebunden: Unter Vorbehalt der Anfechtung des Anfangsmietzinses kann der Mieter bei indexierten Mietzinsen nur geltend machen, die Erhöhung sei durch keine entsprechende Änderung des Indexes gerechtfertigt ( Art. 270c OR ); bei gestaffelten Mietzinsen ist ihm eine Anfechtung der einzelnen Erhöhung überhaupt versagt ( Art. 270d OR ). Auf der andern Seite kann der Vermieter während der festen Vertragsdauer neben der Indexierung bzw. Staffelung grundsätzlich keine weiteren Erhöhungsgründe anrufen ( BGE 123 III 76 E. 4c S. 80; BGE 121 III 397 E. 2b/bb S. 402; BBl 1985 I S. 1480). Es ist deshalb ausgeschlossen, in einem Vertrag mit indexiertem Mietzins zusätzlich zum Anstieg des Landesindexes der Konsumentenpreise weitere Erhöhungsfaktoren vorzusehen, es sei denn, die Erhöhung sei durch entsprechende Mehrleistungen des Vermieters gerechtfertigt und der Mietvertrag sehe diese Möglichkeit ausdrücklich vor (Urteil des Bundesgerichts vom 16. Februar 1994, E. 2d/bb, in: SJ 1994, S. 487; BBl a.a.O., S. 1486; DAVID LACHAT, Le bail à loyer, Lausanne 1997, Rz. 2.1.2 und 2.2.5, S. 336 und 338 f.; DAVID LACHAT/DANIEL STOLL, Das neue Mietrecht für die Praxis, 3. Aufl., Zürich 1992, S. 259; ELMAR GRATZ, Mietzinsgestaltung, Zürich 1995, S. 112; SVIT-Kommentar Mietrecht, Zürich 1991, N. 25 ff. zu Art. 269b OR ). Daraus folgt, dass jedenfalls eine Kumulation von Index- und Staffelungsklausel unzulässig ist (WEBER/ZIHLMANN, in: Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, 2. Aufl., Basel 1996, N. 4 zu Art. 269c OR ; LACHAT, a.a.O., S. 339; LACHAT/STOLL, a.a.O., S. 259; SVIT-Kommentar, a.a.O., N. 14 zu Art. 269c OR ; a.M. RICHARD BARBEY, L'arrêté fédéral instituant des mesures contre les abus dans le secteur locatif, Lausanne 1984, S. 106 [noch zum alten Recht]; WERNER PORTNER, Wegleitung zum neuen Mietrecht, 2. Aufl., Bern 1992, S. 137). b) Das Obergericht hat die Vertragsbestimmungen, wonach der Mietzins während fünf Jahren Fr. 383'220.--, später Fr. 589'740.-- betragen soll, zu Recht als Staffelungsvereinbarung qualifiziert. Daran ändert weder der Umstand, dass im vorliegenden Fall nur eine einmalige Mietzinsanpassung vorgesehen war (vgl. BGE 121 III 397 E. 2b/aa S. 400 mit Hinweisen), noch die Ausgestaltung als zeitlich befristete Reduktion eines höheren, angeblich kostendeckenden Mietzinses etwas (LACHAT, a.a.O., Rz. 3.2.2, S. 342 f.). Zusätzlich zu dieser Staffelungsklausel sieht der Mietvertrag in Ziffer 22 vor, dass der Mietzins bei einer Veränderung des Landesindexes der BGE 124 III 57 S. 60 Konsumentenpreise angepasst werden kann. Der Kläger hat denn auch unter Berufung auf diese Vertragsbestimmung den Mietzins mehrmals auf zuletzt Fr. 442'494.-- pro Jahr erhöht. Ist der Mietvertrag aber bereits mit einer Indexklausel versehen und gestützt darauf der Mietzins angepasst worden, bleibt für eine zusätzliche Staffelungsvereinbarung - wie überhaupt für weitere Erhöhungsfaktoren - nach dem Gesagten grundsätzlich kein Raum (E. 3a hiervor). Die Vorinstanz hat deshalb die auf die Staffelungsklausel gestützte Mietzinserhöhung des Klägers angesichts der Kumulation mit der Indexierung bundesrechtskonform für unzulässig erklärt. Ungültig ist die letzte Mietzinserhöhung des Klägers ferner auch, soweit sie sich auf einen Anstieg des Landesindexes der Konsumentenpreise stützt. Denn wird ein ursprünglich auf fünf Jahre abgeschlossener Mietvertrag nach Ablauf der festen Vertragsdauer stillschweigend oder ausdrücklich als unbefristetes Mietverhältnis fortgesetzt, fällt die Indexierung dahin, es sei denn, der Vermieter sei auch in der folgenden Periode fünf Jahre gebunden ( BGE 123 III 76 E. 4a S. 77 f. mit Hinweisen; BGE 109 II 55 E. 2b S. 58 e contrario). c) Der Kläger wirft der Vorinstanz in diesem Zusammenhang eine Verletzung von Art. 20 Abs. 2 OR vor. Er macht geltend, die Parteien hätten in Kenntnis der Unzulässigkeit einer Kumulation der beiden Anpassungsklauseln auf die Indexierung verzichtet und stattdessen an der Staffelung festgehalten. Gemäss Art. 20 Abs. 2 OR sind, sofern ein Mangel bloss einzelne Teile des Vertrages betrifft, nur diese nichtig, sobald nicht anzunehmen ist, dass er ohne den nichtigen Teil überhaupt nicht geschlossen worden wäre. Es ist danach zu fragen, welche Vereinbarung die Parteien unter den konkreten Umständen in Kenntnis des Mangels getroffen hätten ( BGE 120 II 35 E. 4a S. 41; BGE 114 II 159 E. 2c S. 164; BGE 107 II 216 E. 3a S. 218, 419 E. 3b S. 424 f.; KRAMER, Berner Kommentar, Bern 1991, N. 348 ff. zu Art. 20 OR ; HUGUENIN, in: Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, 2. Aufl., Basel 1996, N. 63 f. zu Art. 19/20 OR). Massgeblich ist dabei der Zeitpunkt des Vertragsschlusses (KRAMER, a.a.O., N. 367 zu Art. 19/20 OR). Für die Annahme eines hypothetischen Parteiwillens, wie er vom Kläger behauptet wird, fehlt im vorliegenden Fall allerdings jeder Anhaltspunkt, standen ihm doch für den Fall, dass die Beklagte die Option auf Verlängerung des Mietverhältnisses um weitere fünf Jahre nicht ausüben würde, von Anfang an mehrere Vorgehensweisen offen: Er konnte auf eine Fortsetzung des Mietverhältnisses mit der Beklagten verzichten und die betreffenden Räumlichkeiten anderweitig zu BGE 124 III 57 S. 61 neuen Konditionen vermieten oder aber auf das Ende der festen Vertragsdauer den Mietzins im Rahmen der Bestimmungen von Art. 269 ff. OR erhöhen. Insbesondere aber hatte er die Möglichkeit, bei einer Fortsetzung des Mietverhältnisses mit der Beklagten den künftigen Mietzins auf der Grundlage der absoluten Methode festzulegen und sich in diesem Rahmen namentlich auf die Erzielung einer kostendeckenden Bruttorendite gemäss Art. 269a lit. c OR zu berufen. Weil bei einem Mietvertrag mit Indexklausel der Mieter nicht in guten Treuen davon ausgehen kann, der am Ende der festen Vertragsdauer zuletzt geltende Mietzins sichere dem Vermieter in jedem Fall einen angemessenen Ertrag aus der Mietsache, hat der Vermieter die Wahl, bei der Berechnung des künftigen Mietzinses nach der relativen oder der absoluten Methode vorzugehen ( BGE 123 III 76 E. 4c S. 81 f.). Die Befürchtung des Klägers, sein "einmaliges und befristetes Entgegenkommen" werde zu einem unbefristeten, ist somit unbegründet. Angesichts dieser Rechtslage wäre aber eine hypothetische Vertragsgestaltung, wie sie der Kläger behauptet, mit seinen eigenen Interessen geradezu in Widerspruch gestanden: Ein Verzicht auf die Indexierung des Mietzinses beim Abschluss des Mietvertrages zugunsten einer Staffelungsklausel hätte ihm keine Vorteile eingeräumt, die er nicht ohnehin hatte.
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Sachverhalt ab Seite 24 BGE 138 II 23 S. 24 A. Das Kloster Einsiedeln ist Eigentümerin der Insel Ufenau. Die Insel liegt im oberen Bereich des Zürichsees, auf dem Gebiet der Gemeinde Freienbach (Kat. Nr. 768), ausserhalb der Bauzone. Sie ist ca. 600 m lang und ca. 250 m breit. Es finden sich darauf die ehemalige Pfarrkirche St. Peter und Paul, die Kapelle St. Martin, das Haus "zu den zwei Raben" (ein Gutshof mit Gastwirtschaft), ein Aussichtshäuschen und Schiffsstege. Das Kloster Einsiedeln reichte vier inhaltlich zusammenhängende Baugesuche ein, welche im Amtsblatt vom 11. September 2009 publiziert wurden: 1. Abbruch der Anbauten am Haus zu den zwei Raben, Umbau und Restaurierung des Barockbaus, Aufbau einer Dachlukarne; 2. Ersatzbaute für den Gastwirtschaftsbetrieb (Sommerrestaurant); 3. Umbau und Erweiterung des Weidstalls mit teilweiser Umnutzung (Einbau einer Kühlzelle); 4. Ver- und Entsorgungsanlage für die Bauvorhaben. Zudem reichte das Kloster Einsiedeln beim kantonalen Umweltdepartement ein Konzessionsgesuch für die Entnahme von Grundwasser ein (zum Betrieb einer Wärmepumpenanlage). Sowohl gegen die Baugesuche als auch gegen das Konzessionsgesuch wurden von verschiedenen Seiten Einsprachen erhoben. Mit Entscheid vom 7. September 2010 trat der Regierungsrat des Kantons Schwyz im Wesentlichen auf die Einsprache gegen das Konzessionsgesuch nicht ein und erteilte die kantonale Baubewilligung für die vier Bauvorhaben unter Auflagen. Der Gemeinderat Freienbach beschloss daraufhin am 23. September 2010, auf gewisse Beschwerden nicht einzutreten und die andern abzuweisen. Er erteilte die kommunale Baubewilligung für die vier Bauvorhaben ebenfalls unter Auflagen. Der Beschluss des Regierungsrats und des Gemeinderats wurden gemeinsam eröffnet. Dagegen reichten drei der Einsprecher (der Schwyzer Heimatschutz, der Verein Ufenau ohne Neubau und die Organisation Aqua Viva) Beschwerde beim Regierungsrat ein. Dieser überwies die Angelegenheit als Sprungbeschwerde an das Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz. Mit Entscheid vom 14. April 2011 hiess das Verwaltungsgericht die Beschwerde gegen die Beschlüsse des Regierungsrats und des BGE 138 II 23 S. 25 Gemeinderats teilweise gut. Es hob den Beschluss des Regierungsrats insoweit auf, als damit auf die Einsprache gegen das Konzessionsgesuch mit entsprechenden Kostenfolgen nicht eingetreten worden war. Auf eine Rückweisung der Sache an den Regierungsrat verzichtete es jedoch, da sich der Regierungsrat auch inhaltlich mit der Beschwerde auseinandergesetzt hatte. Es entschied in der Folge über die gegen die Konzession gerichteten Rügen zusammen mit jenen gegen das Bauvorhaben direkt selber. Im Ergebnis erachtete es die Rügen als unbegründet und wies in dieser Hinsicht die Beschwerde ab. B. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht vom 26. Mai 2011 beantragt Aqua Viva, die Entscheide des Verwaltungsgerichts, des Regierungsrats und des Gemeinderats seien aufzuheben. Die Bewilligungen für das Sommerrestaurant und für die Änderungen am Haus zu den zwei Raben seien zu verweigern und die andern beiden Bauvorhaben seien zur Überarbeitung und Ergänzung an die Vorinstanzen zurückzuweisen. (...) Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut. Es hebt die Baubewilligung für das Sommerrestaurant auf und weist die weiteren Baugesuche zur neuen Beurteilung an den Regierungsrat zurück. (Auszug) Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Die Insel Ufenau gehört zur Moorlandschaft "Frauenwinkel", welche unter Nr. 351 im Anhang 1 zur Verordnung vom 1. Mai 1996 über den Schutz der Moorlandschaften von besonderer Schönheit und von nationaler Bedeutung (Moorlandschaftsverordnung; SR 451.35) figuriert. Sie bildet weiter Bestandteil des BLN-Objekts Nr. 1405 "Frauenwinkel-Ufenau-Lützelau" gemäss dem Anhang zur Verordnung vom 10. August 1977 über das Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler (VBLN; SR 451.11). Schliesslich wurde sie als Spezialfall auch ins Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS) aufgenommen (siehe Anhang zur Verordnung vom 9. September 1981 über das Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz [VISOS; SR 451.12]). 3. 3.1 Die Beschwerdeführerin wendet sich primär gegen den geplanten Neubau des Sommerrestaurants. Ein Neubau verletzt ihrer BGE 138 II 23 S. 26 Ansicht nach Art. 23d des Bundesgesetzes vom 1. Juli 1966 über den Natur- und Heimatschutz (NHG; SR 451), was sich insbesondere aus Abs. 2 lit. b dieser Bestimmung ergebe. Dem Vorhaben könne zudem keine nationale Bedeutung beigemessen werden. Daraus folge, dass ihm auch Art. 6 Abs. 2 NHG entgegenstehe. Schliesslich widerspreche der Neubau Art. 37a RPG (SR 700) und Art. 43 RPV (SR 700.1) sowie der kantonalen Verordnung vom 5. Mai 1980 zum Schutze des Frauenwinkels (SRSZ 722.111). 3.2 Das Verwaltungsgericht führt aus, gemäss Baugesuchsunterlagen bestehe das Sommerrestaurant aus einem nicht sichtbaren Untergeschoss von 84 m 2 und einem Erdgeschoss von 230 m 2 . Die mittlere Höhe des Erdgeschosses, welches von einer auskragenden Dachfläche in der Form eines Schiffsrumpfs oder Blatts (mit einer Gesamtfläche von 438 m 2 ) bedeckt werde, betrage 4.7 m. Das Sommerrestaurant solle rund 16 m nördlich hinter das Haus zu den zwei Raben zu stehen kommen. Die maximale Länge des Dachs betrage 39 m, die maximale Breite 16 m. Zum Charakter der Insel hält das Verwaltungsgericht fest, die Ufenau sei in verschiedener Hinsicht als Spezialfall zu würdigen. Erstens habe die Klostergemeinschaft den Tatbeweis erbracht, dass sie seit alters her den Charakter dieser Insel bewahren wolle. Zweitens ergebe sich die Schutzwürdigkeit nicht allein aus den landschaftlichen Aspekten und der Vegetation, sondern auch aus den hohen architekturhistorischen Qualitäten als alter römischer und christlicher Kultort. Drittens entspreche die Bewirtung von Gästen auf der Insel einer langen Tradition. Die Bestimmungen zum Moorschutz sehen laut Verwaltungsgericht kein apodiktisches Veränderungsverbot für alle Fälle vor. So habe das Bundesgericht im Urteil 1C_43/2010 vom 25. Oktober 2010 E. 3.2 im Zusammenhang mit Art. 23d NHG ausgeführt, die Ausdehnung der Bauzonen für Wohnbauten sei in Moorlandschaften, abgesehen von der Schliessung von Baulücken und der Arrondierung der Bauzonengrenzen, grundsätzlich ausgeschlossen. Damit habe es zum Ausdruck gebracht, dass im konkreten Einzelfall (bspw. bei einer Baulücke) in zurückhaltender Weise ein Eingriff in eine Moorlandschaft noch vertretbar sein könne. Es dränge sich die Schlussfolgerung auf, dass hier eine objektspezifische Konkretisierung des Schutzziels nach Art. 23c Abs. 1 NHG eine Ersatzlösung für den bisherigen Gastronomiebetrieb zulassen könne, sofern der BGE 138 II 23 S. 27 Eingriff zurückhaltend ausfalle und schutzzielverträglich sei. Für eine solche Annahme sprächen namentlich die Charakterisierung des Vorhabens als Spezialfall, der Umstand, dass schützenswerte Arten und Biotope sowie das Flachmoor im Osten nicht tangiert würden, und schliesslich die Platzierung hinter dem Haus zu den zwei Raben. Hinzu komme, dass das Sommerrestaurant als Ersatz für den Abbruch von Anbauten am Haus zu den zwei Raben diene. Der Abbruch mache sicherlich 80 % der sichtbaren Kubatur des Sommerrestaurants aus. Die Baugesuchstellerin habe zudem mit ihrem "Insel der Stille" genannten Konzept sichergestellt, dass der Charakter der Insel als Ort der Rast und Ruhe, der Demut und Bescheidenheit, nicht beeinträchtigt werde. Im Licht all dieser Aspekte erachtete das Verwaltungsgericht eine auf Art. 23d Abs. 1 und 2 NHG gestützte Baubewilligung für das Sommerrestaurant als zulässig. 3.3 Gemäss Art. 78 Abs. 5 BV sind Moore und Moorlandschaften von besonderer Schönheit und gesamtschweizerischer Bedeutung geschützt. Es dürfen darin weder Anlagen gebaut noch Bodenveränderungen vorgenommen werden. Ausgenommen sind Einrichtungen, die dem Schutz oder der bisherigen landwirtschaftlichen Nutzung der Moore und Moorlandschaften dienen. Art. 78 Abs. 5 BV sieht demnach ein absolutes Veränderungsverbot sowohl für Moore als auch für Moorlandschaften vor und lässt Ausnahmen nur zu, wenn sie dem Schutz oder der bisherigen landwirtschaftlichen Nutzung dienen. Dagegen treffen das NHG und das darauf gestützte Verordnungsrecht eine Unterscheidung zwischen Mooren (d.h. Moorbiotopen) und Moorlandschaften (siehe Art. 23b NHG ). Während bei Moorbiotopen neue landwirtschaftliche Nutzungen nur zulässig sind, wenn sie dem Schutzziel dienen, ersetzt Art. 23d NHG für Moorlandschaften das Kriterium der Schutzzieldienlichkeit durch dasjenige der Schutzzielverträglichkeit ( BGE 124 II 19 E. 5c S. 27; BGE 123 II 248 E. 3a/cc S. 252; je mit Hinweisen). In diesem Sinne lässt Art. 23d Abs. 1 NHG die Gestaltung und Nutzung von Moorlandschaften zu, soweit dies der Erhaltung der für die Moorlandschaften typischen Eigenheiten nicht widerspricht. Unter dieser Voraussetzung erklärt Abs. 2 derselben Bestimmung insbesondere für zulässig: "a. die land- und forstwirtschaftliche Nutzung; b. den Unterhalt und die Erneuerung rechtmässig erstellter Bauten und Anlagen; BGE 138 II 23 S. 28 c. Massnahmen zum Schutz von Menschen vor Naturereignissen; d. die für die Anwendung der Buchstaben a-c notwendigen Infrastrukturanlagen." Die Art. 23a ff. NHG über Moore und Moorlandschaften von besonderer Schönheit und von nationaler Bedeutung sind für das Bundesgericht massgebend ( Art. 190 BV ). Sie sind jedoch in einem Sinn auszulegen, der sie möglichst wenig vom absoluter formulierten Veränderungsverbot von Art. 78 Abs. 5 BV entfernt ( BGE 123 II 248 E. 3a/cc S. 253). Die Vorinstanz hält zu Recht fest, dass die Bestimmungen zum Moorschutz kein apodiktisches Veränderungsverbot für alle Fälle vorsehen. Zu allgemein formuliert ist jedoch die Aussage, das Bundesgericht habe im Urteil 1C_43/2010 vom 25. Oktober 2010 zum Ausdruck gebracht, dass im konkreten Einzelfall (bspw. bei einer Baulücke) in zurückhaltender Weise ein Eingriff in eine Moorlandschaft noch vertretbar sein könne. In jenem Fall ging es um eine kompakte, für gut zwei Dutzend Häuser Platz bietende, weitgehend überbaute Siedlung und es stellte sich die Frage, ob hinsichtlich einer Parzellenecke die erstmalige Einzonung in eine den Anforderungen des RPG entsprechende Bauzone zulässig sei. Das Bundesgericht hielt fest, dass die Ausdehnung der Bauzone für Wohnbauten in Moorlandschaften, abgesehen von der Schliessung von Baulücken und der Arrondierung der Bauzonengrenze, grundsätzlich ausgeschlossen ist (a.a.O., E. 3.2 und 3.3). Vorliegend geht es weder um die Schliessung einer Baulücke noch um die Arrondierung der Bauzonengrenze. Es bleibt somit bei der insofern klaren Vorgabe von Art. 23d Abs. 2 lit. b NHG (die Tatbestände von lit. a, c und d fallen offensichtlich ausser Betracht), wonach bei rechtmässig erstellten Bauten und Anlagen der Unterhalt und die Erneuerung, nicht aber eine Erweiterung zulässig ist (vgl. PETER M. KELLER, in: Kommentar NHG, 1997, N. 14 zu Art. 23d NHG ). Die Zulassung von Erweiterungen würde den verfassungsrechtlichen Rahmen sprengen. Ein entsprechender Antrag wurde im Rahmen der Gesetzesberatungen im Ständerat abgelehnt (vgl. den Antrag Küchler sowie die Voten Küchler, Bühler, Jagmetti und Cotti, AB 1992 S 619-621). Die Unzulässigkeit von Erweiterungen schliesst a fortiori den Bau neuer Gebäude aus (Urteile 1A.124/2003 vom 23. September 2003 E. 4.3, in: URP 2003 S. 731; 1A.14/1999 vom 7. März 2000 E. 3b, in: RDAF 2000 I S. 261; je mit Hinweisen). BGE 138 II 23 S. 29 Vorbehalten bleiben Anlagen oder Bauten, die dem Schutz der Moorlandschaft - direkt oder indirekt - dienen und damit schon nach Art. 78 Abs. 5 BV zulässig sind (Urteil 1A.124/2003 vom 23. September 2003 E. 4.4 mit Hinweis, in: URP 2003 S. 731). Das geplante Sommerrestaurant ist ein Neubau. Es ist zu Recht von keiner Seite behauptet worden, dieser Neubau diene dem Schutz der Moorlandschaft. Nach dem Gesagten widerspricht somit dessen Bewilligung Art. 23d NHG . Die betreffende Rüge der Beschwerdeführerin erweist sich als begründet und es kann offenbleiben, wie es sich in diesem Punkt mit den weiteren Rügen verhält. 4. 4.1 Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, der Abbruch des Anbaus am Haus zu den zwei Raben lasse sich nicht mit Art. 6 NHG vereinbaren. Das Gebäude sei samt Anbau ins ISOS aufgenommen worden und geniesse somit auch gesamthaft den Schutz von Art. 6 NHG . Ein gleich- oder höherwertiges Interesse von nationaler Bedeutung, welches gemäss Art. 6 Abs. 2 NHG ein Abweichen von der ungeschmälerten Erhaltung im Sinne des Inventars rechtfertigen könnte, bestehe nicht. Die Beschwerdeführerin weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der Anbau in seiner aktuellen Gestalt erst seit 1938/39 bestehe, dass es jedoch immer einen Anbau gegeben habe. Der Abbruch würde somit eine Fassade freilegen, die nie sichtbar gewesen sei. Nicht überzeugend sei sodann die Vermutung des Verwaltungsgerichts, die Eidgenössische Kommission für Denkmalpflege (EKD) habe auf eine Stellungnahme verzichtet, weil sie keine grundsätzlichen Einwendungen gegen den Rückbau habe. 4.2 Das Verwaltungsgericht führt aus, der Holzanbau von 1938/39 habe frühere, kleinere Holzanbauten abgelöst, die insbesondere für Abortanlagen und Brennholzlager dienten. Neben dieser Anbaute bestehe noch eine zweite auf der Ostseite, welche ebenfalls aus dem 20. Jahrhundert stamme. Der Bauherr beabsichtige im Wesentlichen, das der Pächterfamilie als Wohnhaus dienende Gebäude auf seine barocke Gestalt zurückzuführen und sämtliche Holzanbauten aus dem 20. Jahrhundert zu entfernen. Das Baugesuch beinhalte des Weiteren Nebenräume für den Gastronomiebetrieb (WCs für das Personal und für Rollstuhlfahrer etc.) und auf der Nordseite eine Dachlukarne. Die Eidgenössische Natur- und Heimatschutzkommission (ENHK) habe in ihrem Gutachten vom 29. Januar 2010 festgehalten, dass die BGE 138 II 23 S. 30 geplanten Massnahmen zu den landschaftlichen Schutzzielen nicht in Konflikt stünden. Angesichts der grundsätzlich negativen Beurteilung des Sommerrestaurants habe die ENHK in Absprache mit dem Präsidium der EKD auf deren Einbezug verzichtet. Eine Beurteilung der Bauvorhaben am Haus zu den zwei Raben habe jedoch die kantonale Denkmalpflege vorgenommen. Sie habe erwogen, dass nicht zwingend irgendein Holzvorbau bestehen müsse, auch wenn es zu verschiedenen Zeiten auf der Nordseite etwelche Holzanbauten gegeben habe. Der aktuelle Anbau besitze zudem keine architektonischen Qualitäten. Er wäre wegen seiner Dimensionen aus denkmalpflegerischer Sicht gar nicht bewilligungsfähig und es sei zu begrüssen, dass er abgebrochen werde. Der Stellungnahme der kantonalen Denkmalpflege folgend gelangte das Verwaltungsgericht zum Schluss, dass der Abbruch den Schutzzwecken förderlich ist. Im ISOS werde der Anbau von 1938/39 mit keinem Wort thematisiert. Auch auf den im ISOS abgedruckten Fotos trete er kaum in Erscheinung. Aus dem Verzicht der EKD auf eine Stellungnahme lasse sich zudem die Vermutung ableiten, dass diese keine grundsätzlichen Einwände gegen den Rückbau habe. Da somit nicht von einem Abweichen von den Schutzzielen im Sinne von Art. 6 NHG gesprochen werden könne, spiele es keine Rolle, ob das konkrete Bauvorhaben nationale Bedeutung aufweise oder nicht. 4.3 Die ENHK hielt in ihrem Gutachten vom 29. Januar 2010 zu den geplanten Veränderungen am Haus zu den zwei Raben fest, hinsichtlich der landschaftlichen Schutzziele bestünden keine Konflikte. Sie müssten jedoch in erster Linie aus denkmalpflegerischer Sicht und hinsichtlich des Schutzziels der Erhaltung der historischen Bausubstanz beurteilt werden. Zuständig für diese Beurteilung sei die EKD. Angesichts der grundsätzlich negativen Beurteilung des geplanten Sommerrestaurants habe die ENHK jedoch, in Absprache mit dem Präsidium der EKD, auf deren Einbezug verzichtet. 4.4 Im ISOS werden unter dem Titel "Qualifikation" (auf dem sogenannten "O-Blatt") die hohen architekturhistorischen Qualitäten der Ufenau als alter römischer und christlicher Kultort mit zwei überdurchschnittlich gut erhaltenen romanischen Kirchen hervorgehoben. Der Holzanbau von 1938/39 wird nicht eigens erwähnt. Nicht eigens erwähnt wird indessen auch das Haus zu den zwei Raben selbst, woraus ersichtlich wird, dass dies für die Schutzwürdigkeit nicht ausschlaggebend ist. Das Haus zu den zwei Raben wird BGE 138 II 23 S. 31 denn auch auf dem "L-Blatt" in seiner Gesamtheit aufgeführt; störende Elemente sind nicht verzeichnet. Das Erhaltungsziel wird mit "A" angegeben, wobei dies das Erhalten der Substanz (d.h. das integrale Erhalten aller Bauten, Anlageteile und Freiräume sowie die Beseitigung störender Eingriffe) bedeutet. Vor diesem Hintergrund geht es nicht an, wenn die Vorinstanz den Abbruch der Anbaute als Beseitigung eines störenden Eingriffs und als begrüssenswert bezeichnet. Gemäss Art. 7 NHG obliegt die Beurteilung, ob ein Gutachten einer eidgenössischen Kommission i.S.v. Art. 25 Abs. 1 NHG einzuholen ist, der kantonalen Fachstelle, wenn für die Erfüllung einer Bundesaufgabe der Kanton zuständig ist (Abs. 1). Die Begutachtung ist obligatorisch, wenn bei der Erfüllung der Bundesaufgabe ein Objekt, das in einem Inventar des Bundes nach Art. 5 NHG aufgeführt ist, erheblich beeinträchtigt werden kann oder sich in diesem Zusammenhang grundsätzliche Fragen stellen. In diesem Fall verfasst die Kommission zuhanden der Entscheidbehörde ein Gutachten, in dem sie angibt, ob das Objekt ungeschmälert zu erhalten oder wie es zu schonen ist (Abs. 2). Das Ortsbild "Ufenau" kann durch den geplanten Abbruch der gross dimensionierten Anbaute erheblich beeinträchtigt werden. Da es dabei zudem um eine Bundesaufgabe geht (vgl. nicht publ. E. 1), ist die Begutachtung gemäss Art. 7 Abs. 2 NHG obligatorisch. Aufgrund der in E. 4.3 hiervor wiedergegebenen Ausführungen der ENHK kann nicht gesagt werden, dass die EKD implizit ein Attest der Unbedenklichkeit abgegeben hätte. Es trifft mit anderen Worten nicht zu, dass die ENHK auf den Einbezug der EKD verzichtete, weil die EKD keine grundsätzlichen Einwände gegen den Rückbau erhoben hatte. Vielmehr ging die ENHK - wie im Übrigen auch das Verwaltungsgericht - von einem engen Zusammenhang der verschiedenen Bauvorhaben aus und sah deshalb von einem Beizug der EKD ab. Sollte die Baugesuchstellerin trotz der Unmöglichkeit der Realisierung des Sommerrestaurants am Abbruch der Anbaute am Haus zu den zwei Raben festhalten oder sollte sie ihr Projekt vor diesem Hintergrund modifizieren wollen, so wäre deshalb ein Gutachten gemäss Art. 7 Abs. 2 NHG einzuholen. Während die ENHK aus Sicht des Landschaftsschutzes bereits Stellung bezogen hat, ist die beim Abbruch der Anbaute im Vordergrund stehende BGE 138 II 23 S. 32 denkmalpflegerische Beurteilung bisher unterblieben. Dafür zuständig ist die EKD (Art. 23 Abs. 1 lit. b und 4 sowie Art. 25 Abs. 1 lit. d der Verordnung vom 16. Januar 1991 über den Natur- und Heimatschutz [NHV; SR 451.1] ; Urteil 1C_409/2008 vom 8. April 2009 E. 4.4, nicht publ. in: BGE 135 II 238 ). Aufgrund der fehlenden Bewilligungsfähigkeit des Sommerrestaurants und der damit zusammenhängenden Unsicherheit über das gesamte Bauvorhaben ist davon abzusehen, die Stellungnahme der EKD im bundesgerichtlichen Verfahren einzuholen. Dies wird gegebenenfalls im weiteren Verfahren notwendig sein (vgl. zum Ganzen: Urteil 1C_361/2008 vom 27. April 2009 E. 7,in: URP 2009 S. 877). Der Antrag der Beschwerdeführerin ist in diesem Umfang gutzuheissen. Soweit sie über eine Rückweisung derAngelegenheit hinaus bereits im jetzigen Zeitpunkt die Verweigerung der Baubewilligung verlangt, ist ihr Antrag dagegen abzuweisen.Eine Auseinandersetzung mit der weiteren Kritik der Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit dem Abbruch der Anbaute erübrigt sich somit.
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82b8d2d4-4257-49ea-afd0-aa41eb34eb06
Sachverhalt ab Seite 530 BGE 140 III 529 S. 530 A. (Beschwerdeführerin) ist die Mutter des Kindes C., geboren am 9. Mai 2014. Vor dessen Geburt informierten der mutmassliche Kindsvater und die Hebamme die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) insbesondere über die schwierigen Wohnverhältnisse, in denen die schwangere Beschwerdeführerin lebe und künftig mit dem Neugeborenen zu leben beabsichtige. An einem unangemeldeten Hausbesuch konnte die KESB mit der Beschwerdeführerin ein Gespräch führen, erhielt aber keinen Einblick in die Wohnverhältnisse. Mit Entscheid vom 9. Mai 2014 hob die KESB die Obhut der Beschwerdeführerin über ihr Kind per sofort vorläufig auf. Sie platzierte das Kind per sofort vorläufig in der Wöchnerinnen-Station des Kantonsspitals, errichtete eine Beistandschaft für das Kind, bezeichnete die Person des Beistands und umschrieb dessen Aufgaben. Die KESB hielt fest, dass vorliegend wegen der besonderen Dringlichkeit ein vorsorglicher Entscheid ohne Anhörung der Kindsmutter und des Kindsvaters erfolgt, dass die KESB beiden jedoch die Gelegenheit zur Stellungnahme gibt und dass danach, falls notwendig, neu entschieden wird. Die Anhörung der Beschwerdeführerin ist am 12. Mai 2014 mündlich erfolgt. Einen Tag zuvor hatte die Beschwerdeführerin auf Einladung der KESB auch schriftlich Stellung genommen. Die Besichtigung der Wohnverhältnisse durch die KESB fand am 14. Mai 2014 im Beisein der Beschwerdeführerin statt. Die Beschwerdeführerin erhob gegen den Entscheid der KESB eine Beschwerde und beantragte, den angefochtenen Entscheid aufzuheben. Das Kantonsgericht wies die Beschwerde ab. Die Beschwerdeführerin erneuert ihren Antrag vor Bundesgericht, das auf die Beschwerde nicht eintritt. (Zusammenfassung) Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Die Zulässigkeit der Beschwerde an das Bundesgericht hängt davon ab, ob eine superprovisorisch angeordnete vorsorgliche Massnahme oder eine vorsorgliche Massnahme angefochten ist. 2.1 Das Kantonsgericht hat dazu festgehalten, der Entscheid der KESB sei superprovisorisch ergangen, d.h. ohne vorgängige Anhörung der am Verfahren beteiligten Personen. Diesen sei indes nachträglich gestützt auf Art. 445 Abs. 2 ZGB Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt worden, wovon die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom 11. Mai 2014 Gebrauch gemacht habe. Die BGE 140 III 529 S. 531 Beschwerdeführerin sei zudem am 12. Mai 2014 mündlich durch die KESB angehört worden. Die KESB habe in ihrer Vernehmlassung vom 3. Juni 2014 (im Beschwerdeverfahren) einlässlich dargelegt, dass und aus welchen Gründen an den angeordneten Massnahmen festgehalten werde. Die Beschwerdeführerin habe sich dazu anlässlich der Parteiverhandlung äussern können. Den Anforderungen an die nachträgliche Gewährung des rechtlichen Gehörs sei damit vollumfänglich entsprochen worden und die strittigen Anordnungen hätten unter den gegebenen Umständen als (ordentliche) vorsorgliche Massnahmen zu gelten. 2.2 So geht es aus folgenden Gründen nicht: 2.2.1 Mit der Marginalie "Vorsorgliche Massnahmen" bestimmt Art. 445 ZGB , dass die Erwachsenenschutzbehörde auf Antrag einer am Verfahren beteiligten Person oder von Amtes wegen alle für die Dauer des Verfahrens notwendigen vorsorglichen Massnahmen trifft (Abs. 1) und dass sie bei besonderer Dringlichkeit vorsorgliche Massnahmen sofort ohne Anhörung der am Verfahren beteiligten Personen treffen kann, diesen gleichzeitig Gelegenheit zur Stellungnahme gibt und anschliessend neu entscheidet (Abs. 2). Die Bestimmung ist im Kindesschutzverfahren sinngemäss anwendbar ( Art. 314 Abs. 1 ZGB ). Die Regelung des Verfahrens für den Erlass sog. superprovisorischer Massnahmen gemäss Art. 445 Abs. 2 ZGB entspricht Art. 265 ZPO (vgl. Botschaft vom 28. Juni 2006 zur Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches [Erwachsenenschutz, Personenrecht und Kindesrecht], BBl 2006 7001, 7077 zu Art. 445 und 7101 zu Art. 314). Allgemeine Prozessrechtsgrundsätze sind zu beachten. 2.2.2 Das Kindes- und Erwachsenenschutzrecht kennt kein auf superprovisorische Massnahmen beschränktes Verfahren. Die KESB eröffnet auf Antrag einer am Verfahren beteiligten Person oder von Amtes wegen ein Verfahren, in dem sie die notwendigen vorsorglichen Massnahmen trifft ( Art. 445 Abs. 1 ZGB ). Im Rahmen dieses Verfahrens betreffend vorsorgliche Massnahmen sieht das Gesetz die Möglichkeit vor, dass die KESB bei besonderer Dringlichkeit sofort und ohne Anhörung der am Verfahren beteiligten Personen vorsorgliche Massnahmen trifft und anschliessend die Verfahrensbeteiligten anhört und entscheidet ( Art. 445 Abs. 2 ZGB ). Das Verfahren ist zwar zweistufig, aber eine Einheit. Der superprovisorischen Anordnung der vorsorglichen Massnahme wegen besonderer Dringlichkeit (Dringlichkeitsentscheid) folgt zwingend - nach Anhörung der BGE 140 III 529 S. 532 Verfahrensbeteiligten - der Entscheid über die vorsorgliche Massnahme (ordentlicher Massnahmenentscheid), der die zuvor angeordnete superprovisorische Massnahme bestätigt, ändert oder aufhebt und damit ersetzt. Nicht schon mit der nachträglichen Anhörung der Verfahrensbeteiligten ist das Verfahren auf Erlass vorsorglicher Massnahmen abgeschlossen. Nach der mündlichen Anhörung oder nach Eingang der schriftlichen Stellungnahme und nach allfälligen Beweisabnahmen (hier nach Durchführung eines Augenscheins betreffend Wohnverhältnisse der Beschwerdeführerin) trifft die nach Art. 445 Abs. 1 ZGB sachlich zuständige Behörde vielmehr den neuen Entscheid gemäss Art. 445 Abs. 2 ZGB über den Erlass einer ordentlichen vorsorglichen Massnahme, die an die Stelle der superprovisorisch angeordneten vorsorglichen Massnahme tritt (vgl. STECK, in: Erwachsenenschutz, 2013, N. 16, und AUER/MARTI, in: Basler Kommentar, Erwachsenenschutz, 2012, N. 19 a.E., je zu Art. 445 ZGB ; vgl. zu den Etappen im Verfahrensablauf gemäss Art. 265 ZPO : HOHL, Procédure civile, Bd. II, 2. Aufl. 2010, N. 1872 S. 342). 2.2.3 Entgegen der Auffassung des Kantonsgerichts wird die superprovisorisch angeordnete vorsorgliche Massnahme nicht dadurch zur vorsorglichen Massnahme, dass die Verfahrensbeteiligten die superprovisorische Massnahme bei der gerichtlichen Beschwerdeinstanz anfechten und sich damit Gehör verschaffen, dass die KESB in ihrer Beschwerdeantwort erklärt, aus welchen Gründen sie an den superprovisorisch angeordneten vorsorglichen Massnahmen festhalten werde, und dass die Verfahrensbeteiligten zu diesen Gründen nochmals - hier mündlich - Stellung nehmen können. Die Anhörung muss gemäss Art. 445 Abs. 2 ZGB vielmehr durch die KESB erfolgen und findet nicht in einem Beschwerdeverfahren statt, und das Verfahren auf Erlass vorsorglicher Massnahmen ist gemäss Art. 445 Abs. 2 ZGB durch einen förmlichen Entscheid der KESB abzuschliessen und nicht im Beschwerdeverfahren informell beizulegen. Davon abgesehen, verletzt die kantonsgerichtliche Vorgehensweise die Verfahrensrechte der Beteiligten, wie sie durch die Bundesverfassung und die gesetzlichen Vorschriften über den Inhalt, die Eröffnung und die Begründung von Entscheiden geschützt werden (Art. 238 f. ZPO i.V.m. Art. 450f ZGB ; Botschaft, a.a.O., S. 7088). Namentlich ist eine mündliche Replik kein gleichwertiger Ersatz für das Recht, gegen den Entscheid über die vorsorgliche Massnahme innert zehn Tagen nach dessen Mitteilung eine Beschwerde zu erheben ( Art. 445 Abs. 3 ZGB ). BGE 140 III 529 S. 533 2.3 Die KESB hat die Beschwerdeführerin zwar nach der superprovisorischen Anordnung vorsorglicher Massnahmen angehört, aber noch keinen neuen Entscheid über vorsorgliche Massnahmen getroffen, wie ihn Art. 445 Abs. 2 ZGB "anschliessend" vorschreibt. Beschwerdegegenstand war damit vor Kantonsgericht und ist folglich auch vor Bundesgericht einzig die superprovisorische Massnahme der KESB betreffend Obhutsentzug gegenüber der Beschwerdeführerin verbunden mit der Fremdplatzierung und Verbeiständung ihres wenige Monate alten Sohnes.
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489c7f84-bd3e-4acc-845d-e3a82fe78e19
Erwägungen ab Seite 234 BGE 119 V 233 S. 234 Aus den Erwägungen: 4. Zu prüfen ist zunächst der Einwand des Beschwerdeführers, wonach er nur für den ihm gemäss Gesellschaftsvertrag zustehenden Gewinnanteil von einem Viertel und nicht für die laut rechtskräftig gewordenen Beitragsverfügungen gesamthafte Beitragsforderung Verzugszinsen schulde. Auch wenn er keine Abänderung der Beitragsverfügungen vom 23. Juni und 16. Juli 1992 verlangt, macht er damit doch indirekt geltend, in diesen sei fälschlicherweise der gesamte von der Kommanditgesellschaft erwirtschaftete Gewinn ihm allein angerechnet worden. Damit läuft sein Begehren letztlich doch auf eine nachträgliche Überprüfung der Beitragsverfügungen hinaus. Wie indessen bereits die Vorinstanz richtig feststellte, hat die Verzugszinsverfügung im Verhältnis zur Beitragsverfügung akzessorischen Charakter. Es geht daher nicht an, im Rahmen der Verzugszinserhebung die Richtigkeit der bereits unangefochten in Rechtskraft erwachsenen Beitragsverfügungen zu überprüfen. Die Rechtskraftbindung erstreckt sich einerseits auf die festgelegten Beiträge und das im individuellen Konto einzutragende beitragspflichtige Einkommen (ZAK 1990 S. 346 oben), anderseits aber auch auf die Person des Beitragspflichtigen, in dessen individuelles Konto die entrichteten Beiträge einzutragen sind ( Art. 30ter AHVG , Art. 138 Abs. 2 und Art. 140 AHVV ). Neben der sachlichen kommt ihr somit BGE 119 V 233 S. 235 auch eine persönliche Tragweite zu (GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl., S. 323). Aus der vorinstanzlichen Formulierung, wonach es nicht zulässig sei, "die Richtigkeit der rechtskräftigen Hauptverfügungen 'erneut' zu überprüfen", lässt sich somit auch nicht etwa ableiten, die unterlassene Prüfung der Beitragsverfügungen schliesse deren vorfrageweise Prüfung im Verzugszinsverfahren nicht aus. Die mangels Anfechtung formell rechtskräftig gewordene Beitragsverfügung ist endgültig, unabänderlich und demzufolge massgebend (vgl. Art. 97 AHVG , ferner GYGI, a.a.O., S. 322). Deren Bindungswirkung schliesst deshalb auch die vorfrageweise Überprüfung ihrer Rechtsbeständigkeit in einem anderen Verfahren grundsätzlich aus (GYGI, a.a.O., S. 97 oben; RHINOW/KRÄHENMANN, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, Ergänzungsband, S. 130, Nr. 42 B I.b; je mit Hinweisen). Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers trifft es schliesslich auch nicht zu, dass angesichts der von der Verwaltung erlassenen selbständigen Verzugszinsverfügung auch "losgelöst" von der Beitragsverfügung müsse überprüft werden können, ob die Voraussetzungen für die Erhebung von Verzugszinsen erfüllt seien. Objekt der Verzinsung sind gemäss Art. 41bis Abs. 1 AHVV in der seit 1. Januar 1988 geltenden Fassung resp. laut dem bis zu diesem Zeitpunkt massgebend gewesenen Art. 41bis Abs. 4 AHVV "die nach Bundesrecht geschuldeten Beiträge", soweit sie mindestens Fr. 3'000.-- betragen. Darüber ist aber vorliegend mit den drei rechtskräftig gewordenen Beitragsverfügungen vom 23. Juni und 16. Juli 1992 bereits verbindlich befunden worden. Im Rahmen des Verzugszinsverfahrens ist daher im wesentlichen nur noch über Beginn und Ende des Zinsenlaufs zu befinden und der konkrete Verzugszinsbetrag zu ermitteln. 5. a) Das kantonale Gericht erblickt in der erstmals vor dem Eidg. Versicherungsgericht erhobenen Rüge, die Verzugszinsforderung bezüglich der auf das Jahr 1986 entfallenden Beiträge sei verwirkt, eine unzulässige Ausdehnung des Streitgegenstandes auf eine Frage, die in seinem Verfahren nicht zur Diskussion stand. Dieser Ansicht kann indessen nicht beigepflichtet werden. Beim in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde neu erhobenen Einwand handelt es sich bloss um ein neues rechtliches Vorbringen. Dieses ist ohne weiteres zulässig, da die Rechtsanwendung von Amtes wegen erfolgt und das Eidg. Versicherungsgericht an die Begründung der Parteien nicht gebunden ist (Erw. 1a; BGE 107 Ib 392 Erw. 2, BGE 100 Ib 120 ; ZBl 1984 BGE 119 V 233 S. 236 S. 180 Erw. 1; GYGI, a.a.O., S. 259). Gerade bei der Verwirkung handelt es sich um einen Punkt, der von Amtes wegen zu prüfen ist ( BGE 110 V 26 Erw. 2 mit Hinweis). b) Nach Art. 41bis Abs. 2 lit. b AHVV beginnt der Zinsenlauf bei Beitragsnachforderungen mit dem Ablauf des Kalenderjahres, für welches die Beiträge geschuldet sind. Art. 41bis AHVV in der heute geltenden Fassung ist zwar erst auf den 1. Januar 1988 in Kraft getreten. Obschon im vorliegenden Fall Verzugszinsen schon ab 1. Januar 1987 verlangt werden, kann dieser Punkt jedoch vernachlässigt werden, da der damals massgebliche Art. 41bis Abs. 3 lit. b AHVV bezüglich des Beginns des Zinsenlaufs bei Beitragsnachforderungen von der aktuellen Regelung inhaltlich nicht abweicht. Für die vom Beschwerdeführer eingeforderten Beiträge für das Jahr 1986 begannen die Verzugszinsen somit am 1. Januar 1987 zu laufen. c) Der Beschwerdeführer bestreitet jedoch eine Verzugszinspflicht für 1987 mit dem Argument der Verwirkung. Unter Berufung auf BGE 111 V 89 und BGE 109 V 1 führt er dazu im einzelnen aus, bezüglich der für 1987 geschuldeten Verzugszinsen habe die in Art. 16 Abs. 1 AHVG vorgesehene und im vorliegenden Fall sinngemäss anzuwendende fünfjährige Verwirkungsfrist am 1. Januar 1988 begonnen und sei somit Ende 1992 abgelaufen; bei Erlass der Verzugszinsverfügung am 3. Februar 1993 seien deshalb die Zinsen per 1987 bereits verwirkt gewesen. Im weiteren legt er dar, in BGE 111 V 97 Erw. 5d habe das Eidg. Versicherungsgericht unter Verweis auf BGE 109 V 8 Erw. 4b erklärt, die sinngemässe Anwendung von Art. 16 Abs. 1 AHVG , wonach Verzugszinsen innert fünf Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, für das sie geschuldet sind, durch Verfügung geltend zu machen sind, sei dann gangbar, wenn es um bereits aufgelaufene Verzugszinsen gehe, über die zusammen mit der Beitragsnachzahlung verfügt werden könne und auch müsse; eine andere zeitliche Anknüpfung - nämlich grundsätzlich erst nach Eingang der Beitragszahlung - sei nur erforderlich, wenn die Verzugszinsen erst nach Tilgung der Beitragsschuld errechnet werden könnten. Bezogen auf den vorliegenden Fall, leitet der Beschwerdeführer daraus ab, dass die bereits aufgelaufenen Zinsen ohne weiteres schon bei Erlass der Nachforderungsverfügung hätten verlangt werden können und auch hätten verlangt werden müssen; dass die Ausgleichskasse dennoch die Zahlung der Beiträge abgewartet und ihn erst nachher mit einer Verzugszinsforderung "überfallen" habe, lasse sich mit BGE 109 V 8 Erw. 4b nicht vereinbaren; danach habe die Kasse nämlich im Falle von Beiträgen, die mittels Verfügung BGE 119 V 233 S. 237 nachgefordert werden und für welche der Zinsenlauf in einem zurückliegenden Zeitpunkt bereits begonnen habe, in der Nachzahlungsverfügung gleichzeitig auch die bisher aufgelaufenen Verzugszinsen zu ermitteln und in Rechnung zu stellen, wobei es zweckmässig sein dürfte, in der Verfügung auch auf die (seinerzeit vier- und heute zweimonatige) Schonfrist aufmerksam zu machen. d) Dieser Argumentation kann aus folgenden Gründen nicht beigepflichtet werden: aa) Zwar verkennt der Beschwerdeführer nicht, dass die erwähnten Präjudizien zu Art. 41bis Abs. 2 AHVV in der bis Ende 1987 gültig gewesenen Fassung ergangen sind. Er zieht aber aus dem Umstand, dass der neue und - da die Verzugszinsverfügung vom 3. Februar 1993 datiert - hier anwendbare Art. 41bis AHVV in einem wesentlichen Punkt anders lautet, keine oder nicht die richtigen Konsequenzen. Die frühere Fassung von Art. 41bis Abs. 2 AHVV sah vor, dass bei Beitragsnachforderungen keine Verzugszinsen zu erheben waren für die vier Monate, die auf die Nachzahlungsverfügung folgten, "sofern die nachgeforderten Beiträge und die bis dahin geschuldeten Verzugszinsen innert dieser Frist entrichtet" wurden. War dies nicht der Fall, so waren Verzugszinsen durchgehend bis zum Ende des der effektiven Beitragszahlung vorangehenden Monats zu zahlen. Im Hinblick auf diese im damaligen Art. 41bis Abs. 2 AHVV enthaltene doppelte Voraussetzung der Entrichtung sowohl der Beiträge als auch der bis zum Vormonat der Beitragsnachforderung aufgelaufenen Verzugszinsen hat das Eidg. Versicherungsgericht in BGE 109 V 8 Erw. 4b entschieden, dass die Ausgleichskasse in der Nachzahlungsverfügung gleichzeitig auch die bis zum Ende des der Nachzahlungsverfügung vorangehenden Monats aufgelaufenen Verzugszinsen ermitteln und in Rechnung stellen muss, damit der Beitragspflichtige mit rechtzeitiger Zahlung weitere Verzugszinsforderungen vermeiden kann. Der neue Art. 41bis AHVV lautet im hier interessierenden Zusammenhang aber anders. Gemäss dessen Abs. 3 lit. a endet der Zinsenlauf bei Beitragsnachforderungen zwar nach wie vor mit dem Ende des der Nachzahlungsverfügung vorangehenden Kalendermonats. Voraussetzung dafür ist jedoch bloss noch, dass der Beitragspflichtige "die geschuldeten Beiträge bis zum Ende des zweiten Kalendermonats, welcher der Verfügung folgt, bezahlt". Erfolgt die Bezahlung nicht innert dieser Frist, so endet der Zinsenlauf nach Art. 41bis Abs. 3 lit. c AHVV erst "mit dem Kalendermonat, welcher der Zahlung BGE 119 V 233 S. 238 oder der letzten Teilzahlung vorangeht". Daraus folgt, dass der Beitragspflichtige - wie bisher ( BGE 109 V 8 Erw. 4b) - "durchgehend verzugszinspflichtig" ist. Nebst der von vier auf zwei Monate verkürzten Schonfrist ist aber neu, dass innert dieser Schonfrist bloss die Beiträge entrichtet werden müssen. Dies gereicht einerseits dem Beitragspflichtigen zum Vorteil, da er innert der verkürzten Schonfrist nicht auch noch die Verzugszinsen aufbringen muss. Andererseits ergibt sich mit dieser neuen Regelung aber auch eine Vereinfachung für die Kassen. Wenn die Entrichtung der bereits aufgelaufenen Verzugszinsen nämlich nicht mehr Voraussetzung für die Begrenzung der Verzugszinspflicht bis zum Vormonat der Beitragsnachforderung ist, so besteht - anders als nach altem Recht - für die Ausgleichskasse auch keine normmässig begründbare Pflicht mehr, bereits in der Nachzahlungsverfügung die Verzugszinsen zu ermitteln und in Rechnung zu stellen. Somit besteht auch kein Grund mehr, bei der Frage der rechtzeitigen Geltendmachung von Verzugszinsen Art. 16 Abs. 1 AHVG in dem Sinne analog anzuwenden, wie dies in BGE 111 V 97 Erw. 5d im Rahmen von alt Art. 41bis Abs. 2 AHVV - und nur in diesem Rahmen - noch als gangbare Lösung bezeichnet wurde. bb) Im übrigen verkennt der Beschwerdeführer die Bedeutung von BGE 111 V 89 auch in anderer Hinsicht. Zunächst ist festzuhalten, dass damals ein anderer Fall zu beurteilen war, nämlich ein Nachzahlungsfall, in welchem die Zinsen in Anwendung des damaligen Art. 41bis Abs. 3 lit. c AHVV erst nach Erlass der Nachzahlungsverfügung zu laufen begonnen hatten (vgl. BGE 111 V 92 Erw. 4a). Nach geltendem Recht läge somit ein Anwendungsfall von Art. 41bis Abs. 2 lit. c AHVV vor. Im damals zu beurteilenden Fall ging es somit - anders als vorliegend - nicht um einen Nachzahlungsfall, bei dem der Zinsenlauf schon vor Erlass der Nachzahlungsverfügung begonnen hatte (wie nach alt Art. 41bis Abs. 3 lit. b AHVV ) und bei dem sich die Frage der rechtzeitigen Geltendmachung der Verzugszinsforderung im Rahmen eines solchen Falles und unter Berücksichtigung des damaligen Art. 41bis Abs. 2 AHVV gestellt hätte. Wie sich aus BGE 111 V 97 Erw. 5d Abs. 2 ergibt, hatte das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) seinerzeit vorgeschlagen, Art. 16 Abs. 1 AHVG auf die Geltendmachung oder Verwirkung von Verzugszinsforderungen sinngemäss anzuwenden. Wohl hat das Eidg. Versicherungsgericht diese Lösung für Fälle als gangbar betrachtet, in welchen der damals geltende Art. 41bis Abs. 2 AHVV zur Diskussion stand. Es hat diese Lösung aber nicht zur BGE 119 V 233 S. 239 Rechtsprechung erhoben, wie dies in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde dargestellt wird. Dazu hatte es ja auch gar keinen Anlass, betraf doch der damals beurteilte Fall - wie bereits erwähnt - einen andern Anwendungsfall. Letztlich hat das Eidg. Versicherungsgericht diese in einem beschränkten Anwendungsbereich an sich gangbare Lösung sogar verworfen. Wenn es auch von "an sich gangbarer" Lösung sprach, so wies es doch gleichzeitig darauf hin, dass eine solche sinngemässe Anwendung von Art. 16 Abs. 1 AHVG dann als problematisch erscheine, wenn die Zinsen erst nach Erlass der Nachzahlungsverfügung zu laufen beginnen (alt Art. 41bis Abs. 3 lit. c AHVV resp. Art. 41bis Abs. 2 lit. c AHVV in der heute geltenden Fassung) oder wenn ab Ende der Zahlungsperiode bzw. des Kalenderjahres laufende Zinsen (alt Art. 41bis Abs. 3 lit. a und b AHVV resp. Art. 41bis Abs. 2 lit. a und b AHVV in der aktuellen Fassung) über eine allfällige Nachzahlungsverfügung gemäss alt Art. 41bis Abs. 2 AHVV hinaus weiterhin anfallen, weil die Beiträge und die bisher aufgelaufenen Zinsen nicht innert der Schonfrist bezahlt werden. Zur Begründung führte das Eidg. Versicherungsgericht an, dass in solchen Fällen eine endgültige Berechnung der Verzugszinsen erst nach der Begleichung der Beitragsschuld möglich sei; in diesem Zeitpunkt könnte aber die fünfjährige Frist für die Geltendmachung der Verzugszinsen längst abgelaufen sein, wenn sie - bei sinngemässer Anwendung von Art. 16 Abs. 1 AHVG - eben schon mit Ablauf des Kalenderjahres, für das diese Zinsen geschuldet sind, ihren Anfang nehme. Insbesondere bei langwierigen Beitragsstreitigkeiten könnte sich die Situation ergeben, dass - wenn die Beitragsverfügung schliesslich rechtskräftig werde - zwar die Frist gemäss Art. 16 Abs. 2 AHVG für die Beitragsvollstreckung noch laufe, dass für die Geltendmachung der auf diesen Beiträgen geschuldeten Verzugszinsen aber bereits die Verwirkung eingetreten sei. Mit diesem Vorbehalt zum Vorschlag des BSV hat das Eidg. Versicherungsgericht u.a. genau einen Fall im Auge gehabt, wie er heute zur Beurteilung steht: einerseits liefen die Zinsen seit Ende des Kalenderjahres, für das die Beiträge geschuldet waren ( Art. 41bis Abs. 2 lit. b AHVV ), und andererseits sind die Beiträge innert der zweimonatigen Schonfrist nicht entrichtet worden, weshalb der Zinsenlauf erst mit dem Kalendermonat vor der Beitragsbezahlung endete ( Art. 41bis Abs. 3 lit. c AHVV ). Dies hat zur Folge, dass die Zinsen erst nach der Beitragsentrichtung berechnet werden konnten. Es besteht deshalb kein Anlass, nicht von dem in BGE 111 V 98 Erw. 5d effektiv aufgestellten Grundsatz auszugehen, wonach es sachgerecht BGE 119 V 233 S. 240 erscheint, die Frist für die Geltendmachung der Verzugszinsen von dem Zeitpunkt an laufen zu lassen, in welchem die Ausgleichskasse die Höhe der Verzugszinsen überblicken und berechnen kann, was grundsätzlich erst nach Eingang der Beitragszahlung zutrifft. e) Im vorliegenden Fall sind die Beiträge für längst abgelaufene Kalenderjahre mit zwei Verfügungen vom 23. Juni 1992 und einer Verfügung vom 16. Juli 1992 nachgefordert worden. Innerhalb der folgenden zwei Kalendermonate, d.h. bis Ende August bzw. bis Ende September 1992, wurden die Beiträge nicht entrichtet. Vielmehr erfolgte die Zahlung erst am 5. November 1992. Weil demzufolge Verzugszinsen über den Zeitpunkt des Erlasses der Nachzahlungsverfügungen hinaus zu erheben sind und der Zinsenlauf gemäss Art. 41bis Abs. 3 lit. c AHVV erst Ende Oktober 1992 endet, konnte die Ausgleichskasse die Verzugszinsen erst nach Eingang der Beitragszahlung definitiv ermitteln. Die Frist zur Geltendmachung der Verzugszinsen begann daher erst mit der Beitragszahlung zu laufen. Wie schon in BGE 111 V 98 Erw. 5d kann auch heute offenbleiben, ob die Frist auf ein Jahr (vgl. Art. 47 Abs. 2 AHVG und Art. 82 Abs. 1 AHVV ) oder länger (analog zu Art. 16 Abs. 1 AHVG ) festzusetzen ist. Sie ist im konkreten Fall auf jeden Fall gewahrt, nachdem die Ausgleichskasse die Verzugszinsverfügung am 3. Februar 1993 und damit knapp drei Monate nach Eingang der Beitragszahlung erlassen hat. Im übrigen wäre sie selbst dann eingehalten, wenn man davon ausgehen würde, die Frist zur Geltendmachung hätte bereits im Anschluss an den Erlass der Nachzahlungsverfügungen zu laufen begonnen, d.h. in dem Zeitpunkt, in welchem die Kasse nach Ermittlung der ausstehenden Beiträge - jedenfalls bis zum Ende des Vormonats der Nachzahlungsverfügungen - auch die Höhe der Verzugszinsen überblicken und diese berechnen konnte (vgl. BGE 111 V 98 Erw. 5d). f) Es muss somit dabei sein Bewenden haben, dass die Ausgleichskasse die Verzugszinsen auch mit Bezug auf das Beitragsjahr 1986 rechtzeitig geltend gemacht hat.
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3566f787-e24f-434a-bec6-5c4dc95bd622
Sachverhalt ab Seite 275 BGE 85 II 275 S. 275 A.- A. Lüthy, Eigentümer eines Grundstücks in Mellingen, hat am 7. Oktober 1957 beim Gerichtspräsidium Baden gegen die E. & R. Suter A.-G. als Grundnachbarin ein Befehlsverfahren nach § 245 der kantonalen Zivilprozessordnung eingeleitet mit den Begehren: "1. Die Beklagte sei unter Androhung von ... zu verpflichten, den Miststock hinter ihrem Hause auf I.R. Mellingen Nr. 13 abzutragen und zu entfernen. 2. Der Beklagten sei unter Androhung von ... zu untersagen, künftig irgendwo auf ihrem Grundstücke I.R. Mellingen Nr. 81 Mist abzulagern oder aufzuhäufen." BGE 85 II 275 S. 276 Zur Begründung brachte er vor, die Beklagte bzw. deren Rechtsvorgänger habe früher in der südwestlichen Ecke ihres Grundstücks Nr. 13 einen Komposthaufen gehabt, den sie nun aber in der letzten Zeit als Miststock benütze. Dort lagere sie sämtlichen in ihrem Stall anfallenden Pferdemist ab. Die von diesem bloss 30 Meter vom Wohnhaus der Klägers entfernten Miststock ausströmenden Gerüche bewirkten namentlich bei feuchtwarmem Wetter eine unerträgliche Geruchsbelästigung; dazu komme eine beträchtliche Insektenplage. Es handle sich um übermässige Einwirkungen auf sein Grundeigentum, die er nach der Lage der Grundstücke und nach Ortsgebrauch nicht zu dulden brauche. Die Beklagte trug auf Abweisung des Befehlsbegehrens an. Sie bestritt die Gesuchsvorbringen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht. B.- Nach Vornahme eines Augenscheins mit Zeugeneinvernahme und Parteibefragung hiess der Präsident des Bezirksgerichts Baden das Gesuchsbegehren teilweise gut und untersagte der Beklagten "gemäss § 252 ZPO bei Haft oder Busse", auf dem Miststock hinter ihrer Liegenschaft I.R. Mellingen Nr. 13 in der Zeit vom 1. März bis 1. November Pferdemist abzulagern. C.- Gegen diesen Entscheid führte die Beklagte beim Obergericht Beschwerde mit dem erneuten Antrag auf Abweisung der Klage; eventuell sei sie bloss zu verpflichten, den Miststock in die Mitte ihres Grundstückes zu verlegen und den Mist häufiger abzuführen. D.- Mit Entscheid vom 3. März 1959 hat das Obergericht des Kantons Aargau die Beschwerde abgewiesen. Ziffer II, 1, der Begründung lautet: "Das klägerische Begehren stellt sich als ein solches um Besitzesschutz dar. Der Kläger beruft sich denn auch auf Art. 928 ZGB und verlangt Beseitigung der Störung und Unterlassung künftiger Störung. Da die Voraussetzungen zur Gewährung richterlichen Besitzesschutzes im Zivilrecht enthalten sind und zwar, soweit Besitzesstörung in BGE 85 II 275 S. 277 Betracht fällt, im erwähnten Art. 928 ZGB , und da in § 135 EG ZGB zur Behandlung eines solchen Streites ausser auf die andern der dort aufgeführten Rechtsbehelfe, insbesondere auch auf das Befehlsverfahren verwiesen ist, so ist die Anwendbarkeit dieses Verfahrens auf Grund von Ziffer 1 des § 245 ZPO , auf den sich der Kläger ausdrücklich stützt, gegeben. Ob das Begehren gutgeheissen werden kann, setzt daher nicht, wie gemäss § 245 Ziffer 2 ZPO die Prüfung der Frage voraus, ob glaubwürdig dargetan ist, dass die Aufrechterhaltung eines tatsächlichen Zustandes oder die Abwendung eines drohenden erheblichen Nachteils eine vorläufige Massnahme erheische, um einem gefährdeten Recht vorsorglich Schutz zu verleihen, sondern, ob erwiesen ist, dass ein zivilrechtlich statuiertes Recht, hier das Recht auf ungestörten Besitz, verletzt ist, so dass zu dessen Schutz die vom Gesetze vorgesehenen Entscheidungen, denen endgültiger Charakter zukommt, zu treffen sind. Nachdem jedoch im Besitzesschutzverfahren, insbesondere bei Besitzesstörung, lediglich die Besitzfrage endgültig und materiell rechtskräftig beurteilt werden kann, während der Einwand des Beklagten, es stehe ihm ein besseres Recht zu, vorliegend das Recht auf Duldung seiner Mistablagerungsstätte durch den Kläger, nicht überprüfbar ist, so ist der allfällig die Klage gutheissende Entscheid doch insofern nur ein provisorischer, als die Frage offen bleibt, ob der geschützte Zustand der Rechtslage entspricht (vgl. EICHENBERGER, Beiträge zum Aargauischen Zivilprozessrecht, S. 211). Dies hat zur Folge, dass der Beklagten die Möglichkeit vorbehalten bleiben muss, in einem von ihr anzuhebenden Streite das von ihr beanspruchte Recht darzutun." E.- Gegen diesen Entscheid hat die Beklagte Berufung an das Bundesgericht eingelegt. Sie erneuert den Antrag auf Abweisung der Klage und den vor Obergericht gestellten Eventualantrag. Subeventuell verlangt sie die Rückweisung der Sache an das Obergericht zu neuer Entscheidung. BGE 85 II 275 S. 278 F.- Auf Ersuchen des Präsidenten der II. Zivilabteilung erläuterte das Obergericht die Ziffer II, 1, der Urteilsbegründung mit Zuschrift vom 11. August 1959 wie folgt: "Gemäss § 135 aarg. EG ZGB "werden die Klagen wegen Besitzesstörung oder Besitzesentziehung durch verbotene Eigenmacht (Art. 927/8 ZGB), wo sie nicht in die Zuständigkeit des Friedensrichters fallen oder nicht durch Verfügung im Befehlsverfahren oder durch Verbot erledigt werden können, im beschleunigten Verfahren verhandelt". In der Praxis wurde diese Bestimmung bisher dahin ausgelegt, dass dadurch Klagen wegen Besitzesstörung und -entziehung grundsätzlich in das Befehlsverfahren nach § 245 Ziff. 1 aarg. ZPO gewiesen würden, und dass den in diesem Verfahren über Besitzesfragen gefällten Entscheidungen endgültiger Charakter zukomme, da die streitigen Besitzesfragen dadurch materiell und definitiv entschieden würden (VJS 24 S. 63, 27 S. 75 und 38 S. 89; ferner 22 S. 108 und 31 S. 162 f.). Diese Wirkung kann den im Befehlsverfahren nach § 245 Ziff. 1 ZPO zum Austrag kommenden Besitzesschutzstreitigkeiten indes nur hinsichtlich der Frage des Besitzesschutzes zukommen. Gegenüber im ordentlichen Verfahren zur Beurteilung gelangenden Klagen aus dem Recht, zum Beispiel in Immissionsstreitigkeiten, deren rechtliche Voraussetzungen ganz anders geordnet sind (Aktivlegitimation, Klagfundament, Verjährung), wirkt sich daher die Rechtskraft eines im Befehlsverfahren gemäss § 245 Ziff. 1 ZPO gestützt auf Art. 927 oder 928 ZGB gefällten Urteils nicht aus, indem die Einrede der abgeurteilten Sache deswegen nicht mit Erfolg erhoben werden könnte, und zwar auch dann, wenn im erwähnten Besitzesschutzverfahren die Frage, ob eine Immission vorliege, vorfrageweise bereits beurteilt worden ist." Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: Gegenstand des angefochtenen Entscheides war, was nach den Erläuterungen des Obergerichts zu Ziffer II, 1, BGE 85 II 275 S. 279 der Urteilsbegründung keinem Zweifel mehr unterliegt, eine im Befehlsverfahren angebrachte reine Besitzesschutzklage im Sinne von Art. 926 ff. ZGB . Und zwar handelt es sich, da die vom Miststock der Beklagten ausgehenden Einwirkungen den sachlichen Besitzstand des Klägers nicht schmälern, also nicht Besitzesentziehung sein können, um eine Klage wegen Besitzesstörung gemäss Art. 928 ZGB . Es ist denn auch anerkannt, dass Immissionen, die im übrigen unter bestimmten Voraussetzungen Anlass zu einer Klage nach Art. 679/684 ZGB geben können, als Besitzesstörung in Betracht fallen (vgl. OSTERTAG, N. 11, und HOMBERGER, N. 10 zu Art. 928 ZGB ). In BGE 40 II 559 wurde ohne nähere Prüfung der Frage ein Besitzesschutzstreit als Zivilrechtsstreitigkeit gemäss Art. 56 ff. und das darüber ergangene Urteil der letzten kantonalen Instanz als Haupturteil gemäss Art. 58 aoG betrachtet (so auch HOMBERGER, N. 20 zu Art. 927 ZGB ). In BGE 78 II 87 /88 wird dagegen eingehend dargelegt, dass die Besitzesschutzklage, zumal wenn sie im summarischen Verfahren beurteilt wird, nur die Wiederherstellung und Bewahrung des frühern tatsächlichen Zustandes bezweckt und dem Entscheid über die Rechtmässigkeit des bestehenden Zustandes nicht vorgreift. "Es handelt sich also heute nicht um die endgültige, dauernde Regelung streitiger zivilrechtlicher Verhältnisse, sondern nur um die einstweilige Wahrung der Interessen der Klägerin"; somit liege kein der Berufung an das Bundesgericht nach Art. 44 ff. OG unterliegender "in einer Zivilrechtsstreitigkeit ergangener Endentscheid" vor. Nach diesen auch auf den vorliegenden Fall zutreffenden Erwägungen kann der von der Beklagten angefochtene Entscheid ebenfalls nicht als Endentscheid in einer Zivilrechtsstreitigkeit gelten. Das folgt zwar nicht ohne weiteres aus der Behandlung der Sache im (summarischen) Befehlsverfahren. Vielmehr kann auch in einem solchen Verfahren unter Umständen ein der Berufung unterliegender Entscheid ergehen ( BGE 82 II 562 Erw. 3, BGE 84 II 78 BGE 85 II 275 S. 280 lit. b). Der Besitz ist jedoch seinem Begriffe nach kein Rechtsverhältnis, sondern eine tatsächliche Herrschaft (abgesehen von den Besonderheiten des sog. Rechtsbesitzes nach Art. 919 Abs. 2 ZGB , wozu vgl. LIVER in ZbJV 95 S. 34/35). Dementsprechend wird scharf unterschieden zwischen Besitzesschutz und Rechtsschutz (vgl. die Randtitel I und II zu Art. 926 ff. und Art. 930 ff. ZGB ; OSTERTAG, N. 5 ff. zu Art. 927; HOMBERGER, N. 11 ff. zu Art. 927 und N. 13 ff. zu Art. 928 ZGB ; ferner LIVER, N. 71 ff. der Einleitung zum 21. Titel des ZGB). Die Art. 926-929 ZGB betreffen nur den Besitzesschutz, und das angefochtene Urteil gewährt dem Kläger, wie dargetan, nichts anderes als die Wiederherstellung des frühern tatsächlichen Zustandes in näher umgrenztem Rahmen, d.h. die Untersagung der gerügten Störung durch Ablagerung von Pferdemist auf der bezeichneten Liegenschaft in der Zeit vom 1. März bis 1. November. Freilich hatte sich der Kläger, um die Störung darzutun, auf das Nachbarrecht und insbesondere auf das Verbot übermässiger Einwirkungen auf Nachbargrundstücke nach Art. 684 ZGB berufen. Bei der Besitzesstörungsklage lässt sich denn auch mitunter die Besitzesfrage nicht völlig von der Rechtsfrage trennen; hängt doch das Vorliegen einer solchen Störung in manchen Fällen von der durch Rechtsnormen bestimmten Abgrenzung des Besitzes ab (vgl. HOMBERGER, N. 14 zu Art. 928 ZGB ). Indessen hat der Kläger nicht die endgültige gerichtliche Feststellung einer nach Art. 684 ZGB zu verpönenden Einwirkung verlangt (was er auch wohl im summarischen Befehlsverfahren nicht hätte tun können), und es steht nach den Erwägungen des angefochtenen Urteils und nach dem erläuternden Bericht des Obergerichts fest, dass die Frage, ob die Beklagte ihr Eigentum überschritten habe, nur vorfrageweise geprüft worden ist. In der streitigen Hinsicht ist somit der Besitz des Klägers nur vorläufig geschützt worden (vgl. GULDENER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 2. Auflage, S. 368 Anm. 24 am Ende), freilich ohne Befristung, so dass BGE 85 II 275 S. 281 die Parteirollen in dem vorbehaltenen Streit um das Recht vertauscht sein müssten, wie das Obergericht am Ende von Ziffer II, 1 seiner Erwägungen bemerkt. Kommt somit dem angefochtenen Entscheide keine Rechtskraft für die (einem künftigen Zivilrechtsstreit vorbehaltene) Frage nach der Rechtmässigkeit der vom Kläger beanstandeten Eigentumsausübung zu, so ist der vorliegende Besitzesschutzstreit als solcher keine Zivilrechtsstreitigkeit und das ihn abschliessende obergerichtliche Urteil kein Endentscheid im Sinne von Art. 48 OG . Auf Seite 4 unten der Berufungsschrift erklärt die Beklagte, die Berufung allenfalls auf Art. 50 OG stützen zu wollen. Sie legt jedoch die besondern Voraussetzungen einer danach ausnahmsweise zulässigen Berufung gegen andere als die Zuständigkeit betreffende Vor- und Zwischenentscheide in keiner Weise dar. Übrigens hat Art. 50 OG nur Vor- und Zwischenentscheide im Auge, die in einer an sich der Berufung unterliegenden Zivilrechtsstreitigkeit (oder sonstigen Zivilsache im Sinne von Art. 44 lit. a-c und Art. 45 OG ) ergangen sind, was hier nach dem Gesagten nicht zutrifft.
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Sachverhalt ab Seite 145 BGE 138 III 145 S. 145 A. In der gegen X. laufenden Betreibung der Krankenkasse A. vollzog das Betreibungsamt Bern-Mittelland, Dienststelle Mittelland, am 10. Dezember 2010 die Pfändung (Gruppe Nr. x). Auf entsprechende Mitteilung hin gelangte die Stadt Zürich, Soziale Dienste/Alimentenstelle, am 5. Januar 2011 an das Betreibungsamt. Sie verlangte den privilegierten Anschluss an die Pfändung nach Art. 111 SchKG für Alimentenforderungen gegenüber dem Schuldner, die sie für dessen Sohn vom 1. Juli 2008 bis 1. Januar 2011 bevorschusst hatte. Darauf teilte das Betreibungsamt der Stadt Zürich am 14. Januar 2011 mit, dass Unterhaltsbeiträge, die durch das Gemeinwesen BGE 138 III 145 S. 146 bevorschusst werden, zur privilegierten Anschlusspfändung nicht berechtigt seien. B. Gegen die Verfügung des Betreibungsamtes erhob die Stadt Zürich Beschwerde beim Obergericht des Kantons Bern, Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen, welche mit Entscheid vom 7. Juni 2011 abgewiesen wurde. C. Die Stadt Zürich ist am 16. Juni 2011 mit Beschwerde in Zivilsachen an das Bundesgericht gelangt. Die Beschwerdeführerin verlangt, der Entscheid der Aufsichtsbehörde vom 7. Juni 2011 sei aufzuheben und das Betreibungsamt sei anzuweisen, den privilegierten Anschluss an die Pfändung vom 10. Dezember 2010 zu gewähren. (...) Das Bundesgericht heisst die Beschwerde in Zivilsachen gut. (Auszug) Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Anlass zur vorliegenden Beschwerde gibt das Begehren der Beschwerdeführerin, welche gestützt auf Art. 111 SchKG an der gegenüber dem Schuldner vollzogenen Pfändung teilnehmen will. Nach dieser Gesetzesbestimmung können bestimmte Personen an einer Pfändung ohne vorgängige Betreibung innert 40 Tagen nach ihrem Vollzug teilnehmen (Abs. 1), u.a. die Kinder des Schuldners für Forderungen aus dem elterlichen Verhältnis (Abs. 1 Ziff. 2). Sodann bestimmt Art. 289 Abs. 2 ZGB , dass der Unterhaltsanspruch mit allen Rechten auf das Gemeinwesen übergeht, falls das Gemeinwesen für den Unterhalt aufkommt (Subrogation bzw. Legalzession nach Art. 289 Abs. 2 ZGB ; BGE 137 III 193 E. 2.1 S. 197). Dass die Beschwerdeführerin als Gemeinwesen bevorschusste Unterhaltsansprüche für das Kind des Schuldners geltend macht, steht nicht in Frage. Streitpunkt ist hingegen, ob sie infolge Subrogation die privilegierte Anschlusspfändung nach Art. 111 SchKG verlangen kann. 3.1 Die Beschwerdeführerin stellt zunächst die Zuständigkeit der Aufsichtsbehörde in Frage. Dieses Vorbringen ist nicht haltbar. Es geht hier nicht um die Entscheidung, ob der Beschwerdeführerin materiell ein Unterhaltsanspruch in der geltend gemachten Höhe zusteht, was im Anschlussprozess zu klären wäre ( Art. 111 Abs. 5 SchKG ), sondern darum, ob ein nach Art. 111 SchKG privilegierter Forderungsanspruch vorliegt. Der Streit dreht sich m.a.W. um die Legitimation eines Gläubigers zur Stellung des Anschlusspfändungsbegehrens. BGE 138 III 145 S. 147 Diese zu prüfen ist Sache des Betreibungsamtes, dessen Entscheid mit Beschwerde nach Art. 17 SchKG weitergezogen werden kann ( BGE 61 III 80 E. 2 S. 84; ZR 1905 Nr. 86 E. 1 S. 137). 3.2 Das Bundesgericht hat die Frage, ob das Unterhaltsbeiträge bevorschussende Gemeinwesen den privilegierten Pfändungsanschluss ( Art. 111 SchKG ) verlangen kann, noch nicht entschieden. In der Lehre und Praxis findet sich keine einheitliche Antwort. 3.2.1 Ein Teil der Autoren vertritt die Auffassung, dass zu "allen Rechten", die auf das Gemeinwesen übergehen ( Art. 289 Abs. 2 ZGB ), auch das Recht zum privilegierten Pfändungsanschluss gehört, weil es um die qualitative Sicherung der Durchsetzung des Unterhaltsanspruchs gehe (u.a. BREITSCHMID, Fragen um die Zwangsvollstreckung bei Alimentenbevorschussung [...], SJZ 1992 S. 64; HEGNAUER, Berner Kommentar, 1997, N. 97 zu Art. 289 ZGB ; HAUSHEER/SPYCHER, in: Handbuch des Unterhaltsrechts, 2. Aufl. 2010, S. 386 Rz. 6.42; BASTONS BULLETTI, Les moyens d'exécution des contributions d'entretien après divorce et les prestations d'aide sociale, in: Droit patrimonial de la famille, 2004, S. 72; MATHEY, La saisie de salaire et de revenu, 1989, S. 211 Rz. 457). 3.2.2 Nach anderer Meinung handelt es sich beim Anschlussrecht nach Art. 111 SchKG um ein Vorzugsrecht, welches mit Blick auf die persönliche Rücksichtnahme untrennbar mit der Person des Abtretenden verbunden sei und nicht nach Art. 170 OR übergehe (u.a. JENT-SØRENSEN, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, 2. Aufl. 2010, N. 15 zu Art. 111 SchKG ; GILLIÉRON, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, Bd. II, 2000, N. 36 zu Art. 111 SchKG ; PROBST, in: Commentaire romand, Code des obligations, Bd. I, 2003, N. 10 zu Art. 170 OR ; GIRSBERGER, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht, Bd. I, 5. Aufl. 2011, N. 9 zu Art. 170 OR ). Die kantonale Rechtsprechung ist von dieser Auffassung bzw. von der Verweigerung des Anschlussprivilegs nicht überzeugt (ZR 1991 Nr. 40 E. 4a S. 126 obiter dictum ). 3.3 Nach dem Wortlaut von Art. 289 Abs. 2 ZGB geht der bevorschusste Unterhalt "mit allen Rechten" ("avec tous les droits", "con tutti i diritti") auf das Gemeinwesen über. Dies lässt den Einbezug des Übergangs des Rechts auf privilegierte Anschlusspfändung grundsätzlich zu. Nichts anderes ergibt sich aus der weiteren Auslegung der Bestimmung. BGE 138 III 145 S. 148 3.3.1 Den Materialien lässt sich entnehmen, dass die Subrogation "namentlich" die Unterhaltsklage ( Art. 279 ff. ZGB ), den Anspruch auf Schuldneranweisung ( Art. 291 ZGB ) und auf Sicherstellung ( Art. 292 ZGB ) erfasst (Botschaft vom 5. Juni 1974 über die Änderung des ZGB [Kindesverhältnis], BBl 1974 II 1, 64 Ziff. 322.6). Daraus kann ebenso wenig wie aus der systematischen Einordnung von Art. 289 Abs. 2 ZGB (im Kindesunterhaltsrecht) abgeleitet werden, dass der Übergang von zwangsvollstreckungsrechtlichen Vorzugsrechten ausgeschlossen sei. Der Revisionsgesetzgeber wollte die Geltendmachung und Vollstreckung des Unterhaltsanspruchs erleichtern. Mit dem Ausbau der privatrechtlichen Regelung wurde auch klargestellt, dass es sich bei der Bevorschussung des Unterhaltsanspruchs durch das Gemeinwesen nicht um Sozialleistungen handelt. Das Kind soll nicht Anspruch auf Bevorschussung haben, weil es Not leidet, sondern weil der Unterhaltspflichtige säumig ist. Das Gemeinwesen erbringt die Leistung an Stelle des Pflichtigen, weshalb der privatrechtliche (Unterhalts-)Anspruch übergeht (Botschaft, a.a.O., 66 Ziff. 322.7). 3.3.2 Zweck der Subrogation ist demnach, dass der Unterhaltsschuldner nicht von seiner Nachlässigkeit profitieren soll. Aus diesem Grund kann das bevorschussende Gemeinwesen die Schuldneranweisung nach Art. 291 ZGB verlangen, wie das Bundesgericht kürzlich entschieden hat ( BGE 137 III 193 E. 3.4 S. 201). Die gleiche Überlegung gilt für das Recht des Gemeinwesens, die privilegierte Anschlusspfändung nach Art. 111 SchKG zu verlangen. Sie dient - ebenso wie die Schuldneranweisung - nicht dem unmittelbaren Unterhalt des Berechtigten, sondern vielmehr der Sicherung der Durchsetzung der Unterhaltsforderung (vgl. BREITSCHMID, a.a.O.). Demnach verlangt eine auf Art. 289 Abs. 2 ZGB bzw. die zivilrechtliche Funktion der Subrogation abgestimmte Handhabung von Art. 111 SchKG , dass das Anschlussprivileg ohne Weiteres an der Unterhaltsforderung haftet ( privilegium causae) und vom bevorschussenden Gemeinwesen geltend gemacht werden kann. 3.4 Betreibungs- oder obligationenrechtliche Aspekte stehen dieser Auslegung nicht entgegen. 3.4.1 Wohl hat das Anschlussprivileg nach Art. 111 SchKG seinen Grund in der für bestimmte Gläubiger bestehenden Schwierigkeit, wegen des familien- oder vormundschaftlichen Verhältnisses ihre Forderung durch selbständige Schuldbetreibung durchzusetzen ( BGE 72 I 151 S. 154). Um den Nachteil gegenüber Fremdgläubigern wettzumachen, erleichtert das Gesetz den betreffenden benachteiligten BGE 138 III 145 S. 149 Gläubigern die Teilnahme an einer bereits vollzogenen Pfändung durch ein doppeltes Vorrecht (Anschluss innert längerer Frist, ohne vorgängige Betreibung). Es ist jedoch nicht einzusehen, weshalb ein Schuldner, dessen Unterhaltsleistungen das Gemeinwesen bevorschussen muss, besser fahren soll (weil er nur mit vorgängiger Betreibung belangt werden kann) als ein Schuldner, dessen Gläubiger nicht auf die Bevorschussung angewiesen ist. Diese Unterscheidung, auf welche die Beschwerdeführerin zu Recht hinweist, ist durch den Zweck von Art. 111 SchKG nicht geboten und lässt sich betreibungsrechtlich nicht rechtfertigen. 3.4.2 Zu Recht hat die Vorinstanz die Subrogation bzw. Legalzession nach Art. 289 Abs. 2 ZGB mit Blick auf Art. 170 Abs. 1 OR gewürdigt. Nach dieser Bestimmung ist der Übergang der Vorzugs- und Nebenrechte eingeschränkt: Diese Rechte gehen nicht über, wenn sie "untrennbar mit der Person des Abtretenden verknüpft sind". Die Verknüpfung kann sich aus dem Willen der Parteien oder der Natur der Rechte ergeben ( BGE 103 II 75 E. 4 S. 79; GIRSBERGER, a.a.O.; PROBST, a.a.O., mit weiteren Hinweisen). Für die Frage, ob das Anschlussrecht nach Art. 111 SchKG als "untrennbar mit der Person" betrachtet werden muss, ist auf die "Natur" bzw. den Sinn und Zweck der Legalzession von Art. 289 Abs. 2 ZGB abzustellen (vgl. BGE 137 III 193 E. 3.4 S. 201, betreffend Schuldneranweisung). Wie dargelegt soll der Unterhaltsschuldner nicht von seiner Nachlässigkeit profitieren (E. 3.3.2). Da mit der Bevorschussung der Unterhaltsleistung durch das Gemeinwesen nicht eine Entlastung des Schuldners eintreten soll, ist das Anschlussprivileg als privilegium causae aufzufassen bzw. kann es nicht an der Person des Gläubigers haften. Es überzeugt daher nicht, wenn die Aufsichtsbehörde der Beschwerdeführerin den Anschluss nach Art. 111 SchKG unter Hinweis auf Art. 170 OR verweigert hat. 3.4.3 Schliesslich kann entgegen der Auffassung der Vorinstanz (sowie offenbar MEIER/STETTLER, Droit de filiation, 4. Aufl. 2009, S. 556 Fn. 2058) aus BGE 116 III 10 keine Verweigerung des Anschlussprivilegs abgeleitet werden. Nach der zitierten Rechtsprechung kann bei der Einkommenspfändung ( Art. 93 SchKG ) nur dann in das Existenzminimum des Schuldners eingegriffen werden, wenn die Pfändung (oder der Arrest) von unterhaltsberechtigten Familienmitgliedern verlangt wird, nicht aber, wenn das Gemeinwesen im Rahmen von Art. 289 Abs. 2 ZGB als Gläubiger auftritt ( BGE 106 III 18 E. 2 S. 20; zuletzt BGE 137 III 193 E. 3.9 S. 204). Dieser Rechtsprechung liegt die sozialpolitische Überlegung zugrunde, dass Schuldner und BGE 138 III 145 S. 150 Gläubiger den gleich schweren wirtschaftlichen Einschränkungen unterliegen sollen, wenn beide Einkommen den Notbedarf nicht zu decken vermögen ( BGE 116 III 10 E. 4 S. 15); es überwiegt die Verknüpfung mit der Person. Der Eingriff in den Notbedarf, der als Ausnahme zugelassen wird, haftet daher als privilegium personae am Unterhaltsberechtigten ( BGE 106 III 18 E. 2 S. 21). Dem steht jedoch nicht entgegen, dass andere betreibungsrechtliche Privilegien von der Subrogation nach Art. 289 Abs. 2 ZGB erfasst sind. Das Anschlussprivileg erleichtert zwar die betreibungsrechtliche Geltendmachung der Forderung (keine vorgängige Betreibung notwendig), ist jedoch mit dem Eingriff in das Existenzminimum des Schuldners nicht vergleichbar. Die privilegierte Anschlusspfändung gemäss Art. 111 SchKG wird daher von der Subrogation nach Art. 289 Abs. 2 ZGB erfasst, ebenso wie das Privileg im Kollokationsplan (Art. 219 Abs. 4 Erste Klasse lit. c SchKG), was allgemein anerkannt ist (vgl. BGE 57 II 10 E. 3 S. 13 sowie u.a. GILLIÉRON, a.a.O., Bd. III, 2001, N. 84 zu Art. 219 SchKG ; LORANDI, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, a.a.O., N. 247 zu Art. 219 SchKG ). 3.5 Nach dem Dargelegten ist mit Bundesrecht nicht vereinbar, wenn die Aufsichtsbehörde die Legitimation der Beschwerdeführerin zum Anschlussbegehren nach Art. 111 SchKG verweigert hat, weil sie eine Unterhaltsforderung gestützt auf Art. 289 Abs. 2 ZGB geltend macht. Die Rüge einer Rechtsverletzung ist begründet.
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Erwägungen ab Seite 280 BGE 105 V 280 S. 280 Aus den Erwägungen: 2. Die Bestimmungen des KUVG über die Krankenversicherung haben einen territorialen Geltungsbereich. Vorbehältlich gegenteiliger statutarischer Vorschriften haben die Krankenkassen für ausserhalb der Schweiz behandelte Leiden keine Leistungen zu erbringen, selbst wenn der Versicherte im Ausland krank geworden ist ( BGE 98 V 155 , RSKV 1976, S. 12). Nach der Rechtsprechung ist der Grenzgänger hinsichtlich seiner Ansprüche gegenüber der Krankenkasse gleich zu behandeln wie jeder andere Versicherte, der sich in derselben BGE 105 V 280 S. 281 gesundheitlichen und versicherungsrechtlichen Lage befindet. Dies gilt allerdings nur, solange er in der benachbarten Grenzzone wohnt und dort den von der Krankenkasse für notwendig erachteten medizinischen und administrativen Kontrollen zugänglich bleibt. Dass er keinen Wohnsitz in der Schweiz besitzt, ist dagegen unerheblich. Wenn er, obwohl er täglich einen Teil der Zeit im Ausland verbringen muss, bezüglich der Beitragspflicht gleich behandelt wird wie ein Versicherter mit schweizerischem Wohnsitz, so sind ihm auch dieselben Leistungen zu gewähren. Die Kasse darf ihm im Krankheitsfall nicht entgegenhalten, er wohne ausserhalb ihres Tätigkeitsgebietes, nachdem sie zuvor die Beiträge ohne Rücksicht auf seine Stellung als Grenzgänger festgesetzt und erhoben hat. Allerdings darf sie ihre Leistungen von dem Zeitpunkt an einstellen, da der Versicherte seinen Wohnsitz von der benachbarten Grenzzone endgültig in eine andere ausländische Gegend verlegt ( BGE 103 V 71 ). 3. a) Im vorliegenden Fall enthalten weder der Kollektivversicherungsvertrag noch die Kassenstatuten besondere Bestimmungen über das Versicherungsverhältnis bei Grenzgängern. Der Grenzgänger ist hinsichtlich der Beitragspflicht den übrigen Kollektivversicherten gleichgestellt. Da auch die nach der Rechtsprechung massgebenden zusätzlichen Voraussetzungen als erfüllt gelten können, standen dem Versicherten grundsätzlich die gleichen Leistungsansprüche zu, wie sie Kollektivversicherte mit Wohnsitz in der Schweiz haben. Dies wird von der Kasse nicht bestritten. Streitig ist dagegen, ob sie insbesondere nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung der Mitglieder auch hinsichtlich der im Ausland durchgeführten Massnahmen leistungspflichtig ist. b) Gemäss Art. 3 Abs. 3 KUVG ist die Krankenversicherung von den anerkannten Krankenkassen nach den Grundsätzen der Gegenseitigkeit zu betreiben. Danach muss zwischen den Beiträgen und den Versicherungsleistungen ein gewisses Gleichgewicht bestehen; ferner haben die Kassen das Verhältnismässigkeitsprinzip und den Grundsatz der Gleichbehandlung aller Mitglieder zu wahren (EVGE 1968, S. 163 lit. c; RSKV 1973, S. 149, 1971, S. 21). Das Gleichheitsgebot bedeutet, dass Gleiches nach Massgabe seiner Gleichheit gleich, Ungleiches nach Massgabe seiner Ungleichheit ungleich zu behandeln ist (vgl. IMBODEN/RHINOW, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, Bd. I, S. 423 ff. und dort zitierte Rechtsprechung). BGE 105 V 280 S. 282 Wo es die unterschiedlichen tatsächlichen Verhältnisse rechtfertigen, kann daher eine von der allgemeinen Ordnung abweichende Regelung geboten sein (vgl. EVGE 1967, S. 185). Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass der Versicherte ungeachtet seines Wohnortes auf Grund des zwischen seinem Arbeitgeber und der Kasse bestehenden Kollektivversicherungsvertrages zum Kassenbeitritt verpflichtet war und die gleichen Mitgliederbeiträge zu entrichten hatte wie die in der Schweiz wohnhaften Versicherten. Nach den sich aus Art. 3 Abs. 3 KUVG ergebenden Grundsätzen sind ihm somit dieselben Leistungen zu gewähren wie andern Versicherten ( BGE 103 V 74 ). Die Auffassung der Kasse, wonach der Grenzgänger nur Anspruch auf Behandlung in der Schweiz habe, führt aber zu einer erheblichen Schlechterstellung in der Leistungsberechtigung, indem das Recht auf freie Wahl des Arztes und Apothekers am Aufenthaltsort und dessen Umgebung ( Art. 15 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 1 KUVG ) praktisch aufgehoben wird. Art. 21 Abs. 1 KUVG kann daher im Falle von Grenzgängern nicht in dem von der Kasse genannten Sinn Anwendung finden. Wie Vorinstanz und Bundesamt für Sozialversicherung zu Recht feststellen, verlangt das Gebot der Gleichbehandlung, dass der Grenzgänger jedenfalls unter bestimmten Voraussetzungen auch einen an seinem Wohnort oder in dessen Umgebung praktizierenden Arzt konsultieren und die ärztlich verordneten Medikamente in einer ausländischen Apotheke beziehen kann. Dabei rechtfertigt es sich, auf das Kriterium der Zumutbarkeit abzustellen,womit auch dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit Rechnung getragen wird (vgl. EVGE 1968, S. 163). Die Leistungspflicht der Kasse beurteilt sich folglich danach, ob es vom Grenzgänger nach den gesamten Umständen, insbesondere den gesundheitlichen Verhältnissen, verlangt werden kann, dass die ärztliche Behandlung in der Schweiz erfolgt. Ist dies zu verneinen, so hat die Kasse die Kosten der ambulanten Behandlung durch einen am Wohnort oder in dessen Umgebung praktizierenden ausländischen Arzt zu übernehmen und die ärztlich verordneten Medikamente zu vergüten. Sie hat insoweit auch eine ausländische Bestätigung der Arbeitsunfähigkeit anzuerkennen. Schliesslich hat sie die versicherten Leistungen bei Aufenthalt in einer ausländischen Heilanstalt zu erbringen, falls sich der Versicherte aus medizinischen Gründen in eine solche Anstalt begeben muss.
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Sachverhalt ab Seite 184 BGE 126 IV 184 S. 184 X. parkierte am 29. Januar 1999, von ca. 21.30 bis 21.45 Uhr, seinen Wagen in der Lindenhofstrasse in Zürich. An der Strasse ist das Signal "Verbot für Motorwagen, Motorräder und Motorfahrräder" (Signal Nr. 2.14 des Anhangs 2 zur Strassensignalisationsverordnung vom 5. September 1979, Art. 19 Abs. 2 SSV [SR 741.21]) angebracht. Dem Signal ist eine Zusatztafel folgenden Inhalts beigefügt: "Ausgenommen Güterumschlag oder Ein- und Aussteigenlassen 05.00 - 20.00. Für Taxis sowie mit schriftlicher Ausnahmebewilligung jederzeit gestattet." BGE 126 IV 184 S. 185 Der Einzelrichter in Strafsachen am Bezirksgericht Zürich bestrafte X. am 21. Oktober 1999 in Bestätigung der Strafverfügung des Polizeirichteramtes der Stadt Zürich vom 28. April 1999 wegen Verletzung von Verkehrsregeln i.S. von Art. 90 Ziff. 1 SVG (SR 741.01) i.V.m. Art. 27 Abs. 1 SVG , Art. 19 Abs. 2 lit. a der Verkehrsregelnverordnung vom 13. November 1962 (VRV; SR 741.11), Art. 30 Abs. 1 SSV und Art. 19 Abs. 1 lit. a SSV mit einer Busse von 220 Franken. Die von X. dagegen erhobene kantonale Nichtigkeitsbeschwerde wies das Obergericht des Kantons Zürich am 14. März 2000 ab. Das Bundesgericht weist die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde ab. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Der Beschwerdeführer befuhr mit seinem Wagen die mit dem Signal "Verbot für Motorwagen, Motorräder und Motorfahrräder" (Signal Nr. 2.14) versehene Lindenhofstrasse in Zürich und parkierte dort sein Fahrzeug während ca. 15 Minuten. Keiner der in der Zusatztafel zum Fahrverbotssignal genannten Ausnahmegründe - "Ausgenommen Güterumschlag oder Ein- und Aussteigenlassen 05.00-20.00" und "Für Taxis sowie mit schriftlicher Ausnahmebewilligung jederzeit gestattet" - war erfüllt. Der Beschwerdeführer hat daher durch das Befahren der Strasse das Signal "Verbot für Motorwagen, Motorräder und Motorfahrräder" (Signal Nr. 2.14) missachtet. Dadurch hat er sich der Verletzung von Verkehrsregeln i.S. von Art. 90 Ziff. 1 SVG i.V.m. Art. 27 SVG und Art. 19 Abs. 1 lit. a SSV schuldig gemacht. Dies hat der Beschwerdeführer bereits im kantonalen Verfahren stets anerkannt. Die Missachtung des Vorschriftssignals "Verbot für Motorwagen" wird gemäss Ziff. 304.3 der im Anhang 1 zur Ordnungsbussenverordnung enthaltenen Bussenliste mit einer Ordnungsbusse von 100 Franken geahndet, falls das Ordnungsbussenverfahren nicht aus bestimmten Gründen ausgeschlossen ist (siehe dazu Art. 2 des Ordnungsbussengesetzes vom 24. Juni 1970 [OBG; SR 741.03]). 2. Der Beschwerdeführer wurde von den kantonalen Instanzen darüber hinaus in Anwendung von Art. 90 Ziff. 1 SVG i.V.m. Art. 27 Abs. 1 SVG sowie Art. 19 Abs. 2 lit. a VRV und Art. 30 Abs. 1 SSV bestraft, weil er seinen Wagen auf der mit dem Fahrverbotssignal mit Erlaubnisvorbehalt gemäss Zusatztafel versehenen Strasse zudem parkierte. Der Beschwerdeführer macht wie bereits im kantonalen Verfahren geltend, seine Bestrafung auch wegen dieses BGE 126 IV 184 S. 186 Parkierens verstosse gegen Bundesrecht, insbesondere auch gegen den in Art. 1 StGB festgelegten Grundsatz "nulla poena sine lege". a) Gemäss den Ausführungen der Vorinstanz wird durch die Bestrafung des Beschwerdeführers wegen Missachtung des signalisierten Fahrverbots lediglich das unbefugte Befahren der Lindenhofstrasse geahndet. Der Beschwerdeführer habe aber die Strasse nicht nur verbotenerweise befahren, sondern seinen Wagen dort auch parkiert. Die unter dem Fahrverbotssignal angebrachte Zusatztafel zeige mit hinreichender Klarheit an, dass der zum freiwilligen Halten und damit zum Parkieren (siehe dazu Art. 19 Abs. 2 lit. a VRV ) an der Lindenhofstrasse berechtigte Personenkreis beschränkt sei. Aus dem signalisierten Fahrverbot mit Erlaubnisvorbehalt ergebe sich ohne weiteres, dass das Anhalten und umso mehr auch das Parkieren für den Beschwerdeführer, der sich auf keinen der signalisierten Erlaubnisvorbehalte berufen könne, verboten gewesen sei. Auch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ( BGE 114 IV 50 ff.) dürfe auf einer Strasse, die gemäss der Signalisation nur zum Zwecke des Güterumschlags befahren werden dürfe, allein zu diesem Zwecke freiwillig angehalten werden und sei das Parkieren für jedermann ohne weiteres erkennbar verboten, auch wenn an der fraglichen Stelle kein Signal "Halten verboten" bzw. "Parkieren verboten" ( Art. 30 Abs. 1 SSV ) angebracht sei. Nicht anders verhalte es sich im vorliegenden Fall. Der Beschwerdeführer habe somit zusätzlich zum ausdrücklich signalisierten Fahrverbot ein sich aus diesem Signal in Verbindung mit der Zusatztafel ergebendes - und damit eine ausreichende gesetzliche Grundlage für eine Bestrafung bildendes - Parkverbot missachtet, indem er seinen Wagen in der Lindenhofstrasse parkierte. Dieses Parkieren haben die kantonalen Instanzen gestützt auf Ziff. 230.1 der im Anhang 1 zur Ordnungsbussenverordnung enthaltenen Bussenliste - "Parkieren innerhalb des signalisierten Halteverbots ( Art. 30 SSV und Art. 19 Abs. 2 lit. a VRV ) bis 60 Minuten" - mit einer Ordnungsbusse von 120 Franken geahndet. Diese Ordnungsbusse und die Ordnungsbusse von 100 Franken für das verbotene Befahren der Lindenhofstrasse wurden von den kantonalen Instanzen gestützt auf Art. 3a Abs. 1 OBG zusammengezählt, woraus sich die ausgefällte Gesamtbusse von 220 Franken ergab. b) Der Beschwerdeführer macht geltend, er dürfe nicht auch wegen des Parkierens bestraft werden. Seines Erachtens ist zwar klar, dass dort, wo ein Fahrverbot bestehe, ein Halte- und ein Parkverbot gelte, ohne dass dies besonders signalisiert sein müsse. BGE 126 IV 184 S. 187 Dies bedeute jedoch keineswegs, dass das Parkieren, welches, wie vorliegend, einzig deshalb nicht erlaubt sei, weil ein Fahrverbot bestehe, als selbständiger Tatbestand geahndet werden dürfe. Das Parkverbot ergebe sich vorliegend allein aus dem Fahrverbot. Damit liege aber ein Fall unechter Konkurrenz vor, wobei das verbotene Parkieren im verbotenen Fahren aufgehe. Das ihm zur Last gelegte Befahren der Lindenhofstrasse sei gerade deshalb gemäss dem Fahrverbotssignal untersagt gewesen, weil es keinem der nach der Zusatztafel erlaubten Zwecke gedient habe. Damit er die Strasse habe unerlaubt befahren können, habe neben dem schlichten Hinein- und Hinausfahren (was für sich allein genommen auch schon verboten gewesen wäre) ein weiteres Element erfüllt sein müssen, eben ein durch keinen erlaubten Zweck gedecktes freiwilliges Halten. Wenn aber gerade erst infolge eines solchen Haltens bzw. Parkierens das Befahren der Strasse tatbestandsmässig sei, gehe es nicht an, das Parkieren als zweiten, selbständigen Tatbestand zu erfassen und auch hiefür eine Busse auszusprechen. Der Beschwerdeführer weist sodann auf Art. 17 Abs. 2 SSV hin, wonach Zusatztafeln, die signalisierte Vorschriften verschärfen, nur zulässig sind, wenn die Regelung nicht anders signalisiert werden kann. Wenn aus der Zusatztafel zum Fahrverbotssignal ein separat zu bestrafendes Halte- und damit ein Parkverbot abgeleitet werde, dann liege darin eine Verschärfung der Verbotssituation. Dies sei aber in Anbetracht von Art. 17 Abs. 2 SSV unzulässig. Ein Halte- und damit ein Parkverbot hätten nämlich vorliegend ohne weiteres durch Anbringen des Signals "Halten verboten" (Signal Nr. 2.49, Art. 30 Abs. 1 SSV ) zusätzlich zum Fahrverbotssignal mit Erlaubnisvorbehalt gemäss Zusatztafel erlassen werden können. Eine solche Signalisation sei denn auch etwa einige Meter von der Stelle entfernt, an welcher er seinen Wagen parkiert habe, an der Verzweigung Lindenhofstrasse/Oetenbachgasse angebracht gewesen. Aus jener Signalisation (Fahrverbotssignal mit Erlaubnisvorbehalt gemäss Zusatztafel plus Halteverbotssignal) ergebe sich klar, dass derjenige, welcher die Strasse zu andern als den in der Zusatztafel vorbehaltenen Zwecken befahre und zudem an der Strasse parkiere, sowohl wegen Missachtung eines Fahrverbotssignals als auch wegen Missachtung eines Halteverbotssignals zu bestrafen sei. Wo aber, wie an der Lindenhofstrasse, ein zusätzliches Halteverbotssignal (oder Parkverbotssignal) fehle, falle eine zusätzliche Bestrafung wegen verbotenen Parkierens ausser Betracht. Nach ständiger Praxis verpflichteten Verbotssignale im Strassenverkehr nur dann, wenn sie klar und ohne weiteres in ihrer BGE 126 IV 184 S. 188 Bedeutung erkennbar seien. Im vorliegenden Fall sei das Teilfahrverbot klar gewesen und habe er dagegen verstossen, indem er das von ihm gelenkte Fahrzeug in der Lindenhofstrasse parkiert habe. Dass er darüber hinaus noch gegen ein separat zu büssendes Halteverbot verstossen würde, sei demgegenüber in Anbetracht der gesamten an der Verzweigung Lindenhofstrasse/Oetenbachgasse herrschenden Verbotssituation weder klar noch in seiner Bedeutung erkennbar gewesen. 3. a) Der Kassationshof hatte sich in BGE 114 IV 50 ff. mit dem Fall eines Motorfahrzeuglenkers zu befassen, der in eine mit einem Fahrverbotssignal und mit der Zusatztafel "Güterumschlag gestattet" gekennzeichnete Strasse fuhr und seinen Wagen nach getätigtem Güterumschlag noch einige Zeit stehen liess. Die kantonalen Instanzen bestraften den Fahrzeuglenker wegen Missachtung des signalisierten Fahrverbots, begangen dadurch, dass er die Strasse verbotenerweise befahren habe. Sie begründeten dies im Wesentlichen damit, dass er nicht allein zum Zweck des Güterumschlags in die Strasse gefahren sei, sondern vielmehr bereits bei der Einfahrt in die Strasse entschlossen gewesen sei, den Wagen nach getätigtem Güterumschlag noch einige Zeit stehen zu lassen. Die kantonalen Instanzen gingen davon aus, dass damit die in der Zusatztafel genannte Voraussetzung, unter welcher das durch das Signal verbotene Befahren der Strasse ausnahmsweise erlaubt war, nicht erfüllt sei; denn das Befahren der Strasse habe nicht einzig und allein dem Güterumschlag gedient. Der Fahrzeuglenker stellte in seiner eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde den Antrag, er sei statt wegen Missachtung des Fahrverbotssignals bloss wegen verbotenen Parkierens zu bestrafen. Der Kassationshof teilte diese Auffassung. Gemäss den Erwägungen in BGE 114 IV 50 ff. war und blieb die Fahrt angesichts des beabsichtigten und tatsächlich getätigten Güterumschlags erlaubt, auch wenn der Fahrzeuglenker bereits im Moment der Einfahrt in die Strasse die Absicht gehabt haben sollte, den Wagen nach getätigtem Güterumschlag noch einige Zeit stehen zu lassen. Diese Absicht sei unerheblich, was schon daraus erhelle, dass sich der Fahrzeuglenker nicht strafbar gemacht hätte, wenn er seine Absicht nicht verwirklicht hätte, sondern unmittelbar nach dem Güterumschlag weitergefahren wäre. Da tatsächlich ein Güterumschlag getätigt worden und das Befahren der Strasse daher erlaubt gewesen sei, komme, ungeachtet der Absichten des Fahrzeuglenkers, einzig das Stehenlassen des Fahrzeugs nach dem Güterumschlag (Parkieren) als Tathandlung in Betracht. Der Fahrzeuglenker BGE 126 IV 184 S. 189 habe dadurch, wie er selber anerkenne, ein Parkverbot missachtet. Auf einer Strasse, die gemäss der Signalisation nur zum Zwecke des Güterumschlags befahren werden dürfe, dürfe auch nur zu diesem Zwecke freiwillig angehalten werden und sei das Parkieren für jedermann ohne weiteres erkennbar verboten. Der Fahrzeuglenker habe somit ein aus dem Fahrverbotssignal und der Zusatztafel "Güterumschlag gestattet" sich ergebendes Parkverbot missachtet. Eine solche Tat sei allerdings in der Ordnungsbussenliste nicht geregelt. Dennoch dränge sich aus Gründen der Verfahrensökonomie und der Rechtsgleichheit für diese Tat die Zulassung des Ordnungsbussenverfahrens an Stelle des ordentlichen Verfahrens auf ( BGE 114 IV 50 E. 2 S. 52 f.). b) Der vorliegend angefochtene Entscheid entspricht den in BGE 114 IV 50 entwickelten Grundsätzen. Indem der Beschwerdeführer sein Fahrzeug in der Lindenhofstrasse parkierte, missachtete er im Sinne der Ausführungen in BGE 114 IV 50 ein aus dem Fahrverbotssignal und der Zusatztafel - "Ausgenommen Güterumschlag oder Ein- und Aussteigenlassen ..." - sich ergebendes Parkverbot. Daran ändert nichts, dass der Beschwerdeführer sich zudem, im Unterschied zum Fahrzeuglenker im BGE 114 IV 50 ff. zugrunde liegenden Fall, durch das Befahren der Strasse der Missachtung des signalisierten Fahrverbots schuldig machte. Das Befahren der Strasse und das Parkieren auf der Strasse sind zwei verschiedene Tathandlungen. Während im BGE 114 IV 50 zugrunde liegenden Fall das Befahren der Strasse erlaubt war, da der Fahrzeuglenker tatsächlich einen Güterumschlag tätigte, war im vorliegenden Fall das Befahren der Strasse gemäss dem Signal verboten, da unstreitig keine der in der Zusatztafel vorbehaltenen Ausnahmen gegeben war. Aus diesem Grunde war das Befahren der Lindenhofstrasse verboten, mithin nicht deshalb, weil der Beschwerdeführer auf dieser Strasse parkierte. Der Beschwerdeführer hätte sich (wovon er selber ebenfalls auszugehen scheint) auch dann der Missachtung des Fahrverbotssignals schuldig gemacht, wenn er die Lindenhofstrasse aus Freude am Fahren, ohne freiwillig anzuhalten, benützt hätte. Das Parkieren in der Lindenhofstrasse ist eine andere, zusätzliche Handlung. Durch dieses Parkieren missachtete der Beschwerdeführer, wie der Fahrzeuglenker im BGE 114 IV 50 zugrunde liegenden Fall, ein aus dem Fahrverbotssignal und der Zusatztafel sich ergebendes Parkverbot. Der Einwand des Beschwerdeführers, es liege unechte Konkurrenz vor, ist somit unbegründet. BGE 126 IV 184 S. 190 c) Unbehelflich ist auch der Hinweis des Beschwerdeführers auf Art. 17 Abs. 2 SSV , wonach Zusatztafeln, die signalisierte Vorschriften verschärfen, nur zulässig sind, wenn die Regelung nicht anders signalisiert werden kann. In BGE 114 IV 50 wurde das Parkverbot nicht allein aus der Zusatztafel "Güterumschlag gestattet" abgeleitet, sondern aus dieser Zusatztafel in Verbindung mit dem Fahrverbotssignal. aa) Das Fahrverbotssignal ohne Zusatztafel verbietet den Fahrzeugführern allgemein (Signal Nr. 2.01, Art. 18 SSV ) beziehungsweise den Lenkern der im Signal genannten Fahrzeugkategorien (z.B. Signale Nr. 2.03 und 2.14, Art. 19 SSV ) das Befahren der Strasse. Das Fahrverbotssignal ohne Zusatztafel untersagt damit implizit, quasi stillschweigend, auch das freiwillige Halten und das Parkieren. Aus dem Fahrverbotssignal ohne Zusatztafel ergibt sich ohne weiteres erkennbar und einleuchtend auch ein Halte- und Parkverbot. Dessen Missachtung ist, als zusätzliches Unrecht, entgegen der Meinung des Beschwerdeführers auch strafbar. Das Fahrverbotssignal bildet hiefür eine ausreichende Grundlage. Es kann nicht gefordert werden, dass zusätzlich zum Fahrverbotssignal noch ein Signal "Halten verboten" (Signal Nr. 2.49, Art. 30 SSV ) angebracht wird. Wer auf einer mit einem Fahrverbotssignal versehenen Strasse fährt, missachtet dadurch das signalisierte Fahrverbot. Wer zudem parkiert, missachtet dadurch zusätzlich das aus dem Fahrverbotssignal sich ohne weiteres erkennbar ergebende Parkverbot und ist auch hiefür zu bestrafen. bb) Das Fahrverbotssignal mit Zusatztafel erlaubt das Befahren der Strasse im Sinne einer Ausnahme vom signalisierten Fahrverbot unter den in der Zusatztafel genannten Voraussetzungen. Das Fahrverbotssignal mit Zusatztafel gestattet im Sinne einer Ausnahme von dem sich aus dem Fahrverbotssignal ergebenden Halte- und Parkverbot ein freiwilliges Halten, allenfalls ein Parkieren, unter den in der Zusatztafel genannten Voraussetzungen (etwa "Güterumschlag gestattet", "Anwohner frei"). Durch die Zusatztafel wird mithin nicht das signalisierte Teilfahrverbot durch Begründung eines Halte- bzw. Parkverbots in unzulässiger Weise im Sinne von Art. 17 Abs. 2 SSV verschärft, sondern es wird das aus dem Fahrverbotssignal sich ergebende Halte- und Parkverbot beschränkt. d) Der Beschwerdeführer weist wie bereits im kantonalen Verfahren darauf hin, dass in unmittelbarer Nähe von der Stelle, an welcher er sein Fahrzeug parkierte, nämlich an der Verzweigung Lindenhofstrasse/Oetenbachgasse, zusätzlich zum Fahrverbotssignal BGE 126 IV 184 S. 191 mit Zusatztafel ein Signal "Halten verboten" (Signal Nr. 2.49) angebracht sei. Damit sei klar, dass dort nicht nur das Fahren, sondern auch das freiwillige Halten und das Parkieren unter Strafandrohung untersagt seien. Gerade auch in Anbetracht jener Signalisation an der Verzweigung Lindenhofstrasse/Oetenbachgasse habe er den Schluss ziehen müssen, dass an der Lindenhofstrasse, wo ein zusätzliches Signal "Halten verboten" fehlte, das Parkieren nicht strafbar sei. Der Einwand ist unbegründet. Das Signal "Halten verboten" (Signal Nr. 2.49) untersagt das freiwillige Halten, das Signal "Parkieren verboten" (Signal Nr. 2.50) das Parkieren von Fahrzeugen auf der signalisierten Fahrbahnseite ( Art. 30 Abs. 1 Satz 1 SSV ). Das Halteverbotssignal an der Verzweigung Lindenhofstrasse/Oetenbachgasse zeigt an, dass die Fahrzeugführer, welche jene Strasse erlaubterweise befahren, etwa weil sie einen Güterumschlag zu tätigen haben oder über eine schriftliche Ausnahmebewilligung verfügen, nicht auf der Fahrbahnseite, an welcher das Signal "Halten verboten" angebracht ist, halten dürfen, sondern auf der gegenüberliegenden Fahrbahnseite halten müssen. Das fragliche Halteverbotssignal richtet sich mithin an die Fahrzeugführer, welche die Strasse gemäss der Zusatztafel zum Fahrverbotssignal befahren dürfen. Den übrigen Fahrzeuglenkern ist das Halten und das Parkieren - und zwar auf beiden Fahrbahnseiten - auch ohne Halteverbotssignal aufgrund des Fahrverbotssignals und des sich daraus ergebenden Halte- und Parkverbots bei Strafe untersagt. e) Der Beschwerdeführer macht schliesslich geltend, bei der Betrachtungsweise der Vorinstanz hätte auch der Beschuldigte im BGE 114 IV 50 zugrunde liegenden Fall sowohl wegen verbotenen Parkierens als auch wegen verbotenen Fahrens bestraft werden müssen. Zwar sei der Fahrzeuglenker in jenem Fall berechtigt gewesen, in die Strasse hineinzufahren, da er tatsächlich einen Güterumschlag getätigt habe und somit die in der Zusatztafel genannte Voraussetzung erfüllt gewesen sei. Das an den Güterumschlag anschliessende Parkieren habe aber bewirkt, dass auch das zwangsläufig notwendige spätere Weiterfahren unzulässig gewesen sei, da es keinem erlaubten Zweck mehr habe dienen können. Gleichwohl sei der Fahrzeuglenker in jenem Verfahren - zu Recht - nicht "doppelt" bestraft worden. Der Einwand ist unbegründet. Im BGE 114 IV 50 zugrunde liegenden Fall war das Befahren der Strasse angesichts des tatsächlich getätigten Güterumschlags, trotz des unmittelbar daran anschliessenden Parkierens, erlaubt. Zulässig BGE 126 IV 184 S. 192 war dabei nicht nur die Fahrt vor dem Güterumschlag, sondern auch die Weiterfahrt nach dem Parkieren, sofern diese überhaupt Gegenstand jenes Verfahrens gewesen sein sollte. Denn die Weiterfahrt war in jedem Fall notwendig, mithin unabhängig davon, ob der Fahrzeuglenker nach dem erlaubten Güterumschlag noch verbotenerweise den Wagen stehen liess (parkierte) oder aber sofort weiterfuhr. Nicht zu entscheiden war in jenem Fall, wie es sich verhält, wenn der Fahrzeuglenker nach dem erlaubten Güterumschlag zunächst weiterfährt und sein Fahrzeug später innerhalb der mit dem Fahrverbot unter Erlaubnisvorbehalt belegten Strasse verbotenerweise parkiert, ob er also in einem solchen Fall nicht nur wegen Missachtung des sich aus dem Fahrverbotssignal ergebenden Parkverbots, sondern auch wegen Missachtung des signalisierten Fahrverbots zu bestrafen sei.
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Sachverhalt ab Seite 117 BGE 145 V 116 S. 117 A. A.a Der 1943 geborene A. war bei der Vivao Sympany AG krankenversichert. Am 8. Dezember 2014 trat er für eine Knieoperation ins Spital B. ein. Wegen einer schweren Gonarthrose wurde ihm linksseitig eine Knie-Teilprothese eingesetzt. Zwei Tage nach dem Eingriff, am 11. Dezember 2014, erlitt A. einen Herzinfarkt, was eine Bypass-Operation erforderlich machte. Nachdem bei ihm am Folgetag ein anurisches Nierenversagen (bei vorbestehender Niereninsuffizienz) festgestellt worden war, musste sich A. Dialysen unterziehen. Am 22. Dezember 2014 diagnostizierten die Ärzte zudem eine Tracheobronchitis. Im Verlaufe seines weiteren Aufenthaltes erlitt A. eine sakrale Osteomyelitis bei grossem Dekubitus über dem Steissbein, weswegen weitere Operationen folgten. Im Februar und März 2015 kam es wiederholt zu Septikämien. Wegen eines Kniegelenkergusses links musste im Juni 2015 eine Punktion vorgenommen werden. Zudem traten beim Versicherten eine Critical Illness Polyneuromyopathie und gastrointestinale Blutungen auf. Im weiteren Verlauf kam es zu Schluckproblemen, einer vorübergehenden Stimmbandlähmung und verschiedenen zusätzlichen Infektionen. A.b Während des Spitalaufenthalts von A. diskutierten die Ärzte und das Pflegeteam wiederholt ethische Fragen. Zudem fanden am 26. Februar und am 11. Juni 2015 zwei formelle interprofessionelle ethische Fallbesprechungen (Standortbestimmungen) "METAP Stufe 3" statt, in welchen konstant und einhellig eine volle Therapie als adäquat beurteilt wurde. A.c Nachdem der Versicherte 421 Tage in Spitalbehandlung (davon einen grossen Teil auf der Intensivstation) verbracht hatte, wurde er am 2. Februar 2016 zur Neurorehabilitation ins Spital C. verlegt. BGE 145 V 116 S. 118 A.d Am 29. Februar 2016 stellte das Spital B. für die Behandlung von A. Rechnung im Gesamtbetrag von Fr. 2'410'744.45, wobei es vom Wohnsitzkanton Fr. 1'325'909.30 (entsprechend einem Anteil von 55 %) und von der Vivao Sympany AG Fr. 1'084'835.10 (entsprechend einem Anteil von 45 %) forderte. Der Wohnsitzkanton beglich den von ihm verlangten Betrag. Der Krankenversicherer bezahlte Fr. 300'000.- statt der ihm belasteten Fr. 1'084'835.10, dies mit der Begründung, mehr sei nach seiner Berechnung nicht geschuldet. A.e Nach einer erneuten Verschlechterung seines Gesundheitszustandes wurde A. am 8. April 2016 auf die Intensivstation des Spitals C. verlegt. Aufgrund der schlechten Prognose entschied sich das Behandlungsteam mit seinem Einverständnis und demjenigen seiner Ehefrau gegen weitere invasive kardiopulmonale Reanimationsmassnahmen. Am 14. April 2016 verstarb A.; die Ärzte gingen von einem Multiorganversagen aus. B. Mit der Post am 23. November 2016 übergebener Klage beantragte das Spital B., es sei die Vivao Sympany AG zu verpflichten, ihm den Betrag von Fr. 784'835.10 zu bezahlen. Diese schloss auf Abweisung der Klage. In der Vermittlungsverhandlung vom 19. April 2017 kam keine Einigung zustande. Der Schriftenwechsel wurde fortgesetzt. Replicando hielt das Spital B. an den in der Klage gestellten Anträgen fest. Duplicando erneuerte auch die Vivao Sympany AG ihr Rechtsbegehren, wobei sie zusätzlich beantragte, das Spital B. habe sämtliche die medizinische und wirtschaftliche Aufklärung sowie die Einwilligung des Patienten betreffenden Akten zu edieren, insbesondere (aber nicht allein) die Unterlagen zu den präoperativen Abklärungen und zum Eintrittsgespräch vom 8. Dezember 2014. Am 14. Februar und am 10. April 2018 folgten weitere Stellungnahmen beider Parteien. Mit Entscheid vom 20. September 2018 hiess das Schiedsgericht in Sozialversicherungssachen des Kantons Basel-Stadt die Klage gut. Es verpflichtete die Vivao Sympany AG, dem Spital B. Fr. 784'835.10 (gemäss Rektifikat) zu bezahlen. C. Die Vivao Sympany AG lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Antrag auf Aufhebung des schiedsgerichtlichen Entscheides vom 20. September 2018. Das Spital B. lässt auf Abweisung der Beschwerde schliessen. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) verzichtet auf eine Vernehmlassung. BGE 145 V 116 S. 119 Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Streitig und zu prüfen ist, ob die Vivao Sympany AG dem Spital B. für die medizinische Behandlung von A. zusätzlich zu den von ihr bereits übernommenen Fr. 300'000.- den Betrag von Fr. 784'835.10 bezahlen muss, d.h. insgesamt den von ihr geforderten Betrag von Fr. 1'084'835.10, welcher 45 % der sich auf Fr. 2'410'744.45 belaufenden Gesamtkosten entspricht. 3. 3.1 Die obligatorische Krankenpflegeversicherung übernimmt die Kosten für die Leistungen gemäss den Art. 25-31 KVG nach Massgabe der in den Art. 32-34 festgelegten Voraussetzungen ( Art. 24 Abs. 1 KVG ). Darunter fallen in erster Linie die Leistungen, die der Diagnose oder Behandlung einer Krankheit und ihrer Folgen dienen ( Art. 25 Abs. 1 KVG ). Sie umfassen unter anderem die ambulant, stationär oder in einem Pflegeheim durchgeführten Untersuchungen und Behandlungen sowie die in einem Spital durchgeführten Pflegeleistungen; diese müssen von Ärzten oder Ärztinnen, Chiropraktoren oder Chiropraktorinnen oder von Personen, die auf Anordnung oder im Auftrag eines Arztes oder einer Ärztin beziehungsweise eines Chiropraktors oder einer Chiropraktorin Leistungen erbringen, durchgeführt werden ( Art. 25 Abs. 2 lit. a KVG ). Weiter zählen dazu auch die Kosten für den Aufenthalt im Spital entsprechend dem Standard der allgemeinen Abteilung ( Art. 25 Abs. 2 lit. e KVG ). Wer Leistungserbringer ist, wird in Art. 35-40 KVG geregelt. 3.2 Gemäss Art. 32 Abs. 1 KVG müssen die Leistungen nach den Art. 25-31 KVG wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sein (Satz 1). Die Wirksamkeit muss nach wissenschaftlichen Methoden nachgewiesen sein (Satz 2). Es handelt sich bei den in dieser Bestimmung statuierten Kriterien der Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit (WZW-Kriterien) um die grundlegenden, kumulativ zu erfüllenden Voraussetzungen jeder Leistung. Ihr Zweck ist es, eine effiziente, qualitativ hochstehende und zweckmässige Gesundheitsversorgung zu möglichst günstigen Kosten sicherzustellen. An diesem Ziel haben sich alle Akteure im Bereich der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (d.h. neben den Versicherten insbesondere auch die Leistungserbringer und die Tarifgenehmigungsbehörden) zu orientieren ( BGE 127 V 80 E. 3c/aa S. 85; Urteil BGE 145 V 116 S. 120 9C_176/2016 vom 21. Februar 2017 E. 6.2.1 in fine, in: SVR 2017 KV Nr. 13 S. 59). 3.2.1 Wirksam ist eine medizinische Leistung, wenn sie objektiv geeignet ist, auf den angestrebten diagnostischen, therapeutischen oder pflegerischen Nutzen hinzuwirken bzw. den Verlauf einer Krankheit günstig zu beeinflussen ( BGE 143 V 95 E. 3.1 S. 98 f.; BGE 137 V 295 E. 6.1 S. 303; BGE 133 V 115 E. 3.1 S. 116 f.; GEBHARD EUGSTER, Rechtsprechung des Bundesgerichts zum KVG [nachfolgend: Rechtsprechung], 2. Aufl. 2018, N. 2 zu Art. 32 KVG ; ders. , Krankenversicherung [nachfolgend: SBVR], in: Soziale Sicherheit, SBVR Bd. XIV, 3. Aufl. 2016, S. 508 Rz. 329; UELI KIESER, in: KVG/UVG-Kommentar, Kieser/Gehring/Bollinger [Hrsg.], 2018, N. 2 zu Art. 32 KVG ; GÄCHTER/RÜTSCHE, Gesundheitsrecht, 4. Aufl. 2018, S. 274 f. Rz. 1056). 3.2.2 Die Zweckmässigkeit setzt die Wirksamkeit der Behandlung voraus ( BGE 137 V 295 E. 6.2 S. 306). Dabei gilt jene Anwendung als zweckmässig, welche gemessen am angestrebten Erfolg und unter Berücksichtigung der Risiken den besten diagnostischen oder therapeutischen Nutzen aufweist ( BGE 139 V 135 E. 4.4.2 S. 140; BGE 137 V 295 E. 6.2 S. 306; BGE 130 V 299 E. 6.1 S. 304 f.; BGE 127 V 138 E. 5 S. 146 f.; EUGSTER, Rechtsprechung, a.a.O., N. 9 zu Art. 32 KVG ; ders. , SBVR, a.a.O., S. 508 f. Rz. 331; KIESER, a.a.O., N. 4 ff. zu Art. 32 KVG ; GÄCHTER/RÜTSCHE, a.a.O., S. 275 Rz. 1057). 3.2.3 Die Wirtschaftlichkeit setzt die Wirksamkeit und Zweckmässigkeit der Behandlung voraus. Der Leistungserbringer hat sich in seinen Leistungen auf dasjenige Mass zu beschränken, das im Interesse der Versicherten liegt und für den Behandlungszweck erforderlich ist (vgl. auch Art. 56 Abs. 1 KVG ). Die Wirtschaftlichkeit beurteilt sich objektiv und hat vergleichenden Charakter, indem sie eine Rolle spielt, wenn im Einzelfall mehrere diagnostische oder therapeutische Alternativen zweckmässig sind. Diesfalls ist das Verhältnis zwischen Kosten und Nutzen jeder Massnahme abzuwägen. Erlaubt eine der Massnahmen, den verfolgten Zweck erheblich kostengünstiger zu erreichen als dies mit der anderen Massnahme der Fall wäre, hat die versicherte Person keinen Anspruch auf die Vergütung der Kosten der teureren Massnahme ( BGE 142 V 26 E. 5.2.1 S. 34 ff.; BGE 139 V 135 E. 4.4.3 S. 140; BGE 136 V 395 E. 7.4 S. 407; EUGSTER, Rechtsprechung, a.a.O., N. 13 zu Art. 32 KVG ; ders. , SBVR, a.a.O., S. 510 f. Rz. 336 ff.; KIESER, a.a.O., N. 7 f. zu Art. 32 KVG ; GÄCHTER/RÜTSCHE, a.a.O., S. 275 Rz. 1058). Demgegenüber BGE 145 V 116 S. 121 kann eine vergleichsweise grössere medizinische Zweckmässigkeit (durch Vorteile in diagnostischer oder therapeutischer Hinsicht wie beispielsweise geringere Risiken, weniger Komplikationen, günstigere Prognose betreffend Nebenwirkungen und Spätfolgen) die Übernahme einer teureren Massnahme rechtfertigen ( BGE 142 V 26 E. 5.2.1 S. 35; BGE 137 V 295 E. 6.3.2 S. 309 f.). Die Frage der Wirtschaftlichkeit stellt sich grundsätzlich nicht, wenn es nur eine Behandlungsmöglichkeit bzw. keine Behandlungsalternative gibt, weil sich das in Art. 32 Abs. 1 KVG verankerte Erfordernis auf die Wahl unter mehreren zweckmässigen Behandlungsalternativen bezieht ( BGE 142 V 144 E. 6 S. 150 f.; BGE 139 V 135 E. 4.4.3 S. 140; Urteil 9C_195/2013 vom 15. November 2013 E. 5; EUGSTER, SBVR, a.a.O., S. 511 Rz. 339; GÄCHTER/RÜTSCHE, a.a.O., S. 275 Rz. 1058). 4. Streitig und zu prüfen ist die Frage, ob die Beschwerdeführerin in dem ihr in Rechnung gestellten Umfang leistungspflichtig ist für die Behandlung des Versicherten A. im Spital B. 4.1 Die Vorinstanz erwog, aus den Spitalakten gehe hervor, dass man nach wiederholter Diskussion ethischer Fragen jeweils zum Ergebnis gelangt sei, dass sich bei A. eine volle Therapie rechtfertigte. Besprechungen mit dem Versicherten sowie zwei formelle interdisziplinäre ethische Abklärungen vom 26. Februar und 11. Juni 2015 (METAP Stufe 3) hätten keine Argumente für eine Einschränkung der Therapieaktivität gegeben, auch wenn A. immer wieder Motivationskrisen gehabt habe. Der Versicherte, dessen Urteilsfähigkeit ärztlicherseits bestätigt worden sei, habe die Therapien gewollt und immer wieder auf Heilung gehofft. Wären die Ärzte und Ärztinnen seinem Wunsch nicht nachgekommen, hätten sie sich mit grosser Wahrscheinlichkeit strafbar gemacht und wohl gegen Art. 4 Abs. 1 der Standesordnung der Foederatio Medicorum Helveticorum (FMH) verstossen, wonach die Behandlung eines Patienten unter Achtung von dessen Willen zu erfolgen hat. Aus diesen Gründen könne dem Spital B. nicht der Vorwurf gemacht werden, es hätte die Leistungen - oder auch nur einen Teil davon - aus krankenversicherungsrechtlicher Sicht nicht erbringen müssen. Da mithin neben der Wirksamkeit und der Zweckmässigkeit, welche Kriterien unbestritten seien, auch die Voraussetzung der Wirtschaftlichkeit erfüllt sei, bestehe eine Leistungspflicht der Vivao Sympany AG. 4.2 Die Vivao Sympany AG stellt sich auf den Standpunkt, der Fall des Versicherten weise Ausnahmecharakter auf, indem rund neunundsechzig Mal höhere Kosten angefallen seien als dies nach neueren BGE 145 V 116 S. 122 Studien mit Fr. 35'000.- bei Spitalaufenthalten in den letzten zwölf Lebensmonaten durchschnittlich der Fall sei. Der von ihr anerkannte Betrag belaufe sich auf Fr. 296'000.- und berechne sich "nach der vom Bundesgericht als massgeblich angesehenen Methode QALY" wie folgt: Beim damals 71-jährigen Versicherten sei von einer durchschnittlichen restlichen Lebenserwartung von 14,8 Jahren auszugehen (angepasstes Verfahren, weil gewonnene Lebensjahre hier nicht berechnet werden könnten) und von einer Lebensqualität von 0,2 (entsprechend dem Umstand, dass der Versicherte in allen Verrichtungen des Lebens massiv beeinträchtigt oder behindert gewesen sei). Die Multiplikation der beiden Faktoren ergebe einen QALY-Wert von 2,96. Multipliziere man diesen mit Fr. 100'000.-, resultiere der von ihr bezahlte Betrag von Fr. 296'000.-. Dass der Einsatz finanzieller Mittel in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung in diesem Sinne zu begrenzen sei, ergebe sich aus der Rechtsprechung, insbesondere aus den das Medikament Myozyme betreffenden Urteilen BGE 136 V 395 und BGE 142 V 478 sowie aus dem sich mit Leistungen der Spitex befassenden Entscheid BGE 142 V 144 . Die entsprechende bundesgerichtliche Praxis beziehe sich nicht allein auf Arzneimittel, sondern auf verschiedenste medizinische Massnahmen. Es bestehe kein Grund, sie nicht auch auf Spitalaufenthalte anzuwenden. Es handle sich um eine "lückenfüllende Rechtsprechung", welche Gesetzesrang habe und sich auf das Gebot der Verhältnismässigkeit stütze, welches "eine absolute Grenzziehung" verlange. Die hier zu beurteilenden Kosten bewegten sich in einem Bereich, welcher in den drei erwähnten Urteilen als grobes Missverhältnis bezeichnet worden sei. Die vorinstanzliche Gutheissung der Klage stehe deshalb im Widerspruch zur bundesgerichtlichen Praxis. 4.3 Das Spital B. vertritt den Standpunkt, die Wirtschaftlichkeit könne nicht thematisiert werden, weil die Behandlung zur Erhaltung des Lebens von A. notwendig gewesen sei und es keine Alternative dazu gegeben habe. Die Beschwerdeführerin rüge die Kosten als zu hoch, lasse aber unklar, ob sie den Preis oder den Entscheid für die erbrachten Therapien beanstande. Ohnehin gelte für die detailliert fixierten Preise einer stationären Behandlung dasselbe wie für die auf der Spezialitätenliste stehenden Medikamente: Es bestehe kein Raum für eine separate Verhältnismässigkeitsprüfung durch ein Gericht. Selbst wenn es theoretisch möglich bliebe, die Entscheidung für oder gegen eine kostspielige Therapie auf ihre Verhältnismässigkeit zu prüfen, nützte dies der Beschwerdeführerin nichts, weil bei A. nicht BGE 145 V 116 S. 123 einmalig über eine besonders teure Behandlung, sondern immer wieder von Neuem, häufig in Notfallsituationen, über lebenserhaltende Massnahmen zu entscheiden gewesen sei. Das Bundesgericht habe die von der Beschwerdeführerin für richtig gehaltene Kostenobergrenze von Fr. 100'000.- pro QALY nie verbindlich festgehalten und es wäre auch fraglich, welche Kosten darin Platz haben müssten. Im Übrigen wäre die dazu erforderliche vertiefte und wissenschaftliche Analyse von Kosten und Nutzen ex ante und nicht ex post vorzunehmen. Das KVG sehe eine derartige Limitierung indessen ohnehin nicht vor; es wäre unhaltbar, eine echte Lücke anzunehmen, wie dies die Beschwerdeführerin vorschlage. 5. 5.1 Rechtsprechungsgemäss ist unter dem allgemeinen Gesichtspunkt der Verhältnismässigkeit ( Art. 5 Abs. 2 BV ), die für das gesamte Staatshandeln gilt, eine Leistung zu verweigern, wenn zwischen Aufwand und Heilerfolg ein grobes Missverhältnis besteht ( BGE 142 V 144 E. 7 S. 151; BGE 136 V 395 E. 7.4 S. 407 f.; BGE 120 V 121 E. 4b S. 125; BGE 118 V 107 E. 7b S. 115; BGE 109 V 41 E. 3 S. 44 f.; vgl. auch EUGSTER, SBVR, a.a.O., S. 511 Rz. 339). 5.2 Bezug nehmend auf diese Praxis vertritt die Vivao Sympany AG die Auffassung, nach dem Bundesgericht bestehe in der Krankenversicherung für den Einsatz finanzieller Mittel eine Obergrenze, welche sich anhand der QALY-Methode (d.h. mittels Kriterien wie insbesondere der durchschnittlichen restlichen Lebenserwartung und der Lebensqualität) mathematisch ermitteln lasse und im Fall von A. auf Fr. 296'000.- festzusetzen sei. 5.3 Wie sich aus dem Folgenden ergibt, lässt sich diese Auffassung nicht auf die Urteile BGE 136 V 395 , BGE 142 V 144 und 478, auf welche sich die Beschwerdeführerin zur Untermauerung ihres Standpunktes beruft, abstützen. 5.3.1 In BGE 136 V 395 ging es um den off-label-use des damals (bis 31. Oktober 2011) noch nicht auf der Spezialitätenliste (SL) enthaltenen Medikaments Myozyme. Das Bundesgericht hatte sich in erster Linie mit der Frage auseinanderzusetzen, ob das Arzneimittel bei der 69-jährigen, an Morbus Pompe leidenden Versicherten einen hohen therapeutischen Nutzen aufwies, weil dies für die Übernahme der Kosten eines ausserhalb der SL stehenden Medikamentes vorausgesetzt ist. Es verneinte einen solchen sowohl allgemein mangels Nachweises mittels klinischer Studien als auch im konkreten BGE 145 V 116 S. 124 Einzelfall (ungewisse gesundheitliche Verbesserung; E. 6.6-6.10 S. 402 ff.). Obwohl eine Kostenübernahme damit bereits aus Wirksamkeits- bzw. Zweckmässigkeitsüberlegungen gescheitert war, stellte das Bundesgericht im Folgenden - in einem obiter dictum - Überlegungen zur (vor allem in der Politik diskutierten) Frage der Wirtschaftlichkeit sowie zur Rechtsgleichheit im Hinblick auf die Grenzen der Finanzierbarkeit der Gesundheitsversorgung an (E. 7 S. 406 ff.). Dabei legte es dar, wie in der bisherigen Rechtsprechung ansatzweise versucht worden sei, anstelle der bisher auf politischer Ebene nicht festgelegten Kriterien die Kosten-Nutzen-Beziehung zu beurteilen (E. 7.6-7.6.2 S. 410 f.). Es zeigte auf, dass in anderen Ländern die Verhältnismässigkeit von Kosten und Nutzen anhand des Aufwands pro gerettetes Menschenlebensjahr betrachtet werde, allenfalls qualitätskorrigiert (beispielsweise anhand des QALY-Konzepts [quality adjusted life years]), und dass die Literatur verschiedene gesundheitsökonomische Ansätze nenne, in welchen Beiträge in der Grössenordnung von maximal ca. Fr. 100'000.- "pro gerettetes Menschenlebensjahr, allenfalls qualitätskorrigiert" noch als angemessen betrachten würden (E. 7.6.3 S. 411 f.). Das Bundesgericht gelangte zum Ergebnis, dass im zu beurteilenden Fall, selbst wenn ein hoher therapeutischer Nutzen erwiesen wäre, eine Leistungspflicht mangels eines angemessenen Verhältnisses zwischen dem Nutzen und den Kosten des Medikaments - es ging um insgesamt rund Fr. 750'000.- bis Fr. 900'000.- für eineinhalb Jahre - verneint werden müsste (E. 7.8 S. 413 f.). 5.3.2 Nachdem das Medikament Myozyme mit eng einschränkenden Limitierungen und einem gegenüber dem ursprünglichen massiv gesenkten Preis mit Wirkung auf 1. November 2011 in die SL aufgenommen worden war, hatte sich das Bundesgericht in BGE 142 V 478 erneut mit dessen Kostenübernahme zu befassen. Dabei stellte es vorab klar, dass die Wirtschaftlichkeitsprüfung bei einem gelisteten Medikament grundlegend anders erfolgt, weil ihm mit der Aufnahme in die SL nebst Wirksamkeit und Zweckmässigkeit insbesondere Wirtschaftlichkeit attestiert wird, da ein Medikament überhaupt nur in die Liste aufgenommen werden kann, wenn die Wirtschaftlichkeitsprüfung ein positives Resultat ergeben hat. Es erwog, die Aufnahme des Arzneimittels in die SL unter einer die Zulassung weiter einschränkenden Limitierung, deren Einhaltung für eine Kostenvergütung durch die obligatorische Krankenpflegeversicherung vorausgesetzt wird, sei ein zusätzliches Instrument der Wirtschaftlichkeitskontrolle BGE 145 V 116 S. 125 (E. 6.2 S. 485 f.). Im Falle von Myozyme sei mit den eng einschränkenden Limitierungen und den gegenüber früher deutlich gesenkten Kosten dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit im Aufnahmeverfahren in besonderem Mass Rechnung getragen worden. Für eine weitere Wirtschaftlichkeitsprüfung des Listenmedikaments Myozyme im Einzelfall (im zu beurteilenden Fall ging es um Behandlungskosten von rund Fr. 370'000.- für elf Monate) bleibe vor diesem Hintergrund kein Raum. Ob den Krankenversicherern grundsätzlich die Möglichkeit offenstehe, den Einsatz eines gelisteten Medikaments im konkreten Behandlungsfall wegen fehlender Wirtschaftlichkeit rechtsmittelweise in Frage zu stellen, brauche nicht weiter geprüft zu werden (E. 6.4 S. 486 f.). 5.3.3 In BGE 142 V 144 bejahte das Bundesgericht einen Anspruch auf Übernahme von Leistungen der Spitex, bestehend in der nächtlichen Überwachung eines Beatmungsgeräts, welche bei einer am Undine-Syndrom leidenden Versicherten notwendig war. Es erwog, mangels wirksamer und zweckmässiger Alternativen zur Spitexpflege stelle sich die Frage nach der Wirtschaftlichkeit, welche komparativen Charakter aufweise, von vornherein nicht (E. 6 S. 150 f.). Unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismässigkeit, d.h. der Beziehung zwischen Aufwand und Heilerfolg, zeigte es die Unterschiede auf zum Sachverhalt, der BGE 136 V 395 zugrunde lag: Die jährlichen Kosten seien mit ca. Fr. 200'000.- rund dreimal tiefer als bei der Versicherten, die damals am Recht stand. Zudem sei der hohe Nutzen der (lebensnotwendigen) Spitexleistungen unbestrittenermassen erstellt, indem diese der im Zeitpunkt des Einspracheentscheids 24-jährigen erwerbstätigen Versicherten ein weitgehend normales Leben ermöglichten (E. 7 S. 151). 5.4 Zusammenfassend ergibt sich, dass die Frage, ob ein grobes Missverhältnis zwischen Aufwand und Heilerfolg vorliegt, in BGE 142 V 478 (aus den in E. 5.3.2 hiervor dargelegten Gründen) nicht zu prüfen war. In BGE 136 V 395 diskutierte das Bundesgericht sie zwar in einem obiter dictum eingehend (unter anderem mit einer rechtsvergleichenden Betrachtung der QALY-Methode), doch musste es sie nicht abschliessend beantworten, weil die Kostenübernahme bereits an anderen Voraussetzungen scheiterte. Das Bundesgericht liess es mit dem Hinweis bewenden, dass ein grobes Missverhältnis wohl zu bejahen wäre im Falle von sich für eineinhalb Jahre auf Fr. 750'000.- bis 900'000.- belaufenden Kosten (vgl. E. 5.3.1 hiervor). Umgekehrt verneinte es ein solches im Entscheid BGE 142 V 144 , BGE 145 V 116 S. 126 wo sich ein hoher Nutzen der (lebensnotwendigen) Spitexleistungen und Kosten von etwa Fr. 200'000.- pro Jahr gegenüberstanden (E. 5.3.3 hiervor). Mit anderen Worten hat das Bundesgericht - entgegen der Behauptung der Beschwerdeführerin - auch in den von ihr angerufenen Entscheiden nie eine absolute Grenze für die zu Lasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung gehenden Kosten festgelegt. Es kann deshalb auch keine Rede davon sein, dass es die QALY-Methode, anhand welcher die Beschwerdeführerin ihre Leistungspflicht auf Fr. 300'000.- zu beschränken versucht, für massgebend erklärt hätte. 6. 6.1 Im Unterschied zu den Entscheiden BGE 136 V 395 und BGE 142 V 144 , in welchen unter Wirtschaftlichkeitsüberlegungen das Kosten- /Nutzen-Verhältnis einer spezifischen Leistung (des Medikaments Myozyme und der Überwachung durch die Spitex) analysiert worden war, stellt die Beschwerdeführerin im Falle von A. nicht die Wirtschaftlichkeit einer einzelnen Massnahme zur Diskussion. Vielmehr beanstandet sie pauschal den nach einer Vielzahl von medizinischen Vorkehren aufgelaufenen Gesamtbetrag. Dieser setzt sich zusammen aus den Kosten verschiedener, grossenteils intensivmedizinischer Behandlungen, die bei A. unabhängig voneinander, insbesondere aufgrund wiederholt aufgetretener Komplikationen, notwendig geworden waren. Denn unglücklicherweise erlitt der Versicherte, der sich am 8. Dezember 2014 wegen einer fortgeschrittenen Gonarthrose für eine Knieoperation ins Spital B. begeben hatte, wenige Tage nach dem Eingriff einen Herzinfarkt und ein Nierenversagen (11. und 12. Dezember 2014) und in der folgenden Zeit eine Tracheobronchitis, eine sakrale Osteomyelitis bei grossem Dekubitus, rezidivierende Septikämien, eine Critical Illness Polyneuromyopathie, eine gastrointestinale Blutung, einen Kniegelenkerguss, eine Stimmbandlähmung und Einschränkungen beim Schlucken sowie weitere Infektionen. Dieser komplexe, komplikationsreiche Verlauf, welcher zahlreiche medizinische Eingriffe erforderlich machte, führte dazu, dass der Versicherte erst am 2. Februar 2016, d.h. nach 421 Tagen, aus dem Spital B. entlassen und zur Rehabilitation ins Spital C. verlegt werden konnte. 6.2 Anders als die Beschwerdeführerin anzunehmen scheint, kann die Voraussetzung der Wirtschaftlichkeit nicht dadurch in Frage gestellt werden, dass der nach einer Vielzahl von medizinischen Vorkehren aufgelaufene Gesamtbetrag pauschal beanstandet wird. BGE 145 V 116 S. 127 Zielführend könnte ihre Kritik von vornherein nur sein, wenn sie bei den einzelnen Massnahmen ansetzen würde. Mit anderen Worten hätte die Beschwerdeführerin konkret geltend zu machen, welche der zahlreichen bei A. vorgenommenen medizinischen Behandlungen das Kriterium der Wirtschaftlichkeit nicht erfüllt hätte bzw. hätten. Entsprechende Einwände bringt die Beschwerdeführerin indessen nicht vor. Überhaupt unterlässt sie jede Bezugnahme auf die Aspekte, welche unter Wirtschaftlichkeitsüberlegungen rechtsprechungsgemäss Anlass zu Diskussionen geben können, wie namentlich die Art oder der Umfang der vorzunehmenden diagnostischen oder therapeutischen Massnahmen, die Behandlungsform, insbesondere die Frage, ob eine Massnahme ambulant oder stationär (bzw. teilstationär) durchzuführen ist und in welche Heilanstalt oder Abteilung einer solchen die versicherte Person vom medizinischen Standpunkt aus gehört ( BGE 139 V 135 E. 4.4.3 S. 140; BGE 126 V 334 E. 2b S. 339; vgl. Urteil 9C_343/2013 vom 21. Januar 2014 E. 4.2.1, in: SVR 2014 KV Nr. 2 S. 5). So wäre im Falle eines Spitalaufenthaltes insbesondere der Einwand denkbar, die versicherte Person habe sich in Spitalbehandlung begeben, obwohl sie gar nicht spitalbedürftig gewesen sei, oder sie sei trotz Wegfalls der Spitalbedürftigkeit in Spitalbehandlung geblieben. Denn diesfalls wäre der (weiterhin andauernde) Spitalaufenthalt nicht (mehr) wirtschaftlich (und auch nicht [mehr] zweckmässig bzw. wirksam; vgl. auch BGE 127 V 43 E. 2a und 2c S. 48 f.; KIESER, a.a.O., N. 8 zu Art. 32 KVG ). Im Fall von A. fehlen Anhaltspunkte dafür und wurde nicht geltend gemacht, dass es unter den angeordneten Massnahmen auch nur eine hätte, die unnötig gewesen wäre oder durch eine weniger kostspielige hätte ersetzt werden können, so dass eine volle Leistungspflicht der Beschwerdeführerin aus diesem Grund entfiele (vgl. dazu E. 3.2.3 hiervor). 6.3 Unbehelflich ist auch der Hinweis in der Beschwerde, wonach der Fall des Versicherten Ausnahmecharakter aufweise, indem rund neunundsechzig Mal höhere Kosten angefallen seien als dies nach neueren Studien mit Fr. 35'000.- bei Spitalaufenthalten in den letzten zwölf Lebensmonaten durchschnittlich der Fall sei. Wenn die Beschwerdeführerin den Spitalaufenthalt von A. insgesamt und pauschal als zu teuer bzw. zu lang beanstandet, scheint sie zu übersehen, dass eine unbeschränkte Leistungspflicht der obligatorischen Krankenpflegeversicherung besteht, solange die im Rahmen der Spitalbehandlung vorgenommenen einzelnen Massnahmen die Voraussetzungen der Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit BGE 145 V 116 S. 128 ( Art. 32 Abs. 1 KVG ) erfüllen, wovon hier mangels gegenteiliger Hinweise auszugehen ist (vgl. E. 6.2 hiervor; vgl. auch GÄCHTER/RÜTSCHE, a.a.O., S. 278 Rz. 1072 [betreffend die Aufenthaltskosten]). Es war gerade eines der primären Ziele des KVG, eine zeitlich unbeschränkte Leistungspflicht bei stationärer Behandlung zu gewährleisten (Botschaft vom 6. November 1991 über die Revision der Krankenversicherung, BBl 1992 I 93 ff., 96 und 133). Für die von der Beschwerdeführerin unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismässigkeit angestrebte Rationierung in dem Sinne, dass notwendige medizinische Leistungen zwecks Eindämmung der Gesamtkosten nicht zu Lasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung gehen sollen, fehlt eine Grundlage. Insbesondere sind im KVG keine entsprechenden Massnahmen vorgesehen (vgl. zum Ganzen: BERNHARD RÜTSCHE, Rechtsstaatliche Grenzen von Rationierungen im Gesundheitswesen, in: 5. St. Galler Gesundheits- und Pflegerechtstagung, Kieser/Leu [Hrsg.], 2018, S. 109 ff., insbesondere S. 126 ff.; vgl. auch Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften [SAMW], Rationierung im Schweizer Gesundheitswesen: Einschätzung und Empfehlungen, Schweizerische Ärztezeitung 2007 S. 1431 ff.). 6.4 Bei dieser Sachlage hat das Schiedsgericht die Vivao Sympany AG zu Recht verpflichtet, die vollen Kosten, d.h. den ihr insgesamt in Rechnung gestellten Betrag von Fr. 1'084'835.10, zu übernehmen, d.h. dem Spital B. den nach ihrer Überweisung von Fr. 300'000.- noch ausstehenden Betrag von Fr. 784'835.10 zu bezahlen.
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938ef742-554c-4082-93e2-9037728dbf81
Sachverhalt ab Seite 212 BGE 124 IV 211 S. 212 A.- S. war in den Jahren 1994 bis 1996 Stiftungsratspräsident der Personalvorsorgestiftung der I. AG. Das Amt für berufliche BGE 124 IV 211 S. 213 Vorsorge des Kantons Aargau mahnte sie am 27. Juli 1995 zur Einreichung der Stiftungsrechnung für das Jahr 1994. Als dies unterblieb, forderte das Amt am 31. Oktober 1995 Stiftungsrat und Revisionsstelle zur Einreichung der Jahresrechnung auf. Als auch darauf keine Reaktion erfolgte, setzte das Amt mit Schreiben vom 11. Januar 1996 eine letzte Frist bis zum 16. Februar 1996 an, unter Strafandrohung gemäss Art. 292 StGB . Mit Schreiben vom 11. Januar 1996 teilte S. namens der I. AG dem Amt für berufliche Vorsorge des Kantons Aargau mit, die K. AG sei gebeten worden, die Rechnung für das Jahr 1994 zu erstellen und sie dem Amt zuzusenden. Mit Antwortschreiben vom 12. Januar 1996 teilte die K. AG dem Amt mit, sie habe das Kontrollstellenmandat bereits am 13.9.1995 niedergelegt, weshalb sie auch keine Unterlagen für die Jahresrechnung 1994 erhalten habe. Am 23. Februar 1996 stellte das Amt für berufliche Vorsorge den Stiftungsrat der Personalvorsorgestiftung der I. AG vorsorglich in seinem Amt ein und ernannte einen interimistischen Stiftungsrat. B.- Das Bezirksgericht Aarau verurteilte S. am 20. August 1997 wegen unwahrer Auskunft durch eine Personalvorsorgeeinrichtung ( Art. 326quater StGB ) sowie weiterer Delikte zu drei Monaten Gefängnis und zu einer Busse von 100 Franken. Vom Vorwurf des Ungehorsams gegen eine amtliche Verfügung ( Art. 292 StGB ) sprach es ihn frei.Auf Berufung des Verurteilten hin bestätigte das Obergericht des Kantons Aargau am 10. März 1998 das angefochtene Urteil im Schuld- und Strafpunkt, gewährte S. für die Freiheitsstrafe aber den bedingten Strafvollzug. C.- S. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen. Das Bundesgericht weist die Beschwerde abaus folgenden Erwägungen Erwägungen: 1. a) Zum Tatbestand der unwahren Auskunft durch eine Personalvorsorgeeinrichtung ( Art. 326quater StGB ) führt die Vorinstanz aus, die Personalvorsorgestiftung der I. AG sei eine Vorsorgeeinrichtung im Sinne von Art. 49 Abs. 2 des Bundesgesetzes über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG; SR 831.40), auf welche die Art. 89bis ZGB und 61 f. BVG Anwendung fänden. Gemäss Art. 61 BVG habe jeder Kanton eine Behörde zu bezeichnen, BGE 124 IV 211 S. 214 welche die Vorsorgeeinrichtungen mit Sitz auf seinem Gebiet beaufsichtige. § 1 der kantonalen Verordnung über die berufliche Vorsorge bezeichne als Aufsichtsorgan das Amt für berufliche Vorsorge. Gemäss § 3 dieser Verordnung hätten die Vorsorgeeinrichtungen der kantonalen Aufsichtsbehörde spätestens sechs Monate nach Abschluss des Geschäftsjahres unaufgefordert den jährlichen Bericht mit den notwendigen Unterlagen zur Kontrolle einzureichen. Der Beschwerdeführer sei als Organ der Stiftung zur Einreichung der Jahresrechnung verpflichtet gewesen. Diese Pflicht habe er nach Mandatsniederlegung der Kontrollstelle am 13. September 1995 nicht delegieren können. Indem er seinen Pflichten trotz Mahnungen und letzter Fristansetzung durch das Amt für berufliche Vorsorge nicht nachgekommen sei, habe er den Tatbestand des Art. 326quater StGB objektiv und subjektiv erfüllt. b) Der Beschwerdeführer bestreitet eine Auskunftspflicht gegenüber dem Amt für berufliche Vorsorge. Weder Art. 89 ZGB noch die Art. 61 und 62 BVG würden eine Auskunftspflicht gegenüber den Aufsichtsbehörden vorsehen. Im BVG fänden sich solche Vorschriften in Art. 71 Abs. 1 BVG beziehungsweise in den Art. 47 ff. BVV 2 . Diesen Bestimmungen sei die Personalvorsorgestiftung der I. AG als überobligatorische Vorsorgestiftung jedoch nicht unterstanden. Daraus ergebe sich, dass § 3 der kantonalen Verordnung über die berufliche Vorsorge, wonach die Vorsorgeeinrichtungen innert 6 Monaten nach Abschluss eines Geschäftsjahres die Jahresrechnung zur Kontrolle einzureichen haben, über den Kompetenzinhalt des Art. 89bis Abs. 6 ZGB bzw. des Art. 61 BVG hinausgehe. Die Mahnungen des Amts für berufliche Vorsorge seien somit rechtswidrig gewesen. Damit entfalle bereits der objektive Tatbestand des Art. 326quater StGB . 2. a) Gemäss Art. 326quater StGB wird mit Haft oder mit Busse bestraft, wer als Organ einer Personalvorsorgeeinrichtung gesetzlich verpflichtet ist, Begünstigten oder Aufsichtsbehörden Auskunft zu erteilen und keine oder eine unwahre Auskunft erteilt. Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift beschränkt sich auf Vorsorgeeinrichtungen, die nicht dem BVG unterstehen. Erfasst werden einerseits Einrichtungen, die nicht registriert und aus diesem Grunde von der Anwendung der obligatorischen Vorsorge im Sinne dieses Gesetzes ausgeschlossen sind (vgl. Art. 89bis Abs. 6 ZGB ), andererseits auch solche, die zwar gemäss Art. 48 BVG registriert sind, die jedoch mehr als die gesetzlichen obligatorischen Mindestleistungen gewähren. Für die registrierten Einrichtungen, BGE 124 IV 211 S. 215 die ausschliesslich obligatorische Leistungen erbringen, enthalten die Art. 75 und 77 BVG die entsprechenden Strafvorschriften (Botschaft über die Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches und des Militärstrafgesetzes vom 24. April 1991, BBl 1991 II 1088). Die Personalvorsorgestiftung der I. AG war unbestrittenermassen eine «umhüllende Kasse», die sowohl obligatorische als auch überobligatorische Leistungen erbrachte und registriert war. Auf deren Organe finden deshalb nicht die Strafbestimmungen des BVG, sondern Art. 326quater StGB Anwendung. b) Die Organisation der beruflichen Vorsorge, besonders in ihrem obligatorischen Bereich, untersteht grundsätzlich öffentlich-rechtlicher Aufsicht. Die Aufsichtsbestimmungen des BVG (Art. 61, 62 und 64) gelten für alle registrierten Vorsorgeeinrichtungen in der Rechtsform der Stiftung ( Art. 80 ff. ZGB ), Genossenschaft ( Art. 828 ff. OR ) und der Einrichtung des öffentlichen Rechts (z.B. Anstalt). Bei den registrierten Vorsorgeeinrichtungen gelten die Aufsichtsregeln von Art. 61, 62 und 64 BVG auch für den Bereich einer allfälligen überobligatorischen Vorsorge ( Art. 49 Abs. 2 BVG ; GERHARDS, Grundriss Zweite Säule, Bern 1990, S. 127). Die Personalvorsorgestiftung der I. AG unterstand somit den Aufsichtsregeln der Art. 61, 62 und 64 BVG . c) aa) Nach Art. 61 Abs. 1 BVG bezeichnet jeder Kanton eine Behörde, welche die Vorsorgeeinrichtungen mit Sitz auf seinem Gebiet beaufsichtigt. In seiner Verordnung über die berufliche Vorsorge vom 19. Dezember 1983 (SAR 833.311; nachfolgend VO) hat der Regierungsrat des Kantons Aargau die Aufsicht über Personalvorsorgeeinrichtungen, die von Bundesrechts wegen der kantonalen Aufsicht unterliegen, dem kantonalen Amt für berufliche Vorsorge übertragen (§ 1 und 2 Abs. 2 VO). bb) Art. 62 Abs. 1 BVG lautet wie folgt: "Die Aufsichtsbehörde wacht darüber, dass die Vorsorgeeinrichtung die gesetzlichen Vorschriften einhält, indem sie insbesondere a. die Übereinstimmung der reglementarischen Bestimmungen mit den gesetzlichen Vorschriften prüft; b. von den Vorsorgeeinrichtungen periodisch Berichterstattung fordert, namentlich über ihre Geschäftstätigkeit; c. Einsicht in die Berichte der Kontrollstelle und des Experten für berufliche Vorsorge nimmt; d. die Massnahmen zur Behebung von Mängeln trifft." BGE 124 IV 211 S. 216 Die Aufsichtsbehörde übernimmt bei Stiftungen zudem auch die Aufgaben nach den Artikeln 84 Abs. 2, 85 und 86 des ZGB ( Art. 62 Abs. 2 BVG ). cc) Nach Art. 36 Abs. 1 der Verordnung über die beruflicheAlters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVV 2; SR831.441.1) muss die Kontrollstelle die jährliche Prüfung der Geschäftsführung, des Rechnungswesens und der Vermögensanlage nach den hiefür erlassenen Weisungen durchführen. Sie übermittelt der Aufsichtsbehörde ein Doppel des Kontrollberichts. d) In Konkretisierung des bundesrechtlich umschriebenen Umfangs der Aufsicht über Personalvorsorgeeinrichtungen sieht § 3 der kantonalen Verordnung über die berufliche Vorsorge vom 19. Dezember 1983 vor, dass die Vorsorgeeinrichtungen der kantonalen Aufsichtsbehörde spätestens sechs Monate nach Abschluss des Geschäftsjahres unaufgefordert den jährlichen Bericht mit den notwendigen Unterlagen zur Kontrolle einzureichen haben. Der Beschwerdeführer wendet vorab ein, diese Vorschrift gehe über den bundesrechtlichen «Kompetenzrahmen» hinaus. Damit erweise sich die Aufforderung des Amtes für berufliche Vorsorge des Kantons Aargau als widerrechtlich. Zur Diskussion steht hier demnach die Frage, ob die Aufsichtsbehörde im vorliegenden Fall von Bundesrechts wegen berechtigt war, von den Organen der Personalvorsorgestiftung der I. AG die Rechnung für das Jahr 1994 zu verlangen. Dies ist aus den nachfolgenden Gründen zu bejahen. e) Nach Art. 84 Abs. 2 ZGB hat die Aufsichtsbehörde dafür zu sorgen, dass das Stiftungsvermögen nur zu den in der Stiftungsurkunde genannten und gesetzlich zulässigen Zwecken verwendet wird. Diese zum materiellen öffentlichen bzw. Verwaltungsrecht zählende Blankettnorm enthält keine Angaben darüber, mit welchen Mitteln die Aufsichtsbehörde ihre Aufgabe zu erfüllen hat. Weder die Rechte und Pflichten der Aufsichtsbehörden noch die entsprechenden Pflichten und Rechte der Stiftungsorgane haben eine ausdrückliche Regelung erfahren. Die Aufsichtsbehörden haben deshalb die ihnen eine beträchtliche Ermessensfreiheit einräumende Norm nach pflichtgemässem Ermessen unter Beachtung der allgemeinen Rechtsgrundsätze des Verwaltungsrechtes anzuwenden (RIEMER, Berner Kommentar 1981, Art. 184 N. 36 f.). Nach der Rechtsprechung schliesst Art. 84 Abs. 2 ZGB für die Aufsichtsbehörden die Befugnis ein, darüber zu wachen, dass das Stiftungsvermögen nach Massgabe der Stiftungsurkunde sowie im Interesse der Destinatäre erhalten bleibt und nicht spekulativ oder BGE 124 IV 211 S. 217 allzu risikoreich angelegt oder seinem Zweck entfremdet wird. In diesem Rahmen ist die Aufsichtsbehörde berechtigt, den Stiftungsorganen bindende Weisungen zu erteilen und bei deren Nichtbeachtung Sanktionen zu ergreifen ( BGE 101 Ib 231 E. 2 S. 235 f.). Verschiedene Kantone haben zu Art. 84 Abs. 2 ZGB Ausführungsbestimmungen erlassen, welche den Stiftungsorganen beispielsweise vorschreiben, der Stiftungsaufsicht auf deren Aufforderung hin Unterlagen über das Stiftungsvermögen einzureichen, damit der Bestand und die Güte der Forderungen der Destinatäre gegenüber dem Arbeitgeber bzw. Stifter geprüft werden kann ( BGE 106 II 265 E. 2 S. 267). f) aa) Für registrierte Vorsorgestiftungen gilt die materielle Staatsaufsicht nach BVG ( Art. 89bis Abs. 6 ZGB i.V.m. Art. 62 BVG ), das auf den zum ZGB entwickelten Aufsichtsgrundsätzen, wie sie oben (E. 2e) dargelegt wurden, aufbaut (CHRISTINA RUGGLI, Die behördliche Aufsicht über Vorsorgeeinrichtungen, Diss. Basel 1992, S. 62 f.). Zentrale Aufsichtsaufgabe ist die Überwachung der zweckgemässen Verwendung des Stiftungsvermögens. Die Aufsicht über die Vorsorgeeinrichtungen ist gemäss Art. 62 Abs. 1 BVG inhaltlich als Rechtsaufsicht konzipiert. Die Stiftungsorgane haben der Aufsichtsbehörde jährlich einen Bericht, die Bilanz und die Betriebsrechnung (Einnahmen- und Ausgabenrechnung) einzureichen (CARL HELBLING, Personalvorsorge und BVG, 6. Aufl. Bern 1995, S. 410). Obwohl gesetzlich nicht vorgeschrieben, ergibt sich diese Pflicht notwendigerweise aus der materiellen Staatsaufsicht, da ansonsten weder eine jährliche Prüfung der Geschäftsführung, des Rechnungswesens und der Vermögenslage durch die Kontrollstelle ( Art. 36 Abs. 1 BVV 2 ) noch eine ordnungsgemässe Beaufsichtigung möglich wäre (RUGGLI, op.cit., S. 65). bb) Bei Personalvorsorgestiftungen ist anerkannt, dass die Aufsicht sowohl repressiv als auch präventiv ausgeübt werden kann. Im Gegensatz zum ZGB sieht das BVG in Art. 62 Abs. 1 lit. a-c ausdrücklich präventive Aufsichtsmittel vor (RUGGLI, op.cit., S. 62 f.). Die Aufzählung ist nicht abschliessend. Im Schrifttum wird als ein präventives Aufsichtsmittel unter anderen die Prüfung von Kontrollstellen- und Expertenberichten sowie von Jahresrechnungen genannt. Zur repressiven Aufsicht gehören insbesondere das Ergreifen von Massnahmen (Art. 62 Abs. 1 lit. d) wie die Mahnung pflichtvergessener Organe oder das Erteilen von Verweisen, Weisungen oder Auflagen, gegebenenfalls unter Androhung einer Ordnungsbusse nach Art. 292 StGB (RUGGLI, op.cit., S. 111). BGE 124 IV 211 S. 218 g) Aus dem oben (E. 2 f.) Ausgeführten ergibt sich, dass die Aufsichtsbehörden über registrierte Personalvorsorgestiftungen gestützt auf Art. 62 Abs. 1 und 2 BVG befugt sind, von deren Organen insbesondere die Einreichung von Jahresrechnungen zu verlangen und im Unterlassungsfall repressive Massnahmen zu ergreifen. aa) Das Amt für berufliche Vorsorge des Kantons Aargau forderte die Personalvorsorgestiftung der I. AG bzw. den Beschwerdeführer als deren oberstes Organ erstmals am 27. Juli zur Einreichung der Stiftungsrechnung für das Jahr 1994 auf. Am 31. Oktober 1995 erfolgte die erste Mahnung. Mit Schreiben vom 11. Januar 1996 mahnte das Amt die Personalvorsorgestiftung der I. AG ein weiteres Mal und verband ihre Aufforderung - unter Strafandrohung gemäss Art. 292 StGB im Unterlassungsfall - mit einer letzten Fristansetzung bis zum 16. Februar 1996, an welche sich der Beschwerdeführer nicht hielt. Damit bediente sich das Amt solcher Aufsichtsmittel, die ihr gemäss Art. 62 BVG zustanden. Dass das Amt in Verletzung des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes vorgegangen sei, macht der Beschwerdeführer nicht geltend und ist im übrigen auch nicht ersichtlich. bb) Der Beschwerdeführer ist als Organ der überobligatorischen Personalvorsorgestiftung der I. AG, trotz mehrfacher Mahnung durch die zuständige Aufsichtsbehörde, seiner gesetzlichen Verpflichtung nicht nachgekommen, die behördlich erbetene Auskunft (Einreichung der fälligen Jahresrechnung pro 1994) zu erteilen bzw. eine Kontrollstelle einzusetzen und mit den notwendigen Informationen zu beliefern, damit diese der Aufsichtsbehörde einen Bericht innerhalb der gesetzlichen Frist abliefern konnte (vgl. dazu oben E. 2c/cc). Die Vorinstanz hat ihn somit zu Recht der unwahren Auskunft durch eine Personalvorsorgeeinrichtung gemäss Art. 326quater StGB schuldig gesprochen.
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86301892-d998-4578-aec3-a78be201f948
Sachverhalt ab Seite 101 BGE 118 Ib 100 S. 101 Am 29. Dezember 1982 schloss die Preiswerk & Cie AG mit der Wilaya de Mostaganem, einer Verwaltungseinheit des algerischen Staates, einen Vertrag über die Erstellung von vier Schulhäusern ("collèges d'enseignement moyen") mit je 20 dazugehörenden Wohneinheiten ("logements"). Der Gesamtpreis setzte sich aus einem transferierbaren Teil von SFr. 30'088'224.-- sowie einem in Algerien zu belassenden Betrag in algerischen Dinaren (DA) von DA 7'285'975.-- zusammen. Die Preiswerk & Cie AG verpflichtete sich, eine Gewährleistungsgarantie ("garantie de bonne fin") über 10% des Preises zu stellen, welche die richtige Erfüllung des Vertrages garantieren und als Sicherheit für allfällige Forderungen der Bauherrin dienen sollte. Unabhängig von der Erfüllungsgarantie war ferner die Erhebung einer Vertragsstrafe (Pönale, "pénalité de retard") durch die BGE 118 Ib 100 S. 102 Bauherrin zu Lasten der Preiswerk & Cie AG vorgesehen für den Fall verspäteter Vollendung der Bauten; diese Pönale war begrenzt auf einen Maximalbetrag von 5% des Vertragspreises. Den Exportkredit im Umfang von 85% der Preissumme in Schweizer Franken finanzierte ein Bankenkonsortium, das unter Federführung der Schweizerischen Bankgesellschaft am 28. Juni 1983 den Kreditvertrag mit dem Crédit Populaire d'Algérie abschloss. Die Stellung der Gewährleistungsgarantie erfolgte ebenfalls bei der Schweizerischen Bankgesellschaft, welche ihrerseits den von der Bauherrin bezeichneten Crédit Populaire d'Algérie mit der Ausstellung einer Erfüllungsgarantie gegenüber der Wilaya de Mostaganem beauftragte; die Schweizerische Bankgesellschaft stellte am 21. Juni 1983 zur Sicherung des Remboursanspruches der algerischen Bank eine Rückgarantie ("contre-garantie de bonne exécution") über SFr. 3'008'822.40 sowie eine solche über DA 728'597.50 aus. Diese Rückgarantien waren auf erste schriftliche Aufforderung hin unabhängig vom Grundverhältnis abrufbar. Auf Gesuch hin erteilte das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement der Preiswerk & Cie AG mit Verfügung vom 29. März 1983 eine Exportrisikogarantie für den Bauauftrag zu einem Garantiesatz von 70% beziehungsweise einer Garantiesumme von SFr. 28'234'966.--. Daneben gewährte das Departement mit separater Verfügung vom 13. Juni 1983 eine Exportrisikogarantie zu einem Satz von 75% für die darin als "performance bond" bezeichnete Erfüllungs- und Gewährleistungsgarantie; die entsprechende Garantiesumme betrug SFr. 2'507'281.--. Die Garantieverfügung enthielt unter anderem unter der Rubrik "Zusätzliche Bedingungen" folgende Anmerkung: "Schäden bezüglich der Gewährleistungsgarantie oder performance bond sind nur gedeckt, falls diese auf Gründe zurückzuführen sind, die unter das ERG-Gesetz fallen, und sofern nicht ein Verzicht auf Rechtsmittel gegen rechtsmissbräuchliche Beanspruchung vorliegt." Bei der Bauausführung ergaben sich Verzögerungen, die Mehrkosten bewirkten. Da die Preiswerk & Cie AG dafür die algerische Bauherrin verantwortlich machte, unterbreitete sie dieser am 22. Dezember 1984 eine Nachforderung im Betrag von rund SFr. 4,6 Mio. Im Gegenzug verhängte die Wilaya de Mostaganem Ende Januar 1985 die maximale Pönale von 5% des Vertragspreises. Nach erfolglosen Schlichtungsversuchen erhob die Preiswerk & Cie AG am 24. Oktober 1985 auf dem vertraglich vorgesehenen Rechtsweg BGE 118 Ib 100 S. 103 Klage beim Gericht in Oran/Algerien. Das Verfahren ist noch hängig. Mit Telex vom 21. Juli 1988 rief der Crédit Populaire d'Algérie bei der Schweizerischen Bankgesellschaft einen Betrag von SFr. 1'504'411.20, das heisst die Hälfte der ursprünglichen Garantiesumme oder 5% des gesamten Vertragspreises, ab. Daraufhin gelangte die Preiswerk & Cie AG an die Zivilgerichte und versuchte, die Auszahlung der Rückgarantie durch die Schweizerische Bankgesellschaft zu verhindern. Am 19. Mai 1989 entschied das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt letztinstanzlich, dass keine willkürliche oder rechtsmissbräuchliche Inanspruchnahme der Erfüllungsgarantie nachgewiesen sei. Die Bauherrin erreichte somit die Auszahlung der beanspruchten maximalen Pönale von 5% des Vertragspreises, bevor die algerischen Gerichte über die Angelegenheit entschieden hatten. In der Folge reichte die Preiswerk & Cie AG der Geschäftsstelle für die Exportrisikogarantie eine Schadenforderung für ungerechtfertigte Inanspruchnahme der Erfüllungsgarantie sowie für im Sinne der Schadensminderung verursachte Gerichts- und Anwaltskosten ein. Mit Verfügung vom 26. März 1990 entschied die Kommission für die Exportrisikogarantie (im folgenden: Kommission), dass keine rechtsmissbräuchliche oder betrügerische Inanspruchnahme der Gewährleistungsgarantie vorliege, weshalb keine Schadenvergütung ausbezahlt werden könne. Die Kommission wies darauf hin, dass der Preiswerk & Cie AG die Möglichkeit verbleibe, im Rahmen des laufenden Verfahrens vor den algerischen Gerichten die durch Abrufung der Erfüllungsgarantie vollständig bezahlte Pönale von 5% des Gesamtpreises zurückzufordern. Eine allfällige Nichthonorierung der vom algerischen Gericht geschützten Forderung oder ein offensichtlich rechtswidriges Urteil wäre dann durch die für den Bauauftrag erteilte Exportrisikogarantie gedeckt. Eine Beschwerde der Preiswerk & Cie AG beim Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement (fortan: Departement) blieb erfolglos. Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 8. Juli 1991 an das Bundesgericht stellt die Preiswerk & Cie AG folgenden Antrag: "Es sei in Abänderung des Entscheides des Eidg. Volkswirtschaftsdepartementes vom 6. Juni 1991 Nr. 2121.3/90 betreffend Exportrisikogarantie der Beschwerdeführerin ein Betrag von SFr. 1'504'411.20 wegen rechtsmissbräuchlicher Inanspruchnahme eines Performance Bond sowie von SFr. 58'519.-- für Kosten im Sinne der Schadensminderung zu bezahlen, nebst Verzugszinsen gemäss Art. 19 Abs. 3 VO ERG seit 18.8.1989. BGE 118 Ib 100 S. 104 Die weiteren durch die Schweiz. Bankgesellschaft in Basel in Aussicht gestellten Interventionskosten zulasten der Beschwerdeführerin seien ihr als Kosten im Sinne der Schadensminderung zu ersetzen." In ihren am 30. August 1991 erstatteten Vernehmlassungen schliessen die Kommission sowie das Departement auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab Erwägungen aus folgenden Erwägungen: 1. Die vorliegende Verwaltungsgerichtsbeschwerde richtet sich gegen einen Entscheid des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements und ist nach Art. 97 Abs. 1 und Art. 98 lit. b OG zulässig, sofern dieses Rechtsmittel nicht durch eine der Ausnahmebestimmungen der Art. 99 ff. OG ausgeschlossen ist. Nach Art. 102 lit. a OG ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde unzulässig, wenn die verwaltungsrechtliche Klage offensteht. Diese ist nach Art. 116 lit. b OG gegeben in Streitigkeiten über Leistungen aus öffentlichrechtlichen Verträgen des Bundes, ist aber ihrerseits ausgeschlossen, sofern die Erledigung des Streites einer Behörde im Sinne von Art. 98 lit. b-h OG zusteht ( Art. 117 lit. c OG ). Dies trifft hier zu, weil nach Art. 22 Abs. 4 der Verordnung über die Exportrisikogarantie vom 15. Januar 1969 (ERGV; SR 946.111) die Kommission für die Exportrisikogarantie und nach Art. 24 Abs. 2 ERGV auf Beschwerde hin das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement entschieden haben ( Art. 98 lit. b OG ). Art. 102 lit. a OG steht damit der Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht entgegen. Dasselbe gilt für Art. 99 lit. h OG . Wohl räumt das Bundesrecht im Sinne dieser Ausschlussbestimmung in Art. 1 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Exportrisikogarantie vom 26. September 1958 (ERGG; SR 946.11) keinen Anspruch auf Gewährung einer Garantie ein; ist wie hier eine solche aber erteilt, so besteht nach Art. 11 ERGG Anspruch auf Entschädigung. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist damit zulässig (nicht publizierte E. 1a des in BGE 116 Ib 65 veröffentlichten Urteils vom 26. Januar 1990 in Sachen X. AG). 2. Nach Art. 1 Abs. 1 ERGG kann der Bund die Übernahme von Exportaufträgen, bei denen der Zahlungseingang mit besonderen Risiken verbunden ist, durch Gewährung einer Garantie erleichtern. Im vorliegenden Fall wurden der Beschwerdeführerin in zwei getrennten Verfügungen je eine Exportrisikogarantie für das BGE 118 Ib 100 S. 105 Grundgeschäft sowie für den "performance bond", mit welchem sie ihrer Pflicht zur Stellung einer Erfüllungs- und Gewährleistungsgarantie gegenüber der Bauherrin nachgekommen war, erteilt. Umstritten ist die Tragweite der zweiten, spezielleren Verfügung. Die Exportrisikogarantie besteht darin, dass für bestimmte Exportgeschäfte gegen Leistung besonderer Gebühren (vgl. Art. 7 ERGG ) die teilweise Deckung eines allfälligen Verlustes oder Rückstandes im Zahlungseingang zugesichert wird ( Art. 3 ERGG ). Aus dem Gesetzestext ergibt sich, dass die Exportrisikogarantie typischerweise das Risiko erfasst, das mit Zahlungen verbunden ist, die dem schweizerischen Exporteur von seinem ausländischen Vertragspartner zustehen. Im vorliegenden Fall fragt sich, wieweit sie auch dann gilt, wenn der Exporteur selbst eine Geldleistung erbringen muss, weil eine von ihm gestellte Bankgarantie gegen seinen Willen abgerufen wird. Um dies beantworten zu können, muss vorweg geklärt werden, von welchen Voraussetzungen eine Entschädigung aus der Exportrisikogarantie im typischen Fall abhängt (vgl. E. 3). Danach ist zu untersuchen, wie diese Voraussetzungen angesichts der besonderen Rechtsnatur des in Frage stehenden "performance bond" und der damit verbundenen Probleme im Falle der Einlösung einer solchen Bankgarantie zu handhaben sind (vgl. E. 4 und 5). 3. a) Nach Art. 11 ERGG setzt eine Leistung aus der Exportrisikogarantie voraus, dass die Forderung des schweizerischen Exporteurs gegenüber seinem ausländischen Vertragspartner notleidend und ein Schaden angemeldet wird. Forderungen gelten als notleidend, wenn sie nicht vereinbarungsgemäss, das heisst bei Fälligkeit, erfüllt werden. Aus wirtschaftlicher Sicht kann ein Zahlungsausstand nur schon dadurch einen Schaden bewirken, dass der Berechtigte während einer gewissen Zeit nicht über Geld verfügt, auf das er einen Anspruch hat. Aus diesem Grund deckt die Exportrisikogarantie nicht nur den in der Garantieverfügung festgelegten Anteil am nachgewiesenen Verlust, sondern auch am Zahlungsrückstand; Art. 3 und 11 ERGG halten dies ausdrücklich fest. Dem entspricht auch die Regelung in Art. 12 ERGG , wonach dem Garantienehmer die Pflicht zur nachträglichen Eintreibung seiner Forderung sowie zur anteilsmässigen Rückleistung allfälliger Zahlungseingänge oder Erlöse an den Bund obliegt. Auch wenn die Exportrisikogarantie somit grundsätzlich bereits bei einem Zahlungsrückstand beansprucht werden kann, gilt dies jedoch nicht uneingeschränkt. Insbesondere fragt sich, wieweit bereits ein Zahlungsrückstand für eine Entschädigung genügen soll, BGE 118 Ib 100 S. 106 wenn der Bestand der Forderung zwischen schweizerischem Exporteur und ausländischem Schuldner materiell strittig ist. Um dies beurteilen zu können, ist zu untersuchen, was für Risiken von der Exportrisikogarantie erfasst werden. b) Die Exportrisikogarantie deckt nur diejenigen Gefährdungen des Zahlungseingangs, die sich aus längeren Fabrikations-, Zahlungs- oder Transferfristen in Verbindung mit politisch und wirtschaftlich unsicheren Verhältnissen ergeben ( Art. 2 ERGG ). Darunter fällt zunächst das eigentliche Delkredererisiko, das heisst die Zahlungsunfähigkeit oder Zahlungsverweigerung von bestellenden Staaten, Gemeinden und anderen öffentlichrechtlichen Körperschaften beziehungsweise Betrieben des privaten Rechts, die ganz oder überwiegend öffentlichrechtlichen Körperschaften gehören oder öffentliche Aufgaben erfüllen. Gedeckt ist aber auch das sogenannte politische Risiko. Dazu gehören ausserordentliche staatliche Massnahmen wie Moratorien oder politische Ereignisse im Ausland wie Krieg, Revolution, Annexion und bürgerliche Unruhen, welche dem ausländischen privaten Schuldner die Vertragserfüllung verunmöglichen ( Art. 4 ERGG und Art. 3 ERGV ; vgl. BBl 1958 I 963 f. sowie ALAIN LÉVY, La garantie de l'Etat contre les risques à l'exportation, Genève 1977, S. 75 ff.). Ein politisches Risiko kann ebenfalls vorliegen, wenn die Durchsetzung einer Forderung auf dem Rechtsweg unmöglich ist, weil keine adäquaten Rechtsmittel zur Verfügung stehen beziehungsweise weil keine zuverlässige Streiterledigung gewährleistet ist (vgl. dazu EMILIO ALBISETTI u.a. (Hrsg.), Handbuch des Geld-, Bank- und Börsenwesens der Schweiz, 4. Aufl., Thun 1987, S. 58 f.). Von der Deckung durch die Exportrisikogarantie ausgeschlossen sind indes solche Verluste, die der Exporteur wegen vertragswidrigen Verhaltens selbst zu vertreten hat ( Art. 5 lit. a ERGG ). Eine Entschädigung kommt daher grundsätzlich nur in Frage, wenn Bestand und Umfang der Forderung des schweizerischen Exporteurs verbindlich feststehen, sei es weil diese vom Schuldner anerkannt wird, sei es weil darüber gerichtlich befunden wurde. Wird die Forderung des Exporteurs mit grundsätzlich tauglichen rechtlichen Einwänden bestritten und ist der Rechtsweg möglich und zumutbar, so ist der Bestand der Forderung verbindlich abzuklären, bevor auf die Exportrisikogarantie gegriffen werden kann. Ein Schadenfall könnte immer noch namentlich dann eintreten, wenn ein dem Exporteur günstiges Gerichtsurteil nicht befolgt würde oder das Urteil selbst klarerweise politisch motiviert wäre. Gedeckt wären dabei nebst dem BGE 118 Ib 100 S. 107 Verlust der eigentlichen Garantiesumme auch ein allfälliger Verspätungsschaden sowie andere Kosten, die zum Zwecke der Schadensminderung angefallen sind. Eine andere Schlussfolgerung ergibt sich auch nicht aus Art. 13 ERGG , wie die Beschwerdeführerin zu meinen scheint. Die Bestimmung sieht zwar vor, dass unberechtigterweise ausgezahlte Entschädigungen aus der Exportrisikogarantie zurückzuzahlen sind; das Gesetz geht somit von der Möglichkeit unberechtigter Auszahlungen aus. Die Rückleistungspflicht kann jedoch nicht von einer Abklärung der materiellen Rechtslage vor Geltendmachung der Exportrisikogarantie dispensieren, sondern ist vielmehr zugeschnitten auf den Fall, in dem im Zeitpunkt der Auszahlung nicht ersichtlich ist, dass die Voraussetzungen für die Ausrichtung der Garantiesumme nicht vorliegen. c) Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn sich gerade in der Nichtanerkennung der Forderung ein von der Exportrisikogarantie gedecktes Risiko verwirklicht. Das kann sich insbesondere bei politischen Umwälzungen ergeben, die dazu führen, dass Aktiven von Ausländern (das heisst diesfalls Schweizern) nationalisiert oder ihre Forderungen auf staatliches Geheiss hin nicht mehr anerkannt werden (vgl. Art. 4 lit. d ERGG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 lit. d ERGV ; sowie LÉVY, a.a.O., S. 77 f.). In diesen Fällen wird allerdings nicht etwa die erbrachte Gegenleistung als solche mit (an sich tauglichen) rechtlichen Argumenten bestritten, sondern es sind politische Zusammenhänge, die zur Nichtanerkennung der Forderung beziehungsweise Nichteinbringbarkeit der Zahlung führen. 4. a) Ausgehend von dieser grundsätzlich geltenden Rechtslage fragt sich, wie es sich verhält, wenn eine vom schweizerischen Exporteur gestellte Bankgarantie von dessen ausländischem Vertragspartner eingelöst wird. Der im vorliegenden Fall massgebliche "performance bond" war abstrakt ausgestaltet und konnte durch die begünstigte Bauherrin gegenüber der algerischen Bank und durch diese gegenüber der schweizerischen Bank einseitig abgerufen werden. Bei Einlösung der Garantie galt somit ein Einwendungs- und Einredenausschluss (JÜRGEN DOHM, Bankgarantien im internationalen Handel, Bern 1985, S. 106 ff., N. 212 ff.). Mit privatrechtlichen Mitteln hätte sich die Beanspruchung der Erfüllungsgarantie nur verhindern lassen, wenn sie rechtsmissbräuchlich oder gar betrügerisch gewesen wäre (vgl. Art. 2 Abs. 2 ZGB ). Diesfalls hätte das Zahlungsverlangen der begünstigten Bank trotz der Abstraktheit der Garantie keinen Schutz gefunden (DOHM, a.a.O., S. 111, N. 225; BGE 118 Ib 100 S. 108 HERBERT SCHÖNLE, Missbrauch von Akkreditiven und Bankgarantien, in: SJZ 79/1983, S. 59). Der Beschwerdeführerin gelang es indessen nicht, im Verfahren vor den Zivilgerichten, mit dem sie versuchte, die Auszahlung aus der Erfüllungsgarantie zu verhindern, einen Rechtsmissbrauch nachzuweisen. Die Bauherrin vermochte somit gegen den Willen der Beschwerdeführerin Leistung zu bewirken, ohne dass über die Rechtmässigkeit des Abrufs des "performance bond" endgültig entschieden ist. Dadurch kehrten sich die Parteirollen; die Bauherrin muss die Garantie nicht mehr einfordern, sondern es obliegt der Beschwerdeführerin, die adäquaten Rechtsmittel zur Erlangung der Rückzahlung zu ergreifen, wenn sie unberechtigte Inanspruchnahme geltend machen will. Die Beschwerdeführerin befindet sich daher in einer vergleichbaren Lage, wie wenn sie eine bestrittene Geldforderung aus Vertrag durchzusetzen beabsichtigt; sie unterliegt namentlich denselben Risiken. Für die Frage, ob ein Schadenfall gemäss dem Exportrisikogarantiegesetz eingetreten ist, kann daher auf die entsprechenden Gesichtspunkte abgestellt werden (vgl. E. 3). b) Der schweizerische Exporteur, der seinem ausländischen Vertragspartner eine abstrakte und einseitig abrufbare Erfüllungsgarantie stellt, nimmt ein besonderes vertragliches Risiko auf sich. Er nimmt bewusst in Kauf, dass die entsprechende Summe unter Umständen ungerechtfertigterweise abgerufen wird und er, um wieder über das Geld verfügen zu können, rechtliche Mittel ergreifen muss. Darin liegt das von ihm selbst zu tragende Risiko der abstrakten Ausgestaltung der Gewährleistungsgarantie. Es handelt sich grundsätzlich nicht um ein Risiko, das von der Exportrisikogarantie gedeckt ist. Daran ändert auch die zusätzliche Bedingung nichts, dass die Rechtsmittel gegen rechtsmissbräuchliche Beanspruchung der Erfüllungsgarantie ergriffen werden müssen. Dieser Vorbehalt steht im Zusammenhang mit der Pflicht des Garantienehmers, alle Vorkehren zu ergreifen, um einen Schaden zu verhindern oder zu mindern. Ob ein Schaden überhaupt entstanden ist, hängt allein davon ab, ob die Erfüllungsgarantie zu Unrecht in Anspruch genommen wurde oder nicht. Es stellt sich also die Frage, ob eine Rückforderung überhaupt besteht. Damit hängt eine Entschädigung gleichermassen wie im typischen Fall einer Exportrisikogarantie von der Abklärung des Forderungsbestandes ab. ... Die Frage einer Entschädigung aus der Exportrisikogarantie stellt sich somit erst dann, wenn die Rechtmässigkeit der Einlösung des "performance bond" definitiv geklärt ist. Der Exporteur hat den BGE 118 Ib 100 S. 109 Rechtsweg zur Rückerlangung der Garantiesumme zu beschreiten und dabei abklären zu lassen, ob die Einlösung ungerechtfertigt war oder nicht. Ein von der Exportrisikogarantie erfasster Schaden liegt nur vor, wenn sich ergibt, dass der Abruf der Erfüllungsgarantie unberechtigt war und die entsprechende Summe entgegen einem entsprechenden Urteil nicht zurückbezahlt wird oder uneinbringbar ist. Eine Ausnahme kann nur gelten, wenn von vorneherein keine zuverlässige Streiterledigung gewährleistet ist. 5. a) Die Vorinstanzen gehen davon aus, dass eine Entschädigung aus der Exportrisikogarantie auch bereits vor definitiver Abklärung der Rechtsverhältnisse in Frage kommt. In Anlehnung an die privatrechtliche Lage schliessen sie, dies sei dann der Fall, wenn der "performance bond" in rechtsmissbräuchlicher Weise eingelöst worden sei. Sie berufen sich dazu auch auf die in der massgeblichen Verfügung angebrachte zusätzliche Bedingung, woraus sie dasselbe Ergebnis (e contrario) herauslesen wollen. Die Vorinstanzen nehmen darüber hinaus sogar an, dass die Exportrisikogarantie für den "performance bond" ausschliesslich für dessen rechtsmissbräuchliche Einlösung gelte. In einem späteren Zeitpunkt würde und müsse sich eine Entschädigung allenfalls auf die Exportrisikogarantie für das Grundgeschäft stützen. b) Es erscheint, wie die Beschwerdeführerin mit Recht vorbringt, als sehr zweifelhaft, ob es sich überhaupt rechtfertigt, zusätzlich zum Grundgeschäft eine Exportrisikogarantie für den "performance bond" abzuschliessen, wenn diese nur die rechtsmissbräuchliche Abrufung deckt und wenn gleichzeitig die Ergreifung der entsprechenden zivilprozessualen Rechtsmittel als Entschädigungsvoraussetzung verlangt wird. Da sich diesfalls ja die Einlösung des "performance bond" verhindern lässt, bleibt für einen Schadenfall nur noch soweit Raum, als der zivilprozessuale Rechtsweg ausserordentlicherweise versagt. Die Argumentation der Vorinstanzen überzeugt nicht. Sie stellen sich damit im übrigen auch in Widerspruch zur Haltung der Kommission in einem andern Fall, der dem Bundesgericht kürzlich vorgelegen ist, wobei diese Frage allerdings noch nicht zu entscheiden war, da die Angelegenheit unter anderem in diesem Punkt zu neuem Entscheid an das Departement zurückgewiesen wurde. Die Kommission hatte sich in diesem Fall gerade darauf berufen, dass eine Entschädigung für den Verlust des "performance bond" aus dem Grund entfalle, weil dieser nicht in die Exportrisikogarantie aufgenommen worden war. BGE 118 Ib 100 S. 110 c) Tatsächlich ist der Fall nicht ausgeschlossen, dass ein ausländischer Vertragspartner ungerechtfertigterweise nicht nur die vertraglich vereinbarte Zahlung als ganzes, sondern darüber hinaus auch die Rückleistung einer zu Unrecht eingelösten Erfüllungsgarantie verweigert; der Gesamtverlust wäre diesfalls um den Betrag des "performance bond" grösser als der Schaden aus dem Grundgeschäft. Das gesamte mit einem Exportgeschäft verbundene Verlustrisiko erfasst somit nicht nur den eigentlichen Lieferwert oder Vertragspreis als solchen, sondern zusätzlich auch die Summe aller einseitig abrufbaren Garantien, namentlich den Betrag aus einer Gewährleistungsgarantie. Aus diesem Grunde rechtfertigt es sich, den "performance bond" zusätzlich zum Grundgeschäft - gegen Leistung entsprechend höherer oder separater Gebühren - der Exportrisikogarantie zu unterstellen. Wird dies nicht getan, trägt der Exporteur das Risiko einer ungerechtfertigten Einlösung selber. Anderseits muss sich entgegen der Ansicht der Vorinstanzen eine Entschädigung für Verluste aus der Erfüllungsgarantie in jedem Fall auf eine zusätzliche Unterstellung unter die Exportrisikogarantie abstützen. Eine solche zusätzliche Garantie für einen "performance bond" erfasst, unabhängig vom Zeitpunkt ihres Eintritts, alle Schäden, die auf Gründe zurückzuführen sind, welche sich aus dem Exportrisikogarantiegesetz ergeben. Die im vorliegenden Fall massgebliche Garantieverfügung hält dies in der bereits erwähnten Anmerkung auch ausdrücklich fest. Der Bestand der Forderung des schweizerischen Exporteurs muss allerdings endgültig feststehen, damit eine Entschädigung aus der Exportrisikogarantie zu leisten ist. Liess sich die Einlösung des "performance bond" mit zivilprozessualen Mitteln nicht verhindern, weil ein Rechtsmissbrauch beim Abruf nicht feststand, dieser demnach nicht klarerweise unrechtmässig war, ist eine Entschädigung bis zur definitiven Abklärung der Rechtslage ausgeschlossen. d) Im vorliegenden Fall ist der Bauprozess, in dem unter anderem auch über die Rechtmässigkeit der Einlösung der Erfüllungsgarantie entschieden wird, vor dem zuständigen Gericht in Algerien noch hängig. Es wird weder behauptet noch ist belegt, dass eine zuverlässige Streiterledigung ausgeschlossen sei; im übrigen muss sich die Beschwerdeführerin jedenfalls heute auch ihr eigenes Einverständnis mit dem Rechtsweg in Algerien entgegenhalten lassen. Ausgehend von der gesetzlichen Ordnung kommt daher eine Entschädigung aus der Exportrisikogarantie im jetzigen Zeitpunkt nicht in Frage. BGE 118 Ib 100 S. 111 8. ... Der Beschwerdeführerin bleibt unbenommen, worauf die Vorinstanzen mit Recht hinweisen, erneut ein Gesuch um Entschädigung zu stellen, wenn über die Rechtmässigkeit der Einlösung des "performance bond" endgültig entschieden ist und sich dabei ein von der Exportrisikogarantie gedeckter Verlust ergeben sollte. Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen müsste sich eine Entschädigung diesfalls allerdings auf die besondere Verfügung vom 13. Juni 1983 für den "performance bond" und nicht auf die Garantie vom 29. März 1983 für das Grundgeschäft abstützen (vgl. E. 5c); dies hätte dann auch zur Folge, dass der Verlust zu einem Satz von 75% - und nicht bloss 70% - gedeckt wäre.
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Sachverhalt ab Seite 190 BGE 109 Ib 190 S. 190 Die Dachser Spedition AG ersuchte mit Schreiben vom 1. März 1978 um Rückerstattung des Zollzuschlages für fünf Sendungen Schmelzkäse, welche sie anfangs Januar 1978 eingeführt hatte. Sie legte entsprechende Ausfuhrbescheinigungen bei. Die Zollbehörden lehnten diese Rückerstattung im wesentlichen mit der Begründung ab, dass die für die Befreiung vom Zollzuschlag massgebenden Ausfuhrbescheinigungen bei der definitiven Verzollung nicht vorgelegt worden seien. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde der Zollzahlungspflichtigen gut, aus folgenden BGE 109 Ib 190 S. 191 Erwägungen Erwägungen: 1. Die Beschwerdeführerin verlangt die Rückerstattung des Zollzuschlages von insgesamt Fr. 28'664.40, den sie für die fünf Sendungen Schmelzkäse, welche sie zwischen dem 4. Januar und dem 15. Februar 1978 einführte, entrichtet hat. a) Die Rückerstattung und Rückforderung nicht geschuldeter Zollzahlungen werden in Art. 125 ZG geregelt. Nach Art. 125 Abs. 1 ZG ist der zuviel bezahlte Zollbetrag von Amtes wegen zurückzuerstatten, wenn bei der amtlichen Nachprüfung der Zollabfertigungen Unrichtigkeiten festgestellt werden, die eine Zollzahlung als ganz oder teilweise nicht geschuldet erscheinen lassen. Art. 125 Abs. 2 ZG bestimmt: "Die Rückforderung einer Abgabe durch den Zollpflichtigen kann, soweit es sich nicht um die in den Artikeln 16 und 18 vorgesehene Rückvergütung handelt, nur im Wege der Beschwerde gegen die Festsetzung der Abgabe erfolgen. Stützt sich die Rückforderung auf einen Rechnungsfehler, so beträgt die Rückforderungsfrist ein Jahr." Die Frist für die erste Beschwerde gegen die Zollabfertigung beträgt 60 Tage und läuft von der Zollabfertigung an ( Art. 109 Abs. 2 ZG ). Die Rückforderung einer ganz oder teilweise nicht geschuldeten Abgabe hat demgemäss binnen 60 Tagen zu erfolgen, wobei in der Beschwerde Zeit, Grund und Betrag der geleisteten Zahlung genau anzugeben und die bei der Bezahlung erhaltenen amtlichen Ausweise beizulegen sind ( Art. 150 Abs. 1 ZV ). Bei der Gutheissung der Beschwerde wird dem Berechtigten der zuviel bezahlte Betrag von Amtes wegen zugesandt ( Art. 150 Abs. 2 ZV ). b) Art. 125 Abs. 2 ZG beruht auf dem nämlichen Gedanken, der auch der zivilrechtlichen Bereicherungsklage wegen Bezahlung einer Nichtschuld ( Art. 63 OR ) zugrundeliegt. Im Unterschied zur zivilrechtlichen Rückforderungsklage verlangt Art. 125 ZG jedoch keinen Irrtum seitens des Rückforderungsberechtigten. Voraussetzung der Rückerstattung ist allein die Tatsache, dass eine bezahlte Abgabe ganz oder teilweise nicht geschuldet ist (vgl. BLUMENSTEIN, Grundzüge des schweizerischen Zollrechts, Bern 1931, S. 43). Unter dieser Voraussetzung kann der zuviel bezahlte Betrag innert 60 Tagen seit der Zollabfertigung im Wege der Beschwerde zurückverlangt werden. Aus einer beiläufigen Bemerkung in einem früheren Urteil könnte zwar geschlossen werden, die Rückerstattung gemäss Art. 125 Abs. 2 ZG setze entsprechend der zivilrechtlichen BGE 109 Ib 190 S. 192 Bereicherungsklage einen Irrtum des Zollzahlungspflichtigen voraus (vgl. BGE 106 Ib 220 E. 2b). Das Bundesgericht hatte im erwähnten Entscheid die Tragweite von Art. 126 ZG - nicht von Art. 125 ZG - zu beurteilen; im Gegensatz zu Art. 125 setzt aber die Nachforderung zu Lasten des Zollpflichtigen gemäss Art. 126 ZG ausdrücklich einen Irrtum der Zollverwaltung voraus. Soweit aus diesem Präjudiz auf eine andere Auslegung von Art. 125 ZG geschlossen werden könnte, ist daran nicht festzuhalten. c) Die Vorinstanz leitet aus Art. 31 Abs. 1 ZG in Verbindung mit Art. 35 Abs. 2 ZG ab, dass Ausfuhrbescheinigungen, welche den Anspruch auf Ermässigung der Zollabgabe belegen, mit dem Abfertigungsantrag vorzulegen sind und dass der Aussteller der Deklaration deren Verbindlichkeit gegen sich gelten lassen muss, sofern er nicht gemäss Art. 40 Abs. 1 ZG in Verbindung mit Art. 68 ZV die provisorische Verzollung beantragt hat. Nach Art. 40 Abs. 1 ZG werden zur Überführung in den freien Verkehr bestimmte ausländische Waren provisorisch verzollt, wenn deren endgültige Abfertigung im Zeitpunkt der Anmeldung zur Einfuhr nicht tunlich erscheint. Es ist zwar nicht ausgeschlossen und wird in der Regel zweckmässig sein, eine provisorische Abfertigung vorzunehmen, wenn der Zollpflichtige Bescheinigungen nicht vorlegen kann, welche eine Reduktion der Abgaben belegen sollen. Diese Möglichkeit der provisorischen Verzollung schliesst indessen die Rückforderungsklage gemäss Art. 125 Abs. 2 ZG nicht aus. Die Rückerstattung zuviel bezahlter Abgaben nach Art. 125 ZG setzt im Gegenteil die definitive Bezahlung (nicht die blosse Sicherstellung) der Abgaben und damit die definitive Abfertigung voraus. Die Verbindlichkeit der Deklaration für den Aussteller im Sinne von Art. 35 Abs. 2 ZG bedeutet entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht, dass eine Rückforderung auf dem Beschwerdeweg und innerhalb der Beschwerdefrist ausgeschlossen wäre. d) Dass die Rückerstattung zuviel bezahlter Zollabgaben gemäss Art. 125 Abs. 2 ZG grundsätzlich zulässig ist, wenn nach der Abfertigung und innerhalb der Beschwerdefrist Belege über die Befreiung von Zollzuschlägen eingereicht werden, bedeutet freilich nicht, dass die Zollbehörden die entsprechenden Beträge aufgrund solcher Belege ohne weiteres auszahlen müssten. Der Zollpflichtige hat den Beweis dafür zu erbringen, dass bei der Abfertigung ein zu hoher Abgabebetrag bezahlt worden ist. Sofern er diese Tatsache durch nachträglich eingereichte Belege nicht mit hinreichender Sicherheit nachweisen kann - weil etwa eine Kontrolle der BGE 109 Ib 190 S. 193 eingeführten Ware nicht mehr möglich ist - ist die Rückerstattung zu verweigern. Soweit der Zollpflichtige im übrigen die Möglichkeit gehabt hätte, entsprechende Belege bereits bei der Abfertigung beizubringen, kann dieser Umstand auch für die Kostenfolge berücksichtigt werden. e) Die Beschwerdeführerin hat am 1. März 1978, innerhalb der Beschwerdefrist, den Zollbehörden Ausfuhrbescheinigungen vorgelegt, welche für ihre fünf Importe von Schmelzkäse die Befreiung vom Zollzuschlag belegen sollen. Die Zollbehörden hätten gemäss Art. 125 Abs. 2 ZG in Verbindung mit Art. 150 ZV prüfen müssen, ob damit der Beweis erbracht ist, dass diese Zollzuschläge zu Unrecht erhoben worden sind. Die Beschwerde ist in diesem Sinne gutzuheissen und die Akten sind gemäss Art. 114 Abs. 2 OG an die Oberzolldirektion zurückzuweisen. 2. Da die Beschwerde gutzuheissen ist, hat die Beschwerdegegnerin gemäss Art. 156 OG die Verfahrenskosten zu tragen und die durch einen Anwalt vertretene Beschwerdeführerin gemäss Art. 159 OG zu entschädigen.
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Sachverhalt ab Seite 47 BGE 119 Ia 46 S. 47 Die Eheleute X. haben ihr ordentliches Steuerdomizil in Y. (Kanton Aargau). Am 1. September 1987 erwarb Frau X. in Zürich eine Liegenschaft. Fr. 150'000.-- brachte sie aus eigenen Mitteln auf (Wertschriften, Sparguthaben), die Fremdfinanzierung belief sich auf Fr. 400'000.--. Auf den 1. September 1987 nahm das Gemeindesteueramt Y. eine Zwischeneinschätzung wegen Änderung der für die interkantonale Steuerausscheidung massgebenden Verhältnisse vor (§ 57 Abs. 1 lit. c des Aargauer Steuergesetzes vom 13. Dezember 1983). Dabei berechnete es bei unveränderter Fortführung der Vergangenheitsbemessung die Quoten neu. Das im Kanton steuerbare Vermögen reduzierte es um die weggefallenen Wertschriften, Sparguthaben usw. (Fr. 150'000.--), das steuerbare Einkommen um den daraus erzielten Ertrag (Fr. 3'000.--). Die bei Beginn der Steuerperiode am 1. Januar 1987 vorhanden gewesenen Schulden und darauf geschuldeten Zinsen verlegte es proportional gemäss der neuen Lage der bisherigen Aktiven (Aargau: Fr. 588'569.--; Zürich: Fr. 150'000.--). Das Gesamtvermögen und Gesamteinkommen liess es aufgrund der Vergangenheitsbemessung unverändert. Die im Zusammenhang mit dem Erwerb der Liegenschaft aufgenommenen neuen Schulden und die darauf geschuldeten Schuldzinsen blieben unberücksichtigt. Wie die Steuerpflichtigen behaupten, haben sie zufolge dieser Veranlagung ab 1. September 1987 mehr als ihr BGE 119 Ia 46 S. 48 gesamtes Reinvermögen und Reineinkommen zu versteuern, weil die neuen Schulden und Schuldzinsen das im Kanton Zürich steuerbare Vermögen und seinen Ertrag übersteigen. Eine Einsprache mit dem Begehren, dass die mit dem Erwerb der ausserkantonalen Liegenschaft verbundene höhere Verschuldung "unverzüglich und vollständig" berücksichtigt werde, wies die Steuerkommission Y. am 23. Oktober 1991 ab. Sie hob hervor, Anlass für die Zwischenveranlagung bildeten hier nicht veränderte finanzielle Verhältnisse beim Steuerpflichtigen, sondern eine Änderung der interkantonalen Abgrenzung. Nur wenn die Verlegung von Vermögen und Einkommen in einen andern Kanton mit einem Ereignis verbunden sei, das auch innerkantonal einen Zwischenveranlagungsgrund darstelle, sei der Übergang von der Vergangenheits- zur Gegenwartsbemessung (mit Neuberechnung des Gesamtvermögens und Gesamteinkommens) zulässig. Deshalb habe hier der Kauf der ausserkantonalen Liegenschaft lediglich zur Folge, dass die Quoten, nicht aber die Gesamtfaktoren neu zu berechnen seien. Hiegegen führen die Steuerpflichtigen staatsrechtliche Beschwerde wegen Doppelbesteuerung ( Art. 46 Abs. 2 BV ). Sie beantragen, den Entscheid des Kantons Aargau aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen an die Steuerkommission Y. zurückzuweisen. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut. Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Es ist ein seit langem geltender und allgemeiner Grundsatz des interkantonalen Steuerrechts, dass Liegenschaften und der daraus fliessende Ertrag der Steuerhoheit des Kantons der gelegenen Sache unterliegen ( BGE 116 Ia 130 mit Hinweisen). Befindet sich eine Liegenschaft ausserhalb des Kantons, in dem der Steuerpflichtige sein primäres Steuerdomizil hat, so ist daher eine Steuerausscheidung zwischen dem Wohnsitzkanton und dem Liegenschaftskanton vorzunehmen. Das Bundesgericht ist stets davon ausgegangen, dass beim Erwerb einer Liegenschaft der Kanton der gelegenen Sache die Besteuerungsbefugnis vom ersten Tag an in Anspruch nehmen kann, an dem der Steuerpflichtige über die Liegenschaft verfügt. Der Steuerausscheidung ist dabei nötigenfalls mit einer Zwischentaxation Rechnung zu tragen, auch wenn nach der Gesetzgebung des Wohnsitzkantons eine solche nicht vorgesehen ist. Lehnt es der BGE 119 Ia 46 S. 49 Wohnsitzkanton ab, die Verminderung beim Vermögen und Einkommen auf den Zeitpunkt des Erwerbs im Liegenschaftskanton zu berücksichtigen, indem er den Steuerpflichtigen ganzjährlich für das bisherige Vermögen besteuert, verletzt er daher das Verbot der Doppelbesteuerung ( BGE 101 Ia 388 E. 4b; Urteile vom 12. Mai 1987 und 9. Oktober 1963 in ASA 57 S. 396 E. 2c und ASA 33 S. 61 E. 5). Gegen diese Grundsätze hat jedoch der Kanton Aargau nicht verstossen. Er hat auf den Zeitpunkt des Erwerbs der Liegenschaft im Kanton Zürich eine Zwischentaxation durchgeführt und dabei berücksichtigt, dass das in der Liegenschaft investierte Eigenkapital (Fr. 150'000.--) und sein Ertrag (Fr. 3'000.--) ab dem 1. September 1987 im Kanton Aargau nicht mehr zur Verfügung stehen. Eine Verletzung von Art. 46 Abs. 2 BV kann dem Kanton Aargau insofern nicht vorgeworfen werden. Das ist im Grunde unbestritten. 4. Die Beschwerdeführer machen vielmehr geltend, dass in beiden Kantonen zusammen sämtliche Schulden und Schuldzinsen zu berücksichtigen seien. Sie haben zudem dargetan, dass sich infolge des Erwerbs der ausserkantonalen Liegenschaft ihr Verschuldungsgrad, d.h. das Verhältnis der gesamten Schulden zu den gesamten Aktiven, vergrössert hat und dass sie aufgrund der angefochtenen Veranlagung ab 1. September 1987 mehr als ihr gesamtes Reinvermögen und Reineinkommen zu versteuern haben, weil das im Kanton Zürich vorhandene Nettovermögen und Nettoeinkommen nicht ausreicht, um davon sämtliche Schulden und Schuldzinsen abziehen zu können. Sie haben das bereits im kantonalen Verfahren vorgetragen, ohne dass es von der Steuerverwaltung in Frage gestellt worden wäre. Auch wenn das Kantonale Steueramt zu dieser Behauptung nicht ausdrücklich Stellung genommen hat, muss doch davon ausgegangen werden, dass es sich so verhält. a) Grundsätzlich kann ein Steuerpflichtiger, der zwei Kantonen mit Reinvermögenssteuer und Reineinkommenssteuer angehört, beanspruchen, dass beide Kantone zusammen sämtliche Schulden und Schuldzinsen abziehen (LOCHER, Doppelbesteuerungsrecht, § 9, I A, 1 Nr. 17). Nach ständiger Rechtsprechung werden Schulden und Schuldzinsen als eine besondere Belastung des Vermögens und des daraus fliessenden Ertrages betrachtet; sie sind daher bei Privatpersonen quotenmässig, im Verhältnis der in den einzelnen Kantonen gelegenen Aktiven, zu verlegen ( BGE 111 Ia 123 E. 2a, BGE 104 Ia 261 E. 4b). Diese Regel muss nicht nur dann beachtet werden, wenn im Rahmen einer ordentlichen Haupteinschätzung eine Steuerausscheidung durchzuführen ist, BGE 119 Ia 46 S. 50 sondern schon dann, wenn der Steuerpflichtige im Laufe des Jahres ausserhalb des Wohnsitzkantons eine Liegenschaft erwirbt und sich dadurch das Verhältnis der gesamten Schulden zu den gesamten Aktiven erhöht. Würden in einem solchen Fall nicht auch der Wohnsitzkanton oder die bisherigen Kantone im Rahmen der bundesrechtlich vorgeschriebenen Steuerausscheidung verpflichtet, einen proportionalen Anteil an den gesamten Schulden zu übernehmen, so hätte der Kanton der neuen Liegenschaft mehr als einen proportionalen Anteil an den gesamten Schulden zu tragen. Der Grundsatz der proportionalen Schulden- und Schuldzinsenverlegung wie auch die weitere doppelbesteuerungsrechtliche Regel, wonach der Kanton der gelegenen Sache das Grundeigentum vom ersten Tag an besteuern darf und dieses ihm zur ausschliesslichen Besteuerung zusteht, wären damit verletzt. In einem solchen Fall sind daher auch die bisherigen Kantone zu verpflichten, einen quotenmässigen Anteil an den gesamten Schulden zu übernehmen. Diese Regel wurde zwar vom Bundesgericht in seiner bisherigen Rechtsprechung nicht ausdrücklich aufgestellt, sie ergibt sich aber schon aus den genannten doppelbesteuerungsrechtlichen Grundsätzen und entspricht auch der von HÖHN (Interkantonales Steuerrecht, 2. Auflage 1989, S. 341 ff., besonders Rz. 36) vertretenen Lehrmeinung. Sie ist immer dann zu beachten, wenn sich infolge des Erwerbs der ausserkantonalen Liegenschaft der Verschuldungsgrad erhöht. Wie zu entscheiden wäre, wenn das Verhältnis der Schulden zu den Aktiven infolge des Erwerbs der ausserkantonalen Liegenschaft nicht gestiegen wäre, kann hier offenbleiben, weil sich durch den Kauf der Liegenschaft im Kanton Zürich die Beschwerdeführer verhältnismässig höher verschuldet haben. b) Die Beschwerdeführer können somit verlangen, dass der Wohnsitzkanton dem mit dem Erwerb der ausserkantonalen Liegenschaft gestiegenen Verschuldungsgrad Rechnung trägt und einen proportionalen Anteil an den Gesamtschulden übernimmt. Indem der Kanton Aargau bei seiner Steuerausscheidung auf den 1. September 1987 die für den Kauf der Liegenschaft aufgewendeten fremden Mittel und die darauf geschuldeten Zinsen nicht berücksichtigt, verletzt er Art. 46 Abs. 2 BV . Die Rüge wegen Doppelbesteuerung ist insoweit begründet und der angefochtene Einspracheentscheid der Steuerkommission Y. aufzuheben. BGE 119 Ia 46 S. 51 5. Die Steuerkommission Y. wird für die Zeit ab 1. September 1987 eine neue Steuerausscheidung vornehmen müssen. Dabei hat sie sich an die bundesrechtlichen Grundsätze über die Verlegung der Schulden und Schuldzinsen zu halten. Nach der Regel, dass Schulden quotenmässig, im Verhältnis der jedem Kanton zugehörigen Aktiven, aufzuteilen sind, hat jeder Kanton einen dem Verhältnis der Aktiven entsprechenden Anteil an den gesamten Schulden zu übernehmen. Die bei Beginn der Steuerperiode vorhandenen und die neuen Schulden sind somit nach Lage der gesamten (bisherigen und neuen) Aktiven am 1. September 1987 zu verteilen. Das gilt grundsätzlich auch für die Schuldzinsen. Diese sind entsprechend dem von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsatz ( BGE 104 Ia 261 ) als besondere Belastung des Vermögens im Verhältnis der jedem Kanton zugehörigen Aktivwerte zu verlegen, und zwar nach Lage der Aktiven am 1. September 1987. Soweit der auf den Kanton Zürich entfallende Anteil grösser ist als der dort steuerbare Vermögensertrag, ist der nicht gedeckte Teil vom Kanton Aargau zu übernehmen. Damit wird der weiteren bundesrechtlichen Regel Rechnung getragen, dass ein allfälliger Schuldzinsenüberschuss in einem Kanton in erster Linie von jenen übrigen Kantonen zu tragen ist, die noch über Kapitalertrag verfügen, und in zweiter Linie vom übrigen Einkommen abzuziehen ist ( BGE 66 I 41 ; vgl. auch BGE 97 I 41 E. 2). An sich müsste zwar bei den Schuldzinsen unterschieden werden, ob sie die bisherigen oder die mit dem Erwerb der Liegenschaft neu eingegangenen Schuldverpflichtungen betreffen. Zinsen für bisherige Schulden müssten auf die bisherigen und Zinsen für die neuen Schulden auf diese verlegt werden (so auch der Vorschlag HÖHNS, a.a.O., S. 345 f. Rz. 39). Dieses Vorgehen mag dann angezeigt sein, wenn die Zinssätze für die alten und neuen Schulden wesentlich voneinander abweichen. Bei nur geringfügigen Unterschieden muss es den Steuerbehörden aus Gründen der Praktikabilität aber gestattet sein, die Gesamtheit der bisherigen und neuen Schuldzinsen nach Lage der gesamten bisherigen und neuen Aktiven zu verlegen. 6. Für die Bestimmung des Steuersatzes darf der Kanton Aargau auf die Werte gemäss bisheriger Veranlagung, d.h. auf das zu Beginn der Steuerperiode im Kanton steuerbare Vermögen und Einkommen, abstellen. Unter Berufung auf das Urteil des Bundesgerichts vom 30. November 1988 (ASA 59 S. 275 ff.) BGE 119 Ia 46 S. 52 machen die Beschwerdeführer demgegenüber geltend, der Kanton Aargau habe generell zur Gegenwartsbemessung überzugehen. In diesem Entscheid ging es um die Veräusserung von ausserkantonalen Liegenschaften. Das Bundesgericht hat festgehalten, dass die Zwischenveranlagung, die der Wohnsitzkanton bei der Veräusserung einer Liegenschaft in einem andern Kanton vornehme, das Schlechterstellungsverbot nicht verletze, auch wenn der damit verbundene Übergang von der Vergangenheitsbemessung zur Gegenwartsbemessung eine steuerliche Mehrbelastung für den Steuerpflichtigen zur Folge habe (vgl. ASA 59 S. 278). Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer hat das Bundesgericht aber nicht festgestellt, dass dann, wenn Grundeigentum in einem anderen Kanton veräussert werde, der Wohnsitzkanton vom Standpunkt des Bundesrechts aus zu einer Zwischenveranlagung mit Gegenwartsbemessung verpflichtet sei. Aus diesem Urteil kann somit nicht abgeleitet werden, bei der bundesrechtlich vorgeschriebenen Steuerausscheidung wegen Begründung (oder Aufgabe) eines Nebensteuerdomizils dürfe der Wohnsitzkanton nicht an die bisherige Veranlagung anknüpfen (vgl. aus der bisherigen bundesgerichtlichen Rechtsprechung auch das Urteil vom 5. Mai 1976, ASA 46 S. 462). Das gilt für die Bestimmung des Steuersatzes in gleicher Weise. Unter dem Gesichtswinkel des Art. 46 Abs. 2 BV ist es deshalb nicht zu beanstanden, wenn der Kanton Aargau für das satzbestimmende Vermögen und Einkommen auf seine bisherige Veranlagung abstellt, auch wenn ein aufgrund der neuen Gesamtfaktoren bemessener Steuersatz für die Beschwerdeführer günstiger wäre.
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Erwägungen ab Seite 223 BGE 125 IV 222 S. 223 Aus den Erwägungen: 1. Angefochten ist im vorliegenden Verfahren allein die Verfügung der Eidg. Untersuchungsrichterin vom 16. August 1999, mit welcher diese die durch die Bundesanwaltschaft im gerichtspolizeilichen Ermittlungsverfahren gegen die Beschwerdeführerin am 12. August 1999 wegen Kollusions- und Fluchtgefahr verfügte Untersuchungshaft aufrecht erhielt. a) Die Bundesanwaltschaft macht geltend, gegen die Haftbestätigungsverfügung der Eidg. Untersuchungsrichterin bestehe keine Beschwerdemöglichkeit an die Anklagekammer des Bundesgerichts. Sie begründet dies damit, dass eine solche systemwidrig wäre, denn der Beschuldigte habe nach der Systematik des Bundesgesetzes vom 15. Juni 1934 über die Bundesstrafrechtspflege (BStP; SR 312.0) die Möglichkeit, jederzeit ein Haftentlassungsgesuch zu stellen, gegen dessen Abweisung bei der Anklagekammer Beschwerde geführt werden könne. Die Anwendung von Art. 217 BStP auch auf die Haftprüfung würde zu Doppelspurigkeiten führen, die es zu vermeiden gelte. b) Die Eidg. Untersuchungsrichterin hat die angefochtene Verfügung mit der Rechtsmittelbelehrung versehen, gegen diese könne innert drei Tagen bei der Anklagekammer des Bundesgerichts Beschwerde geführt werden. Die Beschwerdeführerin stützt sich darauf und hält der Auffassung der Bundesanwaltschaft entgegen, diese habe anlässlich der Haftprüfung persönlich den Antrag auf Weiterführung der Haft vertreten; dies könne der Abweisung eines Haftentlassungsgesuches gleichgesetzt werden; es wäre mit dem Beschleunigungsgebot unvereinbar, wenn zunächst unmittelbar nach Verkündung des Haftprüfungsentscheides ein Haftentlassungsgesuch gestellt werden müsste. c) In Bundesstrafsachen wird die gerichtliche Polizei unter der Leitung der Bundesanwaltschaft auch von Staatsanwälten, der Polizei und den übrigen Beamten und Angestellten des Bundes und der Kantone in ihrem Wirkungskreis ausgeübt ( Art. 17 Abs. 2 BStP ). Die Beamten und Angestellten der gerichtlichen Polizei sind berechtigt, einen Verdächtigen vorläufig festzunehmen und dieser ist ohne Verzug einem zum Erlass eines Haftbefehls berechtigten Richter oder Beamten zuzuführen ( Art. 62 BStP ). Vor Einleitung der Voruntersuchung sind neben der Bundesanwaltschaft auch die nach dem kantonalen Recht dafür zuständigen Beamten der gerichtlichen BGE 125 IV 222 S. 224 Polizei zum Erlass des Haftbefehls berechtigt ( Art. 45 Ziff. 1 BStP ). Im gerichtspolizeilichen Ermittlungsverfahren ist der Verhaftete dem für die Haftprüfung zuständigen kantonalen Richter oder dem eidgenössischen Untersuchungsrichter zuzuführen, der über die Aufrechterhaltung der Haft entscheidet ( Art. 47 BStP ). Gegen die vorläufige Festnahme besteht keine Beschwerdemöglichkeit - auch nicht nach Art. 105bis BStP , wenn der Bundesanwalt den Haftbefehl erliess -, da diese der Sicherung der Vorführung vor den Haftrichter dient, durch diesen erst zu bestätigen ist und gegebenenfalls auch aufgehoben werden kann (so auch HANSJÖRG STADLER, Bemerkungen zur Teilrevision des BStP im Zusammenhang mit dem eidgenössischen Datenschutzgesetz, in ZStrR 112/1994 S. 297). Gegen die Haftbestätigung durch den eidgenössischen Untersuchungsrichter kann indessen - innert 3 Tagen - nach Art. 214 ff. BStP Beschwerde bei der Anklagekammer eingereicht werden. Da diese Beschwerde gegen jede Amtshandlung des Untersuchungsrichters gegeben ist, ändert die Möglichkeit, nach Art. 52 BStP jederzeit ein Haftentlassungsgesuch stellen und gegen dessen Ablehnung Beschwerde an die Anklagekammer führen zu können, nichts daran. Es ergeben sich auch aus den Materialien keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber mit der Möglichkeit des Haftentlassungsgesuches und der Beschwerde gegen dessen Ablehnung eine Beschwerde gegen die Haftbestätigung ausschliessen wollte. Der Beschuldigte wäre diesfalls denn auch schlechter gestellt, wenn die Haftprüfung einem kantonalen Richter übertragen wird, was nicht anginge. Wird bei Ermittlungen, bei denen die untersuchten strafbaren Handlungen nicht der Bundesgerichtsbarkeit unterstehen oder die voraussichtlich an einen Kanton delegiert werden, die Haftprüfung dem zuständigen kantonalen Richter übertragen (vgl. dazu STADLER, a.a.O.), richtet sich die Beschwerdemöglichkeit nach dem kantonalen Recht. Die Mehrheit der Kantone kennt ein Rechtsmittel gegen die Haftbestätigung, und wo dies nicht der Fall ist, kann gegen diese beim Bundesgericht staatsrechtliche Beschwerde erhoben werden. Die Beschwerde ist daher zulässig, und da alle Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf sie einzutreten.
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Sachverhalt ab Seite 397 BGE 138 III 396 S. 397 Die X. AG, vertreten durch die Y. AG, ein Inkasso- und Treuhandunternehmen, ersuchte beim Einzelrichter des Bezirksgerichts Willisau in der gegen Z. angehobenen Betreibung um definitive bzw. provisorische Rechtsöffnung für ihre Forderungen. Der Einzelrichter hielt die Gläubigerin dazu an, innert bestimmter Frist entweder das Rechtsöffnungsbegehren selbst einzureichen oder von einem berechtigten Vertreter einreichen zu lassen. Die Y. AG beharrte auf ihrer Eingabe mit der Begründung, sie betrachte sich aufgrund der gesetzlichen Regelung des Kantons Luzern als berechtigt, Parteien im Rechtsöffnungsverfahren gewerbsmässig zu vertreten. Der Einzelrichter des Bezirksgerichts Willisau schrieb das Verfahren ab; er hielt dafür, die X. AG habe innert gesetzter Frist keine neue Rechtsschrift eingereicht. Die Eingaben der nicht zugelassenen Parteivertreterin seien unbeachtlich. Das Obergericht des Kantons Luzern wies die gegen den einzelrichterlichen Entscheid erhobene Beschwerde der X. AG ab. Gegen diesen Entscheid hat die nunmehr anwaltlich verbeiständete X. AG (Beschwerdeführerin) beim Bundesgericht Beschwerde in Zivilsachen erhoben. Sie schliesst dahin, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und die Sache zur Behandlung der Rechtsöffnungsgesuche an die Vorinstanz bzw. die erste Instanz zurückzuweisen. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. (Zusammenfassung) Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. 3.1 Die Beschwerdeführerin macht geltend, gemäss Art. 68 Abs. 2 lit. c ZPO (SR 272) seien die gewerbsmässigen Vertreterinnen und Vertreter gemäss Art. 27 SchKG zur berufsmässigen Vertretung der Parteien vor den Gerichten in den Verfahren des Art. 251 ZPO befugt. In diesen Verfahren sei die gewerbsmässige Vertretung uneingeschränkt möglich, zumal sie nach dem Wortlaut von Art. 68 Abs. 2 lit. c ZPO nicht von einer Bewilligung der Kantone abhänge. Art. 27 Abs. 1 SchKG erteile den Kantonen lediglich die Befugnis, die gewerbsmässige Vertretung vor den Behörden der Zwangsvollstreckung zu regeln. Überdies könnten sie nicht selektiv je für das Verfahren vor den Betreibungsbehörden und jenes vor den Gerichten Regeln erlassen. Insoweit erweist sich die Beschwerde als unbegründet: BGE 138 III 396 S. 398 3.2 Art. 68 Abs. 2 lit. c ZPO ermächtigt die gewerbsmässigen Vertreterinnen und Vertreter gemäss Art. 27 SchKG dazu, die Parteien in den Angelegenheiten des summarischen Verfahrens nach Art. 251 ZPO berufsmässig vor den Gerichten zu vertreten. Trotz des Verweises auf Art. 27 SchKG sagt Art. 68 Abs. 2 lit. c ZPO entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin aber nichts darüber aus, ob und wie die Kantone die gewerbsmässige Vertretung organisieren bzw. ob und von welchen Bedingungen sie die gewerbsmässige Vertretung abhängig machen können. Auch wenn sich diese Bestimmung dazu nicht äussert, besagt dies noch keineswegs, dass die gewerbsmässige Vertretung nicht von gewissen Voraussetzungen abhängig gemacht werden darf. Einschlägige Norm für diese Fragen ist Art. 27 Abs. 1 SchKG . Er gibt den Rahmen vor, in dem die Kantone Grundsätze über die gewerbsmässige Vertretung der an einer Schuldbetreibung Beteiligten schaffen können ( BGE 135 I 106 ). 3.3 Gemäss Art. 27 Abs. 1 Satz 1 des Bundesgesetzes vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (AS 11 529; BS 3 3) konnten die Kantone die gewerbsmässige Vertretung organisieren. Ihnen wurde insbesondere die Befugnis eingeräumt, die Ausübung dieses Berufes vom Nachweis persönlicher Tauglichkeit und Ehrenhaftigkeit abhängig zu machen. Obwohl diese Bestimmung hinsichtlich der von ihr betroffenen betreibungsrechtlichen Verfahren offen formuliert war, entschied das Bundesgericht, sie beziehe sich nur auf die eigentliche Betreibung, das Verfahren vor den Vollstreckungsbehörden (Betreibungs- und Konkursämter, Aufsichtsbehörden über Schuldbetreibung und Konkurs usw.). Die gerichtlichen Streitigkeiten, welche sich im Anschluss an die hängige Betreibung als Inzident derselben ergeben können, seien von ihr nicht betroffen. Zur Begründung dieser Rechtsauffassung hielt es dafür, im Gegensatz zur eigentlichen Schuldbetreibung sei der "Rechtsgang vor dem Richter" in solchen Streitigkeiten, so insbesondere auch "im summarischen Prozessverfahren betreffend Rechtsvorschläge und Konkursbegehren ( Art. 25 Ziff. 2 SchKG )", nicht durch das Bundesrecht geregelt. Die Organisation dieser Verfahren sei vielmehr (gestützt auf Art. 25 Ziff. 2 SchKG ) der kantonalen Gesetzgebung überlassen, welche auch die Bedingungen für die Vertretung der Parteien im Prozess regeln könne ( BGE 59 I 197 E. 2 S. 200 f.). In späteren Entscheiden hat es diese Praxis bestätigt ( BGE 95 I 330 ; BGE 103 Ia 47 ). Anlässlich der Revision von 1994 (Fassung gemäss Ziff. 1 des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 1994, in Kraft seit 1. Januar 1997; AS 1995 1227, 1307; BBl BGE 138 III 396 S. 399 1991 III 1) wurde Art. 27 Abs. 1 SchKG durch den Zusatz "der am Zwangsvollstreckungsverfahren Beteiligten" ergänzt und mit Bezug auf den Katalog der möglichen Regelungen durch eine Aufgliederung in drei Ziffern neu gefasst. Am offenen Wortlaut von Art. 27 Abs. 1 Satz 1 SchKG mit Bezug auf die Verfahren und an der beschriebenen bundesgerichtlichen Rechtsauffassung hat sich durch die Revision nichts geändert (ROTH/WALTER, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Bd. I, 2. Aufl. 2010, N. 5 zu Art. 27 SchKG ; ERIC MUSTER, in: Kurzkommentar SchKG, 2009, N. 6 zu Art. 27 SchKG ; PIERRE-ROBERT GILLIÉRON, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et faillite, Bd. I, 1999, N. 12 zu Art. 27 SchKG ). 3.4 Durch die Einführung der ZPO am 1. Januar 2011 (AS 2010 1836) trat mit Art. 68 Abs. 2 lit. c ZPO eine Norm in Kraft, welche nunmehr die berufsmässige Vertretung in den (gerichtlichen) Summarverfahren gemäss Art. 251 ZPO durch die gewerbsmässigen Vertreterinnen und Vertreter gemäss Art. 27 SchKG von Bundesrechts wegen vorsieht; überdies verweist diese Norm auf Art. 27 SchKG . Gleichzeitig ist Art. 25 SchKG aufgehoben worden (AS 2010 Anhang 1 Ziff. 17 1847), aus welchem das Bundesgericht die kantonale Kompetenz zur Regelung der Bedingungen der gerichtlichen gewerbsmässigen Vertretung ableitete. Demgegenüber hat Art. 27 SchKG mit der Einführung der ZPO keine Änderung erfahren. Infolge dieser gesetzlichen Änderungen und unter Berücksichtigung der unverändert gebliebenen Fassung von Art. 27 Abs. 1 Satz 1 SchKG sind die Gründe weggefallen, die es rechtfertigten, Art. 27 SchKG nicht auf die gerichtlichen Inzidenzverfahren der Betreibung anzuwenden. Angesichts der geänderten Rechtslage lässt sich die bisherige Rechtsprechung zu Art. 27 SchKG nicht aufrechterhalten. Vielmehr ist davon auszugehen, dass diese Bestimmung nunmehr die Regelung der Voraussetzungen gewerbsmässiger Vertretung von Parteien in den gerichtlichen Summarverfahren gemäss Art. 251 ZPO mitumfasst. Dieser Schluss erscheint nicht zuletzt aufgrund des in Art. 68 Abs. 2 lit. c ZPO enthaltenen Verweises auf Art. 27 SchKG als zwingend (vgl. Botschaft vom 28. Juni 2006 zur schweizerischen Zivilprozessordnung, BBI 2006 7279 Ziff. 5.5.2). Die von der Beschwerdeführerin vertretene gegenteilige Meinung, die für eine Beibehaltung der alten Rechtsprechung plädiert, hätte zur Folge, dass die Kompetenz der Kantone in diesen Belangen beschränkt würde; für eine derart einschneidende Einschränkung der kantonalen Befugnis zur Regelung der BGE 138 III 396 S. 400 Voraussetzungen gewerbsmässiger Vertretung finden sich indes in den Materialien der ZPO keine Hinweise. Zudem trägt der Standpunkt der Beschwerdeführerin dem Umstand nicht Rechnung, dass Art. 27 Abs. 1 Satz 1 SchKG durch die Einführung der ZPO nicht abgeändert worden ist und somit seine mit Bezug auf die Verfahren offene Formulierung beibehalten hat. Kann der Kanton aber gestützt auf Art. 27 Abs. 1 SchKG sowohl für das Verfahren vor den Betreibungsbehörden als auch für die summarischen Verfahren nach Art. 251 ZPO organisatorische Vorschriften bezüglich der gewerbsmässigen Vertretung erlassen, bleibt es ihm unbenommen, nur für die summarischen Verfahren nach Art. 251 ZPO zu legiferieren.
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Sachverhalt ab Seite 215 BGE 139 IV 214 S. 215 A. X. wird in der Anklage vom 1. Dezember 2009/8. September 2010 vorgeworfen, er habe zwischen ca. Ende April 2003 und Juni 2003, wissend um seine HIV-Infektion und die Übertragbarkeit des Virus, mit seinem damaligen Lebenspartner Y. zwischen 5 und 10 Mal ungeschützt oral und anal sexuell verkehrt. Dadurch habe er zumindest in Kauf genommen, diesen mit dem HI-Virus zu infizieren, im Wissen darum, dass die Infektion nach ungewisser, relativ langer Zeit mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Ausbruch von AIDS und anschliessend mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Tod führe. Der nicht informierte Y. habe sich mit dem HI-Virus angesteckt. X. habe sich der schweren Körperverletzung im Sinne von Art. 122 Abs. 1 StGB und des Verbreitens menschlicher Krankheiten im Sinne von Art. 231 StGB schuldig gemacht. B. Das Obergericht des Kantons Zürich sprach X. am 3. April 2012 zweitinstanzlich wegen schwerer Körperverletzung ( Art. 122 Abs. 1 StGB ) und Verbreitens menschlicher Krankheiten ( Art. 231 Ziff. 1 Abs. 1 StGB ) schuldig und verurteilte ihn zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von 30 Monaten bei einer Probezeit von 2 Jahren. Den zu vollziehenden Teil der Freiheitsstrafe legte es auf acht Monate fest. Überdies verpflichtete es X., Y. eine Genugtuung von Fr. 50'000.- zu bezahlen. Dessen Schadenersatzforderung hiess es dem Grundsatz nach gut. Es verpflichtete X., Y. Fr. 6'000.- als Ersatz für bisher angefallene Gesundheitskosten zu bezahlen. Im darüber hinausgehenden Betrag verwies es Y. auf den Zivilweg. C.
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Sachverhalt ab Seite 261 BGE 114 II 261 S. 261 A.- B. übertrug A. die Gipserarbeiten an seinem Einfamilienhaus. Die Arbeiten wurden am 15. Juli 1980 abgenommen. Im Verlaufe der Jahre 1984/85 will B. am Fassadenputz Mängel festgestellt haben, für die er A. verantwortlich machte. Vergleichsverhandlungen unter den Parteien führten zu keinem Ergebnis. B. liess daraufhin A. mitteilen, dass er zur Wahrung der Garantiefrist gezwungen sei, vorsorglich zum Aussöhnungsversuch laden zu lassen. Am 19. Juni 1985 stellte sein Anwalt beim Gerichtspräsidenten von Fraubrunnen ein entsprechendes Begehren, bat aber, vorderhand noch keinen Termin anzusetzen, weil die Parteien noch Vergleichsverhandlungen führten. Am 18. März 1986 kam der Anwalt darauf zurück und ersuchte den Gerichtspräsidenten, nunmehr zum Aussöhnungsversuch vorzuladen, da die Verhandlungen endgültig gescheitert seien. Der Versuch fand am 16. April 1986 statt, blieb aber erfolglos. B.- Am 20. Juni 1986 klagte B. beim Appellationshof des Kantons Bern mit dem Begehren, A. zur Behebung der Mängel an seinen Arbeiten zu verurteilen. Der Beklagte widersetzte sich dem Begehren vor allem mit der Einrede, die Gewährleistungsansprüche des Klägers seien verjährt. Mit Zwischenentscheid vom 18. Mai 1988 wies der Appellationshof diese Einrede ab und stellte fest, dass die Verjährung nicht eingetreten sei. BGE 114 II 261 S. 262 C.- Mit Berufung beantragt der Beklagte dem Bundesgericht, diesen Entscheid aufzuheben und die Klage wegen Verjährung abzuweisen. Das Bundesgericht weist die Berufung ab und bestätigt den angefochtenen Entscheid. Erwägungen Aus den Erwägungen: Art. 371 Abs. 2 OR und Art. 180 SIA-Norm 118 (Ausgabe 1977) sehen für Gewährleistungsansprüche des Bestellers, wenn es wie hier um ein unbewegliches Bauwerk geht, eine Verjährungsfrist von fünf Jahren vor. Vorliegend ist einzig streitig, ob der Kläger mit seinem Begehren vom 19. Juni 1985 um Ladung zum Aussöhnungsversuch die fünfjährige Frist unterbrochen hat oder ob diese Wirkung, wie der Beklagte einwendet, zu verneinen ist, weil der Richter auf Gesuch des Klägers einstweilen von der Vorladung abgesehen hat. a) Was der Beklagte zur Begründung seiner Auffassung vorbringt, scheitert schon an der Rechtsprechung zu Art. 135 Ziff. 2 OR . Nicht das kantonale Prozessrecht, sondern nur das Bundesrecht kann bestimmen, was als "Ladung zu einem amtlichen Sühneversuch" im Sinne des Art. 135 Ziff. 2 OR zu verstehen ist. Nach BGE 65 II 166 bezeichnet diese Wendung eine Handlung des Ansprechers, nämlich dessen Begehren um Abhaltung eines amtlichen Sühneversuchs, wobei die Verjährung bereits durch Postaufgabe des Begehrens unterbrochen wird. Das stimmt überein mit den übrigen in Ziff. 2 erwähnten Unterbrechungsgründen, die ebenfalls auf eine Handlung des Ansprechers abstellen und kein Zutun der Behörde, insbesondere keine amtliche Mitteilung an den Schuldner erfordern. Das eine wie das andere ist namentlich für die Klage ( BGE 49 II 41 /42 mit Hinweisen) und das Betreibungsbegehren ( BGE 101 II 80 /81, BGE 83 II 50 E. 5) längst klargestellt worden. Die Unterbrechung der Verjährung setzt daher weder voraus, dass der Schuldner vom Sühnebegehren Kenntnis erhält, noch kann etwas darauf ankommen, ob innert angemessener Frist zur Sühneverhandlung vorgeladen wird oder ob die Ladung aus irgendwelchen Gründen einstweilen unterbleibt. Es bleibt vielmehr selbst dann bei der Unterbrechung, wenn der Ansprecher sein Begehren nachträglich zurückzieht. Diese Auslegung von Art. 135 Ziff. 2 OR entspricht, wie dem Beklagten bereits vom Appellationshof auseinandergesetzt worden BGE 114 II 261 S. 263 ist, auch der neueren Lehre, die sich mehrheitlich der angeführten Rechtsprechung angeschlossen hat oder sich mit blossen Hinweisen begnügt (GUHL/MERZ/KUMMER, OR 7. Aufl. S. 287; E. BUCHER, OR Allg. Teil S. 406/7 Anm. 98; VON BÜREN, OR Allg. Teil S. 433/34; VON TUHR/ESCHER, OR Allg. Teil II S. 228 Anm. 27 und S. 229 oben). Das gilt auch für GAUCH (Rechtsprechung des Bundesgerichts zu OR Allg. Teil, S. 208), dem der Beklagte ein falsches Zitat unterstellt. b) Weshalb das Sühnebegehren durch das Gesuch, vorderhand nicht zur Sühneverhandlung zu laden, sich selbst wieder aufheben soll, ist nicht einzusehen. Ein solches Vorgehen ist im Gegenteil vernünftig, wenn Parteien noch in Vergleichsverhandlungen stehen und den Streit gütlich beilegen wollen, dienen diese Verhandlungen doch dem gleichen Zweck wie ein Sühneversuch. Es bleibt dem Schuldner übrigens unbenommen, sich dem Gesuch zu widersetzen, wenn er das Vorgehen des Gläubigers für missbräuchlich hält. Dem kann auch der Sühnebeamte vorbeugen, indem er das Gesuch ablehnt und sogleich einen Verhandlungstermin ansetzt. Für einen Verstoss gegen Treu und Glauben liegt hier aber nichts vor. Aus dem angefochtenen Urteil erhellt vielmehr, dass der Kläger dem Vertreter des Beklagten das Sühnebegehren mit Schreiben vom 18. Juni 1985 ausdrücklich ankündigen liess, weil er leider gezwungen sei, "vorsorglicherweise zum Aussöhnungsversuch laden zu lassen". Aus BGE 113 III 87 kann der Beklagte schon deshalb nichts für seine Auffassung ableiten, weil dort die Frage, ob eine Aberkennungsklage nach einer Säumnis erneut angehoben werden könne, von kantonalem Prozessrecht abhing. Ebensowenig hilft ihm BGE 85 II 537 , wo es nicht um Verjährung, sondern um die Verwirkung eines Klagerechts ging, was der Beklagte übersieht. Wie dazu bereits in BGE 74 II 16 E. 1b ausgeführt worden ist, bildet die Anrufung des Sühnebeamten nur dann eine den Prozess einleitende oder vorbereitende Handlung, wenn die Streitsache mangels Aussöhnung von Amtes wegen an das Gericht weiterzuleiten oder der Kläger nach kantonalem Prozessrecht verpflichtet ist, den Prozess sodann innert einer bestimmten Frist einzuleiten und ihn auch tatsächlich einleitet. Das gilt für die Einhaltung von Verwirkungsfristen, heisst aber nicht, dass eine Ladung zu einem Sühneversuch eine Verjährung ebenfalls nur unter diesen Voraussetzungen zu unterbrechen vermöge.
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Sachverhalt ab Seite 83 BGE 107 II 82 S. 83 A.- Der Österreichische Rundfunk (ORF) betreibt als selbständige öffentliche Anstalt das Fernsehen in Österreich. Zu BGE 107 II 82 S. 84 diesem Zwecke erstellte und unterhält er selbst eine Vielzahl von Sendern und Hilfssendern. Die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) dagegen benützt Sendeanlagen, die von den PTT-Betrieben errichtet und unterhalten werden. Da mit einem starken Aufkommen des Kabelfernsehens zu rechnen war, erstellten die PTT-Betriebe seit 1976 überdies ein Richtstrahlnetz, um auch ausländische Programme an Unternehmen, die Fernsehanlagen mit Gemeinschaftsantennen betreiben, weiterleiten zu können. Das gilt namentlich für die beiden österreichischen Fernsehprogramme, die mit Empfangsanlagen auf dem Uetliberg aufgefangen und kann vom Albis mittels Richtstrahlen an die Station Ulmizberg bei Bern gesendet werden. Die Rediffusion AG betreibt in der Schweiz zahlreiche Fernsehanlagen, die insbesondere aus einer Empfangsantenne und einem Kabelnetz bestehen. In der Region Bern versorgt sie über eine solche Anlage etwa 50'000 Abonnenten mit Sendungen. Sie vermittelt insgesamt 11 UKW-Programme sowie drei schweizerische und je zwei deutsche, österreichische und französische Fernsehprogramme, die sie alle unverändert, als Ganzes und zeitgleich an die Abonnenten weiterleitet. In der ganzen Schweiz sollen rund eine Million Abonnenten über etwa 1700 grössere oder kleinere Fernsehanlagen dieser Art versorgt werden. B.- Am 23. August 1976 schrieb der ORF den PTT-Betrieben, dass er die Weiterverbreitung seiner Sendungen im Raume Bern für unrechtmässig halte, solange nicht eine entsprechende Vereinbarung mit ihm abgeschlossen werde. Die PTT verwiesen den ORF an die Kabelunternehmen. Verhandlungen mit der Rediffusion AG führten zu keinem Ergebnis; sie scheiterten teils aus grundsätzlichen, teils aus finanziellen Überlegungen. Der ORF verbot deshalb mit Schreiben vom 22. Dezember 1978 den PTT-Betrieben und der Rediffusion AG, seine Programme in den Raum Bern weiterzusenden. Das Verbot blieb jedoch unbeachtet. C.- Am 11. Mai 1979 klagte der ORF beim Bundesgericht gegen die Schweiz. Eidgenossenschaft, vertreten durch die PTT-Betriebe, sowie gegen die Rediffusion AG mit den Begehren: 1. den PTT unter geeigneter Androhung zu verbieten, die Fernsehprogramme FS 1 und FS 2 des Klägers ohne dessen Zustimmung der Rediffusion oder anderen Betrieben mit BGE 107 II 82 S. 85 Gemeinschaftsantennen zur Verbreitung an ihre Abonnenten im Raum Bern zuzuleiten; 2. der Rediffusion in gleicher Weise zu untersagen, die Programme des Klägers ohne dessen Zustimmung über ihr Verteilnetz im Raum Bern zu verbreiten. Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen. Die PTT verkündeten 15 Gemeinden und Kabelunternehmen den Streit; von diesen traten acht dem Prozess bei, während eine weitere Intervention abzuweisen war. Die Rediffusion verkündete ihrerseits sechs Gemeinden den Streit, die jedoch nicht intervenierten. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Die Klage beruht auf Urheberrecht und betrifft damit einen zivilrechtlichen Anspruch. Die Zuständigkeit des Bundesgerichts ist von allen Parteien anerkannt. Sie folgt für die PTT aus Art. 3 Abs. 3 lit. a deren Organisationsgesetzes und aus Art. 14 der dazugehörigen Verordnung; für die Rediffusion ergibt sie sich aus Art. 41 lit. c Abs. 2 OG in Verbindung mit der Vereinbarung der Parteien vom 21. März 1979. Die Rediffusion fand in ihrer Klageantwort, die Klage sei von der Hand zu weisen; sie begründete ihre Auffassung jedoch nicht. In der Folge beschränkte sie sich auf den Antrag, die Klage abzuweisen. 2. Beide Beklagten widersetzen sich dem Unterlassungsanspruch des Klägers vorweg mit den Einreden, dass sie nicht passivlegitimiert seien und der Anspruch genauer Angaben entbehre. a) Ob die Passivlegitimation zu bejahen und der Kläger gegen beide Beklagten oder nur gegen eine von ihnen vorgehen darf, beurteilt sich entgegen den Einwänden der PTT nach materiellem Recht. Aktiv- und Passivlegitimation sind nicht Bedingungen im Sinne von Prozessvoraussetzungen, von denen die Zulässigkeit der Klage abhängen würde; sie gehören vielmehr zur materiellen Begründetheit des Klagebegehrens, weshalb ihr Fehlen zur Abweisung und nicht zur Zurückweisung der Klage führt ( BGE 100 II 169 E. 3, BGE 97 II 100 , BGE 86 II 45 E. 4a). Wird die Passivlegitimation eines Beklagten bejaht, so heisst das zudem bloss, dass der eingeklagte Anspruch sich gegen ihn richtet; ob auch die weiteren materiellen Voraussetzungen für einen Zuspruch der Klage erfüllt seien, der Anspruch überhaupt BGE 107 II 82 S. 86 und in dem vom Kläger behaupteten Umfang bestehe und noch klagbar sei, ist damit noch nicht entschieden. Die Rediffusion bestritt schon vor dem Prozess und auch im Verfahren ihre Passivlegitimation, weil nicht sie, sondern höchstens die PTT die Programme des ORF weitersendeten und sie selbst nur Empfangshilfe leiste. Ihre Passivlegitimation hängt insbesondere davon ab, ob die Rediffusion als anderes Sendeunternehmen durch öffentliche Mitteilung im Sinne von Art. 12 Ziff. 6 URG Urheberrechte des Klägers verletze. Diese Frage gehört zur materiellen Prüfung der Streitsache und ist daher in diesem Zusammenhang zu erörtern. Den PTT-Betrieben warf der Kläger vorerst ebenfalls eine unmittelbare Verletzung von Urheberrechten vor, weil sie durch ihr Richtstrahlnetz die Verteilung im Raume Bern ermöglichen und das auch beabsichtigt sei. Die PTT bestreiten diese Argumentation, da das Netz aus frequenzpolitischen und baurechtlichen Gründen errichtet worden sei; es handle sich um reine Transporthilfe ohne Beteiligung am Empfang. In der Replik schwächte der Kläger seine Behauptung dahin ab, dass eine mittelbare Rechtsverletzung und zumindest Gehilfenschaft vorliege. Aufrechterhalten bleibt somit nur der schon in der Klage erhobene Vorwurf, die PTT handelten gemeinsam mit der Rediffusion, sei es als Anstifter, Teilnehmer oder Gehilfe. Trifft dies zu, so besteht im Falle einer Urheberrechtsverletzung solidarische Haftung zwischen den Beklagten; die Passivlegitimation der PTT ist daher ebenfalls zu bejahen. b) Die Beklagten bestreiten zu Recht nicht, dass die Unterlassungsklage gegen Urheberrechtsverletzungen zulässig ist, obschon sie im URG anders als etwa in Art. 2 UWG nicht genannt wird. Die Unterlassungsklage ist sogar das am meisten und wirksamsten eingesetzte Verteidigungsmittel im gewerblichen Rechtsschutz (TROLLER, Immaterialgüterrecht II S. 1109). Ihre Zulässigkeit folgt auch aus den allgemeinen Grundsätzen, auf die Art. 44 URG verweist, wenn eine Rechtsverletzung gegeben oder für die Zukunft zu befürchten ist (VON TUHR/PETER, OR I S. 442). Mit einer Feststellungsklage, die zwar die Rechtslage klären, aber nicht zu einem vollstreckbaren Urteil führen würde, braucht sich der ORF nicht zu begnügen. Eine Unterlassungsklage muss genau angeben, was dem Beklagten zu verbieten ist ( BGE 93 II 59 E. 4, BGE 84 II 457 E. 6). Die Begehren des Klägers sind insoweit nicht zu beanstanden. Dass die PTT das Gegenteil anzunehmen scheinen, hängt offensichtlich BGE 107 II 82 S. 87 mit der Frage der Aktivlegitimation zusammen, die ebenfalls bestritten, aber gesondert zu prüfen ist. Sollte sich das Verbotsbegehren bei der materiellen Beurteilung an sich als begründet, aber als zu umfassen formuliert erweisen, so ist es im Urteil auf das zulässige Mass einzuschränken ( BGE 97 II 93 mit Hinweisen; TROLLER, II S. 1110); das ist so oder anders kein Grund, auf die Begehren des Klägers nicht einzutreten. 3. Dass der Kläger Urheberrechte geltend machen kann, die ihm abgetreten worden sind, ist unbestritten. Wegen der damit verbundenen rechtlichen und praktischen Schwierigkeiten stützt er seine Aktivlegitimation seit dem zweiten Schriftenwechsel in erster Linie auf das Urheberrecht, das ihm als Sendeunternehmen oder gestützt auf die Abtretung durch die Verantwortlichen am Gesamtprogramm zustehe. Seine Fernsehsendungen seien als solche wegen der Auswahl und Anordnung des Stoffes geistige Schöpfungen und jedenfalls als Sammelwerke im Sinne von Art. 3 URG und Art. 2 Abs. 3 der Berner Übereinkunft zum Schutze von Werken der Literatur und Kunst (RBUe) gemäss der am 26. Juni 1948 in Brüssel revidierten Fassung (AS 1955 S. 1092 ff.) geschützt. Die Beklagten bestreiten den Werkcharakter der Gesamtprogramme, weil es sich nicht um eine geschlossene Einheit handle, der künstlerische Individualität zukomme. Zwar könne eine einzelne Sendung als Sammelwerk geschützt sein, nicht aber ein Tagesprogramm als Ganzes, in dem sich die einzelnen Sendungen beziehungslos aneinanderreihten; noch weniger könne vom Schutz eines Gesamtprogramms die Rede sein. a) Von einem schutzwürdigen Sammelwerk gemäss RBUe und URG kann erst gesprochen werden, wenn es als geistige Individualität mehr und anderes darstellt als die blosse Summe der Einzelwerke (TROLLER, I S. 477; KUMMER, Das urheberrechtlich schützbare Werk, S. 43 ff. und 139; F. CURCHOD, La Convention de Berne et la loi fédérale sur le droit d'auteur, Diss. Lausanne 1969, S. 113 ff.). Das Gesamtprogramm eines Sendeunternehmens genügt dieser Anforderung nicht. Sein literarisch künstlerischer Wert wird ausschliesslich durch den Wert der einzelnen Sendungen bestimmt. Der Fernsehabonnent wählt denn auch nicht zwischen mehreren Gesamtprogrammen, sondern zwischen verschiedenen Einzelsendungen. Der Kläger beruft sich für seine gegenteilige Auffassung auf das Referat von PEDRAZZINI am Schweiz. Juristentag 1977 (ZSR 96/1977 II S. 85 ff.). Dieser Autor hält die sammelnde, BGE 107 II 82 S. 88 sichtende und ordnende Tätigkeit der Programmgestaltung für relevant und die für den Werkcharakter erforderliche bescheidene Individualität im Durchschnitt für gegeben (S. 88). An anderer Stelle erachtet er ein solches Vorgehen jedoch selber für problematisch und befürwortet daher eine Sonderregelung in einem neuen Leistungsschutzgesetz (S. 95/6). Im Schrifttum zum URG und zur RBUe wird der Werkcharakter ganzer Radio- oder Fernsehprogramme ebenfalls verneint (KUMMER, S. 47; H.R. DENZLER, Der privatrechtliche Schutz der Rundfunksendung vor gewerblicher Verwertung, Diss. Zürich 1953, S. 74 ff.; J.H. MÜLLER, Die Ausgestaltung des Leistungsschutzrechts der ausübenden Künstler, der Hersteller von Tonträgern und der Sendeunternehmen in der internationalen konventionsrechtlichen Entwicklung, Diss. Basel 1974, S. 164 und 170: J. POULAIN, La protection des émissions de radiodiffusion, Paris 1963, S. 34 ff.). Ein vom Kläger eingelegter Entscheid des Oberlandesgerichts Hamburg von 1952 betrifft kein Gesamtprogramm, sondern die Sendefolge eines Autors; diesfalls kann es sich anders verhalten. Dass namentlich die RBUe derartige Sendungen nicht als Werk oder Sammelwerk schützt, ergibt sich ferner aus den internationalen Bemühungen, die Leistungen der Urheber durch besondere Abkommen zu schützen. Dazu gehören das Internationale Abkommen über den Schutz der Ausübenden Künstler, der Hersteller von Tonträgern und der Sendeunternehmen von 1961 (Art. 13) und das Europäische Abkommen zum Schutz von Fernsehsendungen von 1960 (Art. 1), die beide den Sendeunternehmen eigene Schutzrechte einräumen, gegen Kabelverbreitung allerdings nur das zweitgenannte (Kommentar NORDEMANN/VINCK/HERTIN, Internationales Urheberrecht, Düsseldorf 1977, S. 263 ff. und 366 ff.; J.H. MÜLLER, S. 111 ff. und 160 ff.; PEDRAZZINI, S. 99 f.). Im Unterschied zu Deutschland (§ 87 des deutschen URG) ist die Schweiz bisher weder dem einen noch dem andern dieser Abkommen beigetreten; sie besitzt auch kein entsprechendes nationales Leistungsschutzgesetz. Nach dem Bericht des zuständigen Bundesamtes ist auch noch nicht abzusehen, in welcher Richtung sich das Landesrecht entwickeln wird. Gemäss dem geltenden Gesetz kann der Kläger sich für seine Programme aber nicht auf ein selbständiges Urheberrecht berufen. b) Die nationalen und internationalen Bemühungen, die Rechte der Sendeunternehmen an den Sendungen zu schützen BGE 107 II 82 S. 89 und dafür eine Grundlage zu schaffen, zeigen ferner, dass entsprechende Lücken im Urheberrecht oder im Leistungsschutz sich nicht gestützt auf allgemeine Rechtsnormen schliessen lassen. In einer Eventualbegründung beruft der Kläger sich gleichwohl auf unerlaubte Handlung, ungerechtfertigte Bereicherung, Geschäftsführung ohne Auftrag und unlauteren Wettbewerb. Die Beklagten widersprechen dem zu Recht. Es kann offen bleiben, ob der Kläger aus Art. 62 oder Art. 423 OR Ersatzansprüche geltend machen könnte; denn mit diesen Bestimmungen lassen sich die Unterlassungsbegehren des Klägers zum vorneherein nicht begründen. Auf unerlaubte Handlung und Verstoss gegen die gute Sitte beruft sich der Kläger zu Recht nur für den Fall, dass das Vorgehen der Beklagten urheberrechtlich verboten wäre; er kann das Fehlen der urheberrechtlichen Legitimation jedoch nicht auf diese Weise umgehen. Ebensowenig kann er aus den Vorschriften gegen den unlauteren Wettbewerb etwas für den Schutz seiner Programme ableiten, gleichviel ob die dafür notwendige Voraussetzung, dass die Parteien miteinander im Wettbewerb stehen, erfüllt sei. Wenn die Beklagten von den streitigen Sendeleistungen profitieren, ohne dabei eigene Rechte des Klägers an den Sendungen zu verletzen, bedeutet das noch nicht einen Verstoss gegen Treu und Glauben im Sinne von Art. 1 Abs. 1 UWG ( BGE 95 II 468 , 87 II 63). Es geht auch nicht an, über das UWG Lücken im URG schliessen zu wollen (TROLLER, II S. 1056 und 1104). Aus diesen Gründen wird im Schrifttum die Möglichkeit, die Streitfrage gestützt auf allgemeine Rechtsnormen zu lösen, denn auch durchweges verneint (H.J. STERN, Die Weiterverbreitung von Radio- und Fernsehsendungen, Diss. Zürich 1970, S. 94 ff.; DENZLER, S. 79 ff.; POULAIN, S. 46 ff.). Die davon abweichende Auffassung von B. NATER (Der künstlerische Leistungsschutz, Diss. Zürich 1977, S. 70 ff.) bezieht sich nicht auf Sendeunternehmen. einen Schutz seiner Programme kann der Kläger daher auch unter diesen Gesichtspunkten nicht beanspruchen. 4. Zu Recht nicht bestritten ist dagegen, dass dem Kläger insoweit ein Unterlassungsanspruch zusteht, als Programmschaffende, Autoren und Künstler ihm ihre Rechte an einzelnen Werken abgetreten haben ( Art. 9 URG ). Wie aus den vorgelegten Formularverträgen erhellt, schliesst der Kläger regelmässig solche Verträge und erwirbt dadurch ausser den Senderechten für Österreich auch jene mit oder ohne Draht für BGE 107 II 82 S. 90 das Ausland. Das entspricht offenbar auch dem Vorgehen der SRG (D. STAUFFACHER, Der Sendevertrag, Diss. Zürich 1979, insbesondere S. 155 ff.; STERN, Diss. S. 122). a) Die Beklagten wollen sich damit aber nicht begnügen, sondern verlangen konkrete Behauptungen und Beweise für genau zu bezeichnende Werke, damit namentlich auch die Frage der Schutzwürdigkeit überprüft werden könne. Der Kläger hält dies nach der Natur des Sache für unmöglich. Dem ist beizupflichten. Da es um das Verbot künftiger Sendungen geht, müsste er diese im einzelnen nachweisen; das ist schon angesichts des wechselnden Programmangebots ausgeschlossen. Die vom Kläger vorgelegte "Rechtsdokumentation", die namentlich aus Verträgen und Sendeprotokollen besteht, zeigt deutlich, wie umfangreich ein solches Unterfangen schon für einen einzigen Sendetag ist. Anerkannt ist sodann, dass nicht alle Programmteile urheberrechtlich geschützt sind und dass der Kläger zudem nicht von allen geschützten Werken die Rechte erwirbt, die hier interessieren. Nach seiner Ermittlung standen ihm z.B. am 10. Mai 1979, den er als Stichtag anführt, an 40% des Programms FS 1 und an 97% des Programms FS 2 ausschliessliche Senderechte zu. Wieweit Sendungen über das Tagesgeschehen, die Wettervoraussage, Sportveranstaltungen usw. als geschützte Werke anzusehen sind, ist umstritten, jedoch unerheblich. Festzuhalten ist dagegen, dass der Kläger hinsichtlich eines erheblichen, aber eben nur eines Teils seiner Programme über die Sende- und Kabelrechte auch im Ausland verfügt. b) Das Dilemma, das sich daraus für den Richter ergibt, ist offensichtlich. Entweder hat er bei Gutheissung der Klage den Beklagten auch die Übernahme von Sendungen zu untersagen, die nicht geschützt sind oder an denen nicht der Kläger berechtigt ist, oder er hat bei Abweisung der Klage die Rechtsverletzung durch die Beklagten hinsichtlich der übrigen Sendungen hinzunehmen. Das bewog den Kläger offenbar zur Erklärung, sein Begehren sei eventuell auf den gerichtlich anerkannten Umfang und die Bestimmung der massgebenden Kriterien, die noch in der Vollstreckung konkretisiert werden könnten, zu reduzieren. Dem halten die Beklagten mit Recht entgegen, dass das Urteil die verbotenen Handlungen selbst anzugeben hat und das nicht dem Vollstreckungsverfahren überlassen darf ( BGE 97 II 93 mit Hinweisen). Dies wiederum ist aus den BGE 107 II 82 S. 91 gleichen Gründen nicht zu verwirklichen, die dem Kläger eine Konkretisierung seines Anspruchs verunmöglichen. Es entspräche auch nicht den Interessen der Beklagten, dass sie fortlaufend zu prüfen hätten, welche Sendungen des Klägers sie übernehmen dürften und welche nicht, betonten sie doch stets, dass sie die Programme des Klägers als Ganzes, zeitgleich und unverändert übernähmen. Sie müssen sich dieses Argument, mit dem sie sich gegen die Charakterisierung als Sendeunternehmen wehren, auch in diesem Zusammenhang entgegenhalten lassen. Es kann daher offen bleiben, ob ein Ausblenden von Teilen technisch überhaupt möglich wäre. Bei realistischer Betrachtung kann der Richter somit in Fällen wie hier nur zwischen den beiden Extremlösungen wählen. Entweder verbietet er die Übernahme der Sendungen schlechthin, weil sie in Teilbereichen nicht ohne Verletzung klägerischer Schutzrechte möglich ist, oder er weist die Klage ab, weil ein Verbot auch die Übernahme freier Programmteile verhindern würde. Beides sind Fragen des materiellen Rechts. Aus der Sicht des Immaterialgüterrechts und der hier im Vordergrund stehenden Autorenrechte muss ersteres vorgezogen und letzteres in Kauf genommen werden. Die Klageberechtigung des ORF ist daher zu bejahen, da eine Durchsetzung des Urheberrechts in diesem Bereiche sonst zum vorneherein vereitelt würde. 5. Die Parteien streiten sich hauptsächlich darüber, ob die Beklagten nach dem geltenden Recht die Sendungen des Klägers ohne dessen Zustimmung insbesondere den Abonnenten des Verteilnetzes, das die Rediffusion im Raum Bern betreibt, zuleiten dürfen. Art. 12 URG sichert dem Urheber das ausschliessliche Recht, sein Werk durch Rundfunk zu senden (Abs. 1 Ziff. 5) und es zudem "mit oder ohne Draht öffentlich mitzuteilen, wenn diese Mitteilung von einem anderen als dem ursprünglichen Sendeunternehmen vorgenommen wird" (Ziff. 6); die öffentliche Mitteilung des Werkes durch eine Fernsehsendung ist der Rundfunksendung gleichgestellt (Abs. 2). Diese Bestimmungen sind vom schweizerischen Gesetzgeber bewusst und wörtlich aus Art. 11bis Ziff. 1 und 2 RBUe übernommen worden (Botschaft vom 12. Oktober 1954 zur Revision des URG, BBl 1954 II 654). Der Kläger hält dieses Abkommen hier unter Hinweis auf dessen Art. 4 Abs. 1 und Art. 68bis URG zu Recht BGE 107 II 82 S. 92 für unmittelbar anwendbar. Während die PTT diese Ansicht offenbar teilen, versucht die Rediffusion aus dem Vorbehalt der nationalen Gesetzgebung in Art. 11bis Abs. 2 RBUe etwas Abweichendes abzuleiten, räumt aber ein, dass die Schweiz von diesem Vorbehalt keinen Gebrauch gemacht hat: sie anerkennt ferner, dass Lehre und Rechtsprechung zum Abkommen auch für die Auslegung von Art. 12 Ziff. 5 und 6 URG von Bedeutung sind. Deswegen berufen die Parteien sich denn auch auf die Entstehungsgeschichte der übernommenen Normen, auf ausländische Urteile und internationale Bemühungen, das Abkommen in diesen Punkten auszulegen und der technischen Entwicklung gemäss fortzubilden. (Es folgen Ausführungen gemäss BGE 107 II 63 ff. E. 3-6 über die Auslegung von Art. 11bis Abs. 1 Ziff. 1 und 2 RBUe , über deren Bedeutung für das Landesrecht sowie über die Voraussetzungen, unter denen der Urheber sich auf Senderechte im Sinne von Art. 12 Abs. 1 Ziff. 6 URG berufen kann.) 9. Zusammenfassend kann sich im vorliegenden Fall somit bloss fragen, ob die Rediffusion als ein anderes Unternehmen im Sinne von Art. 12 Ziff. 6 URG und Art. 11bis Ziff. 2 RBUe eine öffentliche Mitteilung vornehme, indem sie im Raume Bern insbesondere Sendungen des Klägers über ihre Anlagen verbreitet, und ob die PTT ihr dabei zumindest Hilfe leisten, deswegen als mitverantwortlich anzusehen sind und sich ebenfalls ein Verbot gefallen lassen müssen. Zu prüfen bleibt ferner, ob der Kläger mit den Verboten einen missbräuchlichen Zweck verfolge. a) Die Rediffusion ist ein von den PTT und der SRG unabhängiges Unternehmen. Als solches bedurfte sie für die Kabelverbreitung der Sendungen einer neuen Urhebererlaubnis, da eine solche Verbreitung aus den in BGE 107 II 63 ff. E. 3-6 angeführten Gründen eine öffentliche Mitteilung gemäss Art. 12 Ziff. 6 URG und Art. 11bis Ziff. 2 RBUe darstellt. Indem sie unbekümmert um die nötige Erlaubnis handelte, verletzte sie die den Urhebern in diesen Bestimmungen vorbehaltenen Rechte. Das Rechtsbegehren des Klägers ist ihr gegenüber daher grundsätzlich zu schützen. Ob die PTT durch den Betrieb ihres Richtstrahlnetzes an sich schon Urheberrechte verletzen, braucht nicht entschieden zu werden. Sie haften aus Art. 50 Abs. 1 OR solidarisch für die unerlaubte Handlung, wenn sie auch nur als Gehilfe an der BGE 107 II 82 S. 93 Rechtsverletzung der Rediffusion teilhaben. Diese Voraussetzung ist erfüllt; die Rediffusion kann die ORF-Sendungen im Raum Bern nur mit Hilfe des Richtstrahlnetzes, das ihr die PTT zur Verfügung halten, gleichwertig verbreiten. Das URG kennt zwar keine besondere Teilnahmevorschrift wie etwa Art. 66 lit. d PatG oder Art. 24 lit. d MSchG . Die Sonderregelung von Art. 60 URG setzt eine gemeinsame Haftung mehrerer aber als möglich voraus, und diese ergibt sich nach der Verweisung in Art. 44 URG aus allgemeinen Grundsätzen, insbesondere aus Art. 50 Abs. 1 OR ( BGE 101 II 107 , BGE 100 II 169 E. 3b; TROLLER, II S. 1026). Dass die Beklagten ihr Vorgehen möglicherweise für rechtmässig gehalten haben, befreit sie nicht. Die Rediffusion bedarf wie andere Kabelunternehmen für ihre Tätigkeit einer Konzession der PTT. Diese Konzession behält Drittrechte ausdrücklich vor und bestimmt, dass die Konzessionärin "allfällige Urheberrechte selber abzugelten hat". Dass dies lediglich interne Bedeutung hat und die PTT dem Kläger gegenüber nicht entlastet, ist zu Recht von keiner Seite bestritten worden. Dagegen lässt sich nicht sagen, dass die PTT schon als Inhaberin des Regals für die Beachtung der Urheberrechte durch die Rediffusion einzustehen hätten, wie in der Klage behauptet wird. Unerheblich für die Mitverantwortung der PTT ist schliesslich, ob die von ihr erhobenen Gebühren für den Betrieb des Richtstrahlnetzes kostendeckend sind, weshalb darauf nicht näher einzutreten ist. b) Die Klage ist daher auch gegenüber den PTT gutzuheissen, soweit diese zusammen mit der Rediffusion gehandelt haben. Das Unterlassungsbegehren gegen die PTT geht allerdings über jenes gegen die Mitbeklagte hinaus, da ihnen auch die Versorgung der anderen Unternehmen, die im Raum Bern Fernsehanlagen mit Gemeinschaftsantennen betreiben, verboten werden soll. Es handelt sich dabei offenbar um die Unternehmen, denen die PTT den Streit verkündet haben und die teilweise dem Prozess beigetreten sind. Das für die Versorgung der Rediffusion Gesagte lässt sich indes nicht ohne weiteres auf diese Unternehmen übertragen, weil nach BGE 107 II 70 E. 5 bei kleinen Anlagen das Erfordernis der öffentlichen Mitteilung fehlen kann. Soweit danach im Einzelfall die Verbreitung erlaubt wäre, könnte auch nicht von einer Gehilfenschaft der PTT die Rede sein. Wie es sich damit bei den anderen Unternehmen BGE 107 II 82 S. 94 mit Gemeinschaftsantennen im Raume Bern verhält, ist insbesondere den Vorbringen des Klägers, der dafür behauptungspflichtig ist, nicht zu entnehmen; das wirkt sich zu seinem Nachteil aus mit der Folge, dass diese Unternehmen vom Verbot auszunehmen sind. Freilich könnte der Kläger verlangen, dass auch die Versorgung von weiteren Unternehmen verboten wird, wenn die Tätigkeit der PTT schon für sich allein, unbekümmert um die Grösse der angeschlossenen Gemeinschaftsantennen als Urheberrechtsverletzung anzusehen wäre. Das würde voraussetzen, dass das Richtstrahlnetz der PTT als solches urheberrechtlich relevant ist. Ob das zutrifft, kann aber offen bleiben, da der Kläger den Vorwurf einer unmittelbaren Urheberrechtsverletzung durch die PTT ausdrücklich fallenliess. Am Ergebnis würde sich übrigens so oder anders nichts ändern. Zwar leiten auch die PTT die ORF-Sendungen als anderes Unternehmen weiter; sie senden sogar und leisten nicht blosse Empfangshilfe, wie sie meinen. Das ist aber nicht entscheidend. Massgebend ist vielmehr die öffentliche Mitteilung, die mit Richtstrahlen allein nicht möglich ist, sondern eine besondere Empfangsanlage erfordert und erst durch die Verbreitung der Sendung über ein Kabelnetz stattfindet. Dafür ist wiederum die individuelle Charakterisierung massgebend, die nur für die Rediffusion, nicht aber für die Anlagen anderer Unternehmen bekannt ist. c) Die Beklagten halten die Unterlassungsklage des ORF für missbräuchlich, weil dem Kläger ein schutzwürdiges Interesse fehle; er sei zugegebenermassen an einer Verbreitung seiner Programme in der Schweiz interessiert und wolle das Verbot nur als Druckmittel zur Erlangung unangemessener Vergütungen einsetzen. Von Missbrauch kann im Ernst indes keine Rede sein. Das Wesen des Urheberrechts besteht darin, dass der berechtigte einen ausschliesslichen Anspruch hat (TROLLER, I S. 74); es steht grundsätzlich in seinem Belieben, ob er die Benützung seines Werkes untersagen oder ob er sie erlauben und welche Bedingungen er dafür stellen will. Die Erlaubnis ist geradezu das Mittel, um sich eine Vergütung zu sichern (J.F. EGLI, Le droit de la radiodiffusion en Suisse, in ZSR 87/1968 S. 334). Da eine Rechtsverletzung vorliegt, haben weder die Rediffusion noch die PTT einen Anspruch darauf, dass der Kläger sich mit einer nicht frei von ihm festgesetzten, BGE 107 II 82 S. 95 sondern angemessenen und gerichtlich zu überprüfenden Vergütung abfindet. Das liefe darauf hinaus, den Beklagten zulasten des ORF eine gesetzliche Lizenz zu erteilen, für die jede Rechtsgrundlage fehlt, weil die Schweiz von der mit Art. 11bis Abs. 2 RBUe gebotenen Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht hat. Damit ist auch allen Einwänden der Boden entzogen, welche die PTT der neuen österreichischen Gesetzgebung entnehmen: diese sieht für die Drahtverbreitung ausländischer Sendungen in § 59a ausdrücklich eine Lizenz vor. Nur die Gutheissung der Klage ermöglicht den Urhebern, die ihnen zustehenden höheren Vergütungen zu beanspruchen. Ob in einer Zwischenphase der Kläger allein davon profitiert, ist demgegenüber weniger von Belang und zudem die Folge der von ihm abgeschlossenen Verträge. Insoweit kann im vorneherein nicht gesagt werden, durch ein Verbot würden die eigentlichen Urheber benachteiligt. Eine Benachteiligung ergibt sich auch nicht für Autoren, welche die ausländischen Sende- oder Kabelrechte für sich zurückbehalten haben und nach der Darstellung der Beklagten gehindert würden, sich direkt mit ihnen zu verständigen. Wie das praktisch vor sich gehen sollte, ist unerfindlich, da die Beklagten die Berechtigten nicht rechtzeitig kennen und diese von der Weiterverbreitung kaum etwas erfahren werden. 10. Der Kläger beantragt, die Verbote an die Beklagten mit geeigneten Androhungen zu versehen; worin diese bestehen sollen, sagt er nicht. Grundsätzlich sind Unterlassungsurteile von Amtes wegen mit der Androhung von Ungehorsamstrafe zu verbinden ( Art. 76 Abs. 1 BZP ; BGE 90 II 163 ). Eine solche oder ähnliche Androhung erweist sich vorliegend jedoch für überflüssig, da zu erwarten ist, dass die Parteien vorerst ihre Verhandlungen weiterführen und eine gütliche Lösung suchen werden. Auch der Kläger ist aus verständlichen Gründen nicht daran interessiert, das Urteil möglichst rasch durchzusetzen. Entschliesst er sich dazu, werden die PTT zu dessen Vollstreckung zweifellos auch ohne Androhung Hand bieten; andernfalls ist der Vollzug schon dadurch sichergestellt, dass der Bundesrat das Urteil verwaltungsrechtlich zu vollstrecken hat ( Art. 77 BZP ). Schalten die PTT die Sendungen des Klägers ab, so ist damit das Urteil auch der Rediffusion gegenüber vollzogen. BGE 107 II 82 S. 96
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Erwägungen ab Seite 15 BGE 134 V 15 S. 15 Aus den Erwägungen: 2. Streitig und zu prüfen ist, ob die Invaliden-Kinderrente direkt dem Beschwerdeführer als mündigem, noch in Ausbildung stehenden Sohn des Rentenberechtigten ausbezahlt werden kann. 2.1 Männer und Frauen, denen eine Invalidenrente zusteht, haben für jedes Kind, das im Falle ihres Todes eine Waisenrente der AHV beanspruchen könnte, Anspruch auf eine Kinderrente ( Art. 35 Abs. 1 IVG ). Der Anspruch besteht auch für erwachsene Kinder, die noch in Ausbildung stehen, bis längstens zum vollendeten 25. Altersjahr (vgl. Art. 25 Abs. 5 AHVG ). Gemäss Art. 35 Abs. 4 Satz 1 IVG wird die Kinderrente wie die Rente ausbezahlt, zu der sie gehört, mithin grundsätzlich an den rentenberechtigten Elternteil. Vorbehalten bleiben die Bestimmungen über die zweckmässige Verwendung ( Art. 20 ATSG ) und abweichende zivilrichterliche Anordnungen ( Art. 35 Abs. 4 Satz 2 IVG ). Der Bundesrat kann die Auszahlung für Sonderfälle in Abweichung von Art. 20 ATSG regeln, namentlich für Kinder aus getrennter oder geschiedener Ehe ( Art. 35 Abs. 4 Satz 3 IVG ). Gestützt auf diese Delegation hat der Bundesrat in Art. 82 IVV BGE 134 V 15 S. 16 festgelegt, dass für die Auszahlung der Renten sowie der Hilflosenentschädigung für Volljährige unter anderem Art. 71 ter AHVV sinngemäss gilt. Dessen Abs. 1 lautet: "Sind die Eltern des Kindes nicht oder nicht mehr miteinander verheiratet oder leben sie getrennt, ist die Kinderrente auf Antrag dem nicht rentenberechtigten Elternteil auszuzahlen, wenn diesem die elterliche Sorge über das Kind zusteht und es bei ihm wohnt. Abweichende vormundschaftliche oder zivilrichterliche Anordnungen bleiben vorbehalten." 2.2 Wie die Vorinstanz zutreffend festgehalten hat, ist in den dargelegten Gesetzes- und Verordnungsbestimmungen eine Drittauszahlung der Kinderrente an das mündige Kind nicht vorgesehen. Selbst wenn angenommen würde, die Mutter habe den Beschwerdeführer bloss zum Bezug der Rente bevollmächtigt, würde die Drittauszahlung an den Beschwerdeführer daran scheitern, dass nach dem klaren Wortlaut des Art. 71 ter Abs. 1 AHVV die Drittauszahlung voraussetzt, dass eine elterliche Sorge besteht, was beim Beschwerdeführer seit Eintritt der Mündigkeit nicht mehr der Fall ist. 2.3 Der Beschwerdeführer vertritt indessen die Auffassung, Gesetz und Verordnung enthielten eine Lücke, welche dahingehend zu füllen sei, dass eine Drittauszahlung an ihn als mündiges Kind möglich sein müsse. 2.3.1 Eine Lücke im Gesetz besteht, wenn sich eine Regelung als unvollständig erweist, weil sie jede Antwort auf die sich stellende Rechtsfrage schuldig bleibt oder eine Antwort gibt, die aber als sachlich unhaltbar angesehen werden muss. Hat der Gesetzgeber eine Rechtsfrage nicht übersehen, sondern stillschweigend - im negativen Sinn - mitentschieden (qualifiziertes Schweigen), bleibt kein Raum für richterliche Lückenfüllung ( BGE 132 III 470 E. 5.1 S. 478; BGE 130 V 229 E. 2.3 S. 233; vgl. BGE 131 II 562 E. 3.5 S. 567 f.). 2.3.2 Die dargelegten Bestimmungen geben, indem sie die Möglichkeit der Drittauszahlung der Kinderrente an das mündige Kind nicht erwähnen, eine Antwort auf die sich stellende Rechtsfrage. Zu prüfen bleibt, ob - wie der Beschwerdeführer geltend macht - dieser Ausschluss der Drittauszahlung an das mündige Kind sachlich unhaltbar ist. 2.3.3 Zur Stützung seines Standpunktes lässt der Beschwerdeführer anführen, es sei nicht möglich, dass nur die Waisenrente und nicht auch die Kinderrente einem noch in Ausbildung stehenden mündigen Kind ausbezahlt werden könne. Anders als der BGE 134 V 15 S. 17 Beschwerdeführer annimmt, stimmen indessen die Auszahlungsmodalitäten der Kinderrente nicht zwingend mit denjenigen der Waisenrente überein. Die beiden sozialversicherungsrechtlichen Rentenarten sind im Zusammenhang mit der zivilrechtlichen Unterhaltspflicht der Eltern gegenüber dem Kind zu sehen ( Art. 276 ff. ZGB ): Die Waisenrente ist definitionsgemäss dann geschuldet, wenn der (unterhaltspflichtige) Vater oder die (unterhaltspflichtige) Mutter gestorben ist (vgl. Art. 25 Abs. 1 AHVG ); sie ersetzt dem Kind den Wegfall des Elternteils. Der Anspruch steht zwangsläufig dem originär waisenrentenberechtigten Kind selber zu, dies im Gegensatz zur Person, welche - abgeleitet aus dem Stammrecht des Hauptrentners - eine derivative Zusatzrente bezieht (ZAK 1989 S. 224, insbes. E. 2b, P 39/86, bestätigt in BGE 122 V 300 E. 4b S. 304). Die Kinderrente hingegen ist dann geschuldet, wenn der (unterhaltspflichtige) Vater oder die (unterhaltspflichtige) Mutter noch lebt (vgl. Art. 35 Abs. 1 IVG ; Art. 22 ter Abs. 1 AHVG ); sie ersetzt dem Kind nicht den Wegfall des Elternteils, sondern dient der Erleichterung der Unterhaltspflicht des invalid gewordenen oder im AHV- Alter stehenden Unterhaltsschuldners und soll dessen (durch Alter oder Invalidität bedingte) Einkommenseinbusse ausgleichen. Mit anderen Worten soll sie dem invaliden oder im AHV-Alter stehenden Elternteil ermöglichen, seiner Unterhaltspflicht nachzukommen, aber nicht der Bereicherung des Unterhaltsempfängers dienen ( BGE 128 III 305 E. 3 S. 308; BGE 114 II 123 E. 2b S. 125). Der Anspruch steht daher dem Rentenempfänger zu, nicht direkt dem Kind ( BGE 114 II 123 E. 2b S. 124). Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung ist der unterschiedliche Auszahlungsmodus bei Kinder- und Waisenrenten mithin systemkonform. 2.3.4 Um den Zweck der Kinderrente - dem Unterhalt des Kindes zu dienen ( BGE 103 V 131 E. 3 S. 134; SVR 2001 IV Nr. 39 S. 117, E. 4d, I 12/00; Urteil 5P.346/2006 vom 12. Oktober 2006, E. 3.3) - sicherzustellen, hat die Rechtsprechung vor dem Inkrafttreten der Drittauszahlungsregelung in Art. 35 Abs. 4 IVG auf den 1. Januar 1997 (vgl. auch Art. 82 IVV in Verbindung mit Art. 71 ter AHVV ) unter bestimmten Voraussetzungen auch ohne ausdrückliche gesetzliche Grundlage eine Drittauszahlung der Kinderrente an den nicht rentenberechtigten anderen Elternteil, unter dessen Sorge das Kind stand, zugelassen ( BGE 103 V 131 E. 3 S. 134 f.; BGE 101 V 208 E. 2 S. 210 f.; SVR 1999 IV Nr. 2 S. 5, E. 2a, I 237/97). Aus denselben Überlegungen wurde des Weitern erkannt, dass die Rente BGE 134 V 15 S. 18 direkt dem mündigen Kind ausbezahlt werden kann, wenn der rentenberechtigte Elternteil die zweckkonforme Verwendung der Rente nicht gewährleistet, auch wenn die Voraussetzungen des (damaligen) Art. 76 AHVV , dem der heutige Art. 20 Abs. 1 ATSG entspricht, nicht erfüllt waren (SVR 1999 IV Nr. 2 S. 5, E. 2b, I 237/97; Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts H 213/86 vom 15. Mai 1987, E. 2b). Diese Rechtsprechung blieb auch nach Inkrafttreten des neuen Art. 35 Abs. 4 IVG (am 1. Januar 2003) anwendbar, solange der Bundesrat von der ihm zustehenden Delegation ( Art. 35 Abs. 4 Satz 3 IVG ) keinen Gebrauch gemacht hatte (SVR 2002 IV Nr. 5 S. 11, E. 3c/aa, I 245/01; 2000 IV Nr. 22 S. 65, E. 1a, I 171/99). Auf den 1. Januar 2002 hat der Bundesrat indessen die dargelegten Verordnungsbestimmungen ( Art. 82 IVV und Art. 71 ter AHVV ) erlassen und damit positivrechtlich die Drittauszahlung an den nicht rentenberechtigten Elternteil, unter dessen Sorge das Kind steht, geregelt (vgl. BGE 129 V 362 E. 3.4 S. 365 f.), während er die Direktauszahlung an das mündige Kind nicht normiert hat. Aus den Erläuterungen des Bundesamtes für Sozialversicherungen (BSV) zu dieser Verordnungsänderung (publ. in: AHI 2002 S. 14 ff.) ergibt sich nicht ausdrücklich, ob in Bezug auf die Direktauszahlung an das mündige Kind ein qualifiziertes Schweigen vorliegt. In Rz. 10006 der Wegleitung über die Renten in der Eidgenössischen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (RWL) hat das BSV festgelegt, dass die Kinderrenten grundsätzlich zusammen mit der Hauptrente auszuzahlen sind (Satz 1), indessen die Vorschriften über die Auszahlung bei unzweckgemässer Verwendung gelten, wenn die leistungsberechtigte Person nicht für die Kinder sorgt (Satz 2), und die Kinderrenten in einem solchen Fall auch direkt an volljährige Kinder, für die sie bestimmt sind, ausbezahlt werden können, sofern die Voraussetzung der zweckgemässen Verwendung erfüllt ist (Satz 3). Demgegenüber hat das Eidg. Versicherungsgericht im Urteil I 840/04 vom 28. Dezember 2005, E. 4.1 - allerdings ohne nähere Ausführungen - erkannt, dass seit dem Inkrafttreten der neuen Verordnungsbestimmungen (1. Januar 2002) die vorher entwickelte Rechtsprechung nicht mehr anwendbar ist; für den Zeitraum bis Ende 2001 schloss es in BGE 129 V 362 E. 5.2.2 S. 368 f. eine lückenfüllende Ergänzung der damals geltenden Auszahlungsordnung aus. 2.3.5 Nach Art. 285 Abs. 2 ZGB hat zwar der unterhaltspflichtige Elternteil die für den Unterhalt des Kindes bestimmten BGE 134 V 15 S. 19 Sozialversicherungsleistungen zusätzlich zum Unterhaltsbeitrag zu zahlen, soweit das Gericht es nicht anders bestimmt. Es gilt insoweit von Gesetzes wegen eine Kumulation von Unterhaltspflicht und der Pflicht, die Kinderrente an das Kind zu bezahlen ( BGE 128 III 305 E. 4b S. 309 f.). Mit dem am 1. Januar 2000 in Kraft getretenen neuen Abs. 2 bis von Art. 285 ZGB wurde die Stellung des Unterhaltspflichtigen insofern verbessert, als er eine nachträglich erhaltene Kinderrente nicht mehr kumulativ zu den Unterhaltsbeiträgen zu leisten hat, sondern diese sich von Gesetzes wegen entsprechend vermindern. Vorbehalten sind jedoch immer abweichende zivilgerichtliche Anordnungen, auf welche nicht nur in Art. 285 Abs. 2 ZGB , sondern auch in Art. 35 Abs. 4 IVG sowie Art. 71 ter Abs. 1 AHVV ausdrücklich hingewiesen wird. Nach der in Art. 285 ZGB enthaltenen Regelung ist es mithin Sache der Zivilgerichte, aufgrund einer Gesamtwürdigung der finanziellen Verhältnisse die Unterhaltsbeiträge festzusetzen und dabei den sozialversicherungsrechtlichen Rentenansprüchen in gesamthafter Betrachtung Rechnung zu tragen. Das Zivilrecht erlaubt, eine dem Einzelfall gerecht werdende Lösung zu treffen und eine zweckentsprechende Verwendung der Kinderrente sicherzustellen. Über die Unterhaltspflicht gemäss Art. 285 Abs. 2 oder 2 bis ZGB kann nicht im sozialversicherungsrechtlichen Leistungs(streit)verfahren befunden werden, da es sich dabei um eine zivilrechtliche Verpflichtung handelt (ZAK 1989 S. 224, E. 3, P 39/86). Angesichts der zivilrechtlichen Regelung besteht kein Anlass, eine Lücke in der sozialversicherungsrechtlichen Auszahlungsregelung anzunehmen, zumal eine sozialversicherungsrechtlich angeordnete Drittauszahlung der gesamtheitlichen Betrachtung, die namentlich bei Unterhaltszahlungen an das mündige Kind gesetzlich zwingend ist ( Art. 277 Abs. 2 ZGB ), nicht zugänglich wäre. 2.3.6 Bei dieser Sachlage bleibt für richterliche Lückenfüllung kein Raum. Vielmehr muss es bei der Feststellung sein Bewenden haben, dass die Kinderrente nicht direkt an den mündigen Sohn ausbezahlt werden darf. Die Beschwerde erweist sich damit als unbegründet.
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Sachverhalt ab Seite 238 BGE 134 III 237 S. 238 A. A. ist Mitglied der Stockwerkeigentümergemeinschaft S. in X. Am 26. Mai 2004 führte diese ihre ordentliche Stockwerkeigentümerversammlung durch, anlässlich welcher - in Abwesenheit des unentschuldigten und nicht vertretenen A. - sieben Beschlüsse (Nrn. 2-8) gefasst wurden. Mit Klage vom 27. September 2004 stellte A. beim Kreisgericht Werdenberg-Sargans das Begehren, sämtliche Beschlüsse der Stockwerkeigentümerversammlung vom 26. Mai 2004 aufzuheben und für ungültig zu erklären. Mit Entscheid vom 29. November 2005 hob die Erstinstanz einen Beschluss auf, wies jedoch im Übrigen die Klage ab. B. Gegen diesen Entscheid führte A. Berufung an das Kantonsgericht St. Gallen mit dem Begehren, die Beschlüsse Nr. 3 (Jahresrechnung 2003 sowie Revisorenbericht) und Nr. 7 (Beschluss betreffend Neugestaltung des Sitzplatzes von Familie F.) der Versammlung vom 26. Mai 2004 aufzuheben und für ungültig zu erklären. Die Stockwerkeigentümergemeinschaft S. führte als Beklagte Anschlussberufung mit dem Begehren, die ihr für das erstinstanzliche Verfahren zugesprochene Parteientschädigung von Fr. 4'861.70 auf Fr. 9'947.20 zu erhöhen. Das Kantonsgericht hob am 22. Januar 2007 den Beschluss Nr. 7 auf, wies jedoch im Übrigen die Berufung ab. Die Anschlussberufung wies es ebenfalls ab. C. Gegen diesen kantonsgerichtlichen Entscheid hat die Stockwerkeigentümergemeinschaft S. beim Bundesgericht Beschwerde in Zivilsachen eingereicht. Sie verlangt in Aufhebung des angefochtenen Entscheides die Abweisung der Klage in Bezug auf den Beschluss Nr. 7 sowie die Gutheissung ihrer vor Kantonsgericht erhobenen Anschlussberufung. Das Bundesgericht tritt auf die Beschwerde nicht ein. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. 1.2 Gemäss Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG ist die Beschwerde nur zulässig, wenn der Streitwert mindestens Fr. 30'000.- beträgt. Die Vorinstanz hat - wie schon die Erstinstanz - den Streitwert gemäss Art. 112 Abs. 1 lit. d BGG auf Fr. 20'000.- festgelegt, wogegen die Beschwerdeführerin im kantonalen Verfahren keine Einwände erhoben und die gestützt darauf gesprochene Parteientschädigung grundsätzlich akzeptiert hat. Lautet ein Begehren nicht auf BGE 134 III 237 S. 239 Bezahlung einer bestimmten Geldsumme, so setzt das Bundesgericht den Streitwert gemäss Art. 51 Abs. 2 BGG nach Ermessen fest. Diese Bestimmung entspricht Art. 36 Abs. 2 OG , weshalb auf die dazu entwickelten Grundsätze der Streitwertbestimmung abgestellt werden kann. Handelt es sich wie hier um eine Beschwerde gegen einen Endentscheid, so bestimmt sich der Streitwert nach den Begehren, die vor der Vorinstanz streitig geblieben waren ( Art. 51 Abs. 1 lit. a BGG ). Dabei werden mehrere in einer vermögensrechtlichen Sache von der gleichen Partei geltend gemachte Begehren zusammengerechnet, sofern sie sich nicht gegenseitig ausschliessen ( Art. 52 BGG ). Streitig war vor der Vorinstanz die Kostenverteilung aufgrund der Jahresrechnung 2003 (Beschluss Nr. 3), die Neugestaltung eines Sitzplatzes (Beschluss Nr. 7) sowie die Höhe der ausseramtlichen Entschädigung an die Beschwerdeführerin vor Erstinstanz. Vor Bundesgericht sind demgegenüber nur noch der Beschluss Nr. 7 sowie die Parteientschädigung streitig; der Beschluss Nr. 3 ist demgegenüber nicht mehr angefochten. Das Bundesgericht hat unter der Herrschaft des OG in Bezug auf Art. 47 Abs. 1, der im Wesentlichen Art. 52 BGG entsprach, entschieden, dass die vor Bundesgericht nicht mehr streitigen Rechtsbegehren nur dann zum Streitwert hinzugerechnet werden, wenn sie mit den noch streitigen Rechtsbegehren zusammenhängen ( BGE 99 II 125 E. 1 S. 126; vgl. auch: MESSMER/IMBODEN, Die eidgenössischen Rechtsmittel in Zivilsachen, Zürich 1992, Rz. 63 S. 87). Es sind keine Gründe ersichtlich, weshalb diese Praxis nicht auch unter dem neuen BGG ( Art. 52 BGG ) gelten sollte. Da der vor Bundesgericht nicht mehr streitige Beschluss Nr. 3 betreffend die Jahresrechnung 2003 in keinem Zusammenhang mit den beiden streitigen Rechtsbegehren steht, ist die gesetzliche Streitwertgrenze nicht erreicht, zumal es bezüglich des Sitzplatzes nicht einfach auf den Wert der ausgeführten Arbeiten, sondern auf die vermögensrechtlichen Interessen beider Parteien ankommt. Somit wäre die Beschwerde in Zivilsachen nur gegeben, wenn sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellte ( Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG ), was die Beschwerdeführerin jedoch nicht behauptet. Auf die Beschwerde in Zivilsachen kann somit nicht eingetreten und eine allfällige Bundesrechtsverletzung nicht überprüft werden.
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mit neuem Schuldspruch und/oder neuer Sanktion zu unterscheiden ist die gesetzlich nicht ausdrücklich vorgesehene Möglichkeit, den ursprünglichen Strafbefehl z.B. in Bezug auf die Sachverhaltsschilderung zu berichtigen oder zu ergänzen. Ein solches Vorgehen kann sich zwecks Vermeidung unnötiger Prozessleerläufe sowie im Interesse des Beschleunigungsgebots aufdrängen, da das Gericht verpflichtet ist, die Angelegenheit an die Staatsanwaltschaft zurückzuweisen, wenn die Sachverhaltsumschreibung im Strafbefehl den Anforderungen an eine Anklageschrift nicht genügt. Die beschuldigte Person ist nicht verpflichtet, gegen einen berichtigten bzw. inhaltlich ergänzten Strafbefehl mit identischem Schuldspruch und identischer Sanktion erneut Einsprache zu erheben, da die Staatsanwaltschaft damit materiell am ursprünglichen Strafbefehl festhält (E. 1.4 und 1.5). Sachverhalt ab Seite 439 BGE 145 IV 438 S. 439 A. Am 22. Oktober 2015 ereignete sich auf der Fulachstrasse in Schaffhausen ein Verkehrsunfall, an welchem X. als Lenker eines Personenwagens beteiligt war. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Schaffhausen verurteilte X. mit Strafbefehl vom 30. Juni 2016 wegen grober Verletzung der Verkehrsregeln durch Nichtbeachten eines Lichtsignals zu einer bedingten Geldstrafe von 21 Tagessätzen zu Fr. 100.- sowie einer Busse von Fr. 500.- und auferlegte ihm die Kosten von Fr. 400.-. Der Strafbefehl wurde X. am 6. Juli 2016 zugestellt. Dieser erhob dagegen am 15. Juli 2016 (Datum Postaufgabe im Ausland) Einsprache. Die Staatsanwaltschaft erliess daraufhin am 13. Juli 2017 einen neuen Strafbefehl, welcher im Schuld- und Strafpunkt mit dem Strafbefehl vom 30. Juni 2016 identisch war, jedoch mit einer Begründung versehen war und neu Kosten von Fr. 1'000.- veranschlagte. Der Strafbefehl vom 13. Juli 2017 wurde X. am 18. Juli 2017 zugestellt. Dieser erhob am 5. Oktober 2017 wiederum Einsprache, woraufhin die Staatsanwaltschaft den Strafbefehl vom 13. Juli 2017 an das Kantonsgericht Schaffhausen überwies. BGE 145 IV 438 S. 440 B. Das Kantonsgericht Schaffhausen stellte mit Verfügung vom 31. Oktober 2017 die Gültigkeit des Strafbefehls vom 13. Juli 2017 fest und trat auf die von X. dagegen erhobene Einsprache vom 5. Oktober 2017 infolge Verspätung nicht ein. Dagegen gelangte X. an das Obergericht des Kantons Schaffhausen, welches die Beschwerde mit Entscheid vom 16. November 2018 abwies. C. X. führt beim Bundesgericht Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, den Entscheid vom 16. November 2018 aufzuheben und das Verfahren an das Kantonsgericht Schaffhausen zur materiellen Beurteilung zurückzuweisen. D. Das Obergericht und die Staatsanwaltschaft verzichteten auf eine Stellungnahme. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. 1.1 Der Beschwerdeführer rügt, die Staatsanwaltschaft habe im Zusammenhang mit dem Verkehrsunfall, an welchem er beteiligt gewesen sei, nach diversen Einvernahmen einen Strafbefehl erlassen, der gegenüber dem ersten Strafbefehl in derselben Angelegenheit identisch sei. Dieses Vorgehen verletze Verfassungs- und Bundesrecht. Er habe gegenüber dem ersten Strafbefehl begründet Einsprache erhoben und zu keinem Zeitpunkt Anstalten gemacht, auf eine gerichtliche Überprüfung der strafrechtlichen Vorwürfe zu verzichten. Das Bundesgericht habe im Zusammenhang mit strafprozessualen Themen wie der doppelten Zustellfiktion oder dem Nichterscheinen eines zu Unrecht direkt Vorgeladenen mit Wohnsitz im Ausland betont, die Strafbehörden hätten den einmal geäusserten Willen der beschuldigten Person zu respektieren. Dadurch, dass man von ihm verlange, dass er sich ohne neue Erkenntnis der Strafverfolgungsbehörde mehrfach dazu äussere, ob immer noch die Beurteilung durch ein formelles Gericht angestrebt werde, sei sein Zugang zu einem formellen Gericht übermässig erschwert worden. Dies komme einem Verstoss gegen die Rechtsweggarantie gleich und laufe auf überspitzten Formalismus hinaus. 1.2 Die Vorinstanz hält fest, im ersten Strafbefehl vom 30. Juni 2016 sei dem Beschwerdeführer eine grobe Verletzung der Verkehrsregeln durch Nichtbeachten eines Lichtsignals vorgeworfen worden. Der Strafbefehl habe sodann Angaben zum Fahrzeug, zum Ort, zum BGE 145 IV 438 S. 441 Tatzeitpunkt, die angewendeten Gesetzesvorschriften, die ausgefällte Strafe, die Kostenentscheidung und die Rechtsmittelbelehrung enthalten. Ob der Strafbefehl damit den dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Sachverhalt enthalten habe, sei zumindest fraglich, könne aber letztlich offenbleiben. Der zweite Strafbefehl vom 13. Juli 2017 unterscheide sich vom ersten lediglich durch die als verletzt angegebene Bestimmung von Art. 69 der Signalisationsverordnung vom 5. September 1979 (SSV; SR 741.21) bzw. Art. 68 SSV , worin aber keine andere rechtliche Qualifikation liege, sowie in seiner Begründung. Der Erlass eines neuen Strafbefehls sei nur zulässig, wenn die Abnahme weiterer Beweise zu einer geänderten Sach- oder Rechtslage mit einem anderen Strafmass oder einer anderen Sanktion bzw. einer anderen rechtlichen Qualifikation des Sachverhalts oder zur Entdeckung neuer Straftaten führe. Keine dieser Konstellationen sei in casu erfüllt. Die Staatsanwaltschaft hätte die Frage der Gültigkeit des ersten Strafbefehls zwingend dem Kantonsgericht unterbreiten müssen, nachdem ihre Abklärungen weder rechtlich noch tatsächlich zu relevanten neuen Erkenntnissen geführt hätten. Der Erlass des zweiten Strafbefehls sei daher unzulässig gewesen. Der Verfahrensfehler wiege allerdings nicht so schwer, dass der zweite Strafbefehl als nichtig zu qualifizieren wäre. Er sei vielmehr lediglich anfechtbar und sei daher durch Nichtanfechtung innert Frist rechtsgültig geworden. 1.3 1.3.1 Hat die beschuldigte Person im Vorverfahren den Sachverhalt eingestanden oder ist dieser anderweitig ausreichend geklärt, so erlässt die Staatsanwaltschaft einen Strafbefehl, wenn sie, unter Einrechnung einer allfällig zu widerrufenden bedingten Strafe oder bedingten Entlassung, eine Busse oder eine Geldstrafe von höchstens 180 Tagessätzen für ausreichend hält ( Art. 352 Abs. 1 lit. a und b StPO ). Nach Art. 353 Abs. 1 StPO enthält der Strafbefehl unter anderem den Sachverhalt, welcher der beschuldigten Person zur Last gelegt wird (lit. c), die dadurch erfüllten Straftatbestände (lit. d) und die Sanktion (lit. e). Die beschuldigte Person kann gegen den Strafbefehl innert 10 Tagen schriftlich Einsprache erheben ( Art. 354 Abs. 1 lit. a StPO ). Sie muss ihre Einsprache nicht begründen ( Art. 354 Abs. 2 StPO ). Ohne gültige Einsprache wird der Strafbefehl zum rechtskräftigen Urteil ( Art. 354 Abs. 3 StPO ). Wird gegen einen Strafbefehl Einsprache erhoben, so nimmt die Staatsanwaltschaft die weiteren Beweise ab, die zur Beurteilung der BGE 145 IV 438 S. 442 Einsprache erforderlich sind ( Art. 355 Abs. 1 StPO ). Nach Abnahme der Beweise entscheidet die Staatsanwaltschaft gemäss Art. 355 Abs. 3 StPO , ob sie am Strafbefehl festhält (lit. a), das Verfahren einstellt (lit. b), einen neuen Strafbefehl erlässt (lit. c) oder Anklage beim erstinstanzlichen Gericht erhebt (lit. d). Entschliesst sich die Staatsanwaltschaft, am Strafbefehl festzuhalten, so überweist sie die Akten unverzüglich dem erstinstanzlichen Gericht zur Durchführung des Hauptverfahrens; der Strafbefehl gilt als Anklageschrift ( Art. 356 Abs. 1 StPO ). Die Rechtsprechung verlangt daher, dass die Umschreibung des der beschuldigten Person zur Last gelegten Sachverhalts im Strafbefehl (vgl. Art. 353 Abs. 1 lit. c StPO ) den Anforderungen von Art. 325 Abs. 1 lit. f StPO an eine Anklage genügt ( BGE 140 IV 188 E. 1.5 S. 191; Urteile 6B_1319/2016 vom 22. Juni 2017 E. 2.1.1, nicht publ. in: BGE 143 IV 347 ; 6B_910/2017 vom 29. Dezember 2017 E. 2.4; 6B_848/2013 vom 3. April 2014 E. 1.3.1). 1.3.2 Die Staatsanwaltschaft kann gemäss Art. 355 Abs. 3 lit. c StPO nach einer Einsprache einen "neuen" Strafbefehl erlassen. Der Erlass eines zweiten, inhaltlich gleichlautenden Strafbefehls ist gesetzlich hingegen nicht vorgesehen und daher nicht zulässig. Für die Frage, ob ein zweiter Strafbefehl mit dem ersten identisch ist, ist auf den Schuldspruch sowie die Sanktion der Strafbefehle abzustellen. Der Lehre und Rechtsprechung folgend darf nach einer Einsprache ein zweiter Strafbefehl nur ergehen, wenn der ursprüngliche Strafbefehl bezüglich Schuldspruch und/oder Sanktion zu ändern ist (Urteile 6B_1305/2017 vom 16. November 2018 E. 2.3; 6B_248/2015 vom 13. Mai 2015 E. 4.1; SCHMID/JOSITSCH, Schweizerische Strafprozessordnung [StPO], Praxiskommentar [nachfolgend: Praxiskommentar], 3. Aufl. 2018, N. 11 zu Art. 355 StPO ; dies. , Handbuch des schweizerischen Strafprozessrechts [nachfolgend: Handbuch], 3. Aufl. 2017, N. 1368; CHRISTIAN SCHWARZENEGGER, in: Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung [StPO], Donatsch/Hansjakob/Lieber [Hrsg.], 2. Aufl. 2014, N. 5 zu Art. 355 StPO ;FRANZ RIKLIN, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, N. 4 zu Art. 355 StPO ; ähnlich JO PITTELOUD, Code de procédure pénale suisse [CPP], Commentaire à l'usage des praticiens,2012, N. 998 zu Art. 352 ff. StPO ; GILLIÉRON/KILLIAS, in: Commentaire romand, Code de procédure pénale suisse, 2011, N. 7 zu Art. 355 StPO ; PIQUEREZ/MACALUSO, Procédure pénale suisse, 3. Aufl. 2011, N. 1730; MOREILLON/PAREIN-REYMOND, CPP, Code de procédure pénale, 2. Aufl. 2016, N. 14 zu Art. 355 StPO ). BGE 145 IV 438 S. 443 1.3.3 Voraussetzung für die Änderung des ursprünglichen Strafbefehls im Schuld- und/oder Strafpunkt ist gemäss der herrschenden Lehre und Rechtsprechung eine veränderte Beweis- und/oder Rechtslage. Verlangt wird, dass die Modifikation des Schuldspruchs und/oder der Sanktion auf eine geänderte Sach- und/oder Rechtslage zurückzuführen ist (Urteil 6B_248/2015 vom 13. Mai 2015 E. 4.1; Urteil des Bundesstrafgerichts SK.2013.9 vom 2. Mai 2013 E. 2.1; SCHMID/JOSITSCH, Praxiskommentar, a.a.O., N. 11 zu Art. 355 StPO ; dies. , Handbuch, a.a.O., N. 1368; RIKLIN, a.a.O., N. 4 zu Art. 355 StPO ; PITTELOUD, a.a.O., N. 998 zu Art. 352 ff. StPO ; vgl. auch SCHWARZENEGGER, a.a.O., N. 5 zu Art. 355 StPO ; GILLIÉRON/KILLIAS, a.a.O., N. 7 zu Art. 355 StPO ). Eine blosse Neubeurteilung der Sanktion bei unverändertem Sachverhalt ist nicht zulässig (Urteil 6B_248/2015 vom 13. Mai 2015 E. 4.1; RIEDO/FIOLKA/NIGGLI, Strafprozessrecht sowie Rechtshilfe in Strafsachen, 2011, N. 2595; SCHMID/JOSITSCH, Praxiskommentar, a.a.O., N. 11 zu Art. 355 StPO ; PITTELOUD, a.a.O., N. 998 zu Art. 352 ff. StPO ; GILLIÉRON/KILLIAS, a.a.O., N. 7 zu Art. 355 StPO ). Damit wird die Möglichkeit der Neubeurteilung durch die Staatsanwaltschaft im Einspracheverfahren trotz fehlenden Verbots der reformatio in peius zugunsten des Einsprechers eingeschränkt (Urteil 6B_248/2015 vom 13. Mai 2015 E. 4.1; siehe dazu auch THOMMEN/DIETHELM, Vier Thesen zum Rechtsschutz in Kurzverfahren, ZStrR 133/2015 S. 145 ff., 151 ff. sowie MARK PIETH, Schweizerisches Strafprozessrecht, 3. Aufl. 2016, S. 255, gemäss welchen die Staatsanwaltschaft bei der Behandlung der Einsprache grundsätzlich an das Verbot der reformatio in peius gebunden ist). Die Staatsanwaltschaft darf im Einspracheverfahren bei unverändertem Sachverhalt folglich keinen neuen Strafbefehl mit einer schärferen Sanktion erlassen (RIEDO/FIOLKA/NIGGLI, a.a.O., N. 2595; ähnlich SCHMID/JOSITSCH, Praxiskommentar, a.a.O., N. 11 zu Art. 355 StPO ). Dies ergibt sich gemäss SCHMID/JOSITSCH (Praxiskommentar, a.a.O., N. 11 zu Art. 355 StPO ) und RIEDO/FIOLKA/NIGGLI (a.a.O., N. 2595) aus dem in Art. 3 Abs. 2 lit. c StPO verankerten Fairnessgebot. Zulässig ist es gemäss der Rechtsprechung hingegen, in einem zweiten Strafbefehl in Berücksichtigung der tatsächlichen Argumente des Einsprechers und des daraus folgenden neuen Sachverhalts eine tiefere Sanktion auszusprechen, auch wenn in der Einsprache nicht bloss eine Reduktion des Strafmasses, sondern eine Einstellung des Strafverfahrens beantragt wurde (Urteil 6B_248/2015 vom 13. Mai 2015 E. 4.2 f.). BGE 145 IV 438 S. 444 1.3.4 Gegen den neuen Strafbefehl muss die beschuldigte Person grundsätzlich erneut Einsprache erheben. Dies gilt zumindest dann, wenn die Staatsanwaltschaft der beschuldigten Person im zweiten Strafbefehl sachverhaltsmässig sowie im Strafmass massgeblich entgegenkam (vgl. Urteil 6B_248/2015 vom 13. Mai 2015 E. 4). 1.4 Vom Erlass eines neuen Strafbefehls im Sinne von Art. 355 Abs. 3 lit. c StPO zu unterscheiden ist die gesetzlich nicht ausdrücklich vorgesehene Möglichkeit, den ursprünglichen Strafbefehl zu berichtigen. Will die Staatsanwaltschaft im Falle einer Einsprache vor der Überweisung der Akten an das Gericht Fehler z.B. bei der Sachverhaltsschilderung ( Art. 353 Abs. 1 lit. c StPO ) beheben, muss sie dies über eine Berichtigung oder sachverhaltsmässige Ergänzung ihres früheren Strafbefehls machen, welche als solche (z.B. Berichtigung oder sachverhaltsmässige bzw. sonstige inhaltliche Ergänzung) zu bezeichnen ist. Ein solches Vorgehen kann sich zwecks Vermeidung unnötiger Prozessleerläufe sowie im Interesse des Beschleunigungsgebots aufdrängen, da das Gericht verpflichtet ist, die Angelegenheit an die Staatsanwaltschaft zurückzuweisen, wenn die Sachverhaltsumschreibung im Strafbefehl den Anforderungen an eine Anklageschrift nicht genügt (vgl. Art. 356 Abs. 5 i.V.m. Art. 329 Abs. 2 Satz 2 StPO ; BGE 140 IV 188 E. 1.6 S. 192; Urteile 6B_910/2017 vom 29. Dezember 2017 E. 2.4; 6B_848/2013 vom 3. April 2014 E. 1.3.2 und 1.4). Wird der ursprüngliche Strafbefehl in diesem Sinne berichtigt oder inhaltlich ergänzt, ergeht zwar ebenfalls ein neuer Strafbefehl. Dabei handelt es sich jedoch nicht um einen neuen Strafbefehl gemäss Art. 355 Abs. 3 lit. c StPO , da die Staatsanwaltschaft damit materiell vielmehr an ihrem ursprünglichen Strafbefehl im Sinne von Art. 356 Abs. 1 StPO festhält. Erlässt die Staatsanwaltschaft einen zweiten, bezüglich Schuldspruch und Sanktion identischen Strafbefehl, bestätigt sie ihren früheren Strafbefehl. Der berichtigte oder ergänzte Strafbefehl ist im Falle einer Einsprache daher direkt in Anwendung von Art. 356 Abs. 1 StPO mit den Akten zur Durchführung des Hauptverfahrens an das Gericht zu überweisen. Die beschuldigte Person ist nicht verpflichtet, gegen einen im Einspracheverfahren bloss berichtigten oder sachverhaltsmässig ergänzten Strafbefehl bei identischem Schuldspruch und identischer Strafe erneut Einsprache zu erheben, da sich die bereits erhobene Einsprache auch auf den berichtigten oder ergänzten identischen Strafbefehl erstreckt. Dem Umstand, dass nicht der ursprüngliche Strafbefehl, sondern ein berichtigter oder ergänzter Strafbefehl zur BGE 145 IV 438 S. 445 Anklage erhoben wird, ist allenfalls bei den Kosten Rechnung zu tragen, wenn die beschuldigte Person ihre Einsprache angesichts der erfolgten Berichtigung zurückzieht (in diesem Sinne VIKTOR LIEBER, Pra 2014 Nr. 73 S. 539, Anmerkung zum Urteil 6B_848/2013 vom 3. April 2014). 1.5 1.5.1 Vorliegend korrigierte die Staatsanwaltschaft den ursprünglichen Strafbefehl vom 30. Juni 2016 am 13. Juli 2017 insofern, als sie bei den anwendbaren Gesetzesbestimmungen anstelle von " Art. 69 und Art. 69 Abs. 3 SSV " neu " Art. 68 SSV " erwähnt. Insoweit geht es um die Korrektur eines blossen Schreibfehlers. Der Erlass eines neuen Strafbefehls im Sinne von Art. 355 Abs. 3 lit. c StPO war zwecks Berichtigung der anwendbaren Gesetzesbestimmungen offensichtlich nicht zulässig, da dies am Schuldspruch wegen grober Verkehrsregelverletzung im Sinne von Art. 90 Abs. 2 SVG nichts ändert. Die Korrektur der anwendbaren Gesetzesbestimmungen in einem neuen Strafbefehl erscheint auch deshalb nicht notwendig, weil das Gericht im Falle einer gerichtlichen Beurteilung ohnehin nicht an die im Strafbefehl vorgenommene rechtliche Würdigung gebunden ist (vgl. Art. 350 Abs. 1 StPO ). 1.5.2 Der zweite Strafbefehl vom 13. Juli 2017 ist im Anschluss an die Unterschrift der ausstellenden Staatsanwältin und den Hinweis auf das Einspracherecht zudem mit einer von der Staatsanwältin ebenfalls unterzeichneten Begründung versehen, welche Bestandteil des neuen Strafbefehls bildet. Eine Begründung des Strafbefehls ist gesetzlich nicht vorgesehen. Die von der Staatsanwältin nachgeschobene Begründung enthält jedoch im Vergleich zum Sachverhalt im eigentlichen Strafbefehl auch detailliertere Angaben zu den tatsächlichen Geschehnissen. Die Staatsanwaltschaft hatte offenbar Zweifel, ob die Sachverhaltsschilderung im ersten Strafbefehl den Anforderungen von Art. 353 Abs. 1 lit. c StPO genügte. Sie nahm die Einsprache daher zum Anlass, um - trotz unveränderter Sach- und Rechtslage - einen zweiten, verbesserten Strafbefehl zu erlassen. Auch insofern ging es um eine blosse Berichtigung bzw. Verbesserung des ersten, mutmasslich ungenügenden Strafbefehls, nicht jedoch um den Erlass eines neuen Strafbefehls im Sinne von Art. 355 Abs. 3 lit. c StPO . Die Vorinstanz entschied zu Recht, der zweite Strafbefehl vom 13. Juli 2017 sei mit dem ersten Strafbefehl vom 30. Juni 2016 identisch. BGE 145 IV 438 S. 446 1.5.3 Die Staatsanwaltschaft erhöhte zudem die vom Beschwerdeführer zu tragenden Kosten im zweiten Strafbefehl von Fr. 400.- auf Fr. 1'000.-. Dass mit den nach der Einsprache erforderlichen weiteren Beweiserhebungen (vgl. Art. 355 Abs. 1 StPO ) zusätzliche Kosten verbunden sind, rechtfertigt nicht den Erlass eines neuen Strafbefehls im Sinne von Art. 355 Abs. 3 lit. c StPO . Die Kosten der Strafuntersuchung können im Gerichtsverfahren auch ohne Erlass eines neuen Strafbefehls geltend gemacht werden. Die Verfahrenskosten setzen sich zusammen aus den Gebühren für das Untersuchungs- und Gerichtsverfahren und den Auslagen, welche die im konkreten Strafverfahren entstandenen notwendigen finanziellen Aufwendungen des Staates erfassen ( Art. 422 Abs. 1 StPO ; BGE 141 IV 465 E. 9.5.1 S. 470 ff.), wobei im Untersuchungsverfahren entstandene Auslagen zuhanden des Gerichts zu belegen sind ( BGE 141 IV 465 E. 9.7 S. 476). Darüber, wer in welchem Umfang Verfahrenskosten zu tragen hat, hat im Falle einer gerichtlichen Beurteilung das Gericht zu befinden (vgl. Art. 81 Abs. 4 lit. b StPO i.V.m. Art. 422 ff. StPO ). 1.5.4 Die Staatsanwaltschaft hat nach dem Gesagten am 13. Juli 2017 keinen neuen Strafbefehl im Sinne von Art. 355 Abs. 3 lit. c StPO erlassen, da der erste Strafbefehl mit dem zweiten bezüglich Schuldspruch (grobe Verkehrsregelverletzung im Sinne von Art. 90 Abs. 2 SVG ) und Strafe identisch war. Sie nahm am 13. Juli 2017 vielmehr lediglich eine Berichtigung bzw. Verbesserung des ursprünglichen Strafbefehls vom 30. Juni 2016 vor. Anlass zum zweiten Strafbefehl vom 13. Juli 2017 gaben nicht neue Erkenntnisse, sondern dieser diente einzig dazu, die ungenügende Sachverhaltsumschreibung und die falsche Wiedergabe der anwendbaren Verordnungsbestimmungen im Strafbefehl vom 30. Juni 2016 zu korrigieren. Das Vorgehen der Staatsanwaltschaft ist angesichts des identischen Schuldspruchs und der identischen Strafe materiell als Festhalten am Strafbefehl im Sinne von Art. 356 Abs. 1 StPO zu qualifizieren. Die Staatsanwaltschaft hätte die Akten nach Erlass des Strafbefehls vom 13. Juli 2017 daher in Anwendung von Art. 356 Abs. 1 StPO unverzüglich zur Durchführung des Hauptververfahrens an das erstinstanzliche Gericht überweisen müssen. Dass der Beschwerdeführer gegen den Strafbefehl vom 13. Juli 2017 erneut Einsprache erhob, war nicht notwendig, da er bereits mit seiner Einsprache vom 15. Juli 2016 zum Ausdruck brachte, dass er mit der Verurteilung BGE 145 IV 438 S. 447 nicht einverstanden war. Würde dieser verpflichtet, gegen den identischen Strafbefehl erneut Einsprache zu erheben, liefe dies im Ergebnis auf eine Verweigerung des Anspruchs auf eine gerichtliche Beurteilung hinaus, da die Einsprache und der damit einhergehende Antrag auf gerichtliche Beurteilung damit schlicht übergangen würden, ohne dass dem Beschwerdeführer im zweiten Strafbefehl in irgendeiner Weise entgegengekommen wurde. In diesem Sinne entschied das Bundesgericht bereits im Urteil 6B_152/2013 vom 27. Mai 2013 E. 4.5.3 f., die Rückzugsfiktion von Art. 355 Abs. 2 StPO (unentschuldigtes Fernbleiben von einer Einvernahme trotz Vorladung durch die Staatsanwaltschaft) gelange nicht zur Anwendung, wenn die beschuldigte Person nach erfolgter Einsprache einer ersten Vorladung durch die Staatsanwaltschaft (bzw. in casu des Statthalteramts) Folge geleistet habe, in deren Verlauf sie keinen Zweifel daran gelassen habe, dass sie auf einer gerichtlichen Beurteilung beharre, einer zweiten Einvernahme jedoch unentschuldigt ferngeblieben sei. Damit brachte die Rechtsprechung auch im Zusammenhang mit der Rückzugsfiktion zum Ausdruck, dass der einmal geäusserte Wille der beschuldigten Person bezüglich der gerichtlichen Beurteilung zu respektieren ist und von einer Überweisung an das Gericht nur abgesehen werden kann, wenn nach Treu und Glauben auf ein Desinteresse am weiteren Gang des Strafverfahrens geschlossen werden kann (Urteil, a.a.O., E. 4.5.4; siehe dazu auch BGE 140 IV 82 E. 2.3 S. 84). Die Einsprache des Beschwerdeführers vom 15. Juli 2016 wurde am 18. Juli 2016 und damit rechtzeitig der Schweizerischen Post übergeben (vgl. Art. 354 Abs. 1 i.V.m. Art. 90 Abs. 2 und Art. 91 Abs. 2 StPO ). Der Beschwerdeführer erhob gegen den Strafbefehl vom 30. Juni 2016 folglich gültig Einsprache. Diese Einsprache erstreckte sich auch auf den berichtigten und verbesserten Strafbefehl vom 13. Juli 2017, welcher den Strafbefehl vom 30. Juni 2016 ersetzt. Die Vorinstanz entschied zu Unrecht, der Strafbefehl vom 13. Juli 2017 sei in Rechtskraft erwachsen. Zutreffend ist zwar, dass der Strafbefehl vom 13. Juli 2017 nicht nichtig ist. Dies ändert jedoch nichts daran, dass die Staatsanwaltschaft verpflichtet gewesen wäre, dass Verfahren nach Erlass dieses Strafbefehls in Anwendung von Art. 356 Abs. 1 StPO an das Gericht zu überweisen, da sie damit am ursprünglichen Strafbefehl materiell festhielt. Der Beschwerdeführer musste nach Erhalt des zweiten Strafbefehls vom 13. Juli 2017 BGE 145 IV 438 S. 448 nicht erneut Einsprache erheben. Dessen Rüge, das Kantonsgericht Schaffhausen hätte auf seine Einsprache eintreten und den Fall materiell beurteilen müssen, ist daher begründet.
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06cdb0e6-0630-429b-a284-bf294b487c3e
Sachverhalt ab Seite 161 BGE 108 IV 161 S. 161 A.- Im Verlaufe des wegen Verletzung von Verkehrsregeln geführten polizeilichen Ermittlungsverfahrens wurde der Beschuldigte, T., am 14. März 1981 in Andeer vom Polizeigefreiten P. einvernommen. Kurz nach Beginn der Befragung holte T. ein Tonbandgerät aus seinem Wagen und nahm damit das weitere Gespräch auf, obwohl ihn der Polizist aufforderte, dies zu unterlassen. An der später auf dem Polizeiposten fortgeführten Einvernahme beteiligte sich teilweise auch Korporal S.; T. hielt auch hier an seiner Weigerung, das Tonbandgerät auszuschalten, fest. Die Ermittlungsbeamten P. und S. erhoben gegen T. Strafantrag wegen unbefugten Aufnehmens von Gesprächen auf einen Tonträger. B.- Der Kreisgerichtsausschuss Rheinwald hat T. am 25. Februar 1982 unter anderem des unbefugten Aufnehmens von Gesprächen gemäss Art. 179ter Abs. 1 StGB schuldig befunden und ihn mit einer bedingt löschbaren Busse von Fr. 800.-- bestraft. Auf Berufung hin hat der Kantonsgerichts-Ausschuss am 12. Mai 1982 T. von der Anklage des unbefugten Aufnehmens von Gesprächen gemäss Art. 179ter Abs. 1 StGB freigesprochen, die Busse (wegen anderer Verfehlungen) auf Fr. 600.-- herabgesetzt und im übrigen die Berufung abgewiesen. C.- Mit eidgenössischer Nichtigkeitsbeschwerde beantragt die schweizerische Bundesanwaltschaft die Aufhebung des Urteils des Kantonsgerichts-Ausschusses insoweit, als T. von der Anschuldigung BGE 108 IV 161 S. 162 unbefugter Aufnahme von Gesprächen freigesprochen wurde. T. beantragt die Abweisung der Nichtigkeitsbeschwerde. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Gemäss Art. 179ter Abs. 1 StGB wird auf Antrag mit Gefängnis bis zu einem Jahr oder mit Busse bestraft, wer als Gesprächsteilnehmer ein nicht öffentliches Gespräch, ohne die Einwilligung der andern daran Beteiligten, auf einen Tonträger aufnimmt. Das Obergericht vertrat in seinem Entscheid die Ansicht, dass Art. 179ter StGB nur den Geheim- oder Privatbereich der Gesprächsteilnehmer schütze, weshalb bloss die Aufnahme derjenigen nichtöffentlichen Gespräche strafbar sei, die den privaten Bereich des Einzelnen betreffen. Die polizeilichen Einvernahmen könnten nicht der Privatsphäre zugeordnet werden. Der Beschwerdegegner sei deshalb von der Anschuldigung des unbefugten Aufnehmens von Gesprächen freizusprechen. Demgegenüber erachtet die Beschwerdeführerin die Strafbarkeit für jedes nichtöffentliche Gespräch als gegeben. Nach ihrer Auffassung ist der Rechtsschutz des Art. 179ter StGB , im Gegensatz zu Art. 179quater StGB , wo der "Geheim- oder Privatbereich" ausdrücklich erwähnt sind, nicht auf Gespräche des privaten Bereichs beschränkt. Der Schutz des nichtöffentlichen Gesprächs stehe jedermann um seiner Persönlichkeit willen zu, demzufolge auch dem die Untersuchung führenden Polizisten. 2. a) Art. 179ter StGB bedroht das unbefugte Aufnehmen von Gesprächen mit Strafe. Die genannte Gesetzesbestimmung unterscheidet lediglich zwischen öffentlichen und nichtöffentlichen Gesprächen, wobei nur letztere, weil dem persönlichen Geheimnisbereich angehörend, geschützt sind (vgl. BBl 1968, Bd. I, S. 593). Der Gesetzestext umschreibt den Begriff "Gespräch" nicht. Weder der Wortlaut des Art. 179ter StGB noch der Öffentlichkeitsbegriff - ein Gespräch ist öffentlich, "wenn es von jedem beliebigen Dritten gehört werden kann oder wenn es von jedem Beliebigen gehört werden soll" (SCHULTZ, Der strafrechtliche Schutz der Geheimsphäre, SJZ 67 (1971) S. 303) - helfen bei der notwendigen Auslegung des weiten Begriffs des nichtöffentlichen Gesprächs weiter. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin sind deshalb die ebenfalls zum Gesetzestext gehörenden Überschriften BGE 108 IV 161 S. 163 und Titel zur Ermittlung von Sinn und Zweck der Vorschrift heranzuziehen. Das Bundesgericht hat in BGE 94 IV 87 nur abgelehnt, den sich aus dem Wortlaut ergebenden Sinn einer Vorschrift aufgrund der Titel und Marginalien umzudeuten. b) Durch das Bundesgesetz betreffend Verstärkung des strafrechtlichen Schutzes des persönlichen Geheimbereichs vom 20. Dezember 1968 wurden die Art. 179bis-179septies in das Strafgesetzbuch eingefügt. Gleichzeitig wurden die von der Revision betroffenen Überschriften geändert. So wurde die bisherige Überschrift des Dritten Titels des Besonderen Teils des StGB - "Vergehen gegen die Ehre; Verletzung des Schriftgeheimnisses" - durch "Strafbare Handlungen gegen die Ehre und den Geheim- oder Privatbereich" ersetzt. Der Untertitel in Ziff. 2 lautet nun neu "Strafbare Handlungen gegen den Geheim- oder Privatbereich". Aus dem übereinstimmenden Wortlaut der massgebenden Überschriften folgt, dass das geschützte Rechtsgut in Art. 179ter StGB der Geheim- oder Privatbereich ist. Daran ändert nichts, dass dieser Schutzbereich nur im Gesetzestext von Art. 179quater StGB nochmals ausdrücklich erwähnt wird (vgl. HUBERT ANDREAS METZGER, Der strafrechtliche Schutz des persönlichen Geheimbereichs gegen Verletzungen durch Ton- und Bildaufnahmen sowie Abhörgeräte, Diss., Bern 1972, S. 49). c) Daraus ergibt sich, dass nicht jedes nichtöffentliche Gespräch strafrechtlichen Schutz geniesst. Geschützt ist dieses nur, wenn es sich um Äusserungen im privaten Bereich handelt. Derartige Gespräche sind etwa Äusserungen persönlicher Natur, aber auch geschäftliche Besprechungen. Anders verhält es sich dagegen u.a. bei der dienstlichen Befragung durch einen Polizeibeamten oder Untersuchungsrichter, soweit es sich um Äusserungen handelt, die im Rahmen des hängigen Verfahrens gemacht werden (vgl. SCHULTZ, a.a.O., N. 6, S. 304). Ein aus öffentlichrechtlicher Verpflichtung geführtes Gespräch fällt nicht in die Privatsphäre der Gesprächsteilnehmer, da diese durch die Aufnahme nicht in ihrer "persönlichen Freiheit in der Mitteilung an andere" (SCHULTZ, a.a.O., S. 305) beeinträchtigt sind. Soweit die Ausführung des dienstlichen Auftrags durch die Aufnahme des Gesprächs gestört oder verhindert wird, betrifft dies nur den Schutzbereich der Rechtspflege. Letztere wird aber durch Art. 179ter StGB nicht geschützt. d) Im vorliegenden Fall haben die Polizeibeamten P. und S. den Beschwerdegegner im Rahmen eines polizeilichen Ermittlungsverfahrens BGE 108 IV 161 S. 164 befragt. Die zwei Gespräche bezogen sich nur auf die T. vorgeworfenen SVG-Delikte. Die Polizisten führten mit der Einvernahme einen dienstlichen Auftrag aus. Die polizeilichen Befragungen gehörten nicht zum Privatbereich der am Gespräch teilnehmenden Personen. Das Tatbestandsmerkmal des zum privaten Bereich gehörenden Gesprächs war somit nicht gegeben, so dass der Beschwerdegegner von der Anschuldigung des unbefugten Aufnehmens von Gesprächen im Sinne von Art. 179ter StGB freizusprechen war. Die Nichtigkeitsbeschwerde ist deshalb abzuweisen. 3. Dies bedeutet indessen nicht, dass jeder Beschuldigte berechtigt wäre, jede Einvernahme auf Tonband aufzunehmen. Tonbandaufnahmen von Einvernahmen können bewirken, dass die Beteiligten (auch der Einvernehmende) abgelenkt, im Ausdruck gehemmt, gereizt, nervös oder unsicher gemacht werden, was die Durchführung und das Ergebnis der Verhandlung beeinträchtigt. Es besteht zudem die Gefahr, dass Tonbänder geschnitten oder ergänzt und in verfälschter Form missbräuchlich verwendet werden. Ein Verbot von Tonbandaufnahmen bei Einvernahmen kann daher im Interesse der ungestörten Verhandlungsführung und der unbeeinflussten Rechtsfindung gerechtfertigt sein. Es kann im Rahmen der sitzungspolizeilichen Befugnisse erlassen und durchgesetzt werden. Für den Fall der Widerhandlung ist es zulässig, das Tonbandgerät während der Dauer der Verhandlung sicherzustellen oder das bespielte Tonband nachher zu beschlagnahmen. Die Sitzungspolizeigewalt steht im Rahmen einer Gerichtsverhandlung dem Gerichtspräsidenten zu. Einzelne Kantone räumen sie in ihren Prozessgesetzen auch den Untersuchungs- und Anklagebehörden ein. Wo diesbezüglich eine gesetzliche Regelung fehlt, ist die Sitzungspolizeigewalt den Untersuchungsbehörden mittels Analogie durch Lückenfüllung zuzugestehen (dazu VOLLENWEIDER, Die Sitzungspolizei im schweizerischen Strafprozess, Diss., Zürich 1980, insbesondere S. 31, 58/59 und 105/6). Tonbandaufnahmen der Art, wie sie im vorliegenden Verfahren in Frage stehen, können also nötigenfalls auf dem Wege über die Handhabung der sitzungspolizeilichen Gewalt unterbunden werden.
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d8438b6a-cc5b-4fe0-8807-25c040199a5b
Sachverhalt ab Seite 493 BGE 130 V 492 S. 493 A. Q. bezog in einer ersten bis 8. September 2000 dauernden Leistungsrahmenfrist Arbeitslosenentschädigung. Am 23. Februar 2001 meldete er sich erneut zum Taggeldbezug ab 13. Februar 2001 an. Mit Verfügung vom 28. Juli 2001 lehnte die Arbeitslosenkasse des Kantons Zürich das Leistungsbegehren mit der Begründung ab, die Anspruchsvoraussetzung der erfüllten Beitragszeit sei nicht gegeben und ein Befreiungsgrund liege nicht vor. B. Die von Q. hiegegen erhobene Beschwerde hiess das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 25. März 2002 in dem Sinne gut, dass es in Bejahung der Anspruchsvoraussetzung der erfüllten Beitragszeit die Verfügung vom 28. Juli 2001 aufhob und die Sache an die Arbeitslosenkasse zurückwies, damit sie nach erfolgter Abklärung im Sinne der Erwägungen über den Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung neu befinde. C. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Rechtsbegehren, der kantonale Gerichtsentscheid sei aufzuheben. Q. lässt sinngemäss die Abweisung des Rechtsmittels beantragen, während die Arbeitslosenkasse unter Verweisung auf die Ausführungen des seco auf eine Stellungnahme verzichtet. Erwägungen Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 1. (Keine Anwendbarkeit des auf den 1. Januar 2003 in Kraft getretenen Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts [ATSG] vom 6. Oktober 2000; vgl. BGE 129 V 4 Erw. 1.2) 2. 2.1 Der Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung setzt laut Art. 8 Abs. 1 AVIG unter anderm voraus, dass der Versicherte einen anrechenbaren Arbeitsausfall erlitten hat (lit. b) und die Beitragszeit BGE 130 V 492 S. 494 erfüllt hat oder von der Erfüllung der Beitragszeit befreit ist (lit. e). Die Beitragszeit hat erfüllt, wer innerhalb der dafür vorgesehenen Rahmenfrist für die Beitragszeit ( Art. 9 Abs. 3 AVIG ) während mindestens sechs Monaten eine beitragspflichtige Beschäftigung ausgeübt hat. Wird ein Versicherter innert dreier Jahre nach Ablauf der Rahmenfrist für den Leistungsbezug erneut arbeitslos, so muss er eine Mindestbeitragszeit von zwölf Monaten aufweisen ( Art. 13 Abs. 1 AVIG ). 2.2 Die Ermittlung der Beitragszeit gemäss Art. 13 Abs. 1 AVIG ist in Art. 11 AVIV geregelt. Danach zählt als Beitragsmonat jeder volle Kalendermonat, in dem der Versicherte beitragspflichtig ist (Abs. 1). Beitragszeiten, die nicht einen vollen Kalendermonat umfassen, werden zusammengezählt. Je 30 Kalendertage gelten als ein Beitragsmonat (Abs. 2; zur Umrechnung der Tage beitragspflichtiger Beschäftigung in Kalendertage vgl. BGE 125 V 45 Erw. 3c). Die den Beitragszeiten gleichgesetzten Zeiten ( Art. 13 Abs. 2 AVIG ) und Zeiten, für die der Versicherte einen Ferienlohn bezogen hat, zählen in gleicher Weise (Abs. 3). Die Beitragszeit von Teilzeitbeschäftigten wird nach den gleichen Regeln ermittelt wie bei Arbeitnehmern mit Vollzeitbeschäftigung. Übt der Versicherte gleichzeitig mehrere Teilzeitbeschäftigungen aus, so wird die Beitragszeit nur einmal gezählt (Abs. 4). 3. 3.1 Vorliegend ist umstritten, ob der Beschwerdegegner innerhalb der Beitragsrahmenfrist vom 13. Februar 1999 bis 12. Februar 2001 mindestens zwölf Monate beitragspflichtiger Beschäftigung aufweisen kann ( Art. 13 Abs. 1 Satz 2 AVIG ). In diesem Zeitraum stand der Versicherte nach den unwidersprochen gebliebenen Feststellungen im angefochtenen Entscheid in zwei Arbeitsverhältnissen, und zwar vom 9. August bis 17. Dezember 1999 bei der Firma J. AG und vom 16. Juni 2000 bis 31. Januar 2001 bei der Firma P. AG. In beiden Anstellungen erfolgte die Entlöhnung nach Stunden. Die Ferien wurden mit einem Zuschlag von 8,33 % auf dem Stundenlohn abgegolten. 3.2 Gemäss Berechnung der Arbeitslosenkasse in ihren vorinstanzlichen Rechtsschriften ergeben die zwei Anstellungsverhältnisse eine Beitragszeit von 11,913 Monaten (0,793 [1,4 x 17/30; August 1999] + 3 [September bis November 1999] + 0,606 [1,4 x 13/30; Dezember 1999] + 0,513 [1,4 x 11/30; Juni 2000] + 7 [Juli 2000 bis Januar 2001]). BGE 130 V 492 S. 495 Diese Berechnung hat das kantonale Gericht unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Eidgenössischen Versicherungsgerichts ( BGE 112 V 226 Erw. 2d sowie Urteil B. vom 16. Januar 2002 [C 263/01]) korrigiert, indem es für die angebrochenen Kalendermonate (vgl. zu diesem Begriff BGE 121 V 171 Erw. 2c/bb am Ende) August und Dezember 1999 sowie Juni 2000 zusätzliche Beitragszeiten entsprechend dem Lohnzuschlag von 8, BGE 121 V 33 % als Abgeltung für den Ferienanspruch berücksichtigte. Daraus resultieren weitere 0,159 Beitragsmonate (0,0833 x [0,793 (August 1999) + 0,606 (Dezember 1999) + 0,513 (Juni 2000)]). Dies ergibt insgesamt eine Beitragszeit von 12,072 Monaten, somit mehr als die vom Gesetz geforderten zwölf Monate ( Art. 13 Abs. 1 Satz 2 AVIG ). Die Aufsichtsbehörde bringt vor, die vorinstanzliche Umrechnung der Ferienentschädigung in Beitragszeit habe eine Besserstellung derjenigen Arbeitnehmer zur Folge, die im Stundenlohn angestellt seien. Das sei mit dem Gesetz nicht vereinbar. Die vom kantonalen Gericht angewendete Rechtsprechung sei nicht (mehr) richtig. BGE 112 V 226 sei noch unter altem Recht ergangen, als die Nichtanrechenbarkeit des durch die Ferienentschädigung gedeckten Arbeitsausfalles gegolten habe (vgl. Art. 11 Abs. 4 AVIG in der bis 31. Dezember 1991 gültig gewesenen Fassung sowie nachstehende Erw. 4.2.2). 4. 4.1 Sprechen keine entscheidenden Gründe zu Gunsten einer Praxisänderung, ist die bisherige Praxis beizubehalten. Gegenüber dem Postulat der Rechtssicherheit lässt sich eine Praxisänderung grundsätzlich nur begründen, wenn die neue Lösung besserer Erkenntnis der ratio legis, veränderten äusseren Verhältnissen oder gewandelten Rechtsanschauungen entspricht. Nach der Rechtsprechung ist eine bisherige Praxis zu ändern, wenn sie als unrichtig erkannt oder wenn deren Verschärfung wegen veränderter Verhältnisse oder zufolge zunehmender Missbräuche für zweckmässig gehalten wird ( BGE 127 V 273 Erw. 4a, BGE 124 V 355 Erw. 3a, BGE 126 V 40 Erw. 5a; zu Art. 4 Abs. 1 aBV ergangene, weiterhin geltende Rechtsprechung: BGE 125 I 471 Erw. 4a, BGE 124 V 124 Erw. 6a, BGE 124 V 387 Erw. 4c, je mit Hinweisen). 4.2 4.2.1 In BGE 112 V 226 Erw. 2d äusserte sich das Eidgenössische Versicherungsgericht zur Bedeutung der Abgeltung des Ferienanspruchs in Form eines Zuschlages zum Stunden- oder Monatslohn BGE 130 V 492 S. 496 für den versicherten Verdienst ( Art. 23 Abs. 1 AVIG ), die Beitragszeit ( Art. 13 Abs. 1 AVIG ) sowie den anrechenbaren Arbeitsausfall ( Art. 11 Abs. 4 AVIG ). Es bestätigte die Rechtsprechung gemäss BGE 111 V 249 Erw. 3b, wonach die Ferienentschädigung Bestandteil des versicherten Verdienstes bildet. Bezug nehmend auf Art. 11 Abs. 3 AVIV sodann führte das Eidgenössische Versicherungsgericht aus, dass im Anwendungsfall zu ermitteln ist, auf welchen Betrag sich die Ferienentschädigung in Franken beziffert und wie viele Ferientage oder -wochen damit abgegolten werden. Durch die Zahl der abgegoltenen Ferientage erhöht sich einerseits unter anderm die anzurechnende Beitragszeit. Anderseits ist nach der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses der Arbeitsausfall - unter Vorbehalt von Art. 9 AVIV - für jene Tage nicht anrechenbar, die bereits durch die Ferienentschädigung abgegolten sind. 4.2.2 In BGE 121 V 165 hielt das Eidgenössische Versicherungsgericht fest, dass gemäss Art. 11 Abs. 3 AVIV und BGE 112 V 226 Erw. 2d für alle angebrochenen Kalendermonate nach Art. 11 Abs. 2 AVIV die im Lohn enthaltene Ferienentschädigung in entsprechende Beitragszeit um- und anzurechnen sei ( BGE 121 V 169 oben und 175 Erw. 4c/dd). 4.2.3 Im nicht veröffentlichten Urteil B. vom 29. Mai 1996 (C 251/95) stellte das Eidgenössische Versicherungsgericht fest, dass der im Rahmen der Teilrevision vom 5. Oktober 1990 neu gefasste Art. 11 Abs. 4 AVIG - entgegen GERHARDS (Kommentar zum Arbeitslosenversicherungsgesetz [AVIG], Bd. III, S. 1175 N 9 zu Art. 11 IV) - nichts an der Rechtsprechung gemäss BGE 112 V 226 Erw. 2d betreffend die Umrechnung von Ferienentschädigung in Ferientage und deren Anrechnung als zusätzliche Beitragszeit im Sinne von Art. 13 Abs. 1 AVIG geändert habe. Nach der seit 1. Januar 1992 geltenden Regelung besteht grundsätzlich Anspruch auf ungekürzte Anrechenbarkeit des Arbeitsausfalles, auch wenn der Versicherte bei der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses eine Ferienentschädigung bezogen hat oder eine solche in seinem Lohn eingeschlossen war. Früher galt das Umgekehrte, d.h. grundsätzliche Anrechenbarkeit der während des Arbeitsverhältnisses nicht bezogenen Ferien. Mit anderen Worten musste der arbeitslos gewordene Versicherte zuerst seinen Ferienanspruch ausschöpfen, und zwar unmittelbar im Anschluss an das beendete Arbeitsverhältnis, bevor er Arbeitslosenentschädigung beanspruchen konnte (vgl. ARV 1988 Nr. 7 S. 80). BGE 130 V 492 S. 497 4.2.4 In BGE 123 V 70 änderte das Eidgenössische Versicherungsgericht seine Rechtsprechung gemäss BGE 111 V 249 Erw. 3b dahin gehend, dass im Falle der Abgeltung des Ferienanspruchs in Form eines Lohnzuschlages resp. bei "Verzicht auf den Realbezug" die Ferienentschädigung nicht zum versicherten Verdienst nach Art. 23 Abs. 1 AVIG gehört. Zur Begründung führte das Gericht u.a. aus, die geltende Praxis bevorzuge Versicherte mit Lohnanspruch während den Ferien gegenüber denjenigen, die - ob im Monats- oder im Stundenlohn entlöhnt - ihr Ferienguthaben real bezögen. Sodann enthalte das Gesetz zur Sicherung des mit den Ferien verfolgten Erholungszwecks ein absolut zwingendes Verbot ihrer Abgeltung ( Art. 329d Abs. 2 OR in Verbindung mit Art. 361 OR ). Abweichungen davon lasse die Praxis nur mit äusserster Zurückhaltung bei unregelmässigem oder sehr kurzem Arbeitseinsatz zu. Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung des dem AVIG eigenen Grundgedankens, wonach die Arbeitslosenversicherung nur für eine normale übliche Arbeitnehmertätigkeit Versicherungsschutz bieten soll, lasse sich der Einbezug der Ferienentschädigung in den versicherten Verdienst auch nicht damit rechtfertigen, es handle sich um massgebenden Lohn im Sinne der AHV-Gesetzgebung. Daran anknüpfend führte das Eidgenössische Versicherungsgericht weiter aus: "Immerhin gilt es im Falle der Ferienabgeltung mit Blick auf die anzurechnende Beitragszeit ( Art. 13 Abs. 1 AVIG ) - nach wie vor (vgl. BGE 112 V 226 ) - zu ermitteln, wie viele Ferientage oder -wochen damit vergütet werden. Diese Umrechnung erweist sich nicht zuletzt aus Sicht des Abgeltungsverbotes als folgerichtig und dem Schutzbedürfnis des Versicherten vollauf genügend, ohne dass es des direkten Einbezugs der Ferienentschädigung in den versicherten Verdienst bedürfte" ( BGE 123 V 73 f. Erw. 5b und c). In BGE 125 V 42 präzisierte das Eidgenössische Versicherungsgericht die Rechtsprechung in BGE 123 V 70 in dem Sinne, dass im Falle der Abgeltung des Ferienanspruchs in Form eines Lohnzuschlages die Ferienentschädigung als versicherter Verdienst derjenigen Monate angerechnet wird, in denen Ferien, zusammenhängend oder an einzelnen Tagen, tatsächlich bezogen werden. "Mit BGE 123 V 70 sollte nur jenen Versicherten der Einbezug der lohnprozentualen Entschädigung in den versicherten Verdienst versagt werden, die überhaupt nicht freinehmen, sondern ohne freie Tage ein volles Arbeitspensum erfüllen" ( BGE 125 V 49 Erw. 6c). Im BGE 130 V 492 S. 498 konkret zu beurteilenden Fall hatte die am Recht stehende Versicherte während der Dauer des Arbeitsverhältnisses insgesamt mehr freie Tage bezogen, als mit der Ferienentschädigung von 8,33 Lohnprozenten gedeckt waren. Dementsprechend war der zusätzlich zum Grundlohn ausbezahlte Zuschlag zur Abgeltung des Ferienanspruchs ohne weiteres in den versicherten Verdienst einzubeziehen ( BGE 125 V 49 f. Erw. 6d und 8). 4.2.5 In den Urteilen H. vom 17. November 2000 (C 349/99) und B. vom 16. Januar 2002 (C 263/01) berücksichtigte das Eidgenössische Versicherungsgericht unter Hinweis auf Art. 11 Abs. 3 AVIV sowie BGE 123 V 74 Erw. 5c und BGE 112 V 226 Erw. 2d für die angebrochenen Kalendermonate zusätzliche Beitragszeiten entsprechend dem Lohnzuschlag von 8, BGE 112 V 33 % zur Abgeltung des Ferienanspruchs. 4.3 4.3.1 Art. 11 Abs. 3 AVIV , auf welchen in BGE 112 V 226 Erw. 2d und weiteren der erwähnten Präjudizien Bezug genommen wird, regelt den Fall, wo der oder die Versicherte während der Dauer des Arbeitsverhältnisses tatsächlich Ferien bezog (ARV 2001 Nr. 16 S. 156 Erw. 1b, 2000 Nr. 17 S. 87 Erw. 2b sowie THOMAS NUSSBAUMER, Arbeitslosenversicherung, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Soziale Sicherheit, Rz 172). Ob während dieser arbeitsfreien Zeit der Lohn weiterhin ausbezahlt wurde oder die Abgeltung in Form eines Zuschlages zum (Grund-)Lohn erfolgte, ist ohne Belang. Es kann sich insofern nach der Logik des Gesetzes unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung der Versicherten nicht anders verhalten als beim versicherten Verdienst (vgl. BGE 125 V 48 Erw. 5b; Erw. 4.2.4 zweiter Abschnitt). Fehlt es am Merkmal des realen Bezugs von Ferien, kann Art. 11 Abs. 3 AVIV somit nicht, zumindest nicht unmittelbar zur Anwendung gelangen. Und durch Auszahlung einer Entschädigung für effektiv nicht bezogene Ferien kann grundsätzlich keine Beitragszeit entstehen (ARV 2000 Nr. 17 S. 87 Erw. 2b; NUSSBAUMER, a.a.O., S. 68 FN 349). 4.3.2 Im Weitern kann die mit BGE 112 V 226 Erw. 2d begründete und seither mehrmals bestätigte Rechtsprechung lediglich Sachverhalte betreffen, wo während des oder der in Frage stehenden Arbeitsverhältnisse keine Betriebsferien waren und der oder die Versicherte an keinem betriebsüblichen Arbeitstag beschäftigungsfrei war. Auf Grund der Bedeutung der formalen Dauer des Arbeitsverhältnisses für die Ermittlung der Beitragszeit ( BGE 125 V 45 Erw. 3c, BGE 130 V 492 S. 499 BGE 122 V 252 Erw. 3c) sodann beschränkt sich ihr Anwendungsbereich auf angebrochene Monate ( Art. 11 Abs. 2 AVIV ; vgl. BGE 125 V 47 oben, BGE 121 V 175 Erw. 4c/dd). 4.4 In BGE 123 V 74 Erw. 5c hat das Eidgenössische Versicherungsgericht die Umrechnung lohnprozentualer Ferienentschädigung in Ferientage oder -wochen und deren Anrechnung als Beitragszeit im Sinne von Art. 13 Abs. 1 AVIG aus Sicht des Abgeltungsverbotes nach Art. 329d Abs. 2 OR als folgerichtig bezeichnet (vgl. Erw. 4.2.4 erster Abschnitt in fine). Nach dieser Bestimmung dürfen Ferien während der Dauer des Arbeitsverhältnisses nicht durch Geldleistungen oder andere Vergünstigungen abgegolten werden. Das Verbot ist zwingend ( Art. 361 OR ). Es dient der Sicherung des mit den Ferien verfolgten Erholungszweckes ( BGE 118 II 137 Erw. 3b). Wo die Durchsetzung des Verbots insbesondere auf Grund der Natur des konkreten Arbeitsverhältnisses (u.a. unregelmässiger oder sehr kurzer Arbeitseinsatz) oder bei gleichzeitiger Tätigkeit für verschiedene Arbeitgeber mit Schwierigkeiten verbunden ist, lässt die Praxis Ausnahmen zu, sofern für den Arbeitnehmer sowohl aus dem Arbeitsvertrag wie aus den Lohnabrechnungen klar ersichtlich ist, welcher Teil des Lohnes den Ferienanspruch abgelten soll ( BGE 116 II 517 Erw. 4a mit Hinweisen; Urteil des Bundesgerichts in Sachen S. vom 21. Februar 2002 [4C.301/2001] Erw. 3a). 4.4.1 Ob die Abrede der Abgeltung des Ferienanspruches in Form eines Lohnzuschlages, soweit damit zum Voraus auf den realen Bezug von Ferien während des Arbeitsverhältnisses verzichtet wird, im Einzelfall zulässig ist, kann für die Frage der Anrechenbarkeit der in Ferientage oder -wochen umgerechneten Ferienentschädigung als zusätzliche Beitragszeit nicht von Bedeutung sein. 4.4.2 Mit der Rechtsprechung ( BGE 112 V 220 und seitherige Urteile) werden Versicherte, deren Ferienanspruch in Form eines Lohnzuschlages abgegolten wurde, so gestellt, wie wenn sie während der Dauer des Arbeitsverhältnisses im Umfang der entschädigten Tage oder Wochen effektiv Ferien bezogen hätten, welche ihnen im Rahmen von Art. 11 Abs. 3 AVIV als Beitragszeit nach Art. 13 Abs. 1 AVIG angerechnet werden. Diese von der Aufsichtsbehörde als gesetzwidrig erachtete Praxis widerspricht in zweierlei Hinsicht dem Gleichbehandlungsgebot. Zum einen benachteiligt sie alle jene Versicherten, deren Arbeitsverhältnisse innerhalb der Beitragsrahmenfrist lediglich volle Kalendermonate umfassten und die wegen der Art der Tätigkeit und/oder aus zeitlichen Gründen BGE 130 V 492 S. 500 (Dringlichkeit) keine oder nicht alle Ferien beziehen konnten. Bei diesen Versicherten wird die Beitragszeit nach Art. 11 Abs. 1 AVIV ermittelt, was die Anrechnung von in welcher Form auch immer abgegoltenen nicht bezogenen Ferien zum Vornherein ausschliesst (Erw. 4.3.2). Schlechter gestellt werden zum andern Versicherte mit vereinbartem Lohnanspruch während den Ferien, welche aus von ihnen nicht zu vertretenden Gründen indessen effektiv keine oder nicht alle Ferien beziehen konnten. Wenn und soweit sie hiefür entschädigt wurden, führt dies nicht durch entsprechende Umrechnung in Ferientage oder -wochen zu zusätzlichen Beitragszeiten im Sinne von Art. 13 Abs. 1 AVIG (ARV 2000 Nr. 17 S. 87 Erw. 2b; vgl. auch BGE 123 V 74 oben). Die dargelegte ungleiche Behandlung wird dadurch akzentuiert, dass in Bezug auf die Anrechenbarkeit von Ferienentschädigung beim versicherten Verdienst ( Art. 23 Abs. 1 AVIG ) nicht nach der Form der Abgeltung (einmalige Zahlung, Lohnzuschlag) differenziert und auch nicht nach den Gründen für den Nichtbezug der Ferien während der Dauer des Arbeitsverhältnisses gefragt wird. Gleiches liesse sich im Übrigen auch für Art. 11 Abs. 4 AVIG sagen. 4.4.3 Aus vorstehenden Gründen kann an der mit BGE 112 V 226 Erw. 2d begründeten Rechtsprechung nicht festgehalten werden. Mit anderen Worten rechtfertigt die Abgeltung des Ferienanspruches in Form eines Lohnzuschlages allein nicht gestützt auf Art. 11 Abs. 3 AVIV die Anrechnung der auf Ferientage oder -wochen umgerechneten Ferienentschädigung als zusätzliche Beitragszeit (in diesem Sinne schon ARV 2001 S. 154). Dies führt im vorliegenden Fall dazu, dass der Beschwerdegegner weniger als zwölf Beitragsmonate aufweist, sodass die Anspruchsvoraussetzung der erfüllten Beitragszeit nach Art. 8 Abs. 1 lit. e AVIG und Art. 13 Abs. 1 AVIG nicht gegeben ist.
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SR 451.13 1 Verordnung über das Bundesinventar der historischen Verkehrswege der Schweiz (VIVS) vom 14. April 2010 (Stand am 1. Juni 2017) Der Schweizerische Bundesrat, gestützt auf die Artikel 5 Absatz 1 und 26 des Bundesgesetzes vom 1. Juli 19661 über den Natur- und Heimatschutz (NHG), verordnet: 1. Abschnitt: Allgemeine Bestimmungen Art. 1 Gegenstand Diese Verordnung regelt: a. den Schutz der historischen Verkehrswege von nationaler Bedeutung; b. die Leistungen des Bundes zum Schutz der historischen Verkehrswege der Schweiz. Art. 2 Begriffe 1 In dieser Verordnung gelten als: a. historische Verkehrswege: Wege, Strassen und Wasserwege aus früheren Epochen, deren Substanz mindestens abschnittsweise erhalten ist und die durch historische Dokumente belegt sind; b. Objekte: ganze Strecken sowie einzelne Linienführungen und Abschnitte von historischen Verkehrswegen; c. Substanz historischer Verkehrswege namentlich: 1. der Verlauf der Wege, Strassen und Wasserwege im Gelände, 2. Wegelemente, insbesondere Wegformen und -oberflächen sowie Weg- begrenzungen wie Böschungen, Mauern, Zäune und Alleen, 3. Kunstbauten, 4. Bautechniken und besonderes traditionelles Baumaterial, AS 2010 1593 1 SR 451 451.13 Schutz von Natur, Landschaft und Tieren 2 451.13 5. Wegbegleiter wie Wegkreuze, Distanz- und Grenzsteine, Kapellen und andere mit dem Weg in einem funktionalen Zusammenhang stehende Bauten. 2 Historische Verkehrswege sind von nationaler Bedeutung, wenn ihre historische Bedeutung oder Substanz herausragend ist. 2. Abschnitt: Schutz der historischen Verkehrswege von nationaler Bedeutung Art. 3 Bundesinventar 1 Die historischen Verkehrswege von nationaler Bedeutung werden in einem Bun- desinventar aufgenommen. 2 Das Bundesinventar wird vom Bundesamt für Strassen (ASTRA) geführt. 3 Es enthält die Liste der Objekte von nationaler Bedeutung, ihre Lage, Substanz und historische Bedeutung sowie die übrigen Angaben nach Artikel 5 Absatz 1 NHG. 4 Die Objekte werden in zwei Kategorien eingeteilt: a. Objekte mit der Klassierung «historischer Verlauf mit viel Substanz»; b. Objekte mit der Klassierung «historischer Verlauf mit Substanz». Art. 4 Veröffentlichung 1 Das Bundesinventar wird nach Artikel 5 Absatz 1 des Publikationsgesetzes vom 18. Juni 20042 nicht in der Amtlichen Sammlung des Bundesrechts veröffentlicht. Es ist in elektronischer Form3 zugänglich. 2 Es kann unentgeltlich beim ASTRA und bei den zuständigen kantonalen Stellen eingesehen werden. Art. 5 Nachführung und Änderung 1 Das Bundesinventar wird regelmässig, insbesondere bei Vorliegen neuer Erkennt- nisse und Tatsachen, überprüft und bereinigt. Die vollständige Überprüfung und Bereinigung erfolgt innert 25 Jahren. 2 Das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunika- tion kann die Umschreibung der Objekte geringfügig ändern. Als geringfügig gelten Änderungen, die sich weder auf den Bestand der Objekte noch wesentlich auf deren Substanz auswirken. 3 Bei der Überprüfung und Bereinigung des Bundesinventars im Sinne von Artikel 5 Absatz 2 NHG sowie der geringfügigen Änderung von Objektumschreibungen nach Absatz 2 sind die zuständigen kantonalen Fachstellen möglichst frühzeitig einzube- 2 SR 170.512 3 Siehe Internetseiten unter http://ivs-gis.admin.ch Bundesinventar der historischen Verkehrswege der Schweiz. V 3 451.13 ziehen. Die Kantone sorgen dafür, dass auch die Öffentlichkeit in geeigneter Art und Weise einbezogen wird.4 Art. 6 Schutzziele 1 Objekte mit der Klassierung «historischer Verlauf mit viel Substanz» sollen mit ihrer ganzen Substanz ungeschmälert erhalten werden. 2 Objekte mit der Klassierung «historischer Verlauf mit Substanz» sollen mit ihren wesentlichen Substanzelementen ungeschmälert erhalten werden. 3 Wegbegleiter sind unabhängig von der Klassierung der Objekte in ihrem funktio- nalen Zusammenhang mit dem Objekt zu erhalten. Art. 7 Eingriffe 1 Eingriffe in Objekte sind bei Erfüllung einer Bundesaufgabe zulässig, soweit sie die Schutzziele nicht beeinträchtigen. 2 Geringfügige Beeinträchtigungen der Schutzziele sind bei Erfüllung einer Bundes- aufgabe nur zulässig, wenn sie sich durch ein Interesse rechtfertigen lassen, das gewichtiger ist als das Interesse am Schutz des Objekts. 3 Schwerwiegende Beeinträchtigungen sind bei Erfüllung einer Bundesaufgabe nur zulässig, wenn der Schutzwürdigkeit des Objektes bestimmte gleich- oder höher- wertige Interessen von ebenfalls nationaler Bedeutung entgegenstehen. 4 Zum Ausgleich von Beeinträchtigungen nach Absatz 2 oder 3 sind Wiederherstel- lungsmassnahmen oder zumindest angemessene Ersatzmassnahmen am gleichen historischen Verkehrsweg zu treffen. Ist dies nicht zweckmässig, so können ange- messene Ersatzmassnahmen an einem anderen historischen Verkehrsweg, nach Möglichkeit in der gleichen Region, geleistet werden. 5 Sind Eingriffe unter Abwägung aller Interessen unvermeidlich, so müssen sie sich auf ein Mindestmass beschränken. Art. 7a5 Behebung von Beeinträchtigungen 1 Die zuständigen Behörden prüfen bei jeder sich bietenden Gelegenheit, inwieweit bestehende Beeinträchtigungen vermindert oder behoben werden können. 2 Dabei bleiben der Bestand und die Nutzung von rechtmässig erstellten Bauten und Anlagen gewährleistet. Art. 8 Dokumentations- und Mitteilungspflicht 1 Die zuständigen Behörden des Bundes und der Kantone sorgen dafür, dass jeder Eingriff in einen historischen Verkehrsweg von nationaler Bedeutung sowie die 4 Eingefügt durch Anhang 2 Ziff. 2 der V vom 29. März 2017 über das Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler, in Kraft seit 1. Juni 2017 (AS 2017 2815). 5 Eingefügt durch Anhang 2 Ziff. 2 der V vom 29. März 2017 über das Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler, in Kraft seit 1. Juni 2017 (AS 2017 2815). Schutz von Natur, Landschaft und Tieren 4 451.13 dabei gewonnenen Erkenntnisse, insbesondere über das Objekt, seine Baugeschichte und seine Einordnung ins Gelände, dokumentiert werden und dass diese Dokumen- tationen zumindest bis zur ersten Nachführung nach Artikel 5 Absatz 1 archiviert werden. 2 Sie teilen dem ASTRA sämtliche Eingriffe, welche die Schutzziele beeinträchti- gen, mit und legen ihm die Dokumentationen nach Absatz 1 vor. Art. 96 Berücksichtigung durch die Kantone 1 Die Kantone berücksichtigen das Bundesinventar bei ihren Planungen, insbesonde- re in der Richtplanung nach den Artikeln 6–12 des Raumplanungsgesetzes vom 22. Juni 19797 (RPG). 2 Sie sorgen dafür, dass das Bundesinventar auf der Grundlage der kantonalen Richtpläne berücksichtigt wird, insbesondere bei der Nutzungsplanung nach den Artikeln 14–20 RPG. 3. Abschnitt: Leistungen des Bundes Art. 10 Information und Beratung über das Bundesinventar Das ASTRA sorgt für die Information und Beratung der Behörden und der Öffent- lichkeit über die Bedeutung, den Zustand und die Schutzwürdigkeit der historischen Verkehrswege von nationaler Bedeutung. Art. 11 Informationen über historische Verkehrswege von regionaler oder lokaler Bedeutung 1 Die Kantone können Informationen über historische Verkehrswege, die sie als regional oder lokal bedeutend bezeichnet haben, in elektronischer Form mit dem Bundesinventar verknüpfen. 2 Das ASTRA erlässt zu diesem Zweck Richtlinien, insbesondere über die Struktur der Informationen sowie über deren Aufbereitung, Meldung und Nachführung. 3 Der Schutz dieser Verordnung umfasst ausschliesslich die historischen Verkehrs- wege von nationaler Bedeutung nach Artikel 3. Art. 12 Finanzhilfen 1 Finanzhilfen des Bundes für Massnahmen zur Erhaltung von historischen Ver- kehrswegen richten sich nach dem 2. Abschnitt der Verordnung vom 16. Januar 19918 über den Natur- und Heimatschutz. 6 Fassung gemäss Anhang 2 Ziff. 2 der V vom 29. März 2017 über das Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler, in Kraft seit 1. Juni 2017 (AS 2017 2815). 7 SR 700 8 SR 451.1 Bundesinventar der historischen Verkehrswege der Schweiz. V 5 451.13 2 Das ASTRA kann die Zusicherung einer Finanzhilfe für einen historischen Ver- kehrsweg insbesondere mit der Auflage oder Bedingung verknüpfen, dass dieser dem Langsamverkehr dient und dass dies im Grundbuch angemerkt wird. 3 Für die Erhaltung von Gebäuden sichert das ASTRA keine Finanzhilfen zu. 4. Abschnitt: Schlussbestimmungen Art. 13 Änderung bisherigen Rechts Die Änderung bisherigen Rechts wird im Anhang geregelt. Art. 14 Inkrafttreten Diese Verordnung tritt am 1. Juli 2010 in Kraft. Schutz von Natur, Landschaft und Tieren 6 451.13 Anhang (Art. 13) Änderung bisherigen Rechts Die nachstehenden Verordnungen werden wie folgt geändert: …9 9 Die Änderungen können unter AS 2010 1593 nachverfolgt werden.
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Sachverhalt ab Seite 203 BGE 103 IV 202 S. 203 Die S. AG hat ohne Zusatz der im Handelsregister eingetragenen Firma "S. AG" während Jahren bis ungefähr Mitte April 1975 unter verschiedensten Bezeichnungen intensive Werbung mit Prospekten, Flugblättern, Inseraten und dergl. betrieben. J., Verwaltungsratsmitglied der S. AG, wurde vom Bezirksamt Arbon am 7. Januar 1976 gemäss Art. 2 Abs. 2 des Bundesgesetzes betreffend Strafbestimmungen zum Handelsregister- und Firmenrecht mit Fr. 500.-- gebüsst. Die Bezirksgerichtliche Kommission Arbon und die Rekurs-Kommission des Obergerichts des Kantons Thurgau haben am 2. September bzw. 20. Dezember 1976 diese Strafverfügung bestätigt. Mit Nichtigkeitsbeschwerde beantragt J., das Urteil der Rekurs-Kommission des Obergerichts aufzuheben und die Sache zur Freisprechung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau beantragt Abweisung der Beschwerde. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Die Firma dient u.a. der Individualisierung des Unternehmens. Sie muss wahr sein und darf zu keinen Täuschungen über Identität und Natur des Geschäftes und zu keinen Verwechslungen mit andern Unternehmen führen. Der Firmenträger ist daher verpflichtet, die Firma unverändert so, wie er sie angenommen hat und wie sie im Handelsregister eingetragen worden ist, zu verwenden (sog. Firmengebrauchspflicht). Es würde nichts nützen, dass die Firma im Register in einer Form eingetragen ist, die eine Täuschung ausschliesst, wenn es nachher dem Unternehmen erlaubt wäre, eine Firma zu verwenden, die von der eingetragenen abweicht. Die einmal eingetragene Firma ist etwas Bestimmtes und Individuelles. Sie darf nicht von der eingetragenen Form abweichen und bald so, bald anders geschrieben werden. Insbesondere ist es nicht zulässig, den sogenannten Firmenkern wegzulassen und nur den Firmenzusatz zu verwenden. Unter Gebrauch der Firma ist jede Verwendung, die in unmittelbarer Beziehung zum geschäftlichen Verkehr steht, zu verstehen, so die Verwendung auf Geschäftsschildern und Geschäftspapieren wie Katalogen, Preislisten, Prospekten, Empfehlungskarten, der Gebrauch auf Briefköpfen, bei der Zeichnung der Firma und BGE 103 IV 202 S. 204 in Adressbüchern oder Telefonverzeichnissen (vgl. Botschaft des Bundesrates, BBl 1921 III 261 ff.; FRITZ VON STEIGER, Handelsregister- und Firmenstrafrecht, 1942, SJK 249 S. 1/2; PATRY, Die Geschäftsfirmen, in: Schweizerisches Privatrecht, Bd. VIII 1, S. 154 ff.). Art. 2 des Bundesgesetzes betreffend Strafbestimmungen zum Handelsregister- und Firmenrecht vom 6. Oktober 1923 (SR 221.414; im folgenden "Gesetz" genannt) sanktioniert die Pflicht, die im Handelsregister eingetragene Firma im geschäftlichen Verkehr unverändert zu verwenden. Nach Abs. 1 wird zu Gefängnis bis zu sechs Monaten oder zu Busse bis zu Fr. 20'000.-- oder zu beiden Strafen verurteilt, "wer, um eine Täuschung zu bewirken, für ein im Handelsregister eingetragenes Geschäft eine Firma verwendet, die mit der im Handelsregister eingetragenen nicht übereinstimmt". Abs. 2 lautet: "Wer ohne Täuschungsabsicht für ein solches Geschäft eine Firma verwendet, die mit der im Handelsregister eingetragenen nicht übereinstimmt, wird mit Busse bis zu 10'000 Franken bestraft. Der Täter bleibt straflos, wenn durch Verwendung dieser Firma eine erhebliche Täuschung nicht bewirkt werden kann." Der Entwurf des Bundesrates ging weiter. Selbst wenn eine Täuschung durch die falsche Firma ausgeschlossen gewesen wäre, hätte eine Polizeibusse verhängt werden müssen. Diese in Art. 2 Abs. 3 des Entwurfes enthaltene Vorschrift wurde aber vom Ständerat gestrichen und durch einen zweiten Satz in Absatz 2 ersetzt, der wie folgt lautete: "Der Täter bleibt straflos, wenn durch Verwendung dieser Firma eine Täuschung nicht bewirkt werden kann." Im Nationalrat fand Huber, auch diese Fassung des Ständerates gehe noch zu weit. Irgendeine Täuschung sei stets denkbar. Wer solle den Beweis leisten, dass eine Täuschungsmöglichkeit stets ausgeschlossen sei? Die unbeabsichtigte Täuschung "über ganz unerhebliche Dinge" solle straflos bleiben. Gedacht wurde in beiden Räten vorab an den Fall, dass der in der Firma ausgeschriebene Vorname im geschäftlichen Verkehr abgekürzt werde, ohne dass dadurch über die Identität des Unternehmens Zweifel entstünden. In diesem Sinne wurde dann im definitiven Text gesagt, der Täter bleibe straflos, wenn durch die Verwendung dieser (falschen) Firma eine "erhebliche" Täuschung nicht bewirkt werden könne (Sten.Bull. 1923, N S. 346). Straflos soll BGE 103 IV 202 S. 205 also bleiben, und das ergibt den richtigen Sinn des Gesetzes, die Verwendung der falschen Firma, die nicht geeignet ist, im geschäftlichen Verkehr eine Täuschung über eine erhebliche Tatsache zu bewirken. 2. a) Die S. AG hat im Rahmen einer intensiven Werbung verschiedenste Firmen verwendet, welche mit der eingetragenen Firma nicht übereinstimmten. Diese Bezeichnungen waren beim Publikum, an das sich diese Reklame richtete, geeignet, erhebliche Täuschungen in geschäftlichen Belangen, insbesondere über die Identität der Firma, die hinter dieser Werbung stand, zu bewirken. Sie führten denn auch zu Beanstandungen und zu einem Zivilprozess wegen unlauteren Wettbewerbs. b) Das alles steht fest und ist unbestritten. Der Beschwerdeführer will hingegen nicht gewusst haben, dass die Verwendung einer andern als der im Handelsregister eingetragenen Firma im geschäftlichen Verkehr verboten ist. Damit kann er aber nicht gehört werden, stellt doch die Vorinstanz für den Kassationshof verbindlich ( Art. 277bis Abs. 1 BStP ) fest, der Beschwerdeführer habe im Rahmen des Zivilprozesses eindrücklich zur Kenntnis nehmen müssen, dass eine Firma im Rahmen der Werbung keinen andern Namen als den eingetragenen verwenden dürfe. Ein Irrtum hierüber schlösse im übrigen den Vorsatz nicht aus. Er würde sich als Rechtsirrtum im Sinne von Art. 20 StGB qualifizieren, für den der Beschwerdeführer nach den Umständen keine zureichenden Gründe gehabt hätte. c) Was die Eignung der falschen Firma zu erheblicher Täuschung betrifft, muss Fahrlässigkeit genügen. Darüber war man sich schon in der parlamentarischen Beratung klar (Voten Huber und Bundesrat Häberlin, Sten.Bull. 1923 N S. 346 f.). Es besteht also zum vornherein kein Anlass, von der Vermutung des Art. 333 Abs. 3 StGB abzugehen, wonach die in andern Bundesgesetzen als dem Strafgesetzbuch unter Strafe gestellten Übertretungen strafbar sind, auch wenn sie fahrlässig begangen werden, sofern nicht nach dem Sinne der Vorschrift nur die vorsätzliche Begehung mit Strafe bedroht ist. Fraglich ist bloss, ob ein in dieser Richtung gehender einfacher oder Eventualvorsatz noch unter Absatz 2 von Art. 2 des Gesetzes vom 6. Oktober 1923 fallen würde. Da aber der Kassationshof nicht mit einem Antrag auf Anwendung BGE 103 IV 202 S. 206 der strengeren in Absatz 1 enthaltenen Vorschrift befasst ist, kann die Frage offen bleiben. d) Hingegen stellt sich die Frage, ob es zum subjektiven Tatbestand des Art. 2 Abs. 2 des Gesetzes gehört, dass der Täter im Sinne des Vorsatzes von der Verwendung falscher Firmen wusste. Sie ist zu bejahen. Gemäss Art. 333 Abs. 3 (in Verbindung mit Art. 334) StGB ist nicht nur nach dem eindeutigen Wortlaut, sondern auch nach dem Sinne des Gesetzes zu entscheiden. Als das Gesetz geschaffen wurde, war Vorsatz erforderlich (Art. 7 Gesetz in Verbindung mit dem alten Bundesstrafrecht Art. 11; LUDWIG, ZSR n.F. 44/1925 S. 27a Anm. 2), soweit das Gesetz nicht ausdrücklich Fahrlässigkeit genügen lässt. Da sich das Gesetz über das Wissen um die falsche Firmierung nicht ausspricht (es handelt nur von der Täuschungsabsicht), muss daraus geschlossen werden, die falsche Firmierung selber (nicht weitere Folgen wie Täuschung, Schädigung) müsse vorsätzlich erfolgt sein. Dass mit dem Inkrafttreten des StGB daran etwas geändert werden sollte, ist nicht anzunehmen, zumal nun ergänzende eidgenössische Strafbestimmungen in Kraft traten, um schwere Fälle zu treffen (Betrug, unlauterer Wettbewerb, unwahre Angaben über Handelsgesellschaften usw.). Absatz 2 des Art. 2 knüpft an den 1. Absatz an. Dort wird aber Vorsatz hinsichtlich der falschen Firmierung vorausgesetzt. Denn nur wenn der Täter sich dessen bewusst ist, kann er sie als Mittel der Voraussetzung der Täuschung, die ja in Absatz 1 bewusst ist, benützen. Absatz 2 hebt aber nicht diesen Vorsatz betreffend falsche Firmierung auf, sondern nur die weitergehende Täuschungsabsicht. Bezüglich der erstern gilt, wie in Absatz 1, Vorsatz. Im übrigen ist auch zu berücksichtigen, dass eine falsche Firmierung sehr leicht versehentlich erfolgen kann (Nichtausschreiben des in der Firma enthaltenen Vornamens usf.). Eine besondere Überwachungspflicht unter Strafdrohung auch insoweit zu statuieren, geht über das Nötige hinaus. steht Anlass zu Beanstandungen, so wird üblicherweise zuerst reklamiert; dann fehlt in der Regel für die Zukunft der gute Glaube. Ferner besteht die Möglichkeit von Ordnungsstrafen. Die Vorinstanz stellt fest, durch Generalversammlungsbeschluss vom 20. November 1974 habe eine Aufteilung der BGE 103 IV 202 S. 207 Geschäftsführung in dem Sinne stattgefunden, dass die Werbung dem damaligen Verwaltungsratspräsidenten T. übertragen wurde. Sie trifft jedoch keine Feststellungen darüber, ob der Beschwerdeführer wusste, dass auch nach diesem Delegationsbeschluss falsche (mit dem Handelsregister nicht übereinstimmende) Firmen verwendet wurden. Sie hat sich deshalb darüber auszusprechen und entsprechend neu zu urteilen. In diesem Sinne ist die Sache zurückzuweisen.
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Sachverhalt ab Seite 171 BGE 80 II 171 S. 171 A.- Die Aswag A.-G. und die Ri-Ri A.-G. brachten in den letzten Jahren neben den von ihnen hergestellten bzw. vertriebenen Reissverschlüssen neuartige Verschlüsse BGE 80 II 171 S. 172 in den Handel, die sich von den eigentlichen Reissverschlüssen dadurch unterscheiden, dass der Schieber nicht die Verbindung oder Trennung zweier Zahnketten bewirkt, sondern auf einer einzigen Zahnkette gleitet und durch Hinunterdrücken der Lasche an jeder beliebigen Stelle festgeklemmt werden kann. Diese Verschlüsse dienen vor allem dazu, die Bundweite von Wickeljupes und Hosen verstellbar zu machen. Für diese Art von Verschlüssen verwendet die Aswag A.-G. die Marke "Clix", die sie 1948 sowohl im schweizerischen wie im internationalen Markenregister für "Reissverschlüsse und deren Bestandteile" hatte eintragen lassen. Die Ri-Ri A.-G. bezeichnet die von ihr vertriebenen verstellbaren Verschlüsse in Prospekten, Rechnungen usw. mit "riri-Clip" oder "Clip" schlechthin. B.- Die Aswag A.-G. erblickte in diesem Vorgehen der Ri-Ri A.-G. wegen Verwechselbarkeit der Bezeichnung "Clip" mit ihrer Marke "Clix" eine Verletzung ihrer Markenrechte sowie unlauteren Wettbewerb. Sie erhob daher am 31. Juli 1953 gegen die Ri-Ri A.-G. Klage auf Feststellung, dass die Beklagte mit der Verwendung der Bezeichnung "Clip" ihr Markenrecht verletze und unlauteren Wettbewerb begehe. Ferner verlangte sie ein Verbot weiterer marken- und wettbewerbsmässiger Verwendung der Bezeichnung "Clip" durch die Beklagte, Verurteilung derselben zur Bezahlung von Fr. 2000.-- Schadenersatz und Veröffentlichung des Urteils. Nach Einleitung des Prozesses, am 6. August 1953, liess die Klägerin das Wort "Clip" als Marke "für Reissverschlüsse und verstellbare Verschlüsse aller Art" unter Nr. 147, 758 im schweizerischen Markenregister eintragen. Die Beklagte bestritt die Begründetheit der Klage und erhob Widerklage auf Nichtigerklärung und Löschung der Marke "Clip" der Klägerin, weil "Clip" als Sachbezeichnung Gemeingut sei. C.- Das Handelsgericht Zürich schützte mit Urteil vom 11. Dezember 1953 die wettbewerbsrechtlichen Feststellungs- und Unterlassungsbegehren der Klage in dem Sinne, BGE 80 II 171 S. 173 dass die Verwendung des Wortes "Clip" zur Bezeichnung des ganzen Verschlusses oder unter schlagwortartiger Hervorhebung gegenüber dem weiteren Text einen unlauteren Wettbewerb darstelle und der Beklagten untersagt werde. Die auf Markenrecht gestützten Begehren dagegen wies es mangels markenmässiger Verwendung der Bezeichnung "Clip" durch die Beklagte ab. Abgewiesen wurden schliesslich auch das Schadenersatz- und das Publikationsbegehren der Klägerin. Die Widerklage der Beklagten auf Nichtigerklärung und Löschung der Marke "Clip" der Klägerin wurde geschützt. D.- Gegen dieses Urteil erklärten beide Parteien die Berufung. Die Beklagte beantragt vollumfängliche Abweisung der Klage, die Klägerin Bestätigung des angefochtenen Urteils hinsichtlich der Klage und Abweisung der Widerklage auf Nichtigerklärung ihrer Marke "Clip"; eventuell sei die Widerklage nur in dem Sinne zu schützen, dass die Warenliste durch die Worte "mit Ausnahme von Klammern bzw. Klemmen" eingeschränkt, subeventuell, dass sie auf Reissverschlüsse beschränkt werde. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Gegenstand der Hauptklage ist einzig noch die Frage, ob der nicht markenmässige Gebrauch der mit der Marke "Clix" der Klägerin verwechselbaren Bezeichnungen "Clip" und "riri-Clip" durch die Beklagte für die von ihr vertriebenen verstellbaren Verschlüsse einen unlauteren Wettbewerb im Sinne von Art. 1 Abs. 2 lit. d UWG darstelle. a) Diese Frage ist, wie die Vorinstanz zutreffend ausführt, zu verneinen, wenn "Clip" eine Sachbezeichnung, eine Beschaffenheitsangabe darstellt. Denn aus den gleichen Gründen, aus denen ein Geschäftsmann keine Markenschutzrechte zu erlangen vermag an Worten, die zur Bezeichnung einer Ware dienen oder auf ihre Eigenschaften hinweisen ( BGE 79 II 102 , BGE 70 II 243 , BGE 70 I 196 , BGE 63 II 426 f.), kann er auch unter dem Gesichtspunkt des Wettbewerbsrechts BGE 80 II 171 S. 174 einem Konkurrenten die Verwendung solcher Sachbezeichnungen nicht verwehren. Hier wie dort kann es nicht statthaft sein, dass er eine beschreibende Angabe der genannten Art für sich allein in Anspruch nimmt und sich so gegenüber seinen Konkurrenten einen geschäftlichen Vorsprung verschafft. Solche Sachbezeichnungen müssen als Gemeingut auch im Bereiche des Wettbewerbsrechtes dem allgemeinen Verkehr freigehalten werden, soweit nach dem Sprachgebrauch das Bedürfnis besteht, sie zur Bezeichnung einer Ware zur Verfügung zu haben. Jeder Wettbewerber muss die Möglichkeit haben, im Geschäftsverkehr, insbesondere in der Reklame und der Korrespondenz für die Bezeichnung seiner Ware diejenigen Ausdrücke zu verwenden, die ihre Beschaffenheit, ihre Eigenschaften, ihren Verwendungszweck beschreiben, ohne darin durch die Marke eines Konkurrenten behindert zu sein. Sonst würde diesem auf dem Umweg über das Wettbewerbsrecht ein Schutz gewährt, der durch die Markenrechtsgesetzgebung ausdrücklich ausgeschlossen werden soll. Verwechselbarkeit einer gemeinfreien Sachbezeichnung mit der Marke eines Konkurrenten ändert hieran nichts. Wer eine Marke wählt, die an eine gemeinfreie Sachbezeichnung anklingt und darum ein sog. schwaches Warenzeichen darstellt, hat die Folgen daraus hinzunehmen. b) Ob ein Ausdruck als Beschaffenheitsangabe im vorstehenden Sinne zu gelten habe, ist gleichfalls nach den von der Rechtsprechung zum Markenrecht entwickelten Grundsätzen zu entscheiden, da die Gleichheit des Zweckes auch Übereinstimmung hinsichtlich des Begriffsinhaltes erheischt. Danach gilt als Beschaffenheitsangabe nicht schon jede entfernte Anspielung, bei der die sachliche Beziehung zur Ware erst unter Zuhilfenahme der Phantasie, auf dem Wege der Ideenverbindung, der Gedankenassoziation erkennbar wird. Vielmehr muss die Bezeichnung in einem so engen Zusammenhang mit der Ware stehen, dass sie unmittelbar auf eine bestimmte Beschaffenheit hinweist. BGE 80 II 171 S. 175 2. Im vorliegenden Falle hat die Vorinstanz auf Grund des von der Beklagten vorgelegten Beweismaterials (Preislisten, Prospekte, Auskünfte von Warenhäusern usw.) festgestellt, dass auf dem Gebiete der Schreibartikel, der Bijouterie und der Lederwaren die Bezeichnung "Clip" heute in der Schweiz zur Sachbezeichnung für eine bestimmte Art des Verschlusses oder der Befestigung, nämlich für diejenige vermittels einer Klemmvorrichtung, geworden ist. So spricht man allgemein von "Clips" an Füllfederhaltern und Bleistiften und meint damit die Klemmen, mit der diese Gegenstände an der Taschenkante angesteckt werden. "Clip" heisst sodann auch der Halter, der dazu dient, die Kravatte am Hemd festzuklemmen, um ihr Flattern zu verhindern. Die Bezeichnung wird ferner verwendet für Verschlüsse von modischen Damenhandtaschen. Als "Clip" werden aber auch Schmuckstücke bezeichnet, die durch Festklemmen am Ohr, als Brosche an Damenkleidern oder als Agrafen an Damenhüten befestigt werden. In diesen letzteren Fällen gilt, wie die Vorinstanz darlegt, die Bezeichnung also für Gegenstände, bei denen die Klemmvorrichtung nach Grösse und Wert nicht den Hauptbestandteil bildet. Die Klemmvorrichtung, die ursprünglich allein "Clip" hiess, ist zur Bezeichnung des ganzen Gegenstandes geworden, zu dessen Befestigung sie dient. Hinsichtlich der hier in Frage stehenden Kleiderverschlüsse ist die Vorinstanz dagegen zum Ergebnis gelangt, dass "Clip" sich bis heute noch nicht allgemein als Bezeichnung des ganzen Verschlusses eingelebt habe. Als "Clip" könne allenfalls der einen wesentlichen Bestandteil des Verschlusses bildende Schieber mit der Klemmvorrichtung gelten. Da dieser aber kaum sichtbar sei und darum an Bedeutung gegenüber der einem Reissverschluss ähnlichen Kette zurücktrete, bedürfe es für die Übertragung der Sachbezeichnung "Clip" auf den ganzen Verschluss eines nicht einfachen Denkvorganges unter Zuhilfenahme der Phantasie. Gestützt auf diese Erwägungen BGE 80 II 171 S. 176 hat die Vorinstanz daher das Vorliegen einer Sachbezeichnung abgelehnt und die Verwendung der Bezeichnung "Clip" durch die Beklagte für den ganzen Verschluss als unlautere Wettbewerbshandlung erachtet. Weil der Schieber mit der Klemmvorrichtung für sich allein dem verkehrsüblichen Begriffe des "Clip" entspreche, hat sie es aber immerhin als zulässig erklärt, diesen Ausdruck ohne schlagwortartige Hervorhebung zu rein beschreibender Verwendung im laufenden Text zu gebrauchen. 3. Dieser Auffassung kann nicht beigepflichtet werden. Sie beruht auf einer unrichtigen Problemstellung. Entgegen der Meinung der Vorinstanz kommt es nicht entscheidend darauf an, ob die Bezeichnung "Clip" für die in Frage stehenden Verschlüsse bereits allgemein gebräuchlich sei. Es können vielmehr auch neue, bisher ungebräuchliche Ausdrücke im Gemeingut stehende Beschaffenheitsangaben darstellen, sofern sie nur die Ware in allgemein verständlicher Weise beschreiben. Massgebend ist, ob das betreffende Wort, sobald es im Geschäftsverkehr beim Vertrieb der Ware gebraucht wird, nach dem Sprachgebrauch oder den Regeln der Sprachbildung von den beteiligten Kreisen als Hinweis auf die Beschaffenheit der Ware aufgefasst werden kann (REIMER, Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht, 3. Aufl., S. 38). Geht man nun davon aus, dass in verschiedenen Geschäftszweigen das Wort "Clip" in der Schweiz zur Sachbezeichnung für Klemmvorrichtungen geworden ist und sogar zur Bezeichnung von ganzen Gegenständen dient, die an Stelle bisher üblicher andersartiger Verschlüsse eine Klemmvorrichtung aufweisen, und zieht man anderseits in Betracht, dass das technisch wesentliche Merkmal, durch das sich die in Frage stehenden verstellbaren Verschlüsse vom bisherigen üblichen Reissverschluss unterscheiden, gerade in der allgemein als "Clip" bezeichneten Klemmvorrichtung besteht, so kann nicht zweifelhaft sein, dass auch bei verstellbaren Verschlüssen die Bezeichnung "Clip" als Sachbezeichnung angesehen werden muss. BGE 80 II 171 S. 177 Einer besonderen Zuhilfenahme der Phantasie bedarf es entgegen der Meinung der Vorinstanz dazu nicht. Der Kunde, der von einem solchen "Clip"-Verschluss hört, wird auf Grund einer einfachen Überlegung ohne weiteres erkennen, dass es sich bei der so bezeichneten Verschlussart um einen mit einer Klemmvorrichtung ausgestatteten Verschluss handle. Das gilt in besonderem Masse auch für die nach den Ausführungen der Vorinstanz als Abnehmer in erster Linie in Betracht kommenden Kreise der Schneider und Hausfrauen. Diese betrachten den verstellbaren Verschluss als Unterart des Reissverschlusses, da es sich dabei, trotz der sonstigen technischen Verschiedenheit, ebenfalls um einen Verschluss handelt, bei dem ein Schieber auf einer Kette hin und her bewegt wird. Da der verstellbare Verschluss sich vom gewöhnlichen Reissverschluss gerade durch die bei einem solchen nicht vorhandene Klemmvorrichtung zur Arretierung an jeder beliebigen Stelle unterscheidet, liegt für ihn entsprechend dieser Funktion die Sachbezeichnung "Clip" nahe. Dass die Klemmvorrichtung bei den verstellbaren Verschlüssen kaum sichtbar ist, hat entgegen der Meinung der Vorinstanz keine Bedeutung. Die Bezeichnung "Clip" hat sich im Verkehr auch durchgesetzt für Gegenstände, bei denen, wie namentlich bei Schmuckstücken (Ohr- und Broschenclips), die Klemmvorrichtung nicht nur nach Grösse und Wert nicht den Hauptbestandteil bildet, sondern auch nur noch zum Teil oder sogar überhaupt nicht mehr sichtbar ist. Ist demnach das Wort "Clip" auch für den in Frage stehenden Verschluss als Sachbezeichnung anzusehen, so bedeutet seine Verwendung durch die Beklagte keinen unlauteren Wettbewerb. Das führt zur Gutheissung der Berufung der Beklagten auf gänzliche Abweisung der Hauptklage. 4. Da nach den Ausführungen zur Hauptklage "Clip" als im Gemeingut stehende Sachbezeichnungen zu gelten hat, erweist sich die Gegenstand der Widerklage bildende BGE 80 II 171 S. 178 Marke "Clip" der Klägerin als nichtig. Die gegen ihre Nichtigerklärung gerichtete Berufung der Klägerin ist daher unbegründet. Das gilt auch für die von der Klägerin gestellten Eventualbegehren, den Schutzbereich ihrer Marke auf verstellbare Verschlüsse ohne Klammern bzw. Klemmen oder auf gewöhnliche Reissverschlüsse zu beschränken. Für gewöhnliche Reissverschlüsse und verstellbare Verschlüsse ohne Klemmvorrichtung stellt die Marke "Clip" zwar keine Beschaffenheitsangabe dar. Ihre Zulassung in dem von der Klägerin verlangten Sinne wäre aber zur Täuschung der Käuferschaft geeignet. Denn die Bezeichnung "Clip" würde den Eindruck erwecken, es handle sich bei den so bezeichneten Verschlüssen um solche mit einer Klemmvorrichtung. Marken, die zur Täuschung des Publikums Anlass geben können, sind aber nach ständiger Rechtsprechung unzulässig, da sie im Sinne von Art. 3 Abs. 4 MSchG gegen die guten Sitten verstossen ( BGE 69 II 203 und dort erwähnte Entscheide).
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Sachverhalt ab Seite 294 BGE 136 III 294 S. 294 In der Betreibung für Prämienforderungen von Fr. 858.80 nebst Zins und Kosten stellte die K. Krankenkasse als Gläubigerin das Konkursbegehren gegen B. als Schuldnerin und als im Handelsregister eingetragene Inhaberin einer Einzelfirma. Das Bezirksgericht eröffnete den Konkurs. B. gelangte an das Obergericht des Kantons Zürich, das ihren Rekurs abwies. Das Obergericht hielt dafür, ein nach Ablauf der Rekursfrist eingetretener Konkurshinderungsgrund könne nicht berücksichtigt werden. Da diese Frist am 30. November 2009 abgelaufen sei, B. den Betrag von Fr. 1'120.- aber erst am 4. Dezember 2009 hinterlegt habe, erweise sich die Aufhebung der Konkurseröffnung als unzulässig. Das Bundesgericht weist die von B. (Beschwerdeführerin) dagegen erhobene Beschwerde ab. ( Zusammenfassung) Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Nach dem Wortlaut von Art. 174 Abs. 2 SchKG setzt die Aufhebung der Konkurseröffnung voraus, dass "mit der Einlegung des Rechtsmittels" ("en déposant le recours"; "impugnando la decisione") die Zahlungsfähigkeit glaubhaft zu machen und ein "inzwischen" ("depuis lors"; "nel frattempo") eingetretener Konkurshinderungsgrund gemäss Ziff. 1-3 durch Urkunden zu beweisen ist. 3.1 Gestützt auf den Gesetzeswortlaut hat das Bundesgericht unter Hinweis auf die Lehre festgehalten, dass das Gesetz mit der Umschreibung "mit der Einlegung des Rechtsmittels" selber eine zeitliche Schranke für das Beibringen von Unterlagen setzt, die die BGE 136 III 294 S. 295 Zahlungsfähigkeit belegen. Das Gesetz geht davon aus, dass der Konkurseröffnung ein längeres Betreibungsverfahren vorausgegangen ist, in dessen Verlauf sich der Konkursit über seine finanziellen Verhältnisse Klarheit verschaffen konnte und musste. Werden daher innert Frist keine Unterlagen vorgelegt, besteht grundsätzlich kein Grund für Weiterungen. Insbesondere besteht kein Raum für weitergehende kantonale Regelungen (Urteil 5A_80/2007 vom 4. September 2007 E. 5.2 mit Hinweis auf JAEGER/WALDER/KULL/KOTTMANN, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Bd. II, 4. Aufl. 1997/99, N. 12 und 14 zu Art. 174 SchKG ; JÜRGEN BRÖNNIMANN, Novenrecht und Weiterziehung [...] gemäss Art. 174 E SchKG , in: Festschrift Walder, 1994, S. 442, 448 und 451; GIROUD, in: Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Bd. II, 1998, N. 19 und 26 zu Art. 174 SchKG ). Das Bundesgericht hat dabei nicht übersehen, dass kantonale Gerichte es mitunter zulassen, Unterlagen sogar nach Ablauf der Rechtsmittelfrist nachzureichen, und dass sie dazu eine Nachfrist ansetzen (zit. Urteil 5A_80/2007 E. 5.2 mit Hinweis auf GIROUD, a.a.O., N. 26 zu Art. 174 SchKG ). Es hat dazu festgehalten, dass die fragliche kantonale Praxis dem Gesetzestext widerspricht und dass aus Art. 174 SchKG keine Verpflichtung der oberen kantonalen Gerichte abgeleitet werden kann, Vorbringen nach Ablauf der Rechtsmittelfrist zu berücksichtigen oder eine Nachfrist anzusetzen (Urteile 5P.146/2004 vom 14. Mai 2004 E. 2, 5P.178/2005 vom 11. Juli 2005 E. 2.2.1 und 5P.456/2005 vom 17. Februar 2006 E. 4.1). 3.2 Für die Konkurshinderungsgründe gemäss Art. 174 Abs. 2 Ziff. 1-3 SchKG muss folgerichtig gelten, was für das Beibringen der Urkunden zu ihrem Beweis gilt. Konkurshinderungsgründe sind gemäss Art. 174 SchKG nur zu berücksichtigen, wenn sie sich innert der Rechtsmittelfrist verwirklicht haben und geltend gemacht werden (ADRIAN STAEHELIN, in: Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Ergänzungsband, 2005, N. 20 ff. zu Art. 174 SchKG ; PIERRE-ROBERT GILLIÉRON, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, Bd. III, 2001, N. 47 zu Art. 174 SchKG , und Poursuite pour dettes, faillite et concordat, 4. Aufl. 2005, N. 1466 S. 279; COMETTA, in: Commentaire romand, Poursuite et faillite, 2005, N. 6 zu Art. 174 SchKG ; vgl. auch PIERRE-YVES BOSSHARD, Le recours contre le jugement de faillite, JdT 158/2010 II S. 113, S. 125 f., und MAGDALENA RUTZ, Weiterziehung des Konkursdekretes, in: Schuldbetreibung und Konkurs im Wandel, Festschrift 75 Jahre Konferenz der Betreibungs- und Konkursbeamten der Schweiz, 2000, S. 343 ff., S. 348; so auch ausdrücklich für neue BGE 136 III 294 S. 296 Tatsachen gemäss Art. 174 Abs. 1 SchKG : Urteil 5P.263/2003 vom 25. August 2003 E. 3.3.1). 3.3 Gemäss den verbindlichen und unangefochtenen Feststellungen des Obergerichts ist die Rechtsmittelfrist von zehn Tagen am 30. November 2009 abgelaufen, die Hinterlegung im Sinne von Art. 174 Abs. 2 Ziff. 2 SchKG aber erst am 4. Dezember 2009 erfolgt. Der Konkurshinderungsgrund hat sich somit nach Ablauf der Rechtsmittelfrist verwirklicht und war deshalb unbeachtlich. Die Vorbringen der Beschwerdeführerin geben keinen Anlass, die Rechtsprechung zu überprüfen. Namentlich das gerügte Verbot des überspitzten Formalismus vermag eine Auslegung gegen den Gesetzeswortlaut nicht zu begründen. Mit Blick auf die in E. 3.1 genannten Gründe und unter Berücksichtigung, dass der Gesetzgeber für Entscheide, die vom Konkursgericht getroffen werden, ein summarisches Verfahren vorsieht ( Art. 25 Ziff. 2 lit. a SchKG ), erscheint es als sachlich und durch schutzwürdige Interessen gerechtfertigt, dass nach Ablauf der Rechtsmittelfrist eingetretene Konkurshinderungsgründe unbeachtlich bleiben. Bei diesem Ergebnis ist die weitere Voraussetzung nicht zu prüfen, wonach zusätzlich die Zahlungsfähigkeit glaubhaft gemacht werden muss. Eine Verletzung von Art. 174 SchKG kann dem Obergericht nicht vorgeworfen werden.
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c48fde00-f3ae-4a82-a7c5-62b95f617f3f
Erwägungen ab Seite 47 BGE 113 IV 47 S. 47 Aus den Erwägungen: 4. In der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde wird sodann unter Berufung auf die Art. 11, 63, 64, 68 StGB und Art. 277ter BStP die Strafzumessung angefochten. a) Der Beschwerdeführer vermag nicht darzulegen, inwiefern die Vorinstanz im zweiten Entscheid vom 7. Februar 1986 mit ihrer rechtlichen Würdigung der teilweisen Schuldenabzahlung an die durch die Betrüge gemäss Punkt II der Anklage vom 14. Februar 1983 geschädigte Fa. Amexco Art. 63 und 64 StGB verletzt habe. Aus dem ersten Urteil des Zürcher Obergerichts vom 3. Oktober 1983 geht nicht hervor, ob und in welchem Masse die "zugunsten" des Beschwerdeführers sprechende teilweise Wiedergutmachung des Schadens strafmildernd oder strafmindernd berücksichtigt wurde; Art. 64 StGB wird jedenfalls nicht erwähnt. Art. 277ter BStP verbietet dem kantonalen Richter im übrigen nicht, einen bestimmten Strafzumessungsgrund im Rückweisungsverfahren nach teilweiser Gutheissung einer eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde unter Berücksichtigung neu hinzugekommener Strafmilderungs- oder Strafminderungsgründe anders zu gewichten als im ersten Verfahren. Der Richter hat diejenige Strafe auszufällen, die ihm unter Berücksichtigung der gesamten Umstände als angemessen erscheint, und es kann daher das Gewicht eines bestimmten Strafzumessungsgrundes nicht losgelöst von den übrigen Strafzumessungsfaktoren bestimmt werden.
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4e7b3d07-e33b-4252-b77e-b97427f1d9e5
Umstände, unter denen in einem kantonalen Verwaltungsbeschwerdeverfahren die wesentlichen Ergebnisse eines Augenscheins in einem Protokoll, Aktenvermerk oder wenigstens in den Erwägungen des Entscheides klar festgehalten werden müssen. Sachverhalt ab Seite 73 BGE 106 Ia 73 S. 73 Die Beschwerdeführerin erhielt am 27. Oktober 1977 als Eigentümerin der beiden in der Wohnzone W 3 von Arbon gelegenen Mehrfamilienhäuser Schöntalstrasse 6 und Olivenstrasse 1 die Baubewilligung für verschiedene Sanierungsarbeiten. Am 4. April 1979 beanstandete die Ortsverwaltung Arbon, dass beim Um- und Ausbau auch die Estrichräume im zweiten Dachgeschoss zusätzlich ausgebaut wurden. Auf Aufforderung hin reichte die Beschwerdeführerin Nachtragsbaugesuche ein. Mit Entscheid vom 21. Mai 1979 lehnte die Ortsverwaltung den Ausbau des zweiten Dachgeschosses ab und Ordnete die Entfernung der schon ausgeführten Ausbauarbeiten bis zum 31. August 1979 an. Der Regierungsrat des Kantons Thurgau wies die dagegen erhobene Beschwerde am 17. Dezember 1979 ab. Hiegegen richtet sich die vorliegende, insbesondere auf Art. 4 BV gestützte staatsrechtliche Beschwerde. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Die Beschwerdeführerin rügt in verschiedener Hinsicht eine Verletzung des aus Art. 4 BV folgenden Anspruchs auf BGE 106 Ia 73 S. 74 rechtliches Gehör. Da dieser Anspruch formeller Natur ist, d.h. seine Verletzung ungeachtet der Erfolgsaussichten der Beschwerde in der Sache selbst zur Aufhebung des angefochtenen Entscheides führt ( BGE 105 Ia 51 und 198 E. 4b, BGE 100 Ia 10 E. 3d, BGE 96 I 188 E. 2b, mit Verweisungen), sind die entsprechenden Rügen vorweg zu prüfen. Der Umfang des Anspruches auf rechtliches Gehör bestimmt sich in erster Linie nach den kantonalen Verfahrensvorschriften. Wo sich jedoch der kantonale Rechtsschutz als ungenügend erweist, greifen die unmittelbar aus Art. 4 BV folgenden bundesrechtlichen Verfahrensregeln zur Sicherung des rechtlichen Gehörs Platz. Im vorliegenden Fall behauptet die Beschwerdeführerin nicht, das Vorgehen des Regierungsrates verletze irgendwelche kantonalen Verfahrensvorschriften. Es ist daher einzig, und zwar mit freier Kognition, zu prüfen, ob unmittelbar aus Art. 4 BV folgende Regeln missachtet wurden ( BGE 105 Ia 194 E. 2, 103 Ia 138 E. 2a, mit Verweisungen). a) Die Beschwerdeführerin rügt in erster Linie, im Beschwerdeverfahren vor Regierungsrat sei zwar ein Augenschein durchgeführt worden, der sowohl für die Feststellung des heutigen als auch - soweit eine bauliche Änderung nicht erfolgt sei - des früheren baulichen Zustandes ein geeignetes Beweismittel dargestellt habe. Doch habe es der Regierungsrat unterlassen, ein Augenscheinsprotokoll zu erstellen und im Entscheid auf die Ergebnisse des Augenscheines zurückzukommen. Die Beschwerdeführerin habe am Augenschein insbesondere festgehalten, dass im Gebäude Olivenstrasse 1 eine Treppe mit Standort innerhalb des unteren ins obere Dachgeschoss führte, dass Spuren auf das Vorhandensein eines Ofens im oberen Dachgeschoss hindeuteten und dass im Gebäude Schöntalstrasse 6 die im Dachgeschoss neu errichteten Mauern tragend seien. Der Regierungsrat wendet ein, der Augenschein habe nur ein geeignetes Mittel zur Feststellung des heutigen, nicht aber des früheren Zustandes der beiden Dachgeschosse gebildet. Zwar hat der bundesrechtliche Gehörsanspruch im Verwaltungsverfahren im allgemeinen nicht den gleichen Umfang wie im Zivil- und Strafprozess. Doch unterscheidet das Bundesgericht in seiner jüngsten Rechtsprechung für die Umschreibung der aus Art. 4 BV folgenden Minimalansprüche nicht mehr strikt zwischen verwaltungsrechtlichen Streitigkeiten einerseits und Zivil- und Strafprozessen anderseits, sondern stellt vielmehr BGE 106 Ia 73 S. 75 auf die konkrete Interessenlage ab ( BGE 105 Ia 195 E. 2b, mit Hinweisen). Im vorliegenden Fall fällt ins Gewicht, dass die Ergebnisse des Augenscheins für die Beschwerdeführerin eine erhebliche Beschwer mit sich bringen konnten, dass gegen den Entscheid des Regierungsrates kein ordentliches Rechtsmittel mehr gegeben war und dass am Augenschein kein Mitglied der entscheidenden Behörde, sondern nur Organe des mit der Instruktion beauftragten Baudepartementes mitgewirkt hatten. Unter diesen Umständen war es zwingend erforderlich, die wesentlichen Ergebnisse des Augenscheins in einem Protokoll oder Aktenvermerk festzuhalten (vgl. dazu ROLF TINNER, Das rechtliche Gehör, ZSR 83/1964 II S. 346 ff.) Oder zumindest - soweit sie für die Entscheidung erheblich sind - im Entscheid klar zum Ausdruck zu bringen ( BGE 104 Ia 212 E. 5g und 322 E. 3a, mit Verweisungen). Auch das zuletzt genannte Mindesterfordernis ist im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Entgegen der Auffassung des Regierungsrates diente der Augenschein nicht nur der Feststellung des aktuellen, sondern offensichtlich auch des früheren Bau- bzw. Nutzungszustandes, wird doch der Augenschein im angefochtenen Entscheid gerade im Zusammenhang mit der für die Beurteilung der Sache wesentlichen Nutzung vor den Umbauarbeiten erwähnt. Hievon hängt der Entscheid der Frage ab, ob sich durch die baulichen Änderungen die ohnehin schon zu grosse Ausnutzung noch erhöhte. Dafür bildeten aber das Vorhandensein und der genaue Standort einer festen Treppe vom ersten ins zweite Dachgeschoss und die Frage des früheren Vorhandenseins eines Ofens im oberen Dachgeschoss für die Beweiswürdigung nicht zu vernachlässigende Indizien. An aktenkundigen Feststellungen dieser wesentlichen Umstände fehlt es aber. Indem die wesentlichen Ergebnisse des Augenscheins nicht in der erwähnten Art festgehalten wurden, wurde Art. 4 BV verletzt.
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3c1257ef-718c-433d-b1d5-5647171e59d5
Sachverhalt ab Seite 384 BGE 145 III 383 S. 384 Die A. (Käuferin, Beschwerdeführerin) ist eine selbständige öffentlich-rechtliche Anstalt mit Sitz in Basel, die bei der B. d.d. (Verkäuferin, Beschwerdegegnerin 1) mit Sitz in U., Slowenien und ihrer schweizerischen Tochtergesellschaft der B. (Schweiz) AG (Verkäuferin, Beschwerdegegnerin 2) während Jahren diverse elektronische Drehstromzähler bestellte bzw. einkaufte. Nachdem die Verkäuferin 1 die Käuferin über die Möglichkeit von Haarbildungen und daraus resultierenden Messfehlern (sog. "Whiskers"-Problem) bei einem gewissen Typ der Drehstromzähler informiert hatte, erklärte die Käuferin gegenüber den Verkäuferinnen, sie erachte sämtliche Verträge betreffend Lieferung von Stromzählern zufolge Irrtums für unverbindlich und forderte diese auf, den Kaufpreis zuzüglich Zinsen gegen Herausgabe der Stromzähler rückzuerstatten. Die Verkäuferinnen kamen der Aufforderung nicht nach. Das Zivilgericht Basel-Stadt hiess die Klage der Käuferin mehrheitlich gut, da es zum Schluss kam, die Kaufverträge seien aufgrund Grundlagenirrtums ( Art. 24 Abs. 1 Ziff. 1 OR ) ex tunc unwirksam. Das mit Berufung angerufene Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt ging hingegen davon aus, auf den Vertrag sei das CISG anwendbar, welches die Berufung auf Grundlagenirrtum verdränge und wies die Klage ab. Das Bundesgericht bestätigt den Entscheid des Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt und weist die Beschwerde ab. (Zusammenfassung) Erwägungen Aus den Erwägungen: 5. Gemäss Art. 4 Bst. a CISG betrifft dieses Übereinkommen - soweit nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist - insbesondere nicht die Gültigkeit des Vertrages oder einzelner Vertragsbestimmungen. Die Beschwerdeführerin rügt, indem die Vorinstanz ihr die Berufung auf Grundlagenirrtum im Sinne von Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR verwehrte, habe sie Art. 4 lit. a CISG verletzt. BGE 145 III 383 S. 385 5.1 Nach herrschender Lehre, der die Vorinstanz folgte, können dem CISG unterstehende Kaufverträge nicht durch Rückgriff auf internes Recht aufgrund Irrtums über Eigenschaften der Kaufsache angefochten werden (ANNE FLORENCE BOCK, Gewinnherausgabeansprüche gemäss CISG, in: Büchler/Müller-Chen [Hrsg.], FS Schwenzer, Band I, 2011, S. 184; BUCHER, a.a.O., S. 48; MILENA DJORDJEVIC, in: Kröll und andere [Hrsg.], a.a.O., N. 21 f. zu Art. 4 CISG ; ECKERT/MAIFELD/ MATTHIESSEN, Handbuch des Kaufrechts, 2. Aufl. 2014, Rz. 969; FERRARI, in: Schlechtriem/Schwenzer [Hrsg.], a.a.O., N. 22-24 zu Art. 4 CISG ; VINCENT HEUZÉ, La vente internationale de marchandises: droit uniforme, 2. Aufl. 2000, S. 248 f. Rz. 286; HEINRICH HONSELL, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht, 6. Aufl. 2015, N. 14 der Vorbemerkungen zu Art. 197-210 OR ; HUGUENIN, a.a.O., Rz. 2737; MAGNUS, a.a.O., N. 48 und 50 zu Art. 4 CISG ; MANKOWSKI, a.a.O., N. 10 zu Art. 4 CISG ; MURMANN/STUCKI, a.a.O., N. 10 zu Art. 4 CISG ; SAENGER, a.a.O., N. 24 zu Art. 4 CISG ; SCHLECHTRIEM/BUTLER, a.a.O., S. 35 Rz. 36a; SCHLECHTRIEM/WITZ, a.a.O., S. 42 Rz. 56; INGEBORG SCHWENZER, Schweizerisches Obligationenrecht Allgemeiner Teil, 7. Aufl. 2016, Rz. 39.43; SCHWENZER/HACHEM, a.a.O., N. 19 zu Art. 4 CISG ; SIEHR, a.a.O., N. 9 zu Art. 4 CISG ; TERCIER/BIERI/CARRON, Les contrats spéciaux, 5. Aufl. 2016, Rz. 1388; SCHWENZER/FOUNTOULAKIS/DIMSEY, a.a.O., S. 646; a.A. NEUMAYER/MING, a.a.O., N. 6 zu Art. 4 CISG ; FRANZ BYDLINSKI, Das allgemeine Vertragsrecht, in: Doralt [Hrsg.], Das UNCITRAL-Kaufrecht im Vergleich zum österreichischen Recht, 1985, S. 58; RUDOLF LESSIAK, UNCITRAL-Kaufrechtsabkommen und Irrtumsanfechtung, in: Juristische Blätter 1989, S. 490). 5.2 Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen diesen Rechtsstandpunkt und macht geltend, eine einheitliche Rechtsanwendung lasse sich nur in jenen Bereichen verwirklichen, in denen die Vertragsstaaten diese auch wollten. Bei der Ausarbeitung des CISG sei indes ein Vorstoss ausdrücklich abgelehnt worden, der die Berufung des Käufers auf Irrtum ausgeschlossen hätte (so auch NEUMAYER/MING, a.a.O., N. 6 zu Art. 4 CISG ). Diese Behauptung der Beschwerdeführerin gestützt auf NEUMAYER/MING greift in zweifacher Hinsicht zu kurz. Einerseits handelte es sich um einen gesamten Normenkomplex zur Vertragsgültigkeit, der schliesslich nicht in das Übereinkommen integriert wurde (vgl. Commission des Nations Unies pour le droit commercial international, Annuaire 1978, vol. IX, S. 75 ff.). Andererseits war in der mit den BGE 145 III 383 S. 386 anderen Bestimmungen zur Vertragsgültigkeit verworfenen Norm, auf die sich die Beschwerdeführerin beruft, nicht vorgesehen, einen Rückgriff auf den Irrtum grundsätzlich zu verbieten, sondern die Anfechtung des Grundlagenirrtums bezüglich Eigenschaften der Kaufsache soweit zuzulassen, als keine anderweitigen Anspruchsgrundlagen bestehen. Während ein Teil der Lehre die Ansicht vertrat, es sei wünschenswert, unvereinheitlichtes Recht zur Gültigkeitsanfechtung wegen Willensmängeln parallel zuzulassen, ging der andere Teil davon aus, eine Regelung sei entbehrlich, da die Priorität der Mängelrügen in Fällen der mangelhaften Kaufsache vor der Gültigkeitsanfechtung zufolge Irrtums derart klar sei, dass sich eine ausdrückliche Normierung erübrige (vgl. Commission des Nations Unies, a.a.O., S. 77 zu "Article 9"). Diese divergierenden Standpunkte sind wohl auf die unterschiedlichen Rechtskulturen zurückzuführen, die auch verhinderten, innert nützlicher Zeit einen Konsens zur Vereinheitlichung der Gültigkeitsvorschriften zu finden, weshalb das Projekt der Integration gewisser Vorschriften zur Vertragsgültigkeit offenbar schliesslich fallen gelassen wurde. Aus der Entstehungsgeschichte der CISG-Vorschriften über Sachmängel ergibt sich damit entgegen dem Standpunkt der Beschwerdeführerin kein eindeutiges Bild (so im Ergebnis auch MAGNUS, a.a.O., N. 50 zu Art. 4 CISG mit Hinweisen). 5.3 Der Vorbehalt zugunsten internen Rechts nach Art. 4 CISG gilt nur, wenn das Übereinkommen die Angelegenheit nicht ausdrücklich selbst regelt. Der Begriff "ausdrücklich" ("expressly", "disposition expresse") bedeutet in diesem Zusammenhang nicht etwa, dass das Übereinkommen allfällige Abweichungen jeweils als solche bezeichnen muss, sondern es reicht, wenn es für einen Sachverhalt eine abschliessende Regelung bereithält (MAGNUS, a.a.O., N. 27; SCHLECHTRIEM/BUTLER, a.a.O., S. 34 Rz. 36). Vor diesem Hintergrund ist durch eine Interpretation der Normen des CISG nach der erfassten Regelungsmaterie zu fragen (SCHLECHTRIEM/SCHROETER, a.a.O., S. 61 Rz. 116). Entscheidend ist, ob eine Sachfrage von den Verfassern des Übereinkommens gesehen und mit einer zumindest "funktional äquivalenten" Lösung geregelt wurde (vgl. bereits Secretariat Commentary, a.a.O., zweite Bemerkung zu Art. 4 CISG ; vgl. auch BOCK, a.a.O., S. 184; FERRARI, in: Schlechtriem/Schwenzer [Hrsg.], a.a.O., N. 22 f. zu Art. 6 CISG ). Dass das Übereinkommen innerhalb seines ermittelten Regelungsbereichs konkurrierende Bestimmungen des internen BGE 145 III 383 S. 387 Rechts verdrängt, setzt dabei zusätzlich voraus, dass es für die jeweilige Sachfrage exklusiven Geltungsanspruch erhebt. Dies ist fast durchwegs der Fall (vgl. Urteile 4C.307/2003 vom 19. Februar 2004 E. 3.2.2; 4C.105/2000 vom 15. September 2000 E. 2a; Cour de cassation N 02-15981 vom 4. Oktober 2005, in: CISG-online 1097; SCHLECHTRIEM/SCHROETER, a.a.O., S. 68 Rz. 131). 5.3.1 Die rechtliche Behandlung von Willensmängeln und deren Folgen wird grundsätzlich vom CISG nicht geregelt und richtet sich daher soweit nach dem vom internationalen Privatrecht berufenen Recht, als das CISG nicht bezüglich bestimmter Aspekte eine "funktional äquivalente" Regelung bereithält (vgl. MAGNUS, a.a.O., N. 27 f., 50 zu Art. 4 CISG ; PILTZ, a.a.O., Rz. 2-135 f., 2-148; SCHLECHTRIEM/SCHROETER, a.a.O., S. 84 Rz. 169). So enthält das Übereinkommen insbesondere keine Bestimmungen zu Willensmängeln, die auf Erklärungshandlungen oder schuldhafter Irreführung beruhen, namentlich Drohung oder Täuschung (UNCITRAL, a.a.O., S. 24 Rz. 3 zu Art. 4 CISG ; DJORDJEVIC, a.a.O. N. 23 zu Art. 4 CISG ; jeweils mit Hinweisen auf die Rechtsprechung; vgl. auch FERRARI, in: Schlechtriem/Schwenzer [Hrsg.], a.a.O., N. 25 zu Art. 4 CISG ; MAGNUS, a.a.O., N. 52 zu Art. 4 CISG ; SAENGER, a.a.O., N. 24 zu Art. 4 CISG ; SCHLECHTRIEM/ SCHROETER, a.a.O., S. 84 f. Rz. 170; SCHWENZER/HACHEM, a.a.O., N. 19 zu Art. 4 CISG ). Dagegen enthält das CISG mit seinen Normierungen betreffend die vertragliche Beschaffenheit der Kaufsache, welche auch den Kenntnisstand des Käufers berücksichtigen, eine dem Grundlagenirrtum ( Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR ) funktional äquivalente Regelung (vgl. dazu DJORDJEVIC, a.a.O., N. 22 zu Art. 4 CISG ; MURMANN/STUCKI, a.a.O., N. 10 zu Art. 4 CISG ; SAENGER, a.a.O., N. 24 zu Art. 4 CISG ; SCHLECHTRIEM/ SCHROETER, a.a.O., S. 85 Rz. 171; SCHLECHTRIEM/WITZ, a.a.O., S. 42 Rz. 56; SCHWENZER/HACHEM, a.a.O., N. 19 zu Art. 4 CISG ; SCHWENZER/FOUNTOULAKIS/DIMSEY, a.a.O., S. 646). Namentlich ist bereits dem Marginale des Abschnitts II ( Art. 35 ff. CISG ) zu entnehmen, dass das Übereinkommen verschiedene Bestimmungen zur "Vertragsmässigkeit der Ware" bereit hält, wobei eine Haftung des Verkäufers insbesondere ausgeschlossen wird, wenn der Käufer bei Vertragsabschluss die Vertragswidrigkeit der Ware kannte oder darüber nicht in Unkenntnis sein konnte ( Art. 35 Abs. 3 CISG ). Abschnitt III ( Art. 45 ff. CISG ) statuiert sodann die Rechte des Käufers im Falle der Vertragsverletzung durch den Verkäufer; in Bezug auf eine nicht BGE 145 III 383 S. 388 vertragsgemässe oder unvollständige Lieferung ist die Aufhebung des gesamten Vertrags nur vorgesehen, wenn diese eine "wesentliche Vertragsverletzung" darstellt ( Art. 51 Abs. 2 CISG ). Da sich das Übereinkommen nach dem vorstehend Gesagten nicht zu Irrtümern äussert, die auf Erklärungshandlungen beruhen, um insoweit einen Rückgriff auf internes Recht zu ermöglichen, hingegen eine dem Grundlagenirrtum ( Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR ) funktional äquivalente Regelung enthält, kann die Beschwerdeführerin nichts zu ihren Gunsten aus der bisherigen Rechtsprechung zu Willensmängeln unter dem CISG ableiten, wonach die Berufung auf einen Erklärungsirrtum im Sinne von Art. 24 Abs. 1 Ziff. 1 OR auch bei grundsätzlicher Anwendbarkeit des CISG zulässig ist (vgl. Urteil 4C.296/2000 vom 22. Dezember 2000 E. 3). 5.3.2 Sodann spricht nichts für die Annahme, dass das CISG ausnahmsweise keine exklusive Geltung beansprucht und betreffend den im Übereinkommen abschliessend geregelten Lebenssachverhalt der nicht vertragsgemässen Beschaffenheit einer gelieferten Sache parallel die Berufung auf innerstaatliche Rechtsbehelfe zulässt. Insbesondere ist kein zwingendes rechtspolitisches Bedürfnis erkennbar, das die konkurrierende Anfechtung nach innerstaatlichem Recht fordern würde (so auch MAGNUS, a.a.O., N. 50 zu Art. 4 CISG ). Demgegenüber sieht das CISG eine Vertragsaufhebung im Interesse der effizienten Streitbeilegung zu Recht nur als ultima ratio vor (vgl. OGH 3 Ob 194/15y vom 16. Dezember 2015 E. 1.1; MAGNUS, a.a.O., N. 49 zu Art. 7 CISG ; PILTZ, a.a.O., Rz. 2-144). Denn im für den internationalen Handel typischen Überseeverkehr ist die Vertragsaufhebung wegen der Notwendigkeit des Rücktransports der Ware bzw. der Einlagerung und anderweitigen Veräusserung für die Verkäuferin ausserordentlich belastend (HONSELL, a.a.O., N. 13 der Vorbemerkungen zu Art. 197-210 OR ). Ein Rückgriff am Übereinkommen vorbei auf Bestimmungen internen Rechts zur Anfechtung der Gültigkeit zufolge Irrtums betreffend Eigenschaften der Kaufsache würde diesen im CISG vorgenommenen Interessenausgleich stören und die angestrebte Vereinheitlichung der Anspruchsgrundlagen untergraben (vgl. dazu DJORDJEVIC, a.a.O., N. 22 zu Art. 4 CISG ; HEUZÉ, a.a.O., S. 248 RZ. 286; MANKOWSKI, a.a.O., N. 10 zu Art. 4 CISG ; SCHLECHTRIEM/ SCHROETER, a.a.O., S. 68 Rz. 131, S. 85 f. Rz. 171; SCHWENZER/ HACHEM, a.a.O., N. 19 zu Art. 4 CISG ). Deshalb ist BGE 145 III 383 S. 389 davon auszugehen, dass das CISG insoweit abschliessende und internes Recht ausschliessende Geltung beansprucht (so auch UNCITRAL, a.a.O., S. 24 Rz. 3 zu Art. 4 CISG ; BOCK, a.a.O., S. 184; BUCHER, a.a.O., S. 48; DJORDJEVIC, a.a.O., N. 22 zu Art. 4 CISG ; ECKERT/MAIFELD/MATTHIESSEN, a.a.O., Rz. 969; FERRARI, in: Schlechtriem/Schwenzer [Hrsg.], a.a.O., N. 24 zu Art. 4 CISG ;HEUZÉ, a.a.O., S. 248 f. RZ. 286; HONSELL, a.a.O., N. 14 der Vorbemerkungen zu Art. 197-210 OR ; MAGNUS, a.a.O., N. 48 zu Art. 4 CISG ; MANKOWSKI, a.a.O., N. 10 zu Art. 4 CISG ; MURMANN/STUCKI, a.a.O., N. 10 zu Art. 4 CISG ; SCHWENZER, a.a.O., Rz. 39.43; SCHWENZER/HACHEM, a.a.O., N. 19 zu Art. 4 CISG ; SCHWENZER/FOUNTOULAKIS/DIMSEY, a.a.O., S. 646; SIEHR, a.a.O., N. 9 zu Art. 4 CISG ). 5.3.3 Entgegen dem, was den wenig differenzierten Ausführungen in der Botschaft vom 11. Januar 1989 betreffend das Wiener Übereinkommen über Verträge über den internationalen Warenkauf (BBl 1989 751 Ziff. 131, 754 Ziff. 143, 763 f. Ziff. 211.33) und der bisherigen bundesgerichtlichen Rechtsprechung (namentlich den Urteilen 4C.296/2000 vom 22. Dezember 2000 E. 3; 4C.272/2000 vom 11. Dezember 2000 E. 1a) allenfalls entnommen werden könnte, verbietet sich damit der Rückgriff auf interne Normen zur Gültigkeitsanfechtung, soweit es sich um Ansprüche im Zusammenhang mit der vertraglichen Beschaffenheit des Kaufobjekts handelt. Daran ändert auch nichts, dass es der Käuferin nach ständiger bundesgerichtlicher Rechtsprechung möglich ist, sich alternativ zu den kaufrechtlichen Gewährleistungsansprüchen ( Art. 197 ff. OR ) auf Grundlagenirrtum ( Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR ) zu berufen (vgl. BGE 127 III 83 E. 1b; BGE 114 II 131 E. 1). Denn insoweit die Beschwerdeführerin aus der Rechtsprechung zum OR einen Widerspruch abzuleiten versucht, übergeht sie, dass das Übereinkommen nach Art. 7 Abs. 1 CISG autonom auszulegen ist, womit nationalrechtliche dogmatische Kategorien und Terminologien untauglich sind (SCHLECHTRIEM/SCHROETER, a.a.O., S. 61 f. Rz. 117 f.; PILTZ, a.a.O., Rz. 2-141). Die anzustrebende weltweit einheitliche Anwendung setzt ein rechtsvergleichendes Vorgehen sowie die Bereitschaft voraus, einer bestimmten Auslegung, die sich in einer dominierenden Anzahl von Staaten etabliert hat, gegenüber seiner eigenen Anschauung den Vorzug zu geben (BBl 1989 I 766 Ziff. 212.1; zum Ganzen auch vorstehend E. 2.2). Aus diesem Grund ist auch der von der Beschwerdeführerin erwähnte BGE 145 III 383 S. 390 Entscheid des Obersten Gerichtshofs Österreichs zur Alternativität der Rechtsbehelfe nicht einschlägig, zumal er ebenfalls zum unvereinheitlichten österreichischen Recht erging (OGH 9 Ob 247/02t vom 23. April 2003). Sodann mag zutreffen, dass die von der Vorinstanz zitierten Entscheide aus Ländern stammen, welche die Alternativität der Rechtsbehelfe auch unter innerstaatlichem Recht nicht zulassen (vgl. die Urteile des Handelsgerichts Hasselt vom 19. April 2006, in: CISG-online Nr. 1389 und des Landgerichts Aachen vom 14. Mai 1993, in: CISG-online Nr. 86; vgl. indessen den aktuellen Entscheid OGH 3 Ob 194/15y vom 16. Dezember 2015 aus Österreich, bei dem die Aufhebung des Vertrages eines sich als beschädigt herausgestellten Kunstwerks nur unter Art. 49 CISG Prozessthema war). Ebenso auffällig ist indessen, dass der Rechtsstandpunkt der Beschwerdeführerin nahezu ausschliesslich von Autoren vertreten wird, deren Rechtsprechung zum unvereinheitlichten Recht - wie etwa die österreichische oder schweizerische Praxis - das Nebeneinander vom kaufrechtlichen Gewährleistungsrecht und Vertragsanfechtung wegen Irrtum zulässt (so auch FERRARI, in: Schlechtriem/Schwenzer, a.a.O., N. 23 zu Art. 4 CISG Fn. 122). Hinzu kommt, dass es sich hierbei soweit ersichtlich einzig um ältere Lehrmeinungen handelt (vgl. NEUMAYER/MING [Schweiz, 1993], a.a.O., N. 6 zu Art. 4 CISG ; LESSIAK [Österreich, 1989], a.a.O., S. 490; BYDLINSKI [Österreich, 1985], a.a.O., S. 58; vgl. allerdings auch JOSEPH LOOKOFSKY, Understanding the CISG, 4. Aufl. 2012, S. 22 Fn. 80 mit dem einzigen Hinweis auf einen älteren Entscheid des Handelsgerichts des Kantons St. Gallen vom 24. August 1995). Demgegenüber vertritt nicht nur die herrschende internationale Lehre, sondern vermehrt auch die schweizerische den Ansatz der exklusiven Anwendung des CISG, soweit es um Ansprüche im Zusammenhang mit der vertraglichen Beschaffenheit der Kaufsache geht. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin gehören dazu nicht nur die Autoren, welche die bundesgerichtliche Praxis zur Alternativität der Rechtsbehelfe kritisieren (so zwar HONSELL, a.a.O., N. 9, 14 der Vorbemerkungen zu Art. 197-210 OR ; SCHWENZER, a.a.O., N. 39.41 und 39.43; TERCIER/BIERI/CARRON, Les contrats spéciaux, 5. Aufl. 2016, Rz. 649, 1388), sondern auch solche, die bei einem Binnensachverhalt die Vertragsanfechtung aufgrund Irrtums über Sachmängel befürworten (so BUCHER, a.a.O., S. 48; HUGUENIN, a.a.O., Rz. 2703 und 2737). BGE 145 III 383 S. 391 5.4 Es ist unerheblich, ob ein nationales unvereinheitlichtes Recht im Vergleich zum CISG für die konkret gegebene Situation einen anderen Ansatz entwickelt hat oder abweichende, gar angemessenere Lösungen anbietet. Entscheidend ist allein, dass ein dem CISG unterliegender Kaufvertrag vorliegt, dessen Rechtsbehelfe den zu beurteilenden Sachverhalt abschliessend regeln (vgl. PILTZ, a.a.O., Rz. 2-135 f., 2-148). Damit ist es der Beschwerdeführerin verwehrt, den Vertrag an der Konvention vorbei zufolge Grundlagenirrtums ( Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR ) als einseitig unverbindlich zu erklären.
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93e0f3b2-87a6-45fe-ba3b-bef0cbdd8966
Sachverhalt ab Seite 112 BGE 141 V 112 S. 112 A. A.a Die am 1. Mai 2003 errichtete Stiftung N. (ab 21. Oktober 2005: BVG-Sammelstiftung der N.; nachfolgend: Stiftung) wurde 2003 im Handelsregister des Kantons Zug eingetragen und bezweckte die Durchführung jeglicher Form der beruflichen Vorsorge. Mit einer BGE 141 V 112 S. 113 Verwaltungsvollmacht für Finanzintermediäre vom 19. September 2003 räumte sie der A. AG das Recht ein, die unter der Stammnummer ... bei der V. AG deponierten Vermögenswerte ohne jede Einschränkung zu verwalten. Am 12. Februar 2004 räumte die Stiftung der A. AG eine weitere umfassende Verwaltungsvollmacht für Finanzintermediäre ein. Diesmal betraf es Vermögenswerte unter der Stammnummer ... bei der V. AG, wobei die Kontogruppe auf dem Formular näher mit "Rubrik: R." bezeichnet wurde. Einziger Verwaltungsrat der A. AG ist seit 1996 M. A.b Am 14. Juli bzw. 2. August 2006 verfügte das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) als Aufsichtsbehörde die Suspendierung aller acht amtierenden Stiftungsräte und bestimmte O. und P. als interimistische Stiftungsräte. P. erstattete am 17. August 2006 beim Untersuchungsrichteramt Zug Strafanzeige gegen B. (seit der Gründung Stiftungsratspräsident) und E. (Stiftungsrat seit 15. April 2004) sowie allenfalls weitere Personen wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung und Veruntreuung von Vermögenswerten. Mit Verfügung vom 1. September 2006 ordnete das BSV die Aufhebung der Stiftung sowie die Amtsenthebung der suspendierten Stiftungsräte an und setzte die interimistischen Stiftungsräte als Liquidatoren ein. Auf Gesuch der Stiftung hin richtete der Sicherheitsfonds BVG (nachfolgend: Sicherheitsfonds) zur Sicherstellung gesetzlicher Leistungen einen Vorschuss von Fr. 33'000'000.- aus (Verfügung vom 26. Dezember 2006). In der Folge trat der Sicherheitsfonds in die Ansprüche gegenüber 13 (natürlichen und juristischen) Personen ein - darunter die A. AG - und liess sich von der Stiftung sämtliche Ansprüche, die dieser gegenüber denselben 13 Personen allenfalls noch zustanden, abtreten (Erklärung vom 13. Dezember 2010 und Abtretungsvereinbarung vom 14./16. Dezember 2010). Am 15. August 2007 reichte die Stiftung in Liquidation beim Eidgenössischen Finanzdepartement gegen die Schweizerische Eidgenossenschaft ein Schadenersatzbegehren in der Höhe von Fr. 33'000'000.- zuzüglich Zins seit 28. Dezember 2006 und unter Vorbehalt der Nachklage für weiteren Schaden ein. B. B.a Am 17. Dezember 2010 erhob der Sicherheitsfonds beim Verwaltungsgericht des Kantons Zug Klage gegen folgende 13 Personen: B. (Stiftungsratspräsident, Beklagter 1), C. (Stiftungsrat, Beklagter 2), D. (Stiftungsrätin, Beklagte 3), E. (Stiftungsrat, Beklagter 4), BGE 141 V 112 S. 114 F. (Stiftungsrat, Beklagter 5), G. (Stiftungsrat, Beklagter 6), H. (Stiftungsrat, Beklagter 7), I. (Stiftungsrat, Beklagter 8), J. AG (Kontrollstelle, Beklagte 9), K. (BVG-Experte, Beklagter 10), L. GmbH (Buchhaltung, Beklagte 11), A. AG (Finanzdienstleisterin, Beklagte 12) und M. (alleiniger Verwaltungsrat der A. AG, Beklagter 13); mit folgenden Anträgen: 1. Die Beklagten 1-12 seien unter solidarischer Haftung je einzeln bis zur nachfolgend aufgeführten Höhe zu verpflichten, der Klägerin den Gesamtbetrag von CHF 30'000'000.- nebst Zins zu 5 % seit 01.06.2006 zu bezahlen; 2. Die Beklagten 1-4 seien unter solidarischer Haftung gemäss Ziff. 1 hievor je einzeln zu verpflichten, der Klägerin CHF 30'000'000.- nebst Zins zu 5 % seit 01.06.2006 zu bezahlen. 3. Die Beklagten 5-8 seien unter solidarischer Haftung gemäss Ziff. 1 hievor je einzeln zu verpflichten, der Klägerin CHF 6'401'254.- nebst Zins zu 5 % seit 01.06.2006 zu bezahlen. 4. Die Beklagte 9 sei unter solidarischer Haftung gemäss Ziff. 1 hievor zu verpflichten, der Klägerin CHF 9'571'254.- nebst Zins zu 5 % seit 01.06.2006 zu bezahlen. 5. Der Beklagte 10 sei unter solidarischer Haftung gemäss Ziff. 1 hievor zu verpflichten, der Klägerin CHF 9'571'254.- nebst Zins zu 5 % seit 01.06.2006 zu bezahlen. 6. Die Beklagte 11 sei unter solidarischer Haftung gemäss Ziff. 1 hievor zu verpflichten, der Klägerin CHF 9'571'254.- nebst Zins zu 5 % seit 01.06.2006 zu bezahlen. 7. Die Beklagte 12 sei unter solidarischer Haftung gemäss Ziff. 1 hievor zu verpflichten, der Klägerin CHF 20'399'230.- nebst Zins zu 5 % seit 01.06.2006 zu bezahlen. 8. Der Beklagte 13 sei unter solidarischer Haftung gemäss Ziff. 1 hievor zu verpflichten, der Klägerin CHF 30'000'000.- nebst Zins zu 5 % seit 01.06.2006 zu bezahlen. 9. (Kostenfolgen) Dabei wies der Sicherheitsfonds darauf hin, dass mit der Klage lediglich ein Teilschaden geltend gemacht werde. Die Nachklage über den restlichen Schaden bleibe ausdrücklich vorbehalten. Im Prozessverlauf passte er sodann seine Klageanträge insoweit an, als er in Ziffer 1 (und betreffend die Kostenfolgen) neu die Beklagten 1-13 aufführte. B.b Das Verwaltungsgericht des Kantons Zug, Sozialversicherungsrechtliche Kammer, hiess die Klage mit Entscheid vom 21. Januar 2014 gut und verpflichtete die Beklagten zu folgenden Zahlungen: BGE 141 V 112 S. 115 a) Die Beklagten 1-13 haben der Klägerin unter solidarischer Haftung je einzeln bis zur nachfolgend aufgeführten Höhe in den Buchstaben b) bis h) den Gesamtbetrag von CHF 30'000'000.- nebst Zins zu 5 % seit 1. Juni 2006 zu bezahlen. b) Die Beklagten 1, 2, 3 und 4 haben, unter solidarischer Haftung gemäss Buchstabe a) hievor, der Klägerin je einzeln CHF 30'000'000.- nebst Zins zu 5 % seit 1. Juni 2006 zu bezahlen. c) Der Beklagte 5 hat, unter solidarischer Haftung gemäss Buchstabe a) hievor, der Klägerin CHF 4'600'000.- nebst Zins zu 5 % seit 1. Juni 2006 zu bezahlen. d) Der Beklagte 6 hat, unter solidarischer Haftung gemäss Buchstabe a) hievor, der Klägerin CHF 3'600'000.- nebst Zins zu 5 % seit 1. Juni 2006 zu bezahlen. e) Der Beklagte 7 hat, unter solidarischer Haftung gemäss Buchstabe a) hievor, der Klägerin CHF 6'401'254.- nebst Zins zu 5 % seit 1. Juni 2006 zu bezahlen. f) Der Beklagte 8 hat, unter solidarischer Haftung gemäss Buchstabe a) hievor, der Klägerin CHF 3'900'000.- nebst Zins zu 5 % seit 1. Juni 2006 zu bezahlen. g) Die Beklagten 9, 10 und 11 haben, unter solidarischer Haftung gemäss Buchstabe a) hievor, der Klägerin je einzeln CHF 9'130'000.- nebst Zins zu 5 % seit 1. Juni 2006 zu bezahlen. h) Die Beklagten 12 und 13 haben, unter solidarischer Haftung gemäss Buchstabe a) hievor, der Klägerin je einzeln CHF 19'034'230.39 nebst Zins zu 5 % seit 1. Juni 2006 zu bezahlen. C. Hiegegen reicht die A. AG Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ein und beantragt, der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zug vom 21. Januar 2014 sei aufzuheben und es sei die Klage vom 17. Dezember 2010 abzuweisen. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. In verfahrensrechtlicher Hinsicht verlangt sie, der Beschwerde sei die aufschiebende Wirkung zu erteilen. D. Mit Verfügung vom 26. Mai 2014 hat die Instruktionsrichterin der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkannt. Auf die Durchführung eines Schriftenwechsels wurde verzichtet. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt. BGE 141 V 112 S. 116 Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Die Beschwerdeführerin wird gestützt auf Art. 56a BVG ins Recht gefasst. Diese Haftungsgrundlage ist grundsätzlich unbestritten. (...) 5. 5.1 Hinsichtlich der Frage nach der anzuwendenden Sorgfalt ist die Vorinstanz von einem Auftragsverhältnis der Beschwerdeführerin mit der Stiftung ausgegangen. In einem solchen Fall nimmt die (mit Finanzdienstleistungen betraute) Beschwerdeführerin eine Aufgabe im Bereich der beruflichen Vorsorge wahr und der Sicherheitsfonds kann sich zur Begründung des widerrechtlichen Verhaltens auf die Verletzung des zwischen der Stiftung und der Beschwerdeführerin geschlossenen Vertrags berufen ( BGE 135 V 373 E. 3.4 S. 381). Die Beschwerdeführerin bestreitet eine vertragliche Bindung. 5.2 5.2.1 Die Vorinstanz hat zur Abgrenzung von unverbindlicher Gefälligkeit und Vertragsbindung richtig auf die Art der Leistung, ihren Grund und Zweck, ihre rechtliche und wirtschaftliche Bedeutung, die Umstände, unter denen sie erbracht wird, sowie auf die bestehende Interessenlage der Parteien abgestellt. Für einen Bindungswillen spricht ein eigenes, rechtliches oder wirtschaftliches Interesse der Person, welche die Leistung erbringt, oder ein erkennbares Interesse des Begünstigten an fachkundiger Beratung oder Unterstützung ( BGE 137 III 539 E. 4.1 S. 541 f.). 5.2.2 Es ist unbestritten, dass die A. AG mehrfach für die Stiftung tätig gewesen ist. Die Vorinstanz hat ihr diesbezügliches Wirken akribisch aufgezeichnet; darauf kann an dieser Stelle verwiesen werden. Dabei steht fest, dass die A. AG keine typischen Aufgaben ausgeführt hat, die eine Vermögensverwaltungsgesellschaft im Auftragsverhältnis üblicherweise als Dienstleistungen erbringt. Sie befand sich diesbezüglich aber in Wartestellung. Nach den - für das Bundesgericht verbindlichen (nicht publ. E. 1.1) - Feststellungen der Vorinstanz hat die Stiftung die Dienstleistungen der A. AG vor allem deshalb in Anspruch genommen, weil sie als erfahrene Vermögensverwalterin in der Lage war, eine Kontoverbindung zur V. AG einzurichten und zu unterhalten. Dazu gehörte das Überwachen der verschiedenen Konten, das Aufbewahren aller Original-Kontodokumente der V. AG, das Ausführen von zuvor angewiesenen BGE 141 V 112 S. 117 Vergütungsaufträgen, bei denen vergleichsweise sehr hohe Summen im Spiel waren, das Erteilen von Auskünften gegenüber dem Stiftungsrat und gegenüber den einzelnen Vorsorgewerken bezüglich des Vermögensstandes, das Auftreten gegenüber der kontoführenden V. AG als Finanzintermediärin der Stiftung und das Erteilen von Auskünften gegenüber der V. AG (vgl. dazu auch E. 5.3 nachfolgend). Im Weiteren konnte die A. AG - infolge der von beiden Seiten widerspruchslos akzeptierten Vollmacht der V. AG - im Prinzip Anlagegeschäfte für die Stiftung tätigen und eine etwaige Vergütung einem V.-Konto der Stiftung belasten. Da die Stiftung freiwillig auf die Zustellung der Kontoinformationen verzichtet hatte, hätte sie von solchen Vorgängen lange nicht erfahren. Seit Mitte Dezember 2003 ging sämtliche Post - auf unbestimmte Zeit - direkt an die A. AG. Bei dieser Sachlage steht in Übereinstimmung mit der Vorinstanz fest, dass auf Grund des wiederholten Tätigwerdens der A. AG im Interesse der Stiftung, der Art der von dieser in Anspruch genommenen Dienstleistungen, der gewichtigen Vertrauensstellung und des in zeitlicher Hinsicht offenen Rahmens nicht von blossen Gefälligkeitshandlungen gesprochen werden kann. Wenn auch Zahlungsaufträge (zu Lasten der Konten der Stiftung bei der V. AG) nur vereinzelt weitergeleitet wurden, was die A. AG in den Vordergrund stellt, ändert dies nichts am Gesamtbild einer über längere Zeit anhaltenden Geschäftsbeziehung. Es kommt nicht allein auf die Häufigkeit der einzelnen Leistungen an. Vielmehr ist auch auf die Bedeutung und Intensität der Unterstützung abzustellen. Diese lassen nicht auf Uneigennützigkeit und reine Gelegenheit schliessen. Dass keine Vergütung abgemacht wurde, wie die A. AG behauptet, nach den überzeugenden Erwägungen der Vorinstanz jedoch wenig glaubhaft ist, spielt für das Zustandekommen eines Auftrags keine Rolle ( Art. 394 Abs. 3 OR ). Mithin ist das vom kantonalen Gericht angenommene Auftragsverhältnis zwischen der Stiftung und der A. AG zu bestätigen. Bei dieser Rechtslage erübrigen sich Weiterungen zu einem allenfalls ausservertraglichen Handeln. 5.3 Gemäss Vorinstanz hat die Beschwerdeführerin als Beauftragte der Stiftung ihre Sorgfalts- resp. Treuepflicht dieser gegenüber mehrfach verletzt. Die A. AG bestreitet die ihr vorgeworfenen Pflichtverletzungen als solche nicht substanziiert, sondern stellt ein entsprechendes (pflichtwidriges) Verhalten lediglich pauschal in Abrede. Damit hat es bei den vorinstanzlich festgestellten BGE 141 V 112 S. 118 Sorgfaltspflichtverletzungen - sowohl in tatsächlicher als auch rechtlicher Hinsicht - sein Bewenden (nicht publ. E. 1): Die Beschwerdeführerin hat seit Februar 2004 gewusst oder hätte seit diesem Zeitpunkt zumindest wissen müssen, dass es sich bei den Geldern, die von der Stiftung auf das Konto der V. AG Nr. ... überwiesen wurden, um gebundene Mittel der Stiftung handelte, die besonderen Anlagevorschriften unterlagen. Dessen ungeachtet hat sie - auf Anweisung der Beklagten 1 und 4 - Zahlungen ausgelöst, die weder der Anlagetätigkeit der Stiftung noch der Deckung von Verwaltungsaufgaben und auch nicht der Befriedigung von Versichertenansprüchen dienten (am 17. Juni 2004: u.a. Beteiligung an einer Start-Up-Gesellschaft in Millionenhöhe; am 16. Juli 2004: Begleichung einer Forderung eines Kunden der Beschwerdeführerin über 1 Mio. Fr.; am 19. Juli 2004: Investition in ein privates Immobilienprojekt des Beklagten 4 in Spanien. Mit anderen Worten hat die Beschwerdeführerin Zahlungen ausgelöst, obwohl sie wusste oder hätte wissen müssen, dass diese zweckwidrig und geeignet waren, der Stiftung Schaden zuzufügen. Im Weiteren hat sie ihre Sorgfaltspflicht u.a. auch dadurch verletzt, indem sie eine unklare und missverständliche Bestätigung vom 15. Februar 2005 abgegeben hat, die vom Beklagten 4 vorgegeben worden war und von der sie hätte wissen müssen, dass die Empfänger bei der Stiftung daraus falsche Schlüsse bezüglich des tatsächlich von ihr betreuten Stiftungsvermögens ziehen konnten (Bestätigung, dass die "Summe von CHF 18 618 701.70 per 31.12.04 mit unsere[n] Daten übereinstimmt"). Ferner hat sie zwei Mal schriftliche Bestätigungen, vom 8. und 21. März 2005, bezüglich des Deckungskapitals bzw. bezüglich der Verzinsung dieses Deckungskapitals abgegeben. Adressaten waren die Stiftung ("per 1. März 2005 [steht Ihnen] zusätzliches Deckungskapital von CHF 9,4 Mio. für die zukünftige Akquisition von neuen Kunden zur Verfügung") bzw. sämtliche ihrer Vorsorgewerke ("Wir bestätigen, dass das Deckungskapital [...] per 31.12.2004 und die Verzinsung 2005 verbucht und sichergestellt sind."). Eine Überprüfung der - wiederum vom Beklagten 4 vorformulierten - Erklärungen hat nicht stattgefunden. Die Beschwerdeführerin hat daher nicht gewusst, ob die beiden Bestätigungen vom 8. und 21. März 2005 überhaupt eine Entsprechung in der Realität hatten. Sie hätte aber wissen müssen, dass ihre Erklärungen geeignet waren, bei den Adressaten falsche Vorstellungen bezüglich des Vorhandenseins von Deckungskapitalien zu wecken.
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Sachverhalt ab Seite 352 BGE 147 II 351 S. 352 A. Am 12. August 2015 erteilte die Baukommission der Gemeinde Malans E. die Baubewilligung für den Abbruch einer Remise, den Neubau eines Keltereigebäudes sowie den Bau einer Zufahrtsstrasse zu diesem Gebäude auf der in der Grünzone gelegenen Parzelle Nr. 1283. Die Einsprachen gegen das Bauprojekt wies die Baukommission ab bzw. trat darauf nicht ein. Die dagegen erhobenen Einsprachen wies der Gemeindevorstand am 9. Februar 2016 ab bzw. trat darauf nicht ein. Mit Entscheid vom 4. April 2017 (R 16 24) hiess das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden die gegen diesen Entscheid erhobene Beschwerde gut und wies die Angelegenheit an die Gemeinde zurück. Zur Begründung führte es aus, der kommunale Bauberater, der das Bauvorhaben beurteilt hatte, erscheine aufgrund vergangener Auftragsverhältnisse für E. als abhängig und voreingenommen. Am 7. Februar 2018 bestätigte die Baukommission nach Eingang der Beurteilung des neu beigezogenen Bauberaters die Baubewilligung und wies die erneut zu behandelnde Baueinsprache wiederum ab. Gegen diesen Entscheid erhoben B. und Mitbeteiligte gemeinsam Einsprache beim Gemeindevorstand, welcher die Einsprache am 26. Juni 2018 abwies. Das Verwaltungsgericht schützte diesen Entscheid am 7. Mai 2019 (R 18 63). B. Mit Eingabe vom 16. August 2019 führen A., B., C. sowie D. Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht. Sie beantragen, der angefochtene Entscheid des Verwaltungsgerichts R 18 63 sei aufzuheben und es sei den vom Beschwerdegegner auf Parzelle Nr. 1283 geplanten Bauvorhaben (Neubau BGE 147 II 351 S. 353 Keltereigebäude, Neubau Zufahrtsstrasse) der Bauabschlag zu erteilen. (...) Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut und hebt die Baubewilligung auf. (Auszug) Erwägungen Aus den Erwägungen: 4. Die Vorinstanzen gingen vorliegend davon aus, dass die Grünzone gemäss Art. 22 des Baugesetzes der Gemeinde Malans (BauG/Malans), erstmals von der Kantonsregierung am 12. Mai 2009 und die letzte Änderung am 6. Februar 2018 genehmigt, planungsrechtlich Teil des Baugebiets sei. Dies ergebe sich insbesondere aus der Gesetzessystematik. 4.1 Das Bundesgesetz über die Raumplanung (RPG; SR 700) definiert Bauzonen ( Art. 15 RPG ), Landwirtschaftszonen ( Art. 16 RPG ) und Schutzzonen ( Art. 17 RPG ). Art. 18 RPG erlaubt es zudem den Kantonen, die bundesrechtlichen Grundtypen zu unterteilen, variieren, kombinieren und ergänzen. Allerdings dürfen sie die in Art. 15 bis 17 RPG geschaffene Ordnung nicht unterlaufen und müssen insbesondere die für das Raumplanungsrecht fundamentale Unterscheidung zwischen Bauzonen und Nichtbauzonen (Trennungsgrundsatz) einhalten. Die weiteren Nutzungszonen nach Art. 18 RPG sind daher entweder der Kategorie Bauzonen oder der Kategorie Nichtbauzonen zuzuordnen. Was zur Bauzone zu rechnen ist, wird in Art. 15 RPG bundesrechtlich abschliessend festgelegt. Lässt die Hauptbestimmung einer Zone regelmässig Bautätigkeiten zu, welche weder mit bodenerhaltenden Nutzungen (vorab der Landwirtschaft) verbunden noch auf einen ganz bestimmten Standort angewiesen sind, so liegt von Bundesrechts wegen eine Bauzone vor, für welche die Voraussetzungen gemäss Art. 15 f. RPG gelten. Andernfalls ist das Gebiet als Nichtbauzone zu qualifizieren, auch wenn gewisse standortspezifische Vorhaben zugelassen werden (z.B. Materialabbauzonen, Energiegewinnungsanlagen oder touristische Anlagen; vgl. zum Ganzen BGE 145 II 83 E. 4.1 S. 86 f. mit Hinweisen). 4.2 Das Baugesetz der Gemeinde Malans unterscheidet Bauzonen (Bst. A), Landwirtschaftszonen (Bst. B), Schutzzonen (Bst. C) sowie weitere Zonen (Bst. D). Innerhalb der Bauzonen differenziert es Wohnbauzonen (Art. 16 ff.) und Gewerbe-Wohnzonen (Art. 19 ff.); unter dem Titel Gewerbe-Wohnzonen regelt das Baugesetz die BGE 147 II 351 S. 354 Wohn-Gewerbezonen A und B (Art. 19 und 20), die Gewerbezone (Art. 21) und die Grünzone gemäss Art. 22 BauG/Malans, welche wie folgt definiert wird: 1 Die Grünzone dient dem Schutz des Ortsbildes. Hochbauten und oberirdisch in Erscheinung tretende Tiefbauten sind untersagt. Zulässig sind Kleinbauten, die im Zusammenhang mit der Bewirtschaftung der Zone stehen, wie Wingerthäuschen, Geräteschöpfe usw., die folgende Masse nicht überschreiten: Grundfläche 15 m 2 Gebäudehöhe 2.5 m Firsthöhe 4.0 m 2 Ausnahmen von diesen Höchstmassen können für landwirtschaftliche Ökonomiebauten (u.a. Selbstkelterei) bewilligt werden, die in direktem Zusammenhang mit einem in einer angrenzenden Zone liegenden Hauptbetrieb erstellt werden. Bei Baugesuchen ist der Bauberater anzuhören. 4.3 Entscheidend dafür, ob es sich bei einer Zone um eine Bauzone handelt, ist, wie erwähnt (vgl. E. 4.1), ob sie ihrer Hauptbestimmung nach regelmässig Bautätigkeiten zulässt. Mithin ist nicht die Bezeichnung der Zone, sondern deren tatsächlicher Zweck massgeblich. Hauptzweck der vorliegenden Grünzone ist gemäss Art. 22 Abs. 1 Satz 1 BauG/Malans der Schutz des Ortsbildes. Überbauungen sind insoweit grundsätzlich nicht erlaubt (Abs. 1) bzw. nur ausnahmsweise, wenn sie im Zusammenhang mit der Bewirtschaftung der Flächen stehen, wie Wingerthäuschen, Geräteschöpfe und landwirtschaftliche Ökonomiebauten, die in direktem Zusammenhang mit einem in der angrenzenden Zone liegenden Hauptbetrieb stehen (Abs. 2). Bereits aus dem ersten Satz von Art. 22 Abs. 1 BauG/Malans ergibt sich somit klar, dass die Grünzone, die zu einem wesentlichen Teil aus Rebbergen besteht, nicht hauptsächlich eine Überbauung der Fläche bezweckt, sondern im Gegenteil deren Freihaltung zum Schutz des Ortsbildes. Dieser Schutzzweck hat eine umso grössere Bedeutung, als Malans seit seiner Aufnahme am 1. November 1992 ins Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz von nationaler Bedeutung (ISOS) zu den schützenswerten Ortsbildern gehört und dem vorliegend betroffenen Grünraum das Erhaltungsziel "a" zugewiesen wurde (Erhalten der Beschaffenheit als Kulturland oder Freifläche). Gemäss der Einschätzung des ISOS sollen die noch vorhandenen Rebgebiete im Kerngebiet des Ortes "auf jeden Fall unverbaut bleiben". Dazu gehört die Umgebungszone VI, in welcher die Bauparzelle liegt. Die Kantone und BGE 147 II 351 S. 355 Gemeinden sind verpflichtet, das ISOS im Rahmen ihrer Ortsplanung zu berücksichtigen ( BGE 135 II 209 E. 2.1 S. 213; vgl. nun auch die ausdrückliche Berücksichtigungspflicht in Art. 11 der Verordnung vom 13. November 2019 über das Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz [VISOS; SR 451.12] bzw. Art. 4a der vorher geltenden gleichnamigen Verordnung vom 9. September 1981 [AS 1981 1680 und AS 2010 1593, 1597]). Das Baugesetz von Malans und sein aktueller Zonenplan sind jünger als der ISOS-Eintrag. Es liegt somit nahe, die Bestimmung von Art. 22 BauG/Malans samt Zonenplan als dessen Umsetzung zu verstehen. Während Bauten und Anlagen in einer Bauzone nach Art. 15 RPG grundsätzlich zu den in der Zone festgelegten baulichen Zwecken errichtet werden dürfen, ist die Baubewilligungsfähigkeit vorliegend stark eingeschränkt. Es mangelt der Zonenumschreibung mithin an der Festlegung der Bautätigkeit als "Regelnutzung". Eine solche wäre aber für die Zuordnung der Grünzone zur Bauzone im Sinne von Art. 15 RPG notwendig. Der zweite Satz von Art. 22 Abs. 1 BauG/Malans erlaubt ausdrücklich nur Kleinbauten, die im Zusammenhang mit der Bewirtschaftung der Zone stehen, wie Wingerthäuschen, Geräteschöpfe usw. In Bezug auf den Zusammenhang mit der Bewirtschaftung entspricht dies der typischen Umschreibung einer Landwirtschaftszone, sind dort doch grundsätzlich nur Bauten und Anlagen erlaubt, die zur landwirtschaftlichen Bewirtschaftung oder für den produzierenden Gartenbau nötig sind ( Art. 16a Abs. 1 RPG ). Es handelt sich demnach bei der vorliegenden Grünzone jedenfalls nicht um eine Bauzone, sondern um eine Nichtbauzone. Ob die Zone dabei als Landwirtschaftszone nach Art. 16 RPG bzw. als Schutzzone gemäss Art. 17 Abs. 1 lit. b und c RPG oder als weitere Nutzungszone nach Art. 18 RPG zu qualifizieren ist, kann vorliegend offenbleiben. Entscheidend für das weitere Vorgehen ist einzig, dass das geplante Bauvorhaben nicht wie von der Vorinstanz angenommen innerhalb, sondern ausserhalb der Bauzone erstellt werden soll. 4.4 Bauten und Anlagen ausserhalb der Bauzonen bedürfen gemäss Art. 24 ff. RPG einer Ausnahmebewilligung. Ob das Bauvorhaben in der eingereichten Form ausserhalb der Bauzone bewilligungsfähig ist, hat das Bundesgericht grundsätzlich nicht als erste Instanz zu entscheiden. Aus prozessökonomischen Gründen rechtfertigen sich jedoch folgende Ausführungen: BGE 147 II 351 S. 356 Die Erteilung einer Ausnahmebewilligung ausserhalb der Bauzone nach Art. 24 RPG stellt nach ständiger bundesgerichtlicher Rechtsprechung eine Bundesaufgabe im Sinne von Art. 2 Abs. 1 lit. b des Bundesgesetzes vom 1. Juli 1966 über den Natur- und Heimatschutz (NHG; SR 451) dar (vgl. BGE 136 II 214 E. 3 S. 219 mit Hinweisen; Urteil 1C_231/2011 vom 16. Dezember 2011 E. 1, nicht publ. in: BGE 138 II 23 ). Bei der Erteilung der Ausnahmebewilligung wäre daher im Rahmen der Interessenabwägung gemäss Art. 24 RPG der ISOS-Eintrag der Gemeinde Malans zu beachten (vgl. Art. 6 Abs. 2 NHG ). Dieser schliesst vorliegend eine Überbauung im Rebgebiet des Malanser Dorfkerns, wo der Neubau erstellt werden soll, aus (vgl. E. 4.3 hiervor). Eine Ausnahmebewilligung für das geplante Projekt, welches nicht im nationalen Interesse liegt, könnte folglich nicht gestützt auf Art. 24 RPG erteilt werden. Nicht in Betracht fiele auch eine Ausnahmebewilligung nach Art. 24c Abs. 2 RPG . Die bestehende Remise mit einer Fläche von 105 m 2 soll durch einen Neubau mit einer mehr als sechs Mal grösseren Fläche von 650 m 2 ersetzt werden (vgl. nicht publ. E. 2.3). Angesichts dieser massiven Vergrösserung kann das umstrittene Bauprojekt in seiner eingereichten Form mithin nicht als massvolle Erweiterung im Sinne von Art. 24c Abs. 2 RPG i.V.m. Art. 42 Abs. 3 lit. b RPV (SR 700.1) bezeichnet werden, sondern scheitert an den dort statuierten prozentualen und absoluten Schranken. Aus diesem Grund könnte auch keine Ausnahmebewilligung nach Art. 24c Abs. 2 RPG erteilt werden. Das Bauvorhaben des Beschwerdegegners kann somit unter keinem Titel bewilligt werden. Die Beschwerde erweist sich als begründet. Ob ein neues, weniger grosses Projekt gestützt auf Art. 24c Abs. 2 RPG in Betracht fallen könnte, braucht an dieser Stelle nicht geprüft zu werden.
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1816e874-4de7-4745-93d4-ee560c16131b
Sachverhalt ab Seite 60 BGE 116 III 59 S. 60 In einer gegen X. hängigen Betreibung erstellte das Betreibungsamt am 15. Februar 1990 das Verwertungsprotokoll (samt Abrechnung). Es hat das für den Schuldner bestimmte Exemplar der Urkunde am 16. Februar 1990 sowohl eingeschrieben als auch mit gewöhnlicher Post mit dem Adressvermerk "postlagernd" nach A. gesandt. Mit einer der Post am 26. März 1990 übergebenen Eingabe vom 23. März 1990 erhob X. Beschwerde bei der unteren Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen. Diese entschied am 9. Mai 1990, dass auf die Beschwerde nicht eingetreten werde, da sie verspätet sei. Den von X. gegen diesen Beschluss eingereichten Rekurs wies die obere kantonale Aufsichtsbehörde am 25. Juli 1990 ab. X. hat hiergegen an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts rekurriert. Soweit auf den Rekurs einzutreten war, ist er gutgeheissen worden. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. a) Beide kantonalen Instanzen sind gestützt auf eine Auskunft des Postamtes A. davon ausgegangen, dass am 17. Februar 1990 beim dortigen Dienst für postlagernde Sendungen für den Rekurrenten eine Abholungseinladung bezüglich der das angefochtene Verwertungsprotokoll vom 15. Februar 1990 enthaltenden Sendung hinterlegt worden sei. Unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichts, insbesondere auf BGE 115 Ia 15 Erw. 3a, haben sie sodann festgehalten, die Sendung gelte, zumal nicht früher abgeholt, als am letzten Tag der siebentägigen Abholfrist (vgl. Art. 157 und Art. 169 Abs. 1 lit. d der Verordnung (1) zum Postverkehrsgesetz (PVV); SR 783.01) zugestellt. An sich habe die erwähnte Frist bis zum 24. Februar 1990 gedauert, doch sei sie, da dieses Datum auf einen Samstag gefallen sei, bis zum Montag, 26. Februar 1990, verlängert worden. Die bei der Post zuhanden der unteren Aufsichtsbehörde am 26. März 1990 aufgegebene Beschwerde sei daher verspätet. BGE 116 III 59 S. 61 b) Nicht abgeholte eingeschriebene Sendungen, die bei der Zustellung keinem Bezugsberechtigten hatten ausgehändigt werden können und im Sinne von Art. 157 PVV zur Abholung angezeigt worden waren, gelten nach der von den kantonalen Aufsichtsbehörden angeführten Rechtsprechung in der Tat als am letzten Tag der erwähnten postrechtlichen Abholfrist von sieben Tagen zugestellt, wenn der Adressat mit der Zustellung hatte rechnen müssen. Diese Fiktion setzt jedoch klar voraus, dass eine Abholungseinladung gemäss Art. 157 PVV in den Briefkasten (gegebenenfalls in das Postfach) des Adressaten gelegt worden und damit in dessen Privatbereich gelangt ist (vgl. BGE 115 Ia 15 Erw. 3a). Bei postlagernd adressierten Sendungen ist dies naturgemäss nicht möglich. Wohl hat das Postamt A. für die hier in Frage stehende eingeschriebene Sendung des Betreibungsamtes ... am 17. Februar 1990 eine Abholungseinladung - ohne Fristvermerk - ausgestellt, was insofern durchaus seine Berechtigung hatte, als die eingeschriebenen Sendungen regelmässig separat aufbewahrt werden. Dass die Abholungseinladung nicht (nur) bei den für den Rekurrenten bestimmten Postlagernd-Sendungen, sondern (auch) an einem andern Ort hinterlegt oder dass sie dem Rekurrenten gar persönlich übergeben worden wäre, ist jedoch nicht dargetan. Die von den kantonalen Instanzen angerufene Rechtsprechung konnte unter diesen Umständen nach dem Gesagten nicht zum Tragen kommen. c) Postlagernd adressierte eingeschriebene Sendungen lagern bei der Bestimmungspoststelle einen Monat lang (Art. 166 Abs. 2 lit. a PVV). Holt sie der Adressat innert dieser Frist nicht ab, gelten sie als unzustellbar (Art. 169 Abs. 1 lit. g PVV), und sie werden dann - falls der Absender nichts anderes bestimmt hat - an den Aufgabeort zurückgeleitet (Art. 169 Abs. 2 PVV). Unter den genannten Umständen wäre allenfalls in Erwägung zu ziehen, ob in Analogie zu der von den kantonalen Instanzen - zu Unrecht - herangezogenen Rechtsprechung in Fällen der vorliegenden Art angenommen werden sollte, die Sendung gelte - falls sie nicht abgeholt wird - als am letzten Tag der einmonatigen Aufbewahrungsfrist gemäss Art. 166 Abs. 2 lit. a PVV zugestellt. Die Frage mag indessen dahingestellt bleiben. Die erwähnte Monatsfrist begann hier am 17. Februar 1990 zu laufen und endete, da der letzte Tag (17. März) auf einen Samstag fiel, am 19. März 1990 (Montag). Dass der Rekurrent die fragliche Sendung bzw. das darin enthaltene Verwertungsprotokoll schon zu einem früheren BGE 116 III 59 S. 62 Zeitpunkt entgegengenommen hätte, ist nicht dargetan. Selbst wenn deshalb davon ausgegangen wird, die zehntägige Beschwerdefrist gemäss Art. 17 Abs. 2 SchKG sei am 19. März 1990 ausgelöst worden und habe am 29. März 1990 geendet, war die vom Rekurrenten am 26. März 1990 aufgegebene Beschwerde rechtzeitig ...
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Sachverhalt ab Seite 74 BGE 146 V 74 S. 74 A. A., geboren 1962, war als Monteur bei der B. GmbH tätig und dadurch bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (Suva) BGE 146 V 74 S. 75 obligatorisch gegen die Folgen von Unfällen versichert, als er am 22. April 2010 bei der Arbeit verunfallte. Bei einer Gasexplosion und anschliessendem Sturz aus einer Höhe von 8 Metern zog er sich Verbrennungen auf rund 60 % seiner Körperoberfläche, einen Beckenbruch, Rippen- und Wirbelbrüche sowie innere Verletzungen zu. Die Suva erbrachte die gesetzlichen Versicherungsleistungen. Die IV-Stelle des Kantons Obwalden sprach ihm am 28. März 2013 ab 1. April 2011 eine ganze Rente zu. Mit Verfügung vom 23. August 2017, bestätigt mit Einspracheentscheid vom 5. Oktober 2017, sprach die Suva A. eine Invalidenrente bei einem Invaliditätsgrad von 100 % und eine Integritätsentschädigung von 87,5 % zu. Mit Verfügung vom 5. April 2018 stellte die Suva fest, dass unter Berücksichtigung ihrer Leistungen sowie jener der Invalidenversicherung (IV) noch ein (rückwirkender) Taggeldanspruch von Fr. 2'569.65 bestehe, da eine Überentschädigung von Fr. 185'357.70 ausgerichtet worden sei. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 11. Juni 2018 fest. B. Das Verwaltungsgericht des Kantons Obwalden wies die dagegen erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 26. Juni/15. Juli 2019 ab. C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt A. beantragen, der Einspracheentscheid der Suva sowie der vorinstanzliche Entscheid seien aufzuheben. Die Suva sei zu verpflichten, bei der Berechnung der Überentschädigung auch den Erwerbsausfall seiner Ehefrau zu berücksichtigen und ihm gestützt darauf Fr. 185'357.70 zu bezahlen. Eventualiter sei die Sache zur weiteren Abklärung und zur Neubeurteilung an die Suva zurückzuweisen. Zudem sei diese zu verpflichten, ihm für das kantonale Gerichtsverfahren eine Parteientschädigung von Fr. 5'000.- zu entrichten. Die Vorinstanz und die Suva schliessen auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine Vernehmlassung. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Streitig ist, ob die Vorinstanz Art. 69 Abs. 2 ATSG (SR 830.1) verletzte, indem sie in Bestätigung des Einspracheentscheids der Suva bei der Berechnung der Überentschädigung den Erwerbsausfall der Ehefrau des Versicherten nicht als Einkommenseinbusse berücksichtigte. BGE 146 V 74 S. 76 3. Nach Art. 69 Abs. 1 ATSG darf das Zusammentreffen von Leistungen verschiedener Sozialversicherungen nicht zu einer Überentschädigung der berechtigten Person führen. Bei der Berechnung der Überentschädigung werden nur Leistungen gleicher Art und Zweckbestimmung berücksichtigt, die der anspruchsberechtigten Person auf Grund des schädigenden Ereignisses gewährt werden. Eine Überentschädigung liegt in dem Masse vor, als die gesetzlichen Sozialversicherungsleistungen den wegen des Versicherungsfalls mutmasslich entgangenen Verdienst zuzüglich der durch den Versicherungsfall verursachten Mehrkosten und allfälliger Einkommenseinbussen von Angehörigen übersteigen (Abs. 2). 4. 4.1 Die Vorinstanz führte dazu aus, unter Berücksichtigung der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, welche bezüglich der in Art. 69 Abs. 2 ATSG erwähnten Mehrkosten eine weite Auslegung vorsehe, und der Botschaft zum ATSG, die eine Einkommenseinbusse durch Übernahme der Pflege ausdrücklich als Beispiel aufzähle, könne der Argumentation der Suva, wonach nur Einkommenseinbussen auf Grund der Übernahme von Pflege und Betreuung des Versicherten von Art. 69 Abs. 2 ATSG erfasst seien, nicht gefolgt werden. Es sei zu prüfen, ob die Einkommenseinbusse der Ehefrau des Versicherten kausal durch dessen Unfall verursacht worden sei. Die Ehefrau sei beim Unfall nicht anwesend gewesen, weshalb eine unmittelbare Schädigung durch den Unfall selbst oder den Anblick des Unfalls zu verneinen sei. Der Versicherte berufe sich bezüglich des Kausalzusammenhangs auf die Rechtsprechung zum Schockschaden. Die Einkommenseinbusse der Ehefrau basiere auf deren Arbeitsunfähigkeit, die unter anderem durch eine posttraumatische Belastungsstörung verursacht worden sei. Nebst dem Unfall des Versicherten sei den IV-Akten betreffend die Ehefrau kein weiteres ausreichend starkes Trauma zu entnehmen, so dass ein natürlicher Kausalzusammenhang zu bejahen sei. Allerdings müsse auch ein adäquater Kausalzusammenhang bestehen, damit eine Haftung bejaht werden könne. Die Arbeitsunfähigkeit der Ehefrau sei nicht wegen der Unfallnachricht, sondern infolge des täglichen Miterlebens des Überlebenskampfes des Versicherten und der Mehrfachbelastung durch das eigene Unternehmen sowie die Familien- und Haushaltbetreuung eingetreten. Es liege kein plötzlicher Schock vor, sondern eine langfristige Entwicklung der psychischen Erkrankung. Entgegen der Ansicht des Versicherten reiche zur Annahme eines Schockschadens nicht aus, BGE 146 V 74 S. 77 dass die Arbeitsunfähigkeit der Ehefrau indirekt und zeitlich verzögert durch den Unfall verursacht worden sei, da es vorliegend an der vom Bundesgericht geforderten Unmittelbarkeit fehle. Da ein Schockschaden im zivilrechtlichen Sinne vorliegend auszuschliessen sei und der sozialversicherungsrechtliche Schadensbegriff (noch) enger gefasst werde als der zivilrechtliche, sei eine durch Art. 69 Abs. 2 ATSG gedeckte Einkommenseinbusse der Ehefrau des Versicherten zu verneinen. Wie weit Art. 69 Abs. 2 ATSG tatsächlich auszulegen sei, d.h. ob ein zivilrechtlich anerkannter Schockschaden von Angehörigen grundsätzlich in die Berechnung der Überentschädigung miteinzubeziehen wäre, könne vor diesem Hintergrund offenbleiben. 4.2 Der Versicherte macht geltend, die Vorinstanz habe betreffend Einkommenseinbussen von Angehörigen gemäss Art. 69 Abs. 2 ATSG zu Recht festgehalten, dass nicht ausschliesslich Einkommenseinbussen infolge Übernahme von Pflege und Betreuung des Versicherten zu berücksichtigen seien. Sie habe die Kausalität zwischen seinem Unfall und der Einkommenseinbusse seiner Ehefrau mangels Adäquanz verneint. Entgegen der Auffassung des kantonalen Gerichts sei bei der Berechnung der Überentschädigung für die Berücksichtigung der Einkommenseinbusse Angehöriger nach Art. 69 Abs. 2 ATSG keine Adäquanzprüfung vorzunehmen. Es genüge die natürliche Kausalität, welche vorliegend gegeben sei. Das Bundesgericht habe in BGE 139 V 108 ebenfalls keine Adäquanzprüfung vorgenommen. Falls eine solche erforderlich sei, sei die Adäquanz vorliegend zu bejahen. Seine Ehefrau habe unmittelbar nach dem Unfall von seinen lebensbedrohlichen Verletzungen erfahren. Die Ärzte hätten ihm kaum Überlebenschancen prognostiziert. Seine Ehefrau habe ihn unermüdlich über mehrere Monate lang auf der Intensivstation für Brandopfer besucht. Gleichzeitig habe sie sich zu Hause um die kleinen Kinder und das eigene Geschäft gekümmert. Diese Gesamtsituation habe zu ihrer psychischen Überforderung und Arbeitsunfähigkeit geführt. Die Unfallfolgen seien nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet gewesen, bei seiner Ehefrau zu einer posttraumatischen Belastungsstörung und damit zu einem Erwerbsausfall in der Höhe von jährlich rund Fr. 65'000.- zu führen. Folglich habe die Suva bei der Berechnung der Überentschädigung auch den Erwerbsausfall seiner Ehefrau zu berücksichtigen. 4.3 Die Suva bringt in ihrer Vernehmlassung im Wesentlichen vor, die Erwerbseinbusse der Ehefrau des Versicherten sei nicht durch BGE 146 V 74 S. 78 die Übernahme von Pflege und Betreuung oder wegen anderer Aufwendungen zu dessen Gunsten verursacht worden, sondern infolge einer psychischen Erkrankung. Daher könne dieser Einkommensausfall bei der Überentschädigung nach Art. 69 Abs. 2 ATSG nicht berücksichtigt werden. Eine solche "nachgelagerte" Erwerbseinbusse könne nicht dem Schaden des Versicherten zugeordnet werden. 5. 5.1 Ausgangspunkt jeder Auslegung bildet der Wortlaut der Bestimmung. Ist der Text nicht ganz klar und sind verschiedene Interpretationen möglich, so muss nach seiner wahren Tragweite gesucht werden unter Berücksichtigung aller Auslegungselemente. Abzustellen ist dabei namentlich auf die Entstehungsgeschichte der Norm und ihren Zweck, auf die dem Text zu Grunde liegenden Wertungen sowie auf die Bedeutung, die der Norm im Kontext mit anderen Bestimmungen zukommt. Die Gesetzesmaterialien sind zwar nicht unmittelbar entscheidend, dienen aber als Hilfsmittel, um den Sinn der Norm zu erkennen. Das Bundesgericht hat sich bei der Auslegung von Erlassen stets von einem Methodenpluralismus leiten lassen und nur dann allein auf das grammatikalische Element abgestellt, wenn sich daraus zweifelsfrei die sachlich richtige Lösung ergab ( BGE 145 V 2 E. 4.1 S. 6; BGE 142 V 442 E. 5.1 S. 445; je mit Hinweisen). 5.2 Art. 69 Abs. 2 ATSG spricht lediglich von "durch den Versicherungsfall verursachten Mehrkosten und allfälliger Einkommenseinbussen von Angehörigen" ("les frais supplémentaires et les éventuelles diminutions de revenu subies par les proches"; "incluse le spese supplementari provocate dallo stesso evento ed eventuali diminuzioni di reddito subite da congiunti"). Der Wortlaut ist relativ offen formuliert. Daraus ergibt sich nicht ohne Weiteres, dass die Einkommenseinbusse der Angehörigen durch die Übernahme von Pflege und Betreuung oder auf Grund anderer Aufwendungen zu Gunsten der versicherten Person verursacht worden sein muss, wie dies von der Suva geltend gemacht wird. 5.3 5.3.1 Aus den Materialien zu Art. 69 Abs. 2 ATSG (entspricht Art. 76 Abs. 2 E-ATSG) geht hervor, dass die Frage der Überentschädigung im Laufe der parlamentarischen Beratungen Änderungen erfahren hat (vgl. etwa BBl 1999 IV 4639). In der Sitzung der Kommission des Ständerates für soziale Sicherheit und Gesundheit vom 20. Februar 1989 wurde ausgeführt, für die Berechnung der BGE 146 V 74 S. 79 Versicherungsleistungen sei dem Einkommen der versicherten Person auch noch jenes der Angehörigen hinzuzurechnen. Es komme oft vor, dass Angehörige von Invaliden ihre Erwerbstätigkeit aufgäben und zur Pflege zu Hause blieben. Mit der Bestimmung solle dies berücksichtigt werden (Protokoll der Sitzung vom 20. Februar 1989, S. 38). 5.3.2 Im Bericht der Kommission des Ständerates für soziale Sicherheit und Gesundheit vom 27. September 1990 wurde festgehalten, nach Art. 76 Abs. 2 E-ATSG solle für die Beurteilung der Überentschädigung - wie dies in den meisten Sozialversicherungszweigen der Fall sei - auf den mutmasslich entgangenen Verdienst der berechtigten Person abgestellt werden, für dessen Bestimmung das vor dem Versicherungsfall erzielte Einkommen ein wichtiges Indiz bilde. Auf eine Gesamtverdienstberechnung unter Einschluss des Einkommens der mit der berechtigten Person zusammenlebenden Angehörigen werde verzichtet. Nur wenn diese beispielsweise wegen der Übernahme der Pflege eines Invaliden eine Einkommenseinbusse erleiden würden, solle der Betrag gleich wie allfällige behandlungs- oder betreuungsbedingte Mehrkosten zum entgangenen Verdienst, also zum Grenzbetrag der Überentschädigung zugeschlagen werden (BBl 1991 II 267). 5.3.3 In seiner vertieften Stellungnahme vom 17. August 1994 vertrat der Bundesrat die Auffassung, dass eine "Nur"-Hausfrau, die Angehörige pflege, der Ehegatte, der die Ferien opfere, um Pflege zu übernehmen, oder wer in der Freizeit Angehörige zu einem allenfalls weit entfernten Arzt mit dem Auto transportiere, ebenfalls Anspruch auf die Berücksichtigung des Zeitaufwandes haben solle, selbst wenn ein Einkommensausfall nicht nachzuweisen sei. Damit würden auch die Spitäler entlastet. Dementsprechend beantragte der Bundesrat folgende Ergänzung des Absatzes 2: "Arbeitsleistungen von Angehörigen gelten auch dann als Mehrkosten, wenn sie keine Einkommenseinbusse zur Folge haben" (BBl 1994 V 955). 5.3.4 In den Sitzungen der Subkommission ATSG der Kommission des Nationalrates für soziale Sicherheit und Gesundheit war stets von Pflege- und Betreuungsleistungen von Angehörigen bzw. der Anrechnung solcher Leistungen die Rede. Es wurde auf die Frage eingegangen, ob im Rahmen von Art. 76 Abs. 2 E-ATSG Arbeitsleistungen von Angehörigen, die diese im Rahmen der Betreuung und Pflege der versicherten Person erbrachten, in die Überentschädigung miteinzubeziehen seien. Auch wurde darüber debattiert, ob BGE 146 V 74 S. 80 angesichts der im Rahmen der 10. AHV-Revision eingeführten Betreuungsgutschriften die unentgeltlich geleistete Arbeit von Frauen für ihre verunfallten Männer, die keine Einkommenseinbusse erlitten, bei der Überentschädigungsberechnung zu berücksichtigen sei und eine Beitrags- und Steuerpflicht auslöse. Zudem wurde das Verhältnis von Haftpflicht- und Sozialversicherungsrecht erörtert (Protokoll der Sitzung vom 15. August 1995, S. 21 ff.). Weiter wurde darauf hingewiesen, dass der Ständerat nur die effektiven Einkommenseinbussen habe anrechnen wollen (Protokoll der Sitzung vom 12. September 1995, S. 53 ff.). In der Kommission des Nationalrates für soziale Sicherheit und Gesundheit wurde festgehalten, es gehe in Absatz 2 materiell darum, welche Pflege- und Betreuungsleistungen von Angehörigen entschädigungsberechtigt sein sollen (Protokoll der Sitzung vom 17. November 1995, S. 32). Schliesslich wurde dargelegt, dass es vorwiegend um Dienstleistungen gehe, welche gratis von Frauen übernommen würden. Wenn diese wegen des Versicherungsfalls nicht mehr ihrer Tätigkeit nachgehen könnten, würden sie Einkommenseinbussen erleiden oder müssten sich anders organisieren. Im Zusammenhang mit der Berücksichtigung von Einkommenseinbussen von Angehörigen wurde auf die Regelung in der Militär- und Krankenversicherung hingewiesen (Protokoll der Sitzung vom 15. Januar 1999, S. 33 ff.). 5.3.5 Gemäss Bericht der Kommission des Nationalrates für soziale Sicherheit und Gesundheit vom 26. März 1999 folgte die Kommissionsmehrheit dem Ständerat. Sie lehne den Antrag des Bundesrates ab, wonach Arbeitsleistungen von Angehörigen, die keine Einkommenseinbusse zur Folge hätten, als Mehrkosten zu berücksichtigen seien. Eine Minderheit sei der Auffassung, dass Einkommenseinbussen von Angehörigen, welche durch den Versicherungsfall verursacht würden, nicht berücksichtigt werden sollten. Nachdem die erweiterte Formulierung des Bundesrates nicht übernommen worden sei, sei klar, dass diejenigen Arbeitsleistungen von Angehörigen nicht zu berücksichtigen seien, welche keine Einkommenseinbusse zur Folge hätten (etwa in die Freizeit fallende Transporte von Angehörigen; Pflege während der Ferien der Angehörigen). Die Berücksichtigung von Einkommenseinbussen von Angehörigen finde sich in Art. 29 Abs. 1 der Verordnung vom 10. November 1993 über die Militärversicherung (MVV; SR 833.11) . Welche Einkommenseinbussen im Rahmen der Überentschädigungsberechnung zu berücksichtigen seien, habe die Rechtsanwendung zu klären. Dabei werde BGE 146 V 74 S. 81 von Bedeutung sein, dass im ständerätlichen Bericht die Übernahme der Pflege und die dadurch bedingte Einkommenseinbusse als Beispiel einer Anrechnung genannt werde (BBl 1999 IV 4641 ff.). 5.3.6 Im Nationalrat wurde ausgeführt, die Kommissionsminderheit verlange, allfällige Einkommenseinbussen von Angehörigen nicht in die Berechnung der Überentschädigung miteinzubeziehen. Die Mehrheit wolle sie aber berücksichtigen, was eine materielle Ausdehnung des Leistungsniveaus sei. Einkommenseinbussen von Angehörigen würden aktuell nur im Bundesgesetz über die Militärversicherung berücksichtigt. Mit diesem Antrag zu Art. 76 Abs. 2 E-ATSG verstosse die Mehrheit gegen den Grundsatz der Kongruenzmethode (Votum Hochreutener, AB 1999 N 1250). Der Berichterstatter der Kommission legte dar, die zu behandelnde Differenz sei jene zwischen Ständerat, Bundesrat und Kommissionsmehrheit einerseits und der Kommissionsminderheit andererseits. Der Bundesrat habe in Anlehnung an die Regelung im Haftpflichtrecht Arbeitsleistungen von Angehörigen auch dann miteinbeziehen wollen, wenn sie keine Einkommenseinbussen zur Folge hätten. Die Kommissionsmehrheit habe sich an der Fassung des Ständerates orientiert, wonach nur die effektiv realisierten Einkommenseinbussen von Angehörigen zu berücksichtigen seien. Dies sei eine massvolle Regelung, die jener in der Militärversicherung entspreche (Votum Rechsteiner, AB 1999 N 1250). Der französischsprachige Berichterstatter hielt fest, es könne sich um Einkommenseinbussen handeln, die Angehörige infolge der Pflege der invaliden Person erlitten. Er nannte das Beispiel des Ehemannes, der von einer Erwerbstätigkeit absehe, um seine invalide Ehefrau zu pflegen. Vergleichbare Lösungen fänden sich bereits in der Kranken- und Militärversicherung (Votum Suter, AB 1999 N 1251). In der Folge wurde der Antrag der Mehrheit angenommen (AB 1999 N 1252). 5.3.7 In der Beratung der Kommission des Ständerates für soziale Sicherheit und Gesundheit wurde ebenfalls festgehalten, dass es dabei um Fälle gehe, in denen Angehörige der versicherten Person einen Erwerb ganz oder teilweise aufgäben, um diese zu pflegen. Zu berücksichtigen seien Arbeitsleistungen von Angehörigen, sofern sich dadurch eine Einkommenseinbusse ergäbe (Protokoll der Sitzung vom 6. September 1999, S. 23). 5.3.8 Im Ständerat legte der Berichterstatter der Kommission dar, der Bundesrat habe eine sehr weitgehende Regelung verankern wollen. BGE 146 V 74 S. 82 Danach hätten Arbeitsleistungen von Angehörigen selbst ohne Einkommenseinbusse als Mehrkosten gelten sollen. Auf der anderen Seite habe die Versicherungswirtschaft und mit ihr eine Minderheit der vorberatenden Kommission des Nationalrates verlangt, dass die durch den Versicherungsfall verursachten allfälligen Einkommenseinbussen von Angehörigen nicht in die Berechnung der Überentschädigung miteinzubeziehen seien. Dieser Minderheitsantrag habe insofern etwas für sich, als mit der nun vom Nationalrat beschlossenen Regelung die in Art. 76 Abs. 1 E-ATSG verankerte Kongruenzmethode verletzt werde. Die Vertreter des Minderheitsantrages hätten im Nationalrat zudem auf die Gefahr der entstehenden Rechtsunsicherheit hingewiesen. Der Nationalrat sei jedoch dem Antrag seiner Kommissionsmehrheit und damit dem Beschluss des Ständerates gefolgt (Votum Schiesser, AB 2000 S 186). In der Folge stimmte der Ständerat dem Beschluss des Nationalrates zu (AB 2000 S 186). 5.3.9 Aus den Materialien geht im Weiteren hervor, dass sich der Gesetzgeber an die Bestimmungen der Militär- und Krankenversicherung anlehnen wollte. Der zum Zeitpunkt der Entstehung von Art. 69 Abs. 2 ATSG geltende aArt. 72 Abs. 3 des Bundesgesetzes vom 19. Juni 1992 über die Militärversicherung (MVG; SR 833.1; aufgehoben per 1. Januar 2003 durch Anhang Ziff. 13 des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts; AS 2002 3437) lautete wie folgt: "Die Leistungen der Militärversicherung werden um den Betrag der Überentschädigung gekürzt. Die Kürzung kann in dem Masse reduziert werden, als dem Versicherten durch den Versicherungsfall Mehrkosten entstehen oder als Angehörige deswegen Einkommenseinbussen erleiden. Der Bundesrat regelt die Einzelheiten". Der Kommentator JÜRG MAESCHI führt dazu aus, gestützt auf die Delegationsnorm von aArt. 72 Abs. 3 Satz 3 MVG habe der Bundesrat in Art. 29 MVV ergänzende Bestimmungen erlassen und näher umschrieben, in welchen Fällen eine Herabsetzung der Leistungskürzung erfolgen könne. Zum einen gehe es um den Ausgleich von behandlungs- und betreuungsbedingten Mehrkosten der versicherten Person, zum andern um Einkommenseinbussen von Angehörigen, d.h. um Verdienstausfälle, die sich daraus ergäben, dass Angehörige wegen der Gesundheitsschädigung der versicherten Person daran gehindert seien, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen (Kommentar zum Bundesgesetz über die Militärversicherung [MVG], 2000, N. 16 zu Art. 72 MVG ). BGE 146 V 74 S. 83 5.3.10 Was die Regelung im Bereich der Krankenversicherung anbelangt, hat das Bundesgericht festgehalten, im Rahmen von Art. 122 Abs. 1 lit. b KVV (SR 832.102) könnten als "ungedeckte Krankheitskosten" auch tatsächliche Einkommenseinbussen pflegender Angehöriger berücksichtigt werden, wenn und soweit sie behandlungs- und betreuungsbedingt seien. Art. 69 Abs. 2 ATSG verlange indes eine effektive Einkommenseinbusse, weshalb Arbeitsleistungen Angehöriger, die keine Einkommenseinbusse zur Folge hätten, bei der "Umlegung" der Überentschädigung in ungedeckte Mehrkosten unberücksichtigt bleiben müssten (SVR 2013 KV Nr. 3 S. 6, 9C_43/ 2012 E. 4.2, mit Hinweis auf das Urteil 9C_332/2007 vom 29. Mai 2008 E. 8 und FRANZ SCHLAURI, Die Leistungskoordination im neuen Krankenversicherungsrecht, in: LAMal - KVG, Recueil des travaux en l'honneur de la Société suisse de droit des assurances, 1997, S. 655). 5.3.11 Gemäss Ziff. 2.4 der Empfehlung Nr. 3/92 der Ad-Hoc-Kommission Schaden UVG bei der Überentschädigung können nur jene Einkommenseinbussen von Angehörigen berücksichtigt werden, die durch medizinisch notwendige Behandlung und Betreuung aus dem versicherten Ereignis entstanden sind, sofern sie nicht durch die Sozialversicherung gedeckt sind (z.B. Hilflosenentschädigung). Zwar handelt es sich dabei lediglich um eine Verwaltungsweisung, welche für das Bundesgericht nicht verbindlich ist ( BGE 139 V 108 E. 5.3 S. 112 mit Hinweisen). Dennoch kann sie vorliegend zur Untermauerung der dargelegten Auslegung herangezogen werden. 5.4 Den Materialien zu Art. 69 Abs. 2 ATSG lässt sich somit entnehmen, dass der Gesetzgeber Einkommenseinbussen von Angehörigen vor Augen hatte, die sich auf Grund der medizinisch notwendigen Betreuung und Pflege der versicherten Person ergeben. Gestützt auf die angeführten Materialien ist auszuschliessen, dass der Gesetzgeber jede Einkommenseinbusse von Angehörigen, die durch den Unfall verursacht ist, bei der Berechnung der Überentschädigung miteinbeziehen wollte und eine dem Haftpflichtrecht analoge Regelung bezweckte. Dies gilt umso mehr, als das Verhältnis von Sozialversicherungs- und Haftpflichtrecht zu dieser Frage thematisiert, die haftpflichtrechtliche Sicht aber nicht übernommen wurde. Entgegen den vorinstanzlichen Ausführungen ist daher nicht zu prüfen, ob die Einkommenseinbusse der Ehefrau des Versicherten haftpflichtrechtlich als Schockschaden zu behandeln und in die Überentschädigungsberechnung miteinzubeziehen sei. Weiter ist aus den Materialien BGE 146 V 74 S. 84 ersichtlich, dass der Gesetzgeber bewusst von der in Art. 69 Abs. 1 Satz 2 statuierten Kongruenzmethode bezüglich der "personellen Kongruenz" bei den hier strittigen Einkommenseinbussen Angehöriger abweichen wollte, indem auch Einkommenseinbussen als Mehrkosten berücksichtigt werden können, die nicht bei der versicherten Person selbst eingetreten sind. Angesichts dieser systemwidrigen Durchbrechung der "personellen Kongruenz" durch den Gesetzgeber drängt sich keine ausweitende, darüber hinausgehende Interpretation auf. Schliesslich ergeben sich auch im Rahmen einer gesetzessystematischen, geltungszeitlichen oder teleologischen Auslegung keine Hinweise auf ein anderes Verständnis. Zudem vermöchten diese am erhöhten Gewicht des entstehungszeitlichen Elements angesichts des sich aus den Materialien zu diesem an sich noch jungen Erlass klar ergebenden Willen des Gesetzgebers und der noch wenig veränderten Umstände nichts zu ändern ( BGE 142 V 442 E. 5.1 S. 445). 6. Diese Auslegung deckt sich mit der im Schrifttum vertretenen Auffassung, wo ebenfalls stets von pflegenden Angehörigen die Rede ist. Nach ADRIAN ROTHENBERGER werden in die Überentschädigungsberechnung allfällige Einkommenseinbussen von Angehörigen miteinbezogen, die als Folge von zugunsten der geschädigten Person erbrachter Pflege- und Betreuungsleistungen eintreten und die nicht bereits durch anderweitige Sozialversicherungsleistungen - insbesondere die Hilflosenentschädigung - gedeckt werden. Erforderlich sei ein tatsächlicher Erwerbsausfall (Das Spannungsfeld von Überentschädigungsverbot und Kongruenzgrundsatz, 2015, Rz. 198). FRÉSARD-FELLAY/FRÉSARD halten fest, der Gesetzgeber habe an die Situation gedacht, in der ein Angehöriger seine Erwerbstätigkeit reduziere, um sich um die versicherte Person zu kümmern. Sie weisen auf die Entstehungsgeschichte der Norm hin, um zu unterstreichen, dass die zu berücksichtigenden Einkommenseinbussen mit der Behandlung und Pflege der versicherten Person im Zusammenhang stehen müssten (in: Commentaire romand, Loi sur la partie générale des assurances sociales, 2018, N. 45 f. zu Art. 69 ATSG ; vgl. auch GHISLAINE FRÉSARD-FELLAY, Le recours subrogatoire de l'assurance-accidents sociale contre le tiers responsable ou son assureur, 2007, Rz. 1448, wo ausgeführt wird, der Gesetzgeber habe Einkommenseinbussen von Angehörigen im Auge gehabt, die auf einen Verzicht der Ausübung einer Erwerbstätigkeit zurückzuführen seien, um der versicherten Person die erforderliche Pflege zukommen zu lassen; diese Kosten seien unter der Bezeichnung "frais d'assistance" BGE 146 V 74 S. 85 [Betreuungskosten] bekannt). Auch nach GABRIELA RIEMER-KAFKA handelt es sich dabei um die wegen der Pflege der versicherten Person in Kauf genommene Einkommenseinbusse von pflegenden Angehörigen (Schweizerisches Sozialversicherungsrecht, 6. Aufl. 2018, Rz. 5.369). Ferner kann auf die von UELI KIESER vertretene Auffassung verwiesen werden, wonach eine allfällige Einkommenseinbusse zu berücksichtigen sei, wenn sie mit Arbeitsleistungen von Angehörigen im Zusammenhang stehe, wobei zwingend ein tatsächlicher Verdienstausfall bestehen müsse. Insoweit liege eine Parallelität zur haftpflichtrechtlichen Betrachtung vor, wonach der tatsächliche Erwerbsausfall zu ersetzen sei, wenn die betreffende Person eine Erwerbstätigkeit aufgegeben habe, um sich um die pflegebedürftige Person zu kümmern. Soweit sozialversicherungsrechtliche Leistungen Einkommenseinbussen bereits abdeckten oder die infrage stehende Arbeitsleistung entschädigten (z.B. Hilflosenentschädigung), könne eine Berücksichtigung im Rahmen der Überentschädigung nicht erneut erfolgen (ATSG-Kommentar, 3. Aufl. 2015, N. 47 ff. zu Art. 69 ATSG ). Weiter weist KIESER auf das Abweichen des Gesetzgebers von der "personellen Kongruenz" bei der Berücksichtigung von Einkommenseinbussen Angehöriger hin (a.a.O., N. 23 zu Art. 69 ATSG ). FRÉSARD/MOSER-SZELESS legen dar, dem Gesetzgeber sei es primär um den Verzicht des Angehörigen auf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit gegangen, um der versicherten Person die nötige Pflege zukommen zu lassen (L'assurance-accidents obligatoire, in: Soziale Sicherheit, SBVR Bd. XIV, 3. Aufl. 2016, S. 1056 Rz. 571). 7. Der Beschwerdeführer kann aus BGE 139 V 108 nichts zu seinen Gunsten ableiten. Zwar wird dort festgestellt, auf Grund des offenen Wortlautes der Bestimmung von Art. 69 Abs. 2 ATSG sei anzunehmen, dass unter durch den Versicherungsfall verursachten Mehrkosten im Sinne eines natürlichen Kausalzusammenhanges alle Kosten gemeint seien, die ohne Versicherungsfall nicht entstanden wären. Unter Mehrkosten seien daher grundsätzlich auch die dem Versicherten entstandenen Anwaltskosten zu subsumieren ( BGE 139 V 108 E. 5.2, E. 5.7 und E. 6). Das Bundesgericht hat im erwähnten Urteil keine einlässlichen Ausführungen zur Adäquanz gemacht. Immerhin hat es festgehalten, dass nur ein durch den Versicherungsfall und in Zusammenhang mit der Geltendmachung von Sozialversicherungsleistungen entstandener sowie notwendiger Anwaltsaufwand berücksichtigt werden kann. Auf die Frage, ob daraus zu schliessen BGE 146 V 74 S. 86 ist, dass auf die Adäquanz für die Berücksichtigung von Mehrkosten in der Überentschädigungsberechnung zu verzichten sei oder in jenem Fall nicht vielmehr implizit von einer solchen ausgegangen wurde, braucht nicht eingegangen zu werden (vgl. die Kritik von ROTHENBERGER, a.a.O., Rz. 194 ff.). Denn in BGE 139 V 108 ging es um Anwaltskosten, die zur Durchsetzung des eigenen Anspruchs der versicherten Person dienten und nicht um Einkommenseinbussen, die Angehörige der versicherten Person und somit eine Drittperson betrafen. Dieser Entscheid ist demnach nicht einschlägig, da dort ein unmittelbar der versicherten Person entstandener Schaden zu beurteilen war, wohingegen es vorliegend um einen mittelbaren Schaden geht. Deshalb lässt sich das in BGE 139 V 108 zu den Anwaltskosten Gesagte auch nicht auf die Einkommenseinbusse Angehöriger übertragen. Wie oben dargelegt, wurde die Einkommenseinbusse Angehöriger im Rahmen der gesetzgeberischen Beratung denn auch separat und nicht zusammen mit den direkt die versicherte Person betreffenden Mehrkosten diskutiert. 8. 8.1 Zusammenfassend gilt, dass sich mit Bezug auf Art. 69 Abs. 2 ATSG eine zurückhaltende Auslegung der Einkommenseinbusse in dem Sinne aufdrängt, dass darunter nur Einkommenseinbussen von Angehörigen fallen, die ihre Erwerbstätigkeit reduzieren oder aufgeben, um Betreuungs- und Pflegeleistungen zugunsten der versicherten Person zu erbringen. 8.2 Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers hielt in seiner E-Mail an die Suva vom 26. März 2018 ausdrücklich fest, die Einkommenseinbusse der Ehefrau sei nicht auf die Behandlung und Betreuung des Versicherten zurückzuführen. Somit steht fest, dass vorliegend die Einkommenseinbusse der Ehefrau des Versicherten nicht durch die Übernahme von Pflege und Betreuung oder auf Grund anderer Aufwendungen zu dessen Gunsten verursacht wurde. Vielmehr gab sie ihre Erwerbstätigkeit als Folge ihrer Erkrankung auf. Daher kann ihr Einkommensausfall bei der Überentschädigung nach Art. 69 Abs. 2 ATSG nicht berücksichtigt werden. 8.3 Nach dem Gesagten verletzte die Vorinstanz im Ergebnis kein Bundesrecht, indem sie festhielt, dass die Suva die Erwerbseinbusse der Ehefrau des Versicherten bei der Berechnung der Überentschädigung zu Recht nicht berücksichtigt habe.
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Sachverhalt ab Seite 199 BGE 127 III 199 S. 199 Mit Vertrag vom 13. September 1996 verkaufte Rolf Weber (Kläger) den Betrieb "IPK, Institut für Personalfragen und Kaderauslese, Rolf Weber" an Rolf Frick (Beklagter) zum Preis von Fr. 155'000.- und verpflichtete sich, seinen Namen im Zusammenhang mit der Einzelfirma im Handelsregister löschen zu lassen. Von dem in Raten zu zahlenden Kaufpreis leistete der Beklagte die erste Zahlung von Fr. 30'000.- vereinbarungsgemäss. Am 3. Juli 1997 erklärte er seinen Rücktritt vom Vertrag, da der Kläger die vertragsgemäss dem Handelsregisteramt abzugebende Erklärung nicht unterzeichnet habe. Dieser erhob Klage mit dem Antrag, den BGE 127 III 199 S. 200 Beklagten zur Zahlung von Fr. 125'000.- nebst Zins zu verpflichten. Das Bezirksgericht Zürich hiess die Klage gut, da der Beklagte nicht zum Rücktritt berechtigt gewesen sei. Das Obergericht des Kantons Zürich dagegen wies die Klage ab mit der Begründung, der Kläger sei vorleistungspflichtig, und der Beklagte habe sinngemäss die Einrede des nicht erfüllten Vertrages erhoben. Das Bundesgericht heisst die Berufung des Klägers teilweise gut, und verpflichtet den Beklagten zur Leistung der fälligen Raten Zug um Zug. Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. a) Wer bei einem zweiseitigen Vertrag den anderen zur Erfüllung anhalten will, muss entweder bereits erfüllt haben oder die Erfüllung anbieten, es sei denn, dass er nach dem Inhalt oder der Natur des Vertrages erst später zu erfüllen hat. Art. 82 OR gewährt dem Schuldner eine aufschiebende Einrede mit der Wirkung, dass er die geforderte Leistung bis zur Erbringung oder Anbietung der Gegenleistung zurückhalten darf. Der Gläubiger kann sich begnügen, auf vorbehaltlose Leistung zu klagen; es obliegt dem Schuldner, die Einrede zu erheben ( BGE 123 III 16 E. 2b S. 19 mit Hinweisen). Ist die Einrede berechtigt, hat der Gläubiger also die Leistung weder erbracht noch angeboten, so schützt der Richter die Klage in dem Sinne, dass er den Schuldner zur Leistung Zug um Zug, d.h. zu einer aufschiebend bedingten Verpflichtung verurteilt. Der Anspruch des Gläubigers auf Leistung Zug um Zug ist bundesrechtlicher Natur. Der Kläger braucht die Verurteilung des Beklagten zur Leistung Zug um Zug nicht zu verlangen. Der Richter erlässt ein dahingehendes Urteil auf Einrede des Beklagten nach Art. 82 OR ( BGE 111 II 463 E. 3 S. 466 f.; SCHRANER, Zürcher Kommentar, 3. Aufl., Zürich 2000, N. 206 zu Art. 82 OR , je mit Hinweisen). b) Ist der Kläger vorleistungspflichtig, muss sich der Beklagte nicht auf Art. 82 OR berufen. Es genügt, dass er auf diesen Umstand hinweist, weil er damit die Fälligkeit des Anspruchs bestreitet. In diesem Fall ist die Klage mangels Fälligkeit abzuweisen. Die Frage der Vorleistungspflicht hat der Richter von Amtes wegen, nicht erst auf Einrede hin zu prüfen (SCHRANER a.a.O., N. 97 und 114 zu Art. 82 OR ; WEBER, Berner Kommentar, N. 150 zu Art. 82 OR mit Hinweisen). In Bezug auf die Vorleistungspflicht sind zwei Fälle zu unterscheiden: aa) Der Kläger kann dergestalt vorleistungspflichtig sein, dass die Erbringung seiner Leistung eine Bedingung für den Eintritt der BGE 127 III 199 S. 201 Fälligkeit der Gegenleistung bildet. So verhält es sich etwa, wenn sich der Käufer zur Zahlung innert eines Monats nach Erhalt der Ware verpflichtet. Solange der Verkäufer nicht liefert, wird die Gegenleistung nicht fällig. Das Wesen dieser Art der Vorleistungspflicht liegt darin, dass zwischen Vor- und Gegenleistung eine Frist bestehen bleibt. Sie beginnt mit Erbringung der Vorleistung zu laufen. Die Gegenleistung wird erst mit Ablauf der Frist fällig. Eine derartige Vereinbarung gewährleistet, dass der Vorleistungsempfänger die Gegenleistung erst erbringen muss, nachdem er die erhaltene Vorleistung auch während einer gewissen Zeit nutzen konnte. Dies ist namentlich dann sinnvoll, wenn die Gegenleistung aus dem durch die Nutzung der Vorleistung erzielten Ertrag erbracht werden soll. In der neueren Literatur hat sich dafür der Begriff der "beständigen" Vorleistungspflicht eingebürgert (SCHRANER, a.a.O., N. 116 zu Art. 82 OR ; LEU, Basler Kommentar, 2. Aufl., Basel 1996, N. 8 zu Art. 82 OR ; WEBER, a.a.O., N. 147 zu Art. 82 OR ; SIMMEN, Die Einrede des nicht erfüllten Vertrags [OR 82], Bern 1981, S. 59 Fn. 69). bb) Die Parteien können sich aber auch auf unterschiedliche Fälligkeitstermine einigen, ohne dass die eine Leistung eine Bedingung für die Fälligkeit der anderen bildet, indem beispielsweise der Verkäufer am 1. Januar 2001 zu liefern, der Käufer am 1. Februar 2001 zu zahlen hat. Die Kaufpreiszahlung wird diesfalls fällig, unabhängig davon, ob der Verkäufer seine Leistung rechtzeitig erbringt. Ist die Leistung des Verkäufers bis zum 1. Februar 2000 noch nicht erfolgt, holt der Anspruch auf den Kaufpreis denjenigen auf Lieferung des Kaufgegenstandes ein, und es stehen sich zwei fällige Forderungen gegenüber (SCHRANER, a.a.O., N. 117 zu Art. 82 OR ). Damit erlischt die Vorleistungspflicht des Verkäufers, und die beidseitigen Leistungen sind nach Art. 82 OR Zug um Zug zu erbringen (SCHRANER, a.a.O., N. 119 und 125 zu Art. 82 OR ). Auch der Verkäufer kann nunmehr seine Leistung gestützt auf Art. 82 OR zurückhalten, sofern der Käufer seine Leistung nicht gehörig anbietet (SCHRANER, a.a.O., N. 117 zu Art. 82 OR ; WEBER, a.a.O., N. 148 zu Art. 82 OR ). Da die Pflicht zur Vorleistung durch Zeitablauf entfällt, spricht die ältere Lehre diesbezüglich überhaupt nicht von einer Vorleistungspflicht (vgl. VON TUHR/ESCHER, Allgemeiner Teil des schweizerischen Obligationenrechts, 3. Aufl., Zürich 1974, Bd. 2, S. 65; SIMMEN, a.a.O., S. 59). In der Schweiz hat erst die neuere Lehre dafür den Begriff der "nicht beständigen" Vorleistungspflicht von der deutschen Doktrin übernommen BGE 127 III 199 S. 202 (SCHRANER, a.a.O., N. 117 zu Art. 82 OR ; LEU, a.a.O., N. 8 zu Art. 82 OR ; WEBER, a.a.O., N. 148 zu Art. 82 OR ; SIMMEN, a.a.O., S. 59 Fn. 69). cc) Ob die Pflicht zur Vorleistung beständig ist, bestimmt sich, wie die Frage nach dem Bestehen einer Vorleistungspflicht überhaupt, nach der von den Parteien getroffenen Vereinbarung, sofern das Gesetz keine zwingenden Bestimmungen enthält. Die Beständigkeit kann sich aber auch aus der Natur der Vereinbarung ergeben (vgl. SCHRANER, a.a.O., N. 105 und 110 zu Art. 82 OR ). dd) Trifft den Kläger eine beständige Vorleistungspflicht, ist seine Klage abzuweisen, solange er seine eigene Leistung nicht erbracht hat und die Frist, welche Vor- und Gegenleistung trennt, nicht abgelaufen ist. Der Beklagte braucht keine Einrede gemäss Art. 82 OR zu erheben, da seine Leistung noch nicht fällig ist. Ist die Vorleistungspflicht des Klägers dagegen unbeständig, beurteilt sich die Klage je nach Zeitpunkt unterschiedlich: Vor Fälligkeit der Leistung des Beklagten ist die Klage abzuweisen. Das für die beständige Vorleistungspflicht Gesagte gilt analog. Mit Fälligkeit der Gegenleistung darf keine Klageabweisung mehr erfolgen, da die Pflicht zur Vorleistung durch Zeitablauf erloschen ist. Will der Beklagte seine Leistung zurückhalten, muss er die Einrede des nicht erfüllten Vertrages erheben. Dem Kläger erwächst ein bundesrechtlicher Anspruch auf Verpflichtung des Beklagten zur Leistung Zug um Zug gegen Erbringung der Gegenleistung ( BGE 111 II 463 E. 3 S. 466 f.; SCHRANER, a.a.O., N. 206 zu Art. 82 OR , je mit Hinweisen). Anders wäre nur zu entscheiden, sollte dem Beklagten die Verpflichtung zur Leistung Zug um Zug nicht zuzumuten sein, namentlich wenn die Einrede des nicht erfüllten Vertrages unbestritten bleibt (SCHRANER, a.a.O., N. 208 zu Art. 82 OR ; WEBER, a.a.O., N. 226 zu Art 82 OR ). 4. a) Das Obergericht ging implizit davon aus, die Parteien hätten eine unbeständige Vorleistungspflicht vereinbart. Andernfalls hätte sich die eingehende Erörterung der Frage, ob der Beklagte die Einrede nach Art. 82 OR erhoben hat oder nicht, erübrigt (siehe E. 3a und b hievor). Selbst unter der Annahme, die Parteien hätten sich bezüglich der Beständigkeit der Vorleistungspflicht tatsächlich nicht geeinigt, würde sich am Ergebnis nichts ändern, denn auch die Auslegung der Willenserklärungen nach dem Vertrauensprinzip, welche das Bundesgericht im Rahmen der Berufung frei prüft ( BGE 126 III 25 E. 3c S. 29), lässt auf eine unbeständige Vorleistungspflicht schliessen. Das Obergericht hat festgestellt, bei BGE 127 III 199 S. 203 Vertragsschluss hätten die zur Löschung im Handelsregister notwendigen Papiere noch nicht unterzeichnet vorgelegen, obwohl die entsprechende Leistung des Klägers fällig war. Die Fälligkeitsdaten der geschuldeten Raten waren aber vertraglich fixiert, und der Beklagte hat nicht eingewendet, diese Fälligkeiten würden sich bezogen auf die Erbringung der Vorleistung verschieben. Der Kläger durfte daher in guten Treuen davon ausgehen, die Vorleistungspflicht sei unbeständig. Der Beklagte hat denn auch die erste Rate fristgerecht bezahlt, obwohl die Vorleistung in jenem Zeitpunkt noch ausstand. Diesbezüglich ist der Entscheid des Obergerichts nicht zu beanstanden. b) Das Obergericht hat indes die bundesgerichtliche Rechtsprechung verkannt, wenn es die Klage zur Zeit abwies, statt von Amtes wegen im Rahmen der fälligen Raten auf Leistung Zug um Zug zu erkennen. Eine Verpflichtung zur Zahlung Zug um Zug wäre dem Beklagten durchaus zuzumuten, zumal der Kläger den Standpunkt einnahm, er habe seine Leistung gehörig angeboten, so dass die Einrede des nicht erfüllten Vertrages nicht unbestritten blieb (siehe oben E. 3b/dd am Ende). Überdies war es der Beklagte, der durch seine ungerechtfertigte Rücktrittserklärung dem Kläger zur Einleitung des Verfahrens Anlass gab. Insoweit hat das Obergericht Art. 82 OR verletzt und erweist sich die Berufung als begründet.
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Sachverhalt ab Seite 72 BGE 90 III 71 S. 72 A.- In der Betreibung des Otto Rüdisser gegen Max Wild für eine Forderung von Fr. 440.-- nebst Zins zu 5% seit 1. April 1961 und Fr. 60.50 Verzugszins ("frühere Mietzinsraten und div. Gerichtskosten lt. Aufstellung an Schuldner") schlug der Schuldner Recht vor. Am 25. Januar 1964 schlossen hierauf die Parteien vor dem Friedensrichter von Dübendorf einen Vergleich folgenden Inhalts: "1. Der Kläger reduziert die Forderung auf einen Saldobetrag von Fr. 502.20 (Zins und Zahlungsbefehlkosten inbegriffen). 2. Der Beklagte anerkennt eine Schuld im Betrage von Fr. 502.20 und verpflichtet sich, diesen Betrag in aufeinanderfolgenden monatlichen Raten von Fr. 40.-, fällig je Mitte Monat, erstmals 15. Februar 1964 zu bezahlen. 3. Bei Verzug einer Rate von 2 Monaten wird der ganze dannzumal verbleibende Restbetrag der Schuld sofort zur Zahlung fällig. 4. Der Kläger verpflichtet sich, dem Beklagten sämtliche noch in seinem Gewahrsam befindlichen Gegenstände des Beklagten (siehe sep. Liste) innert Monatsfrist, d.h. bis zum 20. Februar 1964 unbeschwert herauszugeben." Auf Grund dieses Vergleiches schrieb der Friedensrichter die Streitsache als erledigt ab. Der Schuldner hatte die vom Gläubiger vorgelegte Liste der in dessen Gewahrsam BGE 90 III 71 S. 73 gebliebenen, ihm gemäss Ziff. 4 des Vergleiches herauszugebenden Sachen nicht als vollständig anerkannt. B.- Nach Zahlung dreier Monatsraten von Fr. 40.- holte der Schuldner am 21. April 1964 die ihm vom Gläubiger zur Verfügung gestellten Sachen ab. In der folgenden Zeit machte er geltend, es fehlen verschiedene Gegenstände, und stellte daher die Abzahlungen ein. Am 22. August 1964 liess ihm der Gläubiger die Pfändung für den ganzen Restbetrag ankündigen. Nun führte der Schuldner Beschwerde mit dem Begehren um "Aufhebung der Vollstreckung". Er berief sich auf Ziff. 4 des Vergleiches; danach hätte ihm der Gläubiger "sämtliche Ware" bis zum 20. Februar 1964 herausgeben sollen, "worauf ich dann meine Raten zu leisten hätte". Es sei jedoch "nur ein ganz kleiner Teil" herausgegeben worden. Der Gläubiger liess sich dahin vernehmen, der Schuldner habe alle ihm gehörenden Sachen herauserhalten. C.- Die untere Aufsichtsbehörde hat die Beschwerde abgewiesen, ebenso die obere Aufsichtsbehörde durch Entscheid vom 13. Oktober 1964 den vom Schuldner eingelegten Rekurs, aus folgenden Gründen: Der gerichtliche Vergleich ist wie ein rechtskräftiges Urteil vollstreckbar, und zwar bedarf es dafür keines besondern Rechtsöffnungsentscheides. Der Schuldner hat, was unbestritten ist, bloss drei Monatsraten geleistet. Daher ist nach Ziff. 3 des Vergleiches der ganze Restbetrag der Forderung fällig geworden. Der Einwand des Schuldners, der Gläubiger habe seinerseits die ihm nach Ziff. 4 des Vergleiches obliegende Verpflichtung nicht erfüllt, ist abzulehnen. Zwar steht es den Betreibungsbehörden nicht zu, die vom Schuldner im Rekursverfahren vorgelegte Liste fehlender Gegenstände (die der Gläubiger ihm noch herauszugeben habe) zu überprüfen. Jener Einwand ist aber schon dem Grundsatze nach ungerechtfertigt. Denn es ist nicht anzunehmen, die Zahlungspflicht des Schuldners aus Mietvertrag und Gerichtskostenauflage sei ursprünglich davon abhängig gewesen, dass er alle ihm gehörenden Sachen, die im Gewahrsam des BGE 90 III 71 S. 74 Gläubigers blieben, zurück erhalte. Und ein solches Austausch- und Abhängigkeitsverhältnis ist auch durch den Vergleich nicht festgelegt worden. Dass es der Vertragsmeinung entsprochen habe, eine solche gegenseitige Abhängigkeit der beidseitigen Verpflichtungen zu schaffen, ist nicht zu vermuten. Verschiedene Umstände sprechen gegen eine dahingehende Auslegung des Vergleiches (was näher dargelegt wird). D.- Diesen Entscheid hat der Schuldner an das Bundesgericht weitergezogen. Er widersetzt sich der Fortsetzung der Betreibung nach wie vor. Erwägungen Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung: Die Vorinstanz geht zutreffend davon aus, dass ein gerichtlicher Vergleich einem rechtskräftigen gerichtlichen Urteil gleichzuachten ist. Für das Rechtsöffnungsverfahren ist dies in Art. 80 Abs. 2 SchKG vorgeschrieben. Der gerichtliche Vergleich bildet aber auch (immer vorausgesetzt, dass er Ansprüche betrifft, die Gegenstand von Verträgen bilden können; vgl. BGE 71 I 458 Erw. 3) einen vollwertigen Urteilsersatz ausserhalb des Rechtsöffnungsverfahrens. Das äussert sich insbesondere darin, dass er als Abschluss eines nach Art. 79 SchKG zur Beseitigung des Rechtsvorschlages angehobenen ordentlichen Prozesses, sofern er die Forderung anerkennt, wie ein Urteil gleichen Inhaltes die Fortsetzung der Betreibung erlaubt, ohne dass es hiefür noch eines besondern Rechtsöffnungsentscheides bedürfte (vgl. BGE 75 III 45 /46, BGE 77 III 149 , BGE 85 III 124 ff.; FRITZSCHE, SchK I 114/15 mit Fussnote 196). Der vorliegende Vergleich sieht nun zwar eine in bestimmter Weise zu erfüllende Zahlungspflicht des Schuldners vor. daneben aber auch eine Pflicht des Gläubigers zur Herausgabe von Sachen, und es ist streitig, ob diese beidseitigen Pflichten voneinander abhängig seien. Der Schuldner nimmt den Standpunkt ein, nachdem er am Aussöhnungsversuche Fr. 20.- angezahlt und dann drei Monatsraten BGE 90 III 71 S. 75 von je Fr. 40.- entrichtet hat, sei nun der Gläubiger vorleistungspflichtig (oder es seien die beidseitigen Leistungen allenfalls Zug um Zug zu erfüllen). Wie es sich damit verhält, können die Betreibungsbehörden nicht entscheiden. Nur wenn der Wortlaut des Vergleiches ausser jedem Zweifel die Zahlungspflicht des Schuldners als eine unbedingte erscheinen liesse oder die Parteien hierüber einig wären, läge ein "liquider", einwandfreier Vollstreckungstitel vor. Dass dies hier nicht zutrifft, ist der Vorinstanz selbst nicht entgangen. Deshalb hat sie eben sorgfältige Erwägungen über den wahren Sinn des Vergleiches angestellt und sich auch nach der Auffassung des Friedensrichters über die beim Vergleichsabschluss bestehende Meinung der Parteien erkundigt. All dies liegt indessen ausserhalb der Zuständigkeit der Betreibungsbehörden. Nachdem der Vergleich beidseitige Verpflichtungen der Parteien umfasst, deren Erfüllung nicht zweifellos unabhängig voneinander verlangt werden kann, ist der Gläubiger auf erneute Anrufung des Richters angewiesen. Die Betreibung wird erst fortgesetzt werden können, wenn er definitive Rechtsöffnung erwirkt, sei es im eigentlichen Sinne, gemäss Art. 80/81 SchKG, sei es in Gestalt eines den Vergleich ergänzenden materiellen Urteils, das entweder die im Vergleich festgesetzte Zahlungspflicht des Schuldners als eine unbedingte erklärt (und allenfalls den Verfall der ganzen Restforderung gemäss Ziff. 3 des Vergleiches bejaht) oder, bei Annahme einer gegenseitigen Verpflichtung Zug um Zug oder einer Vorleistungspflicht des Gläubigers, die gehörige Erfüllung der diesem obliegenden Pflicht feststellt und damit der Fortsetzung der Betreibung gleichfalls Raum gibt (vgl. BGE 67 III 116 ff.).
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Sachverhalt ab Seite 315 BGE 106 II 315 S. 315 Dr. X. und Y. sind Stockwerkeigentümer je einer Wohnung im vierten Geschoss einer Liegenschaft mit Eigentumswohnungen (Stockwerkanteile Nr. 24 bzw. Nr. 23). Über ihnen befindet sich der Stockwerkanteil Nr. 27 der Eheleute Z., dessen Boden nicht mit Teppichen, sondern mit Platten belegt wurde. Am 17. Juli 1977 schlossen Dr. X. und Y. mit den Eheleuten Z. eine "Vereinbarung... betreffend Errichtung einer Grunddienstbarkeit zu Gunsten der Stockwerkanteile Nr. 23 und 24 und zu Lasten des Stockwerkanteils Nr. 27". Darin wurde unter anderem festgehalten, in der Wohnung Nr. 27 seien gemäss einem Sonderwunsch der Eheleute Z. Bodenplatten anstelle der im Baubeschrieb vorgesehenen Teppiche verlegt worden; eine Abklärung habe ergeben, dass die Trittschallisolation zwischen dieser Wohnung und den darunter liegenden Wohnungen (Unterwohnungen) den Anforderungen für Eigentumswohnungen nicht entspreche (Ziff. 2); die Eigentümer der Unterwohnungen könnten sich mit diesem Zustand nicht abfinden, was zum Abschluss der Vereinbarung führe (Ziff. 3). Ziffer 4 der Vereinbarung hat folgenden Wortlaut: BGE 106 II 315 S. 316 "Die Eheleute Z. verpflichten sich gegenüber den Eigentümern der Unterwohnungen 1 und 2, in ihrer Wohnung Nr. 27... den Plattenboden im - Entrée - Korridor - Wohnzimmer und - Abstellraum gegen die Terrasse und Küche mit einem Spannteppich auf Filzunterlage bedecken zu lassen. Am zu verlegenden Teppich werden sie Gesamteigentümer als einfache Gesellschaft. Alle Parteien nehmen zur Kenntnis, dass Herr und Frau Z. die Kosten des Teppichs und dessen Verlegung vorschiessen. Die Eigentümer der Unterwohnungen treffen keine finanziellen Verpflichtungen. Der Bauunternehmer... wird die entstandenen Kosten im Rahmen der werkvertraglich übernommenen Pflichten letztinstanzlich tragen." Mit Verfügung vom 23. Juni 1978 lehnte es das Grundbuchamt ab, gestützt auf die Vereinbarung vom 17. Juli 1977 eine Dienstbarkeit im Grundbuch einzutragen. Dieser Entscheid wurde am 5. März 1979 vom Regierungsrat und am 8. November 1979 vom kantonalen Verwaltungsgericht bestätigt, von diesem im wesentlichen mit der Begründung, die Pflicht zur Duldung eines Spannteppichs in einer Eigentumswohnung könne nicht Inhalt einer Grunddienstbarkeit sein. Das Bundesgericht heisst die von Dr. X. gegen den verwaltungsgerichtlichen Entscheid erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde gut. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Die Vorinstanz führt aus, Ziffer 4 der Vereinbarung vom 17. Juli 1977 regle nur das einmalige Verlegen von Spannteppichen, statuiere aber keine dauernde Pflicht zur Duldung der Teppiche und sage auch nichts aus über deren Erneuerung. Sollte sie damit den Willen der Vertragsparteien zum Abschluss eines Grunddienstbarkeitsvertrages in Frage stellen wollen, könnte ihr nicht gefolgt werden. Wohl wurde in der Vereinbarung nicht ausdrücklich festgehalten, die Teppiche müssten dauernd in der Wohnung der Eheleute Z. bleiben. Der Sinn der Vereinbarung konnte aber kein anderer sein, war diese doch darauf gerichtet, inskünftig Schallimmissionen auszuschalten. Über den Unterhalt der Teppiche brauchten die Parteien keine besondere Vereinbarung zu treffen, zumal dafür eine gesetzliche Regelung besteht (Art. 741, allenfalls in Verbindung mit Art. 737 ZGB ). Es ist nach dem Gesagten davon auszugehen, BGE 106 II 315 S. 317 dass der Wille der Vertragsparteien darauf gerichtet war, Schallimmissionen für eine unbegrenzte Zeit auszuschalten und dieses Ziel mittels einer Grunddienstbarkeit zu erreichen. So wurde es im Ingress der Vereinbarung denn auch ausdrücklich festgelegt. 2. Ein Stockwerkeigentumsanteil kann zu Gunsten eines andern in der Weise mit einer Grunddienstbarkeit belastet werden, dass der Eigentümer sich bestimmte Eingriffe des andern Stockwerkeigentümers gefallen lassen muss oder zu dessen Gunsten nach gewissen Richtungen das ihm zustehende Recht nicht ausüben darf. Mit der Grunddienstbarkeit kann nebensächlich auch eine Verpflichtung zur Vornahme von Handlungen verbunden sein (dazu Art. 730 in Verbindung mit Art. 655 Abs. 2 Ziff. 4 ZGB ). a) Eine Grunddienstbarkeit im umschriebenen Sinne auferlegt dem Eigentümer des belasteten Grundstückes entweder eine Duldungs- oder eine Unterlassungspflicht. Ist der erwähnte Eigentümer zu einem Dulden verpflichtet, so ist der Eigentümer des berechtigten Grundstückes zu einem Tun befugt; man spricht von einer positiven oder affirmativen Dienstbarkeit. Ist jener zu einem Unterlassen verpflichtet, so steht diesem die Befugnis zu einem Verbieten zu; es liegt eine negative Dienstbarkeit vor (LIVER, N. 4 zu Art. 730 ZGB ). Die Eheleute Z. sind gemäss der Vereinbarung vom 17. Juli 1977 verpflichtet, die Böden ihrer Wohnung mit Teppichen belegen zu lassen. Daraus könnte abgeleitet werden, dass ihnen das Dulden von Spannteppichen vorgeschrieben werde. Einem solchen Dulden stünde aber keine Berechtigung der Begünstigten gegenüber, denn diese sind nicht (wie z.B. bei einer Wegdienstbarkeit) befugt, die Spannteppiche ihrerseits zu benützen. Ihrem eigentlichen Sinne nach bezweckt die Vereinbarung die Ausschaltung von Schallimmissionen. Die Eheleute Z. sind verpflichtet, das zu unterlassen, was zu solchen Immissionen führen kann. Konkret müssen sie es unterlassen, die Böden ihrer Wohnung mit nackten Platten belegt zu lassen, d.h. ihre Wohnung so auszustatten und in der Folge zu benützen, wie sie es ursprünglich gewünscht hatten. Sie müssen somit bezüglich der Gestaltung und Benützung der Wohnung auf eine Möglichkeit verzichten, von der sie ohne Vereinbarung im Rahmen von Art. 684 ZGB Gebrauch machen dürften. Die Berechtigten andererseits sind befugt, den Eheleuten Z. zu verbieten, in ihrer Wohnung BGE 106 II 315 S. 318 Bodenplatten zu belassen, die nicht durch eine Filzauflage und Teppiche abgedeckt sind. Es geht nach dem Gesagten nicht darum, dass die Eheleute Z. Teppiche zu dulden hätten. Die Feststellung der Vorinstanz, Spannteppiche seien bewegliche Sachen und die Duldungspflicht hinsichtlich solcher könne nicht Gegenstand einer Grunddienstbarkeit bilden, stösst deshalb ins Leere. b) Die Vorinstanz führt demgegenüber zu Recht aus, die Schutzbedürftigkeit des Rechts und die Vorteile der Eigentümer der berechtigten Stockwerkeigentumseinheiten seien offensichtlich; die Berechtigten hätten ein Interesse an einem wirksamen Schutz gegen Schallimmissionen vom oberen Stockwerk her; die Spannteppiche erfüllten diesen Zweck; der Wert der unterliegenden Wohnungen steige, wenn kein Lärm von oben herabdringe. Wohl könnte die Pflicht, eine Eigentumswohnung mit Spannteppichen zu belegen, obligatorisch oder durch ein Stockwerkeigentümerreglement geordnet werden. Das ändert aber nichts daran, dass auch der Weg der Grunddienstbarkeit offen steht. c) Nach Rechtsprechung und Lehre können Unterlassungspflichten, die dem Grundeigentümer schon durch gesetzliche Vorschriften auferlegt sind, nicht zum Gegenstand einer Dienstbarkeit gemacht werden, weil der Berechtigte kein Interesse daran haben kann, ein Recht, das ihm schon von Gesetzes wegen eindeutig zusteht, noch als Dienstbarkeit zu erwerben oder zu sichern ( BGE 99 II 33 E. 4 mit Verweisungen). Vielfach steht jedoch nicht von vornherein fest, dass die Anwendung der Gesetzesvorschriften zu dem Ergebnis führt, das mit der Dienstbarkeit erreicht werden will. Besonders im Nachbarrecht kann ein Interesse daran bestehen, bestimmte von einem Nachbargrundstück ausgehende Einwirkungen, die an sich zu den nach Art. 684 ZGB verbotenen Immissionen gehören, durch eine Dienstbarkeit auszuschliessen, weil ungewiss ist, ob der Richter die Einwirkungen als übermässig und ungerechtfertigt betrachten würde (LIVER, N. 93 und 95 zu Art. 730 ZGB ). Gewiss hat der Stockwerkeigentümer bei der Ausübung seines Eigentumsrechtes sich aller übermässigen Einwirkungen auf die Wohnungen seiner Nachbarn (neben, unter und über ihm) zu enthalten und alle nach Lage und Beschaffenheit der Wohnungen oder nach Ortsgebrauch nicht gerechtfertigten Lärmeinwirkungen zu unterlassen. In Fällen der vorliegenden BGE 106 II 315 S. 319 Art ist jedoch ungewiss, ob der Lärm, der durch Herumgehen auf nackten, nicht durch Teppiche belegten Bodenplatten verursacht wird, bereits als übermässige und nach Lage und Beschaffenheit oder Ortsgebrauch ungerechtfertigte Einwirkung im Sinne von Art. 684 ZGB bezeichnet werden könne. Ein vertraglicher Schutz gegen Lärmeinwirkungen kann sodann weiter gehen als der gesetzliche. Die Parteien dürfen durch Dienstbarkeiten auch Lärmeinwirkungen ausschalten, die aufgrund der gesetzlichen Regelung noch geduldet werden müssten. Unter den angeführten Umständen kann nicht gesagt werden, dass im vorliegenden Fall das vertraglich angestrebte Ziel mit dem gesetzlichen Immissionenverbot des Art. 684 ZGB identisch sei. d) Die Grunddienstbarkeit muss eine Beschränkung des Eigentums an der belasteten Stockwerkeinheit zum Inhalt haben. Bei der negativen Dienstbarkeit besteht jene darin, dass der Belastete eine Benutzung zu unterlassen hat, die ihm als Eigentümer zustünde, wenn seine Stockwerkeinheit nicht belastet wäre. Es geht dabei unter anderem um den körperlichen Zustand und die äussere Erscheinung der Stockwerkeinheit; es muss eine störende, belästigende oder schädigende Wirkung nach aussen gegeben sein. Eine Beschränkung in der persönlichen Betätigungsfreiheit (im Gegensatz zur Freiheit der Stockwerkeinheitsbenützung) kann dagegen nicht zum Inhalt einer Dienstbarkeit gemacht werden (LIVER, N. 106, 107 und 110 zu Art. 730 ZGB ). Die Vorinstanz bemerkt in diesem Zusammenhang, die bestimmungsgemässe Benutzung der Wohnung werde durch das Vorhandensein eines Spannteppichs nicht beeinträchtigt; der belastete Stockwerkeigentümer sei nur in der Gestaltungsfreiheit als Wohnungsbenützer eingeschränkt, indem er sich mit dem Vorhandensein eines bestimmten Ausrüstungsgegenstandes abfinden müsse; dies sei eine Beschränkung der persönlichen Betätigungsfreiheit, die sich nicht verdinglichen lasse. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Nach Art. 712a Abs. 1 ZGB ist der Stockwerkeigentümer berechtigt, seine Wohnung ausschliesslich zu benützen und innen auszustatten. Dazu gehört, dass er die Böden der Wohnung nach seinem Belieben gestalten und belegen darf. Durch die Verpflichtung, sie mit einer Filzunterlage und Spannteppichen abzudecken, wird er demnach in der Ausübung seines Eigentums beschränkt; er hat etwas zu unterlassen (das Anbringen von nackten BGE 106 II 315 S. 320 Bodenplatten), wozu er als Eigentümer an sich berechtigt wäre. Die Unterlassungspflicht bezieht sich nicht auf die persönliche, sondern auf die mit der Eigentumsausübung zusammenhängende Betätigungsfreiheit, die den körperlichen Zustand und die äussere Erscheinungsform der Wohnung zum Gegenstand hat. e) Die Dienstbarkeit kann den Eigentümer der belasteten Stockwerkeinheit grundsätzlich nur zu einem Dulden oder Unterlassen, nicht aber zu einer Leistung verpflichten. Eine Pflicht zur Vornahme von Handlungen darf mit der Dienstbarkeit nur verbunden werden, wenn jene im Verhältnis zur Dienstbarkeit sowohl dem Inhalt wie dem Umfang nach von nebensächlicher Bedeutung sind. Dem Inhalt nach ist eine Handlung dann von nebensächlicher Bedeutung, wenn sie lediglich dazu dient, die Ausübung der Dienstbarkeit zu ermöglichen, zu erleichtern oder zu sichern. Dem Umfang nach ist sie es, wenn die Leistungspflicht nicht die hauptsächliche Last darstellt (LIVER, N. 154, 194, 195, 202, 204 und 212 zu Art. 730 ZGB ). Die Vorinstanz erblickt in der Verpflichtung der Eheleute Z., die Böden ihrer Wohnung mit Spannteppichen belegen zu lassen, eine Handlung, die nicht mit einer Dienstbarkeit verbunden werden dürfe. Stellt man jedoch die Pflicht der Eheleute Z., in Zukunft während vieler Jahre etwas zu unterlassen, wozu sie als Wohnungseigentümer an sich berechtigt wären, ihrer einmaligen Pflicht gegenüber, die Böden der Wohnung mit Spannteppichen belegen zu lassen, so erscheint diese als nebensächlich.
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Sachverhalt ab Seite 155 BGE 111 IV 155 S. 155 In der Absicht, in der Schweiz auf eine Bank, ein Postbüro oder ein Verkaufslokal einen Raubüberfall auszuführen, beschaffte sich der mehrfach vorbestrafte jugoslawische Staatsangehörige G. in Mailand eine doppelläufige Schrotflinte mit abgesägtem Lauf und Holzschaft und die dazugehörige Munition sowie einen sechsschüssigen Revolver mit Patronen, wobei er sich durch Probeschüsse vergewisserte, dass die Waffen funktionierten. Daraufhin reiste er in die Schweiz ein, wo er in Bern zwei Funkgeräte, Gummihandschuhe, Schraubenzieher und einen Glasschneider erstand, welche Geräte er in einem Schliessfach des Bahnhofs Aarau deponierte. Der Raubüberfall sollte in Aarau oder Umgebung ausgeführt BGE 111 IV 155 S. 156 werden, wobei nach Auskundschaftung eines geeigneten Tatortes ein zweiter Mann auf Abruf aus Italien per Auto zu Hilfe kommen sollte. G. wurde jedoch vor der Rekognoszierung des präsumtiven Tatorts verhaftet. Mit Urteil vom 20. Juni 1985 sprach das Obergericht des Kantons Aargau G. u.a. der strafbaren Vorbereitungshandlungen zu Raub gemäss Art. 260bis Abs. 1 StGB schuldig und verurteilte ihn zu zweieinhalb Jahren Zuchthaus, abzüglich 321 Tage Untersuchungshaft, und zu zehn Jahren Landesverweisung. G. führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichtes sei aufzuheben und es sei die Sache zu seiner Freisprechung von der Anklage der strafbaren Vorbereitungshandlungen zu Raub an die Vorinstanz zurückzuweisen. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab mit folgenden Erwägungen Erwägungen: 1. Das angefochtene Urteil ist nach der ausdrücklichen Feststellung des Obergerichts ein Mehrheitsentscheid. Eine Minderheit des Gerichts hätte den Beschwerdeführer von der Anklage strafbarer Vorbereitungshandlungen zu Raub freigesprochen, weil er sich bis zum Zeitpunkt der Verhaftung über die Art und Weise des Vorgehens überhaupt keine Vorstellung gemacht habe, und der angestrebte Raubüberfall nicht nur örtlich und zeitlich, sondern nicht einmal in seinen Umrissen auch nur annähernd bestimmbar gewesen sei (STRATENWERTH, Schweiz. Strafrecht, 3. Aufl., BT II S. 214). Wohl habe der Beschwerdeführer die Absicht gehabt, in Aarau oder Umgebung nach einem geeigneten Objekt Ausschau zu halten. Hierzu sei es jedoch wegen seiner Verhaftung nicht gekommen. G. hätte deshalb seinen Plan zwischenzeitlich abändern oder gänzlich aufgeben können. Im Lichte der örtlich und zeitlich völlig unbestimmten Tat und ungewissen Begehungsweise könne ihm lediglich eine Tatgeneigtheit angelastet, nicht aber gesagt werden, er hätte sich im Sinne von Art. 260bis StGB angeschickt, einen Raubüberfall zu begehen. Hieran schliesst die Beschwerde an, wobei geltend gemacht wird, G. hätte mangels örtlicher und zeitlicher Konkretisierung des Delikts nicht verurteilt werden dürfen, zumal auch in zeitlicher Hinsicht ein naher Zusammenhang mit dem Versuchsbeginn fehle (SCHUBARTH, Kommentar III S. 173 ff.). Der Beschwerdeführer habe noch nicht genügend in seine Vorkehrungen investiert BGE 111 IV 155 S. 157 gehabt, um die Schwelle der straflosen zu den strafbaren Vorbereitungshandlungen überschritten zu haben (ARZT, Zur Revision des StGB im Bereich der Gewaltverbrechen, ZStR 100/1983 S. 277). Auch nach der "extensivsten Lehrmeinung" von SCHULTZ (Zur Revision des StGB vom 9. Oktober 1981: Gewaltverbrechen, ZStR 101/1984 S. 131 ff.) hätte er freigesprochen werden müssen, weil er zu keinem Zeitpunkt vor seiner Festnahme in der Lage gewesen sei, sich zu einem Raub anzuschicken, hätte er dazu doch noch das geeignete Objekt finden, den günstigen Zeitpunkt abwarten, die bereitgestellten Tatwaffen behändigen und den italienischen Komplizen benachrichtigen müssen. 2. Nach Art. 260bis Abs. 1 StGB wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder Gefängnis bestraft, wer planmässig konkrete technische oder organisatorische Vorkehrungen trifft, deren Art und Umfang zeigen, dass er sich anschickt, eine der folgenden strafbaren Handlungen auszuführen: Raub usw. a) Wortlaut und Entstehungsgeschichte (BBl 1980 I 1243 ff.; Amtl.Bull. 1980 N II 1602 ff., 1981 S 279 ff.) dieser Bestimmung, die anlässlich der Teilrevision von 1981 von den eidgenössischen Räten ins StGB aufgenommen wurde, machen deutlich, dass der Gesetzgeber die Strafbarkeit von Vorbereitungshandlungen zu bestimmten Kapitalverbrechen mit einer Reihe einschränkender Kautelen umgeben hat, um der Verfolgung blosser deliktischer Gesinnung oder Absicht vorzubeugen. Er hat - allgemein ausgedrückt - ihre Strafbarkeit nur vorgesehen, wo äussere Akte des Täters auf eine solche Intensität des deliktischen Willens schliessen lassen, dass eine Ausführung der Straftat normalerweise bevorsteht. b) Dabei ist nicht zu übersehen, dass Vorbereitungshandlungen ihrer Natur nach bloss Handlungen sein können, die nicht schon Beginn der Deliktsausführung sind. Mit dem Erlass von Art. 260bis StGB sollte die Strafbarkeit über den Bereich des strafbaren Versuchs hinaus vorverlegt werden; bei der Vorbereitung schwerer Verbrechen, wie sie in Art. 260bis abschliessend genannt sind, soll nämlich "möglichst frühzeitig eingegriffen werden können, damit nicht zugewartet werden muss, bis die strafbaren Handlungen geschehen sind" (Amtl.Bull. 1980 N II 1664 Votum Blunschy, s. auch SCHULTZ, a.a.O. S. 134); es geht um präventiv wirkenden Rechtsgüterschutz (Amtl.Bull. N a.a.O. 1661 Votum Hunziker; Amtl.Bull. 1981 S 282 Votum Aubert). Anderseits hat aber der Gesetzgeber mit der Formel "sich zur Ausführung BGE 111 IV 155 S. 158 anschicken" auch zum Ausdruck gebracht, dass nicht jede entfernte und in ihrer Zielrichtung noch vage Vorbereitungshandlung genügt. Die Vorkehrungen, von denen das Gesetz spricht, müssen planmässig und konkret sein, d.h. es muss um mehrere überlegt ausgeführte Handlungen gehen, die im Rahmen eines deliktischen Vorhabens eine bestimmte Vorbereitungsfunktion haben. Sie müssen ausserdem nach ihrer Art und ihrem Umfang so weit gediehen sein, dass vernünftigerweise angenommen werden kann, der Täter werde seine damit manifestierte Deliktsabsicht ohne weiteres in Richtung auf eine Ausführung der Tat weiterverfolgen; er muss - mit anderen Worten - zumindest psychologisch an der Schwelle der Tatausführung angelangt sein (Amtl.Bull. N a.a.O. 1658 Votum Petitpierre), was aber nicht voraussetzt, dass er auch materiell im Begriff ist, zur Ausführung der Tat anzusetzen (ARZT, a.a.O. S. 277). Das Gesetz verlangt entgegen der Meinung STRATENWERTHS (s. E. 1) nicht, dass die Vorkehrungen auf ein nach Ort, Zeit und Begehungsweise bereits hinreichend konkretisiertes Delikt Bezug haben (ebenso SCHULTZ, a.a.O. S. 134). Wo, wann und wie die Straftat auszuführen sein wird, sind weitgehend Fragen der Organisation. Art. 260bis Abs. 1 StGB lässt jedoch wahlweise technische oder organisatorische Vorkehrungen genügen. Der Täter, der im Hinblick auf einen Raubüberfall, dessen Ablauf bloss in weiten Konturen (z.B. Überfall auf noch nicht bestimmte Bank in einer bestimmten Region), aber nicht schon im Detail geplant ist, bereits eine Reihe konkreter technischer Vorkehrungen getroffen hat, die erkennen lassen, dass er aller Wahrscheinlichkeit nach die Tat nach Abschluss weiterer Massnahmen ausführen wird, ist an jener psychologischen Schwelle zur Tatausführung angelangt, und es besteht objektiv und subjektiv eine zureichende Beziehung zwischen der Vorbereitung und einem bestimmten Deliktstatbestand, um nach dem Willen des Gesetzgebers Art. 260bis Abs. 1 StGB Platz greifen zu lassen (s. Amtl.Bull. N a.a.O. 1620 und 1665 Voten von Bundesrat Furgler unter Verweisung auf HAFTER und SCHULTZ). 3. Im vorliegenden Fall hatte sich der mehrfach vorbestrafte Beschwerdeführer, der - wie die Vorinstanz sich ausdrückt - als eigentlicher Kriminaltourist in die Schweiz kam, wo er übrigens noch eine Reihe von Diebstählen beging, in Mailand Schusswaffen und Munition beschafft, um in der Gegend von Aarau einen Raubüberfall auf eine Bank, ein Postbüro oder ein Verkaufslokal BGE 111 IV 155 S. 159 auszuführen. In der Schweiz selber erstand er weitere Utensilien (Funkgeräte, Gummihandschuhe, Schraubenzieher, Glasschneider), die er in einem Schliessfach im Bahnhof Aarau deponierte. Auch stand ein Komplize in Italien auf Abruf bereit, um für den Zeitpunkt der Tatausführung mit dem Auto in die Schweiz zu kommen und dem Beschwerdeführer beizustehen. Damit hat G. zielstrebig und mit einem gewissen finanziellen Aufwand eine ganze Reihe von konkreten Vorbereitungen für einen in Aussicht genommenen Raub getroffen und solcherweise eine derartige Tatbereitschaft manifestiert, dass sich der Schluss rechtfertigt, er habe jedenfalls psychologisch die Schwelle der Tatausführung erreicht. Die Gerichtsmehrheit der Vorinstanz hat ihn deshalb zu Recht nach Art. 260bis Abs. 1 StGB bestraft.
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048cdca6-6674-43ce-aac9-7cf40d5e3829
Sachverhalt ab Seite 192 BGE 103 Ia 191 S. 192 Nach Art. 20 des bernischen Gesetzes über Handel, Gewerbe und Industrie vom 4. Mai 1969 (Gewerbegesetz) war die Regelung des Ladenschlusses - und damit auch die Zulassung allfälliger Abendverkäufe - den Gemeinden überlassen. Die Genossenschaft Migros Bern erstellte in der (unweit von Bern gelegenen) Gemeinde Moosseedorf das Einkaufszentrum Shoppyland, das sie seit März 1975 zusammen mit vierzig Mietern betreibt. Der Gemeinderat Moosseedorf hatte seinerzeit im Rahmen einer "Vereinbarung" der Migros die Möglichkeit von vier Abendverkäufen pro Woche zugesichert. Die Stimmbürger von Moosseedorf nahmen in der Folge am 13. Dezember 1974 ein Ladenschlussreglement an, das den Gemeinderat ermächtigte, an bis zu fünf Abenden pro Woche (d.h. ausgenommen an Samstagen, Sonntagen und Feiertagen) BGE 103 Ia 191 S. 193 jeweils bis spätestens 21.00 Uhr den Abendverkauf zu bewilligen. Die kantonale Volkswirtschaftsdirektion erteilte dem Reglement am 28. Februar 1975 vorbehaltlos die erforderliche Genehmigung. Gestützt auf dieses Reglement und in Bestätigung der bisherigen, bereits seit Eröffnung des Einkaufszentrums geltenden Regelung bewilligte der Gemeinderat Moosseedorf am 9. Dezember 1975 die Durchführung von vier Abendverkäufen pro Woche (Dienstag bis Freitag, jeweils bis 21.00 Uhr). Als Folge einer im Februar 1975 angenommenen Motion beschloss der Grosse Rat des Kantons Bern am 9. September 1976 eine "Ergänzung" des kantonalen Gewerbegesetzes. Nach dem neuen Art. 20a können die Gemeinden den Abendverkauf nur noch an höchstens zwei Tagen pro Woche zulassen. Eine Ausnahme gilt nach Art. 20b für die überwiegend vom Fremdenverkehr abhängigen Gemeinden. Für die Anpassung der kommunalen Reglemente an die veränderte kantonale Gesetzgebung wird eine Frist von einem Jahr seit Inkraftsetzung eingeräumt. Der Erlass wurde, unter Hinweis auf die Möglichkeit des fakultativen Referendums, im kantonalen Amtsblatt vom 6. Oktober 1976 publiziert. Nachdem die Referendumsfrist am 7. Januar 1977 unbenützt abgelaufen war, setzte der Regierungsrat mit Beschluss vom 12. Januar 1977 den Erlass auf den 1. Februar 1977 in Kraft und ordnete seine Aufnahme in die Gesetzessammlung an. Die Gemeinde Moosseedorf führt im Anschluss an die Publikation der Referendumsvorlage am 28. Oktober 1976 staatsrechtliche Beschwerde mit dem Begehren, die am 9. September 1976 beschlossene Ergänzung des Gewerbegesetzes aufzuheben. Das Bundesgericht weist die Beschwerde, soweit es darauf eintritt, ab aus folgenden Erwägungen Erwägungen: 1. Die dreissigtägige Frist zur staatsrechtlichen Beschwerde gegen einen allgemeinverbindlichen Erlass beginnt, sofern kein kantonales Rechtsmittel mehr offensteht, grundsätzlich mit dessen Veröffentlichung im Amtsblatt zu laufen ( BGE 99 Ia 643 mit Hinweisen). Handelt es sich um einen dem fakultativen Referendum unterstehenden Erlass, so beginnt die dreissigtägige BGE 103 Ia 191 S. 194 Beschwerdefrist, wenn das Referendum nicht ergriffen wird, mit der amtlichen Bekanntmachung, dass der (bereits publizierte) Erlass infolge unbenützten Ablaufs der Referendumsfrist zustandegekommen sei bzw. auf einen bestimmten Termin in Kraft trete (BIRCHMEIER, Bundesrechtspflege, S. 382; BGE 66 I 70 ff.; bezüglich Fristbeginn bei Ergreifung des fakultativen Referendums oder bei Anfechtung eines dem obligatorischen Referendum unterstehenden Erlasses vgl. BGE 101 Ia 270 , BGE 99 Ia 643 , BGE 91 I 83 f. E. 1, sowie GIACOMETTI, Die Verfassungsgerichtsbarkeit des Schweizerischen Bundesgerichtes, S. 194). Der Zeitpunkt, an dem der angefochtene Erlass in Kraft tritt oder vollziehbar wird, ist für die Fristberechnung ohne Bedeutung ( BGE 67 I 23 ; BGE 66 I 70 ; BIRCHMEIER, a.a.O.; S. 381). Die vorliegende, noch während der Dauer der Referendumsfrist eingereichte staatsrechtliche Beschwerde war somit verfrüht. Die dreissigtägige Beschwerdefrist begann nach dem Gesagten mit der Publikation des Regierungsratsbeschlusses vom 12. Januar 1977, mit dem die Inkraftsetzung des Erlasses angeordnet wurde. Die verfrühte Einreichung der Beschwerde schadet jedoch in derartigen Fällen nichts; sie hat lediglich zur Folge, dass das Verfahren bis zum Vorliegen des massgebenden Publikationsaktes sistiert wird ( BGE 98 Ia 204 ; BIRCHMEIER, a.a.O. S. 381/82). Auf die vorliegende Beschwerde ist insoweit einzutreten. 2. Der angefochtene kantonale Erlass berührt die Gemeinde Moosseedorf in ihren hoheitlichen Befugnissen. Sie ist daher legitimiert, wegen Verletzung der Gemeindeautonomie staatsrechtliche Beschwerde zu führen. Ob sie im betreffenden Bereich den Schutz der Autonomie geniesst, ist keine Frage des Eintretens, sondern der materiellen Beurteilung der Beschwerde ( BGE 100 Ia 282 E. 3 mit Hinweisen). 3. Ob und wieweit eine Gemeinde in einem bestimmten Bereich autonom ist, bestimmt sich nach dem kantonalen Verfassungs- und Gesetzesrecht. Die bernische Staatsverfassung vom 4. Juni 1893 (vgl. Art. 63-71) legt die Bereiche, in denen die Gemeinden zur Rechtsetzung befugt sind, nicht selber fest. Es gibt insbesondere keine Verfassungsvorschrift, welche den Gemeinden auf dem Gebiete des Ladenschlusses irgendwelche autonomen Rechtsetzungsbefugnisse garantieren würde. Massgebend sind einzig die einschlägigen Bestimmungen BGE 103 Ia 191 S. 195 des kantonalen Gewerbegesetzes. Dieses ermächtigte in seiner bisherigen Fassung die Gemeinden generell zum Erlass von Ladenschlussreglementen (sowie zur Verbindlicherklärung von Ladenschlussordnungen) und eröffnete damit einen Bereich autonomer Rechtsetzung. Der geschützte Autonomiebereich besteht jedoch, da die Verfassung selber hierüber nichts bestimmt, nur innerhalb der vom kantonalen Gesetzgeber gezogenen Schranken. Engt dieser die von ihm einmal gesetzten Schranken nachträglich durch Gesetzesänderung ein, so liegt hierin grundsätzlich keine Verletzung der Gemeindeautonomie, solange nicht irgendwelche unmittelbar durch die Verfassung gewährleistete Rechtsetzungs- oder Selbstverwaltungsbefugnisse berührt werden ( BGE 94 I 457 E. 4). Die Frage, ob der Gesetzgeber eine in der Kantonsverfassung an sich vorausgesetzte, dort aber nicht näher umschriebene Gemeindeautonomie beliebig einschränken darf oder ob er sie in einem bestimmten Mindestmass erhalten muss, stellt sich hier nicht, da im zu beurteilenden Fall von einem Eingriff in den Wesenskern der Gemeindeautonomie zum vornherein nicht die Rede sein kann (vgl. dazu ULRICH ZIMMERLI, ZBl 73/1972 S. 263/64). 4. Die Beschwerdeführerin behauptet nicht, dass der kantonale Gesetzgeber mit der Limitierung der Zahl der Abendverkäufe seine Kompetenzen überschritten und in ein Sachgebiet eingegriffen habe, dessen Regelung nach der Kantonsverfassung den Gemeinden vorbehalten sei. Sie stellt sich jedoch auf den Standpunkt, dass eine bestehende kommunale Rechtsetzungsbefugnis nur durch ein Gesetz beschränkt werden könne, das in jeder Hinsicht verfassungsmässig sei. Andernfalls sei die Gemeinde - um welche Verfassungsnorm es sich auch immer handle - in ihrer Autonomie verletzt. Sie könne daher gegenüber einem die kommunale Autonomie einschränkenden Gesetz alle in Betracht fallenden Verfassungsrügen erheben, so auch die Rüge der Verletzung von Art. 31 BV . a) Dieser Betrachtungsweise ist nicht zu folgen. Wohl ist richtig, dass jeweils dann, wenn streitig ist, ob eine kantonale Instanz von ihren Aufsichts- oder Kontrollbefugnissen einen zulässigen Gebrauch gemacht hat, die Gemeinde im Rahmen einer Autonomiebeschwerde die Stichhaltigkeit der von der Aufsichts- oder Rechtsmittelinstanz ins Feld geführten Argumente bestreiten und dabei gegebenenfalls auch geltend BGE 103 Ia 191 S. 196 machen kann, die kantonale Behörde verkenne die Tragweite verfassungsmässiger Freiheitsrechte oder sonstiger verfassungsmässiger Grundsätze ( BGE 102 Ia 70 ; BGE 101 Ia 394 ff.; BGE 100 Ia 289 ff.; BGE 99 Ia 66 E. 4 und 5; BGE 97 I 515 f. E. 4a ; 96 I 382 ff.). Verweigert beispielsweise eine Kantonsregierung einem kommunalen Friedhofreglement die Genehmigung, weil sie einen Verstoss gegen die Glaubens- und Gewissensfreiheit erblickt, so kann die Gemeinde diesen Eingriff in ihre Rechtsetzungsbefugnisse anfechten mit der Begründung, dass die behauptete Verletzung von Art. 49 BV nicht bestehe ( BGE 101 Ia 394 ff.). Hier liegt jedoch kein derartiger Fall vor. Es geht nicht darum, ob eine kantonale Rechtsmittel- oder Aufsichtsbehörde die ihr zustehenden Kontrollbefugnisse in zulässiger Weise ausgeübt hat, sondern die Beschwerde richtet sich gegen ein kantonales Gesetz, das in einem bestimmten Bereich den Umfang der kommunalen Rechtsetzungskompetenzen neu festlegt. In einem solchen Falle kann eine Gemeinde grundsätzlich bloss geltend machen, dass sich die neue gesetzliche Regelung über verfassungsrechtlich garantierte Rechtsetzungs- oder Selbstverwaltungsbefugnisse hinwegsetze. Zur Rüge, dass ein unter diesem organisationsrechtlichen Gesichtspunkt zulässiges Gesetz durch seinen Inhalt verfassungsmässige Individualrechte verletze, ist die Gemeinde nicht legitimiert. Wohl kann der einzelne Bürger nach bundesgerichtlicher Praxis unter bestimmten Voraussetzungen zur Unterstützung seiner individualrechtlichen Verfassungsrügen "vorfrageweise" auch eine Verletzung der Gemeindeautonomie rügen ( BGE 100 Ia 428 ff. mit Hinweisen). Hieraus lässt sich aber nicht folgern, dass umgekehrt auch die Gemeinde befugt sein müsse, sich zur Unterstützung der Autonomierüge auf Verfassungsrechte individualrechtlicher Art zu berufen. Ob ein kantonaler Hoheitsakt gegen individualrechtliche Verfassungsgarantien verstösst, prüft das Bundesgericht nur auf Beschwerde eines legitimierten Privaten hin ( BGE 97 I 518 f. E. 6). Soweit die Gemeinde Moosseedorf ihre Autonomierüge damit begründet, dass die vom kantonalen Gesetzgeber beschlossene Beschränkung des Abendverkaufes gegen die Handels- und Gewerbefreiheit verstosse, ist daher auf die Beschwerde nicht einzutreten. b) Die Beschwerdeführerin macht weiter geltend, dass das Vorgehen des Gesetzgebers das Gebot von Treu und Glauben BGE 103 Ia 191 S. 197 und den Grundsatz der Rechtsgleichheit verletze. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts kann sich eine Gemeinde im Rahmen einer Autonomiebeschwerde - im Sinne eines Angriffsmittels - zwar nicht auf verfassungsmässige Individualrechte (s. oben), so doch auf gewisse ungeschriebene oder aus Art. 4 BV abgeleitete allgemeine Verfassungsgrundsätze berufen, sofern deren behauptete Verletzung mit dem streitigen Eingriff in die Autonomie in engem Zusammenhang steht (Prinzip der Verhältnismässigkeit: BGE 96 I 242 E. 5; rechtliches Gehör: BGE 98 Ia 431 E. 2, BGE 96 I 239 ; Rechtsgleichheit: BGE 97 I 511 E. 1 und 519 E. 6; betr. Treu und Glauben vgl. BGE 98 Ia 432 f.; Erfordernis des Zusammenhanges mit der Autonomierüge: BGE 102 Ia 166 E. 5, BGE 97 I 511 E. 1, BGE 94 I 455 f. E. 1b). aa) Ob eine Gemeinde gegenüber den Organen des Kantons im gleichen Masse und unter den gleichen Bedingungen Anspruch auf Vertrauensschutz besitzt wie ein Privater, wurde in BGE 98 Ia 432 /33 ausdrücklich offen gelassen. (Dem Urteil BGE 99 Ia 66 ff. lässt sich zu dieser Frage nichts entnehmen; es ging in jenem Fall einzig darum, ob das kantonale Verwaltungsgericht annehmen durfte, dass die Gemeinde nach dem Prinzip von Treu und Glauben gegenüber einem Privaten gebunden sei.) Die erwähnte Frage braucht auch hier nicht weiter erörtert zu werden, da es an einer geeigneten Vertrauensgrundlage, auf die sich die Beschwerdeführerin berufen könnte, zum vornherein fehlt. Es ist klar, dass die vorbehaltlose Genehmigung des fraglichen kommunalen Reglementes durch die kantonale Volkswirtschaftsdirektion den Gesetzgeber nicht zu binden vermag (vgl. BGE 102 Ia 336 ff.). Auch die zwischen der Gemeinde und der Migros getroffenen Abmachungen stehen der angefochtenen Gesetzesänderung unter dem Gesichtswinkel des Vertrauensschutzes nicht entgegen. Die Beteiligten mussten mit der Möglichkeit einer Änderung der kantonalen Gesetzgebung rechnen, umso mehr als die mit dem Gemeinderat vereinbarten Ladenöffnungszeiten eine im Kanton Bern unübliche Sondervergünstigung darstellten. Eine Zusicherung des Gesetzgebers, mit der die neue kantonalrechtliche Regelung in Widerspruch stünde, liegt nicht vor (vgl. BGE 102 Ia 336 f.). Der Einwand der Beschwerdeführerin, dass die angefochtene Gesetzesnovelle Verfügungscharakter besitze, trifft nicht zu. Wohl wurde die Gesetzesänderung BGE 103 Ia 191 S. 198 durch die besondere Ladenschlussordnung der Gemeinde Moosseedorf veranlasst und ist die Beschwerdeführerin zur Zeit die einzige Gemeinde, die wegen der angefochtenen Vorschriften ihre Ladenschlussordnung ändern muss. Doch handelt es sich bei diesen Vorschriften nichtsdestoweniger um einen allgemeinverbindlichen Erlass, der sich an alle bernischen Gemeinden richtet. Die streitigen Vorschriften wurden - anders als die in BGE 94 I 339 ff. zu beurteilende "Spezialbauordnung" - nicht nur für einen Einzelfall erlassen. Die vom Bundesgericht für den Widerruf von Verfügungen entwickelten Grundsätze kommen deshalb nicht zur Anwendung, und die diesbezüglichen Ausführungen der Beschwerdeführerin gehen an der Sache vorbei. bb) Welche Übergangsfrist der kantonale Gesetzgeber für die Anpassung an die neue Ordnung gewähren muss, ist nicht eine Frage des Vertrauensschutzes, sondern eine solche der Verhältnismässigkeit. Die Gemeinde kann im Rahmen einer Autonomiebeschwerde nicht mehr verlangen, als dass ihr die für den Erlass einer neuen Ladenschlussordnung erforderliche Zeit eingeräumt wird. Die gewährte Übergangsfrist von einem Jahr trägt diesem Erfordernis Rechnung. Zur Rüge, dass diese Frist aus der Sicht der betroffenen Gewerbetreibenden zu kurz sei und verfassungsmässige Individualrechte verletze, ist die Gemeinde nach dem Gesagten nicht legitimiert. cc) Die Beschwerdeführerin macht schliesslich geltend, dass Art. 20b der Gesetzesnovelle, wonach in Fremdenverkehrsgemeinden während der Saison mehr als zwei Abendverkäufe pro Woche gestattet werden dürfen, zwischen den Gemeinden eine unzulässige Rechtsungleichheit schaffe. Zu diesem Einwand, der mit der gerügten Autonomieverletzung in engem Zusammenhang steht, ist die Gemeinde legitimiert ( BGE 97 I 511 ). Die Rüge dringt jedoch nicht durch. Es ist in manchen Kantonen üblich, für Fremdenverkehrsgemeinden eine freiere Ordnung der Ladenöffnungszeiten vorzusehen. Die Ladenbesitzer in solchen Gemeinden leben weitgehend von saisonalen Verkäufen, die daher möglichst erleichtert und den besonderen Konsumgewohnheiten der Gäste angepasst werden sollen. Diese Erleichterungen an Fremdenkurorten wirken sich in der Regel auch nicht wettbewerbsverzerrend aus. Die beanstandete Differenzierung zwischen Fremdenverkehrsgemeinden und übrigen Gemeinden beruht somit auf vertretbaren sachlichen BGE 103 Ia 191 S. 199 Überlegungen und hält daher, wie bereits in BGE 97 I 517 E. 4c festgestellt wurde, vor dem Grundsatz der Rechtsgleichheit stand.
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Sachverhalt ab Seite 62 BGE 118 IV 61 S. 62 Die Eheleute L. und D. W. haben zwei Kinder (geb. 1984 und 1987). Im Januar 1989 verliess die Ehefrau mit den Kindern die gemeinsame Wohnung. Kurz danach reichte sie die Scheidungsklage ein; sie verlangte, ihr im Sinne einer vorsorglichen Massregel die Obhut über die Kinder zu übertragen. Am 15. April 1989 holte der Vater die Kinder zu einem vereinbarten Wochenendbesuch ab, reiste dann aber mit ihnen in die Ferien und brachte sie erst nach einer sechswöchigen Reise, die durch Italien, Jugoslawien, die Türkei und Griechenland führte, wieder zur Mutter zurück. Eine am 17. April 1989 versandte Verfügung der Instruktionsrichterin, mit welcher die Mutter zur Obhutsinhaberin erklärt wurde, ging ihm erst bei seiner Rückkehr zu. Alle Beteiligten stimmen darin überein, dass der Vater die Kinder gut behandelt habe; die Mutter fügte allerdings hinzu, sie hätten die lange Ferienreise psychisch verarbeiten müssen. Das Bezirksgericht Unterrheintal verurteilte D. W. am 12. Januar 1990 wegen fortgesetzter Entführung, fortgesetzten Entziehens und Vorenthaltens von Unmündigen sowie wegen Vernachlässigung von Unterstützungspflichten zu sechs Wochen Gefängnis, bedingt aufgeschoben auf eine Probezeit von zwei Jahren. Auf Berufung der Staatsanwaltschaft hin sprach das Kantonsgericht St. Gallen D. W. am 4. September 1990 von der Anklage der Entführung frei. Es erklärte ihn schuldig des Entziehens von Unmündigen BGE 118 IV 61 S. 63 sowie der fortgesetzten Vernachlässigung von Unterstützungspflichten und verurteilte ihn zu vier Wochen Gefängnis, unter Gewährung des bedingten Strafvollzuges bei einer Probezeit von zwei Jahren. Gegen dieses Urteil wendet sich die Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen an das Bundesgericht mit eidgenössischer Nichtigkeitsbeschwerde, mit welcher sie beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an das Kantonsgericht zurückzuweisen. D. W. beantragt, die Nichtigkeitsbeschwerde abzuweisen. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Die Beschwerdeführerin bringt vor, die Vorinstanz habe Art. 183 Ziff. 2 und 184 StGB verletzt, indem sie den Beschwerdegegner von der Anklage der Entführung freigesprochen habe; angesichts der Dauer liege eine qualifizierte Entführung vor. Zu prüfen ist somit, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, wenn sie den Beschwerdegegner nur wegen Entziehens von Unmündigen nach Art. 220 StGB verurteilte und nicht auch wegen qualifizierter Entführung. 2. a) Art. 220 StGB schützt nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (auch nicht alleinige) Inhaber der elterlichen und vormundschaftlichen Gewalt in ihrer Befugnis, über die ihnen unterstellte Person, insbesondere über deren Aufenthaltsort, Erziehung und Lebensgestaltung zu bestimmen ( BGE 95 IV 68 , BGE 98 IV 35 , BGE 110 IV 37 E. 1c mit Hinweisen; kritisch dazu SUSANNE HÜPPI, Straf- und zivilrechtliche Aspekte der Kindesentziehung gemäss Art. 220 StGB mit Schwergewicht auf den Kindesentführungen durch einen Elternteil, Zürcher Diss. 1988, S. 34 ff., insbesondere S. 42, die als geschützt nur das Aufenthaltsbestimmungsrecht sieht; in diesem Sinn auch TRECHSEL, Kurzkommentar StGB, Art. 220 N 1 , und HAUSER/REHBERG, Grundriss Strafrecht IV, Zürich 1989, S. 98). Es handelt sich um ein Vergehen gegen die Familie (Überschrift des sechsten Titels). b) Demgegenüber handelt es sich bei der Entführung um ein Delikt gegen die Freiheit. Nach BGE 83 IV 154 besteht das "Entführen" darin, dass das Opfer an einen Ort geführt wird, wo es sich in der Gewalt des Täters befindet; die Entführung besteht damit aus zwei Elementen: dem Verbringen des Opfers an einen anderen Ort und - als Folge davon - eine gewisse Machtposition des Täters BGE 118 IV 61 S. 64 über das Opfer (STRATENWERTH, Bes. Teil I, 3. Auflage, S. 102; SCHUBARTH, Kommentar StGB, Art. 183 N 47 ). Gemäss Art. 183 Ziff. 2 StGB können auch Kinder (und Jugendliche: Art. 82 und 89 StGB ) unter 16 Jahren entführt werden. c) Ob die durch Art. 184 StGB mögliche Erweiterung des Strafrahmens aufgrund der Dauer des Freiheitsentzuges auch für die Entführung gilt - wie Vorinstanz und Beschwerdegegnerin ohne weiteres annehmen -, erscheint fraglich. Denn bei einer Entführung braucht weder eine Nötigung noch eine Freiheitsberaubung vorzuliegen (TRECHSEL, a.a.O., Art. 183 N 13 ; STRATENWERTH, a.a.O., S. 102 N 33; NOLL, Schweiz. Strafrecht, Bes. Teil I, S. 79; SCHUBARTH, a.a.O., Art. 183 N 48 und 62); nach dem Wortlaut des Gesetzes "Entzug der Freiheit" ist wohl nur die eigentliche Freiheitsberaubung ( Art. 183 Ziff. 1 Abs. 1 StGB ) qualifiziert, wenn sie länger als 10 Tage dauert. Auch die Botschaft verwendet bei der Erörterung des Qualifikationsgrundes der Dauer nur den Begriff der Freiheitsberaubung (BBl 1980 I 1260). Ob damit, wenn als eigentliche Tathandlung der Entführung einzig das Verbringen an einen anderen Ort zu betrachten ist, diesbezüglich kein Dauerdelikt vorliegt (so HAFTER, Schweiz. Strafrecht, Bes. Teil I, S. 104; anderer Auffassung SCHUBARTH, a.a.O., Art. 183 N 50 , allerdings ohne nähere Begründung), wie dies bei der Freiheitsberaubung als Aufhebung der körperlichen Bewegungsfreiheit der Fall ist, kann indessen offenbleiben, da der Tatbestand von Art. 184 StGB im vorliegenden Fall ohnehin nicht erfüllt ist. d) Für die Annahme einer echten Gesetzeskonkurrenz zwischen Art. 183 und 220 StGB ist wegen der Verschiedenheit der geschützten Rechtsgüter entscheidend, ob sich das Verhalten des Täters im konkreten Fall lediglich gegen den (Mit-)Inhaber der elterlichen Gewalt richtet oder auch gegen die Freiheit des Kindes (vgl. oben E. 2a und b; TRECHSEL, a.a.O., Art. 220 N 8 ). Diese Frage ist nach den jeweiligen Umständen sowie den Zielen und Absichten des Täters zu beurteilen (vgl. BERTRAND SAUTEREL, L'enlèvement de mineur, thèse de licence, Lausanne 1991, S. 142). 3. a) Der Tatbestand der Entführung setzt voraus, dass sich als Folge des Verbringens an einen anderen Ort eine Machtposition des Täters über sein Opfer ergibt (vgl. E. 2b). Hat der Täter diese Machtposition bereits aufgrund anderer Umstände inne, oder wird eine bereits bestehende Machtposition nicht erheblich verstärkt (vgl. EGLI, Freiheitsberaubung, Entführung und Geiselnahme, Diss. Zürich, S. 76 f.), kann daher keine Entführung vorliegen. BGE 118 IV 61 S. 65 b) Der Schutz der Freiheit des Kindes bezüglich der Wahl seines Aufenthaltsortes unterliegt den sich aus der elterlichen Gewalt ergebenden Einschränkungen (vgl. EGLI, a.a.O., S. 113). Gemäss Art. 297 Abs. 1 ZGB üben die Eltern die elterliche Gewalt gemeinsam aus; diese Regel gilt, bis ein Ehegatte verstirbt oder die elterliche Gewalt durch den Richter einem Elternteil allein zugeteilt wird. Die Eheleute W. hatten zwar eine private Vereinbarung abgeschlossen, wonach der Mutter die Obhut eingeräumt werde und der Vater die Kinder jeweils über ein verlängertes Wochenende zu sich nehmen könne. Eine solche Vereinbarung wie auch die Zuteilung der Obhut im Eheschutzverfahren oder als vorsorgliche Massnahme im Scheidungs- oder Abänderungsprozess (vgl. HEGNAUER, Grundriss des Kindesrechtes, 3. Auflage, § 26 N 10 ) lässt aber die elterliche Gewalt des anderen Teils in ihrem rechtlichen Bestand vorderhand unberührt (BÜHLER/SPÜHLER, Kommentar, Art. 145 N 200 ). Die Kinder sind deshalb nach wie vor beiden Inhabern der elterlichen Gewalt zu Gehorsam verpflichtet (vgl. HEGNAUER, Kommentar, 3. Auflage, N 8 ff. zu aArt. 275 ZGB). c) Ist daher wie im vorliegenden Fall die elterliche Gewalt lediglich faktisch durch die Obhut der Obhutsberechtigten eingeschränkt, kann für die betroffenen Kinder das geschützte Rechtsgut ihrer Freiheit nicht wesentlich eingeschränkt sein, weil sie nach wie vor dem (Mit-)Inhaber der elterlichen Gewalt zu Gehorsam verpflichtet sind und es für sie grundsätzlich keine Rolle spielen wird, von welchem der beiden Elternteile ihr Aufenthaltsort bestimmt wird; dies gilt jedenfalls so lange, als dies mit der im Interesse des Kindes ausgeübten elterlichen Gewalt vereinbar und damit zu dessen Wohl ist. Denn es wäre - wie die Vorinstanz zu Recht bemerkt - widersprüchlich, einerseits vom Willen des Kindes abzusehen und andererseits denjenigen wegen eines Deliktes gegen die Freiheit der Willensentschliessung zu bestrafen, der ermächtigt ist, gerade diesen Willen zu bilden. Dass auch das Kind unter 16 Jahren ein Freiheitsbewusstsein hat (so schon HAFTER, a.a.O., S. 107; LOGOZ, Commentaire, Art. 185 N 1 , S. 284) und ihm mit zunehmendem Alter auch eine gewisse Freiheit in der Wahl seines Aufenthaltsortes zukommt (vgl. EGLI, a.a.O., S. 113), braucht hier nicht berücksichtigt zu werden, handelt es sich doch noch um Kleinkinder. Die dargelegte Zurückhaltung bei der Annahme einer Entführung durch einen (Mit-)Inhaber der elterlichen Gewalt würde sich auch aufgrund der möglicherweise zur Anwendung gelangenden hohen Mindeststrafe von Art. 184 StGB aufdrängen (vgl. Auslegung von BGE 118 IV 61 S. 66 Straftatbeständen nach der angedrohten Strafe: BGE 116 IV 315 E. aa). d) Den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz ist zu entnehmen, dass der Beschwerdegegner seine Kinder gut behandelte; die Kinder waren nach ihrer Rückkehr wohlauf; es fehlte den Kindern körperlich nichts; sie hätten nach Angabe der Mutter lediglich "den langen Ferienaufenthalt psychisch verarbeiten müssen"; der getroffenen Obhutsvereinbarung stimmte der Beschwerdegegner angeblich nur zu, um die Kinder überhaupt sehen zu können. Die Ehefrau des Beschwerdegegners hatte die eheliche Wohnung mit den Kindern erst seit kurzer Zeit verlassen, weshalb sich die Kinder noch nicht an den neuen Zustand gewöhnt haben dürften. Hinzu kommt, dass im vorliegenden Fall die Veränderung des Aufenthaltsortes anlässlich eines mit seiner Ehefrau und Mutter der Kinder vereinbarten Wochenendbesuches insbesondere noch keine wesentliche Verstärkung des auch zugunsten des Beschwerdegegners bestehenden Herrschaftsverhältnisses gegenüber seinen beiden Kleinkindern bewirkte. Unter solchen Umständen ist davon auszugehen, dass der Beschwerdegegner in erster Linie seiner Ehefrau die (Mit-)Ausübung der elterlichen Rechte verunmöglichen wollte, nicht aber seinen Kindern zu deren Nachteil die Freiheit entziehen. Aus diesen Gründen muss es im vorliegenden Fall mit der ausschliesslichen Anwendbarkeit von Art. 220 StGB sein Bewenden haben. e) Die Vorinstanz hat somit kein Bundesrecht verletzt, wenn sie den Beschwerdegegner ausschliesslich nach Art. 220 StGB bestrafte.
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Sachverhalt ab Seite 39 BGE 109 IV 39 S. 39 A.- Rechtsanwalt Dr. M. hatte dem Präsidenten der Bündner Anwaltskammer den Entwurf einer Rechtsschrift eingereicht, mit welcher er Rechtsanwalt Dr. K. in der Folge einzuklagen gedachte. Wegen verschiedener darin enthaltener Äusserungen fühlte letzterer sich in seiner Ehre verletzt und reichte Klage ein. In einem Schreiben an den Adressaten der Rechtsschrift äusserte er sich über diesen Entwurf wie folgt: "Diese Schrift widerspricht in ihrem Kern den Tatsachen und stellt das Produkt grösster menschlicher Schlechtigkeit dar, die mir jemals widerfahren ist." Dieser Satz veranlasste Dr. M. seinerseits Strafklage wegen Ehrverletzung gegen Dr. K. einzureichen. BGE 109 IV 39 S. 40 B.- Der Kreisgerichtsausschuss Chur sprach Dr. M. und Dr. K. der üblen Nachrede schuldig und bestrafte sie mit Bussen von Fr. 1'000.-- und Fr. 100.--. Der Ausschuss des Kantonsgerichtes von Graubünden änderte den erstinstanzlichen Entscheid, indem er Dr. K. bloss der Beschimpfung gemäss Art. 177 StGB schuldig erklärte. C.- Der Kassationshof wies beide von den Parteien gegen das Urteil des Kantonsgerichtsausschusses erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden ab, soweit er darauf eintrat. Erwägungen Aus den Erwägungen: I. Nichtigkeitsbeschwerde Dr. M. 2. e) Nicht haltbar ist die Auffassung des Beschwerdeführers, die Vorinstanz habe mit der Erwägung Bundesrecht verletzt, wonach er nach den gesamten Umständen wohl begründete Veranlassung gehabt habe, aufgrund der vorhandenen Indizien Vermutungen im Sinne der gemachten Äusserungen anzustellen, er diese hingegen nicht als sichere Tatsachen hätte in der Rechtsschrift aufführen dürfen. Wohl hat jede Partei in einem Zivilprozess ein Interesse daran, die Tatsachen zu behaupten, aus denen sie die Entstehung der von ihr geltend gemachten Rechte oder den Untergang der vom Gegner behaupteten Verpflichtungen herleitet. Der Kläger, der nicht alle rechtsbegründenden Tatsachen behauptet, läuft Gefahr, mit der Klage abgewiesen zu werden (GULDENER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. Aufl. S. 166 Ziff. III). Aus dieser den Kläger treffenden Behauptungslast folgt indessen nicht auch das Recht des Anwalts, schlechthin irgendwelche mit dem Prozessthema zusammenhängende Behauptungen aufzustellen, selbst wenn er nach sorgfältiger Prüfung der Unterlagen nicht in guten Treuen annehmen kann, dass sie den Tatsachen entsprechen und rechtsgenügend bewiesen werden können. Das muss insbesondere bei Behauptungen gelten, die schwerwiegende Angriffe auf die Ehre der Gegenpartei enthalten. Nicht nur ist hier ein erhöhtes Mass an Sorgfalt bei der Prüfung geboten, ob die Behauptung der Wahrheit entspricht und in welcher Form sie allenfalls vorgetragen werden darf (s. BGE 105 IV 119 , BGE 104 IV 16 ), sondern es hat der Anwalt auch zu berücksichtigen, dass Beweisschwierigkeiten eine Ehrverletzung nicht zu rechtfertigen vermögen (s. BGE 105 IV 119 /120, BGE 104 IV 16 ; v. WERRA, Der BGE 109 IV 39 S. 41 Anwalt und die üble Nachrede, in Bulletin des SAV 1980 Heft Nr. 70 S. 8, 9). Schliesslich muss er, wenn er nach loyaler Abwägung der Gründe und Gegengründe zum Schluss gelangt, auf die ehrverletzende Äusserung nicht verzichten zu können, ohne gleichzeitig seine wohlverstandenen Mandatspflichten zu vernachlässigen, seine die Ehre der Gegenpartei berührenden Ausführungen auf das für die Wahrung der Interessen seines Klienten Notwendige beschränken und insbesondere auch in der Formulierung derselben vorsichtige Zurückhaltung üben. Dass er sich dabei allgemein eigener subjektiver Wertung ehrenrühriger Natur zu enthalten hat, die er sachlich nicht zu begründen vermag, liegt auf der Hand (v. WERRA, loc.cit. und S. 10). Im vorliegenden Fall hat jedoch der Beschwerdeführer die eingeklagten Äusserungen überhaupt nicht in einem Prozess getan, sondern in einem der Bündner Anwaltskammer eingereichten Entwurf einer Prozesseingabe, mit welcher er Dr. K. einzuklagen gedachte, so dass es fraglich ist, ob er sich auf die Wahrung der Interessen seines Klienten C. berufen kann. Das Verfahren vor der Anwaltskammer war ein standesrechtliches Vermittlungsverfahren zwischen zwei Anwälten. Im übrigen hält die Beschwerde selbst dann nicht stand, wenn man dieses Verfahren als Vorbereitung des Schadenersatzprozesses ansehen und dem Beschwerdeführer dieselbe Stellung zugestehen wollte wie im letztgenannten Prozess. In diesem wäre es dem Beschwerdeführer keineswegs verwehrt gewesen, zur Begründung der Schadenersatzklage des C. die tatsächlichen Vorgänge um den Kauf der Aktientotalität der Firma X. AG sachlich darzulegen und namentlich auch geltend zu machen, seiner Meinung nach beständen Indizien dafür, dass Dr. K. wusste, dass die Aktien in Wirklichkeit nicht von L., sondern von der Anstalt Y. in Vaduz gekauft würden, und dass für diesen Fall eine Irreführung des C. durch Dr. K. naheliege. Auch hätte er durchaus diese Indizien nennen und entsprechende Beweise offerieren können. Damit hätte er der Behauptungslast genügt und gleichzeitig nicht mehr gesagt, als was er nach der verbindlichen Würdigung der Beweise durch die Vorinstanz in guten Treuen hätte verantworten können. Auch wäre er, indem er sich in seinen Schlüssen auf Verdächtigungen beschränkt hätte, einer Bestrafung wegen übler Nachrede in diesem Punkt entgangen (s. BGE 102 IV 185 ). Statt sich bei der vom Kantonsgericht verbindlich dargelegten unsicheren Beweislage der gebotenen Zurückhaltung zu befleissigen, hat er jedoch den Prozessgegner nicht nur im genannten BGE 109 IV 39 S. 42 Sinne verdächtigt, sondern in seinen aus den objektiv gegebenen Tatsachen gezogenen Schlussfolgerungen in schwerwiegender Weise beschuldigt, indem er Dr. K. vorwarf, er habe beim Aktienkauf einen Partnerwechsel "ausgeheckt" und "heimlich vorbereitet" und die ihm bekannte Bewilligungspflicht des Vertrags dem C. "arglistig" verschwiegen, um seinem Klienten L. "gegebenenfalls die Möglichkeit zu verschaffen, sich, wenn das Geschäft sich doch nicht so anlasse, wie er sich dies erhoffe, auf die Nichtigkeit des Vertrags zu berufen"; er habe C. also "kräftig hinters Licht geführt", ihm überdies einen Grundpfandbestellungsvertrag "abgelistet" und ein "skandalöses" und "vertrags- und treuwidriges Verhalten" an den Tag gelegt. Damit hat der Beschwerdeführer nicht nur unzulässigerweise etwas als Tatsache hingestellt, wozu nach den Unterlagen, über welche er nach dem angefochtenen Urteil verfügte, bloss Grund zu Verdächtigungen bestand ( BGE 107 IV 35 ), sondern er ist auch in der Formulierung der Äusserungen weit über das hinausgegangen, was sich nach den gesamten Umständen in guten Treuen sachlich vertreten liess. Wenn die Vorinstanz angesichts dessen zum Schluss kam, der Beschwerdeführer habe für diese schwerwiegenden Anschuldigungen den Gutglaubensbeweis nicht erbracht, hat sie Bundesrecht nicht verletzt. f) Auf Art. 32 StGB könnte sich der Beschwerdeführer zu seiner Entlastung ohnehin nicht berufen, weil die Tatsache, dass der Anwalt mit seinen Äusserungen berechtigte Interessen seines Mandanten wahren will - worin sich seine Berufspflicht diesfalls erschöpft - seit der Teilrevision des StGB vom 5. Oktober 1950 nicht mehr als Rechtfertigungsgrund anerkannt ist, sondern bloss noch als Voraussetzung für die Zulassung zum Entlastungsbeweis in Betracht fällt ( BGE 82 IV 10 , BGE 80 IV 111 ; v. WERRA, a.a.O. S. 7). Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers wurde in BGE 107 IV 35 keineswegs auf Art. 32 StGB Bezug genommen. Soweit die Wahrung berechtigter Interessen berücksichtigt wurde, geschah dies, um die begründete Veranlassung und damit die Zulassung zu den Entlastungsbeweisen zu bejahen. Im übrigen aber hatte die Vorinstanz den im gleichen Entscheid enthaltenen Hinweis, dass der Anwalt nicht etwas als sichere Tatsachen hinstellen dürfe, wofür bloss Grund zu Verdächtigungen bestehe, als Erwägung in den Rahmen des Gutglaubensbeweises gestellt und damit jenen Entscheid richtig verstanden. BGE 109 IV 39 S. 43 II. Nichtigkeitsbeschwerde Dr. K. 4. a) Der Beschwerdeführer scheint den ehrverletzenden Charakter der Äusserung bestreiten zu wollen, jedoch zu Unrecht. Wer behauptet, eine Schrift sei das Produkt grösster menschlicher Schlechtigkeit, disqualifiziert damit nicht nur die Schrift selber, sondern vor allem deren Verfasser. Er ist derjenige, der die Schrift "produziert" hat, und nur er kann aus menschlicher Schlechtigkeit gehandelt haben. Wer jedoch einen andern bezichtigt, er habe aus grösster menschlicher Schlechtigkeit heraus gehandelt, der wirft ihm eine Einstellung vor, die sich mit den Eigenschaften, die ein ehrbarer Mensch haben muss, nicht vereinbaren lässt. Er setzt ihn also in seiner Ehre herab. b) Soweit die Argumentation des Beschwerdeführers aber darauf zielt, aus der angeblichen Verhältnismässigkeit seiner Reaktion auf den Angriff des Beschwerdegegners einen Rechtfertigungsgrund für sein Handeln abzuleiten, ist ihm entgegenzuhalten, dass in einem Rechtsstaat ein Delikt grundsätzlich nicht mit einer ebenfalls unter das Strafrecht fallenden Tat vergolten werden darf. Nur wo die besonderen Voraussetzungen des Art. 33 StGB erfüllt sind, gesteht das Gesetz dem Angegriffenen das Recht zu, sich mit einer an sich den Tatbestand eines Delikts erfüllenden Handlung zur Wehr zu setzen. Im vorliegenden Fall sind jedoch die Voraussetzungen des Art. 33 StGB nicht gegeben, was in der Beschwerde übrigens auch nicht behauptet wird. Was aber die Bestimmungen des Art. 177 Abs. 2 und 3 StGB anbelangt, so handelt es sich nicht um Rechtfertigungs-, sondern um fakultative Strafbefreiungsgründe.
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Sachverhalt ab Seite 429 BGE 117 II 429 S. 429 A.- Die Y. AG wurde im Jahre 1980 gegründet und bezweckte die Entwicklung und Herstellung von und den Handel mit Sachen, BGE 117 II 429 S. 430 die vorwiegend für Beleuchtungsanlagen verwendet werden, sowie die Planung und Bewertung solcher Anlagen. Am 31. Januar 1985 wurde ihr für eine Verfahrenserfindung ihres Geschäftsleiters X. "zur Steuerung einer Tunnelbeleuchtungsanlage und Einrichtung zur Durchführung des Verfahrens" ein Patent erteilt. Am 5. Mai 1989 fiel sie in Konkurs. In der Folge machte X. das Eigentum am Patent geltend, welche Ansprache das Konkursamt Höngg-Zürich mit Verfügung vom 17. Juli 1989 abwies. B.- Am 27. Juli 1989 klagte X. gegen die Konkursmasse der Y. AG auf Aussonderung des Patents. Die Einzelrichterin im beschleunigten Verfahren des Bezirks Zürich wies die Klage mit Urteil vom 9. Januar 1990 ab. Auf Berufung des Klägers bestätigte das Obergericht des Kantons Zürich am 29. Januar 1991 diesen Entscheid. C.- Das Bundesgericht weist die vom Kläger gegen das obergerichtliche Urteil eingelegte Berufung ab, soweit es darauf eintritt. Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Für den Fall der Annahme eines echten Treuhandgeschäfts beansprucht der Kläger ein Aussonderungsrecht nach Art. 401 Abs. 3 OR und rügt eine Verletzung dieser Bestimmung durch die Vorinstanz. a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts findet Art. 401 OR auch im Treuhandverhältnis Anwendung ( BGE 115 II 471 E. b; BGE 99 II 396 E. 6; vgl. auch BGE 112 III 95 E. 4b). Mit beachtlichen Gründen lässt sich indessen die Frage stellen, ob die Anwendung der Norm nicht auf diejenigen Fälle zu beschränken sei, in welchen die Treuhandschaft sich weitestgehend in einem blossen Auftrag erschöpft mit dem Ziel, dem Treugeber raschmöglichst die durch den Treuhänder erworbenen Rechte zu verschaffen, dagegen für echte Treuhandverhältnisse, in denen die volle Rechtsmacht bis zur Beendigung der fiducia beim Treuhänder verbleiben soll, abzulehnen sei (HEINI, Der treuhänderische Gesellschafter und Art. 401 OR , in Richter und Verfahrensrecht, FS 150 Jahre Obergericht Luzern, S. 187 ff.). Wie es sich damit verhält, kann im vorliegenden Fall offenbleiben, wenn sich ergibt, dass dem Kläger auch nach Art. 401 OR kein Aussonderungsrecht am Treugut zusteht. b) Der Treuhänder ist nach schweizerischer Rechtsauffassung als vollberechtigter Eigentümer des ihm übertragenen Treuguts zu BGE 117 II 429 S. 431 betrachten. Sachen und Rechte, die ihm fiduziarisch gehören, können daher grundsätzlich bei ihm gepfändet werden und fallen in einer Generalexekution in seine Konkurs- oder Nachlassmasse, auch wenn sie wirtschaftlich gesehen einem andern zustehen ( BGE 114 II 50 E. c; BGE 113 III 31 E. 3 mit Hinweisen). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz normiert Art. 401 OR , indem er zu Gunsten des Auftraggebers eine Legalzession und ein Aussonderungsrecht an Forderungen und beweglichen Sachen vorsieht, welche der Beauftragte in eigenem Namen aber für Rechnung des Auftraggebers erworben hat. Seinem Wortlaut nach bezieht Art. 401 OR sich indessen nur auf Sachen und diesen gleichgestellte Vermögenswerte, die der Beauftragte von Dritten erworben hat, nicht hingegen auf solche, die ihm der Auftraggeber überlassen hat, im Treuhandverhältnis mithin namentlich nicht auf das ursprüngliche Treugut. Entsprechend wird die Bestimmung denn auch von der Rechtsprechung und der überwiegenden Lehre ausgelegt ( BGE 39 II 809 ff. E. 4 und 5; PIERRE WÄLLI, Das reine fiduziarische Rechtsgeschäft, Diss. Zürich 1969, S. 100 mit zahlreichen Hinweisen in Fn. 69; WOLF, Bemerkungen zum Aussonderungsrecht des Fiduzianten bei der Zwangsvollstreckung gegen den Fiduziar, in Aequitas et bona fides, FS Simonius 1955, S. 428 f.; MERZ, Legalzession und Aussonderungsrecht gemäss Art. 401 OR , in Ausgewählte Abhandlungen, S. 429 f.; MERZ, ZBJV 111/1975, S. 115; BUCHER, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, 2. Auflage, S. 50; VON TUHR/PETER, Allgemeiner Teil des Schweizerischen Obligationenrechts, Band I, S. 205; ENGEL, Traité des obligations en droit suisse, S. 164; TERCIER, La partie spéciale du Code des obligations, S. 390 Rz. 3016; REYMOND, L'arrêt Feras Anstalt et consorts c. Vallugano S.A. et l'évolution de la jurisprudence du Tribunal fédéral sur l'acte fiduciaire, JdT 1974, S. 599; JAEGER, N. 4e zu Art. 197 SchKG ; BLUM/PEDRAZZINI, Anm. 7 zu Art. 33 PatG ). In einem Teil des Schrifttums wird demgegenüber postuliert, Art. 401 Abs. 3 OR direkt oder in Analogie ebenfalls auf die dem Treuhänder vom Treugeber überlassenen Sachen und diesen gleichgestellten Vermögenswerte anzuwenden (GAUTSCHI, N. 20e zu Art. 401 OR ; GAUTSCHI, Subrogation und Aussonderung von beweglichem Treuhandvermögen, SJZ 72/1976, S. 317 ff.; HOFSTETTER, SPR VII/2, S. 102; WEBER, Praxis zum Auftragsrecht und zu den besonderen Auftragsarten, S. 111; HONSELL, Schweizerisches Obligationenrecht, Besonderer Teil, S. 220; UTE RÜEDE-BUGNION, Fiduziarische BGE 117 II 429 S. 432 Rechtsgeschäfte, die ein Markenrecht zum Gegenstand haben, nach schweizerischem Recht, Diss. Genf 1977, S. 113 ff.; wohl auch JÄGGI/GAUCH, N. 200 und 212 zu Art. 18 OR ). Eine Mittellösung vertritt WIEGAND, welcher ein Aussonderungsrecht im Bereich der geschäftsführenden Treuhand losgelöst von Art. 401 OR bejaht, für das fiduziarische Sicherungsgeschäft dagegen ablehnt (Fiduziarische Sicherungsgeschäfte, ZBJV 116/1980, S. 565 f.; ihm folgend KRAMER, N. 120 zu Art. 18 OR ; ähnlich auch REYMOND, a.a.O., S. 600). Von der bisherigen Rechtsprechung und der herrschenden Lehre abzuweichen, besteht keine Veranlassung. Der Regelungsgedanke von Art. 401 OR geht dahin, die Wirkungen der indirekten Stellvertretung soweit möglich denjenigen der direkten anzugleichen ( BGE 102 II 109 E. 2b; WÄLLI, a.a.O., S. 101). Die Wirkungen des bloss mittelbaren Rechtserwerbs über den Beauftragten sollen - wie bei der direkten Stellvertretung - möglichst unmittelbar, d.h. so rasch als möglich, beim Auftraggeber eintreten (HEINI, a.a.O., S. 191). Auch vom Normzweck her drängt es sich daher auf, Art. 401 Abs. 3 OR seinem Wortlaut gemäss auszulegen und die Ausnahmeregelung auf von Dritten erworbene Sachen und diesen gleichgestellte Vermögenswerte zu beschränken. Zwar ist zuzugeben, dass die wirtschaftliche Interessenlage hinsichtlich der von Dritten erworbenen Sachen und des ursprünglichen Treuguts weitgehend identisch ist (JÄGGI/GAUCH, N. 200 zu Art. 18 OR ), doch reicht dies de lege lata nicht aus, über Wortlaut und Sinn von Art. 401 OR hinaus eine weitere Ausnahme vom Grundsatz des vollen Rechtserwerbs des Fiduziars zu begründen (MERZ, a.a.O.). Das Obergericht hat deshalb kein Bundesrecht verletzt, wenn es dem Kläger die Aussonderung des der Beklagten fiduziarisch übertragenen Patents nach Art. 401 Abs. 3 OR versagt hat.
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Sachverhalt ab Seite 1 BGE 108 III 1 S. 1 Im Konkurs über G. schloss die Konkursverwaltung am 18./25. Januar 1978 mit der St. Gallisch-Appenzellische Kraftwerke AG (SAK) einen Dienstbarkeitsvertrag ab, in welchem der SAK das Recht eingeräumt wurde, über die dem Schuldner gehörenden Grundstücke Nr. 535 und 541, Grundbuch Teufen, eine Freileitung zu führen und den Wald unterhalb der Leitung abzuholzen oder zurückzuschneiden. Für waldwirtschaftliche Nachteile und Randschäden wurde der Konkursmasse eine Entschädigung von Fr. 800.-- ausgerichtet. Am 30. Januar/16. Februar 1981 schloss die Konkursverwaltung einen entsprechenden Vertrag für das Ausholzen für eine Freileitung über das Grundstück Nr. 557 ab. Für waldwirtschaftliche Nachteile wurden in diesem Fall Fr. 240.-- ausbezahlt. Mit Beschwerde an das Obergericht von Appenzell A. Rh. als Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs beantragte BGE 108 III 1 S. 2 G., die beiden Dienstbarkeitsverträge seien aufzuheben und auf den Grundstücken sei der ursprüngliche Zustand wiederherzustellen. Mit Entscheid vom 30. April 1982 wies das Obergericht die Beschwerde ab. Gegen diesen Entscheid rekurrierte G. an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts. Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer weist den Rekurs ab, soweit sie darauf eintritt. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Nach der Rechtsprechung ist der Gemeinschuldner befugt, Verfügungen der Konkursverwaltung und Gläubigerbeschlüsse - namentlich solche über die Verwertung der Aktiven der Konkursmasse sowie über die Erfassung und Sicherung des Konkursvermögens - mit Beschwerde anzufechten, wenn sie in seine rechtlich geschützten Rechte und Interessen eingreifen ( BGE 103 III 23 E. 1, BGE 101 III 44 E. 1, BGE 95 III 28 /29, BGE 94 III 88 /89, BGE 88 III 34 /35 und 77, BGE 85 III 180 ). Der Abschluss der beiden Dienstbarkeitsverträge stellt weder eine Verwertungshandlung dar, noch dient er der Erfassung und Sicherung des Konkursvermögens. Vielmehr handelt es sich dabei lediglich um eine Massnahme zum Zweck der Erhaltung der Massegegenstände im Sinne von Art. 240 SchKG . Man kann sich fragen, ob der Gemeinschuldner auch zur Anfechtung solcher Massnahmen legitimiert ist. Wie es sich damit verhält, kann jedoch dahingestellt bleiben, da der Abschluss der Verträge gar keine Verfügung darstellt, sondern eine rechtsgeschäftliche Handlung, die der Beschwerde an die Aufsichtsbehörden zum vornherein nicht unterliegt ( BGE 102 III 84 E. 5; FRITZSCHE, Schuldbetreibung und Konkurs, 2. Aufl., Bd. I S. 42; vgl. auch JAEGER N. 2 und 4 zu Art. 240 SchKG ). Das Obergericht hätte daher auf die Beschwerde gar nicht eintreten sollen. Im übrigen griffen die Dienstbarkeitsverträge, die sich nach den Feststellungen im angefochtenen Entscheid auf die Erneuerung bereits bestehender Durchleitungsrechte sowie auf das Ausholzen zur Sicherung der Leitungen bezogen und die keine zusätzliche Belastung der Grundstücke bewirkten, nicht in die gesetzlich geschützten Rechte des Rekurrenten ein. Der Konkursverwalter war zum Abschluss der Verträge zweifellos zuständig, ohne der Zustimmung des Rekurrenten oder der Gläubiger zu bedürfen. Über die Opportunität des Vertragsabschlusses hat das Bundesgericht nicht zu befinden.
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Sachverhalt ab Seite 26 BGE 95 III 25 S. 26 A.- Über Erwin Hälg, Buchdruckereibesitzer in Degersheim, wurde am 7. Februar 1968 der Konkurs eröffnet. Die erste Gläubigerversammlung vom 12. März 1968 setzte das Konkursamt Untertoggenburg als Konkursverwaltung ein und ernannte "zur Beaufsichtigung" einen Gläubigerausschuss. Ferner bewilligte sie als Verwertungsmassnahme den freihändigen Verkauf der Druckerei und die Weiterführung des Betriebes. B.- Es gelang dem Gemeinschuldner nicht, die Mittel für einen den Gläubigern vorzuschlagenden Nachlassvertrag zu beschaffen. In einer Sitzung des Gläubigerausschusses vom 22. Juli 1968 stellte er die erforderlichen Unterlagen hiefür auf einen nahen Zeitpunkt in Aussicht, ebenso in der Sitzung des Ausschusses vom 25. Oktober 1968. Es kam jedoch nicht zu einem solchen Vorschlag. BGE 95 III 25 S. 27 Sodann zeitigte die Ausschreibung der Druckerei zu freihändigem Verkauf kein annehmbares Angebot. C.- Die zweite Gläubigerversammlung vom 16. Dezember 1968 war nicht beschlussfähig. In der Sitzung vom 22. Januar 1969 nahm der Gläubigerausschuss Stellung zum Antrag des Konkursverwalters, "die Versteigerung vorzubereiten und raschmöglichst vorzunehmen, da die Aussichten auf einen Freihandverkauf nicht sehr gross sind und auch nicht mehr ernsthaft an einen Nachlassvorschlag des Konkursiten geglaubt werden kann". Dem Sitzungsprotokoll ist zu entnehmen: "Die Mitglieder des Ausschusses sind einmütig der Auffassung, dass nach allen vergeblichen Versuchen, das Geschäft freihändig zu verkaufen, nichts anderes mehr übrig bleibt, als die Versteigerung auszuschreiben. Als Datum wird der 28. Februar 1969 vorgesehen und der Konkursverwalter damit beauftragt, die Ausschreibung vorzunehmen. Die Bemühungen, wenigstens die unter Eigentumsvorbehalt stehenden Maschinen noch zu einem möglichst günstigen Preis zu verkaufen, sollen fortgesetzt werden. Auch sollen allfällige Interessenten für die Liegenschaft besonders auf die Kaufmöglichkeit aufmerksam gemacht werden." Der Ausschuss beschloss ferner, den Betrieb auf Freitag, den 24. Januar 1969, nach Arbeitschluss stillzulegen. D.- Demgemäss verfügte der Konkursverwalter am 24. Januar 1969 die Schliessung des Betriebes. Zugleich traf er Massnahmen zur Erledigung der laufenden Druckaufträge unter Aufsicht. Neue Aufträge seien nicht mehr anzunehmen, sofern nicht ausnahmsweise das Konkursamt es bewillige. E.- Mit Beschwerde vom 3. Februar 1969 verlangte der Gemeinschuldner die Aufhebung dieser Verfügung und die Fortführung seines Druckereibetriebes "gemäss dem Beschluss der Gläubigerversammlung und unter der Leitung des Gläubigerausschusses". Er hielt der Konkursverwaltung eine Überschreitung ihrer Befugnisse vor. F.- Mit Entscheid vom 17. Februar 1969 wies die kantonale Aufsichtsbehörde die Beschwerde ab. In der Begründung wird hervorgehoben, dass "nicht die Konkursverwaltung, sondern der Gläubigerausschuss die angefochtene Verfügung erliess". Da die zweite Gläubigerversammlung nicht beschlussfähig war, sei es Aufgabe der im Amte verbliebenen Organe - Konkursverwaltung und Gläubigerausschuss -, den Konkurs durchzuführen, BGE 95 III 25 S. 28 also die zur Liquidation des Konkursvermögens erforderlichen Massnahmen zu treffen. Man könne sich fragen, ob der Gemeinschuldner überhaupt zur vorliegenden Beschwerde legitimiert sei, da doch die angefochtene Verfügung gewiss nicht in seine gesetzlich geschützten Rechte eingreife ( BGE 88 III 34 ). Jedenfalls sei der Gläubigerausschuss berechtigt gewesen, im Hinblick auf eine Verwertung der Aktiven den Geschäftsbetrieb des Gemeinschuldners zu schliessen. G.- Mit vorliegendem Rekurs hält der Gemeinschuldner am Antrag seiner Beschwerde fest. Er führt aus, allerdings stütze sich die angefochtene Verfügung der Konkursverwaltung auf einen Beschluss des Gläubigerausschusses. Auch dieser habe jedoch die ihm zustehenden Befugnisse überschritten. Nach Art. 237 und 238 SchKG handle es sich um Anordnungen, welche der Gläubigerversammlung zustehen. Erwägungen Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung: 1. Der vom 3. März 1969 datierte Rekurs spricht sich nicht darüber aus, ob die auf den 28. Februar 1969 ausgeschriebene Versteigerung (gegen deren Anordnung sich die Beschwerde nicht richtete) stattfand, und mit welchem Ergebnis. Sollte die Druckerei als Ganzes oder sollten die Druckereiliegenschaft und die beweglichen Vermögensgegenstände getrennt versteigert worden sein, so wäre die vorliegende Beschwerde gegenstandslos geworden. Das mit ihr verfolgte Ziel der Weiterführung des Druckereibetriebes durch die Organe des Konkursverfahrens liesse sich nicht mehr erreichen. Wie es sich damit verhält, kann jedoch unabgeklärt bleiben. Auch wenn es noch nicht zur Verwertung gekommen sein sollte, hält die angefochtene Verfügung vor der Beschwerde stand. 2. Nach der Rechtsprechung ( BGE 88 III 34 /35 mit Hinweisen und BGE 88 III 77 lit. c) ist der Gemeinschuldner befugt, Verfügungen der Konkursverwaltung und Gläubigerbeschlüsse - insbesondere solche über die Verwertung der Aktiven der Konkursmasse - durch Beschwerde anzufechten, wenn sie in seine gesetzlich geschützten Rechte und Interessen eingreifen. Dabei sind Willkür, Ermessensmissbrauch und Ermessensüberschreitung einem Verstoss gegen positive Verfahrensvorschriften gleichzuachten. Ein entsprechendes Beschwerderecht steht dem Gemeinschuldner auch gegenüber Massnahmen zu, welche BGE 95 III 25 S. 29 nicht die Verwertung, sondern die Erfassung und Sicherung von Gegenständen des Konkursvermögens betreffen ( BGE 94 III 83 ff. Erw. 3). Nun gehört gewiss zu den zur Sicherung des Konkursvermögens dienenden Massnahmen auch die Anordnung der Weiterführung oder Schliessung des Geschäftsbetriebes des Gemeinschuldners (vgl. FRITZSCHE, Schuldbetreibung und Konkurs II S. 109 - 111). Die vom Rekurrenten in erster Linie aufgeworfene Zuständigkeitsfrage ist jedoch nicht in dem von ihm vertretenen Sinne zu beantworten, und im übrigen beruft er sich gar nicht auf eigene gesetzlich geschützte Rechte oder Interessen, sondern auf einen angeblich den Gläubigern zugefügten oder drohenden Nachteil. Die kantonale Aufsichtsbehörde hätte daher auf die Beschwerde überhaupt nicht eintreten sollen. a) Zu den dringlichen Fragen, über welche die erste Gläubigerversammlung entweder selber zu beschliessen hat oder den Beschluss einem aus ihrer Mitte ernannten Gläubigerausschuss anheimgeben kann, gehört die Frage der Weiterführung des vom Gemeinschuldner betriebenen Handels oder Gewerbes (einerseits Art. 238 Abs. 1, anderseits Art. 237 Abs. 3 Ziff. 2 SchKG ). Im vorliegenden Falle bewilligte die erste Gläubigersammlung selber die Weiterführung des Druckereibetriebes. Das geschah im Hinblick auf eine allfällige, von jener Gläubigerversammlung gleichfalls bewilligte freihändige Veräusserung des ganzen Geschäftes (d.h. des fonds de commerce mit zugehörigen Markenrechten usw., sei es mit oder ohne die Passiven, vgl. Art. 15 Ziff. 1 KV undBGE 42 III 399) und zugleich mit Rücksicht darauf, dass der Gemeinschuldner beabsichtigte, einen die Verwertung vermeidenden Nachlassvertrag vorzuschlagen. Solche Beschlüsse stehen unter der selbstverständlichen Voraussetzung, dass sich die damit verfolgten Zwecke binnen angemessener Zeit verwirklichen lassen. Nachdem die normale Konkursdauer ( Art. 270 SchKG ) überschritten ist und sowohl die Bemühungen des Gemeinschuldners um die Finanzierung eines Nachlassvertrages wie auch die auf freihändigen Verkauf der Druckerei abzielenden Schritte der Konkursverwaltung fehlschlugen, darf die Verwertung auf dem Wege der Versteigerung nicht mehr verzögert werden. Dabei kann sich auch die Schliessung des Geschäftsbetriebes vor der Verwertung als notwendig erweisen, da eben Gegenstand der Verwertung keinesfalls immer das Geschäft als Ganzes ist. BGE 95 III 25 S. 30 b) Dass aber die Schliessung des Betriebes, nachdem dessen Weiterführung seinerzeit von der ersten Gläubigerversammlung bewilligt wurde, wiederum nur von der Gesamtheit der Gläubiger beschlossen werden könne, ist dem Rekurrenten nicht zuzugeben. Gewiss bemerkt JAEGER in der vom Rekurrenten angerufenen Kommentarstelle (N 14 zu Art. 237 SchKG ) mit Recht, in einem solchen Falle habe der Gläubigerausschuss den Betrieb zu überwachen und nach den wechselnden Bedürfnissen anders zu gestalten, "zu einer völligen Einstellung dürfte er aber nur berechtigt sein, wenn sich herausstellt, dass die Gläubiger durch eine weitere Fortführung bedeutenden Schaden leiden würden". Damit ist jedoch nur gesagt. die von der ersten Gläubigerversammlung bewilligte Weiterführung des Geschäftsbetriebes (auf Rechnung der Konkursmasse, vgl. Art. 36 KV) dürfe vom Gläubigerausschuss nicht ohne Notwendigkeit vor der zweiten Gläubigerversammlung widerrufen werden; es sei grundsätzlich dem dieser Versammlung zustehenden Beschlusse ( Art. 253 Abs. 2 SchKG ) nicht vorzugreifen. Nachdem aber im Konkurs des Rekurrenten die zweite Gläubigerversammlung nicht beschlussfähig war, haben die im Amte gebliebenen Konkursorgane (Gläubigerausschuss und Konkursverwaltung) den Konkurs durchzuführen und zu beendigen. Namentlich haben sie zur Verwertung der zur Masse gehörenden Vermögensgegenstände nach den gesetzlichen Vorschriften ( Art. 256 ff. SchKG ) zu schreiten. Dabei befindet sich der Gläubigerausschuss in der Rolle eines fakultativen gesetzlichen Hilfsorganes ohne vollziehende Gewalt. Seine Beschlüsse sind von der Konkursverwaltung auszuführen; sie trifft die nach aussen wirksamen Verfügungen (vgl. BGE 51 III 160 ff. und 223 ff.; JAEGER, N 9 zu Art. 237 SchKG ; BLUMENSTEIN, Handbuch S. 738/39; E. MARTZ, Die Gläubigerversammlung im Konkurs- und Nachlassverfahren, BlSchK 1950, S. 97 ff., besonders 102; FRITZSCHE, a.a.O. II S. 130/31; FAVRE, Droit des poursuites, 2. A. S. 320; A. EGLI, Die Einwirkung des Gläubigerelementes auf die Organisation und Durchführung des Konkursverfahrens ..., der auf S. 58 vom Gläubigerausschuss als einer reduzierten Gläubigerversammlung in Permanenz spricht). Im vorliegenden Falle hat denn auch die Konkursverwaltung gestützt auf die Beschlüsse des Gläubigerausschusses verfügt, und es wurde demgemäss die Beschwerde mit Recht gegen die Konkursverwaltung geführt. BGE 95 III 25 S. 31 c) Für die Betriebsschliessung waren laut der Vernehmlassung der Konkursverwaltung zur Beschwerde folgende Gründe massgebend: "Dass die Druckerei als Ganzes versteigert werden kann, ist nämlich nach dem Misserfolg des Freihandverkaufs, wie der Gemeinschuldner weiss, unwahrscheinlich. Wenn aber Liegenschaft und Druckereimaschinen getrennt zugeschlagen werden müssen, kann in der Druckerei ohnehin nicht mehr weitergearbeitet werden. Es dürfen sich am Steigerungstag demnach auch keine Druckaufträge mehr in Arbeit befinden, denn das würde die Konkursmasse Schadenersatzansprüchen der Auftraggeber aussetzen." Bei dieser Sachlage kann von einer Ermessensüberschreitung, welche dem Gemeinschuldner Grund zur Beschwerde bieten würde, nicht gesprochen werden. Der Gläubigerausschuss hatte, wie sich aus dem Sitzungsprotokoll ergibt, die Schliessung des Betriebes gerade zur Abwendung von Schaden als notwendig befunden.
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Sachverhalt ab Seite 197 BGE 111 Ia 196 S. 197 Am 13. August 1984 beschloss der Zürcher Kantonsrat ein "Gesetz über die Änderung der Aufgabenteilung zwischen dem Kanton und den Gemeinden sowie über den Lastenausgleich mit den Städten Zürich und Winterthur". Damit werden einzelne Gesetze neu erlassen sowie in Kraft stehende Gesetze geändert; neben weitern Erlassen wird ein "Gesetz über die Trägerschaft der Berufsschulen" neu geschaffen. Dieses ermächtigt den Kanton unter anderem, private Berufsschulen dann zu übernehmen, wenn die Eigenleistungen der privaten Trägerschaft weniger als 10 Prozent der anrechenbaren Betriebsausgaben der Schule betragen. Die Gesetzesvorlage unterlag dem obligatorischen Referendum. Mit Eingabe vom 16. November 1984 erhoben der Schweizerische Kaufmännische Verband, sieben weitere kaufmännische Vereinigungen sowie eine im Kanton Zürich stimmberechtigte Privatperson staatsrechtliche Beschwerde beim Bundesgericht. Sie rügen unter anderem eine Stimmrechtsverletzung wegen Missachtung des Prinzips der Einheit der Materie. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Mit der Stimmrechtsbeschwerde wird die Verletzung des Grundsatzes der Einheit der Materie gerügt. a) Bei Stimmrechtsbeschwerden prüft das Bundesgericht nicht nur die Auslegung von Bundesrecht und kantonalem Verfassungsrecht frei, sondern auch diejenige anderer kantonaler Vorschriften, die den Inhalt des Stimm- und Wahlrechts regeln oder mit diesem eng zusammenhängen. In ausgesprochenen Zweifelsfällen schliesst es sich der Argumentation der obersten kantonalen Behörde an; als solche gelten das Parlament und das Volk ( BGE 109 Ia 47 E. 3b mit Hinweisen). b) Der Grundsatz der Einheit der Materie ist im zürcherischen Recht nur hinsichtlich der Volksinitiative ausdrücklich verankert. Nach § 4 Abs. 1 Ziff. 4 des Gesetzes über das Vorschlagsrecht des Volkes vom 1. Juni 1969 ist eine Initiative ungültig, "die Begehren BGE 111 Ia 196 S. 198 verschiedener Art enthält, die keinen inneren Zusammenhang aufweisen, es sei denn, dass es sich um eine Initiative auf Gesamtrevision der Staatsverfassung handelt". Der Grundsatz gilt jedoch auch allgemein von Bundesrechts wegen. Das vom Verfassungsrecht des Bundes gewährleistete politische Stimmrecht gibt dem Bürger unter anderem Anspruch darauf, dass kein Abstimmungsergebnis anerkannt wird, das nicht den freien Willen der Stimmbürger zuverlässig und unverfälscht zum Ausdruck bringt ( BGE 108 Ia 157 E. 3b). Daraus wird unter anderem das generell gültige Prinzip der Einheit der Materie abgeleitet, wonach verschiedene Materien nicht zu einer Abstimmungsvorlage verbunden werden dürfen ( BGE 104 Ia 223 E. 2b mit Hinweisen). Das Bundesgericht stellt bei der Konkretisierung des Grundsatzes der Einheit der Materie an eine behördliche Vorlage weniger strenge Anforderungen als an ein Volksbegehren. Der Grund dafür liegt darin, dass es neben der in beiden Fällen angestrebten Gewährleistung des politischen Stimmrechts bei den Initiativen zusätzlich darum geht, die missbräuchliche Ausübung des Initiativrechts zu verhindern, da die Vereinigung mehrerer Postulate die Unterschriftensammlung übermässig erleichtert ( BGE 99 Ia 182 E. 3b mit Hinweisen). Das Prinzip der Einheit der Materie hat sodann in den verschiedenen Bereichen politischer Willensbildung unterschiedliches Gewicht. So besteht die weiteste Gestaltungsfreiheit im Bereich der Gesetzesvorlage. Dabei ist der Grundsatz gewahrt, sofern mit dem fraglichen Gesetz eine bestimmte Materie geregelt werden soll und die einzelnen, zu diesem Zweck aufgestellten Vorschriften zueinander in einer sachlichen Beziehung stehen. Der Stimmbürger hat mithin keinen verfassungsmässigen Anspruch darauf, dass ihm einzelne, allenfalls besonders wichtige Vorschriften eines Gesetzes, das eine bestimmte Materie regelt, gesondert zur Abstimmung vorgelegt werden. Er muss sich vielmehr auch dann für die Gutheissung oder Ablehnung der ganzen Gesetzesvorlage entscheiden, wenn er mit einzelnen Vorschriften nicht einverstanden ist ( BGE 99 Ia 646 E. 5b mit Hinweisen). Das Prinzip der Einheit der Materie überlässt schliesslich der zuständigen Behörde vielfach einen Gestaltungsspielraum. Von Ausnahmen abgesehen, die hier nicht zutreffen, steht es den Kantonen frei, einzelne Postulate, die einer einheitlichen Materie entsprechen, gemeinsam oder gesondert zur Abstimmung zu bringen. Der Grundsatz verbietet bloss, verschiedene Fragen ohne inneren BGE 111 Ia 196 S. 199 Zusammenhang zu vereinigen, nicht aber, verschiedene Fragen mit innerem Zusammenhang zu trennen. Steht sowohl die Möglichkeit einer einheitlichen wie einer getrennten Abstimmung offen, hat der Stimmbürger keinen verfassungsmässigen Anspruch darauf, dass die Behörde sich für diese oder jene Variante entscheidet. 3. Die Anwendung dieser Kriterien auf den vorliegenden Fall führt zu folgendem Ergebnis: a) Das Gesetz über die Änderung der Aufgabenteilung zwischen dem Kanton und den Gemeinden sowie über den Lastenausgleich mit den Städten Zürich und Winterthur (ALG) bezweckt, wesentliche Teile der kantonalen Finanzstrukturen neu zu ordnen und die Lasten zwischen Kanton und Gemeinden sachgerechter zu verteilen. Der Abstimmungsvorlage liegen gemäss "Beleuchtendem Bericht" des Regierungsrates folgende drei Hauptziele zugrunde: "1. Verbesserte Übereinstimmung von Kompetenzen und Finanzierungsverantwortung durch Aufgabenentflechtung; 2. Klare Aufgabenzuteilung an die einzelnen Körperschaftsebenen und damit Stärkung des föderalistischen Grundelements unseres Staatsaufbaus; 3. Einsparungen durch Verwaltungsvereinfachungen, Verminderung des administrativen Aufwands der Subventionswirtschaft." Einheitliches Anliegen des Gesetzes ist die verbesserte Lastenverteilung zwischen den einzelnen Gemeinwesen. So sollen die Kernstädte Zürich und Winterthur durch eine kantonale Subventionierung ihrer Verkehrsbetriebe entlastet (Art. I ALG) und der allgemeine Finanzausgleich verbessert (Art. II ALG) werden. Sodann ist vorgesehen, dass der Kanton auf einen Anteil an den Billettsteuern der Gemeinden verzichtet (Art. III ALG). Im weitern sollen die Gemeinden von den Aufgaben der Berufsbildung entlastet werden (Art. IV ALG). Schliesslich sieht das Gesetz vor, die Lastenverteilung zwischen Kanton und Gemeinden im Bereich des Volksschul- und Kindergartenwesens neu zu regeln (Art. V bis VII ALG). Es ist offensichtlich und wird von den Beschwerdeführern dem Grundsatz nach auch nicht bestritten, dass all diese Neuordnungen in einem finanzpolitischen Sachzusammenhang stehen. Die einzelnen Massnahmen sind darauf ausgerichtet, ein gemeinsames Ziel - eine bessere innerkantonale Finanzordnung - zu erreichen. Der Grundsatz der Einheit der Materie ist somit gewahrt. Der Kanton Zürich war daher unter dem Blickwinkel des verfassungsmässig garantierten politischen BGE 111 Ia 196 S. 200 Stimmrechts befugt, die einzelnen Massnahmen dem Stimmbürger in einer einheitlichen Vorlage gesamthaft zur Abstimmung zu unterbreiten. Dass gegebenenfalls auch die Möglichkeit bestanden hätte, die Vorlage aufzuteilen und mehrere Abstimmungsfragen zu stellen, ändert an der Zulässigkeit des gewählten Vorgehens nichts. Nach dem Gesagten besteht kein Anspruch der Stimmbürger, dass die kantonale Behörde sich von zwei möglichen Varianten für die eine oder die andere entscheidet. b) Mit der Stimmrechtsbeschwerde wird die gerügte Verletzung des Prinzips der Einheit der Materie nicht damit begründet, dass mehrere finanzpolitische Postulate in einem einheitlichen Erlass vereinigt wurden. Beanstandet wird vielmehr, dass dem Kanton gleichzeitig die Möglichkeit eröffnet wird, bisher privat betriebene Berufsschulen unter bestimmten Voraussetzungen zu übernehmen. Diese Argumentation verkennt, dass die kaufmännischen Schulen nur einen Teil der allgemeinen Berufsschulen ausmachen und in das Gesamtsystem der Berufsbildung integriert sind. Dieses System aber weist nach der bisherigen Ordnung eine differenzierte Struktur auf. So werden die gewerblich-industriellen Berufsschulen allgemein durch die Gemeinden des Standortes betrieben und getragen. Ausserkommunale Berufsschulen dieser Richtung bilden die Ausnahmen (z.B.: Berufsschule Horgen, getragen durch einen privaten Verein; Schweizerische Frauenfachschule Zürich, getragen durch eine öffentlichrechtliche Anstalt; Luftverkehrsschule Swissair; Berufsschule Sulzer). Demgegenüber haben die kaufmännischen Berufsschulen durchwegs eine private Trägerschaft, jene der lokalen kaufmännischen Vereine. Im Vernehmlassungsverfahren, das dem Erlass des Gesetzes vorangegangen ist, verlangten siebzig Gemeinden eine Übernahme der Berufsschulen durch den Kanton. Die Aufgabenentflechtung im Berufsbildungswesen wurde als erstrangiges Anliegen bezeichnet, da die Gemeinden vorab die massiven finanziellen Belastungen als unverhältnismässig zur praktisch fehlenden Autonomie in der Betriebsgestaltung der Schulen beanstandeten (Vernehmlassungsbericht der Finanzdirektion des Kantons Zürich zur Aufgabenteilung zwischen Kanton und Gemeinden vom Juli 1981, S. 23 ff.). Der angenommene Erlass trägt diesen Anliegen Rechnung. Zwischen den beteiligten Gemeinwesen war dabei offenbar stets unbestritten, dass mit einer Übernahme der Finanzlasten auch die Trägerschaft dieser Berufsschulen auf den Kanton übergehen sollte. BGE 111 Ia 196 S. 201 Diese Ordnung erscheint denn auch ohne weiteres sachgerecht. Die Identität von wirtschaftlicher und betrieblicher Trägerschaft erscheint in jeder Hinsicht als zweckmässig. Durfte aber die wirtschaftliche Trägerschaft unter dem Blickwinkel der Einheit der Materie in einem Gesamterlass neu geordnet werden, so gilt das ohne weiteres auch für die gleichzeitig notwendige Neuordnung der betrieblichen Trägerschaft. Gleiches muss für die Berufsschulen gelten, die nicht durch die Gemeinden, sondern durch andere öffentlichrechtliche oder private Organisationen getragen werden. Auch diese Berufsschulen sind nicht selbsttragend, sondern im wesentlichen von Beiträgen des Gemeinwesens abhängig. Sie sind wirtschaftlich, aber auch unterrichtsmässig in das Gesamtgefüge des staatlichen Berufsbildungswesens integriert; sie haben praktisch nur hinsichtlich der betrieblichen Trägerschaft eine Sonderstellung. Die Neuordnung der finanziellen Leistungen des Gemeinwesens an diese Berufsschulen rechtfertigte es unter dem Blickwinkel der Einheit der Materie, auch eine betriebliche Zuständigkeitsordnung zu erlassen. Die Frage des inneren Sachzusammenhangs stellt sich hier nicht anders als bei den bisher kommunal betriebenen Berufsschulen. Dass die öffentlichen und die privaten Schulträger von einheitlichen Regelungen betroffen werden, ist in bezug auf das politische Stimmrecht ohne Belang. Das einheitliche Ziel des streitigen Gesetzes wird durch die unterschiedlichen Auswirkungen auf einzelne Betroffene nicht verändert. Es genügt vielmehr dem Erfordernis der Einheit der Materie. c) Zusammenfassend ergibt sich, dass die streitige Vorlage das politische Stimmrecht der Bürger nicht verletzt. Die Stimmrechtsbeschwerde ist daher unbegründet.
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Sachverhalt ab Seite 244 BGE 116 Ia 242 S. 244 D. wohnt in Laax, wo er seit Herbst 1980 als Primarlehrer tätig ist. Die Gemeindeversammlung vom 7. April 1990 wählte ihn mit Amtsantritt am 1. Juni 1990 in den Gemeindevorstand. Gegen diese Wahl erhoben B. und Mitbeteiligte beim Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden Beschwerde, mit der sie geltend machten, D. fehle das passive Wahlrecht; als Primarschullehrer sei er aus Gründen der Unvereinbarkeit nicht in den Gemeindevorstand wählbar. Die Gemeinde beantragte, die Beschwerde sei gutzuheissen. Das Verwaltungsgericht wies diese jedoch am 29. Mai 1990 ab, soweit es darauf eintrat. Zur Begründung führte es im wesentlichen aus, die Rollenverteilung im Gemeindevorstand lasse sich derart organisieren, dass der Lehrer nicht in seiner eigenen Aufsichtsbehörde amte. Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 11. Juli 1990 beantragen B. und Mitbeteiligte, das - ihnen am 11. Juni 1990 mitgeteilte - Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden vom 29. Mai 1990 sei aufzuheben. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit auf sie eingetreten werden kann. Erwägungen Erwägungen: 1. a) Das politische Stimmrecht umfasst das aktive und das passive Wahlrecht ( BGE 91 I 192 E. 1a), eingeschlossen das Recht des Bürgers, dass ein öffentliches Amt nur mit Personen besetzt wird, die in sich keine Unvereinbarkeitsgründe erfüllen (vgl. BGE 114 Ia 395 ff., BGE 89 I 77 ). Als Stimmbürger der Gemeinde Laax sind die Beschwerdeführer legitimiert, dieses Recht mit Stimmrechtsbeschwerde als verletzt zu rügen ( Art. 85 lit. a OG ; BGE 114 Ia 264 E. 1b, 400). Auch die übrigen Prozessvoraussetzungen sind erfüllt. Auf die Beschwerde ist daher grundsätzlich einzutreten. b) Bei Stimmrechtsbeschwerden prüft das Bundesgericht nicht nur die Auslegung und Anwendung von Bundesrecht und kantonalem Verfassungsrecht frei, sondern auch diejenige anderer kantonaler Vorschriften, die den Inhalt des Stimm- und Wahlrechts regeln oder mit diesem eng zusammenhängen. Die Auslegung und Anwendung anderer kantonaler Normen ist dagegen nur auf Willkür hin zu prüfen ( BGE 113 Ia 396 E. 3). Unvereinbarkeitsvorschriften unterstehen danach der freien Kognition (nicht publ. BGE 116 Ia 242 S. 245 Urteil des Bundesgerichts vom 8. August 1989 i.S. Anthamatten, E. 2). Dabei ist zwischen den durch die Unvereinbarkeitsklauseln verfolgten Zielen, insbesondere die Unabhängigkeit der Behördenmitglieder zu garantieren, und den Mitteln zu unterscheiden, mit denen diese Ziele erreicht werden sollen. Das Bundesgericht hat sich zurückzuhalten, wenn es die Auswahl der Mittel überprüft, soweit diese von örtlichen Umständen abhängen, die zu würdigen in erster Linie den Kantonen obliegt ( BGE 114 Ia 404 f. E. 7c). 2. a) Die Bündner Gemeinden sind befugt, sich Verfassungen zu geben, welche jedoch "den Bundes- und Kantonsgesetzen ... nicht zuwider sein dürfen" (Art. 40 Abs. 2 der Verfassung für den Kanton Graubünden vom 2. Oktober 1892 [KV]; vgl. Art. 2 des Gemeindegesetzes des Kantons Graubünden vom 28. April 1974 [GG]). Sie bestellen u.a. einen Gemeindevorstand (Art. 6 Abs. 2 GG) als generelle Verwaltungsbehörde der Gemeinde (Art. 14 GG). Bei Abstimmungen und Wahlen, die vom Gemeindevorstand vorgenommen werden, ist jedes Mitglied zur Abgabe der Stimme verpflichtet. Vorbehalten bleiben die Bestimmungen über den Ausstand (Art. 19 GG). In Ausstand tritt ein Gemeindevorstandsmitglied namentlich dann, wenn es an der betreffenden Angelegenheit "ein unmittelbares persönliches Interesse" hat (Art. 23 Abs. 1 GG). Die Ausübung einzelner Befugnisse kann besonderen Behörden oder Kommissionen übertragen werden (Art. 17 GG). So wählt jede Gemeinde einen Schulrat (Art. 60 Abs. 1 des kantonalen Schulgesetzes vom 19. November 1961 [SchG]), dem Leitung und Beaufsichtigung der Schule obliegen (Art. 61 Abs. 1 Satz 1 SchG). Der Schulrat ist Aufsichtsbehörde gegenüber den Lehrern. Der Lehrer ist Gemeindeangestellter. Er wird durch die von der Gemeinde als zuständig erklärte Wahlbehörde gewählt und besoldet (Art. 49 Abs. 1 SchG). Unter dem Titel "Unvereinbarkeit von Gemeindeämtern" bestimmt das kantonale Gemeindegesetz schliesslich: "Ein Gemeindebeamter oder ständiger Gemeindeangestellter kann der ihm unmittelbar vorgesetzten Behörde nicht angehören (Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG)." b) Im vorstehend aufgezeigten kantonalen Rahmen bestimmt die Gemeindeverfassung von Laax vom 23. März 1973 (GV), dass jeder Stimmberechtigte in eine Gemeindebehörde gewählt werden kann, sofern die Wählbarkeit nicht durch ein Strafgerichtsurteil eingeschränkt ist (Art. 7 Abs. 1 GV); im übrigen gilt eine BGE 116 Ia 242 S. 246 Ausstandspflicht, ebenfalls bei einem "unmittelbaren persönlichen Interesse" (Art. 9 Abs. 1 GV), sowie, zusätzlich, für ein Mitglied einer Gemeindebehörde, das "Rechtsvertreter einer Partei oder Mitglied des Vorstandes bzw. Verwaltungsrates einer juristischen Person des privaten Rechts ist" (Art. 9 Abs. 2 GV). Der Gemeindevorstand ist oberste Verwaltungsbehörde der Gemeinde (Art. 35 Abs. 1 GV) mit detailliert umschriebenen Kompetenzen (Art. 38 GV). Jedes Mitglied ist verpflichtet, die ihm zugeteilte Verwaltungsabteilung zu übernehmen (Art. 35 Abs. 5 Satz 2 GV). Die Gemeindeverfassung legt ferner fest, dass dem Schulrat die Leitung und die Überwachung des gesamten Schulwesens der Gemeinde obliegen und dass er vom Vorsteher des Schul-, Armen- und Fürsorgewesens im Gemeindevorstand geleitet wird (Art. 45 Abs. 1 und 3, Art. 46 Abs. 2 Ziff. 2 GV). Auch die Aufgaben und Kompetenzen des Schulrates sind detailliert aufgezählt (Art. 46 GV), freilich mit einer Einschränkung: "Wahl und Entlassung der Lehrkräfte zusammen mit dem Gemeindevorstand (Art. 46 Abs. 2 Ziff. 1 GV)." c) Zu entscheiden ist somit, ob ein Lehrer, der Gemeindeangestellter ist, als Mitglied in einem Gemeindevorstand mitwirken darf, obwohl diese Behörde an der Wahl und Entlassung der Lehrkräfte beteiligt ist. Diese Frage stellt sich, weil ein Gemeindeangestellter der ihm unmittelbar vorgesetzten Behörde nicht angehören darf. Das Verwaltungsgericht bejaht die Frage dem Grundsatze nach, weil der Lehrer praxisgemäss eine besondere Stellung einnehme. Er sei nur in beschränktem Rahmen Gemeindeangestellter, weil er eigenen Aufsichtsorganen, namentlich dem Schulrat, unterstehe. Ausserdem werde seine besondere Stellung durch seine Funktion, die Arbeitszeit und die kantonal geregelte Mindestbesoldung deutlich. Wohl sei der Schulrat gemeinsam mit dem Gemeindevorstand Wahlbehörde. Aber die Ausstandsregelung gewährleiste, dass der Lehrer bei sämtlichen Lehrerwahlen in den Ausstand treten müsse. Seine Stellung unterscheide sich in dieser Situation in keiner Weise von jener des Rechtsvertreters einer Partei oder des Mitgliedes des Verwaltungsrates einer juristischen Person (Art. 9 Abs. 2 GV). Schliesslich sei zwar der Vorsteher des Schul-, Armen- und Fürsorgewesens ex officio Präsident des Schulrates. Gemeindevorstand und Schulrat übten jedoch detailliert aufgezählte und getrennte Kompetenzen aus. So sei die Aufsicht über die Schule unabhängige BGE 116 Ia 242 S. 247 Sache des Schulrates, auch wenn sich bisher möglicherweise der Gemeindevorstand hier gesetzwidrig eingemischt haben sollte. Es sei möglich, dem in den Gemeindevorstand gewählten Lehrer eine der sechs anderen Verwaltungsabteilungen anzuvertrauen, allenfalls über die Ermächtigung zur Abweichung bei besonderen Verhältnissen (Art. 40 Abs. 2 GV). Nötigenfalls habe sich der Lehrer selber zwischen Lehr- und Schulvorsteheramt zu entscheiden. Das passive Wahlrecht dürfe ihm nicht generell abgesprochen werden. Das Verwaltungsgericht scheint demnach zumindest im Ergebnis davon auszugehen, es handle sich um eine Vorschrift über die Unwählbarkeit und nicht bloss um eine solche über die Unvereinbarkeit. Die Gemeinde geht auf diese Unterscheidung nicht ein, sondern wendet sich grundsätzlich gegen die Mitgliedschaft des Lehrers im Gemeindevorstand. In der Tat kann diese Unterscheidung übergangen werden (vgl. BGE 114 Ia 402 E. 6a), ändert sie doch am Ergebnis nichts. 3. Dass allein der Schulrat die Lehrer beaufsichtigt (Art. 60/61 SchG), ist unbestritten. Die Beschwerdeführer erachten die Vorgesetztenrolle des Gemeindevorstandes trotzdem als gegeben. Soweit sie sich dabei auf das kantonale Unvereinbarkeitsgesetz berufen, überzeugt ihr Argument von vornherein nicht; dieses Gesetz bezieht sich offensichtlich nur auf Beamte und Angestellte des Kantons (Art. 3 des Gesetzes über die Unvereinbarkeit von Ämtern im Kanton Graubünden vom 3. März 1968). Das Hauptproblem besteht im Einwand der Beschwerdeführer, der Gemeindevorstand beeinflusse das Anstellungsverhältnis der Lehrer trotzdem entscheidend, weil er über die Wahl oder Entlassung der einzelnen Lehrer befinde. a) Das Verwaltungsgericht will diese letztgenannte Rüge damit entkräften, der in den Gemeindevorstand gewählte Lehrer müsse bei sämtlichen Lehrerwahlen in den Ausstand treten; seine Stellung gleiche derjenigen des Rechtsvertreters einer Partei oder des Mitgliedes eines Verwaltungsrats einer juristischen Person. aa) Zum Ausstand ist verpflichtet, wer im betreffenden Einzelfall ein "unmittelbares persönliches Interesse" hat (Art. 23 Abs. 1 GG). Persönlich ist ein Interesse namentlich dann, wenn es um einen privaten, materiellen Vorteil, z.B. ein Rechtsgeschäft zwischen der Gemeinde und einem Behördenmitglied, oder um die persönliche Glaubwürdigkeit und den guten Ruf einer Person als Politiker geht (s. Praxis des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden [PVG] 1987 Nr. 82 S. 175 f., Rekurspraxis der BGE 116 Ia 242 S. 248 Regierung und des Grossen Rates von Graubünden [GRRP] Band VIII/1961-1970 Nr. 6511 S. 22 f. und Band VII/1951-1960 Nr. 5944 S. 22; PETER ANDRI VITAL, Das Verfahren in der bündnerischen Gemeindeversammlung, Diss. Zürich 1988, S. 90). Allerdings genügt nicht jedes persönliche Interesse. Die bündnerische Praxis hat die Ausstandsbestimmungen im allgemeinen restriktiv ausgelegt (s. GRRP Band VII/1951-1960 Nr. 5945 S. 24 und PVG 1979 Nr. 8 S. 22 f.; KURT LANGHARD, Die Organisation der politischen Gemeinden des Kantons Graubünden im Spiegel der neueren kantonalen und kommunalen Rechtsetzung, Diss. Zürich 1977, S. 141; VITAL, a.a.O., S. 90). Das geltende Recht verpflichtet - wie erwähnt - erst zum Ausstand, wenn das persönliche Interesse unmittelbar berührt ist (Art. 23 Abs. 1 GG). Unmittelbarkeit ist nicht einmal dann gegeben, wenn der Sohn eines Gemeinderatsmitgliedes bei einer der offertstellenden Firmen angestellt ist (GRRP Band VII/1951-1960 Nr. 5946 S. 26) oder wenn eine Konkurrenzsituation vorliegt (PVG 1979 Nr. 10 S. 24 f.; VITAL, a.a.O., S. 91; vgl. aber PVG 1984 Nr. 87 S. 183 f.). Dieses Erfordernis der Unmittelbarkeit führte immer wieder zur Frage, wie weit ein Behördenmitglied beim Entscheid über Interessen seiner Körperschaft in den Ausstand zu treten habe, weil sie mit seinen eigenen Anliegen zusammenfallen; sie trat namentlich bei Aktiengesellschaften auf, bei denen ein Behördenmitglied Mehrheits- oder Alleinaktionär ist (LANGHARD, a.a.O., S. 141, und VITAL, a.a.O., S. 91). Die Gemeinde Laax hat deshalb ihre Ausstandsvorschrift ausdrücklich auf juristische Personen ausgedehnt (Art. 9 Abs. 2 GV). Daraus leitet das Verwaltungsgericht analog ab, der Lehrer im Gemeindevorstand habe bei sämtlichen Lehrerwahlen in den Ausstand zu treten. bb) Die Ausstandspflicht besteht selbstverständlich für die Wahl des betreffenden Lehrers selber sowie für die Wahl ihm nahestehender Personen. Ob sie im Sinne der Erwägungen des Verwaltungsgerichtes analog auf sämtliche Lehrerwahlen ausgedehnt werden darf, ist nicht ohne weiteres klar. Die Ausstandsbestimmungen sind eher auf seltene, konkrete Situationen, auf Einzelfälle zugeschnitten, während für häufige, generelle Konflikte an sich die Unvereinbarkeitsvorschriften bestimmt sind (MALEK BUFFAT, Les incompatibilités, Diss. Lausanne 1986, S. 31 f.; WERNER BEELER, Personelle Gewaltentrennung und Unvereinbarkeit in Bund und Kantonen, Diss. Zürich 1983, S. 8; KURT EICHENBERGER, Verfassung des Kantons Aargau vom 25. Juni 1980, Aarau BGE 116 Ia 242 S. 249 u.a. 1986, N. 11 zu § 69). Es lässt sich somit einwenden, ein solcher genereller Ausschluss hätte in der Gemeindeverfassung ausdrücklich angeordnet werden müssen; die Ausstandsklausel dürfe nicht so extensiv wie durch das Verwaltungsgericht ausgelegt werden. Wie es sich damit im einzelnen verhält, kann indes jedenfalls an dieser Stelle offenbleiben; im Verlaufe der weiteren Erwägungen wird darauf zurückzukommen sein (nachf. lit. c). b) Die Mitwirkung des Lehrers scheitert nach Meinung der Beschwerdeführer jedenfalls generell an der Unvereinbarkeitshürde. Weil der Gemeindevorstand bei der Wahl und Entlassung der Lehrkräfte mitzuwirken hat (Art. 46 Abs. 2 Ziff. 1 GV), halten sie dafür, dieser sei eine "unmittelbar vorgesetzte Behörde" des Lehrers (Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG). aa) Die Unvereinbarkeit bedeutet eine Beschränkung des passiven Wahlrechts. Sie ist nur zulässig, wenn sie durch ein überwiegendes öffentliches Interesse begründet ist ( BGE 114 Ia 402 E. 6a, 410 f. E. 8f). Das öffentliche Interesse besteht darin, die personelle Gewaltenteilung zu verwirklichen. Aus diesem Grundsatz kann das kantonale Recht ableiten, dass kein Beamter für die Kontrolle über sich selber zuständig sein soll (PVG 1985 Nr. 2 S. 13, vgl. ferner BGE 114 Ia 411 ; H.R. THALMANN, Kommentar zum Zürcher Gemeindegesetz, Wädenswil 1988, S. 201). Er soll somit nicht der Behörde angehören, die über ihn Disziplinargewalt ausübt oder ihm Weisungen erteilen darf (BUFFAT, a.a.O., S. 50 und 120). Diese Folgerung hat der Kanton Graubünden an sich gezogen, wie dargestellt wurde (vorstehende E. 2). bb) Im vorliegenden Fall ist indes nicht die Wahl eines allgemeinen Gemeindebeamten, sondern diejenigen eines Lehrers streitig. Dem Lehrer billigt das Recht vieler Kantone eine besondere Stellung zu, wie das Bundesgericht schon anzuerkennen Gelegenheit hatte (nicht publ. Urteil vom 27. November 1985 i.S. Gex E. 4, s. ferner BGE 89 I 79 ; vgl. BUFFAT, a.a.O., S. 62 und 120 f.). Das trifft auch für den Kanton Graubünden zu, wie sich aus den Materialien des Gemeindegesetzes (Botschaft der Regierung an den Grossen Rat Heft Nr. 3/1973-1974, S. 141, und Protokoll über die Verhandlungen des Grossen Rates 1974/1975, S. 229; LANGHARD, a.a.O., S. 131), der Verwaltungsgerichtspraxis (PVG 1979 Nr. 4 S. 16 f.) und der Literatur (LANGHARD, a.a.O., S. 130 f.; ROLF RASCHEIN, Bündnerisches Gemeinderecht, Domat/Ems 1972, S. 103) ergibt. Diese Sonderstellung ist dadurch begründet, dass der Lehrer durch seine Funktion eine erhebliche Distanz zur BGE 116 Ia 242 S. 250 Verwaltungstätigkeit des Gemeindevorstandes besitzt; er geniesst zumindest faktisch eine gewisse Unabhängigkeit, hat politisch neutral zu handeln, untersteht einer Aufsicht durch andere Organe sowie einer kantonalen Regelung hinsichtlich seiner Mindestbesoldung und seiner Arbeitsleistung (Art. 50 ff. SchG). cc) Offenbar im Hinblick auf diese Sonderstellung nimmt die das kantonale Gemeindegesetz betreffende Botschaft der Regierung an den Grossen Rat des Kantons Graubünden denn auch im Zusammenhang mit der die Unvereinbarkeit von Gemeindeämtern regelnden Bestimmung des Art. 21 GG ausdrücklich Bezug auf die Lehrer. So wird in der Botschaft zu dieser Bestimmung folgendes festgehalten (Botschaft, a.a.O., S. 141): "Diese Beschränkung des passiven Wahlrechtes für Gemeindebeamte und Gemeindeangestellte (nach Art. 21 GG) bezieht sich nur auf ihre Zugehörigkeit zu einer unmittelbar vorgesetzten Behörde. Ein Lehrer kann somit seiner Wahlbehörde angehören, sofern diese nicht zugleich unmittelbare Aufsichtsbehörde ist." Dabei soll es den Gemeinden laut Botschaft freistehen, in ihrer Verfassung die Unvereinbarkeitsgründe zu erweitern, nicht aber sie einzuschränken, doch findet sich in der Verfassung der Gemeinde Laax keine derartige Erweiterung (s. auch vorstehende E. 2a und b). Somit ist nach dem Wortlaut wie auch nach den Materialien des für die Gemeinde Laax geltenden Art. 21 GG festzustellen, dass auch ein Lehrer nur der ihm unmittelbar vorgesetzten Behörde nicht angehören darf. Da nun aber nicht der Gemeindevorstand selber, der zwar zusammen mit dem Schulrat die für die Wahl und die Entlassung der Lehrkräfte zuständige Behörde ist (Art. 46 Abs. 2 Ziff. 1 GV), sondern - wie ausgeführt - unbestrittenermassen der Schulrat allein unmittelbare Aufsichtsbehörde gegenüber den Lehrern ist (Art. 60/61 SchG), ist ein Unvereinbarkeitsgrund im Sinne von Art. 21 GG gar nicht gegeben. dd) Dabei wird selbstverständlich vorausgesetzt, dass der Lehrer im Gemeindevorstand nicht als Leiter des Schul-, Armen- und Fürsorgewesens und damit nicht als Präsident des Schulrates eingesetzt wird; sonst müsste er so oft in den Ausstand treten, dass diese Funktion nicht mehr ordnungsgemäss versehen würde. Gegenüber dieser Randbedingung des kantonalen Rechts hat die bloss gemeinderechtliche Pflicht, dass jedes Gemeindevorstandsmitglied jede Verwaltungsabteilung übernehmen muss (Art. 35 Abs. 5 Satz 2 GV), zu weichen. Ebensowenig kann man diesem Ausschluss den Vorrang der Anciennität bei der BGE 116 Ia 242 S. 251 Departementsverteilung oder andere informelle Gründe entgegenhalten, wie anscheinend auch das Verwaltungsgericht annimmt; dementsprechend kommt es gar nicht zu einer Auswahlsituation für den betreffenden Lehrer. c) Diese erhebliche Distanz zur Tätigkeit des Gemeindevorstandes besitzt der zum Gemeindevorstandsmitglied gewählte Lehrer aber nur dann, wenn er bei sämtlichen Wahl- und Entlassungsentscheiden zum Ausstand verpflichtet ist. Mit dieser Lösung hat das Verwaltungsgericht offensichtlich einen Weg gesucht, eine weitgehende Mitarbeit der Lehrer zu ermöglichen. Sie eröffnet einen gewissen Spielraum und erleichtert es so auch kleineren (Berg-)Gemeinden, die Bestellung und Funktion ihrer Behörden zu sichern (RASCHEIN, a.a.O., S. 103). An sich ist im vorliegenden Fall das passive Wahlrecht betroffen, wie es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts letztlich durch Bundesverfassungsrecht für das ganze Land einheitlich niedergelegt ist ( BGE 114 Ia 402 E. 6a). Seine Ausgestaltung im einzelnen ist indes durchaus kantonaler Differenzierung zugänglich; die Rechtsprechungskompetenz des Bundesgerichts aufgrund der staatsrechtlichen Beschwerde schliesst Erweiterungen und kantonale (oder lokale) Unterschiede bei der Konkretisierung der verfassungsmässigen Rechte nicht durchwegs aus (s. BGE 104 Ia 157 f., vgl. auch BGE 114 Ia 404 f. E. 7c). Entsprechend darf dem Verwaltungsgericht, dem die Verhältnisse in den Bündner Gemeinden besser bekannt sind als dem Bundesgericht, nicht verwehrt werden, die Anwendung der Unvereinbarkeits- und Ausstandsbestimmungen zu kombinieren, indem es einerseits die Unvereinbarkeit verneint und anderseits die Ausstandspflicht nach strengen Kriterien bejaht. 4. Schliesslich wendet der Gemeindevorstand ein, eine Zulassung der angefochtenen Wahl privilegiere die Lehrer. Richtig ist, dass die Unvereinbarkeit mit dem Gleichbehandlungsgebot vereinbar sein muss ( BGE 114 Ia 402 E. 6a, 409 f. E. 8e). Dieses Gebot ist auch dann verletzt, wenn die Unterscheidungen nicht getroffen werden, die sich aufgrund der Verhältnisse aufdrängen ( BGE 114 Ia 3 E. 3, 323 E. 3a, 423 f. E. 4a, BGE 113 Ia 196 E. 2b). Nach den erwähnten Gründen für eine Sonderstellung der Lehrer darf indes das kantonale Recht den Lehrern auf Gemeindeebene eine entsprechende Sonderstellung einräumen; jedenfalls verstösst die konkrete Regelung in Laax nach dem Gesagten nicht gegen die Grenzen des den Kantonen hier zustehenden Spielraumes.
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Sachverhalt ab Seite 305 BGE 139 III 305 S. 305 A. B. ist Kunstsammler und besitzt eine bedeutende Sammlung moderner Kunstwerke. Im Juli 1989 kaufte er (über die als Käuferin auftretende C. Limited) das Gemälde "Diener mit Samowar" (...). Das Gemälde ist ein Werk des russischen Künstlers Kasimir Malewitsch. Er hatte es in der Schaffensphase des sogenannten "Kubo-Futurismus" 1914 gemalt und es wird der russischen Avantgarde zugerechnet. Der Verkauf des Bildes erfolgte in Kommission, wobei als Verkäuferin D. von der Galerie E. in Genf auftrat. Der hinter dem BGE 139 III 305 S. 306 Verkauf stehende Veräusserer blieb B. unbekannt. Der Kaufpreis betrug 1,05 Mio. USD. Das Gemälde befindet sich bis heute im Besitz von B. B. Am 23. März 2004 klagte A. am Bezirksgericht Meilen gegen B. auf Herausgabe des erwähnten Gemäldes zu unbeschwertem Eigentum. Er machte geltend, sein Vater habe das Gemälde 1970 erworben und es sei 1978 aus der elterlichen Wohnung im damaligen Leningrad (heute St. Petersburg) gestohlen worden. Als Alleinerbe seiner 1985 und 1999 verstorbenen Eltern stehe ihm der Herausgabeanspruch am Gemälde zu. Das Bezirksgericht wies die Klage mit Urteil vom 21. Dezember 2010 ab. C. Am 30. Dezember 2010 erklärte A. Berufung an das Obergericht des Kantons Zürich. Er verlangte die Aufhebung des bezirksgerichtlichen Urteils und die Gutheissung der Klage, allenfalls die Rückweisung an das Bezirksgericht zur Neubeurteilung. Mit Urteil vom 5. April 2012 wies das Obergericht die Klage ab. D. Am 15. Mai 2012 hat A. (Beschwerdeführer) Beschwerde in Zivilsachen erhoben. Er beantragt, das Urteil des Obergerichts aufzuheben und B. (Beschwerdegegner) zu verurteilen, ihm das Gemälde "Diener mit Samowar" von Kasimir Malewitsch zu unbeschwertem Eigentum herauszugeben. Eventualiter sei die Angelegenheit an das Obergericht zurückzuweisen. (...) Der Beschwerdegegner beantragt die Abweisung der Beschwerde, soweit auf sie einzutreten sei. Eventualiter und für den Fall der Rückweisung sei der Sachverhalt zu berichtigen. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut und weist die Angelegenheit an das Obergericht zu neuem Entscheid zurück. (Auszug) Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Die vorliegende Herausgabeklage untersteht Schweizer Recht (sogleich E. 3.1). Zu beurteilen ist sie - wie vor der Vorinstanz - unter dem Aspekt von Art. 934 und 936 ZGB (Besitzesrechts- oder Fahrnisklage; unten E. 3.2). Der Beschwerdeführer beruft sich nicht mehr auf Art. 641 Abs. 2 ZGB (Vindikation, Eigentumsklage), so dass diese Anspruchsgrundlage ausser Betracht bleibt. BGE 139 III 305 S. 307 3.1 Die Anwendbarkeit von Schweizer Recht stützt sich auf Art. 100 Abs. 2 IPRG (SR 291), wovon auch das Obergericht ausgegangen ist. Der Beschwerdegegner hat das Gemälde unbestrittenermassen in der Schweiz erworben (vgl. Art. 100 Abs. 1 IRPG) und es befindet sich immer noch hier. Nach Art. 100 Abs. 2 IPRG unterstehen Inhalt und Ausübung dinglicher Rechte (wozu auch die an den Besitz geknüpften Befugnisse zählen) an beweglichen Sachen dem Recht am Ort der gelegenen Sache (sog. lex rei sitae). Die Herausgabeklage richtet sich somit nach den Normen des Staates, in dem sich die herausverlangte Fahrnissache befindet, d.h. vorliegend nach Schweizer Recht (Urteil 5A_88/2011 vom 23. September 2011 E. 4; PIUS FISCH, in: Basler Kommentar, Internationales Privatrecht, 2. Aufl. 2007, N. 55 zu Art. 100 IPRG ). 3.2 3.2.1 Gemäss Art. 934 Abs. 1 ZGB kann der Besitzer, dem eine bewegliche Sache gestohlen wird oder verlorengeht oder sonst wider seinen Willen abhandenkommt, sie während fünf Jahren jedem Empfänger abfordern. Auf den guten Glauben des Empfängers kommt es dabei grundsätzlich nicht an (vgl. allerdings Art. 934 Abs. 2 ZGB und Art. 935 ZGB ). Für Kulturgüter im Sinne des Bundesgesetzes vom 20. Juni 2003 über den internationalen Kulturgütertransfer (Kulturgütertransfergesetz, KGTG; SR 444.1), das am 1. Juni 2005 in Kraft getreten ist, gilt eine einjährige relative und eine dreissigjährige absolute Verjährungsfrist ( Art. 934 Abs. 1 bis ZGB ). Vorliegend ist dieses Gesetz bzw. die dadurch bewirkte Änderung des ZGB nicht anwendbar, da der fragliche Erwerbsvorgang vor dem 1. Juni 2005 stattgefunden hat ( Art. 33 KGTG ; WOLFGANG ERNST, in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, Bd. II, 4. Aufl. 2011, N. 17l zu Art. 934 ZGB ; vgl. auch BGE 131 III 418 E. 3.2.2 S. 427 f.). Es bleibt somit bei der Massgeblichkeit der Fünfjahresfrist gemäss Abs. 1 von Art. 934 ZGB . Wer den Besitz einer beweglichen Sache nicht in gutem Glauben erworben hat, kann vom früheren Besitzer jederzeit auf Herausgabe belangt werden ( Art. 936 Abs. 1 ZGB ). Da die Fünfjahresfrist gemäss Art. 934 Abs. 1 ZGB längst abgelaufen ist, bleibt einzig zu untersuchen, ob der Beschwerdeführer das Bild gestützt auf Art. 936 Abs. 1 ZGB herausfordern kann. Im Vordergrund steht die Frage nach dem guten Glauben des Beschwerdegegners in die Verfügungsberechtigung des Veräusserers (unten E. 5). Daneben stellen sich BGE 139 III 305 S. 308 Fragen der Aktiv- und Passivlegitimation, die vorliegend nicht abschliessend beantwortet werden können (unten E. 4 und 5.5). 3.2.2 Wo das Gesetz eine Rechtswirkung an den guten Glauben einer Person knüpft, ist dessen Dasein zu vermuten ( Art. 3 Abs. 1 ZGB ). Der Erwerber einer Sache gilt grundsätzlich als gutgläubig. Demgemäss trägt bei der Klage nach Art. 936 ZGB der frühere Besitzer die Beweislast für den bösen Glauben des Erwerbers (EMIL W. STARK, Berner Kommentar, 3. Aufl. 2001, N. 6 zu Art. 936 ZGB ). Der Gutglaubensschutz versagt indessen nicht nur bei Bösgläubigkeit, sondern auch dann, wenn der gutgläubige Erwerber den Rechtsmangel nicht kennt, weil er beim Erwerb der Sache jene Aufmerksamkeit vermissen liess, die von ihm nach den Umständen verlangt werden durfte ( Art. 3 Abs. 2 ZGB ). Wird nicht die nach den Umständen gebotene Aufmerksamkeit aufgewendet, zieht dies die gleichen Rechtsfolgen nach sich wie die Bösgläubigkeit. Die Nichtbeachtung der gebotenen Aufmerksamkeit ist allerdings nur von Bedeutung, wenn sie für die fehlende Kenntnis vom Rechtsmangel kausal ist; andernfalls ist sie unbeachtlich ( BGE 122 III 1 E. 2a S. 3). Auch hier obliegt die Beweislast, entsprechend der Vorschrift von Art. 8 ZGB , demjenigen, der die Sache herausverlangt. Dieser hat die Umstände nachzuweisen, aus denen er die mangelnde Aufmerksamkeit ableitet ( BGE 113 II 397 E. 2 S. 399). Rechtsfrage ist hingegen das Mass der gebotenen Aufmerksamkeit und die Frage, inwieweit der Beklagte ihr nachgekommen ist ( BGE 131 III 418 E. 2.3.1 S. 421 mit Hinweisen). Der Grad der Aufmerksamkeit, der vom Erwerber verlangt werden darf, richtet sich nach den Umständen. Was dies im Einzelfall bedeutet, ist weitgehend eine Ermessensfrage ( Art. 4 ZGB ; BGE 131 III 418 E. 2.3.2 S. 421 f.). In die Abwägung einzubeziehen ist insbesondere eine in der betreffenden Branche herrschende Verkehrsübung, wobei allenfalls übliche Nachlässigkeiten nicht zu einer Herabsetzung der Sorgfaltsanforderungen führen können ( BGE 113 II 397 E. 2b S. 399). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts besteht keine allgemeine Erkundigungspflicht des Erwerbers nach dem Vorliegen der Verfügungsmacht des Veräusserers; nur wenn konkrete Verdachtsgründe vorliegen, müssen die näheren Umstände abgeklärt werden ( BGE 122 III 1 E. 2a/aa S. 3; BGE 131 III 418 E. 2.3.2 S. 422; je mit Hinweisen). Höhere Anforderungen sind an jene Geschäftszweige zu stellen, die dem Angebot von Waren BGE 139 III 305 S. 309 zweifelhafter Herkunft und folglich mit Rechtsmängeln behafteter Sachen in besonderem Masse ausgesetzt sind, wie es beim Handel mit Gebrauchtwaren aller Art der Fall ist ( BGE 113 II 397 E. 2b S. 399 f.). Auch wenn damit keine generelle Erkundigungspflicht statuiert wird, ergibt sich in diesen Fällen eine Abklärungs- bzw. Erkundigungspflicht hinsichtlich der Verfügungsberechtigung des Veräusserers nicht erst bei konkretem Verdacht des Rechtsmangels, sondern bereits, wenn aufgrund der Umstände Anlass zu Misstrauen besteht ( BGE 122 III 1 E. 2a/aa S. 3; BGE 131 III 418 E. 2.3.2 S. 422). Diese erhöhten Sorgfaltsanforderungen beschränken sich nicht auf den Händler im kaufmännischen Verkehr; entscheidend ist vielmehr die Branchenvertrautheit des Erwerbers ( BGE 131 III 418 E. 2.3.2 S. 422; BGE 122 III 1 E. 2a/bb S. 4 und E. 2b/aa S. 5; vgl. auch BGE 119 II 23 E. 3c/aa S. 27). 4. 4.1 Das Obergericht hat in einem ersten Schritt die Aktivlegitimation des Beschwerdeführers bejaht. Dazu genüge der frühere selbständige oder unselbständige Besitz des Beschwerdeführers und das unfreiwillige Abhandenkommen desselben. Auf eine weitergehende Berechtigung des Beschwerdeführers an der Sache komme es jedoch nicht an. Ob solcher Besitz vorhanden gewesen sei, entscheide sich nach schweizerischem Recht. Der Beschwerdegegner wendet sich gegen diese Erwägungen. Dabei weist er zu Recht darauf hin, dass sich der Besitzerwerb des Vaters des Beschwerdeführers in den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts nach dem damaligen Lageort des Bildes, d.h. nach russischem bzw. sowjetischem Recht richten würde. Nach der Rechtsprechung zum vor 1989 geltenden internationalen Privatrecht der Schweiz (vgl. Art. 196 IPRG ), die in Art. 100 Abs. 1 IPRG kodifiziert wurde, unterstehen Erwerb und Verlust dinglicher Rechte an beweglichen Sachen dem Recht des Staates, in dem die Sache im Zeitpunkt des Vorgangs liegt, aus dem Erwerb oder Verlust hergeleitet werden. Dieses Prinzip gilt nicht nur für den Erwerb dinglicher Rechte, sondern auch des Besitzes (Urteile 5A_88/2011 vom 23. September 2011 E. 4; 5C.16/1998 vom 28. Mai 1998 E. 3c/bb; STARK, a.a.O., N. 74 vor Art. 930-937 ZGB ). Der Beschwerdegegner bestreitet zwar die tatsächlichen Grundlagen des Besitzes des Beschwerdeführers bzw. dessen Vaters (dazu sogleich). Für den Fall, dass diese Einwände unbegründet sein sollten, behauptet er aber nicht, dass das BGE 139 III 305 S. 310 russische bzw. das damalige sowjetische Recht keinen Tatbestand des Besitzes kenne oder gekannt habe, den der Vater des Beschwerdeführers erfüllt hätte (vgl. Art. 96 lit. b BGG und Art. 16 IPRG ). Nach der Verbringung des Gemäldes in die Schweiz bestimmen sich der Inhalt und die Ausübung des früheren Besitzes nach Schweizer Recht (vgl. Art. 100 Abs. 2 IPRG ; STARK, a.a.O., N. 81 f. vor Art. 930-937 ZGB ), womit dem ehemaligen Besitzer die Klage nach Art. 934 und 936 ZGB zur Verfügung steht. Auf die allfällige Berechtigung des Beschwerdeführers (oder seines Vaters) am Bild, die sich nach russischem bzw. sowjetischem Recht richten würde, kommt es entgegen der Ansicht des Beschwerdegegners für die Frage der Aktivlegitimation zur Klage nach Art. 936 Abs. 1 ZGB zunächst nicht an. Die Behauptung, dass das angeblich bereits im Jahre 1917 erstmals abhandengekommene Gemälde seither in Russland bzw. der Sowjetunion nie habe gutgläubig erworben werden können, beschlägt die Frage des Eigentums bzw. der Einrede gemäss Art. 936 Abs. 2 ZGB . Dazu hat sich die Vorinstanz noch nicht geäussert. In tatsächlicher Hinsicht hat das Obergericht festgehalten, der Vater des Beschwerdeführers habe das fragliche Bild um 1973/74 besessen. Dies ergebe sich einerseits aus der Aussage des Zeugen F., denn dieser habe das Bild damals in der Wohnung des Vaters gesehen. Dass F. sich - wie in einem Schreiben von 1975 belegt - nicht mehr an die genaue Beschaffenheit des Gemäldes erinnern konnte, ändere nichts an seiner Glaubwürdigkeit, zumal er in einem Werkkatalog dokumentiert habe, dass sich das Bild im Besitz der Familie des Beschwerdeführers befunden habe. Andererseits diene die für den Erwerb vorgelegte Urkunde vom 19. September 1970 als Indiz für den Besitz, auch wenn sie bestenfalls eine Quittung darstelle (Bestätigung des Verkaufs des Gemäldes durch G. an den Vater des Beschwerdeführers). Der Beschwerdegegner bestreitet diese Erwägungen, setzt ihnen aber einzig seine eigene Interpretation des fraglichen Schreibens von F. entgegen und geht auf die Quittung inhaltlich nicht näher ein. Damit vermag er keine Willkür bei der Beweiswürdigung aufzuzeigen. Gestützt auf zwei Strafurteile des Wyborg-Bezirksgerichts von Leningrad aus den Jahren 1979 und 1983 hat das Obergericht sodann den Diebstahl des Gemäldes aus der Wohnung der Eltern des Beschwerdeführers im Jahre 1978 als nachgewiesen erachtet. Der Beschwerdegegner zieht in erster Linie die Echtheit der Urteile in Zweifel, doch BGE 139 III 305 S. 311 nennt er keinen Anhaltspunkt, weshalb die vorliegenden Dokumente gefälscht sein sollen. Nicht willkürlich ist es, wenn das Obergericht aus der Tatsache, dass das Wyborg-Bezirksgericht auf ein Auskunftsbegehren des Bezirksgerichts Meilen nicht reagiert hat, nichts Nachteiliges abgeleitet hat. Die vorinstanzliche Feststellung, dass der Beschwerdeführer Alleinerbe seiner Eltern ist, wird vor Bundesgericht nicht angefochten. 4.2 Unklar ist die Haltung der Vorinstanz zur Frage, ob der Beschwerdegegner überhaupt von einem Nichtberechtigten erworben hat. Der gute oder böse Glaube, auf den es vorliegend ankommt, bezieht sich auf die Berechtigung des Veräusserers, über die Sache zu verfügen. Wenn diese Berechtigung gegeben ist, so hat der Käufer von einem Berechtigten erworben und das Wissen oder Wissenmüssen um das frühere Abhandenkommen ist - unter dem Vorbehalt des Rechtsmissbrauchs - bedeutungslos (vgl. STARK, a.a.O., N. 17 zu Art. 936 ZGB ). Auf Sachverhaltsebene konnte insoweit einzig erstellt werden, dass der Veräusserer dem Beschwerdegegner gegenüber anonym blieb und das Gemälde im Zeitpunkt des Kaufs (1989) bereits mehrere Jahre im Safe einer Genfer Bank lag. Wie es dorthin gelangte, wurde nicht geklärt. Das Bezirksgericht ist davon ausgegangen, der Beschwerdegegner habe diesbezüglich die Verfügungsberechtigung des Verkäufers nicht rechtsgenüglich behauptet. Das Obergericht hat Erwägungen dazu angestellt, was gälte, wenn einige Äusserungen des Beschwerdegegners allenfalls doch als sinngemässe Behauptung aufgefasst würden. Es hat dazu jedoch nicht klar Stellung genommen. Dies war auch nicht erforderlich, da es die Klage aus anderem Grunde abgewiesen hat. Der Beschwerdeführer bezeichnet die obergerichtlichen Erwägungen als versteckte Alternativbegründung und greift sie inhaltlich an. Da die Auffassung des Obergerichts unklar ist, kann das Bundesgericht zu ihr und zu den diesbezüglichen Beschwerdegründen derzeit keine Stellung nehmen. Soweit die damit verbundenen Fragen entscheidwesentlich werden, wird das Obergericht darüber in eindeutiger Weise zu befinden haben ( Art. 112 Abs. 1 lit. b BGG ; vgl. unten E. 5.5). 5. Für den Fall, dass ein Erwerb von einem Nichtberechtigten vorliege, ist das Obergericht zum Schluss gekommen, dass der Beschwerdegegner den Rechtsmangel weder kannte noch kennen musste. Die getroffenen Vorsichtsmassnahmen hat es als genügend erachtet. BGE 139 III 305 S. 312 5.1 Zunächst steht für das Obergericht fest, dass der Beschwerdegegner nicht tatsächlich vom Diebstahl oder dem Mangel der Verfügungsbefugnis des Veräusserers wusste. Insbesondere hätten ihm weder die Familie des Beschwerdeführers, die der Beschwerdegegner im Jahre 1988 in Leningrad besucht und deren Kunstsammlung er besichtigt habe, Entsprechendes mitgeteilt, noch habe sich die vom Beschwerdegegner beigezogene Expertin H. in diesem Sinne geäussert. Die Umstände des Kaufes hätten sodann weder einzeln noch in ihrer Gesamtheit zu Misstrauen Anlass gegeben. Das umstrittene Gemälde "Diener mit Samowar" von Kasimir Malewitsch sei zum Zeitpunkt des Kaufs durch den Beschwerdegegner zwar in einem schlechten Zustand gewesen und ungerahmt verkauft worden, doch habe nicht nachgewiesen werden können, dass es aus dem Rahmen geschnitten worden sei. Zur Marktsituation hat das Obergericht festgestellt, es sei im Jahre 1989 selten gewesen, dass ein Originalgemälde von Malewitsch auf dem Markt auftauche. Vor dem Erwerb habe der Beschwerdegegner das Bild durch H., die eine Kennerin der russischen Avantgarde sei, auf seine Echtheit hin prüfen lassen. H. habe die Prüfung bei der Bank, wo das Bild lagerte, vorgenommen und sie habe es als echt beurteilt. Zudem habe sie dem Beschwerdegegner ein ihr zugetragenes Gerücht mitgeteilt, wonach sich auf dem Markt ein gestohlenes Bild von Malewitsch befinde. Das Obergericht hat jedoch als nicht erstellt erachtet, dass H. das Gerücht klar auf das Bild "Diener mit Samowar" bezogen oder dem Beschwerdegegner diesbezüglich einen Rat erteilt habe. Auch hinsichtlich der Verkäuferseite hat das Obergericht keine Vorbehalte angebracht: Erworben habe der Beschwerdegegner das Bild über die Galerie E. in Genf und unter Einbezug der Galerie I., wobei die Rolle der letztgenannten Galerie vom Obergericht nicht genauer erläutert wird. Die Galerien hätten keinen unseriösen oder schlechten Ruf gehabt. Allerdings hätte die Galerie E. damals finanzielle Schwierigkeiten gehabt. Auf russische Kunst sei die Galerie E. zwar nicht spezialisiert gewesen, sie habe aber einen gewissen Bezug dazu gehabt, auch wenn nicht klar sei, ob dieser Bezug zur Kunst der russischen Avantgarde bestanden habe. Sporadisch habe die Galerie E. zudem auch Kunst im Hochpreissegment angeboten. Ein Bezug zur russischen Kunst habe sodann über J. von der Galerie I. bestanden. Gemäss Kaufvertrag sei D. von der Galerie E. als Verkäuferin aufgetreten, wobei sie als Kommissionärin gehandelt habe. Dass sie BGE 139 III 305 S. 313 nicht Eigentümerin des Bildes gewesen sei, sei dem Beschwerdegegner bekannt gewesen. Der Beschwerdegegner habe nämlich vor Kaufvertragsabschluss über J. von der Galerie I. eine Bestätigung von D. über das Verfügungsrecht des Veräusserers einholen lassen. Darin habe D. bestätigt, dass ihr der aktuelle Eigentümer des Bildes zugesichert habe, dass er der einzige und alleinige Besitzer des Bildes sei, sich das Bild seit mehreren Jahren in einem Banktresor befinde und der Eigentümer des Bildes der Bank folglich seit mehreren Jahren bekannt sei. Im Kaufvertrag habe D. sodann die Echtheit des Bildes garantiert und dass sie als Verkäuferin berechtigt und in der Lage sei, das Eigentum am Bild rechtmässig im Sinne von Art. 641 ff. ZGB zu übertragen. Zu den Gepflogenheiten auf dem Kunstmarkt hat das Obergericht festgestellt, es sei zum damaligen Zeitpunkt nicht unüblich gewesen, dass der wahre Veräusserer dem Erwerber unbekannt geblieben sei. Der Kaufpreis von 1,05 Mio. USD sei nicht ungewöhnlich niedrig. Ausserdem habe das Auktionshaus K. in Genf im Mai 1989 das fragliche Gemälde zunächst für 1 Mio. USD kaufen wollen, den zugesicherten Erwerb dann aber abgelehnt (an anderer Stelle spricht das Obergericht von der geplanten Aufnahme des Gemäldes in eine Auktion). Die Ablehnung des Kaufs sei dem Beschwerdegegner bekannt gewesen. Er habe daraufhin mit L., dem damaligen Leiter von K. Schweiz, Kontakt aufgenommen. Aufgrund der im Recht liegenden Korrespondenz sei davon auszugehen, dass K. vom Geschäft absah, weil die sowjetischen Behörden den Kauf nicht bewilligen würden, da das Bild die Sowjetunion illegal verlassen habe, und K. die Kontakte zur Sowjetunion nicht gefährden wollte. Damit sei für den Beschwerdegegner eine nachvollziehbare Erklärung für den Rücktritt von K. vom Kauf vorgelegen. Tatsächlich sei es - so das Obergericht - im fraglichen Zeitraum verboten gewesen, russische Bilder, die vor 1945 entstanden seien, aus der Sowjetunion zu exportieren. Der Beschwerdegegner habe um die Illegalität der Ausfuhr gewusst. Unbestritten geblieben sei, dass der Beschwerdegegner sich bei Interpol nach dem Bild erkundigt habe. Da die Sowjetunion 1989 nicht Mitglied von Interpol gewesen sei, sei die Erkundigung ergebnislos geblieben. Nicht nachgewiesen erschien dem Obergericht die Behauptung des Beschwerdegegners, dass sich D. vor dem Verkauf bei der sowjetischen Botschaft telefonisch nach dem Bild erkundigt habe, wobei sich keine Hinweise auf Rechtsmängel ergeben hätten. Nach Einschätzung des Obergerichts seien weitere BGE 139 III 305 S. 314 Vorsichtsmassnahmen unnötig gewesen bzw. hätten nicht zur Aufdeckung des Rechtsmangels geführt. 5.2 Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass der Beschwerdegegner nicht effektiv um den Rechtsmangel wusste. Zu prüfen ist hingegen, ob der Beschwerdegegner genügend Sorgfalt hat walten lassen, so dass er sich auf seinen guten Glauben berufen darf. 5.2.1 Dabei ist die Vorinstanz grundsätzlich zu Recht davon ausgegangen, dass die Sorgfaltsanforderungen im Jahre 1989 nicht danach bestimmt werden können, was heute über den Umfang des unrechtmässigen Entzugs von Kunst und Kulturgütern in den Staaten des ehemaligen Ostblocks bekannt ist. In diesem Sinne ist das Ergebnis des Beweisverfahrens zu berücksichtigen, wonach 1989 in der Kunstbranche bzw. allgemein nicht bekannt gewesen sei, dass aus der Sowjetunion geschmuggelte Kunst in der Regel geraubt oder sonst wie dem Eigentümer abhandengekommen sei, während nach heutigem Wissensstand eine solche Vermutung naheliege. Ebenso ist in diesem Rahmen der auf ein Gutachten gestützte Schluss des Obergerichts zu würdigen, wonach Provenienzabklärungen 1989 zwar üblich gewesen seien, sie sich aber auf die Echtheit und allfällige renommierte Vorbesitzer des Kaufobjekts konzentriert hätten und sich ihr Inhalt erst nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und dem Aufkommen der Raubkunstdiskussion auf die Klärung der Verfügungsberechtigung verschoben habe. Der Beschwerdeführer greift die Feststellungen über das Erfahrungswissen im Jahre 1989 nicht inhaltlich an (zur Kritik an der Person des Gutachters unten E. 5.2.5), macht jedoch geltend, der Kunsthandel sei ganz allgemein ein Geschäftszweig im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, der dem Angebot von Waren zweifelhafter Herkunft und folglich mit Rechtsmängeln behafteter Sachen in besonderem Masse ausgesetzt sei. Das Obergericht hat jedoch keinen allgemeinen Erfahrungssatz angenommen, dass der spezifische, in Frage stehende Markt (Verkauf von Werken der klassischen Moderne aus der Sowjetunion im Westen vor der Wende) in besonderem Masse dem Angebot von Waren zweifelhafter Herkunft ausgesetzt sei, sondern die Vorinstanzen haben sich für die Abklärung dieser Frage auf ein Gutachten stützen müssen, welches zum Schluss gekommen ist, dass dies - nach damaligem Kenntnisstand - nicht der Fall gewesen sei. Insoweit geht es nicht um einen Schluss aus der allgemeinen Lebenserfahrung, der für das Bundesgericht frei BGE 139 III 305 S. 315 überprüfbar wäre ( BGE 130 III 182 E. 5.5.2 S. 192 mit Hinweisen), sondern um Beweiswürdigung (vgl. zur Abgrenzung HANS PETER WALTER, in: Berner Kommentar, 2012, N. 99 ff. zu Art. 8 ZGB ). Dieses Vorgehen ist nicht zu beanstanden. Ob nach heutigem Kenntnisstand ein entsprechender allgemeiner Erfahrungssatz für Teile des Kunsthandels aufgestellt werden müsste, braucht nicht beurteilt zu werden (vgl. dazu REGULA BERGER-RÖTHLISBERGER, Sorgfalt bei der Übertragung und beim Erwerb von Kulturgütern, 2009, S. 148 f.; CHARLOTTE WIESER, Gutgläubiger Fahrniserwerb und Besitzesrechtsklage, 2004, S. 96 f.). 5.2.2 Zur Person des Beschwerdegegners hat das Obergericht festgehalten, er sei zwar kein Kunsthändler, aber ein angesehener Kunstsammler und Inhaber einer bedeutenden Sammlung moderner Kunst. Daraus hat das Obergericht zu Recht abgeleitet, er sei als mit der Kunstbranche vertraut zu betrachten. Entgegen dem, was der Beschwerdegegner vorbringt, ist seine Branchenvertrautheit für die an ihn zu stellenden Sorgfaltsanforderungen von Bedeutung, ohne dass es dabei darauf ankommt, ob er Kunsthändler ist oder nicht (vgl. oben E. 3.2 am Ende). 5.2.3 Aus dem Gesagten folgt, dass zwar - nach damaligem Kenntnisstand - kein Markt vorlag, auf dem in erhöhtem Masse mit zweifelhaften Gegenständen gerechnet werden musste. Für die Frage, ob dem Beschwerdegegner Verdachtsgründe erkennbar waren, ist jedoch seine Branchenvertrautheit zu berücksichtigen. Es ist demnach zu untersuchen, ob ihm die nachgewiesenen Umstände Anlass zu entsprechendem Verdacht hätten sein müssen. 5.2.4 Für diese Beurteilung von entscheidender Bedeutung ist die Warnung von H., dass sich ein gestohlenes Bild von Malewitsch auf dem Markt befinde. Darin könnte ein Umstand liegen, der den Beschwerdegegner zu weiteren Vorsichtsmassnahmen hätte veranlassen müssen. Dabei ist eine vom Bundesgericht nur unter Willkürgesichtspunkten zu prüfende Tatfrage ( Art. 97 Abs. 1 BGG ), was H. dem Beschwerdegegner gesagt und was der Beschwerdegegner effektiv verstanden hat; hingegen ist eine frei zu prüfende Rechtsfrage, wie er ihre Aussagen verstehen durfte und musste und welche Bedeutung die festgestellten Aussagen für die nach Art. 3 Abs. 2 ZGB massgeblichen Umstände und seinen guten Glauben aufweisen. BGE 139 III 305 S. 316 Zunächst ist auf die Verwertbarkeit der Aussagen von H., ihre Glaubwürdigkeit und die Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen einzugehen. Das Obergericht und das Bezirksgericht, auf dessen Ausführungen das Obergericht verweist, haben sich zu diesen Themen einlässlich geäussert. Beide Instanzen gingen davon aus, es bestehe kein Grund zur Annahme, dass H. aufgrund ihrer vorprozessualen Befragung im Jahre 2002 (pre-trial discovery des US-amerikanischen Rechts) anlässlich der nachfolgenden, rechtshilfeweisen Einvernahme im Jahre 2009, auf die es entscheidend ankomme, nicht mehr frei und unbefangen geantwortet hätte. Das Obergericht berücksichtigte zudem, dass auch weitere vorprozessuale Kontakte zwischen dem Beschwerdeführer und H. aktenkundig seien. Ihre Glaubwürdigkeit und die Glaubhaftigkeit ihrer Aussage sah das Obergericht jedoch nicht beeinträchtigt. Insbesondere wies es darauf hin, dass H. auch auf eindringliches Befragen hin gegenüber ihrer spontanen Aussage keine relevanten Zugeständnisse gemacht habe und dass ihre Aussagen hinsichtlich der Mitteilung eines Gerüchts einheitlich seien, auch wenn sich in ihren Aussagen im Übrigen Widersprüche fänden. Der Beschwerdegegner hält ihre Aussagen wegen der Kontakte des Beschwerdeführers zu ihr nach wie vor für unverwertbar und sie seien auch widersprüchlich. Auch unter Beachtung der Vorbringen in der Beschwerdeantwort besteht jedoch kein Anlass, auf die Frage der Verwertbarkeit und der grundsätzlichen Glaubwürdigkeit zurückzukommen. Es ist insbesondere weder ersichtlich, dass die Vorinstanz § 148 der Zürcher Zivilprozessordnung vom 13. Juni 1976 (ehemals LS 271) betreffend freie Beweiswürdigung willkürlich angewandt hätte noch dass sich das Obergericht bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit von unhaltbaren Kriterien leiten liess. Aufgrund der vorinstanzlichen Beweiswürdigung steht fest, dass H. den Beschwerdegegner im Zusammenhang mit der Mitteilung ihres Prüfberichts (über die Echtheit des Gemäldes) über ein Gerücht informierte, dass sich auf dem Markt ein gestohlenes Malewitsch-Bild befinde. Die Behauptung des Beschwerdegegners mag zwar zutreffen, dass er (der Beschwerdegegner) vor Gericht zu Protokoll gegeben habe, von H. kein solches Gerücht vernommen zu haben, doch lässt dies die gegenteilige obergerichtliche Beweiswürdigung nicht als willkürlich erscheinen. Das Obergericht hat weiter erwogen, es sei allerdings nicht erstellt, dass H. das Gerücht klar auf das Bild "Diener mit Samowar" bezogen habe oder dass sie den Beschwerdegegner darauf hingewiesen oder ihm einen Rat gegeben BGE 139 III 305 S. 317 habe. Der Beschwerdeführer rügt dies als willkürlich und verweist auf zahlreiche Belegstellen aus der Einvernahme vom 11. August 2009. Eine Sachverhaltsergänzung und Behandlung der verschiedenen zitierten Belegstellen erweist sich als unnötig. Bereits auf Grundlage des vom Obergericht festgestellten Sachverhalts lässt sich die Rechtsfrage behandeln, wie der Beschwerdegegner die Äusserung von H. verstehen durfte und musste. Vorauszuschicken ist, dass der Beschwerdeführer nicht bestreitet, dass H. dem Beschwerdegegner keinen ausdrücklichen Rat gab, z.B. Recherchen zu betreiben oder vom Kauf Abstand zu nehmen. Zu prüfen ist, ob die Mitteilung des Gerüchts, dass sich auf dem Markt ein gestohlenes Gemälde von Malewitsch befinde, ernsthaft und konkret genug war, um beim Beschwerdegegner einen hinreichenden Verdacht zu wecken und ihn zu verstärkter Vorsicht anzuhalten, d.h. ob er auch von sich aus, gestützt auf den allgemein gehaltenen Hinweis durch H., darauf hätte schliessen sollen, dass es sich beim Bild "Diener mit Samowar" um das gestohlene Gemälde handeln könnte. Dazu ist von Bedeutung, dass er das Gerücht nicht aus irgendeiner Quelle vernommen hat, sondern von einer Kunstexpertin, die er als seine Vertrauensperson zur Prüfung der Echtheit des Gemäldes "Diener mit Samowar" ausgesucht hatte. Sie erwähnte das Gerücht auch nicht irgendwann, sondern im Rahmen einer Beratung über ein konkretes Gemälde von Malewitsch. Insoweit durfte und musste der Beschwerdegegner davon ausgehen, dass sie ihm nicht irgendwelche unhaltbaren Gerüchte erzählen wird, die mit dem Gegenstand ihres Gesprächs nichts zu tun haben, sondern mit der Information einen Zweck verfolgte und sie selber der Meinung war, dass das fragliche Bild Gegenstand des Gerüchts sein könnte. Wäre sie nicht dieser Auffassung gewesen, so hätte sie keinen Anlass gehabt, ihm das Gerücht überhaupt mitzuteilen, oder dann nur in dem Sinne, dass zwar ein Gerücht zirkuliere, er sich davon aber keinesfalls verunsichern lassen solle, da es aus diesem oder jenem Grunde ausgeschlossen sei, dass das Bild "Diener mit Samowar" gemeint sei. Ein Bezug zwischen der Mitteilung des Gerüchts und dem streitgegenständlichen Bild ergibt sich somit ohne weiteres aus den Umständen. Dies gilt umso mehr, als es nach den obergerichtlichen Feststellungen selten war, dass ein Originalgemälde von Malewitsch auf dem Markt angeboten wurde. Das Gerücht konnte sich demnach nicht ebenso gut auf unzählige andere Werke Malewitschs beziehen, BGE 139 III 305 S. 318 die gerade im Handel waren. Folglich lagen genügend konkrete Verdachtsmomente vor, die den Beschwerdegegner zu weiteren Abklärungen hätten veranlassen müssen. 5.2.5 Bei diesem Ergebnis ist nicht nötig, im Einzelnen auf die ausufernde Kritik des Beschwerdeführers am angefochtenen Urteil und seinen Versuch einzugehen, zahlreiche weitere Umstände ebenfalls als Verdachtselemente hinzustellen. Umgekehrt vermögen diese Nebenumstände allerdings auch nicht, den durch das Gerücht entstandenen Verdacht von vornherein zu entkräften. Auf diese Umstände und die entsprechenden Rügen ist nachfolgend insoweit einzugehen, wie zur Darstellung der Gesamtzusammenhänge geboten: Die Vorinstanz hat kein Verdachtsmoment darin gesehen, dass D. als Kommissionärin handelte und dem Beschwerdegegner die Identität des wahren Veräusserers unbekannt blieb. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ist diese Beurteilung nicht zu beanstanden. Die Schlussfolgerung basiert auf der vorinstanzlichen Tatsachenfeststellung, dass dies im Kunsthandel 1989 üblich war, und diese Feststellung stützt sich auf die Aussage von L. als Zeuge und auf ein Gutachten. Der Beschwerdeführer erachtet das Abstellen auf das Gutachten als willkürlich, da der Gutachter aufgrund seines Alters (Jahrgang 1970) kein eigenes Erfahrungswissen über den Kunsthandel im Jahre 1989 gehabt habe und sich deshalb auf Literaturrecherchen stützen musste. Mit diesem Einwand hat sich das Bezirksgericht bereits in seinem Zirkulationsbeschluss vom 31. August 2009 befasst. Es hat ausgeführt, dies schliesse nicht aus, dass er anderweitig die nötigen Kenntnisse habe. So ergebe sich aus den Publikationen des Gutachters eine vertiefte Beschäftigung mit dem Kunsthandel der Gegenwart und jüngeren Vergangenheit. Das Obergericht hat ergänzt, als Direktor eines Auktionshauses sei der Gutachter prädestiniert zur Beantwortung von Fragen, was im Kunsthandel üblich gewesen sei. Diese Überlegungen halten vor Bundesrecht stand, abgesehen davon, dass das Gutachterergebnis auch durch die Aussage von L. gestützt wird, die der Beschwerdeführer nicht angreift. Anlass zu Verdacht sieht der Beschwerdeführer auch im damaligen Zustand des Gemäldes. Da das Obergericht zwar ausgeführt hat, der Zustand des Bildes sei schlecht gewesen, aber nicht näher erläutert hat, inwiefern der Zustand des Bildes schlecht gewesen ist, und auch der Beschwerdeführer dies nicht tut, kann er daraus auch nicht ableiten, dass kein redlicher Verkäufer ein solches Werk in einem BGE 139 III 305 S. 319 derart schlechten Zustand anbieten würde. Entgegen seinen Behauptungen ergibt sich weder aus dem Ergänzungsgutachten, dass das Bild aus dem Rahmen geschnitten war, noch hat der Beschwerdegegner solches zugestanden, denn die vom Beschwerdeführer zitierte Aussage hat der Beschwerdegegner bereits wenig später relativiert, worauf bereits das Bezirksgericht hingewiesen hat. Auch aus der Lagerung in einem Safe kann nicht ohne weiteres gegen die Seriosität des Verkäufers geschlossen werden. Dass die Bedingungen dort nicht ideal waren, mag zutreffen oder nicht, stellt aber jedenfalls eine unbelegte Tatsachenbehauptung dar. Auch die Einwände gegen D. und ihre Galerie überzeugen nicht. Inwieweit die finanziellen Probleme von D. dem Beschwerdegegner zum damaligen Zeitpunkt bekannt waren oder hätten bekannt sein müssen, legt der Beschwerdeführer nicht dar, so dass er auch daraus nichts ableiten kann. Es ist an dieser Stelle daran zu erinnern, dass sich der gute Glaube auf den Kaufzeitpunkt bezieht und nicht darauf, welche zusätzlichen Umstände im Nachhinein allenfalls bekannt oder erkennbar werden. Wenn der Beschwerdeführer zudem geltend macht, die Galerie sei nicht auf russische Avantgarde spezialisiert gewesen und der Verkaufspreis des Bildes "Diener mit Samowar" sei weit höher als derjenige bisher verkaufter Werke, so unterstellt er damit - selbst wenn die Behauptungen zutreffen sollten - jede Erweiterung des Geschäftsfelds einem unzulässigen Pauschalverdacht. Auch die Kenntnis um die illegale Ausfuhr aus der Sowjetunion ist kein Verdachtsmoment, dies wenigstens dann nicht, wenn eine legale Ausfuhr - wie vorliegend - auch für den Berechtigten nicht möglich wäre (vgl. BGE 131 III 418 E. 2.4.4 S. 423 ff.; BGE 123 II 134 E. 6 S. 141 f.; Urteil 5C.16/1998 vom 28. Mai 1998 E. 4.d/cc, in: SJ 1999 I S. 1). Nach wie vor macht der Beschwerdeführer geltend, das Gemälde sei zu einem auffällig tiefen Preis verkauft worden. Er will auf ein Privatgutachten abstellen, das den damaligen Wert auf 4 bis 5 Mio. USD veranschlagt, übergeht aber die zutreffende vorinstanzliche Auffassung, dass es sich dabei nicht um ein Beweismittel handle (vgl. BGE 132 III 83 E. 3.5 S. 88). Soweit er nach wie vor das Gerichtsgutachten zu dieser Frage in Zweifel zieht und dessen Vollständigkeit, Nachvollziehbarkeit und Schlüssigkeit bestreitet, so ist daran zu erinnern, dass sich bereits das Bezirksgericht (auf dessen BGE 139 III 305 S. 320 Erwägungen das Obergericht verweist) mit entsprechenden Einwänden befasst und begründet hat, weshalb nach Einholung des Ergänzungsgutachtens dennoch der Schätzung des Gerichtsgutachters gefolgt werden könne. Der Beschwerdeführer ist der Ansicht, dass die gerichtliche Begründung den Anforderungen von Art. 29 Abs. 2 BV (Begründungspflicht als Teilgehalt des rechtlichen Gehörs) nicht genügt. Dies ist nicht der Fall, denn das Bezirksgericht hat dargelegt, wieso es das Ergänzungsgutachten für genügend begründet hält, nämlich deshalb, weil dem Gericht plausibel gemacht worden sei, woraus der Gutachter seine Schlüsse gezogen habe. Es ist nicht nötig, dass es die Begründung des Gutachters im Urteil noch einmal wiedergibt (vgl. zu den Begründungsanforderungen BGE 134 I 83 E. 4.1 S. 88). Das Obergericht ist auch deshalb davon ausgegangen, dass der Kaufpreis des Bildes nicht auffällig tief gewesen sei, weil zuvor vorgesehen war, dass K. es zu einem Preis von 1 Mio. USD kaufe. Der Beschwerdeführer bestreitet dies mit einem Hinweis auf eine protokollierte Aussage von D., wonach nicht K. diesen Preis offeriert habe, sondern der anonyme Veräusserer ihn verlangt habe, womit daraus für den wahren Wert nichts abgeleitet werden könne. Das Bezirksgericht hat allerdings festgestellt, dass K. diesen Preis offeriert habe. Der Beschwerdeführer macht nicht geltend, er habe diese Tatsachenfeststellung bereits vor Obergericht angefochten. Selbst wenn die Behauptung des Beschwerdeführers zutreffen würde, ändert dies allerdings nichts daran, dass für die Schätzung - ohne in Willkür zu verfallen - auf das Gutachten abgestellt werden durfte. Auf die Frage, wie die Absage von K. zu werten ist, wird im Zusammenhang mit den vom Beschwerdegegner getroffenen Vorsichtsmassnahmen einzugehen sein (unten E. 5.3.2). 5.2.6 Der vorinstanzlichen Auffassung, in den festgestellten Umständen des Kaufs weder einzeln noch gesamthaft einen Anlass zu Misstrauen in die Verfügungsberechtigung des Veräusserers zu sehen, kann demnach nicht gefolgt werden. Die Mitteilung des Gerüchts durch H. musste dem Beschwerdegegner bereits genügend Anstoss zu entsprechenden Vorsichtsmassnahmen sein, auch wenn die übrigen festgestellten Umstände keine weiteren Verdachtsmomente darstellen (vgl. zur Absage von K. allerdings noch unten E. 5.3.2). 5.3 Demnach ist nachfolgend auf die vom Beschwerdegegner getroffenen Vorsichtsmassnahmen einzugehen und zu untersuchen, ob sie BGE 139 III 305 S. 321 angesichts des im Raum stehenden Verdachts als genügend erachtet werden können. Der Beschwerdeführer hält die ergriffenen Massnahmen für ungenügend und sieht in ihren Ergebnissen teilweise sogar Anlass zu weiterem Misstrauen. 5.3.1 Das Obergericht hat dem Beschwerdegegner als Vorsichtsmassnahme angerechnet, dass er zwei Bestätigungen von D. erhalten hat: Zunächst hat sie J. von der Galerie I., die für den Beschwerdegegner angefragt hatte, bestätigt, dass ihr der aktuelle Eigentümer des Bildes zugesichert habe, der einzige und alleinige Besitzer des Bildes zu sein und dass dieser Besitzer das Bild seit Jahren in den Safes derselben Bank aufbewahre, und dass der Besitzer der Bank folglich seit Jahren bekannt sei. Im Kaufvertrag garantierte D. zudem, dass sie als Verkäuferin berechtigt und in der Lage sei, das Eigentum am Bild rechtmässig gemäss Art. 641 ff. ZGB zu übertragen. Der Beschwerdeführer sieht in der zweifachen Bestätigung eine Überbetonung der Verfügungsberechtigung und damit ein weiteres Verdachtselement. Die Glaubwürdigkeit der Bestätigungen sei zudem gering, da D. aufgrund ihrer finanziellen Schwierigkeiten und der anfallenden Verkaufsprovision ein Interesse an der Durchführung des Verkaufs gehabt habe. Es ist zwar denkbar, dass im Einzelfall eine Überbetonung der Verfügungsberechtigung verdächtig sein kann (STARK, a.a.O., N. 52a zu Art. 933 ZGB ). Eine solche liegt jedoch nicht vor, zumal D. die separate Bestätigung nach den unbestrittenen Feststellungen der Vorinstanz gerade auf indirekte Anfrage des Beschwerdegegners (über J. von der Galerie I.) verfasst hatte. Zugleich sind die Bestätigungen aber nicht geeignet, die Zweifel zu zerstreuen, die der Beschwerdegegner nach Kenntnisnahme des Gerüchts haben musste. Dazu sind sie zu rudimentär und unbestimmt und sie erschöpfen sich in unbelegten und in für den Beschwerdegegner nicht nachprüfbaren Behauptungen von D. oder des hinter ihr stehenden, anonym bleibenden Verkäufers, dessen Angaben von D. übernommen wurden. Auch wenn D. von der Richtigkeit ihrer Bestätigungen ausgegangen sein sollte, ändert dies nichts daran, dass sich der Beschwerdegegner mit ihnen nicht zufrieden geben durfte. 5.3.2 Als weitere Vorsichtsmassnahme hat das Obergericht dem Beschwerdegegner angerechnet, dass er mit L., dem damaligen Leiter von K. Schweiz, Kontakt aufgenommen habe, nachdem er erfahren hatte, dass K. die Aufnahme des Bildes in eine Auktion abgelehnt BGE 139 III 305 S. 322 hatte. Das Auktionshaus habe vom Kauf abgesehen, weil die sowjetischen Behörden aufgrund der illegalen Ausfuhr des Bildes diesen nicht bewilligen könnten und K. die guten Kontakte zur Sowjetunion nicht habe gefährden wollen. Damit habe für den Beschwerdegegner eine nachvollziehbare Erklärung für den Rücktritt von K. von der Kaufzusicherung vorgelegen. Der Beschwerdeführer kritisiert zu Recht die vorinstanzliche Schlussfolgerung, der Beschwerdegegner habe eine nachvollziehbare Erklärung (nämlich die Opposition der sowjetischen Botschaft wegen der illegalen Ausfuhr) für den Rücktritt von K. vom Kauf des Gemäldes erhalten. Die Vorinstanz hat nämlich selber festgestellt, dass der damalige Leiter von K. Schweiz, L., zwar bestätigen könne, dass er einmal ein Gespräch mit dem Beschwerdegegner über ein Malewitsch-Bild geführt habe. An den Zeitpunkt und an den genauen Inhalt konnte er sich aber nicht erinnern. Zwar durfte die Vorinstanz angesichts der im Recht liegenden Akten ohne Willkür zum Schluss kommen, dass K. den Kauf aus den genannten Gründen abgelehnt hatte, nämlich weil sich die sowjetischen Behörden aufgrund der illegalen Ausfuhr dem Geschäft widersetzten und K. die guten Kontakte zur Sowjetunion erhalten wollte. Da über den Zeitpunkt und den Inhalt des Gesprächs zwischen L. und dem Beschwerdegegner nichts Genaueres bekannt ist, kann es jedoch nicht als Vorsichtsmassnahme gewertet werden. Selbst wenn der Beschwerdegegner die genannte Auskunft über die Gründe für den Rückzug von K. noch vor dem Erwerb erhalten haben sollte, so wäre damit hinsichtlich des Gerüchts, dass sich ein gestohlenes Bild von Malewitsch auf dem Markt befinde, weder in die eine noch in die andere Richtung etwas gewonnen. Die angebliche Auskunft hätte einzig das zusätzliche Verdachtsmoment entkräftet, das durch den Rückzug eines renommierten Auktionshauses vom Kauf bzw. der Aufnahme des Gemäldes in eine Auktion entstehen musste. Zwar erwähnt das Obergericht die Aussage von L., dass er nicht gewusst habe, dass das Bild gestohlen gewesen sei. Dass auch dies Gegenstand des Gesprächs mit dem Beschwerdegegner gewesen sei bzw. dass Letzterer L. auf das Gerücht angesprochen hätte, hat die Vorinstanz nicht festgestellt. 5.3.3 Zu einer Anfrage des Beschwerdegegners bei Interpol hat das Obergericht Folgendes erwogen: Im Beweisverfahren sei nicht geklärt worden, ob sich der Beschwerdegegner vor dem Kauf BGE 139 III 305 S. 323 bestätigen liess, dass bei Interpol keine Informationen über das Bild vorliegen. Auf die Abklärung im Beweisverfahren sei verzichtet worden, da der Beschwerdeführer davon ausgehe, eine solche Anfrage wäre wertlos gewesen, da Russland (recte wohl: die Sowjetunion) 1989 noch nicht Mitglied von Interpol gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe allerdings nicht bestritten, dass der Beschwerdegegner bei Interpol angefragt habe. Im Übrigen hätten schriftliche Anfragen des Bezirksgerichts beim Bundesamt für Polizei ergeben, dass das fragliche Gemälde 1989 weder bei Interpol noch im Art Loss Register verzeichnet gewesen sei. Es erübrigt sich, auf diese nicht restlos klaren und vor Bundesgericht von beiden Parteien bestrittenen Ausführungen einzugehen. Selbst wenn man davon ausgehen sollte, dass es sich bei einer Anfrage an Interpol um ein grundsätzlich taugliches Abklärungsmittel gehandelt hätte, so wäre diese Massnahme nach Erhalt eines negativen Ergebnisses für sich allein ungenügend gewesen, um das Gerücht als widerlegt erachten zu dürfen, denn es kann verschiedenste Gründe geben, wieso das Gemälde bei Interpol nicht verzeichnet war. 5.3.4 Der Beschwerdegegner hatte ausserdem vorgebracht, D. habe vor dem Verkauf bei der sowjetischen Botschaft telefonisch Erkundigungen über das Bild eingeholt und dabei keine Hinweise auf einen Rechtsmangel erhalten. Das Obergericht ist zum Schluss gekommen, der Nachweis für diese Anfrage und die entsprechende Antwort habe nicht erbracht werden können. Der Beschwerdegegner wirft dem Obergericht diesbezüglich Willkür bei der Sachverhaltsfeststellung vor. Er beschränkt sich aber darauf, die vom Obergericht herangezogenen Beweismittel und Umstände aus eigener Sicht zu würdigen. Unter Willkürgesichtspunkten ist jedoch nicht zu beanstanden, wenn das Obergericht nicht auf die Aussage von D. abgestellt hat, weil sie nicht mehr sagen konnte, mit wem sie gesprochen haben will, und weil sie am Ausgang des Verfahrens ein Eigeninteresse haben könnte. Ebenso wenig ist zu beanstanden, wenn es die schriftliche Bestätigung des Gesprächs als wenig verlässlich bezeichnet hat, woran auch nichts ändert, wenn auf dem Schriftstück ein Datum - entgegen der obergerichtlichen Feststellung - teilweise leserlich sein sollte. Soweit der Beschwerdegegner zudem geltend macht, der Sachverhalt sei gar nicht rechtzeitig bestritten worden, beschlägt diese Frage kantonales Recht, dessen Verletzung allerdings nicht substantiiert gerügt wird. BGE 139 III 305 S. 324 Das Obergericht hat des Weiteren ausgeführt, es lasse sich nicht erstellen, dass eine Erkundigung bei der sowjetischen Botschaft in Bern die deliktische Herkunft des Bildes ans Tageslicht gebracht hätte. Dass sowjetische Behörden aufgrund der ergangenen Strafurteile um den Diebstahl wussten, bedeute nicht, dass die Botschaft dieses Wissen auch gehabt habe. Dies wird vom Beschwerdeführer als willkürlich gerügt. Wenn er davon ausgeht, der Kulturattaché der Botschaft, M., habe über das Bild "Bescheid gewusst" und er (der Beschwerdeführer) sich dazu erneut auf die Korrespondenz von K. stützt (vgl. oben E. 5.3.2), so interpretiert er diese bloss in seinem Sinne, was keine Willkür belegt. Der Beschwerdeführer bringt weiter vor, selbst wenn die Botschaft keine Kenntnis vom Diebstahl gehabt haben sollte, so wären ihr die erforderlichen Kanäle offengestanden, um Nachforschungen anzustellen. Der Beschwerdeführer legt nicht dar, rechtzeitig Entsprechendes vor den Vorinstanzen behauptet zu haben, zumal es nicht als notorisch gelten kann, dass jede Botschaft in ihrem Heimatland jede beliebige Information erhältlich machen kann. Zudem ist wenig einsichtig, weshalb sie dazu überhaupt hätte Hand bieten sollen, nachdem sie sich ja bereits wegen der illegalen Ausfuhr einem Verkauf im Ausland widersetzt hatte (oben E. 5.3.2). 5.3.5 Daraus ergibt sich, dass der Beschwerdegegner angesichts des im Raume stehenden Gerüchts, das er ernst nehmen musste, zu wenige Vorsichtsmassnahmen ergriffen hat, die zur Abklärung des Wahrheitsgehalts des Gerüchts tauglich erschienen. Bevor daraus Konsequenzen für den guten Glauben gezogen werden können, muss jedoch untersucht werden, ob es überhaupt taugliche und zumutbare Nachforschungsmöglichkeiten gegeben hätte. Darauf ist nachfolgend einzugehen. 5.4 5.4.1 Das Obergericht hat verneint, dass es entsprechende Massnahmen gegeben hätte, die der Beschwerdegegner hätte ergreifen müssen. Zunächst sei es nicht der Fall, dass der Beschwerdegegner bei H. nicht nur die Echtheit, sondern auch die Provenienz des Bildes hätte abklären müssen. H. habe in ihrer Zeugenaussage zwar einige mögliche Malewitsch-Sachverständige genannt. Ihrer Aussage lasse sich aber nicht entnehmen, was sie bei einem Auftrag zur Provenienzabklärung konkret unternommen und welche Personen sie befragt hätte. Sie habe auch nicht sagen können, welchen Kenntnisstand die BGE 139 III 305 S. 325 von ihr genannten Personen gehabt hätten. Es bleibe somit unklar, ob sie zu weiteren Erkenntnissen gelangt wäre. Das Obergericht ist sodann auf die Aussage einer weiteren Zeugin eingegangen, nämlich von N., einer Kennerin von Malewitsch und der russischen Avantgarde. Sie habe erklärt, dass sie vom Diebstahl gewusst habe und dass der Diebstahl in russischen Zeitungen ca. 1978 erwähnt worden und in Expertenkreisen bekannt gewesen sei. Gemäss ihrer Einschätzung hätte der Beschwerdegegner vom Diebstahl erfahren, wenn er sich an sie gewandt hätte. Das Obergericht hat jedoch erwogen, angesichts der vom Beschwerdegegner bereits getroffenen Massnahmen und angesichts der im Jahre 1989 eingeschränkten Möglichkeiten im Rahmen von Interpol und Registersuche sei davon auszugehen, dass vom Beschwerdegegner eine Kontaktaufnahme mit der ihm unbekannten N. nicht erwartet werden konnte und ausserhalb seiner Sorgfaltspflichten lag. Auch nicht ersichtlich sei, wie sich der Beschwerdegegner über die russischen Zeitungsberichte von 1978 oder bei Experten im Osten hätte erkundigen können. Umstritten war schliesslich auch, ob der Zürcher Galerist O. vom Diebstahl wusste. Der Beschwerdeführer hatte geltend gemacht, dass H. das Gerücht über den Diebstahl von ihm gehört habe und dass sein Name dem Beschwerdegegner gegenüber erwähnt worden sei, so dass eine Nachfrage bei ihm den Diebstahl ans Licht gebracht hätte. Das Obergericht hat dazu erwogen, Entsprechendes sei vom Beschwerdeführer zu spät behauptet worden. Ergänzend hat es festgehalten, dass die Aussagen von H. insoweit widersprüchlich seien, da sie in der ersten Befragung (2002) erklärt habe, nicht zu wissen, woher sie vom Gerücht erfahren habe, und erst in der zweiten Befragung (2009) den Namen O. erwähnt habe. 5.4.2 Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung darf aus der Unterlassung von Nachforschungen nur dann das Fehlen des guten Glaubens abgeleitet werden, wenn die betreffenden Vorkehren voraussichtlich zur Entdeckung des mangelnden Verfügungsrechts des Veräusserers geführt hätten (vgl. BGE 100 II 8 E. 4b S. 16; BGE 122 III 1 E. 2a S. 3; BGE 131 III 418 E. 2.3.4 S. 423; STARK, a.a.O., N. 51 zu Art. 933 ZGB ). Dies ist dahin gehend zu verstehen, dass die in Betracht fallende Nachforschungsmassnahme objektiv geeignet sein muss, den Mangel in der Verfügungsbefugnis zu entdecken (SIBYLLE HOFER, in: Berner Kommentar, 2012, N. 122 f. zu Art. 3 ZGB ). BGE 139 III 305 S. 326 5.4.3 Vorliegend steht die Frage im Vordergrund, ob der Beschwerdegegner H. oder andere Experten mit weitergehenden Abklärungen hätte betrauen müssen. Dies ist entgegen der Beurteilung des Obergerichts der Fall. Nachdem der Beschwerdegegner von H., die er selber als Kunstexpertin beigezogen hatte, von einem Gerücht über ein sich angeblich auf dem Markt befindliches, gestohlenes Bild von Malewitsch vernommen hatte, wäre kaum eine Massnahme näher gelegen, als H. oder eine andere sachverständige Person um nähere Auskunft über dieses Gerücht bzw. um entsprechende Recherchen zu bitten. Dabei ist nicht von Belang, welche konkreten Massnahmen H. getroffen hätte; über diese kann im Nachhinein ohnehin nur spekuliert werden. Es spielt auch keine Rolle, dass er N. (eine Expertin, welcher der Diebstahl nachgewiesenermassen bekannt war) nicht kannte. Es genügt, dass zum damaligen Zeitpunkt aus objektiver Sicht der Beizug eines oder mehrerer Experten eine geeignete (wenn nicht sogar die am besten geeignete) und zumutbare Massnahme gewesen wäre, um Näheres über dieses Gerücht und allfällige Mängel der Verfügungsbefugnis des Veräusserers zu erfahren. Dabei war dem Beschwerdegegner zumindest H. als Expertin bekannt, die ihn - falls sie einen entsprechenden Auftrag nicht hätte selber erledigen oder der Beschwerdegegner jemand anderes damit hätte betrauen wollen - ohne weiteres an weitere Experten hätte verweisen können, soweit er solche als Kunstsammler nicht ohnehin kannte. Auf das hypothetische Ergebnis solcher Nachforschungen kommt es hingegen insofern nicht an, als es durchaus sein kann, dass die Nachforschungen das Gerücht und dessen Bezug auf das Bild "Diener mit Samowar" nicht erhärtet hätten. Der Beschwerdegegner hätte sich dann auf diese Auskünfte verlassen dürfen, selbst wenn sie objektiv falsch gewesen wären. Hätten sich seine Bedenken deswegen zerstreut und auch zerstreuen dürfen, so wäre sein guter Glaube zu schützen gewesen, da er alle gebotene Sorgfalt zur Abklärung des Gerüchts aufgewendet hätte. Hätte sich hingegen herausgestellt, dass sich das Gerücht tatsächlich auf das Bild "Diener mit Samowar" bezieht, so hätte der Beschwerdegegner - wenn er unter diesen Umständen nicht vom Kauf Abstand nehmen wollte - einen konkreten Nachweis dafür verlangen müssen, dass der Veräusserer trotz des früheren Diebstahls des Werks verfügungsberechtigt ist (z.B. durch gutgläubigen Erwerb im Ausland). BGE 139 III 305 S. 327 Dass der Beschwerdegegner diese als geeignet erscheinende und zumutbare Massnahme nicht ergriffen hat, muss dazu führen, dass er sich nicht auf seinen guten Glauben berufen kann. Die Beschwerde ist insoweit gutzuheissen. 5.5 Allerdings kann das Bundesgericht derzeit nicht in der Sache selbst entscheiden. Vielmehr ist die Angelegenheit an das Obergericht zurückzuweisen ( Art. 107 Abs. 2 BGG ). Das Obergericht wird sich zur Frage der Nichtberechtigung des Veräusserers (oben E. 4.2) zu äussern haben und zu allfälligen Einreden gemäss Art. 936 Abs. 2 ZGB (oben E. 4.1), sofern diese ordnungsgemäss in den kantonalen Prozess eingeführt worden sein sollten.
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312578c4-2f8d-4471-bd75-67bc0b22ed52
Sachverhalt ab Seite 557 BGE 135 III 556 S. 557 Die X. Reinsurance AG (Beschwerdeführerin) ist eine Rückversicherungsgesellschaft mit Sitz in der Schweiz, die Y. Limited (Beschwerdegegnerin) eine Versicherungsgesellschaft mit Sitz in A. (Bermuda). Bei dieser hat ein Erdöl- und Gasförderungsunternehmen mit Anlagen im Golf von Mexiko sein Versicherungsrisiko im Umfang von 12,5 % abgedeckt. Die Beschwerdegegnerin ihrerseits kaufte ihre Rückversicherungsdeckung im Umfang von 5 % bei der Beschwerdeführerin. Über den Rückversicherungsschutz betreffend die Folgen des Hurrikans Rita ergaben sich Unstimmigkeiten unter den Parteien. Die Beschwerdeführerin überwies der Beschwerdegegnerin nach eigenen Angaben am 12. Januar 2007 den Betrag von 5,75 Mio. USD in der Meinung, damit ihrer Leistungspflicht aus dem Rückversicherungsvertrag vollumfänglich nachgekommen zu sein. Die Beschwerdegegnerin akzeptierte diese Zahlung dagegen lediglich als Teilzahlung an eine ihrer Ansicht nach geschuldete Versicherungsleistung von USD 12'551'826.75. Daraufhin beantragte die Beschwerdeführerin mit Klage vom 14. Mai 2007 dem Bezirksgericht Höfe im Wesentlichen, die Beschwerdegegnerin zu verpflichten, ihr USD 5'750'000.- nebst Zins zurückzuerstatten. Mit Beschluss vom 10. Dezember 2007 trat das Bezirksgericht auf die Klage mangels örtlicher Zuständigkeit nicht ein. Diesen Entscheid bestätigte das Kantonsgericht Schwyz am 29. Januar 2009. Die Beschwerdeführerin beantragt dem Bundesgericht mit Beschwerde in Zivilsachen, den Beschluss des Kantonsgerichts aufzuheben und auf die Klage einzutreten, und sie erneuert ihre im kantonalen Verfahren gestellten materiellen Anträge. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. (Zusammenfassung) Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Die Beschwerdeführerin hat sich zur Begründung der Zuständigkeit auf den Gerichtsstand am schweizerischen Erfüllungsort nach Art. 113 IPRG (SR 291) berufen. Dazu brachte sie vor, die BGE 135 III 556 S. 558 Beschwerdegegnerin habe deren Hauptleistungspflicht, die Bezahlung der Prämien, am Sitz der Beschwerdeführerin erfüllen müssen. Die Vorinstanz hielt dafür, auf den Ort, wo die Pflicht der Beschwerdegegnerin zur Zahlung der Prämien vertragsgemäss zu erfüllen war, komme es nicht an, weil die Prämienzahlung nicht umstritten sei. Sie kam im Einklang mit dem erstinstanzlichen Gericht zum Ergebnis, der Beschwerdeführerin stehe beim angerufenen Gericht keine Zuständigkeit des Erfüllungsortes gemäss Art. 113 IPRG zur Verfügung. Die Beschwerdegegnerin ihrerseits bestreitet, dass die Prämien am Sitz der Beschwerdeführerin zu bezahlen gewesen seien. Sie bringt unter Hinweis auf die Akten vor, sie habe ihre Hauptleistung, die Prämienzahlung, in London zu entrichten gehabt. Wie es sich damit verhält, braucht trotz fehlender Doppelrelevanz (vgl. BGE 122 III 249 E. 3b/cc S. 252 f.) nur abgeklärt zu werden, wenn für die zu beurteilende Klage am Erfüllungsort der Leistung der Beschwerdegegnerin ein Gerichtsstand nach Art. 113 IPRG gegeben ist. Die Beschwerdeführerin behauptet nicht, der Erfüllungsort für ihre Versicherungsleistung liege in der Schweiz. Zu prüfen ist, ob der Beschwerdeführerin wahlweise neben dem Gerichtsstand am Ort der vertragsgemässen Erfüllung ihrer eigenen vertraglichen Leistung der Gerichtsstand am Erfüllungsort der (nicht charakteristischen) Gegenleistung der Beschwerdegegnerin zur Verfügung steht. 3.1 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts kann selbst bei bestrittener Gültigkeit des in Frage stehenden Vertrages, sofern die übrigen Voraussetzungen erfüllt sind, gemäss Art. 113 IPRG am Gerichtsstand des Erfüllungsortes Klage erhoben werden, gleich wie im Anwendungsbereich von Art. 5 Ziff. 1 des Übereinkommens vom 16. September 1988 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (LugÜ; SR 0.275.11), der, wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Streitgegenstand bilden, dem Kläger ermöglicht, alternativ zum allgemeinen Wohnsitzgerichtsstand nach Art. 2 LugÜ , den Beklagten vor dem Gericht des Ortes zu verklagen, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre. Zur Auslegung von Art. 113 IPRG ist daher im Interesse einer Harmonisierung der Regelung des IPRG mit jener des LugÜ nebst der Rechtsprechung des Bundesgerichts jene des EuGH zu berücksichtigen ( BGE 126 III 334 E. 3b S. 336). Mit dieser hat sich das Bundesgericht bereits in BGE 124 III 188 E. 4 vertieft auseinandergesetzt und festgehalten, dass zur Bestimmung des Erfüllungsortes BGE 135 III 556 S. 559 nicht jede beliebige vertragliche Verpflichtung massgebend sein kann, sondern nur jene, die dem vertraglichen Anspruch entspricht, auf den der Kläger seine Klage stützt. Macht er Ansprüche auf Schadenersatz geltend oder beantragt er die Auflösung des Vertrags aus Verschulden der anderen Partei, so ist auf die vertragliche Verpflichtung abzustellen, deren Nichterfüllung zur Begründung dieser Ansprüche behauptet wird ( BGE 124 III 188 E. 4a S. 189 f. mit Hinweis auf das Urteil des EuGH vom 6. Oktober 1976 14/76 de Bloos gegen Bouyer , Slg. 1976 S. 1508 Randnrn. 13/14, bestätigt mit Urteilen vom 15. Januar 1987 266/85 Shenavai gegen Kreischer , Slg. 1987 S. 254 Randnr. 9, und vom 29. Juni 1994 C-288/92 Custom Made Commercial gegen Stawa Metallbau , Slg. 1994 I-02913 Randnr. 23; zuletzt Urteil vom 23. April 2009 C-533/07 Falco Privatstiftung und Rabitsch gegen Weller-Lindhorst , Publikation in der amtlichen Sammlung vorgesehen, Randnrn. 46 ff.). 3.2 Gleich verhält es sich nach Art. 113 IPRG , wie aus dem französischen Wortlaut der Bestimmung klar hervorgeht. Dieser spricht im Gegensatz zum deutschen oder italienischen Gesetzestext, welche die in der Schweiz zu erfüllende "Leistung" bzw. "prestazione" ohne Attribut erwähnen, von der "prestation litigieuse", d.h. von der im Prozess umstrittenen Leistung. Somit ist zur Bestimmung des Erfüllungsortes die jeweilige der Klage zugrunde liegende Verpflichtung ausschlaggebend (AMSTUTZ/VOGT/WANG, in: Basler Kommentar, Internationales Privatrecht, 2. Aufl. 2007, N. 7 zu Art. 113 IPRG ; KELLER/KREN KOSTKIEWICZ, in: Zürcher Kommentar zum IPRG, 2. Aufl. 2004, N. 16 zu Art. 113 IPRG ; DUTOIT, Droit international privé suisse, 4. Aufl. 2004, N. 5 zu Art. 113 IPRG ). Der Erfüllungsort für die Gegenleistung oder für allfällige Nebenleistungen spielt keine Rolle (WALTER, Internationales Zivilprozessrecht der Schweiz, 4. Aufl. 2007, § 4 XIV 1d S. 157). Massgebend ist immer die strittige Primärpflicht und nicht etwa die aus der Kündigung, Wandelung, Schadenersatzforderung wegen Nicht- oder Schlechterfüllung, Rückabwicklung des Vertrages etc. hervorgehende Sekundärpflicht (SIEHR, Das Internationale Privatrecht der Schweiz, 2002, S. 243; POUDRET, Les règles de compétence de la Convention de Lugano confrontées à celles du droit fédéral, en particulier à l'article 59 de la Constitution, in: L'espace judiciaire européen, Voyame und andere [Hrsg.], CEDIDAC 1992, S. 67 f.; VALLONI, Der Gerichtsstand des Erfüllungsortes nach Lugano- und Brüsseler Übereinkommen, 1998, S. 229 f.; RODRIGO RODRIGUEZ, Beklagtenwohnsitz und BGE 135 III 556 S. 560 Erfüllungsort im europäischen IZPR, 2005, S. 124 Rz. 352; je mit Hinweisen). Für Letztere ist akzessorisch auf den Erfüllungsort der Primärpflicht abzustellen (SCHNYDER/LIATOWITSCH, Internationales Privat- und Zivilverfahrensrecht, 2. Aufl. 2006, S. 372 Rz. 1076; OBERHAMMER, in: Kommentar zum Lugano-Übereinkommen, Dasser/Oberhammer [Hrsg.], 2008, N. 27 zu Art. 5 LugÜ ). 3.3 Wird wie vorliegend die Ungültigkeit eines Vertrages zufolge Dissenses geltend gemacht, muss nach dem Gesagten entscheidend sein, über welche der essentiellen Pflichten des - behauptetermassen hinfälligen - Vertrages die Meinungen der Parteien derart divergieren, dass daraus auf das Nichtzustandekommen des Vertrages zu schliessen sein soll. Aus dem Umstand, dass diesfalls ein vertragliches Rückabwicklungsverhältnis entsteht ( BGE 132 III 242 E. 4.1 S. 244 f.; BGE 129 III 320 E. 7.1.1 S. 327 f.; BGE 114 II 152 E. 2c S. 156 f.; je mit Hinweisen), ist entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht zu folgern, jedwede in Erfüllung des sich als ungültig erwiesenen Vertrages bereits erbrachte Leistung begründe einen Gerichtsstand nach Art. 113 IPRG . Dass die Ungültigkeit die Rückerstattung sämtlicher, also auch solcher Erfüllungshandlungen mit sich bringt, über deren Umfang und Modalitäten sich die Parteien einig waren, macht diese nicht zu "prestations litigieuses". Vielmehr wird einzig jene vertraglich vorgesehene Leistung, deretwegen nach klägerischer Darstellung mangels Konsenses die Ungültigkeit des Vertrages anzunehmen ist, zum Streitgegenstand erhoben. Ein Gerichtsstand gemäss Art. 113 IPRG kann sich demnach nur dort befinden, wo diese umstrittene Vertragspflicht zu erfüllen gewesen wäre. 3.4 Eine weiter gehende Ausdehnung des Erfüllungsgerichtsstandes im Sinne der Annahme einer Zuständigkeit am Ort der Erfüllung einer als solcher nicht umstrittenen, beliebigen vertraglichen Hauptleistung nach Wahl des Klägers ist demgegenüber abzulehnen. Sie hätte eine missliche Vervielfältigung der Gerichtsstände zur Folge (SCHLOSSER, EU-Zivilprozessrecht, 3. Aufl., München 2009, N. 9 zu Art. 5 EuGVVO), würde auf die vom Gesetzgeber nicht beabsichtigte und rechtspolitisch problematische Bereitstellung eines allgemeinen Klägergerichtsstandes hinauslaufen (AMSTUTZ/VOGT/WANG, a.a.O., N. 4 zu Art. 113 IPRG , mit Hinweis), wäre der Vorhersehbarkeit abträglich und würde der Beliebigkeit Tür und Tor öffnen, sind doch Verträge vorstellbar, in deren Rahmen mehrere Hauptleistungen an verschiedenen Orten zu erbringen sind, z.B. BGE 135 III 556 S. 561 bestimmte Werklieferungsverträge über Planung, Materialbeschaffung, Werkherstellung an einem geeigneten Ort, wo weder der Unternehmer noch der Besteller seinen Sitz hat, sowie schliesslich Montage beim Besteller. Die in der Lehre vertretene gegenteilige Auffassung, nach welcher es zur Verhinderung einer unübersehbaren Vervielfältigung der Gerichtsstände genügt, die Erfüllungsorte auf jene der Hauptverpflichtungen zu beschränken (GEIMER, Internationales Zivilprozessrecht, 5. Aufl., Köln 2005, S. 470 Rz. 1486 mit Hinweis, der aber auch anderslautende in Deutschland ergangene Urteile anführt; GEIMER/SCHÜTZE, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 2. Aufl., München 2004, N. 110 zu Art. 5 EuGVVO), ist daher zumindest für jene Fälle abzulehnen, in denen die Ungültigkeit des Vertrages daraus abgeleitet wird, dass nach klägerischer Darstellung über eine ganz bestimmte Hauptleistung kein Konsens zustande gekommen ist. Diese Lösung liegt auf der Linie der Lehrmeinungen von DOSS/SCHNYDER, in: Handkommentar zum Schweizer Privatrecht, Amstutz und andere [Hrsg.], 2007, N. 17 zu Art. 113 IPRG sowie OBERHAMMER, a.a.O., N. 29 zu Art. 5 LugÜ , der für Klagen, mit denen kein Anspruch, sondern ein Feststellungs- oder Gestaltungsrecht geltend gemacht wird, wenn sich diese Klagen auf die Verletzung einer bestimmten vertraglichen Pflicht stützen, den Erfüllungsort dieser Pflicht als massgeblich erachtet. Diese Auffassung überzeugt. Sie trägt dem Umstand Rechnung, dass es auf den Erfüllungsort nicht irgendeiner, sondern der umstrittenen Verpflichtung ankommt. Demgemäss ist für die Bestimmung des Erfüllungsortes, auch wenn die Ungültigkeit eines Vertrages geltend gemacht und deren Feststellung verlangt wird oder unmittelbar aus der behaupteten Ungültigkeit Rechte abgeleitet werden, regelmässig entscheidend, aus welchen Gründen die klagende Partei die Rechtsbeständigkeit des Vertrages bestreitet. Beruft sich die Klägerschaft auf Dissens über eine wesentliche Vertragspflicht, bildet diese den Streitgegenstand, so dass der Ort, wo diese zu erfüllen wäre, als zuständigkeitsbegründender Erfüllungsort zu betrachten ist. Ausschlaggebend muss sein, um welche Pflicht es der Sache nach geht (vgl. SCHLOSSER, a.a.O., N. 9 zu Art. 5 EuGVVO).
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217a41f3-f67a-4cae-bba4-fd76b15bcad9
Sachverhalt ab Seite 34 BGE 96 II 34 S. 34 A.- Das der Käsereigenossenschaft Schwendi gehörende Käsereigebäude in Heiligenschwendi kann sowohl von Süden als auch von Norden (bergwärts) her betreten werden. Die nördlichen Eingänge erreicht man über eine westlich des Gebäudes liegende Gartentreppe und einen 1,6 m breiten Weg, der vom oberen Ende der Treppe rechtwinklig und waagrecht gegen Osten abbiegt und auf der Höhe des ersten Stockwerkes der Nordseite des Hauses entlang führt. Gartentreppe und Weg verlaufen der Krone von Stützmauern entlang, die einen westlich des Hauses liegenden Platz abgrenzen. Die Stützmauer längs des Weges ist 2,8 m hoch. Sie trug im Mai 1965 einen an senkrechten T-Eisen und drei Spanndrähten befestigten Zaun aus 82 cm hohem Drahtgeflecht. Der oberste Spanndraht war so locker, dass das Geflecht dort, wo es an die nordwestliche BGE 96 II 34 S. 35 Ecke des Hauses stiess, nur auf etwa 72 cm Höhe reichte. Über diese Stelle des Zaunes fiel Füsilier Walter Nydegger auf den Platz hinunter, als er in der Nacht vom 9./10. Mai 1965 die Gartentreppe und den anschliessenden Weg benützte, um das Käsereigebäude, in dem er und weitere Wehrmänner während eines militärischen Einführungskurses einquartiert waren, von Norden her zu betreten. Nydegger wurde verletzt. Er trat seine Forderung aus der auf den Unfall zurückzuführenden Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit an die Schweizerische Eidgenossenschaft ab. Diese klagte sie samt einer Ersatzforderung für die Leistungen der Militärversicherung gegen die Käsereigenossenschaft Schwendi ein. B.- Der Appellationshof des Kantons Bern hiess am 8. Oktober 1969 die Klage in vollem Umfange gut, nämlich im Betrage von Fr. 15'665.90 nebst 5% Zins seit 10. Mai 1965, Fr. 3, 192.75 nebst 5% Zins seit 9. Juni 1968 und Fr. 19.40 Betreibungskosten. Er bejahte die Haftung der Beklagten gemäss Art. 58 OR , weil der Zaun zu wenig hoch gewesen sei und wegen des zu lockeren obersten Spanndrahtes keinen festen Halt mehr geboten habe. C.- Die Beklagte hat die Berufung erklärt. Sie beantragt, das Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die Klägerin beantragt, die Berufung abzuweisen. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Die Beklagte bestreitet nicht ernsthaft, dass der Zaun längs des nördlichen Zuganges ihres Käsereigebäudes zum mindesten in Verbindung mit dem Weg, der Stützmauer und dem tiefer liegenden Platz ein Werk im Sinne des Art. 58 OR war. Als solches ist er in der Tat zu würdigen. Er wurde wegen des Höhenunterschiedes zwischen dem Weg und dem Platz erstellt und war mit der Stützmauer durch die Verankerung der T-Eisen fest verbunden. Er sollte die Benützer des Weges gegen die Gefahr des Abstürzens schützen. 2. Die Beklagte macht geltend, ein Zaun aus Drahtgeflecht von etwa 82 cm Höhe erfülle den ihm zukommenden Zweck. Diese Auffassung ist nicht ohne weiteres unrichtig. Rund 82 cm entsprechen der Höhe einer normalen Fensterbrüstung und übersteigen die übliche Höhe eines Tisches oder ähnlichen Möbelstückes. Wer mit gewöhnlicher Aufmerksamkeit und im vollen Besitz seiner Sinne einem solchen Zaun entlang geht, BGE 96 II 34 S. 36 sollte selbst dann, wenn er stolpert, nicht über den Zaun hinweg fallen. Dass 82 cm die halbe Höhe eines Erwachsenen von durchschnittlicher Grösse nicht erreichen, ändert nichts. Zu dieser Frage braucht aber nicht abschliessend Stellung genommen zu werden. Voraussetzung wäre jedenfalls, dass ein Drahtgeflecht von solcher Höhe einer stürzenden oder darnach greifenden Person einen festen Halt biete. Diese Voraussetzung war im vorliegenden Falle nicht erfüllt. Der oberste Spanndraht des Zaunes war so locker, dass der Rand des Zaunes etwa 10 cm tiefer lag als er sich bei voller Anspannung des Drahtes befunden hätte. Der gleiche Umstand hatte zur Folge, dass der Zaun nicht fest war, also nicht genügend Halt bot. Ein nur etwa 72 cm hoher Zaun, der zudem nachgab, wenn sich jemand daran halten wollte oder dagegen stürzte, bot angesichts der örtlichen Verhältnisse nicht genügend Schutz. Er war im Sinne des Art. 58 OR fehlerhaft angelegt oder mangelhaft unterhalten. Zu berücksichtigen ist unter anderem auch, dass der Weg längs des Zaunes nicht beleuchtet war. Der Benützer des Weges konnte bei Nacht den Mangel nicht sehen. Wenn er z.B. nach dem Zaun greifen wollte, um den Weg zu finden, konnte die lockere Stelle ihm zum Verhängnis werden. Besonders gefährdet war auch, wer in der Dunkelheit verkannte, wo der Zaun aufhöre und das Haus beginne. Unmittelbar neben der nordwestlichen Hausecke befindet sich eine Türe. Wer z.B. dort eintreten wollte, aber zu früh nach rechts abbog, konnte über den losen Zaun stürzen. Aus welchen Gründen Nydegger mit ihm in Berührung kam, ist für die Frage der Mangelhaftigkeit dieses Werkes unerheblich. Ob es die Benützer des Weges genügend schützte, beurteilt sich nach objektiven Gesichtspunkten, unter Berücksichtigung dessen, was sich nach der Lebenserfahrung an einem Orte wie dem vorliegenden zutragen kann. Es kommt auch nichts darauf an, dass sich angeblich an der betreffenden Stelle bis zum Absturz Nydeggers noch keine Unfälle ereignet hatten. Wie lange schon der oberste Spanndraht locker gewesen war, steht übrigens nicht fest. Der Beklagten ist auch nicht darin beizupflichten, dass dieser Mangel von untergeordneter Bedeutung gewesen sei, so dass sich jeder aufmerksame Benützer des Weges selber hätte dagegen schützen können ( BGE 66 II 111 , BGE 81 II 452 , BGE 91 II 209 ). Er konnte in der Dunkelheit verkannt werden, und niemand BGE 96 II 34 S. 37 brauchte mit ihm zu rechnen. Seine Behebung hätte wenig Mühe und Kosten erfordert. Er lässt sich nicht z.B. mit Fehlern vergleichen, die einer altmodischen Bauart oder Einrichtung eines Gebäudes zuzuschreiben sind und ohne unverhältnismässig grossen Aufwand nicht beseitigt werden können. Dass der in Frage stehende Zugang zum Hause der Beklagten nicht von jedermann benützt wird, ändert nichts. Dieser Umstand mag das Fehlen einer Beleuchtung verständlich machen, nicht aber den schlechten Zustand des Zaunes, der die Benützer vor einem Absturz, besonders in der Dunkelheit, zu schützen hatte. Es kommt auch nichts darauf an, dass der Verunfallte einer Truppe angehörte, die angeblich gegen den Willen der Beklagten oder der Hausbewohner im Käsereigebäude einquartiert worden sein soll. Nicht erst die Anwesenheit von Wehrmännern, sondern schon der Umstand, dass der Zaun am Zugang zu einem auch sonst benützten Gebäude stand, erforderte die Behebung des Mangels. Daher hilft auch der Einwand nicht, die Einquartierung habe nur vorläufigen Charakter gehabt. Der Vergleich mit einem im Umbau oder Ausbau stehenden Haus hinkt. Bei einem solchen ist der Zustand des Werkes ein bloss vorübergehender, und er lässt sich nicht vermeiden. Im vorliegenden Falle bestand kein Anlass, den Zaun vorübergehend, nämlich während der Einquartierung von Wehrmännern, in schlechtem Zustand zu lassen. Der mit der Einquartierung verbundene erhöhte Verkehr um das Haus war gegenteils ein zusätzlicher Grund, den Zaun instand zu stellen. Dass Wehrmänner im allgemeinen vorsichtiger seien oder sein sollten als Zivilpersonen, trifft nicht zu. 3. Die Frage nach dem natürlichen Zusammenhang zwischen der geringen Höhe und der ungenügenden Festigkeit des Zaunes einerseits und dem Absturz Nydeggers anderseits betrifft tatsächliche Verhältnisse. Das Bundesgericht hat daher nicht zu prüfen, ob die Vorinstanz sie zu Recht bejaht hat (Art. 43 Abs. 3, 55 Abs. 1 lit. c, 63 Abs. 2 OG). Die Beklagte wirft dem kantonalen Gericht weder ein offensichtliches Versehen noch eine Verletzung bundesrechtlicher Beweisvorschriften vor. Sie macht nur geltend, es sei weder nachgewiesen noch festgestellt, dass Nydegger wegen des zu niedrigen und gelockerten Drahtgeflechtes gestürzt sei. Die von der Beklagten vermisste Feststellung besteht jedoch darin, dass die Vorinstanz im Urteil einerseits erwähnt, die Beklagte bestreite den Kausalzusammenhang, BGE 96 II 34 S. 38 und anderseits ausführt, er brauche nicht näher dargelegt zu werden. 4. Die Beklagte bringt ferner vor, der Kausalzusammenhang sei nicht adäquat, da nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und den Erfahrungen des Lebens der fragliche Zaun mit dem festgestellten Zustand nicht geeignet gewesen sei, den Unfall herbeizuführen. Dem ist nicht beizupflichten. Der Zaun wurde angebracht, um vor Abstürzen zu sichern. Es war vorauszusehen, dass er diesen Zweck nicht in allen im Bereiche gewöhnlichen Geschehens liegenden Fällen erfüllen könne, wenn das Drahtgeflecht wegen des zu lockeren Spanndrahtes nur etwa 72 cm hoch reiche und beweglich sei. 5. Im Bestreben, Nydegger ein Selbstverschulden vorzuwerfen, hält die Beklagte an der Behauptung fest, er sei alkoholisiert gewesen, was nach allgemeiner Lebenserfahrung zu einer unvernünftigen Benützung des Weges geführt habe. Die Vorinstanz stellt jedoch fest, die von Nydegger als genossen angegebenen geringen Mengen alkoholischer Getränke - "um 21.00 Uhr ein Kübeli Bier, später ein Kaffee Schnaps und eine Flasche Bier" - gestatteten offensichtlich die Annahme einer Alkoholisierung nicht, und die Zeugenaussagen und Akten würdigt sie dahin, der Beweis sei missglückt. An diesen Schluss ist das Bundesgericht gebunden. Es darf nicht - auch nicht unter Berufung auf allgemeine Lebenserfahrung - prüfen, ob Nydegger von den eingenommenen Getränken in den Zustand der Angetrunkenheit geraten war. Selbst wenn solche bewiesen wäre, stände übrigens nicht fest, dass sie Ursache des Sturzes war. Wie die Beklagte selber ausführt, konnte die eigentliche Ursache desselben nicht abgeklärt werden. Ob Nydegger nicht abgestürzt wäre, wenn er weniger oder gar keinen Alkohol genossen hätte, ist eine Tatfrage, die das Bundesgericht nicht überprüfen darf. 6. Die weiteren Vorwürfe, welche die Beklagte dem Verunfallten macht, um ein Selbstverschulden darzutun, halten nicht stand. Nydegger war nicht verpflichtet, den nördlichen Zugang zu seinem Quartier zu meiden, weil er unbeleuchtet war und er das Haus an beleuchteter Stelle von Süden her hätte betreten können. Nach der Feststellung der Vorinstanz benützte er jenen Zugang mit Rücksicht auf die übrigen Hausbewohner. Es gereicht ihm auch nicht zum Vorwurf, dass er keine Taschenlampe BGE 96 II 34 S. 39 verwendete. Dass er den Mangel des Zaunes kannte, ist nicht festgestellt, und die Auffassung, er hätte ihn kennen sollen, geht zu weit. Es steht auch nicht fest, dass er sich an den Zaun gelehnt oder sich über diesen hinausgelehnt habe.
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Sachverhalt ab Seite 265 BGE 103 IV 265 S. 265 A.- Der an der Freiestrasse in Bern gelegenen Pauluskirche ist ein Vorplatz vorgelagert, der ohne sichtbare Abgrenzung mit dem längs der Freiestrasse verlaufenden Trottoir äusserlich eine Einheit bildet. Die Distanz von der Umfriedungsmauer der Kirche bis zum Trottoirrand beträgt ca. 10 Meter. Am Fahrbahnrand vor der Kirche sind zwei Parkverbotstafeln (Signal Nr. 231) aufgestellt. W. benützte im Frühjahr 1977 den Platz vor der Umfriedungsmauer mehrmals zum Abstellen seines Personenwagens. B.- Der Gerichtspräsident VII von Bern verurteilte W. wegen Missachtung des Parkverbots auf dem Trottoir in Anwendung von Art. 27 Abs. 1 und 90 Abs. 1 SVG zu einer Busse von Fr. 200.--. Auf Appellation des Gebüssten sprach ihn das Obergericht des Kantons Bern am 6. September 1977 von der Anschuldigung frei. C.- Der Generalprokurator-Stellvertreter des Kantons Bern führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache zur Bestrafung des Angeschuldigten an die Vorinstanz zurückzuweisen. Er macht geltend, der Vorplatz der Kirche sei Bestandteil des BGE 103 IV 265 S. 266 Trottoirs und unterliege infolgedessen ebenfalls dem Parkierungsverbot. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Wie das Obergericht verbindlich feststellt und unbestritten ist, steht der Vorplatz der Kirche einem unbestimmten Personenkreis offen und ist somit eine öffentliche Verkehrsfläche im Sinne des Art. 1 Abs. 2 VRV . Die Regeln des SVG und der dazu gehörenden Verordnungen finden daher Anwendung. 2. Durch die am Strassenrand aufgestellten Signale "Parkieren verboten" (Nr. 231) wird nicht nur das Abstellen von Fahrzeugen auf der gleichseitigen Fahrbahn der Freiestrasse untersagt, sondern das Verbot gilt gemäss Art. 27 Abs. 2 SSV auch auf dem angrenzenden Trottoir. Was unter Trottoir zu verstehen ist, wird in der Strassenverkehrsgesetzgebung nicht in allgemein gültiger Form umschrieben. Bei der Bestimmung dieses Begriffs sind demnach auch die örtlichen Verhältnisse zu berücksichtigen. Das Obergericht sieht im Umstand, dass Vorplatz und Trottoir nach Bauart und Belag als einheitlich gestaltete Fläche erscheinen und beide dem öffentlichen Fussgängerverkehr offen stehen, keinen Grund, der es rechtfertigt, die ganze Fläche auch rechtlich als Einheit, d.h. als Trottoir zu betrachten. Dieser Ansicht ist zuzustimmen; im gleichen Sinne hatte sich der Kassationshof bereits im nicht veröffentlichten Entscheid vom 22. Januar 1965 i.S. Solothurn gegen Amrein geäussert. Auch kann, wie die Vorinstanz ebenfalls zutreffend annimmt, nicht ausschlaggebend sein, dass keine erkennbaren Anzeichen für eine Trennung zwischen Vorplatz und Trottoir bestehen. Entscheidende Bedeutung kommt dagegen der Grösse und Ausdehnung des Vorplatzes zu. Bietet dessen Ausmass Gewähr dafür, dass zwischen den darauf parkierten Fahrzeugen und dem Strassenrand ein für die Fussgänger genügend breiter Raum als Gehweg offen bleibt, so entspricht es einer natürlichen Betrachtungsweise, Vorplatz und Trottoir auseinanderzuhalten und sie als getrennte Verkehrsflächen zu behandeln, was zur Folge hat, dass in einem solchen Falle das für das Trottoir gültige Parkierungsverbot ohne besonderen Hinweis für den dahinter liegenden Vorplatz nicht gelten BGE 103 IV 265 S. 267 kann. Der gleiche Schluss folgt auch aus dem Wortlaut und Sinn des Art. 27 Abs. 2 SSV . Die Ausdehnung des Geltungsbereiches des Parkverbotes auf das "angrenzende" Trottoir kann nicht den Zweck verfolgen, jeden an das Trottoir anschliessenden Vorplatz, wie gross er auch sein möge, mitzuerfassen, sondern sie dient lediglich dazu, den den Fussgängern nach den örtlichen Verhältnissen üblicherweise vorbehaltenen Gehweg zu sichern und sie vor der Behinderung durch parkierende Fahrzeuge zu schützen. 3. Im vorliegenden Fall steht fest, dass durch das Parkieren des Wagens des Angeschuldigten auf dem Vorplatz keine Fussgänger behindert wurden, indem ihnen neben der Fahrbahn der Freiestrasse ein rund 5 m breiter Gehweg und damit ein freier Raum von einer Breite zur Verfügung blieb, die das im betreffenden Wohnquartier übliche Mass sogar erheblich überschritt. Der Angeschuldigte hat daher das Parkierungsverbot, das sich nur auf das der Fahrbahn angrenzende Trottoir, nicht aber auch auf den dahinter gelegenen Vorplatz bezog, nicht missachtet und ist zu Recht freigesprochen worden.
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Sachverhalt ab Seite 140 BGE 138 V 140 S. 140 A. Der 1970 geborene M. war als Geschäftsführer der Firma T. tätig und in dieser Funktion bei der Basler Versicherungs-Gesellschaft (nachfolgend: Basler) gegen Unfälle versichert. Am 8. August 2007 wurde er von der Kantonspolizei Zürich verhaftet, mit den Händen auf dem Rücken in Handschellen gelegt und in einem Kastenwagen in die Untersuchungshaft gefahren. Während des Transportes verlor er bei einer Unebenheit den Halt und erlitt dabei einen Schlag auf das rechte Handgelenk. Dr. med. W. diagnostizierte im Zeugnis vom 24. Oktober 2007 eine posttraumatische Handgelenkssymptomatik mit Verdacht auf beginnende Sudeck-Dystrophie und attestierte dem Versicherten ab dem 9. August 2007 eine vollständige und ab 15. Oktober 2007 eine 80-prozentige Arbeitsunfähigkeit. Die Basler anerkannte ihre grundsätzliche Leistungspflicht. Mit BGE 138 V 140 S. 141 Verfügung vom 5. März 2008 stellte sie die Taggeldzahlungen für die Dauer der Untersuchungshaft vom 8. August bis 24. September 2007 ein. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 8. Oktober 2008 fest. B. Die hiegegen eingereichte Beschwerde hiess das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich - soweit es darauf eintrat - unter Aufhebung des Einspracheentscheids vom 8. Oktober 2008 mit der Feststellung gut, dass dem Versicherten auch während der Dauer der Untersuchungshaft ein Anspruch auf Taggeldleistungen der Unfallversicherung zustehe, soweit die übrigen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt seien (Entscheid vom 14. März 2011). C. Die Basler führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und beantragt Aufhebung des kantonalen Gerichtsentscheids. M. beantragt Abweisung der Beschwerde; zudem ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) schliesst auf Gutheissung der Beschwerde. Das ebenfalls zur Stellungnahme eingeladene Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) hat sich mit Eingabe vom 1. November 2011 vernehmen lassen. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. 2.1 Befindet sich die versicherte Person im Straf- oder Massnahmenvollzug, so kann während dieser Zeit die Auszahlung von Geldleistungen mit Erwerbsersatzcharakter ganz oder teilweise eingestellt werden; ausgenommen sind die Geldleistungen für Angehörige im Sinne von Art. 21 Abs. 3 ATSG ( Art. 21 Abs. 5 ATSG [SR 830.1]). Diese Bestimmung hat aufgrund des Verweises in Art. 1 UVG (SR 832.20) im Rahmen der obligatorischen Unfallversicherung Geltung. 2.2 Ratio legis von Art. 21 Abs. 5 ATSG ist die Gleichbehandlung der invaliden mit der validen inhaftierten Person, welche durch einen Freiheitsentzug ihr Einkommen verliert. Entscheidend ist, dass eine verurteilte Person wegen der Verbüssung einer Strafe an einer Erwerbstätigkeit verhindert ist. Bietet die Vollzugsart der verurteilten versicherten Person die Möglichkeit, eine Erwerbstätigkeit auszuüben und somit selber für die Lebensbedürfnisse aufzukommen, BGE 138 V 140 S. 142 verbietet sich eine Sistierung. Massgebend ist, ob eine nicht invalide Person in der gleichen Situation durch den Freiheitsentzug einen Erwerbsausfall erleiden würde ( BGE 133 V 1 E. 4.2.4.1 S. 6; ERWIN MURER, Die Einstellung der Auszahlung von Invalidenrenten der Sozialversicherung während des Straf- und Massnahmenvollzugs, in: Festschrift für Franz Riklin, 2007, S. 159). 2.3 Weil bei Untersuchungshaft eines Arbeitnehmers oder einer Arbeitnehmerin grundsätzlich kein Anspruch auf Lohnfortzahlung nach Art. 324a OR besteht, da es sich in der Regel um eine selbstverschuldete Arbeitsverhinderung handelt, ist der Rentenanspruch - entgegen dem Wortlaut von Art. 21 Abs. 5 ATSG - auch bei dieser Art des Freiheitsentzugs zu sistieren ( BGE 133 V 1 ). 3. 3.1 Taggeldleistungen decken in den einzelnen Zweigen der schweizerischen Sozialversicherung unterschiedliche Risiken ab. Während in der Invalidenversicherung eine (medizinische oder berufliche) Eingliederung vorausgesetzt wird ( Art. 22 Abs. 1 IVG ), werden in der Unfall- ( Art. 16 Abs. 1 UVG ) und der Militärversicherung (Art. 28 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 19. Juni 1992 über die Militärversicherung [MVG; SR 833.1]) Taggeldleistungen im Anschluss an eine Arbeitsunfähigkeit ausgerichtet (UELI KIESER, ATSG-Kommentar, 2. Aufl. 2009, N. 7 zu Art. 15 ATSG ). Dabei handelt es sich jeweils um eine Entschädigung, welche den erlittenen Verdienstausfall ausgleichen soll. 3.2 Die Sistierung des Taggeldanspruchs einer inhaftierten verunfallten Person entspricht somit dem Wortlaut von Art. 21 Abs. 5 ATSG , welcher nicht nach Art der Leistungen differenziert, sondern generell die Auszahlung von "Geldleistungen mit Erwerbsersatzcharakter" (vgl. auch die französische [..."paiement des prestations pour perte de gain"...] und die italienische Fassung [..."versamento di prestazioni pecuniarie con carattere di indennità per perdita di guadagno"...]) zum Gegenstand hat. Auch in der Literatur wird die Auffassung vertreten, dass Taggelder zu den von der Gesetzesbestimmung erfassten Leistungen gehören (KIESER, a.a.O., N. 104 zu Art. 21 ATSG ; HANSJÖRG SEILER, Vom Umgang mit Leistungskürzungen - ein Blick auf Art. 21 ATSG , in: Sozialversicherungsrechtstagung 2010, 2011, S. 144; FRÉSARD/MOSER-SZELESS, L'assurance-accidents obligatoire, in: Soziale Sicherheit, SBVR Bd. XIV, 2. Aufl. 2007, S. 941 Rz. 344). BGE 138 V 140 S. 143 3.3 Die ratio legis von Art. 21 Abs. 5 ATSG , wonach gesundheitlich beeinträchtigte Personen in Untersuchungshaft - auch im Vergleich mit gesunden Inhaftierten - aus dem Freiheitsentzug nicht einen wirtschaftlichen Vorteil ziehen sollen, gilt demnach gleichermassen für Invalidenrenten wie für Taggeldleistungen der Unfallversicherung. 3.4 Einer Sistierung der Taggelder steht somit grundsätzlich nichts entgegen, zumal der Beschwerdegegner die vorinstanzliche Feststellung nicht bestreitet, dass er durch die Haft an der Ausübung einer Erwerbstätigkeit gehindert worden ist. 4. 4.1 Gemäss BGE 133 V 1 kann die Sistierung von Rentenleistungen der Invalidenversicherung - entsprechend bisheriger Praxis ( BGE 116 V 326 mit Hinweisen) - aus Praktikabilitätsgründen lediglich für eine Untersuchungshaft gelten, welche eine gewisse Zeit angedauert hat ("d'une certaine durée"). Diese "gewisse Dauer" der Untersuchungshaft, während der die Rente noch auszurichten ist, kann - in Anlehnung an die gemäss Art. 88a Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 1 IVV (SR 831.201) rentenrevisionsrechtlich massgebende Zeitspanne der anspruchsbeeinflussenden Änderung der Verhältnisse - bis zu drei Monate betragen ( BGE 133 V 1 E. 4.2.4.2 S. 8). 4.2 Die Verfahrensbeteiligten sind sich uneins darüber, ob die Rechtsprechung, wonach Rentenleistungen lediglich dann zu sistieren sind, wenn die Untersuchungshaft eine gewisse Zeit angedauert hat, auch bei Taggeldleistungen der Unfallversicherung zur Anwendung kommt. Während kantonales Gericht und Beschwerdegegner dies bejahen, gehen Beschwerdeführerin und BAG davon aus, eine Abweichung vom Normgehalt von Art. 21 Abs. 5 ATSG aus Praktikabilitäts- oder Analogiegründen sei beim Taggeldanspruch nicht gerechtfertigt, da es sich dabei - im Unterschied zur Rente - um eine Leistung von kurzfristiger Natur handle. 5. 5.1 Aus dem Wortlaut von Art. 21 Abs. 5 ATSG (..."während dieser Zeit"...; vgl. auch die italienische Fassung: ..."durante questo periodo"...; [im französischsprachigen Text fehlt ein entsprechender Hinweis]) ergibt sich als entscheidendes Kriterium für Beginn und Ende der Suspendierung der tatsächliche Freiheitsentzug bzw. dessen Aufhebung. BGE 138 V 140 S. 144 5.2 Darauf lassen auch Sinn und Zweck des Instituts der Suspendierung von Versicherungsleistungen mit Erwerbsersatzcharakter inhaftierter Personen schliessen. 5.3 Es ist daher zu prüfen, ob Praktikabilitäts- oder Analogiegründe auch bei den Taggeldleistungen ein Abweichen von der wortgetreuen Auslegung und dem Rechtssinn von Art. 21 Abs. 5 ATSG rechtfertigen. 5.3.1 Im schweizerischen Sozialversicherungssystem werden Taggeldleistungen - im Gegensatz zu den Invalidenrenten, welche auf unbestimmte Zeit zugesprochene Dauerleistungen darstellen - als vorübergehende, nach Tagen bemessene Leistungen erbracht (KIESER, a.a.O., N. 7 zu Art. 15 ATSG ). Taggelder der Unfallversicherung sind klassische vorübergehende Leistungen, selbst wenn sie gegebenenfalls mehrere Jahre andauern können (vgl. Art. 15 Abs. 3 lit. a UVG und Art. 24 Abs. 2 UVV [SR 832.202]; BGE 133 V 57 E. 6.6.1 f. S. 63 f.). 5.3.2 Im Gegensatz zu den Renten unterliegen Taggeldleistungen bei anspruchsbeeinflussenden Änderungen des Sachverhalts daher auch nicht den revisionsrechtlichen Voraussetzungen von Art. 17 Abs. 2 ATSG ( BGE 133 V 57 E. 6.7 S. 65). Sie können vielmehr jederzeit und ohne Bindung an eine zeitliche Dauer der Änderung an neue Verhältnisse angepasst werden. Der in der Verordnung über die Invalidenversicherung unter dem Titel "Die Revision der Renten und der Hilflosenentschädigung" stehende Art. 88a Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 1 IVV gilt nicht für Taggeldleistungen. 5.3.3 Taggeldleistungen der Unfallversicherung werden, im Gegensatz zu den Renten (vgl. BGE 133 V 1 E. 4.2.1 S. 6), in der Regel in einem formlosen Verfahren zugesprochen ( Art. 124 UVV e contrario in Verbindung mit Art. 51 Abs. 1 ATSG ; vgl. SVR 2009 UV Nr. 21 S. 78, 8C_99/2008 E. 3.2). 5.3.4 Dass bei Rentenleistungen aus Gründen der Praktikabilität die Untersuchungshaft eine gewisse Dauer aufweisen muss, bevor diese sistiert werden, und diese Dauer in Anlehnung an die revisionsrechtliche Zeitspanne gemäss Art. 88a Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 1 IVV von der Rechtsprechung auf mindestens drei Monate festgesetzt wurde, ist mit Blick auf die Renten als Dauerleistungsanspruch mit eingeschränkter Revisionsmöglichkeit nachvollziehbar und rechtlich begründet. Da sich Taggeldleistungen jedoch in mehrfacher Hinsicht von den Invalidenrenten unterscheiden, kann BGE 138 V 140 S. 145 die Rechtsprechung gemäss BGE 133 V 1 E. 4.2.4.2 S. 8 nicht einfach auf diese Leistungsart übertragen werden. Insbesondere lässt sich kein Analogieschluss zu Art. 88a Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 1 IVV ziehen. Aber auch die beim Rentenanspruch gegen eine sofortige Sistierung angeführten Praktikabilitätsgründe sind beim Taggeldanspruch nicht gegeben. Taggeldleistungen der Unfallversicherung werden nach Tagen voller oder teilweiser Arbeitsunfähigkeit ausgerichtet. Laut BAG entstehen keine praktischen Probleme, wenn diese Leistungen bei einer Inhaftierung von kurzer Dauer vorübergehend einzustellen sind. Weil die Auszahlung von Taggeldleistungen der Invalidenversicherung aufgrund einer Bescheinigung nur für Tage berücksichtigt wird, an denen eine Eingliederungsmassnahme stattgefunden hat (vgl. Art. 80 ff. IVV ), stellen sich nach Auffassung des BSV auch für den Bereich der Invalidenversicherung bei einer Einstellung der Taggeldleistungen von kurzer Dauer für die versicherte Person und die Verwaltung keine Praktikabilitätsprobleme. 5.3.5 Soweit in der Literatur auf BGE 133 V 1 E. 4.2.4.2 S. 8 Bezug genommen wird, äussern sich die Autoren nicht ausdrücklich zu den Taggeldleistungen. KIESER (a.a.O., N. 103 zu Art. 21 ATSG ) und SEILER (a.a.O., S. 145), auf welche das Sozialversicherungsgericht in den Erwägungen des angefochtenen Entscheids verweist, halten lediglich fest, dass eine Untersuchungshaft von gewisser Dauer (d.h. von mehr als drei Monaten) Anlass für eine Sistierung der Leistungen bildet. Auch MURER (a.a.O.) behandelt die Frage der Sistierung von Taggeldleistungen nicht näher. FRÉSARD/MOSER (a.a.O., S. 942 RZ. 345) verweisen auf die Empfehlung der Ad-Hoc-Kommission Schaden UVG Nr. 1/2004, wonach der Unfallversicherer bei einem kurzen Freiheitsentzug auf eine Einstellung verzichten kann. 5.3.6 Gemäss der Empfehlung Nr. 1/2004 der Ad-Hoc-Kommission Schaden UVG (in der Fassung nach der Revision vom 12. März 2007) wird die Auszahlung von Taggeldern während der effektiven Dauer der Inhaftierung eingestellt, auch wenn sich diese im Nachhinein als zu Unrecht angeordnet erweist (Ziff. 4.1). Weiter sieht die Empfehlung vor, dass aus Praktikabilitätsgründen auf die Einstellung der Leistungen verzichtet wird, wenn die Dauer der Freiheitsstrafe oder Massnahme weniger als drei Monate (90 Tage) beträgt (Ziff. 4.3). Im Rahmen der Revision vom 15. Juni 2011 wurde die Empfehlung dahingehend geändert, dass aus BGE 138 V 140 S. 146 verwaltungsökonomischen und sozialen Gründen bei Inhaftierungen bis drei Monate auf das Einstellen der Leistungen verzichtet wird; die Auszahlung von Taggeldern wird bei Inhaftierungen von mehr als drei Monaten während der effektiven Dauer der Inhaftierung eingestellt (Ziff. 4.1; http://www.koordination.ch/index.php?id=129 ). Empfehlungen der Ad-Hoc-Kommission Schaden UVG stellen keine Weisungen an die Durchführungsorgane der obligatorischen Unfallversicherung dar und sind insbesondere für die Gerichte nicht verbindlich. Sie sind jedoch geeignet, eine rechtsgleiche Praxis sicherzustellen (vgl. Urteile 8C_503/2011 vom 8. November 2011 E. 3.2 und 8C_758/2010 vom 24. März 2011 E. 4.2.2 mit Hinweis auf BGE 120 V 224 E. 4c S. 231). Sinn der Sistierung der Taggeldleistungen inhaftierter Personen, die wegen einer unfallversicherten Gesundheitsschädigung an der Ausübung einer Erwerbstätigkeit gehindert sind, ist es, diese nicht ungerechtfertigt gegenüber voll arbeitsfähigen Inhaftierten zu privilegieren. Es ist daher nicht einzusehen, weshalb Bezüger von Geldleistungen mit Erwerbsersatzcharakter in einigen Sozialversicherungen besserzustellen wären als in anderen. Art. 21 Abs. 5 ATSG ist zwar als "Kann-Vorschrift" formuliert, was erlaubt, besonderen Umständen Rechnung zu tragen. Diese können darin bestehen, dass die versicherte Person trotz Freiheitsentzug einer Erwerbstätigkeit nachgehen kann (KIESER, a.a.O., N. 101 zu Art. 21 ATSG ). Trotzdem steht die Einstellung der Leistungen nicht im freien Ermessen des Versicherers. Vielmehr sind die Taggeldleistungen aus Gründen der Rechtsgleichheit jeweils einzustellen, wenn der im Gesetz genannte Tatbestand gegeben ist (vgl. auch JÜRG MAESCHI, Kommentar zum Bundesgesetz über die Militärversicherung, 2000, N. 7 zu Art. 13 MVG ). 5.4 Zusammenfassend ist mit Bezug auf die Taggeldleistungen kein triftiger Grund für ein Abweichen von der wortlautgetreuen und dem Rechtssinn entsprechenden Auslegung von Art. 21 Abs. 5 ATSG auszumachen. Ist die Rechtsprechung gemäss BGE 133 V 1 E. 4.2.4.2 S. 8 zu den Rentenleistungen der Invalidenversicherung bei den Taggeldleistungen der Unfallversicherung somit nicht anwendbar, so ist der Leistungsanspruch des Beschwerdegegners für die gesamte Dauer der Untersuchungshaft vom 8. August bis 24. September 2007 zu sistieren. Die Beschwerde des Unfallversicherers ist demnach gutzuheissen, und der kantonale Entscheid ist aufzuheben.
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Sachverhalt ab Seite 44 BGE 142 V 43 S. 44 A. B. war bei der A. AG angestellt, als er vom 7. bis 31. März und vom 1. bis 30. April 2011 Zivildienst leistete. Die Erwerbsausfallentschädigung von Fr. 2'879.65 und Fr. 3'455.60 wurde der Arbeitgeberin ausbezahlt. Mit zwei Verfügungen vom 21. Juni 2011 forderte die Ausgleichskasse des Kantons Zürich (fortan: Ausgleichskasse) von der A. AG die ausbezahlte Entschädigung zurück, da sie zu Unrecht erbracht worden sei. Auf Einsprache der A. AG hin reduzierte die Ausgleichskasse die Rückforderungsbeträge mit Entscheid vom 22. Januar 2014 auf Fr. 2'283.30 und Fr. 2'740.-. B. In Gutheissung der hiergegen erhobenen Beschwerde hob das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich den angefochtenen Einspracheentscheid ersatzlos auf (Urteil vom 2. Juni 2015). C. Die Ausgleichskasse führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, in Aufhebung des angefochtenen Entscheids sei der Einspracheentscheid vom 22. Januar 2014 zu bestätigen. Während die A. AG auf Abweisung der Beschwerde schliesst, trägt das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) auf Gutheissung der Beschwerde an. In einer weiteren Eingabe hält das Unternehmen an den gestellten Begehren fest. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Unter den Parteien ist unbestritten, dass die Beschwerdeführerin der Beschwerdegegnerin zu hohe Erwerbsausfallentschädigung - auf der Basis eines Monatslohnes des B. von Fr. 4'000.- (statt von effektiv Fr. 666.65) - ausgerichtet hat. Streitig ist hingegen, ob die Beschwerdegegnerin für den zu viel ausbezahlten Betrag rückerstattungspflichtig ist. 2.1 Die Vorinstanz erwog, aus den gesetzlichen Bestimmungen ergebe sich, dass der Arbeitgeber keinen eigenen Anspruch auf die Erwerbsausfallentschädigung seiner Arbeitnehmer habe, sondern lediglich einen Anspruch auf Verrechnung mit effektiv ausbezahltem Lohn. Er fungiere dabei als reine Zahlstelle und erwerbe keine eigenen Rechte oder Pflichten aus dem Leistungsverhältnis. Er sei gegenüber dem Arbeitnehmer denn auch nicht Schuldner der Entschädigung, sondern die zuständige Ausgleichskasse. Folglich könne der Arbeitgeber als blosse Zahlstelle nicht zur Rückerstattung zu viel ausbezahlter Erwerbsausfallentschädigung verpflichtet werden und BGE 142 V 43 S. 45 die Ausgleichskasse werde die Rückforderung gegenüber B. zu verfügen haben. 2.2 Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Rückerstattungspflicht zu Unrecht ausgerichteter Leistungen richte sich nach Art. 25 ATSG (SR 830.1), wobei dessen Abs. 1 auf den Empfang der Leistung abstelle. Dieser sei massgeblich für die Frage, wer rückerstattungspflichtig sei. Art. 19 Abs. 2 ATSG bestimme, dass Taggelder und ähnliche Entschädigungen, wozu auch die Erwerbsausfallentschädigung gehöre, dem Arbeitgeber zukämen und zwar in dem Ausmass, als der Arbeitgeber der versicherten Person trotz der Taggeldberechtigung Lohn bezahle. Soweit eine (zu hohe) Leistung gestützt auf Art. 19 Abs. 2 ATSG dem Arbeitgeber ausbezahlt worden sei, werde dieser rückerstattungspflichtig. Dies sehe auch Rz. 7009 der Wegleitung zur Erwerbsersatzordnung für Dienstleistende und Mutterschaft (WEO) vor. 2.3 Die Beschwerdegegnerin verweist auf den vorinstanzlichen Entscheid und fügt bei, gemäss Arbeitsvertrag vom 29. November 2010 habe sie B. einen monatlichen Lohn von Fr. 666.65 bezahlt. Wenn überhaupt, dann könnte von ihr höchstens dieser Betrag zurückgefordert werden, denn nur in diesem Ausmass sei sie Leistungsbezügerin. 2.4 Das BSV pflichtet der Beschwerdeführerin bei und ergänzt, Art. 2 Abs. 1 lit. c ATSV (SR 830.11) erkläre den Arbeitgeber, dem eine sozialversicherungsrechtliche Leistung ausbezahlt wurde, als rückerstattungspflichtig. Dies gelte nur dann nicht, wenn der Arbeitgeber als reine Zahlstelle fungiere. Im Verfahren gemäss Art. 19 Abs. 2 EOG (SR 834.1) erfülle der Arbeitgeber weit mehr als die Funktion einer Zahlstelle, stünden ihm im EO-Abrechnungsverfahren doch eigene Rechte und Pflichten (u.a. Auskunftspflicht gegenüber der Verwaltung über die Höhe und Modalitäten der Lohnzahlung, Kontrollpflichten betreffend die Abrechnung der Versicherungsleistung, Koordination mit der Lohnzahlung, Einspracherecht gegen die Verfügung) zu. Folglich könne und müsse der Arbeitgeber zur Rückerstattung verpflichtet werden. 3. 3.1 Der Vorinstanz kann insoweit gefolgt werden, als der Anspruch auf Erwerbsausfallentschädigung grundsätzlich dem Zivildienstleistenden zusteht ( Art. 1a Abs. 2 EOG ), welcher seinen Anspruch bei der BGE 142 V 43 S. 46 zuständigen Ausgleichskasse geltend machen kann ( Art. 17 Abs. 1 EOG ). In dem hier zu beurteilenden Fall, in welchem die Beschwerdegegnerin der versicherten Person während der Dienstleistung (den vollen) Lohn ausrichtete, verhält es sich jedoch anders. Wie die Beschwerdeführerin richtig bemerkt, kommen nach Art. 19 Abs. 2 ATSG Taggelder und ähnliche Entschädigungen - wobei zu den "ähnlichen Entschädigungen" insbesondere die Entschädigung für Dienstleistende gehört (UELI KIESER, ATSG-Kommentar, 3. Aufl. 2015, N. 31 zu Art. 19 ATSG ) - in dem Ausmass dem Arbeitgeber zu, als er der versicherten Person trotz der Taggeldberechtigung Lohn zahlt. Dies unabhängig davon, ob der Arbeitgeber wegen der Dienstleistung des Arbeitnehmers einen Nachteil erleidet (KIESER, a.a.O., N. 27 f. zu Art. 19 ATSG ; MAHON/MATTHEY, Le régime des allocations pour perte de gain, in: Soziale Sicherheit, SBVR Bd. XIV, 3. Aufl. 2015, S. 1979 Rz. 40; SCARTAZZINI/HÜRZELER, Bundessozialversicherungsrecht, 2012, S. 576 f. Rz. 19; SONNIE BURCH-CHATTI, Die Rolle des Arbeitgebers in der schweizerischen Sozialversicherung, 2013, S. 202; so bereits vor dem Inkrafttreten des ATSG: BGE 104 V 42 ; ROLF LINDENMANN, Die Erwerbsersatzordnung (EO) - ein Stiefkind der Sozialversicherung?, SZS 2001 298 ff., S. 314). Mit anderen Worten steht einem Arbeitgeber im Sinne von Art. 19 Abs. 2 ATSG ein Anspruch auf Drittauszahlung im Umfang der Lohnzahlung zu (vgl. KIESER, a.a.O., N. 31 zu Art. 19 ATSG ). Zur Durchsetzung dieses Anspruchs wird der Arbeitgeber durch Art. 17 Abs. 1 lit. b EOG ermächtigt, den Leistungsanspruch gegenüber der zuständigen Ausgleichskasse geltend zu machen bzw. die Auszahlung an sich zu verlangen. Des Weiteren steht dem Arbeitgeber das Recht zu, die Erwerbsausfallentschädigung mit der Lohnzahlung zu verrechnen ( Art. 19 Abs. 1 EOV [SR 834.11] i.V.m. Art. 19 Abs. 2 ATSG ). Ferner ist er - angesichts seiner Rechte gemäss Art. 19 Abs. 2 ATSG und Art. 17 Abs. 1 lit. b EOG - auch legitimiert, die entsprechenden Entscheide der Verwaltung bzw. des kantonalen Sozialversicherungsgerichts anzufechten (vgl. Urteil 9C_293/2010 vom 8. Juli 2010 E. 1, in: SVR 2011 EO Nr. 2 S. 3). Damit erhellt, dass einem Arbeitgeber, der während der Dienstleistung Lohn ausrichtet - anders als im Bereich der Familienzulagen ( BGE 140 V 233 E. 3.1 und 4.2 S. 234 ff.) - eigene Rechte und Pflichten aus dem Leistungsverhältnis zukommen. Mithin fungiert er entgegen der Vorinstanz nicht als blosse Zahlstelle (vgl. auch BGE 142 V 43 S. 47 LINDENMANN, a.a.O., S. 315 ff.). Somit spricht mit Beschwerdeführerin und BSV nichts dagegen, dass die Beschwerdegegnerin gemäss Art. 25 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 2 ATSG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 lit. c ATSV zur Rückerstattung von zuviel ausbezahlter Erwerbsausfallentschädigung verpflichtet ist (vgl. KIESER, a.a.O., N. 37 zu Art. 25 ATSG ; siehe auch Rz. 7009 WEO). 3.2 Soweit die Beschwerdegegnerin der Ansicht ist, eine Rückforderung gegen sie sei höchstens im Umfang der effektiv erfolgten Lohnzahlung zulässig, geht sie fehl. In eben diesem Umfang ist die Auszahlung an sie rechtmässig erfolgt (vgl. Art. 19 Abs. 2 ATSG ) und der entsprechende Betrag nicht zurückzuerstatten, welchem Umstand die Beschwerdeführerin im Einspracheentscheid durch Reduktion des Rückforderungsbetrags Rechnung getragen hat. Eine unrechtmässig bezogene und von Art. 25 Abs. 1 Satz 1 ATSG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 lit. c ATSV erfasste Leistung ist hingegen der über die effektive Lohnzahlung hinausgehende Betrag, welcher in masslicher Hinsicht unbestritten ist. 3.3 Nach dem Gesagten ist der angefochtene Entscheid aufzuheben und der Einspracheentscheid vom 22. Januar 2014 zu bestätigen. (...)
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Erwägungen ab Seite 38 BGE 127 V 38 S. 38 Aus den Erwägungen: 4. a) Gemäss Art. 7 Abs. 5 KVG endet das Versicherungsverhältnis beim bisherigen Versicherer erst, wenn ihm der neue Versicherer mitgeteilt hat, dass die betreffende Person bei ihm ohne Unterbrechung des Versicherungsschutzes versichert ist (Satz 1). Unterlässt der neue Versicherer diese Mitteilung, so hat er der versicherten Person den daraus entstandenen Schaden zu ersetzen, insbesondere die Prämiendifferenz (Satz 2). Sobald der bisherige Versicherer die BGE 127 V 38 S. 39 Mitteilung erhalten hat, informiert er die betroffene Person, ab welchem Zeitpunkt sie nicht mehr bei ihm versichert ist (Satz 3). b) Vorliegend haben die Beschwerdeführer im Rahmen des Schriftenwechsels vor dem kantonalen Gericht die Mitteilung der CSS Versicherung vom 10. Januar 1997 zu den Akten gegeben, in welcher ihre Weiterversicherung ohne Unterbruch in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung bestätigt wird. Die Eidgenössische Gesundheitskasse hat in ihrer letztinstanzlich eingereichten Vernehmlassung ausdrücklich festgehalten, dieses Schreiben der CSS Versicherung sei ihr am 10. Januar 1997 zugegangen. Die Bestätigung der Weiterversicherung erweist sich damit im Hinblick auf den Kündigungstermin vom 31. Dezember 1996 als verspätet. Zu prüfen bleibt, auf welchen Zeitpunkt die dem Obligatorium unterstehenden Versicherungsverhältnisse bei der bisherigen Versicherung unter diesen Umständen endeten. aa) Nach der Auffassung des Bundesamtes für Sozialversicherung (BSV) ist eine erst nach dem Kündigungstermin beim bisherigen Versicherer eingetroffene Mitteilung nicht geeignet, die Wirksamkeit der im Übrigen form- und fristgerechten Kündigung hinauszuschieben. Insbesondere in Jahren hoher Fluktuationen seien auch bei gut organisierten Versicherern über das Jahresende hinaus verzögerte Abläufe im Korrespondenzwesen verständlich. Der Gesetzgeber habe mit dem Erfordernis der Mitteilung der ununterbrochenen Weiterversicherung einzig Versicherungslücken verhindern wollen. Es sei deshalb unproblematisch, Versicherungsverhältnisse bei einem Wechsel des Versicherers nach Art. 7 KVG rückwirkend aufzulösen bzw. zu begründen, falls die Mitteilung des neuen Versicherers über den ununterbrochenen Versicherungsschutz innert eines Monates seit dem Kündigungstermin beim bisherigen Versicherer eintreffe. Das BSV schlägt vor, das bisherige Versicherungsverhältnis rückwirkend auf den Kündigungstermin als beendet zu qualifizieren, vorausgesetzt, die Mitteilung des neuen Versicherers treffe innert Monatsfrist seit dem Kündigungstermin beim bisherigen Versicherer ein. Dagegen wendet die beschwerdegegnerische Kasse im Wesentlichen ein, auch der bisherige Versicherer habe Anspruch darauf, seinen Versichertenbestand zuverlässig ermitteln zu können. Rückwirkende Wechsel würden nicht nur administrativ aufwendige Rückzahlungen auslösen, sondern auch unlösbare Probleme im Zusammenhang mit den Risikoausgleichszahlungen und den kantonalen Prämienverbilligungen schaffen. Die Auslegung des BSV BGE 127 V 38 S. 40 gehe klar an der rechtlichen Situation vorbei. Sie sei geprägt durch ein Verständnis zu Gunsten der Versicherten, welches auf die Belange des alten Versicherers keinerlei Rücksicht nehme. Zur Frage, in welchem Zeitpunkt bisherige Versicherungsverhältnisse bei verspäteter Mitteilung endeten, äussert sich die Kasse nicht. bb) Zu den wichtigsten Zielen des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung vom 18. März 1994 (KVG) gehören die Einführung des Krankenpflegeversicherungsobligatoriums und die Eindämmung der Kostensteigerung im Gesundheitswesen, der unter anderem durch den Wettbewerb unter den Versicherern begegnet werden soll. Im System der Mehrfachträgerschaft des Versicherungsobligatoriums gewährleisten verschiedene Bestimmungen die rechtliche und faktische Freiheit des Versichererwechsels. Faktische Freiheit besteht etwa durch die Unabhängigkeit der Prämienhöhe vom Eintrittsalter ( Art. 61 KVG ). Art. 7 KVG regelt die rechtliche Freiheit des Versichererwechsels einerseits durch Statuierung von Kündigungsfristen und -terminen (Abs. 1 und 2), anderseits durch die Bestimmung, dass das Versicherungsverhältnis nur bei Bestätigung eines neuen Versicherungsverhältnisses endet (Abs. 5). Während Kündigungsfristen und -termine den administrativen Ablauf vereinfachen, bezweckt Art. 7 Abs. 5 KVG die Vermeidung von - mit dem Versicherungsobligatorium unverträglichen - Versicherungslücken (Botschaft des Bundesrates über die Revision der Krankenversicherung vom 6. November 1991, BBl 1992 I 93 ff., insbesondere 144; Amtl.Bull. 1992 S 1287, 1993 N 1729 und 1833, 1993 S 1048). Nach dem Wortlaut von Art. 7 Abs. 5 KVG endet das Versicherungsverhältnis beim bisherigen Versicherer erst, wenn ihm der neue Versicherer mitgeteilt hat, dass die betreffende Person bei ihm ohne Unterbrechung des Versicherungsschutzes versichert ist (Satz 1); sobald der bisherige Versicherer die Mitteilung erhalten hat, informiert er die betroffene Person, ab welchem Zeitpunkt sie nicht mehr bei ihm versichert ist (Satz 3). Ob dieser Zeitpunkt bei verspäteter Mitteilung auf deren Eingang beim bisherigen Versicherer oder auf ein früheres oder späteres Datum fällt, lässt die Bestimmung offen. Weder auf Gesetzes- noch auf Verordnungsstufe wird der Endzeitpunkt des bisherigen Versicherungsverhältnisses bei verspäteter Mitteilung des neuen Versicherers konkretisiert. Auch die ratio legis, welche im Verhindern von Versicherungslücken besteht, gibt keinen zwingenden Beendigungstermin des alten Versicherungsverhältnisses vor. BGE 127 V 38 S. 41 cc) Eine Lücke des Gesetzes liegt vor, wenn sich eine gesetzliche Regelung als unvollständig erweist, weil sie auf eine bestimmte Frage keine (befriedigende) Antwort gibt. Bevor eine ausfüllungsbedürftige Lücke angenommen werden darf, ist durch Auslegung zu ermitteln, ob das Fehlen einer Anordnung nicht eine bewusst negative Antwort des Gesetzgebers, ein sog. qualifiziertes Schweigen darstellt. Erst nach Verneinung dieser Frage kann von einer Lücke gesprochen werden (vgl. HÄFELIN/MÜLLER, Grundriss des Allgemeinen Verwaltungsrechts, 3. Aufl., Zürich 1998, S. 46 Rz 192 ff.). Herrschende Lehre und bundesgerichtliche Rechtsprechung unterscheiden echte und unechte Lücken (vgl. HÄFELIN/MÜLLER, a.a.O., S. 46 Rz 195 ff.; BLAISE KNAPP, Précis de droit administratif, 4. Aufl., Basel/Frankfurt a.M. S. 93 Nr. 441; ULRICH HÄFELIN, Zur Lückenfüllung im öffentlichen Recht, in: Festschrift zum 70. Geburtstag von Hans Nef, Zürich 1981, S. 91 ff., alle mit Hinweisen). Während bei einer echten Lücke eine sich unvermeidlich stellende Rechtsfrage nicht beantwortet wird und das Gericht diese unter Rückgriff auf die ratio legis zu schliessen hat ( BGE 125 V 11 f. Erw. 3, BGE 124 V 307 Erw. 4c, BGE 119 V 255 Erw. 3b, BGE 118 V 298 Erw. 2e, je mit Hinweisen), liegt bei einer unechten Lücke eine sachlich unbefriedigende Antwort vor, deren Korrektur den rechtsanwendenden Organen grundsätzlich nicht bzw. nur unter strengen Voraussetzungen erlaubt ist ( BGE 125 V 12 Erw. 3, BGE 124 V 164 f. Erw. 4c und 275 Erw. 2a, BGE 122 V 98 Erw. 5c und 329 Erw. 4 in fine, BGE 121 V 176 Erw. 4d, je mit Hinweisen). dd) Das Fehlen einer Regelung über den Zeitpunkt der Beendigung des bisherigen Versicherungsverhältnisses bei verspäteter Mitteilung des neuen Versicherers gemäss Art. 7 Abs. 5 KVG ist kein qualifiziertes Schweigen, sondern eine planwidrige Unvollständigkeit. Mangels Beantwortung der sich in Fällen verspäteter Mitteilung unvermeidlich stellenden Frage nach dem Endzeitpunkt des bisherigen Versicherungsverhältnisses liegt eine echte Lücke vor. Diese hat das Gericht nach jener Regel zu schliessen, die es als Gesetzgeber aufstellen würde ( BGE 125 V 14 Erw. 4c, BGE 124 V 307 Erw. 4c in fine, BGE 119 V 255 Erw. 3b). ee) Eine Lückenfüllung im Sinne einer rückwirkenden Aufhebung des bisherigen Versicherungsverhältnisses auf den Zeitpunkt des Kündigungstermins, wie sie das BSV vorschlägt, ist abzulehnen. Die Kasse wendet zu Recht ein, damit würde Art. 7 Abs. 5 Satz 2 KVG , wonach der neue Versicherer bei unterlassener Mitteilung der versicherten Person den daraus entstandenen Schaden - insbesondere BGE 127 V 38 S. 42 die Prämiendifferenz - zu ersetzen hat, untergraben, weil eine Prämiendifferenz gar nicht entstehen könne, wenn die verspätete Meldung des neuen Versicherers bewirke, dass der Versicherungsschutz beim alten Versicherer rückwirkend aufgelöst werde. Ebenso wenig soll eine im Sinne von Art. 7 Abs. 1 oder 2 KVG fristgerecht erfolgte Kündigung bei verspäteter Mitteilung des neuen Versicherers gemäss Art. 7 Abs. 5 KVG ihre Wirkung erst auf den nächstmöglichen Kündigungstermin (vgl. RKUV 1991 Nr. K 873 S. 195 Erw. 4a mit Hinweisen auf Lehre und Rechtsprechung) entfalten. Denn bei der verspäteten Mitteilung des neuen Versicherers über den ununterbrochenen Versicherungsschutz ist nicht die Gültigkeit der Kündigung an sich betroffen. Art. 7 Abs. 5 KVG sieht zwecks Sicherstellung des ununterbrochenen Versicherungsschutzes lediglich einen Aufschub der Beendigung des Versicherungsverhältnisses vor. Aus verwaltungsökonomischen Gründen ist die Beendigung des bisherigen Versicherungsverhältnisses auf das Ende des Monats vorzusehen, in dem die verspätete Mitteilung des neuen Versicherers bei der bisherigen Versicherungsgesellschaft eingegangen ist. Diese Lösung steht im Einklang mit der ratio legis und deckt sich mit dem Umstand, dass die Prämieneinheiten in monatlichen Zeitabschnitten berechnet und in der Regel monatlich zu bezahlen sind (gleicher Meinung: GEBHARD EUGSTER, Krankenversicherung, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Soziale Sicherheit, Rz 36 und Fn 73 sowie Rz 338; vgl. auch MAURER, Das neue Krankenversicherungsrecht, Basel/Frankfurt a.M. 1996, S. 38, welcher von einem Weiterdauern des bisherigen Versicherungsverhältnisses spricht, sich zum Endzeitpunkt aber nicht äussert). c) In Anbetracht der Tatsache, dass vorliegend die Mitteilung der CSS Versicherung am 10. Januar 1997 bei der Kasse eingegangen war, endeten die dem Obligatorium unterstehenden Versicherungsverhältnisse bei der Beschwerdegegnerin nach dem Gesagten am 31. Januar 1997.
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1. Eine Zeugenaussage gehört zur Sache, wenn sie mit der Abklärung oder Feststellung des Sachverhaltes, der Gegenstand des Verfahrens ist, zusammenhängt (Erw. I). 2. Wann bezieht sich eine Aussage auf Tatsachen, die für die richterliche Entscheidung unerheblich sind (Erw. II 1a und 2)? 3. Art. 307 Abs. 1 StGB setzt nicht voraus, dass der Täter um die Erheblichkeit einer Aussage wisse und auf die Urteilsfindung einwirken wolle (Erw. II 1b). Sachverhalt ab Seite 24 BGE 93 IV 24 S. 24 A.- Die 1946 geborene Ida B. liess sich am 12. September 1965 von den Eheleuten Charles und Regina M. in die Wohnung aufnehmen, in der auch ihr Freund Willy N., ein Sohn der Frau M. aus erster Ehe, lebte. Am 14. September, als sie allein zu Hause waren, versuchte Charles M. Ida B. zum Geschlechtsverkehr zu zwingen. M. wurde daraufhin wegen Notzuchtsversuchs verzeigt und in Untersuchung gezogen. In dieser hatte Willy N. am 16. September als Zeuge über seine Beziehungen zu Ida B. Auskunft zu geben. Er erklärte dabei unter anderem, dass er mit dem Mädchen ein Liebesverhältnis habe, dass sie miteinander aber noch nicht geschlechtlich verkehrt hätten und in getrennten Zimmern schliefen. In Wirklichkeit schliefen sie jedoch vom 12. September an im gleichen Zimmer, verbrachten die Nacht meistens auch BGE 93 IV 24 S. 25 im gleichen Bett, wobei es einmal zum Geschlechtsverkehr kam. N. sagte auf Veranlassung seiner Mutter falsch aus, die nicht nur ihn, sondern auch Ida B. ersuchte, in der Untersuchung nichts davon verlauten zu lassen, dass sie ein gemeinsames Schlafzimmer hatten. B.- Das Obergericht des Kantons Bern verurteilte am 27. Oktober 1966 N. wegen falscher Zeugenaussage im Sinne von Art. 307 Abs. 3 StGB zu fünfzehn Tagen Haft, Frau M. wegen Anstiftung dazu zu einem Monat Gefängnis. Es schob den Vollzug der Strafen bedingt auf und setzte den Verurteilten zwei Jahre Probezeit. Das Obergericht nahm an, dass die falsche Aussage des N. zwar eine solche zur Sache gewesen sei (Art. 307 Abs. 1), sich aber auf Tatsachen bezogen habe, die für die richterliche Entscheidung unerheblich gewesen seien ( Art. 307 Abs. 3 StGB ). C.- Gegen dieses Urteil führen die Verurteilten und der Generalprokurator des Kantons Bern Nichtigkeitsbeschwerde. Jene verlangen, sie seien freizusprechen, dieser beantragt, die Angeklagten seien nach der schärferen Strafnorm von Art. 307 Abs. 1 StGB zu bestrafen. Die Verurteilten halten die Beschwerde des Generalprokurators und dieser die Beschwerde der Verurteilten für unbegründet. Erwägungen Aus den Erwägungen: I Die Verurteilten bestreiten, dass die falsche Auskunft des Zeugen eine Aussage zur Sache gewesen sei, wie Art. 307 StGB dies voraussetze. Ida B. und Charles M. machten zu Beginn der Untersuchung Angaben, die sich weitgehend widersprachen. So behauptete die Strafklägerin bereits in der Strafanzeige, sie habe in der Wohnung der Eheleute M. ein separates Zimmer gehabt. In ihrer ersten Einvernahme erklärte sie ferner, mit Willy N. keine intimen Beziehungen zu haben. Die Tat selber schilderte sie so, dass vieles auf einen groben Notzuchtsversuch hinzudeuten schien. M. hingegen behauptete in seiner ersten Einvernahme, Ida B. und sein Stiefsohn Willy hätten im gleichen Zimmer geschlafen. Die ihm zur Last gelegte Tat stellte er als blossen Annäherungsversuch hin, dem sich die Strafklägerin zunächst nicht widersetzt habe. BGE 93 IV 24 S. 26 Bei dieser Sachlage war eine nähere Abklärung der Wohnverhältnisse in der Familie M. nicht zu umgehen. Angesichts der Widersprüche der Parteien musste der Untersuchungsrichter sich darüber Rechenschaft geben, welche der beiden ihn über die Verhältnisse im gemeinsamen Haushalte täuschte oder zu täuschen versuchte. Das Ergebnis davon war nicht nur für die Glaubwürdigkeit der Parteien, sondern auch für die weitere Feststellung des Sachverhaltes von Bedeutung. Das galt insbesondere für den Hergang der Tat, die sich in verschiedenen Räumlichkeiten abgespielt hatte. Indem N. als Zeuge behauptete, er und Ida B. hätten in getrennten Zimmern geschlafen, hat er daher zur Sache falsch ausgesagt. Mit seinen intimen Beziehungen zur Strafklägerin verhält es sich nicht anders. Das Liebesverhältnis zwischen den beiden Jugendlichen ist Charles M. offensichtlich nicht entgangen, hat er doch, wie schon aus der Strafanzeige erhellt, dem Mädchen während der Tat erklärt, er könne ihm sexuell mehr bieten als sein Stiefsohn. Der Zusammenhang zwischen der falschen Zeugenaussage des N. und dem zu beurteilenden Sachverhalt ist daher auch in diesem Punkte gegeben. II 1. Die falsche Zeugenaussage im Sinne von Art. 307 StGB kann mit Zuchthaus bis zu fünf oder mit Gefängnis bis zu drei Jahren bestraft werden (Abs. 1). Bezieht sich die falsche Äusserung indes auf Tatsachen, die für die richterliche Entscheidung unerheblich sind, so kann nur Gefängnis bis zu sechs Monaten ausgesprochen werden (Abs. 3). a) Eine Aussage bezieht sich nach der Rechtsprechung ( BGE 70 IV 83 , BGE 75 IV 69 ) dann auf eine unerhebliche Tatsache, wenn sie ihrem Gegenstand nach nicht geeignet ist, den Ausgang des Prozesses irgendwie zu beeinflussen, also weder für eine rechtliche Schlussfolgerung noch für eine sich auf rechtlich erhebliche Tatsachen beziehende tatsächliche Schlussfolgerung in Betracht kommt. Dass das der Sinn von Art. 307 Abs. 3 ist, erhellt vor allem aus dem französischen Gesetzestext, der von Aussagen über Tatsachen spricht "qui ne peuvent exercer aucune influence sur la décision du juge". Diese Untauglichkeit kann einer Zeugenaussage schon von vorneherein anhaften. Das ist beispielsweise der Fall bei Fragen, die der Richter bloss stellt, um mit dem Zeugen ins Gespräch zu kommen oder ihn zu beruhigen. BGE 93 IV 24 S. 27 b) Eine andere Frage ist, wie Art. 307 Abs. 1 und 3 StGB sich zueinander verhalten. Es fragt sich insbesondere, ob aus der Beschränkung von Abs. 3 auf unerhebliche Äusserungen gefolgert werden dürfe, die Erheblichkeit der Aussage gehöre zum Tatbestand von Abs. 1 und der Vorsatz des Täters müsse sich daher auch auf dieses Merkmal beziehen. Gegen die Zulässigkeit einer solchen Folgerung spricht schon der Wortlaut von Abs. 1. Die Tatbestandsmerkmale sind in dieser Bestimmung abschliessend aufgezählt. Darnach muss die Aussage sich auf die Sache beziehen, die Gegenstand des Verfahrens ist; sie braucht aber für die richterliche Entscheidung nicht erheblich zu sein. Ist sie unerheblich, so hat das bloss zur Folge, dass nach Abs. 3 nicht über eine Strafe von sechs Monaten Gefängnis hinausgegangen werden darf. Wäre nach Abs. 1 erforderlich, dass der Täter um die Erheblichkeit einer Aussage weiss und auf die Urteilsfindung einwirken will, so könnte bei Fehlen dieses Vorsatzes überhaupt nicht bestraft werden, da Abs. 3 ja nur das Strafmass betrifft. Als Ausweg verbliebe bloss die Annahme, die falsche Äusserung über eine unerhebliche Tatsache sei der Grundtatbestand, während die falsche Aussage über eine erhebliche Tatsache den qualifizierten Tatbestand darstelle. Damit würde jedoch die gesetzliche Regelung auf den Kopf gestellt. Nach dem Inhalt und Aufbau des Art. 307 ist Abs. 1 nicht ein qualifizierter Fall von Abs. 3, sondern dieser vielmehr ein privilegierter Sonderfall von Abs. 1. Die gegenteilige Auffassung wäre auch sachlich nicht gerechtfertigt. Ob eine Aussage für die richterliche Entscheidung erheblich sei oder nicht, kann ein Zeuge in der Regel gar nicht beurteilen, was dem Gesetzgeber übrigens nicht entgangen ist (s. BGE 70 IV 83 und dort angeführte Gesetzesmaterialien). Es wäre daher von vorneherein verfehlt, die Strafe nach der Vorstellung des Täters abstufen zu wollen. Abs. 3 frägt denn auch nicht danach, sondern findet ohne Rücksicht darauf Anwendung, ob der Täter sich über die möglichen Auswirkungen seiner Aussage Rechenschaft gegeben habe oder nicht. Wieso es sich nach Abs. 1 anders verhalten sollte, ist daher nicht zu ersehen. Würde anders entschieden, so wäre missbräuchlichen Einreden der Weg geebnet, da die Behauptung des Zeugen, er habe sich über die Erheblichkeit seiner Aussage geirrt, oft schwer zu widerlegen sein dürfte. 2. Die falsche Aussage des N. war nicht nur eine solche BGE 93 IV 24 S. 28 zur Sache, sondern war auch erheblich für die richterliche Entscheidung. Der Generalprokurator hält dem Obergericht mit Recht entgegen, dass das Zeugnis sowohl für die Würdigung der Parteiaussagen wie für die rechtliche Beurteilung des Sachverhaltes von Bedeutung war. Die Tat wurde von niemandem wahrgenommen; ihre Beurteilung hing deshalb weitgehend von der Sachdarstellung der Parteien und deren Glaubwürdigkeit ab. Unter diesen Umständen war es für den Richter wichtig zu wissen, welche Partei mehr Glauben verdiene. Da die falsche Aussage des N. mit den Äusserungen der Strafklägerin übereinstimmte, war sie geeignet, nicht nur deren Glaubwürdigkeit zu erhöhen, sondern auch die Beweislage und damit die zu entscheidenden Fragen (Qualifikation der Tat, Würdigung des Verschuldens, Höhe der Strafe) zu beeinflussen. Dass N. das Liebesverhältnis als solches nicht verschwiegen hat, hilft darüber nicht hinweg. Von Bedeutung war nicht, ob er mit Ida B. ein einfaches Liebesverhältnis unterhielt, sondern ob er mit ihr im gleichen Zimmer schlief und ob er schon geschlechtlich mit ihr verkehrt hatte. Stützt sich der angefochtene Entscheid somit zu Unrecht auf Art. 307 Abs. 3 StGB , so ist die Nichtigkeitsbeschwerde des Generalprokurators gutzuheissen und das Urteil der Vorinstanz aufzuheben. Das Obergericht hat in Anwendung von Art. 307 Abs. 1 StGB neu zu entscheiden. Die Strafe braucht dabei nicht notwendig höher auszufallen, da die Ermessensfreiheit, die dem kantonalen Richter in der Strafzumessung zusteht, durch die Rückweisung der Sache nicht berührt wird.
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Sachverhalt ab Seite 247 BGE 117 Ia 247 S. 247 Der Kanton Basel-Stadt beabsichtigt, auf der ihm gehörenden Eckliegenschaft Schanzenstrasse/Spitalstrasse 26 eine Baracke zu erstellen, in welcher suchtkranke Drogenabhängige sich ihre Droge unter ärztlicher Aufsicht spritzen können. Das Bauinspektorat Basel-Stadt erteilte hiefür dem kantonalen Hochbauamt am 3. April 1990 die Baubewilligung für die Erstellung dieser Baracke als Provisorium für fünf Jahre bis zum 31. März 1995. S. ist Eigentümerin einer Nachbarliegenschaft. Sie befürchtet, der Betrieb des sogenannten "Gassenzimmers" in dieser Baracke, in der auch eine Cafeteria eingerichtet werden soll, führe zu untragbaren BGE 117 Ia 247 S. 248 Emissionen. Ihr Rekurs wurde jedoch von der kantonalen Baurekurskommission am 23. August 1990 abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden konnte. S. rekurrierte in der Folge an das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt. Sie wiederholte im wesentlichen ihre der Baurekurskommission vorgetragenen Einwendungen und beantragte in verfahrensmässiger Hinsicht, ihrem Rekurs sei aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Am 24. September 1990 traf der Appellationsgerichtspräsident über das Gesuch um Bewilligung der aufschiebenden Wirkung folgende Verfügung: "Das Gesuch um Bewilligung der aufschiebenden Wirkung wird abgewiesen, da die Erfolgsaussichten des Rekurses ungewiss sind und das Bedürfnis an der sofortigen Ausführung der Baute als dringlich erscheint." S. führt staatsrechtliche Beschwerde und beantragt, die Verfügung des Appellationsgerichtspräsidenten vom 24. September 1990 sei aufzuheben und es sei ihrem Rekurs an das Verwaltungsgericht betreffend das zur Diskussion stehende Baubegehren Spitalstrasse 26 aufschiebende Wirkung zu erteilen. Das Bundesgericht tritt auf die staatsrechtliche Beschwerde nicht ein Erwägungen aus folgenden Erwägungen: 1. Die Beschwerde richtet sich gegen eine Verfügung des Appellationsgerichtspräsidenten. Gemäss § 17 des baselstädtischen Gesetzes vom 14. Juni 1928 über die Verwaltungsrechtspflege (VRPG) hemmt die Einreichung eines Rekurses die Vollstreckung des angefochtenen Entscheides nicht, es sei denn, dass der Präsident dies ausdrücklich anordnet. Gemäss § 24 VRPG trifft der Präsident die ihm nach § 17 VRPG zustehenden vorsorglichen Verfügungen von sich aus oder auf Antrag der Parteien. Im vorliegenden Fall hat der Präsident den ausdrücklich gestellten Antrag der Beschwerdeführerin, ihrem Rekurs sei aufschiebende Wirkung zuzubilligen, abgewiesen. Von keiner Seite wird geltend gemacht, diese Präsidialverfügung könne beim Gesamtgericht angefochten werden, weshalb davon auszugehen ist, dass eine kantonal letztinstanzliche Verfügung vorliegt. Diese schliesst jedoch das kantonale Verfahren nicht ab; es handelt sich somit um einen Zwischenentscheid ( BGE 116 Ia 179 E. 2a mit Hinweisen), was auch die Beschwerdeführerin anerkennt. BGE 117 Ia 247 S. 249 2. Die Beschwerdeführerin nennt keinen bestimmten Artikel der Bundesverfassung, der durch die angefochtene Verfügung verletzt sein soll; aus ihren Vorbringen ergibt sich aber, dass sie die Ablehnung ihres Antrages als willkürlich erachtet, womit sie Art. 4 BV anruft. Zudem spricht sie von ihren verfassungsmässigen Eigentumsrechten ( Art. 22ter BV ), die wegen der von ihr befürchteten Immissionen verletzt sein sollen. Gemäss Art. 87 OG ist die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV erst gegen letztinstanzliche Endentscheide zulässig, gegen letztinstanzliche Zwischenentscheide nur, wenn sie für den Betroffenen einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil zur Folge haben. Werden neben der Rüge, Art. 4 BV sei verletzt, noch weitere Verfassungsverletzungen geltend gemacht, so tritt das Bundesgericht auf die Beschwerde in vollem Umfang ein, allerdings nur dann, wenn diese Rügen nicht mit derjenigen der Verletzung von Art. 4 BV zusammenfallen, somit selbständige Bedeutung haben, und nicht offensichtlich unzulässig oder unbegründet sind ( BGE 115 Ia 314 mit Hinweisen). Im Zusammenhang mit der Anrufung von Art. 22ter BV beschränkt sich die Beschwerdeführerin auf die Behauptung, die zu erwartenden Immissionen würden ihre verfassungsmässigen Eigentumsrechte aushöhlen. Diese Rüge genügt den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung einer staatsrechtlichen Beschwerde ( Art. 90 Abs. 1 lit. b OG ) in keiner Weise. Die Beschwerdeführerin legt nicht dar, dass der von ihr behauptete Eingriff gesetzlichen Bestimmungen zuwiderlaufe oder dass er nicht im öffentlichen Interesse liege oder dass er unverhältnismässig sei. Die Berufung auf Art. 22ter BV ist daher offensichtlich unbegründet. Unter diesen Umständen ist zu prüfen, ob die angefochtene Verfügung für die Beschwerdeführerin einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil zur Folge hat. 3. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts bedarf es eines nicht wiedergutzumachenden Nachteils rechtlicher Natur, um einen Zwischenentscheid im Sinne von Art. 87 OG anfechten zu können; eine bloss tatsächliche Beeinträchtigung genügt nicht. Der Nachteil ist nur dann rechtlicher Natur, wenn er auch durch einen für den Betroffenen günstigen Endentscheid nicht mehr behoben werden könnte ( BGE 115 Ia 314 E. c; BGE 108 Ia 104 ). Dabei ist es nicht nötig, dass sich der Nachteil schon im kantonalen Verfahren durch einen günstigen Endentscheid beheben lässt. Es genügt, wenn er in einem anschliessenden bundesgerichtlichen Verfahren beseitigst werden kann ( BGE 99 Ia 249 f.; BGE 116 Ia 445 BGE 117 Ia 247 S. 250 E. 1 b). Die Beschwerdeführerin beruft sich in diesem Zusammenhang auf BGE 105 Ia 318 ff. Dieser Entscheid betraf die Nichtbeförderung eines Schülers. Das Bundesgericht stellte fest, dass ein Schüler bei Erfüllung der reglementarischen Voraussetzungen einen Rechtsanspruch auf Beförderung besitze. Die Verweigerung der aufschiebenden Wirkung eines Rekurses gegen eine Nichtbeförderung könne daher wegen des Ausfalls des Unterrichts in der höheren Klasse während der Dauer des Rekursverfahrens zu einem nicht wiedergutzumachenden rechtlichen Nachteil führen; im Falle eines für den Schüler günstigen Rekursentscheides sei ein nachträglicher Übertritt in die höhere Klasse nicht mehr möglich. Die Beschwerdeführerin ist der Meinung, in ihrem Fall sei der zu erwartende Nachteil in noch ausgeprägterem Masse gegeben. Sie begründet jedoch nicht, worin der zu erwartende rechtliche Nachteil liegen soll, wenn der Kanton Basel-Stadt auf der Nachbarliegenschaft mit dem Bau der Baracke auf sein eigenes Risiko beginnt. Dass sie die Bauarbeiten und den Betrieb auf der Nachbarparzelle während des Rekursverfahrens in Kauf nehmen muss, stellt keinen rechtlichen Nachteil, sondern bloss eine tatsächliche Beeinträchtigung dar. Sollte letztinstanzlich die Baubewilligung aufgehoben werden, so müsste der Kanton das Barackenprovisorium wieder beseitigen, worüber er sich im klaren ist. Im übrigen richtet sich der Rekurs gegen den Betrieb des sogenannten "Gassenzimmers", in welchem schwer suchtkranke Drogenabhängige sich unter hygienisch einwandfreien Verhältnissen ihre Droge sollen spritzen können. Sollte dieser Betrieb als unzulässig erklärt werden, so wäre er einzustellen, wobei es wohl nicht auszuschliessen wäre, dass die Baracke einem anderen Zweck zugeführt werden könnte. Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass im vorliegenden Fall nicht von einem nicht wiedergutzumachenden Nachteil gesprochen werden kann, da ein allfälliger Nachteil mit einem günstigen Endentscheid beseitigt würde. Auf die staatsrechtliche Beschwerde ist daher nicht einzutreten ( BGE 115 Ia 319 ; 106 Ia 228 E. 2). Daran können übrigens auch die Ausführungen in BGE 116 Ia 177 ff. nichts ändern. In diesem Fall konnte ein Bauherr während eines hängigen kantonalen Rekursverfahrens die ohne Bewilligung begonnenen Bauarbeiten fortsetzen, weil dem Rekurs die aufschiebende Wirkung entzogen wurde. Das Bundesgericht führt dazu aus, in der Regel müssten zwar Bauten, die widerrechtlich erstellt BGE 117 Ia 247 S. 251 worden seien und für die nachträglich keine Bewilligung erteilt werden könne, beseitigt werden. Solche Bauten könnten indessen dann bestehenbleiben, wenn deren Entfernung unverhältnismässig wäre, zum Beispiel weil die Abweichung vom Erlaubten nur unbedeutend ist oder der Abbruch nicht im öffentlichen Interesse liegt ( BGE 111 Ib 221 E. 6). Könne diese Möglichkeit im gegebenen Fall nicht von vornherein ausgeschlossen werden, so könne auch ein günstiger Endentscheid den Nachteil nicht mehr beheben. Aus diesem Grund bejahte dort das Bundesgericht einen nicht wiedergutzumachenden rechtlichen Nachteil, trat jedoch wegen der fehlenden Legitimation der Beschwerdeführer auf die Beschwerde nicht ein ( BGE 116 Ia 179 E. 2b). Im vorliegenden Fall geht es lediglich um ein Barackenprovisorium. Dieses Provisorium könnte im Falle einer Gutheissung des Rekurses der Beschwerdeführerin ohne unzumutbare Kosten wieder entfernt werden, weshalb sich der Bauherr - anders als bei einer Massivbaute mit möglicherweise nur geringfügigen Verstössen gegen Bauvorschriften - aller Voraussicht nach nicht auf das Verhältnismässigkeitsprinzip berufen könnte.
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Sachverhalt ab Seite 438 BGE 113 Ia 437 S. 438 Die Meliorationsgenossenschaft Embrachertal beschloss an der Generalversammlung vom 19. Februar 1963, § 37 lit. e ihrer Statuten wie folgt neu zu fassen: (Die Mitglieder verpflichten sich) "einen durch Verkauf oder Verwertung von zugeteiltem Land erzielten nachweisbaren Gewinn innert 12 Jahren, von dem durch die Volkswirtschaftsdirektion verfügten Antritt des neuen Besitzstandes an gerechnet, verhältnismässig an die Grundeigentümer im alten Bestand zurückzuzahlen. Die Rückerstattung umfasst im ersten Jahr den vollen Gewinn und reduziert sich um 1/12 für jedes folgende Jahr. Der Gewinn wird wie folgt festgestellt: Erlös oder Wertvermehrung infolge Verwertung, abzüglich landwirtschaftlicher Verkehrswert, Rückerstattung von Staats- und Bundesbeiträgen, Grundstückgewinnsteuer, Vermögenssteuer gemäss § 36 ff. des kantonalen Steuergesetzes, Notariats- und Vermessungskosten sowie vom Veräusserer in der Zwischenzeit investierte Erschliessungskosten. Als anrechenbarer landwirtschaftlicher Verkehrswert gilt im Zeitpunkt des Neuantrittes der zehnfache Bonitierungswert. Die Kommission wird ermächtigt, die notwendigen Anpassungen an die jeweiligen Preise für landwirtschaftlichen Boden vorzunehmen. ..." Das zur Zeit dieser Statutenänderung geltende zürcherische Gesetz betreffend die Förderung der Landwirtschaft vom 24. September 1911 enthielt keine Bestimmung über ein Gewinnbeteiligungsrecht. Dagegen wurde in das kantonale Gesetz über die Förderung der Landwirtschaft vom 22. September 1963 folgende neue Vorschrift aufgenommen: BGE 113 Ia 437 S. 439 "§ 95 Die Genossenschaften können in den Statuten bestimmen, dass bei der Veräusserung von neu zugeteiltem Land im ganzen Beizugsgebiet oder in einem Teilgebiet innert einer bestimmten Frist ein Gewinn ganz oder teilweise dem früheren Grundeigentümer zukommt." Diese Bestimmung wurde bei der Revision des Landwirtschaftsgesetzes vom 2. September 1979 wieder fallengelassen. Im April 1966 setzte die Ausführungskommission der Meliorationsgenossenschaft Embrachertal P. und B. davon in Kenntnis, dass die Erben B. auf deren Altparzellen Kies ausgebeutet hätten. P. und B. reichten hierauf zunächst beim Bezirksgericht Zürich Zivilklage gegen die Erben B. und schliesslich bei der Ausführungskommission der Meliorationsgenossenschaft Begehren um Rückerstattung der Gewinnanteile ein. Den Entscheid der Ausführungskommission zogen beide Parteien an das Landwirtschaftsgericht des Kantons Zürich weiter, das die den ehemaligen Eigentümern zu erstattenden Anteile auf Fr. 27'421.10 bzw. Fr. 15'377.60 festsetzte. Gegen diesen Entscheid haben die Erben B. staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 und 22ter BV eingereicht. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Die Beschwerdeführer machen geltend, der angefochtene Entscheid sei verfassungswidrig, weil § 37 lit. e der Statuten der Meliorationsgenossenschaft Embrachertal, auf den er sich stütze, nicht auf einer gesetzlichen Grundlage beruhe und auch sonst mit der Eigentumsgarantie sowie Art. 4 BV in Widerspruch stehe. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtes kann die Verfassungsmässigkeit einer kantonalen Vorschrift nicht nur im Anschluss an deren Erlass, sondern auch auf einen konkreten Anwendungsakt hin bestritten werden ( BGE 111 Ia 82 E. 2a, 186 E. 1, 242 f. E. 4, je mit Hinweisen auf weitere Entscheide). Dieser nachträglichen Überprüfung - zu der auch die kantonalen Gerichte auf Gesuch hin verpflichtet sind - unterstehen alle Rechtssätze, das heisst alle Anordnungen genereller und abstrakter Natur, die für eine unbestimmte Vielheit von Menschen gelten und eine unbestimmte Vielheit von Tatbeständen regeln ohne Rücksicht auf einen bestimmten Einzelfall oder auf eine Person ( BGE 106 Ia 386 E. 3a). Zu diesen Rechtssätzen zählen auch die Anordnungen, welche die öffentlichrechtlichen Korporationen und Anstalten aufgrund einer Ermächtigung des Gesetzgebers erlassen (vgl. BGE 104 Ia 336 ff., 339 E. 3b, nicht publizierter Entscheid BGE 113 Ia 437 S. 440 vom 16. Oktober 1984 i.S. Bernhard und Mitbeteiligte gegen Meliorationsgenossenschaft Malix E. 3a; siehe auch BGE 97 I 296 f.). Somit unterliegen auch die Statuten der Meliorationsgenossenschaft Embrachertal, die gemäss kantonalem Recht eine öffentlichrechtliche Genossenschaft darstellt, der nachträglichen Verfassungskontrolle. 2. Das Gewinnbeteiligungsrecht des früheren Eigentümers im Güterzusammenlegungsverfahren führt für den neuen Eigentümer zu einer öffentlichrechtlichen Eigentumsbeschränkung. Als solche ist das Gewinnbeteiligungsrecht mit der Eigentumsgarantie nur vereinbar, wenn es auf gesetzlicher Grundlage beruht, im öffentlichen Interesse liegt und den Anspruch auf wertgleichen Realersatz wahrt ( BGE 104 Ia 337 E. 2, BGE 95 I 373 E. 5). Die Frage der gesetzlichen Grundlage prüft das Bundesgericht nach ständiger Rechtsprechung frei, wenn es um einen besonders schweren Eingriff geht; die gesetzliche Grundlage muss klar und eindeutig sein. Handelt es sich dagegen nicht um einen schweren Eingriff, so gilt das Erfordernis der gesetzlichen Grundlage schon als erfüllt, wenn sich der umstrittene Erlass ohne Willkür auf eine solche stützen lässt ( BGE 111 Ia 169 E. 7a, BGE 109 Ia 190 E. 2, BGE 108 Ia 35 E. 3a, BGE 106 Ia 366 E. 2). a) Ob ein Gewinnbeteiligungsrecht bei Güterzusammenlegungen zu besonders schweren Eingriffen führt, ist anhand der konkreten Regelung zu beurteilen. Das Bundesgericht hat in BGE 104 Ia 342 E. 4d die Annahme des Thurgauer Obergerichtes, eine Gewinnbeteiligungspflicht im Umfange von 75% im ersten Jahr bis zu 5% im 15. Jahr nach der Übernahme sei eine schwerwiegende Eigentumsbeschränkung, als jedenfalls nicht willkürlich bezeichnet; angesichts der einschneidenden Prozentsätze auf längere Zeit und ihrer Auswirkungen auf das grundlegende Recht des Landbesitzers zur Realisierung seines Grundeigentums könne die Eigentumsbeschränkung bestimmt nicht als leicht gelten. Im vorliegenden Fall besteht die Gewinnbeteiligungspflicht nach den Statuten der Meliorationsgenossenschaft Embrachertal sogar im Umfange von 100% für das erste Jahr und reduziert sich um je einen Zwölftel für die weiteren elf Jahre. Das Gewinnbeteiligungsrecht bezieht sich nicht nur auf den Gewinn aus Verkauf, sondern auch aus Verwertung des zugeteilten Landes. Zudem ist bei der Berechnung des Gewinnes der "landwirtschaftliche" (zehnfacher Bonitierungswert) und nicht der wirkliche Verkehrswert zu berücksichtigen. Dies kann zur Folge haben, dass der Grundeigentümer BGE 113 Ia 437 S. 441 nicht nur von seinem Gewinn, sondern auch vom Verkehrswert seines Landes zur Zeit der Zuteilung Anteile abzuliefern hat. Schliesslich wird die Gewinnbeteiligung unabhängig davon vorgesehen, ob der Altbesitz des Verpflichteten die gleiche Qualität wie der Neubesitz aufgewiesen habe und ob dem Berechtigten ebenfalls Land neu zugeteilt worden sei, das gewinnbringend veräussert oder verwertet werden könne. In dieser Ausgestaltung führt das Gewinnbeteiligungsrecht zu einem besonders schweren Eingriff und steht dem Bundesgericht daher im vorliegenden Fall volle Kognition zu. b) Nach Auffassung des Landwirtschaftsgerichtes bildet § 95 des Landwirtschaftsgesetzes des Kantons Zürich vom 22. September 1963 eine genügende gesetzliche Grundlage für das umstrittene Gewinnbeteiligungsrecht. Allerdings bestand diese gesetzliche Bestimmung zur Zeit der Annahme von § 37 lit. e der Statuten der Meliorationsgenossenschaft Embrachertal am 19. Februar 1963 noch nicht, doch erhielt die statutarische Vorschrift im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Landwirtschaftsgesetzes nachträglich eine gesetzliche Grundlage, soweit sie durch § 95 gedeckt war (vgl. BGE 107 Ib 31 f. E. 2a; GRISEL, L'application du droit public dans le temps, ZBl 75/1974 S. 239). Nun bestreiten aber die Beschwerdeführer zu Recht, dass diese kantonale Bestimmung nicht nur für den Fall der Veräusserung, sondern auch der anderweitigen Verwertung von neu zugeteiltem Boden eine Gewinnbeteiligung des früheren Eigentümers zulasse. Nach § 37 lit. e der Statuten der Meliorationsgenossenschaft beschlägt die Gewinnbeteiligungspflicht ausdrücklich auch den Fall der Wertvermehrung des zugeteilten Landes infolge Verwertung. Unter "Verwertung" wird, wie sich aus dem Protokoll der die Statutenänderung beschliessenden Generalversammlung ergibt, jede nichtlandwirtschaftliche gewinnbringende Nutzung des Bodens (so etwa auch der Bau eines Wohnhauses durch den Grundeigentümer) verstanden. Demgegenüber räumt § 95 des kantonalen Landwirtschaftsgesetzes vom 22. September 1963 den Meliorationsgenossenschaften nur die Möglichkeit ein, in den Statuten die Gewinnbeteiligung des früheren Eigentümers bei Veräusserung von neu zugeteiltem Land vorzusehen. Von anderen gewinnbringenden Nutzungen wird nichts erwähnt. Das Landwirtschaftsgericht hat für den hier umstrittenen Fall der Kiesausbeutung die Gewinnausgleichspflicht dennoch bejaht, da die Kiesausbeutung die Realisierung eines Teiles des Verkehrswertes des BGE 113 Ia 437 S. 442 Grundstücks und damit, wirtschaftlich betrachtet, nichts anderes als die Teilveräusserung des Bodens sei. Dieser Auffassung ist schon deshalb nicht zu folgen, weil jede einen Ertrag abwerfende Nutzung eines Grundstücks als Realisierung eines Teils des Verkehrswertes betrachtet werden kann, ohne dass diese deshalb einer Teilveräusserung gleichzustellen wäre; eine steuerrechtliche Betrachtungsweise ist denn auch hier nicht am Platz. Damit ist aber die Frage noch nicht beantwortet, ob die Gewinnausgleichspflicht mit einer anderen Begründung durch extensive Auslegung von § 95 des Landwirtschaftsgesetzes auf die Fälle gewinnbringender nichtlandwirtschaftlicher Nutzung des Bodens ausgedehnt werden könne. Dies ist jedoch mit Rücksicht auf das Wesen des Gewinnbeteiligungsrechts zu verneinen. Wie bereits in BGE 104 Ia 338 f. E. 3 und 4 dargelegt worden ist, ist das Gewinnbeteiligungsrecht bzw. die Gewinnbeteiligungspflicht kein notwendiger Bestandteil des Güterzusammenlegungsverfahrens. Nur wenige Kantone kennen dieses Institut und auch der Zürcher Gesetzgeber hat es - übrigens nur vorübergehend - den Meliorationsgenossenschaften anheimgestellt, ein Gewinnbeteiligungsrecht einzuführen oder darauf zu verzichten. Die Gewinnbeteiligung in der bekannten Form steht sogar mit den Grundsätzen des Landumlegungsverfahrens in gewissem Sinne in Widerspruch, tritt doch der Grundeigentümer seinen Landbesitz an das Gesamtunternehmen ab und steht ihm diesem gegenüber ein Neuzuteilungsanspruch zu, während der auszugleichende Gewinn nicht dem Unternehmen, sondern dem Altbesitzer zu überlassen ist und dadurch mehr oder weniger zufällig eine "bilaterale" Beziehung zwischen zwei Beteiligten entsteht (vgl. ANTOGNINI, Le respect de la garantie de la propriété dans les remaniements parcellaires, ZBl 72/1971 S. 10, KUTTLER, Die Raumordnung als Aufgabe des Rechtsstaates, in: Der Staat als Aufgabe, Gedenkschrift für Max Imboden, S. 222). Das Gewinnbeteiligungsrecht sollte deshalb nur als Korrektur für nicht voraussehbare oder nicht anders vermeidbare mangelhafte Ergebnisse des Zusammenlegungsverfahrens vorgesehen werden und einzig dort einsetzen, wo der Verpflichtete tatsächlich bereichert aus der Zusammenlegung hervorgegangen ist und der Berechtigte im Vergleich zu diesem schlechter dasteht (ANTOGNINI, a.a.O. S. 10/11, KUTTLER, a.a.O. S. 222/223). Wie ein solches Gewinnbeteiligungsrecht im einzelnen ausgestaltet werden müsste, ist vom Bundesgericht auch hier nicht darzulegen (vgl. BGE 95 I 375 ). Ist aber die Gewinnausgleichspflicht BGE 113 Ia 437 S. 443 schon als solche mit einer gewissen Problematik verbunden, so ist ihr Bestehen vor allem dann, wenn sie sich - wie im vorliegenden Falle - von ihrer Ausgestaltung her ausserordentlich einschneidend auswirken kann, nur im engen, vom Gesetzgeber ausdrücklich bestimmten Rahmen anzunehmen. Es ist daher nicht zulässig, die im Zürcher Landwirtschaftsgesetz von 1963 nur für den Fall der Veräusserung vorgesehene Gewinnbeteiligung auf die Fälle irgendwelcher gewinnbringender nichtlandwirtschaftlicher Nutzung des Bodens, so auch der Kiesausbeutung, auszudehnen. § 37 lit. e der Statuten der Meliorationsgenossenschaft Embrachertal entbehrt insofern einer gesetzlichen Grundlage und verstösst damit gegen die Eigentumsgarantie. Daran ändert auch der von den Beschwerdegegnern angerufene steuerrechtliche Entscheid des Zürcher Verwaltungsgerichtes vom 9. Juli 1974 nichts, nach welchem das Gewinnbeteiligungsrecht ein Ausfluss der Eigentumsgarantie sei und, da es sich dergestalt unmittelbar auf die Verfassung abstütze, keiner gesetzlichen Grundlage bedürfe (vgl. ZBl 75/1974 S. 451 ff., 454). Dabei ist offensichtlich übersehen worden, dass der Gewinnausgleich für den Pflichtigen zu einer Eigentumsbeschränkung führt, die ohne gesetzliche Grundlage nicht gestattet ist, und dass öffentlichrechtliche Korporationen ohnehin nur im Rahmen einer gesetzlichen Ermächtigung rechtsetzend tätig werden können. Der angefochtene Entscheid des Landwirtschaftsgerichtes ist somit in Gutheissung der Beschwerde aufzuheben. 3. Der Vollständigkeit halber kann beigefügt werden, dass die von der Meliorationsgenossenschaft Embrachertal eingeführte Gewinnausgleichsregelung auch in weiterer Hinsicht mit der Eigentumsgarantie sowie mit Art. 4 BV in Widerspruch steht, da einerseits bei der Berechnung des Gewinns nicht vom eigentlichen Verkehrswert des veräusserten oder verwerteten Bodens ausgegangen und andererseits der Wert des dem Gewinnbeteiligungsberechtigten zugeteilten Landes nicht mitberücksichtigt wird. Das Bundesgericht hat es bereits in BGE 95 I 375 ff. E. 6c als verfassungswidrig bezeichnet, den Gewinn anhand der Differenz zwischen dem Verkaufserlös und dem "landwirtschaftlichen Verkehrswert" festzusetzen, sofern dieser dem eigentlichen Verkehrswert des Bodens nicht entspricht. Eine solche Berechnung habe zur Folge, dass der Veräusserer dem früheren Eigentümer nicht nur die seit der Neuzuteilung eingetretene Wertsteigerung, die sich als "Gewinn" betrachten lasse, zu vergüten habe, sondern ebenfalls einen Teil des Wertes, den sein früheres wie auch das ihm neu BGE 113 Ia 437 S. 444 zugeteilte Land schon zur Zeit der Neuzuteilung aufwies. Dies gilt auch für die hier umstrittene Regelung, nach welcher der landwirtschaftliche Verkehrswert in Höhe des zehnfachen Bonitierungswertes dem Verkaufserlös oder dem Mehrwert gegenüberzustellen wäre, ungeachtet dessen, wie hoch der tatsächliche Verkehrswert sei. Bezeichnenderweise hat denn auch das Landwirtschaftsgericht erklärt, dass der ausgleichspflichtige Gewinn verfassungskonform ermittelt und der tatsächliche Verkehrswert des Bodens zur Zeit des Neuantrittes in Rechnung gestellt werden müsse. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtes darf aber eine Norm nur dann gegen ihren klaren Wortlaut ausgelegt werden, wenn triftige Gründe dafür bestehen, dass dieser nicht den wahren Sinn der Bestimmung wiedergibt. Weist dagegen, wie hier, nichts auf eine solche Unstimmigkeit hin, so entzieht sich die Vorschrift der verfassungskonformen Interpretation ( BGE 111 Ia 24 , 297, BGE 109 Ib 301 f. E. 12c, BGE 105 Ib 125 E. 3). Gemäss BGE 95 I 377 ff. E. 6d ist es ebenfalls nicht haltbar, eine Gewinnausgleichspflicht ohne Rücksicht darauf zu statuieren, ob der Berechtigte nicht auch seinerseits in der Güterzusammenlegung Land erhalten hat, das gewinnbringend verkauft oder verwertet werden kann. Erhält der frühere Eigentümer des verkauften oder verwerteten Landes einen Gewinnanteil, obschon er selbst auch gewinnträchtigen Boden zugeteilt erhielt, so wird er bereichert und der durch die Güterzusammenlegung erreichte Wertausgleich zerstört. Auch in diesem Punkte kann entgegen der Meinung des Landwirtschaftsgerichtes die verfassungswidrige Regelung der Meliorationsgenossenschaft Embrachertal nicht durch Auslegung korrigiert werden.
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Erwägungen ab Seite 21 BGE 108 IV 21 S. 21 Aus den Erwägungen: 2. Die Beschwerdeführer bestreiten die Aktivlegitimation der X. AG, indem sie geltend machen, es handle sich bei der Beschwerdegegnerin wohl in formeller Hinsicht um eine juristische Person, die aber in Wirklichkeit - vom Staat Y. beherrscht - eine öffentlichrechtliche Körperschaft darstelle und - wie sich aus BGE 69 IV 81 ergebe - der Beleidigungsfähigkeit entbehre. Zunächst ist klarzustellen, dass das Bundesgericht im zitierten Entscheid über den strafrechtlichen Ehrenschutz von Behörden (Stadtrat), und nicht über jenen öffentlichrechtlicher oder privatrechtlicher juristischer Körperschaften zu befinden hatte. Im zu beurteilenden Falle indessen führt die X. AG als eine Personengesamtheit mit eigener Rechtspersönlichkeit Ehrverletzungsklage. Nach den unbestrittenen und verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz ist die X. AG eine gemischtwirtschaftliche Unternehmung, die nach den Bestimmungen des Obligationenrechts strukturiert ist und nicht spezialrechtlicher (hoheitsrechtlicher) Normierung unterliegt, so dass sie trotz Verfolgung eines öffentlichen Zweckes und erheblicher Beteiligung öffentlichrechtlicher Körperschaften (Kantone, Gemeinden etc.) eine juristische Person des Privatrechts bleibt ( Art. 762 und 926 OR ; SCHÜRMANN, Das Recht der gemischtwirtschaftlichen und öffentlichen Unternehmung mit privatrechtlicher Organisation, ZSR 72/1953, S. 181a Ziff. 1; BGE 108 IV 21 S. 22 SCHWARZENBACH, Grundriss des allgemeinen Verwaltungsrechts, 8. Aufl., 1980, S. 224/225). Juristische Personen des Privatrechts oder allenfalls des öffentlichen Rechts (unter Vorbehalt von Spezialgesetz und Hoheitsrecht) sind aller (privatrechtlichen) Rechte fähig und teilhaftig, die nicht natürliche Eigenschaften des Menschen zur notwendigen Voraussetzung haben ( Art. 52 Abs. 2, Art. 53, Art. 59 Abs. 2 ZGB ; EGGER, ZH-Komm., 1930, N. 11 zu Art. 53, N. 14 zu Art. 59; GUTZWILLER, Schweiz. Privatrecht, Bd. II, 1967, S. 475; BGE 96 IV 148 , BGE 95 II 488 E. 4, BGE 71 IV 36 /37). So steht ihnen nach geltender Lehre und Rechtsprechung zumindest für jene Fälle, in welchen die eingeklagte Äusserung gegenüber Dritten getan wurde, und so die äussere Geltung der Persönlichkeit tangiert wird, die strafrechtlich geschützte Ehre zu ( BGE 96 IV 149 ; BGE 71 IV 37 ; HAFTER, Schweizerisches Strafrecht, besonderer Teil I, 1937, S. 185-187; STRATENWERTH, Strafrecht, besonderer Teil I, 1978, S. 112-114; REHBERG, Strafrecht III, 1980, S. 103-104; ROTH, Der strafrechtliche Schutz der Ehre von Personenmehrheiten, Diss. Bern 1974, S. 64, 70, 76, 97 ff.). Die Beschwerdeführer gelangten mit ihrem Inserat direkt an die Öffentlichkeit, weshalb im vorliegenden Fall die X. AG den Schutz von Art. 173 ff. StGB geniesst. Die Vorinstanz hat zurecht die Aktivlegitimation der Beschwerdegegnerin bejaht.
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Erwägungen ab Seite 148 BGE 96 IV 148 S. 148 Aus den Erwägungen: Der Kassationshof hat die Aktivlegitimation iuristischer Personen für Ehrverletzungsklagen in einem Urteil vom 2. Februar 1945 ( BGE 71 IV 36 ) bejaht und daran in weitern nicht veröffentlichten Entscheidungen festgehalten, zuletzt in einer solchen vom 6. Mai 1966, welche die Verletzung der Ehre einer Aktiengesellschaft zum Gegenstand hatte. Die Auffassung, dass neben den natürlichen auch die iuristischen Personen der Ehre fähig sind und Anspruch auf strafrechtlichen BGE 96 IV 148 S. 149 Schutz ihres Rechts auf Achtung besitzen, wird nicht nur durch den Wortlaut des Gesetzes ( Art. 173, 174 und 177 StGB ) gedeckt, sondern ist entgegen den Einwänden des Beschwerdegegners auch mit dem strafrechtlichen Begriff der Ehre vereinbar. Der Wert der iuristischen Personen, auch der Aktiengesellschaften, erschöpft sich nicht in der wirtschaftlichen Tätigkeit, die sie ausüben; sie erfüllen noch weitere Aufgaben, insbesondere soziale, die für die Allgemeinheit von Bedeutung sind, weshalb sie auf Grund ihrer gesamten Stellung gesellschaftliche Geltung geniessen, die nicht weniger schützenswert ist als jene der natürlichen Personen. Dem Ehrenschutz iuristischer Personen steht auch nicht entgegen, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts sowohl die äussere Geltung der Persönlichkeit als auch ihr subjektives Ehrgefühl geschützt sind. Diese Umschreibung des Schutzobjektes bedeutet nicht, dass die Tatbestände der Verleumdung, üblen Nachrede und Beschimpfung eine Verletzung beider Seiten der Ehre voraussetzen. Vielmehr genügt das eine oder andere, je nachdem, ob die ehrbeleidigende Äusserung gegenüber Dritten getan und damit der Ruf des Verletzten geschädigt oder gefährdet wird oder ob sie ausschliesslich an den Verletzten selbst gerichtet ist und darum nur das Ehrgefühl betroffen sein kann ( BGE 77 IV 98 Erw. 1). Im vorliegenden Falle, wo die eingeklagten Äusserungen gegenüber Dritten getan wurden, stellt sich somit die Frage, ob bei iuristischen Personen eine Verletzung des Ehrgefühls möglich sei, nicht. Richtig ist, dass die vom Bundesrat anlässlich der Teilrevision des StGB von 1950 vorgeschlagene Aufnahme eines Art. 177bis, worin die Beleidigungsfähigkeit von Behörden und Personenverbänden, die keine Rechtspersönlichkeit besitzen, hätte anerkannt werden sollen, vom Ständerat (Sten. Bulletin 1949 S. 613) und hierauf auch vom Nationalrat (Sten. Bulletin 1950 S. 203) abgelehnt wurde. Die Ablehnung dieser Vorlage ist jedoch kein Grund, die bisherige Rechtsprechung, die einzig den iuristischen Personen, nicht aber den Behörden und andern Personenverbänden den Ehrenschutz zuerkennt ( BGE 69 IV 83 , BGE 71 IV 36 ), aufzugeben. Dies umso weniger, als diese Praxis, auf die im Ständerat hingewiesen wurde, bei den Revisionsverhandlungen unangefochten war und auch in der Literatur gebilligt wird (HAFTER, Bes. Teil I S. 186 f.; LOGOZ, Bes. Teil I S. 240; THORMANN-OVERBECK, Vorbemerkungen zu Art. 173 ff. N. 1; BGE 96 IV 148 S. 150 SCHENITZA, Die Beleidigung von Personenverbänden, S. 35, 62; BRUNSCHVIG, Die Kollektiv-Ehrverletzung, S. 16). Auf die Nichtigkeitsbeschwerde ist daher einzutreten.
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Sachverhalt ab Seite 364 BGE 87 II 364 S. 364 A.- Frl. P., geb. 13. November 1937, gebar am 15. November 1956 einen Knaben. Als Vater bezeichnete sie den BGE 87 II 364 S. 365 ledigen G., geb. 1930. Am 23. Januar 1957 stellten ihr Vater und der zum Beistand des Kindes ernannte Amtsvormund beim zuständigen bernischen Richteramt das Gesuch um Abhaltung eines Aussöhnungsversuchs und um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung. Am 26. Februar 1957 fanden der Aussöhnungsversuch und (nachdem Vater P. und der Beistand des Kindes die Verhandlungen verlassen hatten) das Parteiverhör im Armenrechtsverfahren statt. G. gab zu, die Mutter zweimal abends in seiner Wohnung empfangen zu haben, bestritt aber den von der Mutter behaupteten Geschlechtsverkehr. Am Schluss des Protokolls dieser Verhandlung steht der Vermerk: "Verfügung Der Sühnversuch wird fruchtlos erklärt, und den Klägern wird die Klagebewilligung erteilt. Eröffnet." Der Gerichtspräsident ordnete hierauf im Armenrechtsverfahren eine Blutuntersuchung an. Der Experte kam in seinem Gutachten vom 9. Juli 1957 zum Schluss, G. könne auf Grund der Bestimmung der klassischen Blutgruppen, der Blutfaktoren M und N, der Rhesusfaktoren C, D, E, c, e und der Faktoren Kell und Duffya unter der Voraussetzung einer sicher erwiesenen Mutterschaft von Frl. P. als Vater des Kindes nicht ausgeschlossen werden; seine Vaterschaft sei nach den Erbgesetzen der erwähnten fünf Blutgruppensysteme möglich. Nachdem der Gerichtspräsident noch einen Lohnausweis der Mutter eingefordert hatte, gewährte er den Klägern mit Verfügung vom 26. September 1957 die unentgeltliche Prozessführung in dem Sinne, dass er ihnen in der Person von Fürsprecher Dr. X einen Armenanwalt beiordnete. Diese Verfügung wurde Dr. X (sowie den gesetzlichen Vertretern der Kläger und dem Anwalt G.s) am 3. Oktober 1957 eröffnet. Tags darauf wurden ihm die Armenrechtsakten "zur Einsichtnahme und Einleitung des Prozesses" zugestellt. B.- Am 28./29. November 1957 reichte Dr. X beim BGE 87 II 364 S. 366 Amtsgericht im Namen von Mutter und Kind gegen G. Vaterschaftsklage ein mit dem Begehren, G. sei zur Schadloshaltung der Mutter und zur Zahlung von Unterhaltsbeiträgen für das Kind zu verurteilen. In Art. 10 der Klageschrift bemerkte er unter Hinweis auf die Armenrechtsakten, er sei durch Entscheid vom 26. September 1957, zugestellt 3. Oktober 1957, zum Armenanwalt der Kläger ernannt worden; die Klagebewilligung sei den Klägern erteilt worden. Vom Gerichtspräsidenten darauf hingewiesen, dass nach dessen Auffassung die Wirkung der Klagebewilligung vor Einleitung der Klage dahingefallen und die Klagefrist von Art. 308 ZGB verpasst sei, machte Dr. X im wesentlichen geltend, er sei nach Einsichtnahme in die Armenrechtsakten davon ausgegangen, "dass das Armenrechtsverfahren und damit der Aussöhnungsversuch soeben erst zum Abschluss gekommen seien, bzw. vor dem Abschluss standen" und dass die sechsmonatige Klagefrist im Sinne von Art. 153 der bernischen ZPO daher erst von seiner Ernennung zum Armenanwalt an laufe; die Klagebewilligung, von der in den Armenrechtsakten die Rede sei, sei nicht datiert, so dass er bestreiten müsse, dass diese Bewilligung schon am 26. Februar 1957 erteilt worden sei; übrigens hätten die Kläger mit einer vor Ernennung des Armenanwalts erteilten Klagebewilligung nichts anfangen können; um so mehr sei er davon ausgegangen, dass die sechsmonatige Klagefrist "noch lange nicht abgelaufen sei." Das Amtsgericht erklärte die Klage am 25. März 1958 entsprechend dem Antrag G.s für verspätet, weil Dr. X die Klageschrift erst nach Ablauf der Frist von Art. 308 ZGB eingereicht habe, ohne vor deren Ablauf ein neues Gesuch um Ladung zum Aussöhnungsversuch gestellt zu haben, obwohl die Frist von sechs Monaten seit der am 26. Februar 1957 ordnungsgemäss erteilten und eröffneten Klagebewilligung längst abgelaufen gewesen sei. Dr. X erklärte namens der Kläger die Appellation, zog diese aber am 26. Juli 1958 zurück, nachdem der Appellationshof BGE 87 II 364 S. 367 des Kantons Bern (II. Zivilkammer) den Klägern mit Entscheid vom 21. Juni 1958 wegen Aussichtslosigkeit ihres Begehrens das Armenrecht entzogen hatte. C.- Am 4. April 1960 leiteten Mutter und Kind gegen Dr. X Klage ein mit dem Begehren, er sei zu verurteilen, der Erstklägerin Fr. 1189.95 nebst 5% Zins seit 10. Juni 1959 und dem Zweitkläger Fr. 23'100.--, eventuell einen Fr. 8000.-- übersteigenden, richterlich zu bestimmenden Betrag zu bezahlen. Sie machten geltend, der Beklagte habe die Verspätung der Vaterschaftsklage verschuldet. Zu welchem Ergebnis der Vaterschaftsprozess geführt hätte, könne nicht mit Sicherheit festgestellt werden, doch sei anzunehmen, dass das Gericht die Vaterschaft G.s bejaht hätte. Der Beklagte sei verpflichtet, ihnen den Kapitalbetrag der Vermögensleistungen zu ersetzen, zu denen G. verurteilt worden wäre. Der Beklagte bestritt, eine ihm obliegende Sorgfaltspflicht verletzt zu haben, da er in guten Treuen habe annehmen dürfen, die Klagefrist sei noch nicht abgelaufen. Er machte ausserdem geltend, ein Schaden könnte nur angenommen werden, wenn mit Sicherheit nachgewiesen wäre, dass die Kläger den Vaterschaftsprozess gewonnen hätten, was von den Klägern nicht einmal behauptet werde. Überdies würde die Kläger ein Selbstverschulden treffen. Die Klage sei daher unbegründet. Der als einzige kantonale Instanz urteilende Appellationshof des Kantons Bern (II. Zivilkammer) nahm an, der Beklagte hafte den Klägern als Beauftragter gemäss Art. 398 OR für getreue und sorgfältige Ausführung des ihm übertragenen Geschäfts. Indem er vor Ablauf der Klagefrist von Art. 308 ZGB weder die Klage eingereicht noch ein neues Gesuch um Abhaltung eines Aussöhnungsversuchs gestellt habe, habe er die ihm obliegende Sorgfaltspflicht verletzt. Er könne die Verantwortung für die Versäumung der Klagefrist nicht auf die Erstklägerin (die ihm gewisse Belege nicht rechtzeitig übergab) oder auf den Beistand des Zweitklägers (der ihn nicht auf den drohenden BGE 87 II 364 S. 368 Fristablauf hinwies) abschieben. Ohne seine Säumnis hätten die Kläger begründete Aussicht gehabt, den Vaterschaftsprozess zu gewinnen. Obwohl G. auch als Zeuge im vorliegenden Prozess jeden intimen Verkehr mit der Erstklägerin bestritten habe, müsse auf Grund der glaubhaften, durch Indizien gestützten Aussagen der Erstklägerin in dem im vorliegenden Prozess durchgeführten Parteiverhör "die hohe Wahrscheinlichkeit der sexuellen Beziehungen der Erstklägerin mit G. in der kritischen Zeit als genügend dargetan gewertet werden", womit (da Mehrverkehr in der kritischen Zeit nicht nachgewiesen sei) "auch die Vaterschaft als nachgewiesen zu gelten" habe. Unzüchtiger Lebenswandel um die Zeit der Empfängnis ( Art. 315 ZGB ) könne der Erstklägerin nicht vorgeworfen werden. Der Beklagte sei daher grundsätzlich verpflichtet, die Kläger für den Verlust der Ansprüche aus Art. 317 und 319 ZGB zu entschädigen. Die Erstklägerin hätte im Vaterschaftsprozess Fr. 710.95 fordern können, und es dürfe angenommen werden,dass für den Zweitkläger monatliche Unterhaltsbeiträge von Fr. 100.-- festgesetzt worden wären, deren Kapitalwert Fr. 17'940.-- ausmache. Dieser Schaden sei den Klägern voll zu ersetzen, da ein Selbstverschulden nicht nachgewiesen sei. Demgemäss hat der Appellationshof den Beklagten am 14. Juni 1961 verurteilt, der Erstklägerin Fr. 710.95 nebst 5% Zins seit 10. Juni 1959 und dem Zweitkläger Fr. 17'940.-- zu bezahlen. D.- Gegen dieses Urteil hat der Beklagte die Berufung an das Bundesgericht erklärt mit dem Antrag auf Abweisung der Klage. Die staatsrechtliche Beschwerde, mit der er das Urteil des Appellationshofes wegen Verletzung von Art. 4 BV (nämlich wegen willkürlicher Beweiswürdigung) anfocht, ist heute abgewiesen worden. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Der Beklagte bestreitet mit Recht nicht mehr, dass er den Klägern als ihr Armenanwalt nach den Vorschriften BGE 87 II 364 S. 369 über den Auftrag ( Art. 398 OR ) haftet (vgl. GAUTSCHI N. 30 b a.E. zu Art. 394 OR ). Als er den Auftrag erhielt, die Kläger im Vaterschaftsprozess gegen G. zu vertreten, war die Klage noch nicht beim Gericht hängig. Er hatte also in erster Linie für die Wahrung der Klagefrist von Art. 308 ZGB zu sorgen, die bis zum 15. November 1957 lief. Eine bundesrechtliche Klagefrist ist auf jeden Fall gewahrt, wenn die Klage vor Ablauf der Frist unter Beobachtung der dafür geltenden prozessualen Vorschriften bei dem für ihre Beurteilung zuständigen Gericht eingereicht wird. Es genügt dafür aber auch die innert Frist erfolgte, vom kantonalen Prozessrecht als erste Prozesshandlung obligatorisch oder fakultativ vorgesehene Anrufung des Sühnbeamten, wenn dieser die Streitsache mangels Aussöhnung der Parteien von Amtes wegen an das erkennende Gericht weiterzuleiten hat oder wenn die klagende Partei dies zur Vermeidung von Rechtsnachteilen binnen einer bestimmten Frist nach der erfolglosen Beendigung des Sühnverfahrens selber tun muss, wie es nach Art. 153/155 der bernischen ZPO zutrifft, und wenn die klagende Partei diese kantonale Frist dann auch wirklich einhält ( BGE 74 II 16 ff., BGE 85 II 536 Erw. 3 mit Hinweisen). Der Beklagte hatte also bis zum 15. November 1957 die Vaterschaftsklage beim Amtsgericht einzureichen oder wenigstens beim Gerichtspräsidenten ein Gesuch um Ladung zu einem Aussöhnungsversuch zu stellen (und dann binnen sechs Monaten von der Klagebewilligung an die gerichtliche Klage zu erheben), es sei denn, dass die den Klägern nach dem Misslingen des Aussöhnungsversuchs vom 26. Februar 1957 erteilte Klagebewilligung über den 15. November 1957 hinaus wirksam war, m.a.W. dass die durch diese Bewilligung in Gang gesetzte Frist von sechs Monaten zur Einreichung der Klage beim Gericht erst nach diesem Zeitpunkt ablief. Der Beklagte macht geltend, er habe dies in guten Treuen annehmen dürfen. Die Gründe, die er dafür anführt, BGE 87 II 364 S. 370 mögen zum Teil erwägenswert sein. Die Armenrechtsakten, insbesondere der Umstand, dass die Erteilung der Klagebewilligung erst am Schluss des Protokolls der Verhandlung vom 26. Februar 1957 beurkundet worden war, konnten jemanden, der jener Verhandlung nicht beigewohnt hatte, auf den (nach den Feststellungen im Amtsgerichtsurteil vom 25. März 1958 freilich irrigen) Gedanken bringen, die Klagebewilligung sei damals erst nach dem Weggang der gesetzlichen Vertreter der Kläger und daher nicht gültig eröffnet worden; diesen Mangel habe erst die Zustellung der - die Klagebewilligung erwähnenden - Verfügung vom 26. September 1957 über die Ernennung des Beklagten zum Armenanwalt behoben. Auch hat die Ansicht etwas für sich, es dürfe, ganz abgesehen vom Zeitpunkt der Eröffnung, nicht angenommen werden, dass die einer armen Partei erteilte Klagebewilligung schon vor der Gewährung des im Gesuch um Ladung zum Aussöhnungsversuch verlangten Armenrechts in Kraft trete, d.h. dass die Klagefrist des Art. 153 ZPO zu laufen beginne und sogar ablaufen könne, bevor die arme Partei in der Lage ist, von ihr Gebrauch zu machen; denn man kann mit beachtlichen Gründen die Meinung vertreten, dass die arme Partei hiedurch in einer gegen die Rechtsgleichheit verstossenden und daher unzulässigen Weise benachteiligt würde. Durch solche Überlegungen durfte sich jedoch der Beklagte (wenn er sie überhaupt schon zu jener Zeit anstellte, was die Vorinstanz bezweifelt) nicht davon abhalten lassen, bis zum 15. November 1957 die Klage einzureichen oder ein neues Sühnbegehren zu stellen. Bei sorgfältiger Prüfung der Lage, wie sie ihm zuzumuten war, durfte er nämlich keineswegs für sicher halten, dass die Gerichte seine Auffassung teilen würden. Angesichts des Datums des die Klagebewilligung beurkundenden Protokolls und des Wortlauts von Art. 153 ZPO musste er vielmehr ernstlich mit einer gegenteiligen Entscheidung rechnen, wie sie dann wirklich erfolgt ist. Unter diesen Umständen BGE 87 II 364 S. 371 war es seine klare Pflicht, so zu handeln, dass über die Rechtzeitigkeit der Klage keine Diskussion entstehen konnte, d.h. innert der bis zum 15. November 1957 laufenden Frist von Art. 308 ZGB eine der beiden erwähnten Massnahmen zu ergreifen (vgl. STAUDINGER, 11. Aufl., N. 201 der Vorbemerkungen vor § 611 BGB, S. 1152, wo unter Hinweis auf die deutsche Rechtsprechung gesagt wird, der Anwalt müsse in zweifelhaften Fällen "die sichere und zweifelsfreiere Massnahme wählen"). So vorzugehen, war ihm um so eher zuzumuten, als er sich nicht etwa in Zeitnot befand. Von der Eröffnung des Armenrechtsentscheides (3. Oktober 1957) bis zum Ablauf der bundesrechtlichen Klagefrist (15. November 1957) standen ihm volle sechs Wochen zur Verfügung. Dass die Erstklägerin ihm gewisse Belege (Quittungen) nicht rechtzeitig zur Verfügung stellte, konnte ihn, wie die Vorinstanz in Auslegung des in diesem Punkte massgebenden kantonalen Prozessrechts verbindlich festgestellt hat, nicht hindern, die Klage innert Frist einzureichen. Im übrigen hatte er, wenn er die Klageschrift aus irgendeinem Grunde bis zum 15. November 1957 nicht fertigstellen konnte, auf jeden Fall die Möglichkeit, innert der Frist ein neues Sühnbegehren zu stellen, was nur eine geringfügige Mühewaltung erforderte. Indem er weder das eine noch das andere tat, verletzte er ein elementares Gebot der Vorsicht. Hieran kann nichts ändern, dass das Richteramt und der Beistand des Kindes es unterliessen, ihn bei bzw. gleich nach seiner Ernennung zum Armenanwalt darauf aufmerksam zu machen, dass nach ihrer Auffassung die Frist von Art. 153 ZPO , auf die er sich verliess, schon am 26. Februar 1957 begonnen habe und folglich bereits abgelaufen sei; denn er konnte sich auf Grund der Akten ohne weiteres selber davon Rechenschaft geben, dass das Gericht zu dieser Ansicht kommen und deshalb die Klage als verspätet erklären könnte, wenn er über den 15. November 1957 hinaus untätig blieb. - Den Versuch, seiner abweichenden BGE 87 II 364 S. 372 Auffassung über den Beginn der Klagefrist von Art. 153 ZPO durch eine staatsrechtliche Beschwerde gegen die Entziehung des Armenrechts zum Durchbruch zu verhelfen, hat er nicht unternommen. Nach alledem muss er sich den Vorwurf gefallen lassen, die Abweisung der Vaterschaftsklage wegen Verspätung durch ein grob fahrlässiges Verhalten verschuldet zu haben. Seine Haftung für den durch diesen Prozessausgang verursachten Schaden ist deshalb auch dann begründet, wenn man mit ihm annimmt, der Anwalt haffte nicht für leichtes Verschulden, sondern nur für grobe und offenkundige Fehler, wie das Bundesgericht dies in dem von ihm angerufenen EntscheideBGE 79 II 438unter Hinweis auf Entscheidungen über die Arzthaftpflicht beiläufig erklärt hatte. Es braucht daher nicht entschieden zu werden, ob dies wirklich als allgemeine Regel gelten könne oder ob unter Umständen eine weitergehende Haftung Platz greifen müsse (vgl. hiezu GAUTSCHI, der in N. 34 c zu Art. 398 OR u.a. sagt, es bestehe eine "strenge Haftung" des Anwalts für prozessrechtliche Fehler wie z.B. Fristversäumnis). 2. Die Kläger fordern als Schadenersatz den Kapitalbetrag der Vermögensleistungen, zu denen G. im Falle der Gutheissung ihrer Vaterschaftsklage verurteilt worden wäre. Für diesen Betrag haftet ihnen der Beklagte nur, wenn angenommen werden darf, die Kläger hätten den Vaterschaftsprozess gewonnen, falls er die Klage rechtzeitig eingereicht hätte. Wie ein wegen Versäumung der Klagefrist nicht durchgeführter Prozess bei Einhaltung dieser Frist ausgegangen wäre, lässt sich nicht mit absoluter Sicherheit feststellen. Es sind darüber vielmehr nur Vermutungen möglich. Das gilt sowohl hinsichtlich der Tatsachen, die im fraglichen Prozess festgestellt worden wären, als auch hinsichtlich der rechtlichen Beurteilung, welche diese Tatsachen erfahren hätten. Dies schliesst jedoch die Leistung des Beweises, dass die klagende Partei den Prozess bei Einhaltung der BGE 87 II 364 S. 373 Klagefrist gewonnen hätte und dass der ihr durch die Versäumung der Frist zugefügte Schaden folglich dem Betrag entspreche, der ihr im Falle ihres Obsiegens als Prozessgewinn zugekommen wäre, nicht von vornherein aus. Auf Grund der im Schadenersatzprozess nachgeholten Abklärung der Verhältnisse, die für die materielle Beurteilung der verwirkten Klage erheblich gewesen wären, kann sich die Annahme, dass diese Klage geschützt worden wäre, so stark aufdrängen, dass der Beweis hiefür als erbracht angesehen werden darf. Im Schadenersatzprozess in dieser Weise die Aussichten des nicht durchgeführten Vorprozesses zu prüfen, ist der französischen wie der deutschen Rechtsprechung geläufig (vgl. MAZEAUD & TUNC, Traité théorique et pratique de la responsabilité civile délictuelle et contractuelle, 1. Band, 5. Aufl. 1957, no 219 S. 280: "... les juges examinent ce que valait au fond ce procès ...", und STAUDINGER a.a.O. S. 1153 vor N. 202, wo unter Anführung von Präjudizien ausgeführt wird, bei Beurteilung der Frage, ob der Kläger in einem Rechtsstreit infolge Pflichtverletzung des Anwalts einen Schaden erlitten habe, sei "davon auszugehen, dass bei Erfüllung der Pflicht die richtige, d.h. die Entscheidung von dem Vorgericht gefällt worden wäre, die das jetzt über den Ersatzanspruch entscheidende Gericht für richtig hält"). Dass das Urteil im Vorprozess so ausgefallen wäre, wie dies der Richter im Schadenersatzprozess annimmt, kann namentlich in solchen Fällen als praktisch sicher erscheinen, wo über die Schadenersatzklage das Gericht befindet, das den Vorprozess zu beurteilen gehabt hätte. Das Bundesgericht kann im Schadenersatzprozess die Auffassung des als letzte (oder einzige) kantonale Instanz urteilenden Gerichts über die vermutlichen Aussichten des nicht durchgeführten Vorprozesses jedenfalls insoweit überprüfen, als sie sich auf Erwägungen über vom Bundesrecht beherrschte Fragen stützt. Ob seiner Überprüfung auch die Vermutungen der Vorinstanz darüber unterliegen, welche Tatsachen im Vorprozess festgestellt worden BGE 87 II 364 S. 374 wären, oder ob diese Vermutungen wie gemäss Art. 63 Abs. 2 OG die eigentlichen tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz für es verbindlich seien, braucht heute nicht grundsätzlich abgeklärt zu werden (vgl. zur Frage der Überprüfbarkeit von Hypothesen darüber, was in einem nicht eingetretenen Falle geschehen wäre, einerseitsBGE 76 II 15und 279, BGE 80 III 57 , anderseits BGE 80 II 333 , BGE 85 II 39 und BGE 86 II 187 , wo infolge eines Druckfehlers BGE 83 II 39 statt BGE 85 II 39 zitiert ist). Solche Vermutungen dürfen nämlich, wenn überhaupt, nur mit Zurückhaltung überprüft werden, da sie naturgemäss weitgehend durch die der Vorinstanz zustehende Würdigung der im Schadenersatzprozess erhobenen Beweise präjudiziert sind. Das Bundesgericht darf also von derartigen Vermutungen höchstens dann abweichen, wenn schwerwiegende Gründe gegen sie sprechen, insbesondere wenn sie mit einer Erfahrungsregel unvereinbar sind, und dies trifft hier nicht zu. Der bernische Appellationshof hat auf Grund eines einlässlichen Beweisverfahrens gründlich geprüft, wie der Vaterschaftsprozess der Kläger gegen G. vermutlich ausgegangen wäre, wenn der Beklagte die Klage rechtzeitig eingereicht hätte. Er hat dabei mit Recht die Beweisvorschriften berücksichtigt, die für Vaterschaftssachen gelten. Die Ansicht des Beklagten, im Haftpflichtprozess seien an den Beweis des Geschlechtsverkehrs strengere Anforderungen zu stellen als im Vaterschaftsprozess, geht fehl; denn im Haftpflichtprozess kommt es u.a. eben gerade darauf an, ob die Beiwohnung in der kritischen Zeit im Vaterschaftsprozess als bewiesen betrachtet worden wäre. Dass die Kläger im Haftpflichtprozess (zutreffend) erklärt haben, das Ergebnis des abgebrochenen Vaterschaftsprozesses lasse sich nicht mit Sicherheit feststellen, kann ihnen entgegen der Meinung des Beklagten nicht zum Nachteil gereichen, da für den Schadensbeweis im Haftpflichtprozess nach dem Gesagten genügen muss, dass angenommen werden darf, die Kläger hätten den Vaterschaftsprozess höchst wahrscheinlich gewonnen. Die Annahme, BGE 87 II 364 S. 375 dass in diesem Prozess die Beiwohnung in der kritischen Zeit als hinlänglich bewiesen erachtet worden wäre, die dem angefochtenen Urteil zugrundeliegt, lässt sich angesichts des vom Appellationshof festgestellten Ergebnisses des im Haftpflichtprozess durchgeführten Beweisverfahrens nicht beanstanden. Sie entspricht durchaus der Art, wie die bernischen Gerichte in Vaterschaftssachen auf Grund der kantonalen ZPO erfahrungsgemäss solche Beweisfragen zu beurteilen pflegen, und hat eine um so grössere Wahrscheinlichkeit für sich, als der Vaterschaftsprozess im Falle seiner materiellen Beurteilung aller Voraussicht nach an den Appellationshof weitergezogen worden wäre, so dass die vom Appellationshof im vorliegenden Prozess geäusserte Ansicht über das mutmassliche Ergebnis des Vaterschaftsprozesses als die Ansicht der Instanz gelten kann, die in diesem Prozess die tatsächlichen Verhältnisse abschliessend festzustellen gehabt hätte. Der Versuch des Beklagten, die Beweiswürdigung des Appellationshofs mit staatsrechtlicher Beschwerde als willkürlich anzufechten, ist misslungen. Gegen die Annahme der Vorinstanz, dass G. mit den Einreden aus Art. 314 Abs. 2 und Art. 315 ZGB nicht durchgedrungen wäre, wendet der Beklagte mit Recht nichts ein. Bei der Schlussfolgerung des Appellationshofes, es dürfe mit hinlänglicher Sicherheit angenommen werden, dass die Kläger den Vaterschaftsprozess gewonnen hätten, muss es daher sein Bewenden haben, was zur Folge hat, dass die Schadenersatzansprüche der Kläger gegen den Beklagten grundsätzlich zu schützen sind. 3. Die Bemessung der Leistungen, die den Klägern bei Gutheissung der Vaterschaftsklage zugesprochen worden wären, die Zusprechung eines Kapitalbetrags als Ersatz der dem Zweitkläger entgangenen Unterhaltsbeiträge und die Berechnung dieses Kapitalbetrags sind nicht angefochten. Die Würdigung der Grösse des Verschuldens des Beklagten ( Art. 43 Abs. 1 OR ; BGE 82 II 31 ) kann nicht zu einer BGE 87 II 364 S. 376 Ermässigung der Ersatzpflicht führen, da dem Beklagten entgegen seiner Ansicht nicht bloss ein leichtes Verschulden vorzuwerfen ist (vgl. Erw. 1 hievor). Ebensowenig kommt eine Ermässigung gemäss Art. 44 Abs. 1 OR in Frage. Darin, dass die Erstklägerin dem Beklagten gewisse Belege mit Verspätung zustellte, kann nicht ein für den Schaden kausales Mitverschulden erblickt werden, weil der Beklagte diese Belege für die rechtzeitige Einleitung der Klage nicht benötigte (Erw. 1 hievor) und weil er zudem selber nicht behauptet, dass er die Erstklägerin bei Einforderung dieser Belege auf den drohenden Fristablauf hingewiesen habe. Dem Beklagten kann aber auch nicht gefolgt werden, wenn er geltend macht, es bedeute ein für den Schaden mitursächliches, dem Zweitkläger anzurechnendes Verschulden, dass dessen Beistand ihn nicht auf den Fristenlauf aufmerksam machte; denn der Beistand durfte sich darauf verlassen, dass der Kläger selber in der Lage sei, die Fristberechnung vorzunehmen.
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Sachverhalt ab Seite 387 BGE 113 II 386 S. 387 A.- Mit Beschluss vom 4. Dezember 1984 wies die Vormundschaftsbehörde F. den 1942 geborenen J. nach Massgabe von Art. 397a ZGB in die Psychiatrische Klinik ein und erteilte dieser gleichzeitig einen Auftrag zur psychiatrischen Begutachtung. Da sich J. in der Folge erfreulich entwickelte, konnte er aus der Klinik entlassen werden, und die Vormundschaftsbehörde setzte ihn mit Beschluss vom 27. September 1985 auch wieder in die ein knappes Jahr zuvor entzogene Handlungsfähigkeit ein. Nachdem er erneut dem Alkohol verfallen war, trat J. im Frühjahr 1986 freiwillig in die Psychiatrische Klinik ein. Die Vormundschaftsbehörde ihrerseits ordnete die fürsorgerische Freiheitsentziehung an, erteilte der Klinik einen Auftrag zur Begutachtung der Frage, ob vormundschaftliche Massnahmen anzuordnen seien, und entzog J. wiederum gestützt auf Art. 386 Abs. 2 ZGB die Handlungsfähigkeit. Nun durch einen Rechtsanwalt vertreten, reichte J. im Herbst 1986 beim Bezirksrat Beschwerde gegen ein Schreiben der Vormundschaftsbehörde ein, worin sich diese gegen die Wiedereinräumung der vorsorglich entzogenen Handlungsfähigkeit ausgesprochen hatte. Der Bezirksrat wies die Beschwerde ab. J. zog diesen Entscheid an die Direktion der Justiz des Kantons Zürich weiter, welche die Beschwerde abwies. BGE 113 II 386 S. 388 B.- Inzwischen hat der Bezirksrat den Beschwerdeführer gestützt auf die beiden psychiatrischen Gutachten von 1985 und 1986 nach Massgabe der Art. 369 und 370 ZGB entmündigt. J. hat gerichtliche Beurteilung verlangt, und das Bezirksgericht hat die Entmündigung aufgrund von Art. 370 ZGB ausgesprochen. Dieser Entscheid ist an das Obergericht des Kantons Zürich weitergezogen worden und dort hängig. C.- Gegen die Verfügung der Direktion der Justiz hat J. staatsrechtliche Beschwerde an das Bundesgericht erhoben, die gutgeheissen worden ist, soweit darauf eingetreten werden konnte. Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. a) Zur Hauptsache legt der Beschwerdeführer der Direktion der Justiz des Kantons Zürich eine Verletzung der persönlichen Freiheit zur Last, weil sie ihm gestützt auf Art. 386 Abs. 2 ZGB die Handlungsfähigkeit entzogen und seinem Gesuch um Aufhebung dieser vorsorglichen Massnahme nicht entsprochen hat. Es fragt sich indessen, ob einer kantonalen Behörde aufgrund des Umstandes, dass sie eine Bestimmung des Bundeszivilrechts anwendet, die eine Beschränkung der persönlichen Freiheit ausdrücklich vorsieht, vorgeworfen werden kann, sie verletze dieses verfassungsmässige Recht. Die Frage kann offenbleiben, da den Ausführungen des Beschwerdeführers entnommen werden kann, dass er im Grunde genommen der Direktion der Justiz des Kantons Zürich eine willkürliche Anwendung von Art. 386 ZGB zum Vorwurf macht, und da - wie sich im folgenden erweisen wird - schon die Willkürrüge zur Aufhebung des angefochtenen Entscheides führt. b) Art. 386 Abs. 1 ZGB räumt der Vormundschaftsbehörde die Befugnis ein, von sich aus die erforderlichen Massregeln zu treffen, wenn es schon vor der Wahl des Vormundes notwendig wird, vormundschaftliche Geschäfte zu besorgen. Insbesondere kann die Vormundschaftsbehörde - gemäss Art. 386 Abs. 2 ZGB - die vorläufige Entziehung der Handlungsfähigkeit aussprechen und eine Vertretung anordnen. Nach der Rechtsprechung können solche vorsorgliche Massnahmen - vor allem auch die "vorläufige Entmündigung", wie die Entziehung der Handlungsfähigkeit etwa genannt wird (SCHNYDER/MURER, N. 71 zu Art. 386 ZGB ) - angeordnet werden, wenn sich eine Entmündigung wegen Misswirtschaft aufdrängt; BGE 113 II 386 S. 389 allenfalls schon vor Einreichung der Klage von seiten der Vormundschaftsbehörde soll der zu Entmündigende ohne Verzug daran gehindert werden, in bisheriger Weise zum Nachteil seines eigenen Vermögens weiterzuwirtschaften ( BGE 57 II 8 ; ZVW 24/1969, S. 66 ff.). Dabei wird allerdings gefordert, dass die Entmündigung nicht schon aufgrund eines blossen Scheines eines Entmündigungsgrundes vorweggenommen wird, sondern dass die Vormundschaftsbehörde die vorsorgliche Massnahme erst anordnet, wenn sie sich vom Vorhandensein eines Entmündigungsgrundes überzeugt hat, soweit dies mit den ihr zum Zeitpunkt der Anordnung zur Verfügung stehenden Mitteln möglich ist. Im Lichte des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit müssen die gestützt auf Art. 386 ZGB ergriffenen Massnahmen sich auf das gerade Notwendige beschränken. Zur Entziehung der Handlungsfähigkeit im Sinne von Art. 386 Abs. 2 ZGB darf erst geschritten werden, wenn die vertretungsweise Vornahme der vormundschaftlichen Geschäfte, wie sie gestützt auf Art. 386 Abs. 1 ZGB möglich ist, nicht genügt, um die wirtschaftlichen Interessen des Betroffenen, seiner Familie und auch Dritter zu schützen (SCHNYDER/MURER, N. 12, 20, 27, 40 zu Art. 386 ZGB ; Kommentar EGGER, N. 8, 26 zu Art. 386 ZGB ). Art. 386 Abs. 2 ZGB kann nur zum Zuge kommen, wenn mit grosser Wahrscheinlichkeit ein Entmündigungsgrund vorliegt und dringende vormundschaftliche Geschäfte zu besorgen sind, die nicht anders als durch die sofortige Entziehung der Handlungsfähigkeit bewältigt werden können (SCHNYDER/MURER, N. 79, 82 zu Art. 386 ZGB ; EGGER, N. 30 zu Art. 386 ZGB ). Sobald diese sachlichen Voraussetzungen nicht mehr gegeben sind oder Massnahmen nach Art. 386 Abs. 1 ZGB ausreichen, muss die vorläufige Vormundschaft sofort aufgehoben werden - dies ungeachtet dessen, ob das ordentliche Entmündigungsverfahren seinen Fortgang nimmt (SCHNYDER/MURER, N. 119 zu Art. 386 ZGB ). c) Die Direktion der Justiz des Kantons Zürich hat die Weigerung, den Beschwerdeführer wieder in seine Handlungsfähigkeit einzusetzen, damit begründet, dass nach dem Gutachten der Psychiatrischen Klinik eine Beistandschaft oder Beiratschaft nicht ausreiche; vielmehr seien die Voraussetzungen für eine Entmündigung nach Art. 379 ZGB - recte wohl: Art. 369 ZGB - erfüllt. Der Beschwerdeführer sei schwer alkoholabhängig und leide an körperlichen Entzugserscheinungen wie auch an schweren sozialen BGE 113 II 386 S. 390 Folgeschäden. Hinzu komme, dass der Beschwerdeführer auf Arbeitssuche sei und die Klinik in absehbarer Zeit verlassen werde. Nach ständiger Praxis sei die Wiedereinräumung der Handlungsfähigkeit nicht in Betracht zu ziehen, wenn die Voraussetzungen für die Entmündigung erfüllt scheinen oder die zuständige Behörde sie sogar schon ausgesprochen habe oder das gerichtliche Verfahren hängig sei. Als merkwürdig bezeichnet die Direktion der Justiz des Kantons Zürich die Auffassung des Beschwerdeführers, dass seine Schulden gegenüber der Gemeinde nicht ins Gewicht fallen sollten. Die Tatsache, dass Fürsorgeleistungen hätten erbracht werden müssen, zeige, dass der Beschwerdeführer nicht in der Lage sei, für sich zu sorgen und den Verpflichtungen gegenüber seiner Familie nachzukommen. In der dem Bundesgericht eingereichten Vernehmlassung teilt die Direktion der Justiz des Kantons Zürich mit, dass das Bezirksgericht die Entmündigung ausgesprochen habe und damit dem psychiatrischen Gutachten gefolgt sei. Aus den Akten gehe mit aller Deutlichkeit hervor, dass dem Beschwerdeführer schon früher Gelegenheit zur Bewährung gegeben worden sei, er diese aber nicht habe nutzen können. Daher habe ihm die Handlungsfähigkeit entzogen werden müssen. Es würde zu einem merkwürdigen Ergebnis führen, wenn bei wahrscheinlicher Entmündigung, wie sie auch das letzte psychiatrische Gutachten empfehle, und bei pendentem Entmündigungsverfahren die Handlungsfähigkeit wieder eingeräumt würde mit dem Ergebnis, dass der Beschwerdeführer ihrer kurze Zeit später wegen Entmündigung wieder verlustig ginge. Der Beschwerdeführer habe sich selber mit dem Entzug der Handlungsfähigkeit einverstanden erklärt und sich erst später um die Rückgängigmachung der vorsorglichen Massnahme bemüht. d) Aus den Ausführungen der Direktion der Justiz des Kantons Zürich geht - wie der Beschwerdeführer zutreffend hervorhebt - nicht hervor, inwiefern heute dringende vormundschaftliche Geschäfte zu besorgen wären oder inwiefern der Beschwerdeführer durch die Entziehung der Handlungsfähigkeit im jetzigen Zeitpunkt davor bewahrt werden müsste, durch die Verschleuderung von Vermögenswerten seine eigene wirtschaftliche Existenz oder jene seiner Familie ernstlich zu gefährden (vgl. zur Kasuistik SCHNYDER/MURER, N. 102 ff. zu Art. 386 ZGB ). Der Beschwerdeführer hat wegen seiner Alkoholsucht seit 1974 die Vormundschaftsbehörden beschäftigt. Auch müssen er BGE 113 II 386 S. 391 und seine Familie seit Jahren unterstützt werden, was zu einer hohen Verschuldung gegenüber der Gemeinde geführt hat. Nach seinem letzten Rückfall sah der Beschwerdeführer selber ein, dass er der Betreuung bedurfte, und er trat daher freiwillig in die Psychiatrische Klinik ein. Von dort aus wandte er sich an die Vormundschaftsbehörde, die dadurch erfuhr, dass die Nachbetreuung durch die Alkoholfürsorgestelle nicht zum Tragen gekommen war. Diese Nachbetreuung war mit ein Grund für die seinerzeitige Wiedereinsetzung in die Handlungsfähigkeit gewesen. Im Zeitpunkt der erneuten Entziehung der Handlungsfähigkeit liess sich demnach, entgegen der Meinung des Beschwerdeführers, die behördliche Massnahme nicht beanstanden. Abgesehen von dem der Vormundschaftsbehörde zustehenden Ermessen, ist zu berücksichtigen, dass die Behörde rasch handeln musste und deshalb nur summarisch prüfen konnte, ob die Voraussetzungen zur Anordnung der vorsorglichen Massnahme gegeben waren. Für den Zeitpunkt aber, wo der Beschwerdeführer um Wiedereinsetzung in die Handlungsfähigkeit ersucht hat, wird nichts Konkretes vorgebracht, was die Aufrechterhaltung der vorsorglichen Massnahme nach Art. 386 Abs. 2 ZGB rechtfertigen würde. Das wäre notwendig, um einem Gesuch um Aufhebung der vorläufigen Entmündigung entgegentreten zu können. Die Tatsache, dass das Bezirksgericht inzwischen die Entmündigung ausgesprochen hat, genügt dafür ebensowenig wie die Tatsache, dass der Beschwerdeführer verschuldet ist. Letzteres ist zwar eine Folge der wegen der Trunksucht verminderten Arbeitsfähigkeit und des Verlustes von Arbeitsstellen (Genaueres hierüber lässt sich auch den Akten nicht entnehmen). Indessen vermögen die Schulden noch nicht die fortgesetzte Entziehung der Handlungsfähigkeit zu begründen, da diese vorsorgliche Massnahme - wie dargelegt - nur aufrechterhalten werden könnte, wenn dringliche vormundschaftliche Geschäfte zu besorgen wären oder der Beschwerdeführer vor der Verschleuderung vorhandener Vermögenswerte bewahrt werden müsste. In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten, dass der Beschwerdeführer sich im gegenwärtigen Zeitpunkt offenbar noch in der Psychiatrischen Klinik aufhält. Seine wirtschaftliche Existenz lässt sich demnach im gegenwärtigen Zeitpunkt durch andere Massnahmen als durch die - als ultima ratio vorgesehene - Entziehung der Handlungsfähigkeit sichern. BGE 113 II 386 S. 392 Bei allem Verständnis für die heikle Aufgabe der Vormundschaftsbehörde kann nicht eine vorsorgliche Massnahme gebilligt werden, deren Aufrechterhaltung praktisch darauf hinausläuft, dass die (hier nicht zu diskutierende) Entmündigung vorweggenommen wird. Weder die ins Feld geführte Praxis der Zürcher Behörden noch die Überlegung, dass mit der Aufhebung der vorsorglichen Massnahme der Beschwerdeführer wieder in seine Handlungsfähigkeit eingesetzt werde, diese ihm im Zeitpunkt, wo die Entmündigung in Rechtskraft tritt, aber doch wieder entzogen werde, können Anlass dazu geben, die gestützt auf Art. 386 Abs. 2 ZGB angeordnete Massnahme weiterbestehen zu lassen. Vielmehr ist die vorsorgliche Massnahme sofort aufzuheben, wenn die Voraussetzungen hiefür weggefallen sind. Der angefochtene Entscheid der Direktion der Justiz des Kantons Zürich erweist sich demnach nicht nur in der Begründung, sondern auch im Ergebnis als unhaltbar, so dass er wegen Verletzung des Willkürverbots aufzuheben ist ( BGE 111 III 10 E. 3a, mit Hinweisen).
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Sachverhalt ab Seite 118 BGE 110 Ia 117 S. 118 Mit Schreiben vom 29. Juli 1982 ersuchte S.X. das Vormundschaftsamt der Stadt Zug, seiner Mutter A.X. einen Vormund zu bestellen. Zur Begründung machte er geltend, diese leide seit Jahren an einer altersbedingten, fortschreitenden Arteriosklerose und könne deshalb ihre Angelegenheiten nicht mehr selber besorgen. Da sie nicht nur über ein grosses Vermögen verfüge und zudem einen erheblichen Teil des Nachlasses ihres Ehemannes als Vorerbin zu verwalten habe, sondern auch als dessen Willensvollstreckerin amte, sei sie dem Missbrauch und der Ausnützung durch Dritte preisgegeben. Mit Beschluss vom 13. Januar 1983 beauftragte der Stadtrat von Zug als Vormundschaftsbehörde den Kantonsarzt, über den Geisteszustand von A.X. ein Gutachten zu erstellen oder durch einen Facharzt erstellen zu lassen. Er wies A.X. unter Androhung von Ungehorsamsstrafe bzw. polizeilicher Vorführung an, sich für die ärztliche Untersuchung zur Verfügung zu halten. Eine Beschwerde gegen diesen Beschluss wurde vom Regierungsrat des Kantons Zug als vormundschaftlicher Aufsichtsbehörde mit Entscheid vom 28. Juni 1983 gutgeheissen, der angefochtene Beschluss aufgehoben und die Sache zur ergänzenden Abklärung und Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen an den Stadtrat von Zug zurückgewiesen. Gegen den Entscheid des Regierungsrats erhob der Stadtrat von Zug Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Verwaltungsgericht BGE 110 Ia 117 S. 119 des Kantons Zug. Mit Entscheid vom 23. Februar 1984 hiess dieses die Beschwerde gut und stellte den Beschluss des Stadtrats vom 13. Januar 1983 wieder her. Gegen diesen Entscheid hat A.X. beim Bundesgericht staatsrechtliche Beschwerde erhoben, mit der sie dessen Aufhebung verlangt. Der Stadtrat von Zug und das Verwaltungsgericht des Kantons Zug beantragen die Abweisung der Beschwerde. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Nach § 48 Abs. 1 EG ZGB ZG hat die Vormundschaftsbehörde, wenn ein Bevormundungsfall nach Art. 369 oder 370 ZGB eintritt, vorerst gemäss Art. 374 ZGB vorzugehen und die weiteren Erhebungen zu machen. Nach Abschluss der Untersuchung entscheidet die Vormundschaftsbehörde über die Entmündigung und teilt den Entscheid dem Betroffenen und dem Regierungsrat mit (§ 48 Abs. 3 EG ZGB). Dieser kann nach § 49 Abs. 1 EG ZGB einen Entmündigungsentscheid auf Beschwerde hin oder von Amtes wegen aufheben. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts beschränkt sich die Zuständigkeit des Regierungsrates im Sinne dieser Bestimmung auf den das Entmündigungsverfahren abschliessenden Entscheid. Ein solcher Entscheid liege jedoch nicht vor. Der Regierungsrat habe vielmehr während des Verfahrens in die Abklärungen der Vormundschaftsbehörde eingegriffen. Im Rahmen ihres allgemeinen Aufsichtsrechts schreite die Aufsichtsbehörde aber nur ein, wenn die zuständige Behörde willkürlich handle oder die pflichtgemässe Sorgfalt verletze. Ein solcher Vorwurf könne der Vormundschaftsbehörde nicht gemacht werden, wenn sie im Rahmen des Entmündigungsverfahrens zunächst den ärztlichen Bericht einholte. Der Regierungsrat habe daher keinen Anlass gehabt, aufsichtsrechtlich in das laufende Verfahren einzugreifen. 2. Die Beschwerdeführerin macht zunächst geltend, das Verwaltungsgericht habe mit seiner Auslegung der §§ 48 und 49 EG ZGB ZG bundesrechtliche Vorschriften über die Abgrenzung der sachlichen Zuständigkeit der Behörden verletzt, was mit staatsrechtlicher Beschwerde im Sinne von Art. 84 lit. d OG gerügt werden könne. Nach Art. 420 Abs. 2 ZGB könne nämlich nicht nur gegen verfahrensabschliessende Entscheide, sondern gegen sämtliche Beschlüsse der Vormundschaftsbehörde bei der Aufsichtsbehörde Beschwerde geführt werden. Diese Bestimmung BGE 110 Ia 117 S. 120 kommt indessen im Entmündigungsverfahren gar nicht zur Anwendung (SCHNYDER/MURER, N. 193 zu Art. 373 ZGB ). Art. 373 Abs. 1 ZGB überlässt die Regelung des Entmündigungsverfahrens den Kantonen. Insbesondere sind diese in der Ausgestaltung des Instanzenzugs frei, und zwar gilt dies auch dann, wenn ein Kanton den Entscheid über die Entmündigung den vormundschaftlichen Behörden überträgt ( BGE 85 II 282 /283, BGE 82 II 207 /208; SCHNYDER/MURER, N. 163 ff. zu Art. 373 ZGB ). Es fehlt daher zum vornherein an einer bundesrechtlichen Zuständigkeitsvorschrift, die das Verwaltungsgericht verletzt haben könnte, weshalb in diesem Punkt auf die Beschwerde nicht einzutreten ist. 3. Das Bundesgericht kann somit nur prüfen, ob das Verwaltungsgericht die Zuständigkeitsvorschriften des kantonalen Rechts in willkürlicher Weise angewandt habe. Die - übrigens nicht näher begründete - Rüge der Verletzung der Garantie des verfassungsmässigen Richters hat daneben keine selbständige Bedeutung, da das Bundesgericht das kantonale Recht in diesem Zusammenhang ohnehin nur auf Willkür überprüfen kann ( BGE 107 Ia 47 ). Willkür kann dem Verwaltungsgericht indessen nicht zur Last gelegt werden, wenn es die Beschwerde gegen den Beschluss des Stadtrats ausschloss. Wenn der Regierungsrat gemäss § 49 Abs. 1 EG ZGB ZG von Amtes wegen, d.h. unabhängig von einer entsprechenden Beschwerde des Betroffenen, einen Entmündigungsentscheid überprüfen kann, so folgt daraus keineswegs zwingend, dass er auch befugt sei, auf Beschwerde hin in das vor der Vormundschaftsbehörde hängige Verfahren einzugreifen. Inwiefern das Verwaltungsgericht gegen eine diesbezüglich eindeutige und klare kantonale Zuständigkeitsregel verstossen haben soll, wird von der Beschwerdeführerin nicht näher dargetan und ist auch nicht ersichtlich. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass prozessleitende Anordnungen im allgemeinen nicht gesondert mit Verwaltungsbeschwerde angefochten werden können, lässt sich mit sachlichen Gründen vertreten und ist daher nicht willkürlich. Auch hinsichtlich der eigenen Zuständigkeit ist das Verwaltungsgericht nicht in Willkür verfallen. Die Beschwerdeführerin übersieht auch hier, dass die Bestimmungen über die Beschwerde an die vormundschaftliche Aufsichtsbehörde im Entmündigungsverfahren nicht anwendbar sind. Es ist daher ohne Belang, ob es im Kanton Zug eine obere Aufsichtsbehörde im Sinne von Art. 361 Abs. 2 ZGB gibt oder nicht. BGE 110 Ia 117 S. 121 4. Die Beschwerdeführerin rügt ferner, das Verwaltungsgericht habe die Legitimation des Stadtrats zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde in willkürlicher Weise bejaht. Nach § 62 in Verbindung mit § 41 Abs. 2 des kantonalen Gesetzes über den Rechtsschutz in Verwaltungssachen vom 1. April 1976 steht das Beschwerderecht zur Wahrung öffentlicher Interessen unter anderem auch den Gemeinderäten zu. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin liegt auf der Hand, dass die Vormundschaftsbehörde im Entmündigungsverfahren öffentliche Interessen wahrzunehmen hat, ob sie nun als Antragstellerin oder als selbst verfügende Instanz auftritt. Die Entmündigung betrifft nicht nur den Betroffenen selber, sondern auch die Öffentlichkeit, namentlich den Rechtsverkehr. Aber auch dort, wo es um den Schutz des Betroffenen selber geht, handelt die zuständige Behörde offensichtlich nicht im eigenen, privaten Interesse, ist sie doch von Gesetzes wegen beauftragt, immer dann eine Entmündigung auszusprechen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen hiefür erfüllt sind. Die Vormundschaftsbehörde ist sodann auch daran interessiert, dass sie das Entmündigungsverfahren in der vom kantonalen Recht vorgeschriebenen Weise durchführen kann. Wenn die Beschwerdeführerin geltend macht, es fehle im vorliegenden Fall an einem öffentlichen Interesse an ihrer Entmündigung, so wird dies im Entscheid in der Sache selbst zu prüfen sein und hat mit der Beschwerdebefugnis des Stadtrats nichts zu tun. Die Legitimation eines Beteiligten zur Erhebung eines Rechtsmittels kann logischerweise nicht vom Ausgang des Verfahrens abhängig gemacht werden. Von Willkür kann daher auch in diesem Punkt nicht die Rede sein. 5. Die Beschwerdeführerin macht schliesslich geltend, die angeordnete Begutachtung verstosse gegen das Recht der persönlichen Freiheit und sei zudem unverhältnismässig. Wie das Bundesgericht bereits in seinem nicht veröffentlichten Entscheid vom 13. Juli 1983 in Sachen der Beschwerdeführerin gegen C.X. dargelegt hat, greift die Verpflichtung, sich für eine psychiatrische Begutachtung zur Verfügung zu halten, zwar in die persönliche Freiheit ein, doch ist der Eingriff nicht als schwer zu betrachten, weshalb die Anwendung des kantonalen Rechts in diesem Zusammenhang nur auf Willkür überprüft werden kann ( BGE 107 Ia 140 E. 4a, mit Hinweisen). Nach Art. 374 Abs. 2 ZGB darf eine Entmündigung wegen Geisteskrankheit oder Geistesschwäche nur nach Einholung des Gutachtens von Sachverständigen erfolgen. Es versteht sich von selbst, dass die Begutachtung auch gegen den BGE 110 Ia 117 S. 122 Willen des Interdizenden zulässig sein muss. Unter Umständen kann sogar eine kurzfristige Anstaltseinweisung nötig sein, ohne dass darin eine Verletzung der persönlichen Freiheit erblickt werden könnte (vgl. BGE 106 Ia 37 zu Art. 406 ZGB ; SCHNYDER/MURER, N. 120 zu Art. 374 ZGB ). Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin ergibt sich aus § 48 Abs. 1 EG ZGB ZG nicht zwingend, dass die Vormundschaftsbehörde das psychiatrische Gutachten erst einholen darf, nachdem sie die sozialen Voraussetzungen einer Entmündigung nach Art. 369 ZGB abgeklärt hat. Im Gegenteil durfte das Verwaltungsgericht ohne jede Willkür annehmen, es liege im Ermessen der Vormundschaftsbehörde, in welcher Reihenfolge sie die erforderlichen Abklärungen treffen wolle. Voraussetzung für eine Begutachtung ist freilich, dass überhaupt ein hinreichender Anlass für die Eröffnung eines Entmündigungsverfahrens bestand. Das durfte der Stadtrat jedoch aufgrund der Anzeige und vor allem aufgrund der Feststellungen des Präsidenten und des Sekretärs des Vormundschaftsamtes anlässlich des Besuchs bei der Beschwerdeführerin bejahen. Im übrigen verkennt die Beschwerdeführerin, dass es nicht nur um ihre wirtschaftlichen Verhältnisse geht, sondern insbesondere um ihre persönliche Fürsorgebedürftigkeit und die Fähigkeit der Besorgung der eigenen Angelegenheiten. Gerade darüber kann aber möglicherweise das Gutachten Auskunft geben, hat doch der Gutachter auch festzustellen, welches die Auswirkungen der allfälligen Geisteskrankheit bzw. Geistesschwäche auf die Lebensführung des Betroffenen sind (SCHNYDER/MURER, N. 112 zu Art. 374 ZGB ). Ist die Begutachtung bei der Entmündigung nach Art. 369 ZGB gesetzlich vorgeschrieben, so kann diese Massnahme auch nicht als unverhältnismässig bezeichnet werden. Was schliesslich die angebliche Gefährlichkeit der Begutachtung anbetrifft, durfte das Verwaltungsgericht ohne weiteres davon ausgehen, vom Kantonsarzt könne ein nach den Regeln der ärztlichen Kunst gebotenes, schonendes Vorgehen erwartet werden. Der allgemeine Hinweis der Beschwerdeführerin auf die Gefahren von erzwungenen medizinischen Massnahmen bei einer im neunten Lebensjahrzehnt stehenden Frau genügt nicht, um diese Annahme als willkürlich erscheinen zu lassen.
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5bbe8220-a594-418e-8dd7-86aecc847929
Sachverhalt ab Seite 126 BGE 130 III 125 S. 126 A. Mit als "Arbitration" übertiteltem Entscheid ("decision") vom 31. Dezember 1998 verpflichtete Hugo Krug, Düsseldorf, Jean BGE 130 III 125 S. 127 Nachmann (im Folgenden: der Beschwerdeführer), der "German family" USD 425'000.- und GBP 15'000.- (zuzüglich Zinsen) zu bezahlen. Er führte in seinem Entscheid unter anderem aus, er sei von beiden Parteien unwiderruflich beauftragt worden, ihren Streit beizulegen. In der Folge stellte der Beschwerdeführer beim Oberlandesgericht Düsseldorf den Antrag, den Schiedsspruch aufzuheben. Mit Beschluss vom 23. März 2000 wies das Oberlandesgericht Düsseldorf den Antrag zurück mit der Begründung, Schiedsort sei nach der Schiedsvereinbarung Zürich. Der darauf angerufene III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs beschloss am 25. Januar 2001, die Rekursbeschwerde nicht entgegenzunehmen, weil der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukomme und sie im Ergebnis auch keine Aussicht auf Erfolg habe. B. Auf Antrag der "German family", nämlich Eitan German, Judith German und Joachim German, bescheinigte die III. Zivilkammer des Obergerichts des Kantons Zürich am 28. November 2001 gestützt auf Art. 193 Abs. 2 IPRG die Vollstreckbarkeit des Schiedsentscheids vom 31. Dezember 1998. Zur Begründung wurde angeführt, der Schiedsrichter habe in der Erklärung vom 5. September 2001 zu einem entsprechenden Erläuterungsbegehren die Namen und Adressen der einzelnen Mitglieder der "German family" bezeichnet (nämlich die Beschwerdegegner) und am 12. Februar 2001 gestützt auf ein weiteres Erläuterungsbegehren zudem schriftlich bescheinigt, dass sein Entscheid vom 31. Dezember 1998 nach den Bestimmungen des 12. Kapitels des IPRG ergangen sei und der Sitz des Schiedsgerichts sich in Zürich befunden habe. Weiter habe das schweizerische Bundesgericht bestätigt, dass bis zum 26. November 2001 keine Beschwerde gegen den Schiedsspruch eingegangen sei. Auf eine gegen diese Vollstreckbarkeitsbescheinigung eingereichte Nichtigkeitsbeschwerde trat das Kassationsgericht des Kantons Zürich nicht ein. C. Am 11. März 2003 erteilte die Einzelrichterin des Bezirksgerichts Meilen auf Gesuch der Beschwerdegegner in der Betreibung Nr. 13'343 des Betreibungsamtes Zollikon definitive Rechtsöffnung im Betrage von Fr. 706'095.- nebst Zins zu 5% seit dem 10. Januar 2002 sowie Fr. 264'552.- und Fr. 35'818.- nebst Zins zu 8% seit dem 1. Januar 1998. Das Obergericht des Kantons Zürich wies eine gegen diese Verfügung erhobene Nichtigkeitsbeschwerde am 30. Juni 2003 ab. BGE 130 III 125 S. 128 D. Gegen diesen Entscheid hat der Beschwerdeführer am 29. August 2003 staatsrechtliche Beschwerde erhoben mit dem Hauptantrag, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und die Sache an das Obergericht zurückzuweisen mit der Anweisung, die Rechtsöffnung aufzuheben; eventualiter sei festzustellen, dass ihm ab Kenntnisnahme des bundesgerichtlichen Entscheids über die vorliegende Beschwerde die Wiederherstellungsfrist gemäss Art. 35 OG zur Anfechtung des Schiedspruchs vom 31. Dezember 1998 im Sinne von Art. 190 Abs. 2 IPRG zu laufen beginne. Das Bundesgericht weist die staatsrechtliche Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Gemäss Art. 80 Abs. 1 SchKG kann der Gläubiger definitive Rechtsöffnung verlangen, wenn die in Betreibung gesetzte Forderung auf einem vollstreckbaren gerichtlichen Urteil beruht. Legt der Gläubiger ein Urteil und eine Rechtskraftbescheinigung vor, kann sich der Schuldner nur in engen Grenzen gegen die Rechtsöffnung zur Wehr setzen. So kann er rügen, das Urteil sei nichtig. Dieser Einwand führt allerdings bei Zivilurteilen nur in den seltensten Fällen zum Erfolg (vgl. BGE 63 III 57 ; STAEHELIN, Basler Kommentar, SchKG I, N. 14 zu Art. 80 SchKG ) und wird von Lehre (vgl. etwa JAEGER/WALDER/KULL/KOTTMANN, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Bd. I, 4. Aufl., 1997, Kommentierung zu Art. 80 SchKG ) und Rechtsprechung ( BGE 117 III 57 E. 4a S. 59) als mögliche Einwendung gegen den Rechtsöffnungstitel daher teils gar nicht erwähnt. Weiter kann der Schuldner rügen, der Sachentscheid sei nicht vollstreckbar (vgl. JAEGER/WALDER/KULL/ KOTTMANN, a.a.O., N. 2 zu Art. 81 SchKG ; STAEHELIN, a.a.O., N. 2 zu Art. 81 SchKG ). Schliesslich kann er bei Urteilen geltend machen und durch Urkunden beweisen, dass die Schuld seit Erlass des Entscheids getilgt oder gestundet worden oder die Verjährung eingetreten sei ( Art. 81 Abs. 1 SchKG ). Schiedsurteile sind Urteilen staatlicher Gerichte gleichgestellt ( BGE 117 III 57 E. 4a S. 59). Sie unterstehen bei internationalen Verhältnissen dem IPRG ( Art. 1 Abs. 1 lit. e und Art. 176 Abs. 1 IPRG ; STAEHELIN, a.a.O., N. 16 zu Art. 80 SchKG ). 2.1 Der Beschwerdeführer macht geltend, es sei willkürlich, gestützt auf ein Schriftstück, das von den kantonalen Behörden als "Schiedsentscheid" bezeichnet werde, definitive Rechtsöffnung zu BGE 130 III 125 S. 129 gewähren, wenn der betreibende Gläubiger nicht gleichzeitig die zugrunde liegende Schiedsvereinbarung vorlege. Der Rechtsöffnungsrichter habe nämlich zu prüfen, ob der vorgelegte Entscheid wirklich ein vollstreckbarer Schiedsspruch und nicht bloss ein Schiedsgutachten oder eine Meinungsäusserung sei. 2.1.1 Diese Auffassung trifft in allgemeiner Weise nicht zu. Vielmehr hat der Gläubiger dem Rechtsöffnungsrichter grundsätzlich nur den Schiedsentscheid gemäss Art. 189 IPRG und allenfalls eine Vollstreckbarkeitsbescheinigung gemäss Art. 193 Abs. 2 IPRG vorzuweisen. Liegen diese Dokumente vor, bleibt für die Rügen, es liege gar kein Schiedsentscheid im Sinne von Art. 189 IPRG vor oder dieser sei nichtig oder nicht vollstreckbar, nur mehr wenig Raum. Denn mit der Eröffnung wird ein Schiedsentscheid grundsätzlich endgültig ( Art. 190 Abs. 1 IPRG ). Er kann nur mehr unter engen Voraussetzungen, welche in Art. 190 Abs. 2 IPRG umschrieben sind, angefochten werden. In den Anfechtungsgründen des Art. 190 Abs. 2 IPRG nicht vorgesehene Beanstandungen sind auch im Rechtsöffnungsverfahren nicht zu hören; Anfechtungsgründe aber, welche mit der genannten Beschwerde vorgetragen werden können, sind grundsätzlich dort und nicht im anschliessenden Rechtsöffnungsverfahren anzubringen und zu bereinigen. Denn in diesem Fall liegt von Gesetzes wegen Anfechtbarkeit vor. Gleich verhält es sich mit Rügen, welche im Verfahren der Vollstreckbarkeitsbescheinigung gemäss Art. 193 Abs. 2 IPRG geklärt worden sind (vgl. zum Ganzen: BGE 117 III 57 ). 2.1.2 Gemäss Art. 190 Abs. 2 lit. b IPRG kann ein Schiedsentscheid angefochten werden, wenn sich das Schiedsgericht zu Unrecht für zuständig oder unzuständig erklärt hat. Diese Bestimmung bezieht sich auf die Entscheidungskompetenz des Schiedsgerichts schlechthin. Namentlich stellt das Fehlen einer Schiedsvereinbarung einen nach dieser Bestimmung zulässigen Anfechtungsgrund für die Beschwerde an das schweizerische Bundesgericht dar (BERTI/SCHNYDER, Kommentar zum schweizerischen Privatrecht, Internationales Privatrecht, 1995, N. 32 zu Art. 190 IPRG ). Verzichtet eine Partei auf die Anfechtung wegen Unzuständigkeit, kann die Unzuständigkeitseinrede später nicht mehr erhoben werden (HEINI, IPRG-Kommentar, 1993, N. 25 zu Art. 190 IPRG ). Bei dieser Sachlage bleibt für die Rüge fehlender schiedsgerichtlicher Zuständigkeit im Rechtsöffnungsverfahren grundsätzlich kein Raum. Zudem ist der die Vollstreckbarkeit bescheinigende Richter zur Prüfung befugt, ob BGE 130 III 125 S. 130 der Schiedsspruch die Voraussetzung eines Schiedsgerichtsentscheides erfüllt oder ob es sich nicht lediglich um ein Schiedsgutachten oder eine Meinungsäusserung handelt, welche staatlich nicht vollstreckt werden können ( BGE 107 Ia 318 E. 6 S. 324; BGE 117 III 57 E. 4a S. 59). Es ist deshalb nicht willkürlich, definitive Rechtsöffnung auch ohne Vorlage einer Schiedsvereinbarung zu gewähren. 2.2 Der Beschwerdeführer rügt die fehlende Begründung des Schiedsentscheids. Er führt aus, Art. 189 IPRG ordne dessen Form. Vereinbarten die Parteien nichts anderes, sei der Entscheid schriftlich abzufassen, zu begründen, zu datieren und zu unterzeichnen. Da weder eine Begründung noch eine abweichende Vereinbarung vorliege, bestehe kein formgültiger Schiedsspruch und damit auch kein Rechtsöffnungstitel. Es trifft zu, dass der Schiedsentscheid gemäss Art. 189 Abs. 2 IPRG zu begründen ist, wenn die Parteien nichts anderes vereinbart haben. Die Begründung des Entscheids ist dispositiver Natur. Darauf kann auch im Nachgang zum Entscheid konkludent verzichtet werden. Der Beschwerdeführer behauptet selber nicht, er habe eine Begründung verlangt. Bei dieser Sachlage kann er im Vollstreckungsverfahren nicht mit Erfolg rügen, dem Schiedsentscheid fehle die erforderliche Begründung. Es kommt hinzu, dass Art. 190 Abs. 2 IPRG den Beschwerdegrund der fehlenden Entscheidgründe nicht kennt. Die Begründungspflicht kann auch nicht aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör im Sinne von Art. 190 Abs. 2 lit. d IPRG abgeleitet werden ( BGE 116 II 373 ). Die fehlende Begründung eines Schiedsurteils verstösst zudem nicht gegen den Ordre public ( Art. 190 Abs. 2 lit. e IPRG ; BGE 101 Ia 521 E. 4 S. 525 ff.). Bildet das Fehlen einer Begründung nicht einmal einen Anfechtungsgrund nach Art. 190 Abs. 2 IPRG , so kann dieser Umstand auch die Vollstreckung nicht hindern. 2.3 Der Beschwerdeführer rügt weiter, das Obergericht habe gegen die klare Regelung von Art. 80 SchKG verstossen, indem es den Schiedsspruch als vollstreckungsfähig erachtet habe, obwohl die mangelhafte Parteibezeichnung ("the German family") erst durch ein nach zweieinhalb Jahren eingereichtes Erläuterungsbegehren berichtigt worden sei. Ein schwerwiegender materieller Mangel wie eine völlig falsche Parteibezeichnung könne nicht einfach "wegerläutert" werden. Zudem fehle der Erläuterung die Begründung und dem Schiedsrichter mangels Schiedsvereinbarung die Legitimation zur Erläuterung. BGE 130 III 125 S. 131 Was den Hinweis auf die fehlende Schiedsvereinbarung und die fehlende Begründung des Erläuterungsentscheids betrifft, kann auf bisher Gesagtes verwiesen werden. Im Weiteren trifft die Aussage, es handle sich bei der "German family" um eine völlig falsche Parteibezeichnung, nicht zu. Vielmehr erläuterte der Schiedsrichter mit Schreiben vom 5. September 2001 die ungenaue Parteibezeichnung dahingehend, dass es sich um die Beschwerdegegner handelt, welche im Verlauf des ganzen Schiedsverfahrens nicht geändert haben. Schliesslich weist das Obergericht mit Grund darauf hin, dass der Beschwerdeführer die Erläuterung mit Beschwerde gemäss Art. 190 Abs. 2 IPRG hätte anfechten können. Da er dies nicht getan hat, durfte die kantonale Behörde ohne Willkür annehmen, es stehe nicht in ihrer Kompetenz, die Einwendung der mangelhaften Erläuterung im Rahmen des Rechtsöffnungsverfahrens zu prüfen. 2.4 Der Beschwerdeführer macht in diesem Zusammenhang schliesslich geltend, es sei nie eine Klage und entsprechend nie ein Rechtsbegehren eingereicht worden. Auch in diesem Zusammenhang ist der Beschwerdeführer darauf hinzuweisen, dass er mit Beschwerde gemäss Art. 190 Abs. 2 IPRG hätte geltend machen können, das Schiedsgericht sei mangels gültiger Einleitung des Verfahrens nicht zuständig (lit. b), es habe über Streitpunkte entschieden, die ihm nicht gültig unterbreitet worden seien (lit. c) und der Entscheid sei mit dem Ordre public unvereinbar (lit. e). Dies hat er nicht getan. Bei dieser Sachlage ist die Auffassung nicht willkürlich, es sei nicht Aufgabe des Rechtsöffnungsrichters, die Prüfung dieser Fragen nachzuholen. 3. Der Beschwerdeführer wähnt sich in einem Albtraum. Er sei unverhofft mit einem Schriftstück ohne Begründung und mit mangelhafter Parteibezeichnung konfrontiert worden, welches die Vollstreckung einer Millionenforderung zur Folge habe, ohne eine Schiedsvereinbarung abgeschlossen bzw. ohne eine Klage oder ein Rechtsbegehren gesehen zu haben oder je an einem ordnungsgemässen Verfahren beteiligt gewesen zu sein. Im Weiteren sei er auch am Verfahren der Vollstreckbarkeitsbescheinigung nicht beteiligt worden. Die Beschwerdeführung sei im vorliegenden Fall gerade deshalb unterblieben, weil gegen Nichtentscheide, wie unverbindliche Meinungsäusserungen, die ohne gültiges Verfahren abgegeben werden, die Anfechtung nach Art. 190 IPRG nicht möglich und nicht nötig sei und folglich auch nicht verwirkt werden könne. Bei einer umfassenden Betrachtung müsse das BGE 130 III 125 S. 132 Schreiben vom 31. Dezember 1998 als Nicht- bzw. nichtiger Entscheid bezeichnet werden. 3.1 Der Beschwerdeführer wirft mit dieser Argumentation die Frage auf, ob es Fälle gibt, in denen ein Nichtentscheid vorliegt bzw. Nichtigkeit anzunehmen ist, welche im Vollstreckungsverfahren beachtet werden muss, obwohl ein Anfechtungsgrund gemäss Art. 190 Abs. 2 IPRG besteht. Tatsächlich ist denkbar, dass ein Schiedsspruch bereits wegen seiner äusseren Form nicht als Entscheid erkannt wird und auch nicht erkannt werden muss, so dass der Betroffene keinen Anlass hat, den Nichtentscheid anzufechten. Ebenso ist denkbar, dass der Entscheid insbesondere dann, wenn überhaupt keine Schiedsvereinbarung besteht und kein Verfahren durchgeführt worden ist, an einem derart schweren Mangel leidet, dass von einem nichtigen Entscheid gesprochen werden muss (HABSCHEID, Rechtsstaatliche Aspekte des internationalen Schiedsverfahrens mit Rechtsmittelverzicht nach dem IPR-Gesetz, 1988, S. 14 und 25; vgl. BERTI/SCHNYDER, a.a.O., N. 36 zu Art. 190 IPRG ; HEINI, a.a.O., N. 50 ff. zu Art. 190 IPRG mit weiteren Hinweisen). 3.2
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