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Sachverhalt ab Seite 484 BGE 117 IV 484 S. 484 A.- Mit Strafbescheid vom 14. Juni 1988 verurteilte die eidgenössische Oberzolldirektion O. wegen Bannbruchs im Sinne von Art. 76 Ziff. 1 und Art. 77 des Zollgesetzes vom 1. Oktober 1925 zu einer Busse von Fr. 3'125.--, woran sie nach Einsprache des O. mit Strafverfügung vom 4. April 1989 festhielt. B.- O. verlangte am 13. April 1989 die gerichtliche Beurteilung der Strafsache, worauf die Oberzolldirektion mit Überweisung vom 8. Januar 1990 die Akten der Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen zuhanden des zuständigen Strafgerichtes übermittelte. BGE 117 IV 484 S. 485 Mit Urteil vom 4. Mai/22. August 1990 sprach die Gerichtskommission Unterrheintal O. vom Vorwurf des Bannbruchs frei. C.- Die eidgenössische Oberzolldirektion erhob dagegen Berufung. Mit Urteil vom 23. Januar 1991 trat das Kantonsgericht St. Gallen auf die Berufung nicht ein, da die Oberzolldirektion nicht berufungslegitimiert sei. D.- Gegen diesen Entscheid erhebt die Oberzolldirektion eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. E.- O. beantragt, auf die Nichtigkeitsbeschwerde nicht einzutreten, eventualiter sie abzuweisen. F.- Die schweizerische Bundesanwaltschaft, vom Instruktionsrichter zu einer Stellungnahme eingeladen, äusserte sich mit Eingabe vom 14. Juni 1991. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. a) Das Kantonsgericht begründet seine Auffassung im wesentlichen wie folgt: In bezug auf die Legitimation im kantonalen Rechtsmittelverfahren verweise Art. 80 Abs. 1 VStrR auf das kantonale Recht. Nach Art. 80 Abs. 2 VStrR sei überdies der Bundesanwalt legitimiert; die beteiligte Verwaltung werde als Rechtsmittelklägerin nicht genannt. Nach Art. 74 VStrR seien Parteien im gerichtlichen Verfahren der Beschuldigte, der öffentliche Ankläger gemäss kantonalem Recht, der Bundesanwalt und die beteiligte Verwaltung. Die Oberzolldirektion leite ihre Rechtsmittellegitimation im kantonalen Verfahren aus der ihr in Art. 74 VStrR eingeräumten Parteistellung ab. Gemäss st. gallischem Strafprozessrecht seien zur Berufung legitimiert grundsätzlich nur der Staatsanwalt und der Angeschuldigte; der Geschädigte sei dazu befugt, soweit ihm Verfahrenskosten auferlegt worden seien. Auch aus Art. 80 Abs. 2 bzw. Art. 74 VStrR lasse sich keine Rechtsmittellegitimation der Beschwerdeführerin herleiten. Art. 80 Abs. 2 VStrR sehe vor, dass auch der Bundesanwalt die kantonalen Rechtsmittel einlegen könne. Damit werde eine Befugnis wiederholt, die bereits in Art. 15 BStP festgehalten sei. Aus Art. 80 Abs. 2 VStrR ergebe sich keine Rechtsmittellegitimation der beteiligten Verwaltung. Das Bundesgericht habe diese Legitimation aus Art. 74 Abs. 1 VStrR hergeleitet und damit den Schluss gezogen, diese Befugnis sei ein aus der Parteistellung fliessendes BGE 117 IV 484 S. 486 Recht. Parteibegriff und die damit verbundenen Rechte seien aber im schweizerischen Strafprozessrecht nicht einheitlich bestimmt. Die Zuerkennung der Parteistellung sei keineswegs gleichbedeutend mit der Verleihung der Rechtsmittellegitimation. Die Rechte der beteiligten Verwaltung aufgrund der ihr in Art. 74 VStrR eingeräumten Parteistellung würden in den Art. 75 ff. VStrR konkretisiert. Es handle sich dabei um bestimmte Informations- und Mitwirkungsrechte, nicht jedoch um die Legitimation zur Rechtsmittelergreifung. Der vom Bundesgericht in BGE 105 IV 287 gezogene Schluss, ohne einen klaren Ausschluss der Rechtsmittellegitimation im Gesetz sei diese zu bejahen, widerspreche dem Verständnis der Parteistellung im Strafprozess. Dasselbe ergebe sich aus der Entstehungsgeschichte; in den parlamentarischen Beratungen sei eine Rechtsmittellegitimation der beteiligten Verwaltung sogar ausdrücklich verneint worden. Die eingeschränkte Parteistellung der Verwaltung im gerichtlichen Verfahren ergebe sich auch aus Art. 78 VStrR , wonach der Rückzug einer Strafverfügung nur mit Zustimmung des Bundesanwaltes möglich sei. Zusätzlich weist die Vorinstanz darauf hin, dass ohnehin schon auf seiten der Strafverfolgungsbehörden zwei Stellen, nämlich die kantonale Staatsanwaltschaft und die Bundesanwaltschaft, rechtsmittelberechtigt seien. Es bestehe deshalb kein Bedürfnis für die Legitimation auch der beteiligten Verwaltung. Überdies würde eine solche auf seiten des Bundes zu unterschiedlichen Rechtsmittelfristen führen. In BGE 114 IV 179 habe das Bundesgericht die Rechtsmittellegitimation bejaht, ohne sich mit der Kritik an seiner Rechtsprechung näher auseinanderzusetzen. b) Die Beschwerdeführerin verweist auf die mit BGE 105 IV 287 E. 3 begründete Praxis, wonach sich aus der Parteistellung gemäss Art. 74 Abs. 1 VStrR auch die Legitimation der beteiligten Verwaltung zur selbständigen Ergreifung von Rechtsmitteln gegen kantonale Gerichtsurteile ableite. Dementsprechend habe das Bundesgericht auch die Befugnis zur Ergreifung der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde der beteiligten Verwaltung zuerkannt. Die Vorinstanz setze sich also bewusst in Widerspruch zu einer jahrelangen konstanten Praxis des Bundesgerichtes und wolle offenbar deren Änderung erwirken. Das erstaune umso mehr, als vor den Schranken die Rechtsmittelbefugnis der Verwaltung von keiner Seite bestritten worden sei. Gegen eine Praxisänderung sprächen nicht nur der Gesetzeswortlaut, sondern auch sachliche Gründe. Sofern die Anwesenheit des kantonalen Staatsanwaltes in BGE 117 IV 484 S. 487 der kantonalen Strafprozessordnung nicht zwingend vorgeschrieben sei, was in den wenigsten Kantonen der Fall sei, trete dieser, wie übrigens auch der Bundesanwalt, in Verwaltungsstrafsachen vor den kantonalen Gerichten in aller Regel nicht auf. Komme die beteiligte Verwaltung in einem bestimmten Falle zum Schluss, dass gegen ein kantonales Gerichtsurteil ein Rechtsmittel ergriffen werden müsse, hätte sie daher zunächst der kantonalen Staatsanwaltschaft und/oder der Bundesanwaltschaft detaillierte Aktenkenntnis zu verschaffen; denn die Bundesanwaltschaft kenne den Fall noch nicht und die Staatsanwaltschaft habe die Akten vorher lediglich zur Weiterleitung an das erstinstanzlich zuständige Strafgericht in Händen gehabt. Ausserdem müsste die Verwaltung den genannten Behörden im Hinblick auf das zu ergreifende Rechtsmittel ihre spezifische Fachkunde im Bereich des Nebenstrafrechts vermitteln. Diese besondere Fachkunde stelle ja einen der wichtigsten Gründe dar, wegen welcher der Gesetzgeber die Verfolgung und Beurteilung bestimmter Widerhandlungen des Nebenstrafrechts, darunter auch der Zollwiderhandlungen, der zuständigen Bundesverwaltungsbehörde übertragen habe. Die erwähnten Instruktionsmassnahmen wären für alle Beteiligten mit erheblichen zusätzlichen Umtrieben verbunden und gerade in komplexen Fällen innerhalb der zumeist sehr kurzen Rechtsmittelfristen oft gar nicht durchführbar. Die Praxis des Bundesgerichtes entspreche somit auch dem Gebot der Zweckmässigkeit. c) Der Beschwerdegegner stellt zunächst die Legitimation der Beschwerdeführerin zur Nichtigkeitsbeschwerde in Frage und beantragt Abweisung im wesentlichen mit den Gründen der Vorinstanz. Er führt aus, der Beschwerdeführerin gehe es ganz konkret "um die Durchsetzung ihrer Macht und Ansicht". Gerade ein solches Verhalten rufe nach einer Kontrolle auf der anklagenden Seite, wie sie mit der Beschwerdelegitimation des Bundesanwaltes gegeben sei. Damit bestehe Gewähr, dass nicht alle kleinen und kleinsten Strafbescheide rechthaberisch bis an das Bundesgericht weitergezogen würden. d) Die Bundesanwaltschaft äussert sich wie folgt: Nach der ursprünglichen Konzeption sollte die Bundesanwaltschaft zentral für alle Bundesämter Rechtsmittel einlegen, um eine gewisse Einheitlichkeit zu gewährleisten. Auf Bundesebene sollte es Sache des Bundesanwaltes sein, ein Rechtsmittel zu ergreifen. Aufgrund der alten Praxis habe sich die beteiligte Verwaltung deshalb jeweils an die Bundesanwaltschaft gewandt, wenn nach ihrer Auffassung ein BGE 117 IV 484 S. 488 kantonales Urteil angefochten werden sollte. Die Bundesanwaltschaft habe dann die Argumente der Bundesverwaltung zu prüfen und gegebenenfalls das Rechtsmittel frist- und formgerecht einzureichen gehabt. Das habe sich im Jahre 1979 aufgrund von BGE 105 IV 286 geändert, wonach die beteiligte Bundesverwaltung als Partei selbständig zur Beschwerde legitimiert sei. Kantonale Obergerichte seien dieser Auffassung hinsichtlich kantonaler Rechtsmittel gefolgt. Seither habe die Bundesanwaltschaft nicht mehr für alle Bundesämter zentral Rechtsmittel ergriffen; sie habe sich seither grundsätzlich auf die prozessuale Beratung der beteiligten Bundesverwaltung beschränkt, wenn diese das wünschte, was immer weniger der Fall gewesen sei. Aus der Sicht der Bundesanwaltschaft bestehe heute kein Bedürfnis, zur alten Praxis zurückzukehren. Zuzugeben sei allerdings, dass die bundesrechtliche Regelung unvollständig sei, weil sie die Bundesverwaltung nicht erwähne und Fragen offenlasse. 2. a) Das Bundesgericht hat sich in seiner publizierten Rechtsprechung bisher zweimal zur Rechtsmittellegitimation der beteiligten Verwaltung geäussert, allerdings beide Male beschränkt auf die Frage der Legitimation zur eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde. In BGE 81 IV 207 E. 2 wurde für den Bereich des Bundesbeschlusses über Massnahmen zur Erhaltung der Uhrenindustrie vom 22. Juni 1951 die ausschliessliche Legitimation des Bundesanwaltes gemäss Art. 270 Abs. 6 BStP angenommen. Die Legitimation des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartementes, in dessen Auftrag die Uhrenkammer handelte, wurde verneint. Verneint wurde insbesondere ein praktisches Bedürfnis nach konkurrierender Beschwerdelegimitation zweier Bundesstellen. Wenn das eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement finde, ein kantonaler Strafentscheid oder Einstellungsbeschluss sei mit Nichtigkeitsbeschwerde anzufechten, könne es seine Auffassung dem Bundesanwalt unterbreiten, der hierauf nach eigenem Ermessen Beschwerde führen oder die Sache auf sich beruhen lassen könne. Zur Rechtslage aufgrund des am 1. Januar 1975 in Kraft getretenen Bundesgesetzes über das Verwaltungsstrafrecht äusserte sich das Bundesgericht in BGE 105 IV 287 E. 3 und erkannte, die beteiligte Verwaltung sei selbständig zur Nichtigkeitsbeschwerde legitimiert. Begründet wurde das vor allem damit, dass der beteiligten Verwaltung im gerichtlichen Verfahren gemäss Art. 74 Abs. 1 VStrR Parteistellung zukomme. Aus anderen Bestimmungen des BGE 117 IV 484 S. 489 Gesetzes lasse sich nicht schliessen, dass die beteiligte Verwaltung von der Beschwerdemöglichkeit ausgeschlossen und im Rechtsmittelverfahren durch den Bundesanwalt vertreten werden solle. Eine Beschränkung der Beschwerdelegitimation auf den Bundesanwalt hätte im Gesetz klar und eindeutig zum Ausdruck gebracht werden müssen. Verneint wird auch, dass das Gesetz zur Vermeidung von Unzukömmlichkeiten, die sich aus der konkurrierenden Beschwerdelegitimation zweier Bundesstellen ergeben könnten, die Einlegung eines Rechtsmittels durch die Verwaltung an das Erfordernis der Zustimmung des Bundesanwaltes knüpfe. Aus BGE 105 IV 287 kann höchstens indirekt der Schluss gezogen werden, dass der beteiligten Verwaltung von Bundesrechts wegen nicht nur Parteistellung, sondern auch die Legitimation zur Ergreifung kantonaler Rechtsmittel zustehe. Davon ist das Bundesgericht in der Folge ohne weitere Diskussion auch ausgegangen (vgl. BGE 114 IV 179 E. 2b). b) Aus der Entstehungsgeschichte, auf welche in BGE 105 IV 287 nicht eingegangen wird, ergibt sich folgendes: Die Vorschriften über das gerichtliche Verfahren (Art. 73 bis 83 VStrR, im Entwurf Art. 77 bis 87) sollten nichts grundsätzlich Neues bringen (Botschaft zum Entwurf eines Bundesgesetzes über das Verwaltungsstrafrecht vom 21. April 1971, BBl 1971 I, S. 1014; Amtl.Bull. 1971 S 851, Votum Munz; Amtl.Bull. 1973 N 454 ff.). Im Nationalrat wurde vor allem die Frage aufgeworfen, ob es dem Angeschuldigten zumutbar sei, in einem Verfahren drei Instanzen gegenüberzustehen, nämlich dem öffentlichen Ankläger des Kantons, dem Bundesanwalt und der beteiligten Verwaltung. Verlangt wurde, dass diese nicht etwa kumulativ auftreten. Zur Frage der Parteistellung und der Rechtsmittellegitimation erklärte Bundesrat Furgler ausdrücklich: "Aber diese Parteistellung ist insofern eingeschränkt, als die Verwaltung nicht etwa selbständig Rechtsmittel einlegen kann. Diese sind auf seiten des Bundes dem Bundesanwalt vorbehalten. Ich darf auf Art. 84 Abs. 2 und Art. 87 Abs. 1 (gemeint des Entwurfs, jetzt Art. 80 Abs. 2 und Art. 83 Abs. 1) verweisen" (Amtl.Bull. 1973 N 488). Aus der Entstehungsgeschichte ist somit zu schliessen, dass man für die hier interessierende Frage mit dem Bundesgesetz über das Verwaltungsstrafrecht nichts Neues einführen, sondern die mit BGE 81 IV 207 begründete Rechtsprechung betreffend Rechtsmittellegitimation fortschreiben wollte. BGE 105 IV 287 steht somit im Widerspruch zur Entstehungsgeschichte. BGE 117 IV 484 S. 490 c) Auch das Schrifttum geht von der ausschliesslichen Beschwerdelegitimation des Bundesanwaltes aus (MARKUS PETER, Kriminalistik 1974 S. 511 und ZStrR 93/1977 S. 372; vgl. auch SCHWOB, Verwaltungsstrafrecht des Bundes, SJK 1290 S. 9 f.). d) Stellt man allein auf den Wortlaut der in Betracht kommenden Bestimmungen des VStrR ab, lässt sich die Frage nach der Beschwerdelegitimation nicht derart klar beantworten, wie das in BGE 105 IV 287 geschehen ist. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass in Art. 74 Abs. 1 VStrR nur umschrieben ist, welches die Parteien im gerichtlichen Verfahren sind. Es sind das neben dem Beschuldigten der öffentliche Ankläger gemäss kantonalem Recht, der Bundesanwalt und die beteiligte Verwaltung. Eine Aussage darüber, ob den Parteien auch die Rechtsmittellegitimation zusteht, ist damit nicht gemacht. Im Gegenteil ist aus Art. 74 Abs. 2 VStrR zu schliessen, dass zwischen Parteirechten und Rechtsmitteln zu unterscheiden ist. Denn in dieser Bestimmung wird gesagt, dass dem von der Einziehung Betroffenen die gleichen Parteirechte und Rechtsmittel zustünden wie einem Beschuldigten. Das ist ein Indiz dafür, dass auch nach der Konzeption des VStrR zwischen Parteirechten und Rechtsmittellegitimation zu unterscheiden ist. Art. 80 Abs. 1 VStrR spricht von den kantonalen Rechtsmitteln. Danach sind die Rechtsmittel des kantonalen Rechts auch in Strafsachen zulässig, die dem kantonalen Gericht gemäss Art. 73 VStrR zur Beurteilung überwiesen werden. In dieser Bestimmung wird also ausdrücklich auf das Rechtsmittelsystem des kantonalen Rechtes verwiesen, was bedeutet, dass der beteiligten Verwaltung im kantonalen Verfahren nur dann die Rechtsmittellegitimation zusteht, wenn das kantonale Recht das ausdrücklich vorsieht. Dasselbe ergibt sich aus Art. 80 Abs. 2 VStrR . Wenn dort gesagt wird, die Rechtsmittel stünden auch dem Bundesanwalt zu, dann offenbar um sicherzustellen, dass dieser immer legitimiert ist, unabhängig von der Ausgestaltung der kantonalen Regelung. Hätte überdies der beteiligten Verwaltung die Legitimation zur Einreichung kantonaler Rechtsmittel von Bundesrechts wegen zugesprochen werden sollen, dann hätte in Art. 80 Abs. 2 VStrR diese neben dem Bundesanwalt ausdrücklich erwähnt werden müssen. Entsprechendes lässt sich aus Art. 83 Abs. 1 VStrR betreffend Nichtigkeitsbeschwerde an das Bundesgericht herleiten. Hier erfolgt der generelle Verweis auf Art. 269 bis 278 BStP. Gemäss Art. 270 Abs. 1 Satz 1 BStP steht die Nichtigkeitsbeschwerde nur dem Angeklagten und dem öffentlichen Ankläger des Kantons zu, BGE 117 IV 484 S. 491 zusätzlich dem Bundesanwalt unter den Voraussetzungen von Art. 270 Abs. 6 BStP . Der letzte Teilsatz von Art. 83 Abs. 1 VStrR stellt klar, dass dem Bundesanwalt die Nichtigkeitsbeschwerde stets, also weitergehend als nach Art. 270 Abs. 6 BStP , zusteht. Auch hier hätte die Beschwerdelegitimation der beteiligten Verwaltung ausdrücklich in Art. 83 VStrR aufgenommen werden müssen. Ein weiteres Indiz gegen eine von Bundesrechts wegen gegebene selbständige Rechtsmittellegitimation der beteiligten Verwaltung ergibt sich aus Art. 78 Abs. 1 VStrR , wonach die Verwaltung eine Strafverfügung nur mit Zustimmung des Bundesanwaltes zurückziehen kann. Alle diese Bestimmungen deuten darauf hin, dass der beteiligten Verwaltung im gerichtlichen Verfahren zwar Parteistellung, nicht aber die Rechtsmittelbefugnis zukommt. e) Soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, die mit BGE 105 IV 287 begründete Praxis sei auch sachgerecht, ist folgendes zu bemerken: Die selbständige Rechtsmittellegitimation der beteiligten Verwaltung mag unter dem Gesichtspunkt der Effizienz und der Arbeitsteilung für sie von Vorteil sein. Andererseits ist nicht zu übersehen, dass eine Beschränkung der Rechtsmittellegitimation auf den Bundesanwalt, gegebenenfalls neben dem kantonalen Ankläger, auch sachgerecht sein kann, weil sie eine gewisse Kontrolle und Koordination der Rechtsmittel bewirkt. Wenn sich die Bundesanwaltschaft in dem BGE 105 IV 287 zugrundeliegenden Fall gegen die generelle Einräumung der Beschwerdelegitimation an die beteiligte Verwaltung gewandt hat und wenn sie in ihrer Stellungnahme im heutigen Verfahren durchblicken lässt, dass es auch Gründe für die Koordination der Rechtsmittelfälle bei der Bundesanwaltschaft gibt, so zeigt dies, dass es Sachgesichtspunkte für beide hier in Frage kommenden Lösungen gibt. Im übrigen ändern die von der Beschwerdeführerin angerufenen Gesichtspunkte nichts daran, dass gemäss ausdrücklicher Zusicherung in den parlamentarischen Beratungen der beteiligten Verwaltung keine Rechtsmittelbefugnis von Bundesrechts wegen zukommen sollte und dass das, wie dargelegt, auch im Gesetz seinen Ausdruck gefunden hat. f) Daraus, dass die beteiligte Verwaltung von Bundesrechts wegen im kantonalen Verfahren Parteistellung hat, lässt sich, wie die Vorinstanz zu Recht bemerkt, nichts für die Rechtsmittellegitimation herleiten. Denn die Prozessgesetze zählen in der Regel unabhängig davon, wem Parteistellung zukommt, erschöpfend BGE 117 IV 484 S. 492 auf, wer rechtsmittellegitimiert ist (vgl. PIQUEREZ, Précis de Procédure pénale suisse, Lausanne 1987, N 2040 ff.). g) Somit ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte wie auch aus der Systematik des Gesetzes, dass der beteiligten Verwaltung im kantonalen Verfahren von Bundesrechts wegen keine Rechtsmittellegitimation zukommt. Ob Sachgesichtspunkte für eine abweichende Regelung sprechen, kann offenbleiben; gegebenenfalls hätte der Gesetzgeber eine andere Regelung zu treffen. Ebenso ergibt sich, dass die beteiligte Verwaltung nicht zur Nichtigkeitsbeschwerde an das Bundesgericht legitimiert ist. 3. Fragen kann man sich einzig, ob die Beschwerdeführerin und die Bundesanwaltschaft auf die mit BGE 105 IV 287 begründete Praxis vertrauen durften, indem sie andernfalls das kantonale Rechtsmittel und die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde durch die Bundesanwaltschaft hätten einreichen lassen. Diese Frage braucht hier nicht weiter erörtert zu werden. Denn sie berührt das Problem, ob die Bundesanwaltschaft gestützt auf die vom kantonalen Recht beherrschten Grundsätze über die Wiedereinsetzung nachträglich noch das kantonale Rechtsmittel einlegen kann. Dazu hat sich das Bundesgericht nicht zu äussern. 4. Nach dem Gesagten ist auf die Nichtigkeitsbeschwerde mangels Legitimation der Beschwerdeführerin nicht einzutreten. Sie müsste im übrigen abgewiesen werden, da die Vorinstanz die Legitimation der Beschwerdeführerin zur Einreichung der kantonalen Berufung ohne Verletzung von Bundesrecht verneint hat.
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1afb2a7f-630b-4b09-9de5-c26c4695196a
Erwägungen ab Seite 114 BGE 110 IV 114 S. 114 Aus den Erwägungen: 1. Die fahrlässige schwere Körperverletzung gemäss Art. 125 Abs. 2 StGB wird von Amtes wegen verfolgt. Der Beschwerdeführer ist zur eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde im Sinne von Art. 270 Abs. 3 BStP nur berechtigt, "wenn er nach den Vorschriften des kantonalen Rechtes allein, ohne Beteiligung des öffentlichen Anklägers, die Anklage vertreten hat". Der Beschwerdeführer macht geltend, er allein habe die Anklage vertreten und auch am Appellationsverfahren sei kein öffentlicher Ankläger beteiligt gewesen. Zudem beruft er sich auf BGE 105 IV 278 , in welchem die Legitimation des Privatklägers nach bernischem Strafprozessrecht bejaht wurde; er glaubt deshalb, auch nach der solothurnischen Strafprozessordnung als "Privatkläger" zur Beschwerdeführung befugt zu sein. a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts ist die Voraussetzung von Art. 270 Abs. 3 BStP nicht schon dann erfüllt, wenn der öffentliche Ankläger davon abgesehen hat, neben dem Privatstrafkläger aufzutreten, d.h. im Verfahren Anträge zu stellen, sondern bloss dann, wenn er nach den Bestimmungen BGE 110 IV 114 S. 115 des kantonalen Prozessrechts gar nicht befugt war, irgendwelche Parteirechte auszuüben, so dass solche einzig dem Privatstrafkläger zustanden. Der Privatstrafkläger, der als Geschädigter nach dem kantonalen Strafprozessrecht die Strafverfolgung allein, anstelle des nicht in Funktion tretenden öffentlichen Anklägers durchführt, wird nur zur Beschwerde als befugt erklärt, damit auch da, wo der öffentliche Ankläger nach den Vorschriften des kantonalen Rechts keine Parteirechte hat ausüben dürfen, auf der Anklageseite ein Beschwerdeführer figuriert. War der öffentliche Ankläger im kantonalen Verfahren berechtigt, als Partei aufzutreten, so besteht kein Anlass, die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde statt ihm dem Privatstrafkläger einzuräumen oder sie beiden zuzuerkennen ( BGE 105 IV 281 E. b, BGE 93 IV 101 mit Verweisungen; BIRCHMEIER, Bundesrechtspflege, S. 552; CLAUDE BAUMANN, Die Stellung des Geschädigten im Schweizerischen Strafprozess, Diss. Zürich 1958, S. 172 Ziff. 3; ULRICH ISCH, Die Stellung des Geschädigten im solothurnischen Strafprozess, Diss. Bern 1971, S. 17 und S. 124/25). b) Gemäss § 14 StPO /SO kann der durch die Straftat unmittelbar Geschädigte oder Gefährdete vor Gericht im Strafpunkt Antrag stellen, sofern nicht der Staatsanwalt die Anklage vertritt ( § 6 StPO /SO). Im Verfahren vor dem Einzelrichter, das vorliegend zur Durchführung kam, tritt kein öffentlicher Ankläger auf und, entsprechend dem dabei im wesentlichen geltenden Inquisitionsprinzip, ist der Gerichtspräsident allein Untersuchungs- und urteilender Richter. Obschon dem Geschädigten bzw. Verletzten Parteistellung zukommt, gilt er nicht als Privatstrafkläger, da von dieser Eigenschaft nur dann gesprochen wird, wenn er im akkusatorischen Verfahren den Staatsanwalt vollständig ersetzt, was nach solothurnischem Prozessrecht nicht der Fall ist (ULRICH ISCH, a.a.O., S. 17 insbes. FN 18). Abgesehen von der im solothurnischen Präsidialverfahren nicht geltenden Akkusationsmaxime ist der öffentliche Ankläger indessen im Rechtsmittelverfahren insoweit "beteiligt", als ihm, "wenn die Tat von Amtes wegen zu verfolgen ist", das Appellationsrecht zusteht (§ 174/177 Abs. 2 StPO/SO), er gegen freisprechende Urteile des Gerichtspräsidenten, sofern es sich um ein Offizialdelikt handelt, Kassationsbeschwerde (§ 192/194 Abs. 2 StPO/SO) erheben oder gegen einen Einstellungsbeschluss ( § 137 Abs. 4 StPO /SO) Beschwerde einreichen kann. Die gleichen, selbständigen Rechtsmittel stehen auch dem im Strafpunkt antragstellenden Verletzten zu. BGE 110 IV 114 S. 116 c) Insoweit stehen nach den Vorschriften der Strafprozessordnung des Kantons Solothurn dem Staatsanwalt Parteirechte im Rechtsmittelverfahren zu, was nach der zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichts den Begriff der "Beteiligung" im Sinne von Art. 270 Abs. 3 BStP erfüllt und die Legitimation des "Privatstrafklägers" bzw. des im Strafpunkt am kantonalen Verfahren beteiligten Verletzten ausschliesst.
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Sachverhalt ab Seite 494 BGE 119 V 494 S. 494 A.- Rita L. arbeitete vom 1. April 1990 bis am 24. Januar 1991 in der Firma B. in O. Auf diesen Zeitpunkt war das Anstellungsverhältnis von der Arbeitgeberin aufgelöst worden. Vom 24. Januar bis 30. April 1991 war Rita L. krankheitsbedingt arbeitsunfähig (Zeugnis des Dr. med. M. vom 15. September 1992), danach führte sie bis im August 1992 den elterlichen Haushalt. Im September 1992 BGE 119 V 494 S. 495 meldete sich Rita L. bei der Arbeitslosenversicherung an und beantragte Taggelder ab 1. September 1992. Mit Verfügung vom 26. Oktober 1992 verneinte die Öffentliche Arbeitslosenkasse des Kantons Solothurn den Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung, weil die Versicherte innert der massgeblichen Rahmenfrist nicht während mindestens 6 Monaten eine beitragspflichtige Beschäftigung ausgeübt habe. B.- Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons Solothurn mit Entscheid vom 4. Februar 1993 ab. C.- Rita L. führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem sinngemässen Antrag auf Zusprechung von Arbeitslosenentschädigung. Das Kantonale Arbeitsamt Solothurn äussert sich im ablehnenden Sinne. Das Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. D.- Das Eidg. Versicherungsgericht hat vom Kantonalen Arbeitsamt Solothurn ergänzende Unterlagen eingeholt und die Akten des Arbeitsgerichts O. über den von der Versicherten gegen die ehemalige Arbeitgeberin geführten arbeitsrechtlichen Prozess beigezogen. Diese Unterlagen hat es der Öffentlichen Arbeitslosenkasse des Kantons Solothurn am 15. September 1993 zur Stellungnahme zugestellt; die Arbeitslosenkasse hat auf Einreichung einer Vernehmlassung verzichtet. Erwägungen Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 1. (Kognition) 2. Eine der gesetzlichen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung besteht darin, dass der Versicherte die Beitragszeit erfüllt hat oder von der Beitragszeit befreit ist ( Art. 8 Abs. 1 lit. e AVIG ). Die Beitragszeit hat erfüllt, wer innerhalb der Rahmenfrist nach Art. 9 Abs. 3 AVIG während mindestens sechs Monaten eine beitragspflichtige Beschäftigung ausgeübt hat ( Art. 13 Abs. 1 AVIG ). Die Rahmenfrist für die Beitragszeit beginnt zwei Jahre vor dem Tag, an welchem der Versicherte erstmals sämtliche Anspruchsvoraussetzungen erfüllt (Art. 9 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2 AVIG). Von der Erfüllung der Beitragszeit ist gemäss Art. 14 Abs. 1 AVIG u.a. befreit, wer innerhalb der Rahmenfrist während insgesamt mehr als zwölf Monaten wegen Schulausbildung, Umschulung oder Weiterbildung (lit. a), wegen Krankheit oder BGE 119 V 494 S. 496 Unfalls (lit. b) oder wegen Aufenthalts in einer Haft-, Arbeitserziehungs- oder in einer ähnlichen Anstalt (lit. c) nicht in einem Arbeitsverhältnis stand und deshalb die Beitragszeit nicht erfüllen konnte. Ebenfalls von der Erfüllung der Beitragszeit befreit sind Personen, die wegen Trennung oder Scheidung ihrer Ehe, wegen Invalidität oder Todes des Ehegatten oder aus ähnlichen Gründen oder wegen Wegfalls einer Invalidenrente gezwungen sind, eine unselbständige Erwerbstätigkeit aufzunehmen oder zu erweitern, falls das betreffende Ereignis nicht mehr als ein Jahr zurückliegt ( Art. 14 Abs. 2 AVIG ). 3. a) Die Arbeitslosenkasse hat in der angefochtenen Verfügung vom 26. Oktober 1992 festgestellt, dass die Beschwerdeführerin innert der massgeblichen zweijährigen Rahmenfrist von September 1990 bis September 1992 nur während 4 Monaten und 25,2 Tagen eine beitragspflichtige Beschäftigung ausgeübt habe. Sie hat sich dabei auf die Angaben im Anmeldeformular gestützt, wonach das Anstellungsverhältnis mit der Firma B. am 24. Januar 1991 aufgelöst wurde und die Beschwerdeführerin "seither nicht mehr gearbeitet" habe. Demgemäss hat die Arbeitslosenkasse die Anspruchsberechtigung wegen Nichterfüllens der Mindestbeitragszeit von sechs Monaten verneint. b) Aus den im vorliegenden Verfahren beigezogenen Akten des Arbeitsgerichts O. ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin am 24. Januar 1991 von ihrer Arbeitgeberin fristlos entlassen worden war. Die Beschwerdeführerin focht die Kündigung in der Folge als ungerechtfertigt an und machte Lohnansprüche bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist Ende April 1991 sowie zuwenig ausgezahltes Feriengeld von gesamthaft Fr. 9'489.-- geltend. Das Arbeitsgericht O. sprach der Beschwerdeführerin für die Zeit vom 26. Januar bis 30. April 1991 Lohnguthaben von brutto Fr. 8'398.-- sowie eine Ferienentschädigung von Fr. 870.-- abzüglich Warenbezüge von Fr. 562.-- zu. Demgemäss verpflichtete es die Arbeitgeberin mit Urteil vom 6. Mai 1991, der Beschwerdeführerin gesamthaft Fr. 8'706.-- brutto zu bezahlen. Das Urteil erwuchs am 28. Mai 1991 unangefochten in Rechtskraft. c) Das Eidg. Versicherungsgericht hat unter der Herrschaft des bis 1983 gültig gewesenen Bundesgesetzes über die Arbeitslosenversicherung vom 22. Juni 1951 entschieden, dass jene Tage, an denen der Arbeitnehmer zwar nicht mehr gearbeitet hat, die aber vom Arbeitgeber im Falle der ungerechtfertigten Entlassung bis zum Ablauf der massgebenden Kündigungsfrist noch zu entlöhnen waren, BGE 119 V 494 S. 497 für den Nachweis der regelmässigen Erwerbstätigkeit gemäss Art. 24 Abs. 2 lit. b AIVG als Arbeitstage anzurechnen sind (ARV 1977 Nr. 25 S. 135). An dieser Rechtsprechung ist auch unter dem neuen, seit 1. Januar 1984 geltenden Recht festzuhalten. Zu den Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung gehört gemäss Art. 8 Abs. 1 AVIG unter anderem, dass der Versicherte einen anrechenbaren Arbeitsausfall erlitten hat (lit. b). Nach Art. 11 Abs. 3 AVIG ist derjenige Arbeitsausfall nicht anrechenbar, für welchen dem Arbeitslosen Lohnansprüche oder wegen vorzeitiger Auflösung des Arbeitsverhältnisses Entschädigungsansprüche zustehen. Ein ungerechtfertigt Entlassener hat somit keinen Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung, solange ihm der Lohn weitergezahlt wird. Die entlöhnten Tage sind jedoch - entsprechend der Rechtsprechung gemäss ARV 1977 Nr. 25 S. 135 - als Beitragszeit im Sinne von Art. 13 AVIG anzurechnen (vgl. auch GERHARDS, Kommentar zum Arbeitslosenversicherungsgesetz, N. 83 zu Art. 11 AVIG ). Damit wird erreicht, dass der Versicherte, der ungerechtfertigt entlassen wurde, aber wegen der Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist keine Arbeitslosenentschädigung beziehen kann, hinsichtlich der Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nicht schlechter gestellt ist, als wenn er bis zum ordentlichen Kündigungstermin gearbeitet hätte. d) Dies bedeutet für den vorliegenden Fall, dass die Zeit vom 26. Januar bis 30. April 1991, für welche der Beschwerdeführerin mit rechtskräftigem Urteil des Arbeitsgerichts O. vom 6. Mai 1991 Lohnguthaben zugesprochen wurden, als Beitragszeit anzurechnen ist. Die Sache ist deshalb an die Arbeitslosenkasse zurückzuweisen, damit sie unter diesem Gesichtspunkt die Beitragszeit der Beschwerdeführerin innert der massgeblichen zweijährigen Rahmenfrist vor der ersten Stempelkontrolle im September 1992 neu berechne. Sodann wird sie die übrigen Voraussetzungen gemäss Art. 8 Abs. 1 AVIG zu prüfen und gestützt darauf über den Anspruch der Beschwerdeführerin auf Arbeitslosenentschädigung neu zu befinden haben. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass es sich für die Beschwerdeführerin nicht nachteilig auswirken darf, falls das Arbeitsamt sie im Anschluss an den Erlass der angefochtenen Verfügung vom 26. Oktober 1992 nicht mehr zur Stempelkontrolle zugelassen hat (nicht publizierte Urteile H. vom 5. Oktober 1993 und C. vom 12. September 1990). 4. (Unentgeltliche Verbeiständung)
de
039c1d24-43e6-4f17-b411-f7b1eca06e88
0.231.151 1 / 12 Übersetzung WIPO-Urheberrechtsvertrag (WCT) Abgeschlossen in Genf am 20. Dezember 1996 Von der Bundesversammlung genehmigt am 5. Oktober 20071 Schweizerische Ratifikationsurkunde hinterlegt am 31. März 2008 In Kraft getreten für die Schweiz am 1. Juli 2008 (Stand am 28. September 2022) Die Vertragsparteien, in dem Wunsch, den Schutz der Rechte der Urheber an ihren Werken der Literatur und Kunst in möglichst wirksamer und gleichmässiger Weise fortzuentwickeln und aufrechtzuerhalten, in Erkenntnis der Notwendigkeit, neue internationale Vorschriften einzuführen und die Auslegung bestehender Vorschriften zu präzisieren, damit für die durch wirt- schaftliche, soziale, kulturelle und technische Entwicklungen entstehenden Fragen an- gemessene Lösungen gefunden werden können, im Hinblick auf die tiefgreifenden Auswirkungen der Entwicklung und Annäherung der Informations- und Kommunikationstechnologien auf die Erschaffung und Nut- zung von Werken der Literatur und Kunst, unter Betonung der herausragenden Bedeutung des Urheberrechtsschutzes als Anreiz für das literarische und künstlerische Schaffen, in Erkenntnis der Notwendigkeit, ein Gleichgewicht zwischen den Rechten der Urhe- ber und dem umfassenderen öffentlichen Interesse, insbesondere Bildung, Forschung und Zugang zu Informationen, zu wahren, wie dies in der Berner Übereinkunft zum Ausdruck kommt, sind wie folgt übereingekommen: Art. 1 Verhältnis zur Berner Übereinkunft 1. Dieser Vertrag ist ein Sonderabkommen im Sinne des Artikels 20 der Berner Über- einkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst2 in Bezug auf Vertragspar- teien, die Länder des durch diese Übereinkunft geschaffenen Verbands sind. Dieser Vertrag steht weder in Verbindung mit anderen Verträgen als der Berner Überein- kunft, noch berührt er Rechte oder Pflichten aus anderen Verträgen. 2. Die zwischen den Vertragsparteien bestehenden Pflichten aus der Berner Überein- kunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst werden durch diesen Vertrag nicht beeinträchtigt. AS 2008 2503; BBL 2006 3389 1 Art. 1 Abs. 1 Bst. a des BB vom 5. Okt. 2007 (AS 2008 2497). 2 SR 0.231.15 0.231.151 Urheberrecht 2 / 12 0.231.151 3. Berner Übereinkunft bezeichnet im Folgenden die Pariser Fassung der Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst vom 24. Juli 1971. 4. Die Vertragsparteien kommen den Artikeln 1–21 und dem Anhang der Berner Übereinkunft nach. Art. 2 Umfang des Urheberrechtsschutzes Der Urheberrechtsschutz erstreckt sich auf Ausdrucksformen und nicht auf Gedanken, Verfahren, Methoden oder mathematische Konzepte als solche. Art. 3 Anwendung der Artikel 2–6 der Berner Übereinkunft Die Vertragsparteien wenden die Bestimmungen der Artikel 2–6 der Berner Überein- kunft in Bezug auf den nach diesem Vertrag gewährten Schutz entsprechend an. Art. 4 Computerprogramme Computerprogramme sind als Werke der Literatur im Sinne von Artikel 2 der Berner Übereinkunft geschützt. Dieser Schutz gilt für Computerprogramme unabhängig von der Art und Form ihres Ausdrucks. Art. 5 Datensammlungen (Datenbanken) Sammlungen von Daten oder anderem Material in jeder Form, die aufgrund der Aus- wahl oder Anordnung ihres Inhalts geistige Schöpfungen darstellen, sind als solche geschützt. Dieser Schutz erstreckt sich nicht auf die Daten oder das Material selbst und gilt unbeschadet eines an den Daten oder dem Material der Sammlung bestehen- den Urheberrechts. Art. 6 Verbreitungsrecht 1. Die Urheber von Werken der Literatur und Kunst haben das ausschliessliche Recht zu erlauben, dass das Original und Vervielfältigungsstücke ihrer Werke durch Ver- kauf oder sonstige Eigentumsübertragung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wer- den. 2. Dieser Vertrag berührt nicht die Freiheit der Vertragsparteien, gegebenenfalls zu bestimmen, unter welchen Voraussetzungen sich das Recht nach Absatz 1 nach dem ersten mit Erlaubnis des Urhebers erfolgten Verkaufs des Originals oder eines Ver- vielfältigungsstücks oder der ersten sonstigen Eigentumsübertragung erschöpft. Art. 7 Vermietrecht 1. Die Urheber von: i. Computerprogrammen; ii. Filmwerken; und iii. auf Tonträgern aufgenommenen Werken, wie sie im Recht der Vertragspar- teien definiert sind, WIPO-Urheberrechtsvertrag 3 / 12 0.231.151 haben das ausschliessliche Recht, die gewerbsmässige Vermietung der Originale oder Vervielfältigungsstücke ihrer Werke an die Öffentlichkeit zu erlauben. 2. Absatz 1 findet keine Anwendung: i. bei Computerprogrammen, wenn das Programm selbst nicht der wesentliche Gegenstand der Vermietung ist; und ii. bei Filmwerken, sofern die gewerbsmässige Vermietung nicht zu einer weit verbreiteten Vervielfältigung dieser Werke geführt hat, die das ausschliessli- che Vervielfältigungsrecht erheblich beeinträchtigt. 3. Eine Vertragspartei, in deren Gebiet seit dem 15. April 1994 eine Regelung in Kraft ist, die für Urheber eine angemessene Vergütung für die Vermietung von Vervielfäl- tigungsstücken ihrer auf Tonträgern aufgenommenen Werke vorsieht, kann diese Re- gelung unbeschadet der Bestimmungen von Absatz 1 beibehalten, sofern die gewerbs- mässige Vermietung der auf Tonträgern aufgenommenen Werke das ausschliessliche Vervielfältigungsrecht der Urheber nicht erheblich beeinträchtigt. Art. 8 Recht der öffentlichen Wiedergabe Unbeschadet der Bestimmungen von Artikel 11 Absatz 1 Ziffer 2, Artikel 11bis Absatz 1 Ziffern 1 und 2, Artikel 11ter Absatz 1 Ziffer 2, Artikel 14 Absatz 1 Ziffer 2 und Artikel 14bis Absatz 1 der Berner Übereinkunft haben die Urheber von Werken der Literatur und Kunst das ausschliessliche Recht, die öffentliche drahtlose oder draht- gebundene Wiedergabe ihrer Werke zu erlauben, einschliesslich der Zugänglichma- chung ihrer Werke in der Weise, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit an Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind. Art. 9 Schutzdauer für Werke der Photographie Die Vertragsparteien wenden die Bestimmungen von Artikel 7 Absatz 4 der Berner Übereinkunft nicht auf Werke der Photographie an. Art. 10 Beschränkungen und Ausnahmen 1. Die Vertragsparteien können in ihren Rechtsvorschriften in Bezug auf die den Ur- hebern von Werken der Literatur und Kunst nach diesem Vertrag gewährten Rechte Beschränkungen oder Ausnahmen in bestimmten Sonderfällen vorsehen, die weder die normale Verwertung der Werke beeinträchtigen, noch die berechtigten Interessen der Urheber unzumutbar verletzen. 2. Bei der Anwendung der Berner Übereinkunft begrenzen die Vertragsparteien in Bezug auf die darin vorgesehenen Rechte Beschränkungen oder Ausnahmen auf be- stimmte Sonderfälle, die weder die normale Verwertung der Werke beeinträchtigen, noch die berechtigten Interessen der Urheber unzumutbar verletzen. Urheberrecht 4 / 12 0.231.151 Art. 11 Pflichten in Bezug auf technische Vorkehrungen Die Vertragsparteien sehen einen hinreichenden Rechtsschutz und wirksame Rechts- behelfe gegen die Umgehung wirksamer technischer Vorkehrungen vor, von denen Urheber im Zusammenhang mit der Ausübung ihrer Rechte nach diesem Vertrag oder der Berner Übereinkunft Gebrauch machen und die Handlungen in Bezug auf ihre Werke einschränken, die die betreffenden Urheber nicht erlaubt haben oder die ge- setzlich nicht zulässig sind. Art. 12 Pflichten in Bezug auf Informationen für die Wahrnehmung der Rechte 1. Die Vertragsparteien sehen hinreichende und wirksame Rechtsbehelfe gegen Per- sonen vor, die wissentlich eine der nachstehenden Handlungen vornehmen, obwohl ihnen bekannt ist oder in Bezug auf zivilrechtliche Rechtsbehelfe den Umständen nach bekannt sein muss, dass diese Handlung die Verletzung eines unter diesen Ver- trag oder die Berner Übereinkunft fallenden Rechts herbeiführen, ermöglichen, er- leichtern oder verbergen wird: i. unbefugte Entfernung oder Änderung elektronischer Informationen für die Wahrnehmung der Rechte; ii. unbefugte Verbreitung, Einfuhr zur Verbreitung, Sendung, öffentliche Wie- dergabe von Werken oder Vervielfältigungsstücken von Werken in Kenntnis des Umstands, dass elektronische Informationen für die Wahrnehmung der Rechte unbefugt entfernt oder geändert wurden. 2. Im Sinne dieses Artikels sind «Informationen für die Wahrnehmung der Rechte» Informationen, die das Werk, den Urheber des Werks, den Inhaber eines Rechts an diesem Werk identifizieren, oder Informationen über die Nutzungsbedingungen des Werks sowie Zahlen oder Codes, die derartige Informationen darstellen, wenn irgend- eines dieser Informationselemente an einem Vervielfältigungsstück eines Werks an- gebracht ist oder im Zusammenhang mit der öffentlichen Wiedergabe eines Werks erscheint. Art. 13 Anwendung in zeitlicher Hinsicht Die Vertragsparteien wenden Artikel 18 der Berner Übereinkunft auf alle in diesem Vertrag vorgesehenen Schutzgüter an. Art. 14 Rechtsdurchsetzung 1. Die Vertragsparteien verpflichten sich, in Übereinstimmung mit ihren Rechtsord- nungen die notwendigen Massnahmen zu ergreifen, um die Anwendung dieses Ver- trags sicherzustellen. 2. Die Vertragsparteien stellen sicher, dass in ihren Rechtsordnungen Verfahren zur Rechtsdurchsetzung verfügbar sind, um ein wirksames Vorgehen gegen jede Verlet- zung von unter diesen Vertrag fallenden Rechten zu ermöglichen, einschliesslich Eil- verfahren zur Verhinderung von Verletzungshandlungen und Rechtsbehelfen zur Ab- schreckung von weiteren Verletzungshandlungen. WIPO-Urheberrechtsvertrag 5 / 12 0.231.151 Art. 15 Die Versammlung 1. a. Die Vertragsparteien haben eine Versammlung. b. Jede Vertragspartei wird durch einen Delegierten vertreten, der von Stellver- tretern, Beratern und Sachverständigen unterstützt werden kann. c. Die Kosten jeder Delegation werden von der Vertragspartei getragen, die sie entsandt hat. Die Versammlung kann die Weltorganisation für geistiges Ei- gentum (im folgenden als «WIPO» bezeichnet) um finanzielle Unterstützung bitten, um die Teilnahme von Delegationen von Vertragsparteien zu erleich- tern, die nach der bestehenden Übung der Generalversammlung der Vereinten Nationen als Entwicklungsländer angesehen werden oder die Länder im Über- gang zur Marktwirtschaft sind. 2. a. Die Versammlung behandelt Fragen, die die Erhaltung und Entwicklung so- wie die Anwendung und Durchführung dieses Vertrags betreffen. b. Die Versammlung nimmt in Bezug auf die Zulassung bestimmter zwischen- staatlicher Organisationen als Vertragspartei die ihr nach Artikel 17 Absatz 2 übertragene Aufgabe wahr. c. Die Versammlung beschliesst die Einberufung einer diplomatischen Konfe- renz zur Revision dieses Vertrags und erteilt dem Generaldirektor der WIPO die notwendigen Weisungen für die Vorbereitung einer solchen Konferenz. 3. a. Jede Vertragspartei, die ein Staat ist, verfügt über eine Stimme und stimmt nur in ihrem Namen ab. b. Eine Vertragspartei, die eine zwischenstaatliche Organisation ist, kann an- stelle ihrer Mitgliedstaaten an der Abstimmung teilnehmen und verfügt hierzu über eine Anzahl von Stimmen, die der Anzahl ihrer Mitgliedstaaten ent- spricht, die Vertragspartei dieses Vertrags sind. Eine zwischenstaatliche Or- ganisation kann nicht an der Abstimmung teilnehmen, wenn einer ihrer Mit- gliedstaaten sein Stimmrecht ausübt und umgekehrt. 4. Die Versammlung tritt nach Einberufung durch den Generaldirektor der WIPO alle zwei Jahre einmal zu einer ordentlichen Tagung zusammen. 5. Die Versammlung gibt sich eine Geschäftsordnung, in der unter anderem die Ein- berufung ausserordentlicher Tagungen, die Voraussetzungen für die Beschlussfähig- keit und vorbehaltlich der Bestimmungen dieses Vertrags die Mehrheitserfordernisse für die verschiedenen Arten von Beschlüssen geregelt sind. Art. 16 Das Internationale Büro Das Internationale Büro der WIPO nimmt die Verwaltungsaufgaben im Rahmen die- ses Vertrags wahr. Art. 17 Qualifikation als Vertragspartei 1. Jeder Mitgliedstaat der WIPO kann Vertragspartei dieses Vertrags werden. Urheberrecht 6 / 12 0.231.151 2. Die Versammlung kann beschliessen, jede zwischenstaatliche Organisation als Vertragspartei zuzulassen, die erklärt, für die durch diesen Vertrag geregelten Berei- che zuständig zu sein, über diesbezügliche Vorschriften, die für alle ihre Mitgliedstaa- ten bindend sind, zu verfügen und in Übereinstimmung mit ihrer Geschäftsordnung ordnungsgemäss ermächtigt worden zu sein, Vertragspartei zu werden. 3. Die Europäische Gemeinschaft, die auf der Diplomatischen Konferenz, auf der dieser Vertrag angenommen wurde, die in Absatz 2 bezeichnete Erklärung abgegeben hat, kann Vertragspartei dieses Vertrags werden. Art. 18 Rechte und Pflichten nach dem Vertrag Sofern dieser Vertrag nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt, gelten für jede Ver- tragspartei alle Rechte und Pflichten nach diesem Vertrag. Art. 19 Unterzeichnung des Vertrags Dieser Vertrag liegt bis zum 31. Dezember 1997 zur Unterzeichnung durch jeden Mit- gliedstaat der WIPO und durch die Europäische Gemeinschaft auf. Art. 20 Inkrafttreten des Vertrags Dieser Vertrag tritt drei Monate nach Hinterlegung der dreissigsten Ratifikations- o- der Beitrittsurkunde beim Generaldirektor der WIPO in Kraft. Art. 21 Inkrafttreten des Vertrags für eine Vertragspartei Dieser Vertrag bindet: i. die dreissig Staaten im Sinne von Artikel 20 ab dem Tag, an dem dieser Ver- trag in Kraft getreten ist; ii. jeden anderen Staat nach Ablauf von drei Monaten nach Hinterlegung seiner Urkunde beim Generaldirektor der WIPO; iii. die Europäische Gemeinschaft nach Ablauf von drei Monaten nach Hinterle- gung ihrer Ratifikations- oder Beitrittsurkunde, wenn diese Urkunde nach In- krafttreten dieses Vertrags nach Artikel 20 hinterlegt worden ist, oder drei Monate nach Inkrafttreten dieses Vertrags, wenn die Urkunde vor Inkrafttre- ten des Vertrags hinterlegt worden ist; iv. jede andere zwischenstaatliche Organisation, die als Vertragspartei dieses Vertrags zugelassen wird, nach Ablauf von drei Monaten nach Hinterlegung ihrer Beitrittsurkunde. Art. 22 Vorbehalte Vorbehalte zu diesem Vertrag sind nicht zulässig. WIPO-Urheberrechtsvertrag 7 / 12 0.231.151 Art. 23 Kündigung des Vertrags Dieser Vertrag kann von jeder Vertragspartei durch eine an den Generaldirektor der WIPO gerichtete Notifikation gekündigt werden. Die Kündigung wird ein Jahr nach dem Tag wirksam, an dem die Notifikation beim Generaldirektor der WIPO einge- gangen ist. Art. 24 Vertragssprachen 1. Dieser Vertrag wird in einer Urschrift in englischer, arabischer, chinesischer, fran- zösischer, russischer und spanischer Sprache unterzeichnet, wobei jede Fassung gleichermassen verbindlich ist. 2. Ein amtlicher Wortlaut in einer anderen als der in Absatz 1 genannten Sprachen wird durch den Generaldirektor der WIPO auf Ersuchen einer interessierten Vertrags- partei nach Konsultation mit allen interessierten Vertragsparteien erstellt. «Interes- sierte Vertragspartei» im Sinne dieses Absatzes bedeutet einen Mitgliedstaat der WIPO, dessen Amtssprache oder eine von dessen Amtssprachen betroffen ist, sowie die Europäische Gemeinschaft und jede andere zwischenstaatliche Organisation, die Vertragspartei dieses Vertrags werden kann, wenn eine ihrer Amtssprachen betroffen ist. Art. 25 Verwahrer Verwahrer dieses Vertrags ist der Generaldirektor der WIPO. (Es folgen die Unterschriften) Urheberrecht 8 / 12 0.231.151 Vereinbarte Erklärungen Zu Art. 1 Abs. 4 Das Vervielfältigungsrecht nach Artikel 9 der Berner Übereinkunft und die darunter fallenden Ausnahmen finden in vollem Umfang im digitalen Bereich Anwendung, insbesondere auf die Verwendung von Werken in digitaler Form. Die elektronische Speicherung eines geschützten Werks in digitaler Form gilt als Vervielfältigung im Sinne von Artikel 9 der Berner Übereinkunft. Zu Art. 3 Zur Anwendung von Artikel 3 dieses Vertrags ist der Ausdruck «Verbandsland» in den Artikeln 2–6 der Berner Übereinkunft so zu verstehen, als bezeichne er eine Ver- tragspartei dieses Vertrags, wenn diese Artikel der Berner Übereinkunft im Zusam- menhang mit dem durch den vorliegenden Vertrag gewährten Schutz angewandt wer- den. In gleicher Weise ist der Ausdruck «verbandsfremdes Land» in den betreffenden Artikeln der Berner Übereinkunft so zu verstehen, als, bezeichne er ein Land, das nicht Vertragspartei dieses Vertrags ist. Der Ausdruck «diese Übereinkunft» in Arti- kel 2 Absatz 8, Artikel 2bis Absatz 2, Artikel 3, 4 und 5 der Berner Übereinkunft ist sowohl als Verweis auf die Berner Übereinkunft als auch als Verweis auf diesen Ver- trag zu verstehen. Der Verweis in den Artikeln 3–6 der Berner Übereinkunft auf die «einem Verbandsland angehörenden» Personen bezeichnet, wenn diese Artikel im Zusammenhang mit diesem Vertrag angewandt werden, in Bezug auf eine zwischen- staatliche Organisation, die Vertragspartei dieses Vertrags ist, einen Angehörigen ei- ner der Länder, die Mitglieder dieser Organisation sind. Zu Art. 4 Der Schutzumfang für Computerprogramme nach Artikel 4 im Artikel 2 dieses Ver- trags steht im Einklang mit Artikel 2 der Berner Übereinkunft und entspricht den ein- schlägigen Bestimmungen des TRIPS-Übereinkommens3. Zu Art. 5 Der Schutzumfang für Datensammlungen (Datenbanken) nach Artikel 5 im Artikel 2 dieses Vertrags steht im Einklang mit Artikel 2 der Berner Übereinkunft und ent- spricht den einschlägigen Bestimmungen des TRIPS-Übereinkommens. 3 SR 0.632.20, Anhang 1C WIPO-Urheberrechtsvertrag 9 / 12 0.231.151 Zu den Art. 6 und 7 Die in diesen Artikeln im Zusammenhang mit dem Verbreitungs- und Vermietrecht verwendeten Ausdrücke «Vervielfältigungsstücke» und «Original und Vervielfälti- gungsstücke» beziehen sich ausschliesslich auf Vervielfältigungsstücke, die als kör- perliche Gegenstände in Verkehr gebracht werden können. Zu Art. 7 Artikel 7 Absatz 1 verpflichtet die Vertragsparteien nicht, Urhebern, denen nach dem Recht der Vertragsparteien keine Rechte in Bezug auf Tonträger gewährt werden, ein ausschliessliches Recht auf gewerbsmässige Vermietung einzuräumen. Die Ver- pflichtung des Artikels 7 Absatz 1 steht im Einklang mit Artikel 14 Absatz 4 des TRIPS-Übereinkommens. Zu Art. 8 Die Bereitstellung der materiellen Voraussetzungen, die eine Wiedergabe ermögli- chen oder bewirken, stellt für sich genommen keine Wiedergabe im Sinne dieses Ver- trags oder der Berner Übereinkunft dar. Artikel 8 steht einer Anwendung von Artikel 11bis Absatz 2 der Berner Übereinkunft durch die Vertragsparteien nicht entgegen. Zu Art. 10 Die Bestimmungen des Artikels 10 erlauben den Vertragsparteien, die in ihren Rechtsvorschriften bestehenden Ausnahmen und Beschränkungen, die nach der Ber- ner Übereinkunft als zulässig angesehen werden, auf digitale Technologien anzuwen- den und in angemessener Form auszudehnen. Diese Bestimmungen sind gleichermas- sen dahin auszulegen, dass sie den Vertragsparteien erlauben, neue Ausnahmen und Beschränkungen zu konzipieren, die für Digitalnetze angemessen sind. Der Anwendungsbereich der nach der Berner Übereinkunft zulässigen Ausnahmen und Beschränkungen wird durch Artikel 10 Absatz 2 weder reduziert noch erweitert. Zu Art. 12 Der Verweis auf die «Verletzung eines durch diesen Vertrag oder die Berner Über- einkunft geschützten Rechts» schliesst sowohl ausschliessliche Rechte als auch Ver- gütungsrechte ein. Die Vertragsparteien können sich nicht auf diesen Artikel berufen, um Verwertungs- systeme zu entwerfen oder einzuführen, die Förmlichkeiten vorschreiben, die nach der Berner Übereinkunft oder diesem Vertrag nicht zulässig sind und den freien Wa- renverkehr unterbinden oder den Genuss von Rechten verhindern, die dieser Vertrag gewährleistet. Urheberrecht 10 / 12 0.231.151 Geltungsbereich am 28. September 20224 Vertragsstaaten Ratifikation Beitritt (B) Nachfolgeerklä- rung (N) Inkrafttreten Afghanistan 9. November 2020 B 9. Februar 2021 Albanien 6. Mai 2005 B 6. August 2005 Algerien 31. Oktober 2013 B 31. Januar 2014 Argentinien 19. November 1999 6. März 2002 Armenien 6. Dezember 2004 B 6. März 2005 Aserbaidschan 11. Januar 2006 B 11. April 2006 Australien 26. April 2007 B 26. Juli 2007 Bahrain 15. September 2005 B 15. Dezember 2005 Barbados 13. September 2019 B 13. Dezember 2019 Belarus 15. Juli 1998 6. März 2002 Belgien 30. Mai 2006 30. August 2006 Belize 9. November 2018 B 9. Februar 2019 Benin 16. Januar 2006 B 16. April 2006 Bosnien und Herzegowina 25. August 2009 B 25. November 2009 Botsuana 27. Oktober 2004 B 27. Januar 2005 Brunei 2. Februar 2017 B 2. Mai 2017 Bulgarien 29. März 2001 B 6. März 2002 Burkina Faso 19. Juli 1999 6. März 2002 Burundi 12. Januar 2016 B 12. April 2016 Cabo Verde 22. Februar 2019 B 22. Mai 2019 Chile 11. April 2001 6. März 2002 China 9. März 2007 B 9. Juni 2007 Hongkong 23. September 2008 1. Oktober 2008 Macau 6. August 2013 6. November 2013 Cook-Inseln 19. März 2019 B 19. Juni 2019 Costa Rica 23. Mai 2000 6. März 2002 Dänemark 14. Dezember 2009 14. März 2010 Färöer 30. Januar 2018 30. April 2018 Deutschland 14. Dezember 2009 14. März 2010 Dominikanische Republik 10. Oktober 2005 B 10. Januar 2006 Ecuador 21. Juni 2000 6. März 2002 El Salvador 20. Oktober 1998 B 6. März 2002 Estland 14. Dezember 2009 14. März 2010 Europäische Union 14. Dezember 2009 14. März 2010 Finnland 14. Dezember 2009 14. März 2010 Frankreich 14. Dezember 2009 14. März 2010 4 AS 2008 2503; 2009 2499; 2010 1455; 2014 885; 2016 771; 2019 2183; 2021 606 und 2022 553. Eine aktualisierte Fassung des Geltungsbereichs ist auf der Publikationsplattform des Bundesrechts «Fedlex» unter folgender Adresse veröffentlicht https://www.fedlex.admin.ch/de/treaty https://www.fedlex.admin.ch/de/treaty WIPO-Urheberrechtsvertrag 11 / 12 0.231.151 Vertragsstaaten Ratifikation Beitritt (B) Nachfolgeerklä- rung (N) Inkrafttreten Gabun 6. Dezember 2001 B 6. März 2002 Georgien 4. Juli 2001 B 6. März 2002 Ghana 18. August 2006 18. November 2006 Griechenland 14. Dezember 2009 14. März 2010 Guatemala 4. November 2002 B 4. Februar 2003 Guinea 25. Februar 2002 B 25. Mai 2002 Honduras 20. Februar 2002 B 20. Mai 2002 Indien 25. September 2018 B 25. Dezember 2018 Indonesien 5. Juni 1997 6. März 2002 Irland 14. Dezember 2009 14. März 2010 Italien 14. Dezember 2009 14. März 2010 Jamaika 12. März 2002 B 12. Juni 2002 Japan 6. Juni 2000 B 6. März 2002 Jordanien 27. Januar 2004 B 27. April 2004 Kanada 13. Mai 2014 13. August 2014 Kasachstan 12. August 2004 12. November 2004 Katar 28. Juli 2005 B 28. Oktober 2005 Kirgisistan 10. September 1998 6. März 2002 Kiribati 22. März 2021 B 22. Juni 2021 Kolumbien 29. November 2000 6. März 2002 Komoren 25. Januar 2021 B 25. April 2021 Korea (Süd-) 24. März 2004 B 24. Juni 2004 Kroatien 3. Juli 2000 6. März 2002 Lettland 22. März 2000 B 6. März 2002 Liechtenstein 30. Januar 2007 B 30. April 2007 Litauen 18. Juni 2001 B 6. März 2002 Luxemburg 14. Dezember 2009 14. März 2010 Madagaskar 24. November 2014 B 24. Februar 2015 Malaysia 27. September 2012 B 27. Dezember 2012 Mali 24. Januar 2002 B 24. April 2002 Malta 14. Dezember 2009 B 14. März 2010 Marokko 20. April 2011 B 20. Juli 2011 Mexiko 18. Mai 2000 6. März 2002 Moldau 13. März 1998 6. März 2002 Mongolei 25. Juli 2002 25. Oktober 2002 Montenegro 4. Dezember 2006 N 3. Juni 2006 Nauru 11. Mai 2020 B 11. August 2020 Neuseeland 17. Dezember 2018 B 17. März 2019 Tokelau 17. Dezember 2018 17. März 2019 Nicaragua 6. Dezember 2002 B 6. März 2003 Nigeria 4. Oktober 2017 4. Januar 2018 Niederlande 14. Dezember 2009 14. März 2010 Nordmazedonien 4. November 2003 B 4. Februar 2004 Urheberrecht 12 / 12 0.231.151 Vertragsstaaten Ratifikation Beitritt (B) Nachfolgeerklä- rung (N) Inkrafttreten Oman 20. Juni 2005 B 20. September 2005 Österreich 14. Dezember 2009 14. März 2010 Panama 17. März 1999 6. März 2002 Paraguay 29. November 2000 B 6. März 2002 Peru 30. Juli 2001 B 6. März 2002 Philippinen 4. Juli 2002 B 4. Oktober 2002 Polen 23. Dezember 2003 B 23. März 2004 Portugal 14. Dezember 2009 14. März 2010 Rumänien 1. Februar 2001 6. März 2002 Russland 5. November 2008 B 5. Februar 2009 San Marino 2. Juni 2020 B 2. September 2020 São Tomé und Príncipe 27. Januar 2020 B 27. April 2020 Schweden 14. Dezember 2009 14. März 2010 Schweiz 31. März 2008 1. Juli 2008 Senegal 18. Februar 2002 18. Mai 2002 Serbien 13. März 2003 B 13. Juni 2003 Singapur 17. Januar 2005 B 17. April 2005 Slowakei 14. Januar 2000 6. März 2002 Slowenien 19. November 1999 6. März 2002 Spanien 14. Dezember 2009 14. März 2010 St. Lucia 24. November 1999 B 6. März 2002 Tadschikistan 5. Januar 2009 B 5. April 2009 Thailand 13. Juli 2022 B 13. Oktober 2022 Togo 21. Februar 2003 21. Mai 2003 Trinidad und Tobago 28. August 2008 B 28. November 2008 Tschechische Republik 10. Oktober 2001 B 6. März 2002 Türkei 28. August 2008 B 28. November 2008 Uganda 28. Januar 2022 B 28. April 2022 Ukraine 29. November 2001 B 6. März 2002 Ungarn 27. November 1998 6. März 2002 Uruguay 5. März 2009 5. Juni 2009 Vanuatu 6. Mai 2020 B 6. August 2020 Vereinigte Arabische Emirate 14. April 2004 B 14. Juli 2004 Vereinigte Staaten 14. September 1999 6. März 2002 Vereinigtes Königreich 14. Dezember 2009 14. März 2010 Gibraltar 2. März 2022 17. Mai 2022 Guernsey 1. Januar 2021 1. Januar 2021 Insel Man 1. Januar 2021 1. Januar 2021 Vietnam 17. November 2021 B 17. Februar 2022 Zypern 4. August 2003 B 4. November 2003 Art. 1 Verhältnis zur Berner Übereinkunft Art. 2 Umfang des Urheberrechtsschutzes Art. 3 Anwendung der Artikel 2–6 der Berner Übereinkunft Art. 4 Computerprogramme Art. 5 Datensammlungen (Datenbanken) Art. 6 Verbreitungsrecht Art. 7 Vermietrecht Art. 8 Recht der öffentlichen Wiedergabe Art. 9 Schutzdauer für Werke der Photographie Art. 10 Beschränkungen und Ausnahmen Art. 11 Pflichten in Bezug auf technische Vorkehrungen Art. 12 Pflichten in Bezug auf Informationen für die Wahrnehmung der Rechte Art. 13 Anwendung in zeitlicher Hinsicht Art. 14 Rechtsdurchsetzung Art. 15 Die Versammlung Art. 16 Das Internationale Büro Art. 17 Qualifikation als Vertragspartei Art. 18 Rechte und Pflichten nach dem Vertrag Art. 19 Unterzeichnung des Vertrags Art. 20 Inkrafttreten des Vertrags Art. 21 Inkrafttreten des Vertrags für eine Vertragspartei Art. 22 Vorbehalte Art. 23 Kündigung des Vertrags Art. 24 Vertragssprachen Art. 25 Verwahrer Vereinbarte Erklärungen Geltungsbereich am 28. September 2022
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80f2be73-9dfb-4e34-89c4-edeb59985650
Sachverhalt ab Seite 264 BGE 133 II 263 S. 264 Am 30. September 2004 bzw. 30. September 2005 unterbreiteten die fünf Verwertungsgesellschaften ProLitteris, Société suisse des auteurs, Schweizerische Gesellschaft für die Rechte der Urheber musikalischer Werke (SUISA), Suissimage und Swissperform unter der Federführung der SUISA der Schiedskommission für die Verwertung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten (nachfolgend: Schiedskommission) einen neuen Gemeinsamen Tarif 4d in der Fassung vom 27. September 2004 zur Genehmigung. Der neue Tarif sieht eine Vergütung auf digitalen Speichermedien wie Microchips oder Harddiscs und ähnlichen digitalen Leerträgern für das private Kopieren von Werken und Leistungen mit reinen Tonaufnahmegeräten und kombinierten audiovisuellen Aufnahmegeräten vor. Die Verwertungsgesellschaften gaben an, mit dem Dachverband der Urheber- und Nachbarrechtsnutzer (DUN), dem Schweizerischen Wirtschaftsverband der Informations-, Kommunikations- und Organisationstechnik (SWICO) sowie dem Verband der Schweizer Unternehmen (economiesuisse) Tarifverhandlungen geführt zu haben, die jedoch erfolglos geblieben seien. Der vorgesehene Gemeinsame Tarif 4d (Vergütung auf digitalen Speichermedien wie Microchips oder Harddiscs in Audio- und audiovisuellen Aufnahmegeräten) lautete auszugsweise wie folgt: BGE 133 II 263 S. 265 "1. Gegenstand des Tarifs 1.1 Der Tarif bezieht sich auf die nach Art. 20, Abs. 3, des schweizerischen bzw. nach Art. 23, Abs. 3, des liechtensteinischen Urheberrechtsgesetzes vorgesehene Vergütung für das private Kopieren von Werken und Leistungen, die durch Urheberrecht oder verwandte Schutzrechte geschützt sind, auf Microchips, Harddiscs und ähnliche digitale Datenträger (nachstehend "privates Kopieren" auf "Leer-Datenträger" genannt). Als solche gelten nach diesem Tarif alle Arten von Chipkarten und Festplattenspeicher, die - in Audioaufnahmegeräten (z.B. mp3-Walkman, mp3-Jukebox, iPod, Audio-Harddiscrecorder), oder - in Videoaufnahmegeräten (z.B. Satelliten-Receiver mit eingebauter Harddisc, Set-Top-Boxen mit eingebauter Harddisc, TV-Geräten mit eingebauter Harddisc, DVD-Recorder mit eingebauter Harddisc) enthalten sind, oder zusammen mit solchen Geräten an Konsumenten abgegeben werden. Als Audio-/Videoaufzeichnungsgeräte im Sinne dieses Tarifs gelten jene Geräte mit Aufzeichnungsfunktion, die hauptsächlich für das Aufzeichnen und Abspielen geschützter Werke und Leistungen angeboten werden. 1.2 Nicht unter diesen Tarif fallen Werkverwendungen zum Eigengebrauch nach Art. 20, Abs. 2, des schweizerischen bzw. Art. 23, Abs. 2, des liechtensteinischen Urheberrechtsgesetzes. 1.3 Nicht in diesem Tarif geregelt ist das private Kopieren auf andere Leer-Tonträger oder Leer-Tonbildträger wie leere Audio- und Videokassetten, Minidisc, DAT, CD-R/RW Audio, CD-R data und bespielbare DVD. Die Vergütung für das private Überspielen auf solche Leerträger ist in anderen Tarifen geregelt. 1.4 Dieser Tarif ist nicht anwendbar auf in Personalcomputer eingebaute Festplatten. 2. Hersteller und Importeure 2.1 Der Tarif richtet sich an Hersteller und Importeure von Leer-Datenträgern. 2.2 Als Hersteller und Importeur gilt, wer diese Datenträger in ihrer handelsüblichen Form dem Handel in der Schweiz oder im Fürstentum Liechtenstein anbietet. 2.3 Unter diesen Tarif fallen auch bespielte Datenträger, sofern sie im Hinblick auf eine Verwendung als Datenträger für privates Kopieren angeboten werden. (...) 4. Vergütung Die Vergütung beträgt: BGE 133 II 263 S. 266 4.1 für Chipkarten (...) 4.2 für Harddisc in Audio-Aufnahmegeräten: (...) 4.3 für Harddisc in Audiovisions-Aufnahmegeräten: (...) 4.4 Alle Vergütungen werden im Verhältnis 3:1 zwischen den Inhabern von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten aufgeteilt. 4.5 Die Vergütung wird verdoppelt für Leer-Datenträger, die der SUISA nicht gemäss den Bestimmungen dieses Tarifs gemeldet werden. 4.6 Alle Vergütungen verstehen sich ohne eine allfällige MWST, die zum jeweils aktuellen Steuersatz hinzukommt. 5. Massgebender Zeitpunkt für das Entstehen der Vergütungspflicht 5.1 Für den Importeur: mit dem Import in die Schweiz. 5.2 Für den Hersteller: mit der Auslieferung aus seinem Werk oder aus seinen eigenen Lagern. (...) 9. Gültigkeitsdauer 9.1 Dieser Tarif tritt mit der Publikation im Schweizerischen Handelsamtsblatt in Kraft und gilt für alle ab dem 1. Mai 2005 von den Importeuren oder Herstellern an den Detailhandel oder direkt an den Konsumenten verkauften Leer-Datenträger. Er gilt bis zum 31. Dezember 2007. 9.2 Bei wesentlicher Änderung der Verhältnisse kann er vorzeitig revidiert werden." Das Präsidium der Schiedskommission holte dazu in der Folge Stellungnahmen der bereits beteiligten Nutzerverbände sowie neu von vier Konsumentenschutzorganisationen von regionaler und nationaler Bedeutung (Konsumentenforum [kf], Stiftung für Konsumentenschutz [SKS], Fédération romande des consommateurs [FRC] und Associazione consumatrici della Svizzera italiana [acsi]) ein. Überdies wurde der Preisüberwacher konsultiert. Mit Beschluss vom 17. Januar 2006 traf die Schiedskommission den folgenden (hier auszugsweise wiedergegebenen) Entscheid (dessen Begründung in sic! 1/2007 S. 21 ff. teilweise publiziert wurde): "1. Die Konsumentenschutzorganisationen (Associazione Consumatrici della Svizzera Italiana, Fédération romande des consommateurs, Konsumentenforum, Stiftung für Konsumentenschutz) sind keine massgebenden Nutzerverbände gemäss Art. 46 Abs. 2 URG und es kommt ihnen in diesem Verfahren somit keine Parteistellung zu. 2. Der Gemeinsame Tarif 4d (Vergütung auf digitalen Speichermedien wie Microchips oder Harddiscs in Audio- und audiovisuellen Aufnahmegeräten) wird in der Fassung vom 28. September 2005 mit den folgenden BGE 133 II 263 S. 267 Änderungen mit einer Gültigkeitsdauer bis zum 31. Dezember 2007 genehmigt: a) Ziff. 1.1 Abs.1: (...) - in Audioaufnahmegeräten, namentlich mp3-Walkman, mp3-Jukebox (sowie solche mit entsprechenden Kompressionsverfahren), iPod, Audio-Harddiscrecorder oder - in Videoaufnahmegeräten, namentlich Satelliten-Receiver mit eingebauter Harddisc, Set-Top-Boxen mit eingebauter Harddisc, TV-Geräte mit eingebauter Harddisc, DVD-Recorder mit eingebauter Harddisc, Digital Video Recorder (DVR) und Personal Video Recorder (PVR) mit eingebauter Harddisc (...) b) Ziff. 1.1 neuer Absatz: Die Verwertungsgesellschaften erstellen in Zusammenarbeit mit den Verbänden von Herstellern und Importeuren ein Verzeichnis dieser Kategorien von Trägern. c) Ziff. 4.1 für Chipkarten - mit weniger als 512 Megabyte (MB) Speicherkapazität Fr. 0.0253 pro MB - mit weniger als 1 Gigabyte Speicherkapazität Fr. 0.0178 pro MB - mit 1 aber weniger als 2 Gigabyte Speicherkapazität Fr. 0.0145 pro MB - mit 2 aber weniger als 4 Gigabyte Speicherkapazität Fr. 0.0078 pro MB - mit 4 und mehr Gigabyte Speicherkapazität Fr. 0.00467 pro MB Ziff. 4.2 für Harddisc in Audio-Aufnahmegeräten: pro 1 Gigabyte Speicherkapazität Fr. 0.469 Ziff. 4.3 für Harddisc in Audiovisions-Aufnahmegeräten: pro 1 Gigabyte Speicherkapazität Fr. 0.346 d) Ziff. 9.1: Dieser Tarif tritt am 1. März 2006 in Kraft und gilt für alle ab diesem Zeitpunkt von den Importeuren oder Herstellern an den Detailhandel oder direkt an den Konsumenten verkauften Leer-Datenträger. Er gilt bis zum 31. Dezember 2007. (...)" Gegen diesen Beschluss der Schiedskommission gingen verschiedene Verwaltungsgerichtsbeschwerden beim Bundesgericht ein. BGE 133 II 263 S. 268 Am 27. Januar 2006 bzw. 1. Juni 2006 reichte der Schweizerische Wirtschaftsverband der Informations-, Kommunikations- und Organisationstechnik (SWICO) Beschwerde ein mit dem Antrag, den Tarifgenehmigungsbeschluss aufzuheben und den beantragten Tarif zur Fortsetzung der Verhandlungen zurückzuweisen, eventuell ihn nicht zu genehmigen, subeventuell den Tarif lediglich mit bestimmten Änderungen (Senkung einzelner Tarifposten) zu genehmigen (Verfahren 2A.53/2006 und 2A.338/2006). Mit Eingabe vom 1. Juni 2006 erhob auch der Dachverband der Urheber- und Nachbarrechtsnutzer (DUN) mit analogen Anträgen Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht (Verfahren 2A.336/2006). In ihren Stellungnahmen in der Sache schliessen sich die übrigen Nutzerorganisationen jeweils den Anträgen der beschwerdeführenden Organisation im Wesentlichen an. Die Verwertungsgesellschaften beantragen in gemeinsamen Eingaben, auf die Rückweisungsbegehren sei nicht einzutreten, eventuell seien sie abzuweisen; im Übrigen seien die Beschwerden abzuweisen. Die Schiedskommission hat in allen Verfahren auf eine Vernehmlassung in der Sache verzichtet. Am 30. Mai 2006 reichten auch die Verwertungsgesellschaften in einer gemeinsamen Eingabe Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht gegen den Beschluss der Schiedskommission vom 17. Januar 2006 ein (Verfahren 2A.322/2006). Sie beantragen, die Beschwerde gutzuheissen und den strittigen Tarif lediglich mit bestimmten Änderungen (Erhöhung einzelner Tarifposten) zu genehmigen. Economiesuisse, der Schweizerische Wirtschaftsverband der Informations-, Kommunikations- und Organisationstechnik (SWICO) sowie der Dachverband der Urheber- und Nachbarrechtsnutzer (DUN) schliessen auf Abweisung der Beschwerde. Die Schiedskommission hat wiederum auf eine Vernehmlassung verzichtet. Schliesslich führen auch die vier Konsumentenschutzorganisationen Fédération romande des consommateurs (FRC), Konsumentenforum (kf), Stiftung für Konsumentenschutz (SKS) und Associazione consumatrici della Svizzera italiana (acsi) Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht gegen den Beschluss der Schiedskommission vom 17. Januar 2006 (Verfahren 2A.337/2006). Sie beantragen Eintreten auf ihre Beschwerde und Aufhebung des angefochtenen Entscheids. In einer gemeinsamen Stellungnahme beantragen die Verwertungsgesellschaften, auf die neu eingereichten Beweismittel sei nicht einzutreten und die Beschwerde gegen Ziffer 1 des Beschlusses der Schiedskommission (Verweigerung der Parteistellung BGE 133 II 263 S. 269 für die Konsumentenschutzorganisationen im Genehmigungsverfahren) sei abzuweisen. Sodann sei auf die Beschwerde insoweit nicht einzutreten, sie eventuell abzuweisen, als sie sich gegen Ziffer 2 des angefochtenen Entscheides (d.h. gegen die Tarifgenehmigung) richte. Mit verschiedenen Verfügungen erteilte der Abteilungspräsident allen Beschwerden mit Ausnahme derjenigen der Verwertungsgesellschaften jeweils antragsgemäss die aufschiebende Wirkung. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. 2.1 Nach Art. 19 des Bundesgesetzes vom 9. Oktober 1992 über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz, URG; SR 231.1) dürfen veröffentlichte Werke zum Eigengebrauch verwendet werden. Für bestimmte Arten des Eigengebrauchs sieht allerdings Art. 20 URG Vergütungen vor. Insbesondere schuldet dem Urheber eine Vergütung für die Werkverwendungen zum Eigengebrauch, wer Leerkassetten und andere zur Aufnahme von Werken geeignete Ton- und Tonbildträger herstellt oder importiert ( Art. 20 Abs. 3 URG ). Gemäss Art. 46 URG stellen die Verwertungsgesellschaften für die von ihnen geforderten Vergütungen Tarife auf (Abs. 1); sie verhandeln über die Gestaltung der einzelnen Tarife mit den massgebenden Nutzerverbänden (Abs. 2); sie legen die Tarife der Schiedskommission zur Genehmigung vor und veröffentlichen die genehmigten Tarife (Abs. 3; vgl. auch Art. 55 URG ). Sind mehrere Verwertungsgesellschaften im gleichen Nutzungsbereich tätig, so stellen sie für die gleiche Verwendung von Werken oder Darbietungen einen gemeinsamen Tarif nach einheitlichen Grundsätzen auf ( Art. 47 Abs. 1 URG ). 2.2 Gegen Verfügungen der Schiedskommission kann beim Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde geführt werden, wobei die Bestimmungen über die Bundesverwaltungsrechtspflege gelten ( Art. 74 Abs. 2 und 3 URG ; Art. 97 Abs. 1 OG [BS 3 S. 531] in Verbindung mit Art. 5 VwVG und Art. 98 lit. e OG ). Art. 99 Abs. 1 lit. b OG schliesst die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zwar grundsätzlich aus gegen Verfügungen über Tarife; die Bestimmung gilt jedoch nicht auf dem Gebiet der Verwertung von Urheberrechten. Gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung steht die Verwaltungsgerichtsbeschwerde insbesondere gegen Tarifgenehmigungsentscheide der Schiedskommission offen (vgl. etwa die Urteile des BGE 133 II 263 S. 270 Bundesgerichts 2A.183/2006 vom 8. September 2006, E. 1.3, 2A.245/2000 vom 27. Oktober 2000, E. 1, 2A.141/1997 vom 16. Februar 1998, E. 1a, sowie 2A.142/1994 vom 24. März 1995, publ. in: JdT 1995 I S. 277, E. 1a). (...) 4. 4.1 Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann die Verletzung von Bundesrecht, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, gerügt werden ( Art. 104 lit. a OG ). Die Feststellung des Sachverhalts bindet das Bundesgericht, wenn eine richterliche Behörde als Vorinstanz den Sachverhalt nicht offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt hat ( Art. 105 Abs. 2 OG ). Da es sich bei der Schiedskommission im Tarifgenehmigungsverfahren um eine richterliche Behörde handelt, greift die Einschränkung von Art. 105 Abs. 2 OG (Urteile 2A.491/1998 vom 1. März 1999, E. 1b, teilweise publ. in: sic! 3/1999 S. 264, sowie 2A.142/1994 vom 24. März 1995, E. 2a). Ausgeschlossen ist schliesslich die Rüge, der angefochtene Entscheid sei unangemessen ( Art. 104 lit. c OG ). 4.2 Mit der Anwendbarkeit von Art. 105 Abs. 2 OG wird die Möglichkeit, vor Bundesgericht neue Tatsachen vorzubringen und neue Beweismittel einzureichen, weitgehend eingeschränkt. Das Bundesgericht lässt diesfalls nur solche neue Tatsachen und Beweismittel zu, welche die Vorinstanz von Amtes wegen hätte berücksichtigen müssen und deren Nichtbeachtung eine Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften darstellt ( BGE 121 II 97 E. 1c S. 99 f., BGE 121 II 110 E. 2c S. 114). 5. 5.1 Nach Art. 46 Abs. 2 URG verhandeln die Verwertungsgesellschaften über die Gestaltung der einzelnen Tarife mit den massgebenden Nutzerverbänden. Nachdem die Schiedskommission im Rahmen der Verfahrensinstruktion zunächst von einem Einbezug der grossen schweizerischen Konsumentenschutzorganisationen ins vorliegende Genehmigungsverfahren abgesehen hatte, wurde diesen später auf Empfehlung des Preisüberwachers doch noch die Gelegenheit erteilt, sich zur Sache zu äussern. Im angefochtenen Entscheid sprach ihnen die Schiedskommission dann allerdings die Parteistellung wiederum im Wesentlichen deshalb ab, weil sie nicht belegt hatten, vom fraglichen Tarif besonders betroffen zu sein; eine Mitwirkung der Konsumentenschutzorganisationen im Sinne einer BGE 133 II 263 S. 271 Anhörung vom Amtes wegen oder auf Antrag einer Partei ohne Anspruch auf rechtliches Gehör schloss die Schiedskommission jedoch nicht aus. 5.2 Im Unterschied zur Ausgangslage bei anderen Tarifen wird der hier für die Leerträgertarife massgebliche Eigengebrauch nach Art. 19 Abs. 1 lit. a URG unmittelbar vom Endverbraucher ("Konsumenten") vorgenommen. Der Gesetzgeber erklärte aber in Art. 20 Abs. 3 URG den Importeur oder Hersteller zum Schuldner der Vergütung. Diese Schuldnerverpflichtung führt konsequenterweise dazu, dass die Hersteller und Importeure bzw. deren repräsentative Verbände in Anwendung von Art. 46 Abs. 2 URG als Verhandlungspartner für die Bestimmung der Tarife beigezogen werden müssen. Sie erscheinen grundsätzlich auch geeigneter als reine Konsumentenschutzorganisationen, die den Werknutzern obliegende Pflicht zu erfüllen, bei den Verhandlungen alle Angaben und Zahlen zu unterbreiten, die erst die Überprüfung der Angemessenheit eines Tarifs erlauben (vgl. Art. 60 Abs. 1 URG in Verbindung mit Art. 51 URG sowie das Urteil des Bundesgerichts 2A.539/1996 vom 20. Juni 1997, E. 6b, publ. in: sic! 1/1998 S. 33 ff.). Immerhin werden die für die Vergütung anfallenden Kosten regelmässig auf die Endverbraucher überwälzt, weshalb es nicht ausgeschlossen ist, auch repräsentative Konsumentenschutzorganisationen als Verhandlungspartner anzuerkennen. Das Bundesgericht hat denn auch bereits festgehalten, Nutzer im Sinne von Art. 19 Abs. 1 lit. a URG seien die Verbraucher, die Leerträger (damals: Leerkassetten) für ihren eigenen Gebrauch kaufen und bespielen; dass es einen repräsentativen Verband der privaten Nutzer von Leerträgern (damals: Leerkassetten) gebe, der zur erforderlichen Interessenvertretung geeignet erscheine, sei jedoch nicht bekannt (Urteil 2A.142/1994 vom 24. März 1995, E. 1b/cc). An dieser Einschätzung ist grundsätzlich festzuhalten: Es ist nicht ersichtlich, weshalb repräsentative Konsumentenschutzorganisationen von vornherein nicht als Verhandlungspartner mit eigenen Parteirechten nach Art. 46 Abs. 2 URG in Frage kommen sollten. Voraussetzung wäre indessen, dass ihre Repräsentativität für den in Frage stehenden Tarif belegt ist. 5.3 Nach der Feststellung der Schiedskommission haben diejenigen Konsumentenschutzorganisationen, die im vorliegenden Verfahren eine Stellungnahme einreichten, es unterlassen, ihre Repräsentativität zu belegen bzw. insbesondere ihre Statuten einzureichen. Es lasse sich daher nicht beurteilen, inwiefern sie bzw. ihre BGE 133 II 263 S. 272 Mitglieder durch den strittigen Tarif besonders betroffen seien und inwiefern es zu ihren statutarischen Aufgaben gehöre, die Interessen von Urheberrechtsnutzern in fraglicher Hinsicht zu vertreten. Der allgemeine Anspruch, Konsumenteninteressen zu verfolgen, rechtfertige für sich allein eine Teilnahme an (auf spezifische Produkte ausgerichtete) Tarifverhandlungen noch nicht. 5.4 Gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung besteht im Tarifgenehmigungsverfahren eine im Vergleich zum gewöhnlichen Verwaltungsverfahren erhöhte Mitwirkungspflicht der Parteien (Urteil 2A.142/1994 vom 24. März 1995, E. 8d). Dies muss auch für diejenigen Organisationen gelten, die für sich eine Parteistellung in Anspruch nehmen wollen. Die Frage des allfälligen Einbezugs von Konsumentenschutzorganisationen in das urheberrechtliche Tarifgenehmigungsverfahren ist nicht neu. Namentlich weist die Schiedskommission im angefochtenen Entscheid darauf hin, sich bereits im Jahre 2002 bei der Genehmigung der Gemeinsamen Tarife GT 4b und GT 4c damit befasst zu haben. Unter diesen Umständen oblag es in erster Linie den Konsumentenschutzorganisationen selbst, ihre Repräsentativität zu belegen, und war es nicht Aufgabe der Schiedskommission, hierzu von Amtes wegen die erforderlichen Abklärungen vorzunehmen. Die Konsumentenschutzorganisationen haben die einschlägigen Unterlagen bei der Vorinstanz indessen nicht eingereicht. Dies lässt sich auch nicht vor Bundesgericht nachholen, da es sich bei der Schiedskommission um eine gerichtliche Instanz handelt, die Abklärungen nicht von Amtes wegen zu treffen waren und keine wesentlichen Verfahrensvorschriften verletzt wurden. Die entsprechenden vor Bundesgericht nachgereichten Unterlagen erweisen sich demnach als unzulässige neue Beweismittel und sind aus dem Recht zu weisen (vgl. E. 4.2). Zwar kann es als notorisch gelten, dass die betreffenden Organisationen in allgemeiner Weise Konsumenteninteressen vertreten. Dass sie aber auch konkret im hier fraglichen Zusammenhang repräsentativ sind, wurde vor der Vorinstanz nicht belegt. Unter diesen Umständen verletzt es Bundesrecht nicht, dass die Schiedskommission den vier Konsumentenschutzorganisationen im vorliegenden Verfahren die Parteistellung abgesprochen hat. Deren Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist daher insoweit abzuweisen. 5.5 Daraus ergibt sich auch, dass die Konsumentenschutzorganisationen nicht legitimiert sind, den Tarifgenehmigungsentscheid der BGE 133 II 263 S. 273 Schiedskommission in der Sache anzufechten, weshalb insofern auf ihre Beschwerde nicht eingetreten werden kann. (...) 7. 7.1 Nach Art. 20 Abs. 3 URG schuldet, wer Leerkassetten und andere zur Aufnahme von Werken geeignete Ton- und Tonbildträger herstellt oder importiert, dem Urheber eine Vergütung für Werkverwendungen zum Eigengebrauch. Über Art. 38 URG findet Art. 20 Abs. 3 URG auch Anwendung auf die verwandten Schutzrechte. Die beteiligten Nutzerverbände bestreiten, dass Art. 20 Abs. 3 URG eine genügende gesetzliche Grundlage für den GT 4d darstellt, und zwar sowohl hinsichtlich der dauerhaft in einem Aufnahmegerät eingebauten Speicher (so genannte "Harddiscs") als auch der austauschbaren Speicher- oder Chipkarten (so genannte "Flash Memories"). Nach ihrer Auffassung stellt der fragliche Tarif eine verkappte Geräteabgabe dar bzw. enthält er zumindest Elemente einer solchen. Eine Gerätevergütung sehe das Gesetz aber gerade nicht vor und dürfe nur durch eine Gesetzesrevision eingeführt werden. 7.2 Ob Art. 20 Abs. 3 URG eine genügende Grundlage für den hier strittigen GT 4d abgibt, ist durch Auslegung zu bestimmen. Ziel der Auslegung ist die Ermittlung des Sinngehalts der Bestimmung. Ausgangspunkt jeder Auslegung ist der Wortlaut, doch kann dieser nicht allein massgebend sein. Vom Wortlaut kann abgewichen werden, wenn triftige Gründe für die Annahme bestehen, dass er nicht den wahren Sinn der Vorschrift wiedergibt. Solche Gründe können sich aus der Entstehungsgeschichte, aus Sinn und Zweck der Norm oder aus dem Zusammenhang mit anderen Gesetzesbestimmungen ergeben. Das Bundesgericht hat sich bei der Auslegung von Erlassen stets von einem Methodenpluralismus leiten lassen (vgl. BGE 131 II 13 E. 7.1 S. 31 mit Hinweisen). 7.2.1 Nach dem Wortlaut unterstehen alle zur Aufnahme von Werken geeignete Ton- und Tonbildträger der Vergütungspflicht. Der Gesetzestext ist insofern recht weit gefasst. Harddiscs und Flash Memories sind zur Aufnahme von Werken geeignet, und sie können, nebst anderen Funktionen, auch als Ton- und Tonbildträger dienen. Rein vom Wortlaut her fallen sie daher, wenn auch nicht ohne weiteres im Rahmen einer Prima-facie-Prüfung (vgl. die Präsidialverfügung vom 20. Februar 2006, E. 3.2.1, im Verfahren 2A.53/2006), so doch aufgrund einer vertieften Analyse in den Anwendungsbereich von Art. 20 Abs. 3 URG . BGE 133 II 263 S. 274 7.2.2 Mit der ausdrücklichen Beschränkung der Leerträgervergütung auf geeignete Träger wollte der Gesetzgeber einzig Tonträger von der Abgabe ausschliessen, die nicht für Werkverwendungen bestimmt sind. Im Übrigen war die gesetzliche Regelung zwar von der - damals vorrangigen - Frage der Leerkassetten geleitet, im Parlament wurde aber auf mögliche neue digitale Speichermedien hingewiesen (vgl. AB 1992 N S. 41 f.). Wie die Schiedskommission zu Recht erwägt, wollte der Gesetzgeber solche technischen Änderungen offenbar nicht von der Vergütungspflicht ausschliessen, hätte er doch sonst nicht eine derart offene gesetzliche Bestimmung zu erlassen brauchen. Erfasst werden somit Träger, die wegen des ihnen zugedachten Nutzungszwecks und ihrer Aufzeichnungs- oder Wiedergabeeigenschaften für die Aufzeichnung geschützter Werke bestimmt sind und wahrscheinlich dafür verwendet werden (CHRISTOPH GASSER, Der Eigengebrauch im Urheberrecht, Bern 1997, S. 166 f.). Dazu zählen auch neue digitale Speichermedien (vgl. GASSER, a.a.O., S. 168). 7.2.3 Eine solche Auslegung von Art. 20 Abs. 3 URG entspricht dem Gesetzeszweck. Ziel des Gesetzgebers war es, einen umfassenden Schutz der Rechteinhaber für ihre Werke und Leistungen und insbesondere auch für die Nutzung derselben einzurichten bzw. ihnen eine angemessene Entgeltung zu garantieren, soweit die Nutzung gesetzlich freigegeben wurde (vgl. etwa BBl 1 BGE 984 III 173 ff. und 1 BGE 989 III 477 ff.). Die Abgabe für digitale Leerträger, die sich in Geräten befinden, welche zur Aufnahme von Musik- und Filmwerken geeignet sind, dient der Vergütung für die private und persönliche Verwendung eines urheberrechtlich geschützten Werkes durch Kopieren, wodurch die Kosten für die Anschaffung eines Werkexemplars eingespart werden (vgl. BGE 108 II 475 ff., insbes. E. 3 S. 480 ff.). Genau solche Vorgänge sollen mit der Abgabe für die Verwendung zum Eigengebrauch abgegolten werden. Digitale Vervielfältigungen bieten denn auch eine besondere Qualität und vermögen grundsätzlich noch mehr Personen vom Kauf der auf dem Markt angebotenen Werkexemplare abzuhalten als analoge Kopien (GASSER, a.a.O., S. 177). 7.3 Damit fallen solche neuen digitalen Speichermedien, die zusammen mit einem Aufnahmegerät bzw. für einen entsprechenden Einsatz angeboten werden, grundsätzlich unter den Begriff der Leerträger nach Art. 20 Abs. 3 URG . Zu prüfen bleibt, ob allenfalls zwischen auswechselbaren Flash Memories oder Speicherchips und fest BGE 133 II 263 S. 275 eingebauten Speichern (Harddiscs) zu unterscheiden ist. Der im Gesetz ausdrücklich erwähnte Fall der Leerkassetten könnte nämlich allenfalls nahelegen, nur solche Speicher als abgabebelastete Leerträger anzuerkennen, die vom Lesegerät abgelöst und gegebenenfalls wiederum in einem anderen Lesegerät eingesetzt werden können. In der Literatur werden denn auch teilweise lediglich solche auswechselbare Trägersysteme (wie Ton- und Videokassetten, Tonbänder, compact discs und DVD) als Beispiele für die Vergütungspflicht aufgeführt (vgl. etwa DENIS BARRELET/WILLI EGLOFF, Das neue Urheberrecht, 2. Aufl., Bern 2000, N. 10 zu Art. 20 URG ). Allerdings hinkt auch das Schrifttum der technologischen Entwicklung zwangsläufig hinterher. 7.3.1 Im Jahr 2004 lehnte der Ständerat eine Motion zur Einführung einer Vergütung für Geräte mit eingebauten Speichern ab, nachdem sie zuvor vom Nationalrat angenommen worden war (AB 2004 N S. 1224 und 2005 S S. 835 f.). Nach entsprechendem Widerstand in der Vernehmlassung sah in der Folge auch der Bundesrat von der Einführung einer allgemeinen Geräteabgabe ab (BBl 2006 S. 3389 ff., insb. S. 3406). Einerseits wird dazu in der Literatur ausgeführt, damit würden unter anderem die (hier interessierenden) MP3-Geräte anvisiert (so wohl IVAN CHERPILLOD, Schranken des Urheberrechts, in: von Büren/David [Hrsg.], Schweizerisches Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht, Bd. II/1, 2. Aufl., Bern/Genf/München 2006, S. 283 Anm. 84). Andererseits fällt auf, dass selbst der Dachverband der Urheber- und Nachbarrechtsnutzer (DUN) die Geräteabgabe unter anderem mit dem Argument bekämpfte, dass das Vervielfältigen von Werken zum Eigengebrauch bereits heute über ein Vergütungssystem entschädigt werde, das sowohl im analogen als auch im digitalen Bereich zur Anwendung komme (vgl. BBl 2006 S. 3405). Zu beachten ist denn auch, dass sich die Geräteabgabe vor allem auf grössere Speichermedien wie Festplatten in Personal Computern bezogen hätte. Solche Speichermedien werden in der Regel nur nebenbei auch für das Kopieren geschützter Werke verwendet und dienen in erster Linie anderen Nutzungen (wie der Verwendung von Schreib-, Mail- und Internetprogrammen oder Computerspielen). Der Verzicht auf eine allgemeine Geräteabgabe kann daher nicht bedeuten, dass davon potentiell miterfasste kleinere Speichermedien, wie sie etwa in MP3-Geräten zum Einsatz gelangen und deren Zweck in erster Linie das Kopieren von Ton- und Tonbildwerken darstellt, von vornherein nach dem bisherigen System der Leerträgerabgabe BGE 133 II 263 S. 276 von einer Vergütung nach Art. 20 Abs. 3 URG ausgenommen sind, solange es keine Geräteabgabe gibt. 7.3.2 Zu berücksichtigen sind ferner die völkerrechtlichen Verpflichtungen der Schweiz. Diese hat sich sowohl im Rahmen der Berner Übereinkunft (Art. 9 Abs. 2 der Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst, revidiert in Paris am 24. Juli 1971 [RBÜ; SR 0.231.15]) als auch im TRIPS-Abkommen (Art. 13 des Abkommens über handelsbezogene Aspekte der Rechte am geistigen Eigentum [SR 0.632.20 Anhang 1C S. 362 ff.]) verpflichtet, weder die normale Auswertung eines Werks zu beeinträchtigen, noch die berechtigten Interessen der Urheber unzumutbar zu verletzen. Das ruft nach einer Auslegung von Art. 20 Abs. 3 URG , welche die Rechte der Urheber im Sinne dieser Bestimmungen wahrt. Die Vergütung hat sich dabei technologieneutral auf alle Trägersysteme zu erstrecken, die sich für Ton- und Tonbildaufnahmen eignen und vorrangig dafür Anwendung finden. Es rechtfertigt sich daher nicht, nur diejenigen Leerträger zu belasten, die austauschbar sind, nicht aber diejenigen, die fest eingebaut werden, sich aber ebenfalls zur Aufnahme urheberrechtlich geschützter Werke eignen und dafür tatsächlich auch vorrangig verwendet werden. 7.3.3 Wie die Schweiz ihren staatsvertraglichen Verpflichtungen nachkommen will, ist ihr grundsätzlich selbst überlassen. Wenig hilfreich sind daher rechtsvergleichende Erwägungen. Wie die vorliegenden Rechtsschriften belegen, finden sich in verschiedenen Staaten gestützt auf differierende gesetzliche Grundlagen unterschiedliche Rechtsprechungen. Es ist nicht ersichtlich, dass die Rechtslage in einem bestimmten Land mit derjenigen in der Schweiz besonders vergleichbar wäre, weshalb rechtsvergleichende Überlegungen nicht weiter helfen. Dass die Schweiz sich grundsätzlich verpflichtet hat, die Rechte der Urheber umfassend zu schützen, wird dadurch nicht relativiert. 7.3.4 Insgesamt fallen damit fest eingebaute Speicher (Harddiscs) ebenfalls unter den Begriff der Leerträger im Sinne von Art. 20 Abs. 3 URG , soweit sie derselben bzw. einer vergleichbaren Nutzung dienen wie auswechselbare Speichermedien (Flash Memories) in den vom GT 4d erfassten Verwendungsformen. Die von den Verwertungsgesellschaften und der Schiedskommission insoweit angebrachten Präzisierungen gewährleisten grundsätzlich eine Beschränkung der Anwendbarkeit des fraglichen Tarifs GT 4d auf Leerträger, die BGE 133 II 263 S. 277 nicht nur wegen des ihnen zugedachten Nutzungszwecks und ihrer Aufzeichnungs- oder Wiedergabeeigenschaften für die Aufzeichnung geschützter Werke bestimmt sind, sondern auch wahrscheinlich dafür gebraucht werden. 7.4
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Sachverhalt ab Seite 569 BGE 133 III 568 S. 569 A. Die British Broadcasting Corporation (Beschwerdeführerin 1), ein Rundfunkunternehmen mit Sitz in Grossbritannien, sendet ihre Fernsehprogramme BBC 1, BBC 4 und BBC CBeebis digital über den Satelliten Astra 2D, Pos. 28.2°, aus. Die Swissperform (Beschwerdeführerin 2) ist eine der konzessionierten Verwertungsgesellschaften im Sinn von Art. 40 ff. des Bundesgesetzes vom 9. Oktober 1992 über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz, URG; SR 231.1) . Sie nimmt diejenigen Leistungsschutzrechte der ausübenden Künstler, der Hersteller von Ton- und Tonbildträgern sowie der Sendeanstalten wahr, die nur über eine zugelassene Verwertungsgesellschaft wahrgenommen werden können. Die Genossenschaft GGA-Maur (Beschwerdegegnerin) betreibt eine Gemeinschaftsantennenanlage. Gemäss Handelsregisterauszug vom 16. Juni 2004 erstellt und betreibt sie auf gemeinnütziger Basis ein Kabelnetz (Antennenkabelnetz) mit eigener Kopfstation für das Gebiet der Gemeinde Maur und weiterer Gemeinden in der Region Greifensee - Pfannenstiel. Die Anlage dient dem Zweck, die angeschlossenen Haushaltungen mit Fernseh- und Radioprogrammen zu versorgen. Die Beschwerdegegnerin bietet ihren Abonnenten neben anderen Programmen auf einer digitalen Plattform auch die englischsprachigen Fernsehprogramme BBC 1, BBC 4 und BBC CBeebis an. A.a Die Beschwerdeführerin 2 und die vier anderen konzessionierten Verwertungsgesellschaften haben einen gemeinsamen Tarif (im Folgenden: GT) 1 über die Entschädigung für die Verbreitung geschützter Werke und Leistungen in Kabelnetzen erlassen. Nach Ziffer 2.1 des GT 1 in der bis zum 31. Dezember 2006 geltenden Fassung bezieht sich der Tarif "auf die Weitersendung von Werken und Leistungen in Kabelnetzen, soweit diese in Radio- und Fernsehprogrammen enthalten sind, - die für die Allgemeinheit in der Schweiz bzw. im Fürstentum Liechtenstein bestimmt sind und - die in der Schweiz bzw. im Fürstentum Liechtenstein mit marktüblichen Geräten individuell empfangbar sind und - die zeitgleich und unverändert weiterverbreitet werden (Art. 10 Abs. 2 lit. e i.V.m. Art. 22 Abs. 2 CH-URG [...])". BGE 133 III 568 S. 570 In der seit dem 1. Januar 2007 gültigen Fassung lautet die Ziffer 2.1 des GT 1 wie folgt: 2.1 Definition der im Tarif geregelten Weitersendung 1 Dieser Tarif bezieht sich auf die Weitersendung von Werken und Leistungen in Kabelnetzen in der Schweiz und/oder im Fürstentum Liechtenstein, unabhängig von der angewendeten Übertragungstechnologie, soweit diese Werke und Leistungen in Radio- und Fernsehprogrammen enthalten sind: - die für die Allgemeinheit in der Schweiz bzw. im Fürstentum Liechtenstein bestimmt sind und - deren terrestrisch oder über Satellit verbreitetes Signal in der Schweiz bzw. im Fürstentum Liechtenstein mit marktüblichen Geräten (z.B. Satellitenschüssel von max. 1 m Durchmesser, Decoder in der Schweiz für Private legal erwerbbar) individuell empfangbar sind und - die zeitgleich und unverändert weiterverbreitet werden (im Sinne von Art. 10 Abs. 2 lit. e, Art. 33 Abs. 2 lit. b, Art. 35, Art. 37 lit. a und Art. 38 i.V.m. Art. 22 Abs. 1 CH-URG [...]). 2 Verschlüsselte Programme fallen unter diesen Tarif, wenn der freie Empfang durch Privathaushalte in der Schweiz und/oder im Fürstentum Liechtenstein vom Programmveranstalter trotz Verschlüsselung gewährleistet wird. 3 Der Grundsatz der unveränderten Weiterverbreitung bedeutet, dass das Programm nicht verändert werden darf. Dieser Grundsatz bezieht sich auch auf die im Programm enthaltene Werbung. 4 Zeitgleich bedeutet, dass sich allfällige Zeitverschiebungen auf das von der verwendeten Übertragungstechnologie bedingte Mass beschränken. Die Entschädigungen für die Verbreitung der Werke und Leistungen in den Kabelnetzen werden von der Suissimage eingezogen. A.b Mit E-Mail vom 30. Januar 2004 ersuchte die Swisscable Verband für Kommunikationsnetze (im Folgenden: Swisscable) die Suissimage um eine Bestätigung der Freistellung gemäss Ziffer 2.2 der damals gültigen Fassung des GT 1 mit der Begründung, BBC 1 und BBC 4 seien in der Schweiz frei empfangbar und die Voraussetzungen für die Abgeltung gemäss GT 1 daher gegeben. Mit E-Mail vom 4. Februar 2004 stellte sich die Suissimage auf den Standpunkt, das Einspeisen von BBC 1 und BBC 4 in Schweizer Kabelnetze stelle eine Erstverbreitung dar, da die Programme nicht für den Kontinent bestimmt seien. Hinsichtlich einer derartigen Erstverbreitung seien die Musikrechte über den GT 1 abgegolten, nicht aber die Rechte am Bildteil, die von Kabelbetreibern bei den einzelnen Rechteinhabern zu erwerben seien. Mit E-Mail vom 9. Februar 2004 BGE 133 III 568 S. 571 ersuchte die Swisscable erneut um eine Bestätigung, wonach der Empfang und die Weiterverbreitung der genannten Programme als Weitersendungen im Sinn des GT 1 und damit als abgegolten zu betrachten seien. Die Suissimage wies das Ersuchen wiederum mit der Begründung ab, das Einspeisen von BBC 1 und BBC 4 in Schweizer Kabelnetze stelle keine Weitersendung dar. Mit Schreiben vom 2. April 2004 ersuchte die Beschwerdeführerin 1 die Beschwerdegegnerin, BBC 1 und BBC 4 unverzüglich aus dem digitalen Angebot zu nehmen, worauf die Beschwerdegegnerin mitteilte, sie sei berechtigt, diese Programme weiterzusenden. Mit Schreiben vom 28. Mai 2004 hielt die Beschwerdeführerin 1 an ihrer Auffassung fest, BBC 1, BBC 4 und BBC CBeebis seien nicht für die Schweiz bestimmt und würden von den schweizerischen Kabelnetzbetreibern ohne Erlaubnis in die Netze eingespeist. B. Mit Klageschrift vom 18. Juni 2004 beantragten die Beschwerdeführerinnen dem Obergericht des Kantons Zürich, es sei der Beschwerdegegnerin unter Strafandrohung zu verbieten, die Fernsehprogramme BBC 1, BBC 4 und BBC CBeebis ohne Zustimmung einer der Beschwerdeführerinnen in ihrem Kabelnetz weiterzuverbreiten. Das Obergericht wies die Klagen mit Urteil vom 23. Februar 2007 ab. Es kam zum Schluss, die Beschwerdeführerin 1 könne ein ihr allfällig zustehendes Verbotsrecht nicht selbst, sondern nur über eine Verwertungsgesellschaft ausüben, weshalb ihre Klage abzuweisen sei. Die Verwertungsgesellschaft ihrerseits müsse die Verwertung gemäss Art. 45 Abs. 2 URG nach festen Regeln vornehmen. Verbote müssten deshalb sachlich gerechtfertigt sein und nach festen Regeln voraussehbar ausgesprochen werden. Dies werde missachtet, wenn sich die Verwertungsgesellschaft in einem konkreten Einzelfall auf den Willen und die individuelle Interessenlage eines einzelnen Sendeunternehmens berufe. Es lägen keine schützenswerten Gründe vor, welche die Verweigerung der Nutzungserlaubnis rechtfertigen würden. Darüber hinaus widersetze sich die Beschwerdeführerin 1 der Verbreitung ihrer Programme in der Schweiz durch Direktempfang nicht, obwohl sie dies mittels technischer Massnahmen mit zumutbarem Aufwand verhindern könnte. Die Anwendbarkeit des GT 1 setze nicht voraus, dass die Programme zur Kabelweiterverbreitung in der Schweiz bestimmt sein müssten. Die Programme ständen also mit dem stillschweigenden Einverständnis der Beschwerdeführerin 1 jedem Privaten in der Schweiz zur BGE 133 III 568 S. 572 Verfügung und müssten damit im Sinn des GT 1 als für die Allgemeinheit in der Schweiz bestimmt gelten. Die Beschwerdeführerin 2 sei auch aus diesem Grund dazu verpflichtet, die Erlaubnis zur Weitersendung der über die Programme BBC 1, BBC 4 und BBC CBeebis gesendeten Werke und Leistungen zu erteilen, weshalb ihre Klage abzuweisen sei. C. Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 30. März 2007 beantragen die Beschwerdeführerinnen dem Bundesgericht, das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 23. Februar 2007 sei aufzuheben und es sei der Beschwerdegegnerin unter Strafandrohung zu verbieten, die Fernsehprogramme BBC 1 und 4 sowie CBeebis ohne Zustimmung einer der Beschwerdeführerinnen in ihrem Kabelnetz weiterzuverbreiten. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. Erwägungen Aus den Erwägungen: 4. Die Beschwerdeführerinnen werfen der Vorinstanz vor, die Klageberechtigung der Beschwerdeführerin 1 zu Unrecht abgelehnt zu haben. Art. 22 Abs. 1 URG komme auf die Weiterverbreitungsrechte der Sendeunternehmen nur unter dem Vorbehalt zur Anwendung, dass das Sendeunternehmen mit der Weiterverbreitung seiner Sendung einverstanden sei und die Verwertungsgesellschaft mit der Wahrnehmung dieser Rechte beauftragt habe. 4.1 Nach Art. 37 lit. a URG hat das Sendeunternehmen das ausschliessliche Recht, seine Sendung weiterzusenden. Dieses Recht gehört zu den in Art. 33 ff. URG geregelten sog. verwandten Schutzrechten, die jene Personen absichern, die vorhandene Werke wiedergeben oder Werkexemplare realisieren und damit unabdingbare Leistungen für die Vermittlung von Werken erbringen (AUF DER MAUR, in: Müller/Oertli, Urheberrechtsgesetz [URG], Stämpflis Handkommentar, N. 1 der Vorbem. zu Art. 33-39 URG ). Für den Rechtsuntergang, die Zwangsvollstreckung und die Schranken des Schutzes dieser Rechte verweist Art. 38 URG auf die Bestimmungen, die die entsprechenden Urheberrechte behandeln. Mit Bezug auf das Weitersenderecht kommt demnach Art. 22 URG sinngemäss zur Anwendung. 4.2 Art. 22 Abs. 1 URG bestimmt, dass die Rechte, gesendete Werke zeitgleich und unverändert wahrnehmbar zu machen oder im Rahmen der Weiterleitung eines Sendeprogramms weiterzusenden, nur über zugelassene Verwertungsgesellschaften geltend gemacht BGE 133 III 568 S. 573 werden können. Der Wortlaut der Norm sieht eine selbständige Klageberechtigung der Urheber demnach nicht vor. Er entspricht damit dem Zweck der Norm, das Funktionieren des Kabelfernsehens zu ermöglichen, indem sie namentlich verhindert, dass einzelne Rechteinhaber durch die Ausübung ihres Verbotsrechts ganze Kabelnetze lahmlegen können (Botschaft zu einem Bundesgesetz über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte [Urheberrechtsgesetz, URG] vom 19. Juni 1989, BBl 1989 III 477, S. 543). Auch die Entstehungsgeschichte von Art. 22 Abs. 1 zeigt, dass den Urhebern die Ausübungsbefugnis für das Weitersenderecht entzogen werden sollte. Der Bundesrat hatte in Art. 21 Abs. 1 seines Entwurfs eine gesetzliche Lizenz vorgesehen (Botschaft 1989, a.a.O., S. 543). Während dieser Vorschlag im Ständerat Zustimmung fand (AB 1991 S 115), folgte der Nationalrat diskussionslos dem Antrag der nationalrätlichen Kommission, auf die Einführung einer gesetzlichen Lizenz zu verzichten (AB 1992 N 42 f.). Der Ständerat stimmte dem in der Differenzenbereinigung zu, wobei die Berichterstatterin darauf hinwies, das Verbotsrecht werde belassen, könne aber nur über die Verwertungsgesellschaft ausgeübt werden (AB 1992 S 380 f.). Der Gesetzgeber hielt es also nicht für erforderlich, eine gesetzliche Lizenz einzuführen, sofern das Verbotsrecht nur über die Verwertungsgesellschaften ausgeübt werden kann. Die Tatsache, dass Art. 40 Abs. 1 URG in lit. a, die die Verwertung ausschliesslicher Rechte behandelt, die Verbreitung gesendeter Werke nicht erwähnt und lit. b der Norm Art. 22 URG lediglich mit Bezug auf die Vergütungsansprüche nennt, ändert daran nichts. Hierbei handelt es sich um ein redaktionelles Versehen, da das Parlament es versäumt hat, den auf die vom Bundesrat vorgeschlagene gesetzliche Lizenz ausgerichteten Art. 40 URG entsprechend anzupassen (DENIS BARRELET/WILLI EGLOFF, Das neue Urheberrecht, 2. Aufl. 2000, N. 8 zu Art. 40 URG ; BREM/SALVADÉ/WILD, in: Müller/Oertli, a.a.O., N. 16 zu Art. 40 URG ). Dieses Versehen soll mit der laufenden Revision des URG korrigiert werden. Nach dem Entwurf des Bundesrates soll neu ein Art. 40 Abs. 1 lit. a bis eingeführt werden, der "das Geltendmachen von ausschliesslichen Rechten nach den Artikeln 22 und 24b" der Bundesaufsicht unterstellt (BBl 2006 S. 3445). Der Ständerat als erstbehandelnder Rat ist diesem Vorschlag in seiner Sitzung vom 19. Dezember 2006 diskussionslos gefolgt (AB 2006 S 1210). 4.3 Nach dem Gesagten ersetzt Art. 22 Abs. 1 URG die individuelle Ausübung der urheberrechtlichen Verbotsansprüche durch deren BGE 133 III 568 S. 574 kollektive Wahrnehmung seitens einer Verwertungsgesellschaft. Davon geht auch die ganz überwiegende Lehre aus (MANFRED REHBINDER, Schweizerisches Urheberrecht, 3. Aufl. 2000, Nr. 141; derselbe , URG, Urheberrechtsgesetz, 2. Aufl. 2001, N. 1 zu Art. 22 URG ; IVAN CHERPILLOD, Schweizerisches Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht [SIWR], Bd. II/1, 2. Aufl. 2006, S. 263 und 290 f.; ERNST HEFTI, SIWR, Bd. II/1, S. 525, Fn. 24; BARRELET/EGLOFF, a.a.O., N. 5 zu Art. 22 URG ; OERTLI, in: Müller/Oertli, a.a.O., N. 15 zu Art. 22 URG ; BREM/SALVADÉ/WILD, in: Müller/Oertli, a.a.O., N. 13 und 16 zu Art. 40 URG ; HANS-ULRICH SCHOCH, Die verwandten Schutzrechte der ausübenden Künstler, der Ton- und Tonbildträgerhersteller und der Sendeunternehmen im schweizerischen Recht, Diss. Zürich 1994, S. 100; BERNHARD WITTWEILER, Zu den Schrankenbestimmungen im neuen Urheberrechtsgesetz [exkl. Eigengebrauch], AJP 1993 S. 588; vgl. auch die Botschaft zum Bundesbeschluss über die Genehmigung von zwei Abkommen der Weltorganisation für geistiges Eigentum und zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes vom 10. März 2006, BBl 2006 S. 3389, 3431 f., mit Bezug auf die geplante Einführung eines Art. 24b URG , der den Zwang zur kollektiven Verwertung bei Vervielfältigungen zu Sendezwecken vorsieht, sowie das entsprechende Votum Stadler im Ständerat [AB 2006 S 1209]). Die Beschwerdeführerinnen bestreiten mit Bezug auf die Urheber die zwingende kollektive Verwertung denn auch zu Recht nicht. Sie machen jedoch geltend, es bestehe für die Sendeunternehmen in dem Sinn eine Ausnahme, dass ihnen neben der Verwertungsgesellschaft eine selbständige Klageberechtigung zukomme. 4.4 Auf Grund der Verweisung in Art. 38 URG auf Art. 22 URG gilt auch für die verwandten Schutzrechte, dass das Verbotsrecht nur durch eine Verwertungsgesellschaft geltend gemacht werden kann. Eine Ausnahme für Sendeunternehmen sieht das Gesetz nach seinem Wortlaut nicht vor. Auch der Zweck der Norm, das Funktionieren des Kabelfernsehens sicherzustellen, erfordert es nicht, die Sendeunternehmen anders zu behandeln als die Urheber und die ausübenden Künstler. Ebenso wenig ergeben sich aus den Materialien Hinweise darauf, dass der Gesetzgeber eine solche Ausnahme einführen wollte. Ob diese Regelung einen unverhältnismässigen Eingriff in die Eigentumsgarantie darstellt, weil es - wie die Beschwerdeführerinnen geltend machen - bei den Sendeunternehmen, anders als bei den Inhabern von Splitterrechten, auf Grund der geringen Anzahl dieser Unternehmen nicht erforderlich sei, das Verbotsrecht BGE 133 III 568 S. 575 durch die Verwertungsgesellschaft wahrnehmen zu lassen, um das Funktionieren des Kabelfernsehens sicherzustellen, hat das Bundesgericht nicht zu überprüfen ( Art. 190 BV ). 4.5 Der Verzicht auf eine Ausnahme für Sendeunternehmen steht nicht im Widerspruch zu den für die Schweiz verbindlichen Vorgaben des internationalen Rechts. Nach Art. 11 bis Abs. 1 Ziff. 2 der Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst, revidiert in Paris am 24. Juli 1971 (SR 0.231.15; im Folgenden: RBÜ) geniessen die Urheber von Werken der Literatur und Kunst das ausschliessliche Recht, jede öffentliche Wiedergabe des durch Rundfunk gesendeten Werkes mit oder ohne Draht zu erlauben, wenn diese Wiedergabe von einem anderen als dem ursprünglichen Sendeunternehmen vorgenommen wird. Abs. 2 der Norm behält es jedoch der Gesetzgebung der Verbandsländer vor, die Voraussetzungen für die Ausübung dieses Rechts festzulegen, sofern sie dadurch nicht das Urheberpersönlichkeitsrecht oder den Anspruch des Urhebers auf eine angemessene Vergütung beeinträchtigt. Art. 13 lit. a des internationalen Abkommens vom 26. Oktober 1961 über den Schutz der ausübenden Künstler, der Hersteller von Tonträgern und der Sendeunternehmen (SR 0.231.171; im Folgenden: Rom-Abkommen) hält fest, dass die Sendeunternehmen das Recht geniessen, die Weitersendung ihrer Sendungen zu erlauben oder zu verbieten. Den vertragsschliessenden Staaten bleibt es gemäss Art. 15 Abs. 2 des Rom-Abkommens jedoch unbenommen, für den Schutz der Sendeunternehmen in ihrer nationalen Gesetzgebung Beschränkungen gleicher Art vorzusehen, wie sie in dieser Gesetzgebung für den Schutz des Urheberrechts an Werken der Literatur und der Kunst vorgesehen sind; Zwangslizenzen können immerhin nur insoweit vorgesehen werden, als sie mit den Bestimmungen des Rom-Abkommens vereinbar sind. Nach Art. 14 Abs. 3 des Abkommens vom 15. April 1994 über handelsbezogene Aspekte der Rechte an geistigem Eigentum (SR 0.632.20, Anhang 1C; im Folgenden: TRIPS-Abkommen) haben die Sendeunternehmen das Recht, die Weitersendung ihrer Sendungen zu untersagen. Die Mitglieder, die den Sendeunternehmen dieses Recht nicht gewähren, bieten den Inhabern des Urheberrechts die Möglichkeit, die Weitersendung unter Vorbehalt der Bestimmungen der RBÜ zu untersagen (vgl. auch den Verweis in Art. 9 Abs. 1 TRIPS-Abkommen auf Art. 11 bis RBÜ ). Art. 14 Abs. 6 TRIPS-Abkommen bestimmt, dass die Mitglieder in Bezug auf das in Abs. 3 der Norm gewährte Weitersenderecht der BGE 133 III 568 S. 576 Sendeunternehmen in dem vom Rom-Abkommen zugelassenen Umfang Bedingungen, Beschränkungen, Ausnahmen und Vorbehalte vorsehen können. Die massgebenden internationalen Bestimmungen verlangen damit nicht, dass den Sendeunternehmen ein selbständiges Klagerecht eingeräumt wird. 4.6 Der Hinweis der Beschwerdeführerinnen auf die Richtlinie 98/ 83/EWG vom 27. September 1993 zur Koordinierung bestimmter urheber- und leistungsschutzrechtlicher Vorschriften betreffend Satellitenrundfunk und Kabelweiterverbreitung (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 6. Oktober 1993, Nr. L 248, S. 15-21) ist in diesem Zusammenhang unbehelflich. Die Richtlinie hält in Art. 9 Abs. 1 fest, das Recht der Urheberrechtsinhaber und der Inhaber verwandter Schutzrechte, einem Kabelunternehmen die Erlaubnis zur Kabelweiterverbreitung zu erteilen oder zu verweigern, könne nur durch Verwertungsgesellschaften geltend gemacht werden. Art. 10 sieht mit Bezug auf die Ausübung des Kabelweiterverbreitungsrechts durch Sendeunternehmen eine Ausnahme von diesem Grundsatz vor, sofern es um die Rechte geht, die ein Sendeunternehmen hinsichtlich seiner eigenen Sendungen geltend macht; das gilt unabhängig davon, ob die betreffenden Rechte eigene Rechte des Unternehmens sind oder ihm durch andere Urheberrechtsinhaber und/oder Inhaber verwandter Schutzrechte übertragen worden sind. Diese Ausnahme ergibt sich aus dem Harmonisierungszweck der Richtlinie, da ein Bedarf nach einer Regelung der Ausübung des Kabelweiterverbreitungsrechts nur so weit besteht, als die Besonderheiten der Kabelweiterverbreitung es erfordern. Das ist nur bei einer unüberschaubaren Zahl von Rechteinhabern der Fall, die bei Sendeunternehmen eben gerade nicht vorliegt (THOMAS DREIER, in: Michel M. Walter [Hrsg.], Europäisches Urheberrecht, Kommentar, N. 2 zu Art. 10 der Satelliten- und Kabel-RL). Selbst wenn bei Schaffung des URG die Harmonisierung mit dem Europäischen Recht - und insbesondere mit der zum damaligen Zeitpunkt noch nicht in Kraft getretenen Richtlinie - ein Anliegen des Gesetzgebers gewesen sein sollte (vgl. das Votum der Berichterstatterin im Ständerat, der Vorschlag des Nationalrats, auf die Einführung einer gesetzlichen Lizenz zu verzichten, sei "überdies eurokompatibel" [AB 1992 S 381]), kann nicht über eine europaverträgliche Interpretation von Art. 22 Abs. 1 URG eine Ausnahme eingeführt werden, die das Gesetz nicht vorsieht. Die Einführung einer entsprechenden Ausnahme für Sendeunternehmen ins URG kann nur durch den BGE 133 III 568 S. 577 Gesetzgeber vorgenommen werden. Im Rahmen der laufenden Revision des URG ist eine solche allerdings nicht geplant. 4.7 Nach dem Gesagten können die Sendeunternehmen ihr Verbotsrecht nicht selbständig geltend machen. Die Vorinstanz hat deshalb kein Bundesrecht verletzt, als sie die Klage der Beschwerdeführerin 1 abwies. 5. Die Beschwerdeführerinnen werfen dem Obergericht weiter vor, es sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Beschwerdeführerin 2 dazu verpflichtet sei, der Beschwerdegegnerin die Weitersendung der strittigen Programme zu erlauben. 5.1 Die Befugnis der Verwertungsgesellschaft, das Verbotsrecht auszuüben, ergibt sich unmittelbar aus Art. 22 Abs. 1 URG ; sie bedarf keiner rechtsgeschäftlichen Grundlage in Verträgen mit den Rechteinhabern (BERNHARD WITTWEILER, Vertragsrecht in der kollektiven Verwertung, in: Streuli-Youssef [Hrsg.], Urhebervertragsrecht, S. 261/ 327; BREM/SALVADÉ/WILD, in: Müller/Oertli, a.a.O., N. 3 zu Art. 44 URG ; vgl. auch BGE 124 III 489 E. 2a S. 492 f. in Bezug auf die Vergütungsansprüche nach Art. 13 Abs. 3, BGE 124 III 20 Abs. 4 und 35 Abs. 3 URG). Das ergibt sich ohne weiteres aus dem Zweck von Art. 22 Abs. 1 URG , da es die Rechteinhaber sonst in der Hand hätten, durch die Weigerung, mit der Verwertungsgesellschaft einen Wahrnehmungsvertrag abzuschliessen, die kollektive Verwertung zu verhindern. Der Übergang der Rechte selber auf die Verwertungsgesellschaft erfolgt hingegen nicht von Gesetzes wegen, er setzt vielmehr eine entsprechende Übertragung durch die Rechteinhaber voraus. Werden die Rechte nicht übertragen, kommt der Verwertungsgesellschaft lediglich eine Prozessführungsbefugnis im Sinn einer gesetzlichen Prozessstandschaft zu (OERTLI, in: Müller/Oertli, a.a.O., N. 14 zu Art. 22 URG ). 5.2 Nach Art. 45 Abs. 2 URG muss die Verwertungsgesellschaft die Verwertung nach festen Regeln besorgen. Dadurch soll sichergestellt werden, dass das Handeln der Verwertungsgesellschaft, der das Gesetz ein faktisches Monopol einräumt, für die Betroffenen voraussehbar und transparent ist (BREM/SALVADÉ/WILD, in: Müller/Oertli, a.a.O., N. 5 f. zu Art. 45 URG ; BARRELET/EGLOFF, a.a.O., N. 4 zu Art. 45 URG ). Ein Instruktionsrecht der Rechteinhaber für den Einzelfall ist damit von vorneherein ausgeschlossen. Im Bereich der Rechtswahrnehmung wird das Gebot der Verwertung nach festen Regeln durch die Tarifpflicht gemäss Art. 46 ff. URG konkretisiert (BREM/SALVADÉ/WILD, in: Müller/Oertli, a.a.O., N. 6 zu Art. 45 URG ). BGE 133 III 568 S. 578 5.3 Nach Ziffer 2.1 Abs. 1 des GT 1 bezieht sich der Tarif auf die Weitersendung von Werken und Leistungen in Kabelnetzen, soweit diese Werke und Leistungen in Radio- oder Fernsehprogrammen enthalten sind und folgende kumulative Voraussetzungen erfüllt sind: Die Programme sind für die Allgemeinheit in der Schweiz bzw. im Fürstentum Liechtenstein bestimmt, sie sind in der Schweiz bzw. im Fürstentum Liechtenstein mit marktüblichen Geräten individuell empfangbar und sie werden zeitgleich und unverändert weiterverbreitet. Mit Bezug auf das Kriterium der individuellen Empfangbarkeit werden in der seit dem 1. Januar 2007 gültigen Fassung von Ziffer 2.1 des GT 1 als Beispiele für marktübliche Geräte genannt Satellitenschüsseln von max. 1 m Durchmesser sowie Decoder, die in der Schweiz für Private legal erwerbbar sind. 5.4 Es ist unbestritten, dass es vorliegend um eine zeitgleiche und unveränderte Weiterverbreitung der strittigen Programme geht, dass die Beschwerdeführerin 1 die Programme nicht (mehr) verschlüsselt und dass die Programme mit einer Parabolantenne von weniger als 1 m Durchmesser in den Privathaushalten der Schweiz in einwandfreier Qualität empfangen werden können. Weiter steht fest, dass die Beschwerdeführerin 1 eine Kabelweiterverbreitung ihrer Programme auf dem Gebiet der Schweiz nicht wünscht. Umstritten ist, ob sich nach dem Willen des Sendeunternehmens entscheidet, dass ein Programm für die Allgemeinheit in der Schweiz bestimmt ist. 5.5 Die Auslegung des Tarifs muss sich an den gesetzlichen Vorgaben orientieren. Darüber hinaus hat die Interpretation der einzelnen Bestimmungen danach zu erfolgen, wie der Adressat sie auf Grund ihres Wortlauts, ihrer Ratio und ihrer Systematik verstehen darf und muss. Art. 22 Abs. 1 URG soll ausschliessen, dass einzelne Rechteinhaber nach ihrem Gutdünken die Kabelweiterverbreitung von Werken verhindern können (vgl. oben E. 4.2). Daraus folgt, dass für die Frage, ob ein Programm im Sinn von Ziffer 2.1 Abs. 1 des GT 1 für die Allgemeinheit bestimmt ist, der Wille des entsprechenden Rechteinhabers nicht massgebend sein kann. Kommt es aber nicht auf diesen Willen an, stellt sich die Frage, worin sich diese Voraussetzung von der (kumulativ zu erfüllenden) zweiten Voraussetzung der individuellen Empfangbarkeit unterscheidet. Eine systematische Auslegung der Bestimmung ergibt, dass das Kriterium "für die Allgemeinheit bestimmt" dann erfüllt wird, wenn das Programm für Privathaushalte in der Schweiz frei empfangbar ist, wohingegen die individuelle Empfangbarkeit auch bei einem verschlüsselten BGE 133 III 568 S. 579 Programm vorliegt, sofern Private den entsprechenden Decoder in der Schweiz legal erwerben können (vgl. die entsprechende Präzisierung in der seit 1. Januar 2007 gültigen Fassung der Ziffer 2.1 Abs. 1 des GT 1). Der Unterscheidung in freie und individuelle Empfangbarkeit kommt damit in erster Linie bei den codierten Programmen Bedeutung zu, da diese nur unter den Tarif fallen, wenn der freie Empfang durch Privathaushalte in der Schweiz vom Programmveranstalter trotz Verschlüsselung gewährleistet wird. Das sieht Ziffer 2.1 Abs. 2 des GT 1 in der seit dem 1. Januar 2007 gültigen Fassung nunmehr ausdrücklich vor. Die Sendeunternehmen können demzufolge nur dann die Weiterverbreitung in der Schweiz verhindern, wenn sie ihre Programme verschlüsseln. 5.6 Nach dem Gesagten sind die Voraussetzungen für die Unterstellung der Programme BBC 1, BBC 4 und BBC CBeebis unter den GT 1 erfüllt. Der Tarif räumt der Verwertungsgesellschaft kein Recht ein, die Erlaubnis zu verweigern, sofern der Nutzer bereit ist, die Bedingungen des Tarifs einzuhalten und die von der Verwertungsgesellschaft gestellte Rechnung zu bezahlen. Das dem Rechteinhaber in Art. 22 Abs. 1 URG belassene Verbotsrecht hat damit nur noch die Funktion, die tariflich festgesetzten Bedingungen gegenüber den Nutzern durchzusetzen (vgl. auch die Botschaft 2006, a.a.O., S. 3432). Obwohl der Gesetzgeber auf die Einführung einer gesetzlichen Lizenz verzichtet hat, befindet sich der Rechteinhaber im Ergebnis in einer Situation, die der bei einer gesetzlichen Lizenz bestehenden Rechtslage weitgehend entspricht (vgl. auch FRANÇOIS DESSEMONTET, Le droit d'auteur, Nr. 242). Die Beschwerdegegnerin ist nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz bereit, mit der Beschwerdeführerin 2 einen Vertrag abzuschliessen. Die Beschwerdeführerinnen behaupten selbst nicht, die Beschwerdegegnerin weigere sich, die Bedingungen des GT 1 einzuhalten. Die Beschwerdeführerin 2 ist deshalb verpflichtet, der Beschwerdegegnerin die Erlaubnis zu erteilen, die Programme BBC 1, BBC 4 und BBC CBeebis in ihrem Kabelnetz weiterzuverbreiten. Die Vorinstanz hat kein Bundesrecht verletzt, als sie die Klage der Beschwerdeführerin 1 abwies.
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50a1cbe3-85ba-4f3d-850a-40073053a435
Sachverhalt ab Seite 161 BGE 103 II 161 S. 161 A.- In Biel erscheint unter der Bezeichnung "Bieler Zeitung/le Journal de Bienne" eine Zeitung, die einen deutschen und einen französischen Textteil enthält und von einem Kreis von Mitarbeitern herausgegeben wird. In der Nummer 8 dieser Zeitung vom Januar 1974 wurde auf der ersten Seite unter dem Titel "So wird in Biel spekuliert" in auffälliger Aufmachung ein Artikel veröffentlicht, der folgenden Wortlaut aufwies: "Diese Gewinne ohne Arbeit müssen jetzt endlich aufhören", so donnerte wortgewaltig vor noch nicht allzulanger Zeit der freisinnige Ex-Bundesrat Nello Celio vor dem Nationalrat gegen die Bodenspekulation. In Biel gehen "diese Gewinne ohne Arbeit" derweil munter weiter. Im Zentrum Mett liegt gegenwärtig eine lukrative Bau- und Goldgrube: Miethäuser sollen dort entstehen. Die Mieten BGE 103 II 161 S. 162 werden von prächtigen Gewinnen diverser Spekulanten diktiert sein: So kaufte eine Immobiliengesellschaft den Flecken Erde für rund 300'000 Fr., stiess ihn wieder ab für 770'000 Fr. Die Architekten, die das Terrain kauften, landeten noch am Kauftag den grossen Coup: Sie stiessen das Land für 1 Million 200'000 Franken an den "Immobilien-Anlagefonds der Schweizerischen Kantonalbanken" ab (Gewinn innert 24 Stunden: 430'000 Franken). So wird auch in Biel munter spekuliert. Celio hin, Celio her. Parteifreund hin, Parteifreund her." Der gleiche Artikel war in ähnlicher Aufmachung unter dem Titel "Ces bénéfices sans travail doivent enfin cesser" auch im französischen Teil der betreffenden Zeitungs-Nummer enthalten. Darunter wurde ein Bild des fraglichen Terrains veröffentlicht, das von folgendem Text begleitet war: "La mine d'or du centre de Mâche. Gain d'un jour: 430'000 francs. La facture sera payée par les locataires. Des entreprises biennoises sont également impliquées dans cette triste affaire. On trouve même un des profiteurs dans les rangs de la Commission des travaux publics." B.- Bei den in diesem Zeitungsartikel erwähnten, wenn auch nicht namentlich genannten Architekten, denen die Erzielung eines Gewinnes von Fr. 430'000.-- innert 24 Stunden vorgehalten worden war, handelte es sich um Heinrich Stettler und Rudolf Haller. Diese reichten am 3. Februar 1975 beim Appellationshof des Kantons Bern gegen die zehn Mitarbeiter der Bieler Zeitung, die in der betreffenden Zeitungs-Nummer aufgeführt waren, nämlich Frank H. Meyer, Richard Walter, Hans Kern, Ginette Schneider, Margreth Noth, Stefan C. Kaspar, Peter Ihly, Roland Fischer, Franz Weber und Romy Zesiger, Klage ein mit folgenden Begehren: "1. Es sei festzustellen, dass die von den Beklagten in der Bieler Zeitung vom 8. Januar 1974 (Seite 1 der deutschen und französischen Ausgabe im Art. So wird in Biel spekuliert" bzw. "Ces bénéfices sans travail doivent enfin cesser" gemachte Behauptung, wonach die Kläger in 24 Stunden einen Spekulationsgewinn von Fr. 430'000.-- gemacht hätten, unrichtig ist, und die Kläger in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt. 2. Die Beklagten seien zu verurteilen, eine gerichtlich zu bestimmende Genugtuungssumme zu bezahlen. 3. Die Beklagten seien zu verurteilen, das Urteilsdispositiv innerhalb eines Monats nach dessen Rechtskraft auf der ersten Seite des Textteils der Bieler Zeitung zu veröffentlichen. 4. Die Kläger seien zu ermächtigen, auf Kosten der Beklagten das Urteilsdispositiv im Umfang einer Viertelseite im Inseratenteil einer von ihnen selbst zu wählenden, eventuell richterlich zu bestimmenden Tageszeitung, zu veröffentlichen." BGE 103 II 161 S. 163
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0919d678-80a3-4f0b-b597-9bd30fb70657
Sachverhalt ab Seite 209 BGE 111 II 209 S. 209 Jürg Frischknecht, Peter Haffner, Ueli Haldimann und Peter Niggli zeichnen als die Autoren des 1979 in Zürich in erster BGE 111 II 209 S. 210 Auflage erschienenen Buches "Die unheimlichen Patrioten", mit dem Untertitel "Politische Reaktion in der Schweiz. Ein aktuelles Handbuch". Das Buch ist seither in weiteren Auflagen erschienen, die nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bilden. Robert Eibel, der sich durch verschiedene Stellen des Buches unbefugterweise in seinen persönlichen Verhältnissen verletzt fühlte, reichte Klage beim Bezirksgericht Zürich ein. Dieses hiess die Klage teilweise gut. In unterschiedlichem Umfang und mit abweichender Begründung schützte in der Folge auch das Obergericht des Kantons Zürich die Klage teilweise. Die beklagten Autoren setzten sich gegen das Urteil des Obergerichts mit Berufung an das Bundesgericht zur Wehr. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Streitig ist vor Bundesgericht noch die unbefugte Verletzung in den persönlichen Verhältnissen durch die nachstehenden Behauptungen in der ersten Auflage des Buches "Die unheimlichen Patrioten": c) 8./9./10. Zeile von Seite 189: "Eibel war schon bei der RN-Gründung 1936 dabei gewesen und wurde nun Nachfolger des ersten RN-Sekretärs Wilhelm Meier." Diese in Verbindung mit dem (fettgedruckten) Titel auf Seite 139: "1936: Das Redressement tritt das Erbe des frontistischen Bunds für Volk und Heimat an". d) Titel (fettgedruckt) auf Seite 192: "Eibel im Zweiten Weltkrieg: Weitergehende Forderungen als die Eingabe der Zweihundert". e) Letzte zwei Absätze von Seite 192 und oberste Zeile von Seite 193: "Nur: Auch Eibels Zweitweltkriegs-Vergangenheit weist dunkle Stellen auf. Als einer der Initianten des Gotthard-Bunds ist Eibel Mitautor eines 'Entwurfs Allgöwer-Eibel', in dem er zusammen mit dem späteren Landesring-Politiker Walter Allgöwer Grundsätze der neuen Aktion entwirft. Das Papier, unter dem Eindruck der wenige Tage zurückliegenden Niederlage Frankreichs entstanden, datiert vom 9. Juli 1940. Es nahm die Gedankengänge auf, die später wieder in der berüchtigten, mit dem Etikett des Landesverrats behafteten Eingabe der Zweihundert von Eibels Freunden aus dem Redressement auftauchten." 2. Wer in seinen persönlichen Verhältnissen unbefugterweise verletzt wird, kann auf Beseitigung der Störung klagen ( Art. 28 Abs. 1 ZGB ). Unbefugterweise geschieht eine Verletzung, wenn sie auf ein widerrechtliches Verhalten zurückzuführen ist, das heisst, auf ein Verhalten, welches gegen die Gebote der Rechtsordnung verstösst, die dem Schutz des verletzten Rechtsgutes dienen. Art. 28 ZGB BGE 111 II 209 S. 211 schützt die Ehre weitergehend als das Strafrecht und umfasst insbesondere auch das berufliche und gesellschaftliche Ansehen einer Person. Ob dieses durch eine Presseäusserung geschmälert worden ist, beurteilt sich nach einem objektiven Massstab. Dabei ist zu prüfen, ob das Ansehen vom Durchschnittsleser aus gesehen als beeinträchtigt erscheint, wobei auch der Rahmen der Presseäusserung ins Gewicht fällt ( BGE 107 II 4 E. 2; BGE 105 II 163 E. 2 mit Hinweisen). 3. In der Verbindung der Aussage von Seite 189 des Buches "Die unheimlichen Patrioten", dass Eibel schon bei der Gründung des Redressement National im Jahr 1936 dabei gewesen und zum Nachfolger des ersten Sekretärs dieser Organisation bestimmt worden sei, mit dem fettgedruckten Titel auf Seite 139 ("1936: Das Redressement tritt das Erbe des frontistischen Bunds für Volk und Heimat an") sieht der Kläger den einen Tatbestand der unbefugten Verletzung in den persönlichen Verhältnissen verwirklicht, der vom Bundesgericht zu beurteilen ist. a) Das Bezirksgericht Zürich hat eine solche Verletzung bejaht. In der Öffentlichkeit und gerade bei der jüngeren Generation, welche die Dreissigerjahre nicht aus eigener Erfahrung kenne, werde das persönliche Ansehen durch die Tatsache, dass jemand bei einer frontistischen Organisation an massgebender Stelle mitgewirkt habe, herabgesetzt. Die Behauptung, das Redressement National habe das Erbe des frontistischen Bunds für Volk und Heimat angetreten, enthalte den Vorwurf gegenüber jener Organisation, ebenfalls frontistisches Gedankengut vertreten zu haben. Dieser Vorwurf treffe auch die Mitglieder der ersten Tage, welche sich nicht darauf berufen könnten, der Charakter der Organisation habe sich seit der Gründung verändert, und damit insbesondere den Kläger. An der verletzenden Natur der Aussage ändere der Umstand nichts, führt das Bezirksgericht weiter aus, dass sich die beiden beanstandeten Stellen in verschiedenen Kapiteln und in einem Abstand von fünfzig Seiten finden. So schnell vergesse der Leser einen fettgedruckten Zwischentitel nicht. Zudem werde das Redressement National unmittelbar vor der zweiten Stelle (Seite 189 oben) erneut als Nachfolgeorganisation des Bunds für Volk und Heimat bezeichnet. Der Einwand der Beklagten, es liege keine Persönlichkeitsverletzung vor, weil durch die erwähnten Behauptungen das in der Öffentlichkeit bereits bestehende Bild des Klägers nicht verändert werde, verfange nicht; denn ein im "Volksrecht" vom 9. Oktober 1943 erschienener Artikel sowie die Tatsache, BGE 111 II 209 S. 212 dass Robert Eibel ein einziges Mal an einer Veranstaltung des Bunds für Volk und Heimat teilgenommen habe, hätten ihn keineswegs zu einem Anhänger frontistischen Gedankenguts gestempelt. Weder die (teilweise) personelle Verflechtung des Redressement National mit dem Bund für Volk und Heimat, noch die zeitliche Abfolge, in welcher beide Organisationen wirkten, noch das politische Programm und die politischen Ziele des Redressement National rechtfertigen es nach der Darstellung der ersten Instanz, dieses als Nachfolgeorganisation der frontistischen Bewegung zu bezeichnen. Insgesamt erweise sich, "dass die tatsächlichen Grundlagen der beklagtischen Wertung zwar im wesentlichen zutreffen, dass aber der daraus gezogene Schluss nicht Stich hält". Die eingeklagte Stelle erscheine "als reisserischer Zwischentitel, der im Text selbst keine Stütze findet und durch die Rechtsschriften der Beklagten nicht als genügend motiviert erscheint". Aus all diesen Gründen hat das Bezirksgericht Zürich die beanstandeten Textstellen als widerrechtlich beurteilt. b) Auch das Obergericht des Kantons Zürich sieht den Kläger in seinen persönlichen Verhältnissen verletzt. Die "an sich harmlose" Textstelle, wonach Robert Eibel schon bei der Gründung des Redressement National im Jahr 1936 dabei gewesen und Nachfolger des ersten Sekretärs Wilhelm Meier geworden sei, erhalte ihre wahre Bedeutung erst mit der Schilderung des Wesens des Redressement National, dem auf den Seiten 139 ff. des Buches "Die unheimlichen Patrioten" ein ganzes Kapitel gewidmet sei und das auch in der Inhaltsübersicht Erwähnung finde. Damit bekomme "die Mitteilung auf Seite 189 den für die Frage einer Persönlichkeitsverletzung massgeblichen Sinn, der Kläger sei schon 1936 bei der Gründung des RN, welches das Erbe des frontistischen Bunds für Volk und Heimat angetreten habe, dabei gewesen und sei nun dessen Sekretär geworden". Aus dem Textzusammenhang ergibt sich nach der Meinung des Obergerichts, dass dem Kläger "in verschiedener Form frontistische Neigungen bzw. eine nur angeblich antifrontistische Haltung vorgeworfen werden, für welche er sich allerdings nur von 1936 bis 1942 vollamtlich eingesetzt habe". Frontismus sei (nach dem Schweizer Lexikon Band III, Zürich 1946) "der Sammelname für die antidemokratischen, in ideologischer Anlehnung an Faschismus und Nationalsozialismus gebildeten politischen Strömungen (Fronten) der Schweiz". BGE 111 II 209 S. 213 Das Ergebnis sei nicht anders, führt das Obergericht weiter aus, wenn angenommen werden müsste, das Buch vermittle den Eindruck, der Kläger habe nur vorübergehend - nämlich längstens bis 1940 - frontistisches Gedankengut vertreten. Auch so vermöchte die historische Wahrheit den Anspruch des Klägers auf Schutz seiner Persönlichkeit nicht ohne weiteres aufzuheben. Es sei in dem Buch "Die unheimlichen Patrioten" nicht um eine zur Zeit des Erscheinens aktuelle politische Auseinandersetzung zum Thema, ob sich der Kläger frontistisch betätigt habe, gegangen. Werde das Ansehen einer Person beeinträchtigt durch die öffentliche Erwähnung von Umständen aus früheren Lebensabschnitten, die in der Öffentlichkeit bereits in Vergessenheit geraten sind, so sei dieses Verhalten unbekümmert um den Wahrheitsgehalt der Äusserung widerrechtlich. Im vorliegenden Fall handle es sich insbesondere nicht um eine aus der Aufgabe der Presse und im Interesse des Gemeinwesens sich aufdrängende Kritik, wie sie zum Beispiel gegenüber der Tätigkeit eines Amtsinhabers oder gegenüber einer Persönlichkeit der Zeitgeschichte geübt werde. Vielmehr würden die früheren Aktivitäten des Klägers "pointiert, insoweit zu lückenhaft und geeignet für Vermutungen, welche das über den Kläger in der Öffentlichkeit bestehende Bild in unzumutbarer Weise zu verfälschen vermögen", geschildert. c) Die Veröffentlichung "Die unheimlichen Patrioten" will sich als Beitrag zur Zeitgeschichte verstanden wissen. Ob sie auch Wissenschaftlichkeit für sich beanspruchen kann, welcher der Fachhistoriker verpflichtet ist, mag freilich dahingestellt bleiben. Bezüglich der Stoffauswahl, der Art der Darstellung durch Text und Bild sowie vor allem auch der Überprüfbarkeit der darin gemachten Aussagen - das Buch enthält weder ein Quellen- noch ein Literaturverzeichnis - genügt es jedenfalls nicht dem allgemein anerkannten Massstab für wissenschaftliche Arbeit. Ja es lässt sich sogar darüber streiten, ob es sich bei dem Buch um ein unentbehrliches Nachschlagewerk handle, als welches es der Verlag auf der letzten Umschlagseite anpreist. Doch selbst wenn man das Buch eher als Pamphlet der politischen Auseinandersetzung zurechnen müsste, würde das nichts daran ändern, dass die Veröffentlichung grundsätzlich den Schutz der in Art. 55 BV gewährleisteten Pressefreiheit geniesst. Im Licht der Pressefreiheit ist es wünschenswert, dass über öffentliche Angelegenheiten berichtet wird; zu diesen Angelegenheiten gehören auch die persönlichen Verhältnisse der im staatlichen Leben hervortretenden Personen, BGE 111 II 209 S. 214 soweit sie für die staatliche Stellung der Betroffenen von Bedeutung sind ( BGE 71 II 192 f.; MANFRED REHBINDER, Schweizerisches Presserecht, Bern 1975, S. 84), vor allem aber auch die frühere politische Haltung einer Person der Zeitgeschichte. Ein unbekümmert um die Pressefreiheit - deren selbstverständlich auch der Historiker teilhaftig ist - geltendes "Recht auf Vergessen" gibt es in diesem Zusammenhang nicht. Indessen wird die Pressefreiheit eingeschränkt durch Art. 28 ZGB , also das Verbot, jemanden unbefugterweise in seinen persönlichen Verhältnissen zu verletzen ( BGE 107 Ia 280 f.). Bei der Beurteilung der Widerrechtlichkeit sind die oben (E. 2) genannten Kriterien zu beachten. Insbesondere ist eine die Persönlichkeit verletzende Äusserung widerrechtlich, wenn ihr Inhalt nicht der Wahrheit entspricht ( BGE 106 II 99 E. 2d, BGE 103 II 165 E. 1c, BGE 91 II 406 f. E. 3c-e, BGE 71 II 193 ). d) Nicht angezweifelt wird im vorliegenden Fall der Wahrheitsgehalt der Aussage, dass der Bund für Volk und Heimat eine frontistische Organisation gewesen sei. Doch wendet sich der Kläger dagegen, dass das Redressement National als Nachfolgeorganisation - mit ebenfalls frontistischem Charakter - des Bunds für Volk und Heimat bezeichnet und er, als seinerzeitiger Sekretär des Redressement National, damit zu einem Anhänger der Frontistenbewegung gestempelt werde. Die Beklagten erklären demgegenüber in ihrer Berufungsschrift an das Bundesgericht, "dass das RN gerade keine frontistische Organisation war - auch wenn es gewisse Gedankengänge einer solchen übernommen hatte". Sie geben damit zu erkennen, dass sie das Redressement National an sich nicht als eine frontistische Bewegung betrachten, aber doch meinen, frontistisches Gedankengut sei mindestens teilweise auch in die Reihen des Redressement National gesickert. Diese Auffassung entnimmt man unschwer auch der (vom Kläger nicht eingeklagten) Stelle auf Seite 141 des Buches "Die unheimlichen Patrioten", wo gesagt wird: "Die Wortwahl der ersten RN-Statuten aus dem Jahr 1936 erinnert stark an das völkische Vokabular und zeigt den geistigen Hintergrund der RN-Gründer." Das nach diesem Satz folgende Zitat ("Zweck des Vereins ist, beizutragen...") enthält dann allerdings höchstens zwei oder drei Wörter, die auf einen bestimmten Zeitgeist schliessen lassen. Ob damit "völkisches Vokabular" zu belegen sei oder gar eine eigentliche frontistische Gesinnung, lässt sich bezweifeln. BGE 111 II 209 S. 215 Immerhin haben die beklagten Autoren nicht ohne jeden Anlass eine Verbindung zwischen dem frontistischen Bund für Volk und Heimat und dem zeitlich mit diesem überlappenden Redressement National gezogen. Wenigstens teilweise bestand eine personelle Verflechtung zwischen (führenden) Mitgliedern beider Organisationen. Die Beklagten haben dies im Text, der dem beanstandeten Titel "1936: Das Redressement tritt das Erbe des frontistischen Bunds für Volk und Heimat an" folgt (S. 139 ff.), aufgezeigt. Es wird auch vom Kläger nicht bestritten, dass diese Ausführungen der historischen Wahrheit entsprechen. Der Name des Klägers Robert Eibel erscheint erst gegen den Schluss dieser Ausführungen, zwei Seiten nach den Namen jener Personen, welchen die Autoren eine unmittelbare Verbindung zu den Frontisten unterstellen. Mag auch die Darstellung gerade daran mangeln, dass sie nicht klar abgrenzt zwischen jenen Mitgliedern des Redressement National, welche vordem auch dem Bund für Volk und Heimat angehörten oder auf andere Weise Partei für die nationalsozialistische Ideologie nahmen, und solchen Mitgliedern des Redressement National, welche nie eine solche Gesinnung zeigten, so wird der Durchschnittsleser doch nicht eine direkte Brücke vom Frontismus zu Robert Eibel schlagen. Daran vermag auch die Aussage der Autoren nichts zu ändern, dass Robert Eibel Nachfolger des ersten Sekretärs des Redressement National gewesen sei, die vom Kläger selber nicht als unwahr bestritten wird. Diese Tatsache ist so wenig geeignet, den Ruf herabzumindern, wie die blosse Mitgliedschaft im Redressement National. Die Darstellung der beklagten Autoren - das heisst: die Aussage, das Redressement National habe das Erbe des frontistischen Bunds für Volk und Heimat angetreten, in Verbindung mit der Feststellung, Robert Eibel sei schon bei der Gründung des Redressement National im Jahr 1936 dabei und Nachfolger dessen ersten Sekretärs gewesen - ist daher, im Rahmen einer pointiert politisch ausgerichteten Publikation wie "Die unheimlichen Patrioten", nicht geeignet, das Ansehen des Klägers zu beeinträchtigen. Die beanstandeten Stellen entbehren der Widerrechtlichkeit. 4. Der Kläger sieht sich sodann in seinen persönlichen Verhältnissen verletzt durch Äusserungen auf den Seiten 192 f. des Buches "Die unheimlichen Patrioten", wo gesagt wird, dass Robert Eibel - als einer der Initianten des Gotthardbunds - Mitautor des "Entwurfs Allgöwer-Eibel" gewesen sei. Von diesem BGE 111 II 209 S. 216 Papier behaupten die beklagten Autoren, es habe die Gedankengänge aufgenommen, "die später wieder in der berüchtigten, mit dem Etikett des Landesverrats behafteten Eingabe der Zweihundert von Eibels Freunden aus dem Redressement auftauchten". Unmittelbar davor werfen die Autoren dem Kläger vor, seine "Zweitweltkriegs-Vergangenheit" weise dunkle Stellen auf; und sie setzen über all diese Ausführungen den Titel: "Eibel im Zweiten Weltkrieg: Weitergehende Forderungen als die Eingabe der Zweihundert". a) Im Gegensatz zum Bezirksgericht Zürich hat das Obergericht des Kantons Zürich diese Ausführungen als widerrechtlich beurteilt. Zwar werde der Gotthardbund an verschiedenen Stellen des Buches bezüglich seiner Bereitschaft zum Widerstand gegen Hitler-Deutschland in durchaus positivem Sinn erwähnt und beschrieben. Doch mit der anschliessenden Einschränkung und Charakterisierung - das heisst, damit, dass der Kläger in Zusammenhang mit der "Eingabe der Zweihundert" gebracht und von dieser gesagt wird, sie sei "mit dem Etikett des Landesverrats" behaftet - brächten die Autoren zum Ausdruck, "dass der Kläger seine extreme, frontistische Haltung selbst in der Zeit seiner Beschäftigung mit dem Gotthardbund nicht entscheidend geändert habe". Ja die Beklagten liessen die Frage offen, ob Robert Eibel seine Gesinnung überhaupt je geändert habe, zumal sie ihm über die Zeit der Gründung des Gotthardbunds hinaus aktive Tätigkeit in einer angeblich frontistisch geprägten Organisation (dem Redressement National) zum Vorwurf machten. Das laufe auf die das Ansehen des Klägers herabsetzende Feststellung hinaus, er habe ab 1936 über Jahre frontistisches Gedankengut vertreten, ohne dass deutlich gesagt werde, dass er sich davon später distanziert habe. Weiter hat das Obergericht festgestellt, aus dem Textzusammenhang ergebe sich ohne weiteres, dass sich die dem Kläger vorgeworfenen "dunklen Stellen" konkret auf seine Miturheberschaft am "Entwurf Allgöwer-Eibel" bezögen. Wenn dann an jener Stelle des Buches - unter Einbezug des Zwischentitels - gesagt werde, der "Entwurf Allgöwer-Eibel" habe weitergehende Gedankengänge und Forderungen enthalten als die "berüchtigte, mit dem Etikett des Landesverrats behaftete Eingabe der Zweihundert von Eibels Freunden aus dem Redressement", so spiegle sich auch darin eindeutig und unüberhörbar die verächtliche Einschätzung der Mitautorschaft des Klägers wider. Die Verachtung werde noch erheblich verstärkt durch die Verbindung mit dem Ausdruck "Landesverrat". BGE 111 II 209 S. 217 Durch diese Bezichtigung einer in Kriegszeiten mit der Todesstrafe bedrohten Handlung werde das Ansehen des Betroffenen noch weit mehr herabgesetzt als durch den Vorwurf einer frontistischen Haltung. Zumindest eine Vermutung des Inhalts, der Kläger sei dem Kreis der Landesverräter zuzurechnen, hätten die beklagten Autoren mit der Behauptung in den Raum gestellt, der Kläger sei mit den Forderungen und Gedankengängen im "Entwurf Allgöwer-Eibel" noch weiter gegangen als die "Eingabe der Zweihundert". b) Der Kläger gehörte zu den Gründern des Gotthardbunds und war Mitautor des "Entwurfs Allgöwer-Eibel", welcher das Datum des 9. Juli 1940 trägt. Seine Unterschrift figuriert dagegen nicht auf der "Eingabe der Zweihundert" vom 15. November 1940 (mit zwei Nachtragslisten von Unterzeichnern späteren Datums; vgl. zum historischen Hintergrund das Kapitel "21. Eingabe der 173 an den Bundesrat" bei EDGAR BONJOUR, Geschichte der schweizerischen Neutralität, Band IV, Basel und Stuttgart 1970, S. 349 ff.). Der "Entwurf Allgöwer-Eibel" hält eingangs "Die Situation" fest. Er spricht von "einer europäischen Revolution, deren Ausgang niemand kennt". Schon in der Zeit der Französischen Revolution und Napoleons habe das Abendland Ähnliches erlebt; auch damals sei "aus den Trümmern des Alten eine neue Epoche geboren". Als "Unsere ewige Aufgabe" sehen die Verfasser die Mittlerrolle der Eidgenossenschaft "zwischen den geistigen und materiellen Gütern der Deutschen, Franzosen und Italiener ...". Die Zentralisierung der Verwaltung wird abgelehnt und demgegenüber der Schutz der kantonalen Unabhängigkeit als Hauptaufgabe bezeichnet. Die Eidgenossenschaft könne ihre europäische Aufgabe nur als souveräner Staat erfüllen, sagen die Autoren und erklären dann, sie seien "bereit, unser Land derzeit mit allen Mitteln zu verteidigen, um seine, im Interesse Europas liegende Unabhängigkeit zu wahren". Als "Die Aufgabe der Gegenwart" betrachten sie sodann "die Überwindung aller innen- und aussenpolitischen Vorurteile", insbesondere die Überwindung der Gegensätze von "rechts" und "links" und der sozialen Gegensätze. Unter diesem Titel wird auch eine Stärkung der Autorität des Bundesrats gefordert wie auch die "Heranziehung aller schöpferischen und initiativen Kräfte" und ein "neues wirtschaftliches Denken" postuliert. Ferner wünschen sich die Autoren den "Gedankenaustausch mit allen lebendigen europäischen Geistesströmungen" sowie die BGE 111 II 209 S. 218 "Wiederaufnahme der alten kulturellen Beziehungen mit den drei umliegenden Ländern". Der "Entwurf Allgöwer-Eibel" enthält sodann einen "Aktionsplan", welcher die "Auffrischung der Kräfte im Bundesrat" und die "Ausschaltung ungeeigneter Kräfte aus der Leitung wichtiger Bundesämter" vorsieht. Ebenso wird die "Überprüfung der ausländischen Vertretungen der Schweiz nach der personellen und sachlichen Seite" verlangt. Die öffentliche Meinung soll "im Sinne einer energischen Bekämpfung staatsfeindlicher Äusserungen ohne Unterbindung einer gesunden Kritik" gelenkt und die Landesverteidigung "an die neuen militärischen Erfordernisse" angepasst werden. Schliesslich schlägt der "Aktionsplan" Massnahmen auf dem Gebiet der Wirtschaft vor - Arbeitsbeschaffungsprogramm, Exportförderung, Delegierter für Wirtschaftsfragen, Entschuldung notleidender bäuerlicher Betriebe, gewerbliche und bäuerliche Selbsthilfegenossenschaften, Kreditüberwachungsinstitut, Investitionspolitik - und wünscht sich, unter dem Titel "Soziale Fragen", den "Umbau der Lohnausgleichskassen in eine Altersversicherung". Die "Eingabe der Zweihundert" (abgedruckt bei EDGAR BONJOUR, a.a.O., S. 370 f., und GERHART WAEGER, Die Sündenböcke der Schweiz, Olten 1971, S. 254 ff.) betrachtet es als zur Wahrung der Freiheit nötig, "mit allen Nachbarn gute Beziehungen zu pflegen". Diesem Bestreben stand nach der Meinung ihrer Unterzeichner die Presse in der Schweiz hindernd im Wege. "Durch ihre tagtägliche Beeinflussung der im Grunde durchaus unparteiisch eingestellten Masse unserer Bürgerschaft", erklären die Verfasser, "hat sie jene Stimmung geschaffen, die sich in Verunglimpfungen und feindseligen Handlungen gegenüber fremden Staaten oder ihren Angehörigen Luft machte und die unserem Lande immer wieder Schwierigkeiten zugezogen hat." Als Beispiel der nach ihrer Auffassung einseitig eingestellten Berichterstattung durch die Presse über das Ausland zitieren die Autoren namentlich einen Text aus einer Broschüre des damaligen Nationalrats Robert Grimm, der auch Regierungspräsident des Kantons Bern und Chef der Sektion Kraft und Wärme des eidgenössischen Kriegswirtschaftsamtes gewesen war. Die Forderungen, welche die Unterzeichner der "Eingabe der Zweihundert" erheben, richten sich denn auch in erster Linie gegen Presse und Radio, insbesondere die Schweizerische Depeschenagentur. Sie lauten wörtlich: "1. Einsatz von Presse und Rundfunk für eine dem Wesen der Eidgenossenschaft entsprechende und der Schweiz als dem Mutterlande des BGE 111 II 209 S. 219 Roten Kreuzes angemessene, der Versöhnung der Völker dienende Wirksamkeit. 2. Aufforderung zur Ausschaltung jener an verantwortlichen Pressestellen wirkenden Personen, die einen für das Wohl und das Ansehen des Landes verhängnisvollen Kurs gesteuert haben. 3. Ausmerzung jener Presseorgane, die ausgesprochen im Dienste fremder politischer Gedanken standen und ihnen ihre aussenpolitische Stellungnahme unterordneten. 4. Straffe behördliche Überwachung der Schweizerischen Depeschenagentur, deren Einstellung zu schweren Bedenken Anlass gegeben hat und für die das Land nach aussen doch die Verantwortung tragen muss. 6. Entfernung jener Personen aus verantwortlichen Stellen des Staates, deren politische Tätigkeit sich offenkundig für das Land als nachteilig erwiesen hat. 5. Entgiftung unseres politischen Lebens durch die Wiedergutmachung aller jener Übergriffe unserer politischen Polizei, die sich lediglich durch die Verhetzung unserer öffentlichen Meinung erklären lassen. Eine unparteiische gerichtliche Stelle soll die politischen Prozesse und Strafuntersuchungen, die zur Beanstandung Anlass geben können, überprüfen, die Betroffenen in ihre Ehre wiederherstellen und die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen. 7. Sorgfältige Pflege der kulturellen Beziehungen zu allen unseren Nachbarvölkern, wie sie durch Geschichte und Herkommen gegeben und für alle drei Sprachgebiete unseres Landes lebensnotwendig sind. 8. Bereinigung unserer aussenpolitischen Stellung durch die Lösung der letzten Bindungen an den Völkerbund und die Ausmerzung jeder fremden politischen Stelle auf unserem Boden." c) Gemeinsamkeiten zwischen der "Eingabe der Zweihundert" und dem "Entwurf Allgöwer-Eibel" lassen sich nicht bestreiten. Beide Dokumente sind Zeugnisse des - von späteren Generationen kaum mehr nachvollziehbaren - Druckes, unter welchem die Schweizer Bevölkerung und ganz besonders die an massgebender Stelle für das Schicksal der Eidgenossenschaft Verantwortlichen angesichts der politischen und kriegerischen Ereignisse zu Beginn der Vierzigerjahre dieses Jahrhunderts standen. Nicht nur Regierung und Armeeleitung, sondern jeder einzelne Bürger sah sich vor die Frage gestellt, wie die Zukunft des Landes, ja seine eigene zukünftige Existenz als Mensch aussehen werde. Edgar Bonjour, der im Hinblick auf die "Eingabe der Zweihundert" von der "Unwürdigkeit und Gefährlichkeit der zutiefst undemokratischen Eingabe" gesprochen hat (a.a.O., S. 376), hat denn auch zugleich darauf hingewiesen, dass die Episode aus ihrer Zeit heraus zu verstehen und zu erklären sei. Der Inhalt der "Eingabe der Zweihundert" lässt sich auf die Kurzformel bringen, dass deren Unterzeichner alle Handlungen BGE 111 II 209 S. 220 und Äusserungen von Behörden sowie insbesondere auch von Presse und Radio, welche die Machthaber des Dritten Reiches hätten verärgern können, unterbinden wollten. Die zur Durchsetzung dieses Zieles erhobenen, zum Teil drastischen und dreisten Forderungen sind schon auf dem Höhepunkt des Zweiten Weltkriegs als von deutsch-nationalem Denken geprägt (EDGAR BONJOUR, a.a.O., S. 376) erkannt worden. Bei der Mehrheit der damaligen Schweizer Bevölkerung stiessen sie auf (offene oder stille) Ablehnung; die Nachwelt schüttelt darüber den Kopf. Der "Entwurf Allgöwer-Eibel" seinerseits ist nicht frei von ähnlichen Forderungen, verlangt doch auch er die "Auffrischung der Kräfte im Bundesrat", die "Ausschaltung ungeeigneter Kräfte aus der Leitung wichtiger Bundesämter" und die "Überprüfung der ausländischen Vertretungen der Schweiz nach der personellen und sachlichen Seite". Nach dem Dafürhalten seiner Verfasser sollte die öffentliche Meinung "im Sinne einer energischen Bekämpfung staatsfeindlicher Äusserungen ohne Unterbindung einer gesunden Kritik" gelenkt werden. Gerade die Formulierung dieser Forderung ist ein Beispiel für die sibyllinische Ausdrucksweise des Papiers. Einigen der darin aufgestellten Postulate müsste man aus heutiger Sicht den Vorwurf machen, für den Sowohl-als-auch-Fall formuliert worden zu sein, so zum Beispiel auch der Erklärung der Verfasser, sie seien "bereit, unser Land derzeit mit allen Mitteln zu verteidigen". Weiter jedoch als die "Eingabe der Zweihundert" geht der "Entwurf Allgöwer-Eibel" in dem Sinne, als er der grossenteils pathetischen Umschreibung von Situation und Aufgaben der Schweizerischen Eidgenossenschaft einen "Aktionsplan" beifügt, der sich auf politische, wirtschaftliche und soziale Probleme erstreckt. Vor allem darin, dass er auch wirtschaftliche und soziale Fragen anschneidet, unterscheidet sich der "Entwurf Allgöwer-Eibel" von der "Eingabe der Zweihundert". Einige der darin enthaltenen Postulate sind in der Folge verwirklicht worden - man denke an das Bundesgesetz vom 12. Dezember 1940 über die Entschuldung landwirtschaftlicher Heimwesen und ganz besonders an das Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung. e) Der Titel "Eibel im Zweiten Weltkrieg: Weitergehende Forderungen als die Eingabe der Zweihundert" auf Seite 192 des Buches "Die unheimlichen Patrioten" lässt demgegenüber beim Durchschnittsleser die Meinung aufkommen, der "Entwurf Allgöwer-Eibel" BGE 111 II 209 S. 221 gehe bezüglich der anpasserischen, ja recht eigentlich nationalsozialistischen Forderungen weiter noch als die "Eingabe der Zweihundert". Das trifft jedoch, wie der Vergleich der beiden Dokumente zeigt, nicht zu. Der Hinweis darauf, dass schon GERHART WAEGER (a.a.O., S. 111) gesagt habe, der "Entwurf Allgöwer-Eibel" gehe in den konkreten Forderungen weiter, vermag den beklagten Autoren nicht zu helfen. Ihre gegenüber dem Kläger erhobenen Anschuldigungen werden nämlich dadurch entscheidend verstärkt, dass die Wendung von der "mit dem Etikett des Landesverrats behafteten Eingabe der Zweihundert von Eibels Freunden aus dem Redressement" hinzugefügt wird. Zusammen mit dieser Wendung bekommt der nur um drei kurze Abschnitte von ihr getrennte Titel "Eibel im Zweiten Weltkrieg: Weitergehende Forderungen als die Eingabe der Zweihundert" eine ganz andere Bedeutung als die, dass der "Entwurf Allgöwer-Eibel" bezüglich der darin erhobenen Forderungen auf wirtschaftlichem und sozialem Gebiet weiter ging als die "Eingabe der Zweihundert". Von Landesverrat ist an der zitierten Stelle bei Waeger nicht die Rede. Insofern der "Entwurf Allgöwer-Eibel" offenlässt, für welchen Fall der politischen Entwicklung er geschrieben wurde, mag man von "dunklen Stellen" sprechen und diese Bezeichnung auf die Autoren des Papiers, so den Kläger im vorliegenden Verfahren, anwenden. Der Kläger wird damit in jene breite Schicht der Schweizer Bevölkerung eingereiht, die in der bedrohlichsten Zeit des Zweiten Weltkriegs sich kein klares Bild mehr von der Zukunft machen konnte. Man gab sich betont vaterländisch, zugleich auch europäisch und wusste doch weder vom einen noch vom andern, was es im kommenden Monat, in der folgenden Woche, morgen konkret bedeuten würde. Vor der historischen Wahrheit zu bestehen vermag hingegen in keiner Weise der durch die beanstandeten Stellen im Buch "Die unheimlichen Patrioten" insinuierte Vorwurf des Landesverrats. Indem die beklagten Autoren den "Entwurf Allgöwer-Eibel" in unmittelbare Verbindung mit der "Eingabe der Zweihundert" bringen, von dieser sagen, sie sei "mit dem Etikett des Landesverrats" behaftet gewesen und über diesen Text die Überschrift stellen: "Eibel im Zweiten Weltkrieg: Weitergehende Forderungen als die Eingabe der Zweihundert", erwecken sie beim Durchschnittsleser den Eindruck, der Kläger sei bereit gewesen, die Schweiz an das nationalsozialistische Dritte Reich zu verraten. BGE 111 II 209 S. 222 Landesverrat ist ein Delikt, welches sowohl vom bürgerlichen Strafrecht ( Art. 267 StGB ) als auch vom Militärstrafrecht ( Art. 86 ff. MStG ) mit Gefängnis oder Zuchthaus bestraft wird; in schweren Fällen kann in Kriegszeiten sogar auf Todesstrafe erkannt werden ( Art. 87 Ziff. 3 MStG ). Der Vorwurf des Landesverrats ist deshalb geeignet, den davon Betroffenen im Ansehen der Mitmenschen empfindlich herabzusetzen. Ja diese Beschuldigung wiegt unter Umständen noch schwerer als der Vorhalt eines anderen Delikts, da der Gedanke aufkommen mag, der Landesverrat sei nur deshalb nicht gesühnt worden, weil mit dem für die Schweiz schliesslich glücklichen Ausgang des Zweiten Weltkriegs Gras über die Sache gewachsen sei. Die Beklagten können sich nicht damit entschuldigen, sie hätten auch darauf hingewiesen, dass Robert Eibel von General Guisan zum Chef des Sekretariats in seinem persönlichen Stab gemacht worden war und dass er zu den Gründern des Gotthardbunds gehört hatte. Sie ziehen ja selber die ehrbaren Ziele des in seinem Wirken eher glücklosen Gotthardbunds (vgl. dazu ALICE MEYER, Anpassung oder Widerstand, Zürich 1966, S. 187 ff.) in Zweifel, wenn sie schreiben, Robert Eibel sei als Initiant des Gotthardbunds Mitautor des "Entwurfs Allgöwer-Eibel" gewesen, und von diesem Dokument behaupten, seine Gedankengänge seien "später wieder in der berüchtigten, mit dem Etikett des Landesverrats behafteten Eingabe der Zweihundert von Eibels Freunden aus dem Redressement" aufgetaucht. Der auf General Guisan Bezug nehmende Satz lautet im vollen Wortlaut: "Kritiker pflegt Eibel mit dem Hinweis abzukanzeln, seine Vergangenheit sei über jeden Zweifel erhaben, das zeige schon die Tatsache, dass General Guisan ihn zum Chef des Sekretariats in seinem persönlichen Stab machte." Korrigiert der Satz an sich schon nicht das betont ungünstige Bild, welches die Autoren dem Durchschnittsleser von Robert Eibel vermitteln, so tut er das noch viel weniger im Umfeld der Seiten 192 f. des Buches "Die unheimlichen Patrioten". Die beanstandeten Stellen entsprechen nicht der Wahrheit und lassen den Kläger in einem falschen Licht erscheinen ( BGE 107 II 6 E. 4b, BGE 105 II 165 E. 3b). Er wird dadurch unbefugterweise in den durch Art. 28 ZGB geschützten persönlichen Verhältnissen verletzt.
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Microsoft Word - 745.13.de.doc 1 Fahrplanverordnung (FPV) vom 4. November 2009 (Stand am 1. Januar 2021) Der Schweizerische Bundesrat, gestützt auf Artikel 13 Absatz 3 des Personenbeförderungsgesetzes vom 20. März 20091 (PBG), verordnet: 1. Abschnitt: Allgemeine Bestimmungen Art. 1 Gegenstand und Geltungsbereich 1 Diese Verordnung regelt das Verfahren für die Aufstellung und Veröffentlichung der Fahrpläne für die regelmässigen, der Personenbeförderung dienenden Fahrten der folgenden Unternehmen: a. der Transportunternehmen, die eine Personenbeförderungskonzession nach Artikel 6 PBG haben oder diesen aufgrund eines Staatsvertrages gleichge- stellt sind; b. der Transportunternehmen, die sich freiwillig dieser Verordnung unterstel- len. 2 Das Bundesamt für Verkehr (BAV) kann den Transportunternehmen für nicht allgemein zugängliche Angebote Ausnahmen von der Fahrplanpflicht gewähren. Art. 2 Inhalt und Geltungsdauer des Fahrplans 1 Der Fahrplan legt das verbindliche, gesamtschweizerisch abgestimmte Angebot des öffentlichen Verkehrs für eine bestimmte Zeitdauer (Fahrplanperiode) fest. Diese dauert in der Regel zwei Jahre. 2 Das BAV bestimmt Beginn und Dauer der Fahrplanperiode; dabei berücksichtigt es die Regelungen der Nachbarstaaten. 2. Abschnitt: Erstellung des Fahrplans Art. 3 Ablauf des Fahrplanverfahrens 1 Das Verfahren zur Festlegung des Fahrplans besteht aus den folgenden Phasen: a. Erstellung des Fernverkehrskonzepts; AS 2009 6055 1 SR 745.1 745.13 Personenbeförderung 2 745.13 b. Erstellung der Fahrpläne pro Linie; c. provisorische Trassenzuteilung2 nach der Eisenbahn-Netzzugangsverord- nung vom 25. November 19983 (NZV); d. Erstellung des Fahrplan-Entwurfs; e. definitive Trassenzuteilung nach NZV; f. Erstellung des definitiven Fahrplans. 2 Das BAV regelt die Einzelheiten und legt die Fristen fest. Art. 4 Fernverkehrskonzept 1 Die betroffenen Unternehmen erstellen als Grundlage für die Planung des abgel- tungsberechtigten Verkehrs und für den Fahrplan-Entwurf ein gegenseitig abge- stimmtes Konzept für den Fernverkehr. Sie legen es dem BAV, der Oberzolldirek- tion und den Kantonen vor. 2 Das Fernverkehrskonzept umfasst den schweizerischen Fernverkehr sowie den internationalen Verkehr. 3 Die Oberzolldirektion äussert sich zum grenzüberschreitenden Verkehr. 4 Das BAV und die Kantone können den Unternehmen begründete Änderungsbegeh- ren zum Fernverkehrskonzept unterbreiten. 5 Die Unternehmen nehmen zu den Änderungsbegehren Stellung. Können sie die Begehren nicht berücksichtigen, so müssen sie dies begründen. Art. 54 Fahrplan-Entwurf Nach dem Entscheid der Besteller, welche Angebote in den Fahrplan aufgenommen werden, und der provisorischen Trassenzuteilung durch die Trassenvergabestelle nach der NZV5 erstellen die Unternehmen für die Linien des Fern- und Regionalver- kehrs einen Fahrplan-Entwurf. Art. 6 Definitiver Fahrplan Nach der definitiven Trassenzuteilung nach der NZV6 legen die Unternehmen den definitiven Fahrplan fest. Dieser ist unter Vorbehalt von Artikel 11 verbindlich. 2 Die Anpassung eines Ausdrucks, in Kraft seit 1. Juli 2020, betrifft nur den italienischen Text (AS 2020 1915). 3 SR 742.122 4 Fassung gemäss Ziff. I 9 der OBI-Verordnung vom 13. Mai 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 1915). 5 SR 742.122 6 SR 742.122 Fahrplanverordnung 3 745.13 Art. 7 Anhörung interessierter Kreise Die Kantone hören die interessierten Kreise im Verlauf des Fahrplanverfahrens in geeigneter Weise an. Zu diesem Zweck sorgt das BAV für den Betrieb einer öffent- lich zugänglichen Internetplattform. Art. 8 Koordination 1 Die Unternehmen koordinieren ihre Fahrpläne fortlaufend untereinander und achten dabei auf die Gewährung der Anschlüsse. 2 Vor der Erstellung des Fahrplan-Entwurfs bereinigen sie ihre Fahrpläne aufgrund der Vorgaben der Besteller sowie der Eingaben des BAV, der Kantone und der Oberzolldirektion. 3. Abschnitt: Veröffentlichung des Fahrplans Art. 9 Grundsätze 1 Die Fahrpläne werden jeweils für ein Jahr (Fahrplanjahr) offiziell publiziert. 2 Für Linien des Ortsverkehrs und Angebote ohne Erschliessungsfunktion kann auf die offizielle Publikation der Fahrpläne verzichtet werden. Zu veröffentlichen sind aber mindestens die Bezeichnungen der Linien und deren Betriebszeiten. Ausserdem sind die Fahrpläne für elektronische Auskunftssysteme einer vom BAV bezeichne- ten Stelle zu übermitteln. 3 An jeder Haltestelle sind die Abfahrtszeiten sämtlicher Kurse aller Linien anzu- geben, welche die Haltestelle bedienen. Art. 10 Veröffentlichung der Fahrpläne 1 Das BAV sorgt für die offizielle Veröffentlichung der Fahrpläne. Es kann diese einem geeigneten Unternehmen übertragen. 2 Die Transportunternehmen dürfen eigene Fahrplanpublikationen herausgeben. Sie müssen ihre Fahrplandaten jedermann zur Verfügung stellen. 3 Soweit Fahrplandaten zu kommerziellen Zwecken genutzt werden, sind mindestens die Selbstkosten für die Bearbeitung und Weitergabe dieser Daten zu vergüten. 4. Abschnitt: Fahrplanänderungen, Betriebsunterbrechungen Art. 11 Änderung des Fahrplans während der Geltungsdauer 1 Der Fahrplan kann geändert werden, wenn Umstände eintreten, die bei der Erstel- lung nicht voraussehbar waren. 2 Will ein Unternehmen seinen Fahrplan ändern, so muss es den Entwurf der Ände- rung mindestens acht Wochen vor deren Inkraftsetzung dem BAV einreichen und Personenbeförderung 4 745.13 die betroffenen Kantone darüber orientieren. Betrifft die Änderung den grenzüber- schreitenden Verkehr, so muss es den Entwurf auch der Oberzolldirektion zur Kenntnis bringen. Die Änderung ist zu begründen. 3 Änderungen, die nach der Verordnung vom 11. November 20097 über die Abgel- tung des regionalen Personenverkehrs bestellte Leistungen betreffen oder beein- trächtigen, können nur im Einverständnis mit den Bestellern vorgenommen werden. 4 Die Unternehmen müssen Änderungen mindestens zwei Wochen vor der Umset- zung so veröffentlichen, dass ein möglichst grosser Kundenkreis davon in Kenntnis gesetzt wird. Sie berichtigen die an den Haltestellen bekanntgegebenen Fahrpläne rechtzeitig. Art. 12 Betriebsunterbrechungen 1 Die Unternehmen müssen jede Betriebsunterbrechung, die nicht im Fahrplan enthalten ist, dem BAV, den betroffenen Kantonen und den Unternehmen, die Anschlüsse anbieten, mindestens vier Wochen vorher mitteilen. Sie müssen dabei die Ursachen und die voraussichtliche Dauer sowie die zur Herstellung provisori- scher Verbindungen getroffenen Massnahmen angeben. 2 Vorhersehbare Betriebsunterbrechungen sind offiziell zu publizieren, ausser wenn die Bedienung sämtlicher Haltestellen und die Gewährung aller Anschlüsse gewähr- leistet bleiben. 3 Muss der Betrieb wegen unvorhergesehener Ereignisse, insbesondere wegen Na- turereignissen oder Unfällen, unterbrochen werden, so ist dies unverzüglich den Unternehmen, die Anschlüsse anbieten, zu melden. Gleichzeitig ist die Öffentlich- keit zu orientieren und sind die getroffenen Ersatzmassnahmen anzugeben. 4 Die Wiederaufnahme des Betriebes ist dem BAV, den betroffenen Kantonen sowie den Unternehmen, die Anschlüsse anbieten, mitzuteilen. Gleichzeitig ist die Öffent- lichkeit zu orientieren. Art. 13 Andere Abweichungen vom Fahrplan Die Unternehmen informieren sich gegenseitig laufend über die aktuelle Betriebs- lage. Sie veröffentlichen diese Information in geeigneter Weise. Art. 14 Aufsicht Das BAV beaufsichtigt die Aufstellung, Veröffentlichung und Einhaltung des Fahr- plans. 7 SR 745.16 Fahrplanverordnung 5 745.13 5. Abschnitt: Schlussbestimmungen Art. 15 Aufhebung bisherigen Rechts Die Fahrplanverordnung vom 25. November 19988 wird aufgehoben. Art. 16 Inkrafttreten Diese Verordnung tritt am 1. Januar 2010 in Kraft. 8 [AS 1999 698] Personenbeförderung 6 745.13
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Erwägungen ab Seite 267 BGE 122 V 267 S. 267 Aus den Erwägungen: 2. Die Beschwerdeführerin hat es abgelehnt, vorgängig an ein Bewerbungsgespräch einen Fragebogen auszufüllen, worin sie aufgefordert wurde, die ihres Erachtens die geschützte Privatsphäre tangierenden BGE 122 V 267 S. 268 Auskünfte zu geben. Anschliessend kam das Bewerbungsgespräch nicht zustande und die Stelle wurde anderweitig vergeben. Streitig und zu prüfen ist, ob in diesem Verhalten eine im Sinne von Art. 30 Abs. 1 lit. c AVIG arbeitslosenversicherungsrechtlich zu sanktionierende Pflichtwidrigkeit zu sehen ist. 3. a) Dem Zustandekommen eines Arbeitsvertrages geht in der Regel ein Vorstellungsgespräch voraus, welches in erster Linie dazu dienen soll, den potentiellen Vertragsparteien Aufschluss über die die verschiedenen Aspekte des zukünftigen Arbeitsverhältnisses betreffenden tatsächlichen Gegebenheiten zu vermitteln. Der Arbeitgeber möchte in die Lage versetzt werden, zu entscheiden, ob er einen Bewerber für die vorgesehene Arbeit anstellen will; umgekehrt soll dieser entscheiden können, ob er die angebotene Arbeitsstelle annehmen will. Beiden Parteien erwachsen mithin bestimmte Informationsbedürfnisse (PELLEGRINI, Die Anfechtung des Arbeitsvertrages wegen Willensmängeln, Diss. Zürich 1983, S. 102 f.). Auf Seiten des Arbeitgebers wird diesem Informationsbedürfnis dadurch Rechnung getragen, dass er grundsätzlich berechtigt ist, Auskünfte Dritter über den Bewerber einzuholen, und dass diesen die Pflicht trifft, die für die Bewerberauswahl erforderlichen und geforderten persönlichen Angaben wahrheitsgetreu zu machen. Dabei hat der Bewerber die vom Arbeitgeber gestellten Fragen zu beantworten (Auskunftspflicht) und ihm von sich aus gewisse Angaben zu machen (Mitteilungspflicht [REHBINDER, Berner Kommentar, 1985, N. 4 und 10 zu Art. 320 OR ]). b) Das Fragerecht des Arbeitgebers ist jedoch begrenzt. Nach STREIFF/VON KAENEL hat der Bewerber über alles Auskunft zu geben, was sich auf die Anstellung und seine spezielle Eignung dafür bezieht (Arbeitsvertrag, 5. Aufl. Zürich 1992, N. 10 zu Art. 320 OR ). Gemäss REHBINDER braucht ein Bewerber Fragen, die nicht mit dem Arbeitsplatz oder der zu leistenden Arbeit zusammenhängen, nicht zu beantworten; sie dürften, da sie Eingriffe in die Persönlichkeitssphäre darstellten, unrichtig beantwortet werden (Schweizerisches Arbeitsrecht, 12. Aufl. Bern 1995, S. 39). Auch für JANUTIN stellen Fragen, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Arbeitsplatz und der zu leistenden Arbeit stehen, einen unzulässigen Eingriff in die Persönlichkeitssphäre dar (Gesundheit im Arbeitsrecht, Diss. Zürich 1991, S. 139). Indessen geniesst der Persönlichkeitsbereich des Bewerbers nach einheitlicher Lehre keinen umfassenden Schutz. Der Arbeitgeber kann durchaus ein berechtigtes Interesse an Informationen aus diesem Bereich haben, wobei auch hier ein direkter Bezug zwischen der Frage BGE 122 V 267 S. 269 und der beruflichen Eignung und Verfügbarkeit vorausgesetzt werden muss (STREIFF/VON KAENEL, a.a.O.). Dies ergibt sich auch aus dem seit 1. Juli 1993 in Kraft getretenen Art. 328b OR , welcher dem Arbeitgeber die Bearbeitung von Daten über den Arbeitnehmer nur soweit erlaubt, als sie dessen Eignung für das Arbeitsverhältnis betreffen oder für die Durchführung des Arbeitsvertrages erforderlich sind, und welcher im übrigen die Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 19. Juni 1992 über den Datenschutz für anwendbar erklärt (vgl. BRUNNER/BÜHLER/WAEBER, Commentaire du contrat de travail, 2e éd. mise à jour, Lausanne 1996, N. 6-8 zu Art. 320 OR in Verbindung mit N. 3 und 4 zu Art. 328b OR ; vgl. BGE 120 II 118 ff.). Es ist deshalb im konkreten Einzelfall unter Würdigung der besonderen Umstände zu entscheiden, ob der Persönlichkeitsschutz des Bewerbers dem Interesse des Arbeitgebers vorgehen soll oder nicht (PELLEGRINI, a.a.O., S. 109 f.; REHBINDER, Rechtsfragen der Bewerbung, Wirtschaft und Recht 1983 S. 60; REHBINDER, Schweizerisches Arbeitsrecht, a.a.O., S. 39; REHBINDER, Berner Kommentar, a.a.O., N. 35 zu Art. 320 OR ). 4. a) Die Beschwerdeführerin hat sich für eine Telefonistinnenstelle bei der Telefonmarketingfirma Y beworben. Bei einer solchen Firma handelt es sich nicht um einen sogenannten Tendenzbetrieb (wie Unternehmen, die sich besonderen geistig-ideellen Zielen verschrieben haben [REHBINDER, Schweizerisches Arbeitsrecht, a.a.O., S. 40]); sodann bekleidet eine Telefonistin darin keine besondere Vertrauensstellung. Demnach kann der Arbeitgeber kein überdurchschnittliches Interesse an Auskünften, die den Privatbereich der Beschwerdeführerin betreffen, geltend machen. Unter diesem Gesichtspunkt ist der Fragebogen, den die Beschwerdeführerin vor Antritt des Vorstellungsgesprächs vollständig hätte ausfüllen sollen, soweit er beanstandet wird, zu würdigen. b) Der erste Teil, überschrieben mit "Personalblatt für Bewerber", enthält nebst eindeutig zulässigen Fragen zur Person, solche, die im Schrifttum kontrovers bewertet werden, wie etwa diejenigen nach der Konfession (PELLEGRINI, a.a.O., S. 115 f.; REHBINDER, Berner Kommentar, a.a.O., N. 36 zu Art. 320 OR ) oder nach hängigen Strafverfahren (STREIFF/VON KAENEL, a.a.O.; REHBINDER, Berner Kommentar, a.a.O., N. 36 zu Art. 320 OR ). Wie es sich damit verhält, kann indessen offenbleiben, da die Beschwerdeführerin diese Fragen nicht beanstandet hat. Dass die Frage nach dem Bestehen einer Schwangerschaft zulässig ist, wird nach den zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz nicht mehr bestritten, weshalb es auch hiezu keiner weiteren BGE 122 V 267 S. 270 Äusserung bedarf (vgl. aber die differenziertere Auffassung von BRUNNER/BÜHLER/WAEBER, a.a.O., N. 8 zu Art. 320 OR ). Anders verhält es sich mit Erkundigungen im zweiten Teil, welcher mit "Biographischer Fragebogen" betitelt ist. Er enthält nicht bloss Fragen zu arbeits- oder arbeitsplatzspezifischen Sachverhalten, sondern es geht hier ganz eindeutig um persönlichkeitskennzeichnende Merkmale wie Freizeitverhalten und sonstiges Privatleben, die im Hinblick auf die fragliche Stelle ohne Belang sind. Solche Fragen, insbesondere etwa diejenige nach dem Umgang mit inneren Problemen, welche die Beschwerdeführerin ausdrücklich rügt, verletzen nach dem Gesagten klarerweise die im vorliegenden Fall schützenswerte Privatsphäre und sind daher unzulässig. c) Es ist deshalb durchaus verständlich, dass die Beschwerdeführerin das Ausfüllen des Fragebogens ablehnte. Jedenfalls kann darin kein arbeitslosenversicherungsrechtlich relevantes Fehlverhalten im Sinne von Art. 30 Abs. 1 lit. c AVIG erblickt werden; ebensowenig im übrigen wie darin, dass sie sich nicht mit dem sogenannten Notwehrrecht der Lüge (REHBINDER, Schweizerisches Arbeitsrecht, a.a.O., S. 39) beholfen hat. Aus diesen Gründen ist eine Einstellung in der Anspruchsberechtigung nicht gerechtfertigt.
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Sachverhalt ab Seite 235 BGE 139 V 234 S. 235 A. B. arbeitete seit 1998 im Bundesamt X. Sie war bei der Pensionskasse des Bundes PKB (seit 1. März 2001: Pensionskasse des Bundes PUBLICA; nachfolgend: Publica) berufsvorsorgeversichert. Diese vollzog auf den 1. Juli 2008 den Wechsel vom Leistungs- zum Beitragsprimat. Im selben Monat teilte die Publica der Versicherten mit, sie habe nach Art. 25 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 2006 über die Pensionskasse des Bundes (PUBLICA-Gesetz; SR 172.222.1) Anspruch auf eine Besitzstandsgarantie. Ihre garantierte jährliche Altersrente betrage Fr. 56'371.30. Ende Februar 2009 ging B. in Pension. Entsprechend ihrem Gesuch um Kapitalauszahlung vom 23. November 2008 richtete ihr die Publica ab 1. März 2009 eine jährliche Altersrente von Fr. 30'005.40 sowie eine einmalige Kapitalabfindung in der Höhe von Fr. 278'703.90 aus. B. Am 20. Juli 2011 liess B. beim Verwaltungsgericht des Kantons Bern Klage gegen die Publica einreichen mit dem hauptsächlichen Rechtsbegehren, die Beklagte sei zu verpflichten, ihr eine zusätzliche Kapitalauszahlung in der Höhe von Fr. 84'378.20, eventualiter von Fr. 44'385.10 auszurichten und diese mit Wirkung ab dem heutigen Datum mit 5 % zu verzinsen. Die Publica beantragte in ihrer Antwort die Abweisung der Klage. Im Rahmen des zweiten Schriftenwechsels hielten die Parteien an ihren Standpunkten fest. Mit Entscheid vom 5. Juli 2012 hiess die Sozialversicherungsrechtliche Abteilung des bernischen Verwaltungsgerichts die Klage teilweise gut. Es wies die Publica an, der Klägerin eine zusätzliche Kapitalabfindung von Fr. 21'285.60 zuzüglich Zins von 3 % vom 5. März 2009 bis 31. Dezember 2011 und von 2,5 % ab 1. Januar 2012 auszurichten. Im Übrigen wies es die Klage ab. C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt die Publica, der Entscheid vom 5. Juli 2012 sei aufzuheben und die Klage vollumfänglich abzuweisen; eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an das kantonale Gericht zurückzuweisen. BGE 139 V 234 S. 236 B. hat ebenfalls Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten eingereicht mit den Rechtsbegehren, der Entscheid vom 5. Juli 2012 sei insoweit aufzuheben, als ihr nicht mehr als Fr. 21'285.60 zugesprochen worden seien, und die Publica sei zu verpflichten, eine zusätzliche Kapitalzahlung von Fr. 63'092.60, eventualiter von Fr. 23'099.50 auszurichten, zuzüglich Zins von 3 % vom 5. März 2009 bis 31. Dezember 2011 und von 2,5 % ab 1. Januar 2012 auf den nachzuzahlenden Beträgen. B. (im Verfahren 9C_687/2012) und die Publica (im Verfahren 9C_691/2012) beantragen jeweils die Abweisung der Beschwerde der Gegenpartei. Das kantonale Verwaltungsgericht und das Bundesamt für Sozialversicherungen haben auf eine Stellungnahme bzw. auf eine Vernehmlassung verzichtet. In einer weiteren Eingabe hat sich B. zur Vernehmlassung der Publica geäussert. Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Art. 25 PUBLICA-Gesetz lautet wie folgt: "Alle aktiven Versicherten, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes das 55., aber noch nicht das 65. Altersjahr vollendet haben, haben Anspruch auf eine statische Besitzstandsgarantie im Umfang von 95 Prozent der nach bisherigem Recht im Alter von 62 Jahren erreichbaren Altersrente, mindestens aber auf die Altersleistungen nach diesem Gesetz. Erfolgt die freiwillige vorzeitige Pensionierung vor dem vollendeten 62. Altersjahr, so wird der garantierte Anspruch versicherungsmathematisch gekürzt. Die aus der Besitzstandsgarantie resultierenden Kosten trägt PUBLICA." B. gehört der Übergangsgeneration im Sinne von Art. 25 PUBLICA-Gesetz an, was unbestritten ist. 4. 4.1 Die Vorinstanz ist aufgrund des Wortlauts (Anspruch auf "Besitzstandsgarantie" nicht auf "Altersrente") sowie der Materialien (Botschaft vom 23. September 2005 über die Pensionskasse des Bundes [PUBLICA-Gesetz und Änderung des PKB-Gesetzes]; BBl 2005 5829 ff.) zum Ergebnis gelangt, Art. 25 Satz 1 PUBLICA-Gesetz bezwecke die Wahrung des leistungsmässigen Status der Übergangsgeneration und beschränke sich damit nicht auf eine Garantie der altrechtlichen Rente. Die Garantie komme unabhängig davon zum BGE 139 V 234 S. 237 Tragen, ob die versicherte Person die Altersrente oder den (teilweisen) Kapitalbezug gewählt habe (vgl. Art. 39 und 40 des Vorsorgereglements vom 15. Juni 2007 für die Angestellten und die Rentenbeziehenden des Vorsorgewerks Bund [VRAB; SR 172.220.141.1]). Hingegen erfolge die in Art. 25 Satz 2 PUBLICA-Gesetz vorgesehene - gerade deshalb gesondert geregelte - versicherungsmathematische Kürzung des garantierten Besitzstandes bei einer vorzeitigen Pensionierung vor dem Alter 62 nach dem neuen, seit 1. Januar 2008 geltenden Recht. Das Auslegungsergebnis hat die Vorinstanz rechnerisch wie folgt umgesetzt: (1) Nach bisherigem Recht berechnete jährliche Altersrente bei Rücktritt im Alter 62 (62 Jahre und 0 Monate [62/0]): Fr. 56'371.30 (95 % von Fr. 59'317.- [zuzüglich Fr. 20.15 aus dem Ergänzungsplan]) (2) Altersguthaben im Zeitpunkt der vorzeitigen Pensionierung Ende Februar 2009 im Alter 60/2 (Eintritt Versicherungsfall am 1. März 2009; Urteil 9C_769/2009 vom 9. April 2010 E. 3.2): Fr. 811'879.50 Berechnung: - Reglementarisch mögliches bzw. effektiv vorhandenes Altersguthaben im Alter 60/2 (gemäss Schreiben der Publica vom 7. Oktober 2010, ausgehend vom Altersguthaben von Fr. 720'809.60 am 1. Juli 2008; inkl. Ergänzungsplan): Fr. 754'273.10; - Reglementarisch mögliches Altersguthaben im Alter 62/0 am 1. Januar 2011: Fr. 864'275.50; - Zur Finanzierung der statisch garantierten altrechtlichen Altersrente im Alter 62/0 benötigtes Altersguthaben: Fr. 925'637.10; - Differenzbetrag (Fr. 61'361.60) diskontiert mit technischem Zinssatz 3,5 % auf den Rücktrittszeitpunkt 60/2 (Garantiekapital): Fr. 57'606.40; Altersguthaben im Rücktrittszeitpunkt (Fr. 754'273.10 + Fr. 57'606.40). (3) Höhe der Kapitalabfindung bei einer ausbezahlten jährlichen Altersrente von Fr. 30'005.40: Fr. 299'989.50 Berechnung: - Mit dem Altersguthaben im Zeitpunkt der vorzeitigen Pensionierung Ende Februar 2009 von Fr. 811'879.50 finanzierbare (volle) Altersrente (bei einem Umwandlungssatz von 5,861666 % [Anhang 3 VRAB]): Fr. 47'589.65; - Einmalig auszubezahlendes Kapital ([(Fr. 47'589.65 - Fr. 30'005.40)/ Fr. 47'589.65] x Fr. 811'879.50). 4.2 Die Berechnung der Höhe der einmaligen Kapitalabfindung der Publica unterscheidet sich in einem einzigen Punkt von derjenigen der Vorinstanz: In Schritt (3) wird an Stelle des Altersguthabens im BGE 139 V 234 S. 238 Rücktrittszeitpunkt (Fr. 811'879.50) das reglementarisch mögliche bzw. das effektiv vorhandene Altersguthaben im Alter 60/2 (Fr. 754'273.10) verwendet. Daraus ergibt sich die Summe von Fr. 278'703.90. Die Publica begründet diese Differenz im Wesentlichen damit, dass nach zutreffender Gesetzesauslegung lediglich die Altersrente, nicht jedoch der Kapitalbezug unter die Besitzstandsgarantie nach Art. 25 Satz 1 PUBLICA-Gesetz falle. 4.3 B. wiederum vertritt im Gegensatz zu Vorinstanz und Publica den Standpunkt, dass auch die in Art. 25 Satz 2 PUBLICA-Gesetz vorgesehene versicherungsmathematische Kürzung bei freiwilliger vorzeitiger Pensionierung vor dem vollendeten 62. Altersjahr von der Besitzstandsgarantie in Satz 1 erfasst werde und somit ebenfalls nach bisherigem Recht vorzunehmen sei. Ihre Berechnung sieht wie folgt aus: (1) Garantierte jährliche Altersrente bei Pensionierung im Alter 62/0: Fr. 56'371.30. (2) Garantierte jährliche Altersrente bei Rücktritt mit Alter 60/2: Fr. 51'283.85 (berechnet unter Berücksichtigung der Kürzung wegen vorzeitigem Rücktritt um 4,4 % [Art. 33 Abs. 4 der Verordnung vom 25. April 2001 über die Versicherung im Kernplan der Pensionskasse des Bundes (PKBV 1; AS 2001 2327), in Kraft gestanden bis Ende Juni 2008] und der statischen Besitzstandsgarantie von 95 %). (3) Höhe des Kapitalbezugs bei einer ausbezahlten jährlichen Altersrente von Fr. 30'005.40: Fr. 363'081.70 ([Fr. 51'283.85 - Fr. 30'005.40] x 1/0,05861666 [Umwandlungssatz gemäss Anhang 3 VRAB]). Für den Fall, dass die versicherungsmathematische Kürzung nach Art. 25 Satz 2 PUBLICA-Gesetz nicht nach dem alten Recht vorzunehmen sei, ist nach Auffassung von B. die vorinstanzliche Berechnung zu modifizieren, sodass sich ein Kapital von Fr. 323'088.61 (ausgegangen von einer garantierten jährlichen Altersrente von Fr. 48'939.45) ergebe. 5. 5.1 PUBLICA-Gesetz, PKBV 1 und VRAB sind öffentlich-rechtliche Erlasse. Deren Bestimmungen, insbesondere Art. 25 PUBLICA-Gesetz , sind somit nach den Regeln der Gesetzesauslegung zu interpretieren ( BGE 138 V 98 E. 5.1 S. 102; BGE 133 V 314 E. 4.1 S. 316 mit Hinweisen). Dabei ist vom Wortlaut auszugehen. Ist der Text nicht ganz klar und sind verschiedene Deutungen möglich, sind weitere BGE 139 V 234 S. 239 Auslegungselemente heranzuziehen, neben der Entstehungsgeschichte der Norm, wie sie sich namentlich aus den Materialien ergibt, deren Zweck sowie die Bedeutung, die ihr im Kontext mit anderen Bestimmungen zukommt. Lediglich dann kann allein auf den Wortlaut abgestellt werden, wenn sich daraus zweifelsfrei die sachlich richtige Lösung ergibt. Sind mehrere Interpretationen denkbar, soll jene gewählt werden, welche die verfassungsrechtlichen Vorgaben am besten berücksichtigt ( BGE 138 II 107 E. 5.2 S. 107 f.; BGE 138 V 17 E. 4.2 S. 20; BGE 131 III 33 E. 2 S. 35; je mit Hinweisen). 5.2 Der Wortlaut von Art. 25 Satz 1 PUBLICA-Gesetz spricht vom Anspruch auf eine Besitzstandsgarantie. Der Anspruch bezieht sich somit nicht unmittelbar auf die Altersrente nach bisherigem Recht, wie die Vorinstanz insoweit richtig erkannt hat. Die bei der Auslegung ebenfalls zu berücksichtigende Überschrift zu dieser Bestimmung "Garantie der Altersrenten für die Übergangsgeneration" zeigt indessen, wie die fragliche Wendung zu verstehen ist. Danach besteht für den genannten Versichertenkreis eine statische Besitzstandsgarantie im Umfang von 95 Prozent der nach bisherigem Recht im Alter von 62 Jahren erreichbaren Altersrente (vgl. auch Urteil 9C_769/2009 vom 9. April 2010 E. 4.1). Mit anderen Worten ist dieser Anspruch Gegenstand der Besitzstandsgarantie. Dieses Verständnis ergibt sich auch aus der bundesrätlichen Botschaft, wo etwa von betragsmässig garantiertem Besitzstand bzw. garantierter Rente die Rede ist (BBl 2005 5879 zu Art. 26 E-PUBLICA-Gesetz und 5914 Ziff. 4.1.1.6). Dabei bedeutet statische Besitzstandsgarantie, dass die (nach bisherigem Recht erreichbare) Altersrente grundsätzlich aufgrund des zuletzt (ab 1. Januar 2008) ausbezahlten Lohnes festgesetzt wird (Botschaft, a.a.O.; Art. 13 Abs. 1 und Art. 32 f. PKBV 1; SVR 2010 BVG Nr. 29 S. 112, 9C_869/2009 E. 2.3). Dass Art. 25 Satz 1 PUBLICA-Gesetz von erreichbarer und nicht von erworbener Altersrente spricht, wie in Art. 32 und Art. 33 Abs. 3 PKBV 1 , ist damit zu erklären, dass es diesen mit dem Leistungsprimat eng verknüpften Begriff im neuen System des Beitragsprimats nicht mehr gibt. 5.3 Aus dem Vorstehenden kann indessen nicht gefolgert werden, dass die Besitzstandsgarantie nach Art. 25 Satz 1 PUBLICA-Gesetz nur und so weit gilt, als eine Altersrente bezogen wird, die (altrechtliche) einmalige Kapitalabfindung gemäss Art. 35 Abs. 1 PKBV 1 mithin nicht darunter fällt. Gegenteils widerspräche es dem Grundgedanken der Garantie (Schutz der Erwartungshaltung insbesondere BGE 139 V 234 S. 240 der aktiven Versicherten der Übergangsgeneration, mit 62 Jahren und 40 Versicherungsjahren mit vollem Rentengenuss in Pension gehen zu können; BBl 2005 5879 zu Art. 26 E-PUBLICA-Gesetz; vgl. auch AB 2006 N 825 [Votum Heim]), diesbezüglich nach der Form des Bezugs der Altersleistung zu unterscheiden. Laut Botschaft sollen "die beim Inkrafttreten dieses Gesetzes 55-, aber noch nicht 65-jährigen Versicherten noch von den geltenden günstigeren Modalitäten des vorzeitigen Altersrücktritts einschliesslich der Überbrückungsrente Gebrauch machen können" (Botschaft, a.a.O.). Der Kapitalbezug ist eine solche Modalität des Rentenanspruchs (Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts B 74/03 vom 29. März 2004 E. 3.3.2), auf die sich die Besitzstandsgarantie nach Art. 25 Satz 1 PUBLICA-Gesetz somit ebenfalls erstreckt. Die Kapitalabfindung nach Art. 35 Abs. 1 PKBV 1 entspricht denn auch wertmässig dem nicht bezogenen Teil der Altersrente, berechnet anhand der versicherungstechnischen Unterlagen der Pensionskasse. Im Übrigen räumt auch die Publica ein, dass in der Botschaft die Begriffe Altersrenten und Altersleistungen, worunter nach bisherigem und nach neuem Recht sowohl die Altersrente als auch die Kapitalabfindung fallen (vgl. Überschriften 5. Kapitel 2. Abschnitt [ Art. 32 ff. PKBV 1 ] und Art. 33 und 35 PKBV 1 sowie 6. Kapitel 1. Abschnitt [ Art. 36 ff. VRAB ] und Art. 39 f. VRAB), nicht immer präzise verwendet werden. Schliesslich fehlen Anhaltspunkte, dass die bereits nach bisherigem Recht bestehende Möglichkeit eines Kapitalbezugs (bis höchstens die Hälfte der Altersrente; Art. 35 Abs. 1 PKBV 1 ) im Rahmen von Art. 25 PUBLICA-Gesetz eingeschränkt werden sollte, wie auch die Vorinstanz festgestellt hat. Nach dem Berechnungsmodell der Publica führt nun aber jeder Kapitalbezug wertmässig zu einer Verschlechterung in dem Sinne, dass das Garantiekapital bei der Ermittlung der garantierten Altersrente, nicht aber bei der Bestimmung der Höhe des Kapitals berücksichtigt wird. Dieses bemisst sich nach dem effektiv vorhandenen Altersguthaben im Zeitpunkt der (vorzeitigen) Pensionierung und kann selbst bei einem Rücktritt im Alter 62 nicht mehr betragen (vorne E. 4.1 und 4.2). Damit werden die Versicherten der Übergangsgeneration in ihrer Wahlmöglichkeit hinsichtlich der Bezugsform der Altersleistungen (Altersrente, Kapitalabfindung) eingeschränkt, was nicht dem gesetzgeberischen Willen entspricht. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass die Kosten der Besitzstandsgarantie nach Art. 25 PUBLICA-Gesetz , welche gemäss Satz 3 von der Publica zu tragen sind, ein ständiges Thema im BGE 139 V 234 S. 241 Gesetzgebungsverfahren waren. Dabei ging es indessen ausschliesslich um die Ausgestaltung der Garantie, statisch oder dynamisch (Berücksichtigung der Lohnerhöhungen [infolge Stufenanstiegs, Beförderung, Teuerungszulagen und allgemeiner Reallohnerhöhungen] bis zur vorzeitigen Pensionierung; SVR 2010 BVG Nr. 29 S. 112, 9C_869/2009 E. 2.3), sowie um den Umfang des Anspruchs, 95 oder 100 Prozent (Protokolle der vorberatenden Staatspolitischen Kommissionen von National- und Ständerat vom 26./27. Januar, 23./24. Februar, 30./31. März und 19./20. Oktober 2006; BBl 2005 5879 zu Art. 26 E-PUBLICA-Gesetz und 5914 Ziff. 4.1.1.6; AB 2006 N 824 f.). Die für die Finanzierung der Übergangsregelung von Art. 25 PUBLICA-Gesetz an sich ebenfalls bedeutsame Frage, ob bei der Besitzstandsgarantie nach der Bezugsform (Altersrente, Kapitalabfindung) zu differenzieren sei, war demgegenüber kein Diskussionsthema. 5.4 Die Publica bringt vor, im Unterschied zur geltenden Regelung ( Art. 40 Abs. 2 VRAB ) habe unter dem früheren Recht höchstens die Hälfte der Altersrente als Kapitalabfindung bezogen werden können ( Art. 35 Abs. 1 PKBV 1 ). Die Auslegung von Art. 25 Satz 1 PUBLICA-Gesetz durch die Vorinstanz habe zur Folge, dass eine versicherte Person nach dem nun anwendbaren neuen Recht einen Kapitalbezug von 100 % tätigen und sich den ganzen Garantiebetrag bar ausbezahlen lassen könnte. Damit ergäbe sich eine Konstellation, die nach Leistungsprimat nie möglich gewesen sei. Indessen besteht - nach dem bisher Gesagten folgerichtig - eine Besitzstandsgarantie lediglich im Rahmen von Art. 35 Abs. 1 PKBV 1 , d.h. bei einem Kapitalbezug von höchstens der Hälfte der Altersrente, was auch hier zur Diskussion steht. Im Übrigen gehen die Vorinstanz und auch die Parteien bei ihren Berechnungen von der nach Art. 25 Satz 1 PUBLICA-Gesetz garantierten (im Alter 62 erreichbaren, um 5 % gekürzten) Altersrente aus (vorne E. 4.1-4.3). Im Weitern verweist die Publica auf Art. 107 VRAB ("Wiederbeschäftigung von Bezügerinnen und Bezügern einer überführten Altersrente") und Art. 108 VRAB ("Garantie nach Artikel 25 PUBLICA-Gesetz"). Indessen vermag sie nicht überzeugend darzutun, inwiefern unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Auslegung von Art. 25 Satz 1 PUBLICA-Gesetz eine (möglichst) rechtsgleiche Behandlung der weiterbeschäftigten Bezüger einer Altersrente und der Personen, welche ein Kapital mit Garantie bezogen haben, soweit BGE 139 V 234 S. 242 diesbezüglich überhaupt sachliche Identität angenommen werden kann, nicht möglich sein soll. Die Gesetzmässigkeit von Art. 107 Abs. 3 und Art. 108 Abs. 2 VRAB im Besonderen steht im Übrigen nicht auf dem Prüfstand. Schliesslich ergibt sich nichts zu Gunsten der Publica daraus, dass nach Art. 25 Satz 1 PUBLICA-Gesetz die Versicherten der Übergangsgeneration mindestens Anspruch auf die Altersleistungen nach diesem Gesetz haben. Im Gegenteil spricht dies dafür, dass bei einem teilweisen Kapitalbezug die Rente und das Kapital unter die Besitzstandsgarantie fallen. Mit Altersleistungen sind begrifflich Altersrente und/oder Kapitalabfindung gemeint (vorne E. 5.3). 5.5 Die Besitzstandsgarantie nach Art. 25 Satz 1 PUBLICA-Gesetz gilt somit nicht nur und so weit, als eine Altersrente bezogen wird, sondern kommt auch bei einem teilweisen Kapitalbezug im Rahmen von Art. 35 Abs. 1 PKBV 1 zum Tragen. 6. 6.1 Gemäss Art. 25 Satz 2 PUBLICA-Gesetz ist der in Satz 1 garantierte Anspruch bei freiwilliger vorzeitiger Pensionierung vor dem vollendeten 62. Altersjahr versicherungsmathematisch zu kürzen. Nach welchem Recht und wie die Kürzung vorzunehmen ist, wird nicht gesagt. 6.1.1 Nach Auffassung der Vorinstanz hat der Gesetzgeber dadurch, dass er die Kürzung im zweiten Satz besonders geregelt hat, ohne weiteres klargestellt, dass sie gerade nicht Bestandteil des im ersten Satz garantierten Besitzstandes ist, mithin nicht nach altem Recht erfolgt. Da es in dem nach dem Beitragsprimat ausgestalteten Vorsorgereglement (VRAB) systembedingt an einer Kürzungsmöglichkeit fehle, sei daher mit Art. 25 Satz 2 PUBLICA-Gesetz eigens eine (neurechtliche) Grundlage dafür geschaffen worden. 6.1.2 Die Publica weist in ihrer Vernehmlassung (im Verfahren 9C_691/2012) darauf hin, die von ihr vorgenommene versicherungsmathematische Kürzung sei eine Berechnungsmethode, die vom Pensionskassenexperten für den in Art. 25 PUBLICA-Gesetz genannten Fall ausgearbeitet worden sei. 6.1.3 B. vertritt den Standpunkt, die Kürzung sei nach bisherigem Recht, d.h. nach Massgabe von Art. 33 Abs. 4 PBKV 1 vorzunehmen (offengelassen im Urteil 9C_769/2009 vom 9. April 2010 E. 4.2). Nach dieser Bestimmung wird die Altersrente bzw. der Betrag der erworbenen Altersrente im Zeitpunkt der Pensionierung um 0,2 BGE 139 V 234 S. 243 Prozent pro Monat vor Alter 62 gekürzt. Die Berechnungsmethode der Publica führe zu einer überproportionalen Kürzung der garantierten Altersrente bei vorzeitiger Pensionierung vor Alter 62. Sie sei von den Betroffenen auch nicht nachvollziehbar, da die Berechnung des zwischen dem Zeitpunkt der Pensionierung und dem Alter 62 geäufneten Altersguthabens ebenso wie die Diskontierung des Garantiekapitals ein sachfremdes dynamisches Element enthielten (Projektionszinssatz bzw. technischer Zinssatz von 3,5 %, fiktive Lohnerhöhung von 1,5 %). Daraus resultiere eine kleinere Altersrente, was aufgrund der statischen Besitzstandsgarantie im Beitragsprimat umgekehrt sein sollte. Die von der Publica angewendete Methode der versicherungsmathematischen Kürzung nach Art. 25 Satz 2 PUBLICA-Gesetz sei zudem weder den am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten bekannt gewesen noch jemals irgendwo publiziert worden. Sie lasse sich nicht auf eine gesetzliche Grundlage stützen. 6.2 In BGE 139 V 230 hat das Bundesgericht entschieden, dass (auch) die versicherungsmathematische Kürzung des garantierten Anspruchs (von 95 Prozent der nach bisherigem Recht im Alter von 62 Jahren erreichbaren Altersrente) gemäss Art. 25 Satz 2 PUBLICA-Gesetz nach dem bisherigem Recht vorzunehmen ist. Anwendbar ist somit Art. 33 Abs. 4 PBKV 1. Nach dieser bis 30. Juni 2008 in Kraft gestandenen Vorschrift ist die Altersrente bzw. der Betrag der erworbenen Altersrente bei Pensionierung vor dem vollendeten 62. Altersjahr um 0,2 Prozent pro Monat vor Alter 62 zu kürzen. Es kann an dieser Stelle auf die bundesgerichtlichen Ausführungen in BGE 139 V 230 E. 5 verwiesen werden. Es besteht aufgrund der Vorbringen der Parteien kein Anlass zu Ergänzungen oder Präzisierungen.
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75f14678-eb80-4969-bb66-bc9ff6637c84
Erwägungen ab Seite 248 BGE 127 V 248 S. 248 Aus den Erwägungen: 3. Es stellt sich die Frage, ob der Beschwerdeführerin im Rahmen der Ergänzungsleistungsberechnung ein Vermögenswert in Höhe von 67'002 Franken anzurechnen ist. Bei diesem Betrag handelt es sich um die Hälfte der Austrittsleistung von Fr. 134'004.95, welche die Pensionskasse dem in die Türkei ausgereisten Ehemann beim Erreichen des Rentenalters per 30. Juni 1997 ausbezahlt hat. a) Die Vorinstanz vertritt die Auffassung, die vom Ehemann bezogene Kapitalleistung gehöre zu seiner eherechtlichen Errungenschaft, weshalb der Beschwerdeführerin nicht zum Vornherein die Hälfte davon zustehe. Innerhalb der gesetzlichen Schranken könne jeder Ehegatte seine Errungenschaft und sein Eigengut verwalten, BGE 127 V 248 S. 249 nutzen und darüber verfügen. Während der Dauer des Güterstandes habe die Beschwerdeführerin einen anwartschaftlichen Anspruch und im Zeitpunkt der Auflösung stehe ihr eine entsprechende Vorschlagsbeteiligung an den Vermögenswerten ihres Ehegatten zu. Da sich der anwartschaftliche Anspruch in einem entsprechenden Verfahren durchsetzen oder in eine Vorschlagsbeteiligung umwandeln lasse, müsse sich die Versicherte diesen Vermögenswert anrechnen lassen. In masslicher Hinsicht sei im Sinne von Art. 207 ZGB von der Kapitalleistung der beruflichen Vorsorge der Kapitalwert der Rente dem Eigengut des Ehemannes zuzurechnen, während der Beschwerdeführerin eine Vorschlagsteilung am Restbetrag zustehe. Die Rekurskommission wies die Verwaltung an, die anwartschaftliche Vorschlagsberechnung in diesem Sinne vorzunehmen, und hernach über den Anspruch auf Ergänzungsleistungen neu zu befinden. b) Die Beschwerdeführerin bringt dagegen vor, ihr Ehemann habe mit dem Pensionskassengeld in der Türkei eine Eigentumswohnung gekauft und eingerichtet. Seither verfüge er über keine liquiden Mittel mehr, und er sei auf Grund seiner Einkommens- und Vermögenslage weder in der Lage noch gewillt, sie finanziell zu unterstützen. Hinzu komme, dass gestützt auf Art. 10 ELV und die vom Bundesamt für Sozialversicherung herausgegebene Wegleitung über die Ergänzungsleistungen zur AHV und IV (WEL) Einkommen und Vermögen von im Ausland lebenden Ehepartnern bei der Bemessung der Ergänzungsleistung unberücksichtigt zu bleiben hätten. Anzurechnen seien lediglich die familienrechtlichen Unterhaltsleistungen, zu denen der im Ausland lebende Ehegatte verpflichtet sei. 4. a) Zu den nach Art. 3c Abs. 1 ELG anrechenbaren Einnahmen zählt unter anderem ein Fünfzehntel des Reinvermögens, soweit es bei Alleinstehenden 25'000 Franken übersteigt (lit. c). Da die Ergänzungsleistungen die Deckung der laufenden Lebensbedürfnisse bezwecken, gilt der Grundsatz, dass bei der Anspruchsberechnung nur tatsächlich vereinnahmte Einkünfte und vorhandene Vermögenswerte zu berücksichtigen sind, über die der Leistungsansprecher ungeschmälert verfügen kann; vorbehalten bleibt der Tatbestand des Vermögensverzichts ( BGE 122 V 24 Erw. 5a mit Hinweisen; ZAK 1989 S. 329 Erw. 3b). b) Leistungen zu Gunsten von Arbeitnehmern im Zusammenhang mit der beruflichen Vorsorge gehören gemäss Art. 197 Abs. 2 Ziff. 2 ZGB zur Errungenschaft. Ebenso gehören Ersatzanschaffungen für BGE 127 V 248 S. 250 diese Leistungen dazu ( Art. 197 Abs. 2 Ziff. 5 ZGB ). Jeder Ehegatte bleibt grundsätzlich frei, sein Eigentum selber zu verwalten und zu nutzen sowie darüber zu verfügen ( Art. 201 Abs. 1 ZGB ). Vorbehalten bleibt allerdings die Pflicht, an den Unterhalt beizutragen (Art. 163 f. ZGB; HEINZ HAUSHEER, in: Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, ZGB I, N 14 f. zu Art. 201). Der Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung wird mit dem Tod eines Ehegatten oder mit der Vereinbarung eines anderen Güterstandes aufgelöst ( Art. 204 Abs. 1 ZGB ). Bei Scheidung, Trennung, Ungültigerklärung der Ehe oder gerichtlicher Anordnung der Gütertrennung wird die Auflösung des Güterstandes auf den Tag zurückbezogen, an dem das Begehren eingereicht worden ist ( Art. 204 Abs. 2 ZGB ). Errungenschaft und Eigengut jedes Ehegatten werden nach ihrem Bestand im Zeitpunkt der Auflösung des Güterstandes ausgeschieden ( Art. 207 Abs. 1 ZGB ). Wird die Leistung in Form einer (einmaligen) Kapitalabfindung erbracht und enthält diese kapitalisierte Renten, die sich auf die Zeit nach der Auflösung des Güterstandes beziehen, ist dieser Kapitalanteil gemäss Art. 207 Abs. 2 ZGB dem Eigengut anzurechnen (MARLIES NÄF-HOFMANN, Schweizerisches Ehe- und Erbrecht, Zürich 1998, S. 432 f.; HEINZ HAUSHEER, a.a.O., N 12 zu Art. 207). Was vom Gesamtwert der Errungenschaft, einschliesslich der hinzugerechneten Vermögenswerte und der Ersatzforderungen, nach Abzug der auf ihr lastenden Schulden verbleibt, bildet den Vorschlag ( Art. 210 Abs. 1 ZGB ). c) Der Nettowert aller in der Errungenschaft zusammengefassten Vermögenswerte bildet demnach den Vorschlag eines Ehegatten. Im Hinblick auf deren ergänzungsleistungsrechtliche Behandlung stellt sich die Frage der Rechtsnatur dieser Beteiligungsforderung vor Auflösung des Güterstandes. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass die Vorschlagsberechnung erst bei der güterrechtlichen Auseinandersetzung stattfindet, nachdem ein Auflösungsgrund (z.B. Tod, Scheidung oder Vereinbarung eines andern Güterstandes) eingetreten ist. Vor diesem Zeitpunkt hat kein Gatte Anspruch auf eine Beteiligung am Vorschlag des andern. Von einer Vorschlagsbeteiligung kann nur im Sinne einer Anwartschaft in Form einer ungewissen Aussicht auf einen künftigen Rechtserwerb gesprochen werden. Auf Grund der gegenseitigen Beteiligung am Vorschlag mit gesetzlicher Verrechnung ( Art. 215 Abs. 2 ZGB ) steht nicht einmal fest, welchem Ehegatten letztlich eine Beteiligungsforderung zustehen wird. Über die künftige Beteiligungsforderung kann zwar von Todes wegen verfügt werden, hingegen ist sie während der Dauer BGE 127 V 248 S. 251 des Güterstandes weder abtretbar noch verpfändbar; ebensowenig entspricht sie einem Aktivum, das zur Konkursmasse gezogen werden könnte. Ein Anspruch auf vorzeitige Erfüllung der Beteiligungsforderung besteht vor Auflösung des Güterstandes auch dann nicht, wenn ein Ehegatte dringend auf Geld angewiesen ist. Während der Dauer der Errungenschaftsbeteiligung kann ein Ehegatte als eherechtliche Rechtsgrundlage für vermögensrechtliche Forderungen gegenüber dem andern lediglich Art. 163 ff. und Art. 176 ZGB anrufen (HAUSHEER/REUSSER/GEISER, Berner Kommentar, N 17 zu Art. 215 ZGB ; NÄF-HOFMANN, a.a.O., S. 245). d) Im Lichte dieser Darlegungen erweist sich das Vorgehen von EL-Stelle und Vorinstanz als rechtlich nicht zulässig. Kann der Anspruch eines Ehegatten auf die ihm bei der Auflösung des Güterstandes zustehende Vorschlagsbeteiligung vor diesem Zeitpunkt nicht veräussert oder verwertet werden, stellt dieser Anteil keinen Vermögenswert dar, der im Rahmen der Ergänzungsleistungsberechnung zu berücksichtigen wäre. In den Akten weist nichts darauf hin, dass infolge Trennung eine güterrechtliche Auseinandersetzung stattgefunden hätte. In der Anmeldung zum Bezug von Ergänzungsleistungen vom 30. Juli 1998 gab die Beschwerdeführerin ihren Zivilstand mit "verheiratet" an und in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde führt sie aus, ihr Ehemann lebe aus finanziellen Gründen seit Juli 1997 getrennt von der Familie in der Türkei. Da für die Beurteilung die Verhältnisse im Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung massgebend sind ( BGE 121 V 366 Erw. 1b mit Hinweisen), braucht nicht geprüft zu werden, wie im Falle einer gerichtlichen Trennung zu urteilen wäre. Auch eine Prüfung der von der Beschwerdeführerin aufgeworfenen Frage, wonach es Art. 10 ELV im vorliegenden Fall verbiete, Anteile am Vermögen des im Ausland lebenden Ehegatten anzurechnen, erübrigt sich unter diesen Umständen.
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Sachverhalt ab Seite 182 BGE 134 V 182 S. 182 A. S. (geboren 1950) ist seit 1974 mit P. (geboren 8. Februar 1945) verheiratet. Nach der im Jahr 2000 erfolgten Trennung leitete sie am 7. Dezember 2005 die Scheidungsklage ein und beantragte unter anderem die hälftige Teilung des Pensionskassenguthabens ihres Ehemannes. Dieser hatte bis Ende Januar 2002 bei der Firma J. AG gearbeitet. Seine Austrittsleistung liess er auf ein Freizügigkeitskonto der Freizügigkeitsstiftung der UBS AG in Basel überweisen. Am 22. März 2005 ersuchte P. die Freizügigkeitsstiftung der UBS AG, sein Freizügigkeitskonto zu saldieren und ihm sein Guthaben auszubezahlen. Daraufhin gelangte die Rechtsvertreterin seiner Ehefrau mit Schreiben vom 12. April 2005 an die Freizügigkeitsstiftung der UBS AG mit dem Begehren, dem Auszahlungsgesuch nicht zu entsprechen, da die Ehefrau damit nicht einverstanden sei und ihr Ehemann das Pensionsalter noch nicht erreicht habe. Die Freizügigkeitsstiftung der UBS AG stellte sich in der Antwort vom 14. April 2005 auf den Standpunkt, der Ehemann beantrage die Auszahlung des Altersguthabens; da keine Barauszahlung einer Austrittsleistung vorliege, entfalle auch das Zustimmungserfordernis BGE 134 V 182 S. 183 der Ehegattin. Im Antwortschreiben vom 18. April 2005 hielt die Rechtsvertreterin der Ehegattin daran fest, dass der Ehemann noch nicht pensioniert sei und deshalb das Freizügigkeitskonto im heutigen Zeitpunkt nicht aufgelöst werden könne. Am 19. April 2005 erwirkte sie eine superprovisorische Verfügung des Bezirksgerichts Liestal, worin die Freizügigkeitsstiftung der UBS AG angewiesen wurde, dem Ehemann das Altersguthaben auf dem Freizügigkeitskonto nicht auszubezahlen, bzw. das entsprechende Konto mit einer Sperre zu belegen. Gleichentags teilte die Freizügigkeitsstiftung der UBS AG dem Bezirksgericht Liestal mit, dass das Freizügigkeitskonto per 5. April 2005 wegen Erreichen des Terminalters aufgehoben und das Guthaben von Fr. 434'077.10 (davon Fr. 137'143.90 BVG-Leistungen) dem Ehemann auf ein ungebundenes Konto überwiesen worden sei. B. Am 17. Februar 2006 liess S. gegen die Freizügigkeitsstiftung der UBS AG Klage beim Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt einreichen mit dem Antrag, es sei festzustellen, dass die Barauszahlung des Pensionskassenguthabens an ihren Ehemann zu Unrecht erfolgt sei. Mit Entscheid vom 11. Januar 2007 wies das Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt die Klage ab unter Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung. C. S. lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Antrag, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides sei festzustellen, dass die Auszahlung der Altersleistung an ihren Ehemann ohne ihre schriftliche Zustimmung Bundesrecht verletze. Ferner sei ihr die unentgeltliche Prozessführung und Verbeiständung zu gewähren. Die Freizügigkeitsstiftung der UBS AG lässt Abweisung der Beschwerde beantragen. Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) schliesst sich den Argumenten der Vorinstanz an. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. 2.1 Nach Art. 37 Abs. 2 BVG (SR 831.40; in der Fassung gemäss Ziff. I des Bundesgesetzes vom 3. Oktober 2003 [1. BVG-Revision], in Kraft seit 1. Januar 2005) kann der Versicherte verlangen, dass ihm ein Viertel seines Altersguthabens, das für die Berechnung der tatsächlich bezogenen Altersleistungen ( Art. 13 BVG ) massgebend BGE 134 V 182 S. 184 ist, als einmalige Kapitalabfindung ausgerichtet wird. Die Vorsorgeeinrichtung kann in ihrem Reglement vorsehen, dass die Anspruchsberechtigten eine Kapitalabfindung an Stelle einer Alters-, Hinterlassenen- oder Invalidenrente wählen können (Abs. 4 lit. a). Ist der Versicherte verheiratet oder lebt er in eingetragener Partnerschaft, so ist die Auszahlung der Kapitalabfindung nach den Absätzen 2 und 4 nur zulässig, wenn der Ehegatte, die eingetragene Partnerin oder der eingetragene Partner schriftlich zustimmt. Kann er die Zustimmung nicht einholen oder wird sie ihm verweigert, so kann er das Gericht anrufen ( Art. 37 Abs. 5 BVG ). 2.2 Nach Art. 16 Abs. 1 der Verordnung über die Freizügigkeit in der beruflichen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (FZV; SR 831.425) mit der Marginalie "Auszahlung der Altersleistungen" dürfen Altersleistungen von Freizügigkeitspolicen und Freizügigkeitskonten frühestens fünf Jahre vor und spätestens fünf Jahre nach Erreichen des Rentenalters nach Art. 13 Abs. 1 BVG ausbezahlt werden. 3. 3.1 Der Ehemann der Beschwerdeführerin war bis Ende Januar 2002 als Unselbstständigerwerbender angestellt und im Rahmen der beruflichen Vorsorge versichert. Anschliessend war er arbeitslos. Am 8. Februar 2005 hat er sein 60. Altersjahr zurückgelegt und ab diesem Zeitpunkt die für eine Auszahlung des Altersguthabens erforderliche Alterslimite erreicht. Am 5. April 2005 überwies ihm die Beschwerdegegnerin das Altersguthaben. Wie das kantonale Gericht zutreffend festgehalten hat, handelt es sich dabei um eine Auszahlung von Altersleistungen im Sinne von Art. 16 Abs. 1 FZV und Ziff. 8 des Reglements, nicht jedoch um eine Barauszahlung gemäss Art. 5 Abs. 1 FZG (SR 831.42). Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts hat im Urteil 7B.22/2005 vom 21. April 2005 entschieden, Art. 16 FZV betreffe die Auszahlung der Altersleistungen und setze - anders als Art. 5 FZG (in Verbindung mit Art. 14 FZV ) für die dort geregelten Barauszahlungen - nach dem Wortlaut keine Zustimmung des Ehegatten voraus. Im Weiteren liege nach der Lehre keine gesetzliche Lücke vor, wenn die Zustimmung des Ehegatten gemäss Art. 5 Abs. 2 FZG nur für die Barauszahlungsbegehren nach Art. 5 Abs. 1 FZG , nicht aber für die Auszahlung von Altersleistungen in Form von Kapital anstelle einer Rente nötig sei (Hinweis auf SUZETTE SANDOZ, Prévoyance professionnelle et consentement du conjoint à propos de BGE 134 V 182 S. 185 l' ATF 125 V 165, in: SJ 2000 II S. 456, 462 und 464). Das Bundesgericht hat im erwähnten Entscheid vom 21. April 2005 die Frage offengelassen, wie sich die Rechtslage aufgrund des mit der 1. BVG-Revision neu geschaffenen Art. 37 Abs. 5 BVG verhält. 3.2 Das kantonale Gericht hat das Erfordernis der Zustimmung des Ehegatten für die Auszahlung von Altersleistungen nach Art. 16 FZV verneint. Art. 16 FZV sehe als einzige Voraussetzung der Auszahlung das Erreichen der Mindestaltersgrenze vor. Art. 5 Abs. 2 FZG sei nicht anwendbar, weil er sich dem Wortlaut nach nur auf Barauszahlungen von Freizügigkeitsleistungen, nicht aber auf Altersleistungen beziehe. Eine direkte Anwendbarkeit von Art. 37 Abs. 5 BVG komme nicht in Betracht, da es sich nicht um einen Vorsorgefall, sondern um Leistungen im Sinne des FZG handle. Eine vom Gericht zu schliessende Gesetzeslücke liege nicht vor. Nach Auffassung der Beschwerdeführerin ist die Zustimmung des Ehegatten im Rahmen von Art. 16 FZV analog zu Art. 37 Abs. 5 BVG unverzichtbar. Mit der Einführung dieser Bestimmung im BVG anlässlich der ersten Gesetzesrevision vom 3. Oktober 2003 sei ein unumstösslicher Grundsatz in der beruflichen Vorsorge geschaffen worden, wonach die schriftliche Zustimmung des Ehegatten für alle Kapitalauszahlungen von Vorsorgeleistungen erforderlich sei. Da Art. 16 FZV bei der Gesetzesrevision unverändert geblieben sei, liege eine vom Gericht zu schliessende Gesetzeslücke vor, zumal die Verordnungsbestimmung dem Gesetz nicht widersprechen dürfe. Schliesslich habe die Vorinstanz willkürlich entschieden, weil es den für alle Kapitalauszahlungen geltenden allgemeinen Grundsatz der beruflichen Vorsorge missachtet habe. 4. 4.1 Eine Lücke im Gesetz besteht, wenn sich eine Regelung als unvollständig erweist, weil sie jede Antwort auf die sich stellende Rechtsfrage schuldig bleibt oder eine Antwort gibt, die aber als sachlich unhaltbar angesehen werden muss. Hat der Gesetzgeber eine Rechtsfrage nicht übersehen, sondern stillschweigend - im negativen Sinn - mitentschieden (qualifiziertes Schweigen), bleibt kein Raum für richterliche Lückenfüllung ( BGE 132 III 470 E. 5.1 S. 478; BGE 130 V 229 E. 2.3 S. 233; vgl. BGE 131 II 562 E. 3.5 S. 567 f.). 4.2 Dem am 1. Januar 1985 in Kraft getretenen Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG) BGE 134 V 182 S. 186 war das Erfordernis der schriftlichen Zustimmung des Ehegatten zunächst fremd. Weder bei reglementarisch vorgesehener Möglichkeit der Kapitalabfindung anstelle einer Alters- oder Invalidenrente ( Art. 37 Abs. 3 BVG ), bei Kapitalbezug zum Erwerb von Wohneigentum oder zur Amortisation von Hypothekardarlehen ( Art. 37 Abs. 4 BVG ) noch bei Barauszahlung der Freizügigkeitsleistung ( Art. 30 BVG ) war die Zustimmung des Ehegatten erforderlich. Mit Wirkung ab 1. Januar 1995 wurde im Zusammenhang mit dem Vorbezug und der Verpfändung für Wohneigentum ( Art. 30c Abs. 5 BVG ; Art. 331d Abs. 5 OR ) und für die Barauszahlung der Austrittsleistung bei verheirateten Anspruchsberechtigten die schriftliche Zustimmung des Ehegatten ( Art. 5 Abs. 2 FZG ) erstmals im Rahmen der beruflichen Vorsorge im Gesetz verankert. Dieses Zustimmungserfordernis wurde der Bürgschaft ( Art. 494 Abs. 1 OR ), dem Abzahlungsvertrag ( Art. 226b Abs. 1 und 3 OR ) und dem Mietrecht ( Art. 266m OR ) nachgebildet (Botschaft des Bundesrates vom 26. Februar 1992 zu einem Bundesgesetz über die Freizügigkeit in der beruflichen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge, BBl 1992 III 576; BGE 130 V 103 E. 2.2 S. 107; vgl. nunmehr auch Art. 169 ZGB ). Anlässlich der 1. BVG-Revision vom 3. Oktober 2003 wurde das schriftliche Zustimmungserfordernis auch für die teilweise oder volle Kapitalabfindung anstelle einer Alters- oder Invalidenrente eingeführt (vgl. bundesrätliche Botschaft vom 1. März 2000, BBl 2000 S. 2694), allerdings unter Ausklammerung der Kapitalabfindung gemäss Art. 37 Abs. 3 BVG . Hingegen unterblieb eine Aufnahme des Art. 37 Abs. 5 BVG in den Katalog von Art. 49 Abs. 2 BVG und von Art. 89 bis Abs. 6 ZGB für den Bereich der weitergehenden Vorsorge. Im Bereich anerkannter Vorsorgeformen im Sinne von Art. 82 BVG ist eine schriftliche Zustimmung des Ehegatten oder bei eingetragener Partnerschaft gemäss Art. 3 der Verordnung vom 13. November 1985 über die steuerliche Abzugsberechtigung für Beiträge an anerkannte Vorsorgeformen (BVV 3; SR 831.461.3) lediglich in den Fällen nach den Absätzen 2 lit. c und d sowie 3 erforderlich, nicht hingegen bei Ausrichtung der Altersleistungen nach Abs. 1 (dazu auch die Mitteilungen des BSV über die Berufliche Vorsorge Nr. 95 vom 22. November 2006, Rz. 562). 4.3 Die aufgeführte schrittweise Einführung des schriftlichen Zustimmungserfordernisses durch den Gesetz- und Verordnungsgeber zeigt deutlich, dass es sich nicht um eine vom Gericht zu BGE 134 V 182 S. 187 füllende Lücke im Gesetz handelt. Der Gesetzgeber hat anlässlich der 1. BVG-Revision vom 3. Oktober 2003 kein allgemeines Erfordernis der schriftlichen Zustimmung eingeführt. Er unterstellte nicht nur im Bereich der obligatorischen beruflichen Vorsorge nicht sämtliche Kapitalabfindungen dem Zustimmungserfordernis, sondern er sah davon namentlich in Bezug auf die Alters- und Invalidenleistungen für den Bereich der weitergehenden Vorsorge (vgl. Art. 49 Abs. 2 BVG und Art. 89 bis Abs. 6 ZGB ) und des FZG ab (vgl. Art. 5 Abs. 2 FZG , Art. 16 FZV ). Art. 37 Abs. 5 BVG selbst macht im Bereich der obligatorischen Vorsorge für die Kapitalabfindungen nach Art. 37 Abs. 3 BVG eine Ausnahme vom Zustimmungserfordernis im Unterschied zu Art. 5 Abs. 2 FZG , der auch für geringfügige Austrittsleistungen ( Art. 5 Abs. 1 lit. c FZG ) die Zustimmung des Ehegatten verlangt (vgl. hiezu auch ALAIN SIEGFRIED/SUAT SERT, Das Erfordernis der Zustimmung zur Auszahlung von Vorsorgeleistungen aus der beruflichen Vorsorge und der Säule 3a, in: HAVE 2008 S. 11 f.). Im Bereich der weitergehenden Vorsorge gilt der Grundsatz der Autonomie der Einrichtungen der beruflichen Vorsorge ( Art. 49 Abs. 1 BVG und Art. 89 bis Abs. 6 ZGB ). Während zunächst im Leistungsbereich keine Vorschriften des BVG für die weitergehende Vorsorge Gültigkeit hatten, sind seit der 1. BVG- Revision vom 3. Oktober 2003 die Mindestbestimmungen über die Begünstigten bei Hinterlassenenleistungen (Art. 20a), die Rückerstattung zu Unrecht bezogener Leistungen (Art. 35a), die Anpassung an die Preisentwicklung (Art. 36 Abs. 2-4) und über die Verjährung von Ansprüchen und die Aufbewahrung von Vorsorgeunterlagen (Art. 41) von den Einrichtungen der beruflichen Vorsorge zu beachten ( Art. 49 Abs. 2 BVG und Art. 89 bis Abs. 6 ZGB ). Das schriftliche Zustimmungserfordernis nach Art. 37 Abs. 5 BVG wurde in den Katalog nicht aufgenommen. Dabei handelt es sich nicht um ein gesetzgeberisches Versehen. Dies macht schon Art. 37 Abs. 5 BVG deutlich, der die Kapitalauszahlung bei Geringfügigkeit der Rentenleistung nach Art. 37 Abs. 3 BVG nicht dem Zustimmungserfordernis unterstellt. In den Materialien finden sich auch keine Anhaltspunkte, dass der Gesetzgeber das Zustimmungserfordernis übersehen hat, sondern er hat es durch qualifiziertes Schweigen nicht auf sämtliche möglichen Tatbestände der Kapitalauszahlungen ausgedehnt. Er hat auch im Zuge der 1. BVG-Revision das für die Freizügigkeitskonti massgebende FZG, namentlich Art. 5 FZG nicht geändert noch in Art. 37 BVG den BGE 134 V 182 S. 188 Geltungsbereich analog zu Art. 30a BVG auf die Einrichtungen der beruflichen Vorsorge im Sinne von Art. 1 FZG erstreckt. So verzichtet beispielsweise das vom Bundesrat am 27. Oktober 2004 genehmigte, auf den 1. Januar 2005 in Kraft getretene Reglement der Stiftung Auffangeinrichtung BVG über die Führung der Freizügigkeitskonten vom 17. August 2004 in Art. 4 Abs. 6 für die Auszahlung der Altersleistungen ebenfalls auf die Zustimmungsbedingung. Im Schrifttum wird denn auch die Auffassung vertreten, die schriftliche Zustimmung für die Auszahlung der Altersleistungen sei nur für den Bereich des Obligatoriums gesetzlich vorgesehen, im Bereich der weitergehenden Vorsorge bedürfe es einer reglementarischen Grundlage (HANS MICHAEL RIEMER/GABRIELA RIEMER-KAFKA, Das Recht der beruflichen Vorsorge in der Schweiz, 2. Aufl. 2006, Rz. 12 zu § 7; SIEGFRIED/SERT, a.a.O., S. 12). 4.4 Da der Gesetz- und Verordnungsgeber - wie dargelegt (E. 4.3) - anlässlich der 1. BVG-Revision namentlich im Bereich des FZG und der FZV keine Änderungen vorgenommen hat, fehlt es an einer rechtlichen Grundlage für eine Zustimmungsbedingung. Beim Freizügigkeitskonto des Ehemannes der Beschwerdeführerin handelt es sich nicht um Leistungen, die unter das BVG fallen, da er mit dem Verlust der Arbeitsstelle per Ende Januar 2002 aus der obligatorischen beruflichen Vorsorge nach BVG ausgeschieden ist. Ziff. 8 des Reglements der Beschwerdegegnerin enthält das Zustimmungserfordernis ebenfalls nicht. Kommt hinzu, dass der Ehemann der Beschwerdeführerin nach dem Reglement der Beschwerdegegnerin seine Altersleistungen - wie dies bei Freizügigkeitskonti normiert ist ( Art. 16 Abs. 1 FZV ) - lediglich in Kapitalform beziehen kann und damit hinsichtlich der Form der Leistungen gar kein Wahlrecht hatte. Sein Wahlrecht bezog sich lediglich auf den Zeitpunkt der Beanspruchung der Altersleistungen. Zwar mag die gesetzliche Regelung als unbefriedigend empfunden werden. Die Ausdehnung des Zustimmungserfordernisses auf sämtliche Fälle der in Kapitalform ausgerichteten Leistungen der beruflichen Vorsorge ist indessen nur de lege ferenda möglich (vgl. auch SIEGFRIED/SERT, a.a.O., S. 18). Die Auszahlung der Altersleistung durch die Beschwerdegegnerin ist demzufolge weder gesetzes- noch verordnungswidrig. Der angefochtene Entscheid der Vorinstanz ist bundesrechtskonform.
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Sachverhalt ab Seite 471 BGE 132 III 470 S. 471 A. Am 25. Mai 2005 beschlossen die Verwaltungsräte der Schweizerischen Bundesbahnen SBB (nachstehend: SBB oder Beschwerdeführerin) und der Wasserkraftwerk Etzelwerk AG (EWAG), eine 100%-ige Tochtergesellschaft der SBB, die EWAG gemäss Art. 23 Abs. 1 FusG mittels Absorptionsfusion in die SBB zu integrieren. Am 16. Juni 2005 meldete die SBB die Fusion mit der EWAG beim Handelsregisteramt Bern-Mittelland zur Eintragung an. Dieses trug die eingereichte Anmeldung am 17. Juni 2005 unter der Nr. 2831 in das Tagebuch ein. Das Eidgenössische Amt für das Handelsregister (EHRA) suspendierte jedoch diese Eintragung. Daraufhin ersuchte die Beschwerdeführerin das EHRA um Genehmigung der Eintragung und für den Fall der Abweisung um Erlass einer beschwerdefähigen Verfügung. B. Mit Verfügung vom 23. Dezember 2005 verweigerte das EHRA der Tagebucheintragung Nr. 2831 des Handelsregisteramtes Bern-Mittelland vom 17. Juni 2005 die Genehmigung. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, die SBB sei ein Institut des öffentlichen Rechts im Sinne von Art. 2 lit. d Fusionsgesetz und falle somit in den Anwendungsbereich von Art. 99 ff. des genannten Erlasses. Gemäss diesen Bestimmungen sei die Absorptionsfusion einer Aktiengesellschaft des Privatrechts durch ein Institut des öffentlichen Rechts nicht zulässig und demnach nicht eintragungsfähig. BGE 132 III 470 S. 472 C. Die Beschwerdeführerin beantragt dem Bundesgericht mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde, die Verfügung des EHRA vom 23. Dezember 2005 aufzuheben. Das EHRA sei anzuweisen, die Eintragung der Fusion zwischen den Schweizerischen Bundesbahnen SBB und der Etzelwerk AG in das Handelsregister Bern-Mittelland (Tagebuch-Nr. 2831) zu genehmigen. Das EHRA schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Weiter rügt die Beschwerdeführerin, das EHRA habe zu Unrecht angenommen, sie sei ein "Institut des öffentlichen Rechts" im Sinn von Art. 2 lit. d des Bundesgesetzes vom 3. Oktober 2003 über Fusion, Spaltung, Umwandlung und Vermögensübertragung (Fusionsgesetz, FusG; SR 221.301) und nicht eine "Kapitalgesellschaft" im Sinn von Art. 2 lit. c FusG , womit es die genannten Bestimmungen verletzt habe. 3.1 Das Fusionsgesetz als privatrechtlicher Erlass regelt Strukturanpassungstatbestände bei Instituten des öffentlichen Rechts nicht umfassend, sondern legt die privatrechtlichen Voraussetzungen fest, unter denen Institute des öffentlichen Rechts mit privatrechtlichen Rechtsträgern fusionieren, sich in privatrechtliche Rechtsträger umwandeln oder sich an Vermögensübertragungen beteiligen können ( Art. 1 Abs. 3 FusG ; THOMAS WEIBEL, Zürcher Kommentar, N. 13 zu Art. 2 FusG ). Diese Voraussetzungen regeln die Art. 99 bis 101 FusG. Für den Fall, dass dem Institut des öffentlichen Rechts - wie in casu - die Rolle des übernehmenden Rechtsträgers zukommt, sieht Art. 99 Abs. 2 FusG einzig die Übernahme des Vermögens von anderen Rechtsträgern oder Teilen davon vor. Die Übernahme einer privatrechtlichen Gesellschaft durch Absorptionsfusion - wie sie im vorliegenden Fall zur Diskussion steht - ist hingegen nicht vorgesehen. Von daher ist zu prüfen, ob die Beschwerdeführerin als "Institut des öffentlichen Rechts" zu gelten hat. 3.2 Nach der Legaldefinition von Art. 2 lit. c FusG gelten als "Kapitalgesellschaften" Aktiengesellschaften, Kommanditaktiengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung. Nach lit. d gelten als "Institute des öffentlichen Rechts" im Handelsregister eingetragene, organisatorisch verselbständigte Einrichtungen des öffentlichen Rechts des Bundes, der Kantone und der Gemeinden, unabhängig davon, ob sie als juristische Person ausgestaltet sind oder nicht. BGE 132 III 470 S. 473 Die bundesrätliche Botschaft vom 13. Juni 2000 zum Fusionsgesetz (BBl 2000 S. 4337 ff., 4389) führt zu Art. 2 lit. d FusG aus: "Da weder das Gesetz noch die Lehre eine einheitliche Terminologie für die Rechtsformen des öffentlichen Rechts verwendet, muss das Fusionsgesetz bestimmen, welche von ihnen von seinem Geltungsbereich erfasst sind. Die Legaldefinition in Buchstabe d wurde absichtlich sehr weit gehalten. Sie umfasst die Gesamtheit der Institute des öffentlichen Rechts des Bundes, der Kantone und der Gemeinden, unabhängig davon ob es sich um eine Personenvereinigung (Körperschaft) oder um ein Zweckvermögen (Anstalt) handelt." Diese Ausführungen bringen klar zum Ausdruck, dass von einer sehr weit gefassten Begriffsbestimmung des Instituts des öffentlichen Rechts auszugehen ist. Dies wird auch in der Literatur bestätigt, wo dargelegt wird, die Legaldefinition sei breit gehalten und umfasse die Gesamtheit der öffentlich-rechtlichen Einrichtungen des Bundes, der Kantone und der Gemeinden, vorausgesetzt, dass sie im Handelsregister eingetragen und organisatorisch verselbständigt sind (LUKAS MORSCHER, Basler Kommentar, N. 14 zu Art. 2 FusG ; RETO T. SCHUMACHER, Die Vermögensübertragung nach dem Fusionsgesetz, Zürich/Basel/Genf 2005, S. 220; LUKAS GLANZMANN, Umstrukturierungen, Bern 2006, S. 10). Entscheidendes Kriterium ist die organisatorische Verselbständigung und damit verbunden die Eintragung im Handelsregister (ROLAND VON BÜREN, Fusion, Umwandlung und Vermögensübertragung unter Beteiligung von Instituten des öffentlichen Rechts, SZW 2004 S. 178). Die genannten Voraussetzungen (Eintragung im Handelsregister, organisatorische Verselbständigung) sind bei der Beschwerdeführerin zweifelsohne erfüllt. 3.3 Die Beschwerdeführerin bestreitet jedoch die öffentlich-rechtliche Natur ihrer Rechtsform. Nach Art. 2 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 20. März 1998 über die Schweizerischen Bundesbahnen (SBBG; SR 742.31) ist die Beschwerdeführerin eine "spezialgesetzliche Aktiengesellschaft". Diese Rechtsform kann nicht einfach mit derjenigen der privatrechtlichen Aktiengesellschaft gleichgesetzt werden, auch wenn die Regelung ihrer Organisation an jene der privatrechtlichen Aktiengesellschaft angelehnt ist. Als spezialgesetzliche Aktiengesellschaft beruht die Beschwerdeführerin auf einer öffentlich-rechtlichen Rechtsgrundlage und erhält ihre Rechtspersönlichkeit kraft Gesetzes ( Art. 25 SBBG ). Das SBBG regelt die Errichtung, den Zweck BGE 132 III 470 S. 474 und die Organisation der SBB ( Art. 1 SBBG ). Ihre Kernaufgabe beschlägt Dienstleistungen im öffentlichen Verkehr ( Art. 3 Abs. 1 SBBG ). Sie ist mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betraut ( BGE 126 II 54 E. 8 S. 62). Der Bund hält grundsätzlich das Aktienkapital ( Art. 7 SBBG ) und übt über die Festlegung der Leistungsvereinbarung und des Zahlungsrahmens ( Art. 8 SBBG ) massgebenden Einfluss aus. Das Personal ist grundsätzlich öffentlich-rechtlich angestellt ( Art. 15 SBBG ). Auch geniesst die Beschwerdeführerin in gewissem Ausmass Steuerbefreiung ( Art. 21 SBBG ). Dass sie grundsätzlich der Bundessteuer unterworfen ist, berücksichtigt, dass sie teilweise in Konkurrenz zu anderen konzessionierten Transportunternehmen am Markt teilnimmt (vgl. dazu BGE 130 I 96 E. 3.4 S. 101 ff.), was aber nicht heisst, dass sie deswegen als privatrechtlicher Rechtsträger zu betrachten ist. Die Befugnis zum Abschluss privatrechtlicher Verträge (namentlich im Transportbereich) berührt das rechtsgeschäftliche Handeln der Beschwerdeführerin, hebt aber die öffentlich-rechtliche Prägung ihrer Rechtsform nicht auf. Ebenso wenig ändert der Verweis auf die sinngemässe Geltung der Vorschriften des OR über die Aktiengesellschaft ( Art. 22 Abs. 1 SBBG ) etwas an der öffentlich-rechtlichen Natur der SBB. Aufgrund dieses Verweises sind die entsprechenden Bestimmungen des OR bloss als subsidiäres eidgenössisches öffentliches Recht anzuwenden (VON BÜREN, a.a.O., S. 180; MEIER-HAYOZ/FORSTMOSER, Schweizerisches Gesellschaftsrecht, 9. Aufl., Bern 2004, S. 11 Rz. 27; MARTIN WERNLI, Basler Kommentar, N. 6 zu Art. 762 OR ; STEFAN VOGEL, Der Staat als Marktteilnehmer, Diss. Zürich 2000, S. 54; vgl. auch BGE 83 II 353 S. 356). Das SBBG stellt wichtige Sondervorschriften auf, die von der Regelung nach Art. 620 ff. OR abweichen und namentlich die Befugnisse der Organe betreffen (vgl. insbesondere Art. 6: Bundesrat, nicht GV [Art. 626 Ziff. 3 und 4 und Art. 698 Abs. 2 Ziff. 1 OR ], bestimmt die Höhe des Aktienkapitals sowie Art, Nennwert und Anzahl der Beteiligungspapiere; Art. 7 Abs. 2: Bundesrat, nicht GV [ Art. 650 Abs. 2 Ziff. 8, Art. 704 Abs. 1 Ziff. 6 OR ], beschliesst über Zeichnung von Aktien durch Dritte; Art. 17 f.: Bundesrat, nicht GV [ Art. 698 Abs. 2 Ziff. 4 OR ], genehmigt Rechnung und regelt die Gewinnverwendung; Art. 19: Das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation [UVEK] erlässt Ausführungsvorschriften über die BGE 132 III 470 S. 475 Rechnungslegung). Entgegen der Beschwerdeführerin kann daher nicht gesagt werden, die SBB unterstehe praktisch vollständig dem Recht der privatrechtlichen Aktiengesellschaft, und die Abweichungen seien nur geringfügig. Wie das EHRA zutreffend ausführt, hat sich der Gesetzgeber bewusst für die Rechtsform einer spezialgesetzlichen Aktiengesellschaft des öffentlichen Rechts entschieden. Er hat die Organisation der Beschwerdeführerin als privatrechtliche Aktiengesellschaft im Sinne von Art. 620 ff. OR in Betracht gezogen, jedoch ausdrücklich verworfen (Botschaft des Bundesrates vom 13. November 1996 zur Bahnreform, BBl 1997 I 909 ff., S. 944). Die gewählte Rechtsform wird vielmehr klar dem öffentlichen Recht zugeordnet (Botschaft, a.a.O., S. 944 und 958). Der französische Wortlaut von Art. 2 SBBG bezeichnet die SBB ausdrücklich als "société anonyme de droit public". In diesem Lichte ist - entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin - klar, dass Art. 2 Abs. 2 SBBG , wonach "die Aktiengesellschaft" im Handelsregister eingetragen wird, lediglich eine verkürzte Bezeichnung verwendet, nicht aber die Konstituierung der Beschwerdeführerin als privatrechtliche Aktiengesellschaft festlegen will. Das Bundesgericht betrachtete die SBB als eine "mit öffentlichrechtlichen Aufgaben betraute Organisation" im Sinne von Art. 159 Abs. 2 OG ( BGE 126 II 54 E. 8 S. 62). Auch die Lehre spricht sich überwiegend für die öffentlich-rechtliche Rechtsnatur der Beschwerdeführerin aus (VON BÜREN, a.a.O., S. 180 Fn. 22; ROLF WEBER/JUDITH BISCHOF, Umstrukturierung und Privatisierung von Instituten des öffentlichen Rechts, Zürich/Basel/ Genf 2002, S. 39; MEIER-HAYOZ/FORSTMOSER, a.a.O., S. 10; WAGNER PFEIFER/GELZER, Zürcher Kommentar, N. 7 Bem. vor Art. 99-101 FusG ; STEFAN VOGEL, Die spezialgesetzliche Aktiengesellschaft, ZBl 104/2003 S. 418 ff., 420; derselbe , Diss., a.a.O., S. 53 f. m.w.H.; vgl. auch TSCHANNEN/ZIMMERLI, Allgemeines Verwaltungsrecht, 2. Aufl., Bern 2005, S. 70; KUSTER, Basler Kommentar, N. 12 zu Art. 99 FusG und VOGEL/HEIZ/BEHNISCH, Fusionsgesetz, Kommentar, Zürich 2005, N. 6 zu Art. 99 FusG . Demgegenüber versteht BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, 3. Aufl., Zürich 2004, S. 35, Rz. 59, die Organisationsform der spezialgesetzlichen Aktiengesellschaft als "essenziell privatrechtlich", wobei er konkret für die SBB durchaus auf die Abweichungen von der Regelung des OR hinweist [S. 38 Rz. 68]). BGE 132 III 470 S. 476 Das EHRA hat daher Art. 2 lit. c und d FusG nicht verletzt, indem es die Beschwerdeführerin als Institut des öffentlichen Rechts qualifizierte. Die Beschwerdeführerin fällt nach dem Ausgeführten klar unter den weit gefassten Begriff desselben. Wie das EHRA in der angefochtenen Verfügung zutreffend ausführt, ergibt sich sodann schon daraus, dass die Botschaft zum Fusionsgesetz (a.a.O., S. 4389, Fn. 38) bei der Erläuterung des Begriffs der Kapitalgesellschaft im Sinne von Art. 2 lit. c FusG ausschliesslich auf privatrechtliche Literatur verweist, dass nur privatrechtliche Aktiengesellschaften unter diesen Begriff fallen, nicht dagegen spezialgesetzliche Aktiengesellschaften des öffentlichen Rechts. Die beliebig einzelfallbezogene Ausgestaltung von solchen Gesellschaften lässt deren Gleichsetzung mit privatrechtlichen Aktiengesellschaften nicht zu. Dies widerspräche der Grundordnung der privatrechtlichen Gesellschaftsformen, die auf einem Numerus clausus der Formen und den Grundsätzen des Formenzwangs und der Formenfixierung beruht (vgl. MEIER-HAYOZ/FORSTMOSER, a.a.O., S. 277). 4. Eventualiter - für den Fall, dass die Beschwerdeführerin als Institut des öffentlichen Rechts qualifiziert werde - rügt sie eine Verletzung von Art. 22 Abs. 1 SBBG . Diese Bestimmung verweise auf die Vorschriften des OR, namentlich jene über die Aktiengesellschaft. Zu diesen Vorschriften hätten zur Zeit des Inkrafttretens des SBBG auch die damaligen Art. 748 und 749 aOR gezählt. Bei Art. 22 Abs. 1 SBBG handle es sich um eine dynamische, nicht um eine statische Verweisung. Werde eine Bestimmung, die im OR über das Aktienrecht aufgestellt war, durch eine neue Bestimmung über dieselbe Materie ersetzt, so solle diese - und nicht die inzwischen aufgehobene - angewendet werden. Nachdem die einschlägigen Bestimmungen zur Fusion (Art. 748 f. aOR) gestrichen und durch die entsprechenden Bestimmungen des FusG ersetzt worden seien, seien folglich nunmehr die entsprechenden neuen Bestimmungen auf die Fusion der SBB anzuwenden. Dies seien die Art. 3 ff. FusG und nicht etwa die Art. 99 ff. FusG , denn die Verweisung in Art. 22 Abs. 1 SBBG betreffe nicht das Fusionsgesetz als Ganzes, sondern ausschliesslich jene Normen des Fusionsgesetzes, welche die Fusion von Aktiengesellschaften regelten und damit in der Nachfolge der Art. 748 ff. aOR stünden. Damit werde die Zulässigkeit der vorliegend streitigen Fusion durch Art. 3 Abs. 1 lit. a FusG geregelt, der in der direkten Nachfolge von Art. 748 aOR stehe. Der Gesetzgeber habe nicht die bisher bestehenden Fusionsmöglichkeiten der SBB BGE 132 III 470 S. 477 beschneiden wollen, ansonsten er dies im FusG oder durch eine Änderung des SBBG hätte zum Ausdruck bringen müssen. 4.1 Nach Art. 22 Abs. 1 SBBG gelten für die SBB sinngemäss die Vorschriften des Obligationenrechts über die Aktiengesellschaft, soweit das SBBG keine abweichenden Bestimmungen vorsieht. Mit einer Verweisung verzichtet der an sich zuständige Rechtsetzer auf eine eigene Regelung unter Bezugnahme auf eine andere, bereits bestehende Norm. Während bei der statischen (oder starren) Verweisung auf eine bestimmte Fassung der Verweisregelung verwiesen wird, kommt bei der dynamischen Verweisung die jeweils geltende Fassung der Verweisregelung zur Anwendung (vgl. Bundesamt für Justiz, Gesetzgebungsleitfaden, 2. Aufl., Bern 2002, S. 347 f.). Wie die Beschwerdeführerin zutreffend ausführt, handelt es sich bei Art. 22 Abs. 1 SBBG um eine dynamische Verweisung. Es wird ergänzend auf die Regeln des Obligationenrechts über die Aktiengesellschaft in deren jeweils geltenden Fassung verwiesen. 4.2 Im Zeitpunkt des Inkrafttretens des SBBG am 1. Januar 1999 (AS 1998 S. 2853) galten die Art. 748 f. aOR, welche die Fusion einer Aktiengesellschaft mit einer anderen Aktiengesellschaft erlaubten. Spezielle Vorschriften für Institute des öffentlichen Rechts bestanden nicht. Kraft der Verweisung von Art. 22 Abs. 1 SBBG konnte die Beschwerdeführerin somit gestützt auf Art. 748 f. aOR insbesondere andere Aktiengesellschaften im Verfahren der Fusion absorbieren, was sie - wie die Beschwerdeführerin ausführt - im Jahre 2003 mit der Absorption der BLI Bahnhof Luzern Immobilien AG auch getan hat. Mit dem Inkrafttreten des Fusionsgesetzes am 1. Juli 2004 (AS 2004 S. 2617, S. 2654) wurden die Art. 748 f. aOR aufgehoben. Damit läuft die Verweisung von Art. 22 Abs. 1 SBBG auf die Regeln des Obligationenrechts über die Aktiengesellschaft insofern leer. Entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin treten nicht einfach nur die Art. 3 ff. FusG über die Fusion von Gesellschaften an die Stelle der Art. 748 f. aOR. Das Fusionsgesetz regelt die Strukturanpassungstatbestände, die bisher verstreut und nur unvollständig normiert waren, nunmehr umfassend (WEIBEL, a.a.O., N. 8 zu Art. 1 FusG ). Massgebend ist demnach diese umfassende Neuordnung. Soweit sie für Institute des öffentlichen Rechts Sonderregeln aufstellt, sind diese zu beachten. Der hier zur Diskussion stehende Vorgang, mithin die Absorptionsfusion eines privaten Rechtsträgers durch ein Institut des öffentlichen Rechts, liegt ausserhalb des BGE 132 III 470 S. 478 Anwendungsbereichs der Art. 3 ff. FusG (ANDREAS C. ALBRECHT, Zürcher Kommentar, N. 5 zu Art. 4 FusG ; Botschaft zum FusG, a.a.O., S. 4481). Das EHRA hat demnach Art. 22 Abs. 1 SBBG nicht verletzt, indem es die beantragte Eintragung nicht genehmigte. 5. Subeventualiter macht die Beschwerdeführerin geltend, aus Art. 99 Abs. 1 FusG könne kein Verbot von Absorptionsfusionen durch die SBB abgeleitet werden. Werde die Anwendung der Art. 3 ff. FusG auf die Absorptionsfusion der SBB mit der EWAG abgelehnt, so sei von einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes auszugehen. Es sei die klare Absicht des Gesetzgebers gewesen, neue Möglichkeiten zu schaffen, nicht aber bestehende aufzuheben. 5.1 Eine Lücke im Gesetz liegt vor, wenn sich eine Regelung als unvollständig erweist, weil sie jede Antwort auf eine sich stellende Rechtsfrage schuldig bleibt oder eine Antwort gibt, die aber als sachlich unhaltbar angesehen werden muss (zum Begriff der Gesetzeslücke bzw. der planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes vgl. BGE 131 II 562 E. 3.5 S. 567 f.; BGE 128 I 34 E. 3b S. 42; BGE 122 I 253 E. 6a S. 255; BGE 121 III 219 E. 1d/aa S. 225 f.; HÄFELIN/MÜLLER, Grundriss des Allgemeinen Verwaltungsrechts, 3. Aufl., Zürich 1998, S. 47 Rz. 200). Hat der Gesetzgeber eine Rechtsfrage nicht übersehen, sondern stillschweigend - im negativen Sinn - mitentschieden (qualifiziertes Schweigen), ist kein Platz für richterliche Lückenfüllung (HÄFELIN/MÜLLER, a.a.O., S. 46 Rz. 192; HÄFELIN/HALLER, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 6. Aufl., Zürich 2005, S. 44 Rz. 143). 5.2 Im vorliegenden Kontext geht die Berufung der Beschwerdeführerin auf eine Gesetzeslücke bzw. eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes von vornherein fehl. Es trifft wohl zu, dass der Gesetzgeber mit dem Fusionsgesetz die Möglichkeiten für Umstrukturierungsvorgänge erweitern wollte. In der Botschaft zum FusG (a.a.O., BBl 2000 S. 4354) wird das Ziel des unterbreiteten Gesetzes wie folgt umschrieben: "In der Zeit eines raschen wirtschaftlichen Wandels will der Entwurf zum Fusionsgesetz mit der Schaffung neuer privatrechtlicher Optionen eine grössere Beweglichkeit in der rechtlichen Organisation von Unternehmen, Vereinen und Stiftungen ermöglichen. Er soll Lücken des geltenden Rechts schliessen und durch klare gesetzliche Grundlagen für die Anpassung der rechtlichen Unternehmensstrukturen die erforderliche Rechtssicherheit und Transparenz gewährleisten. Die neuen Vorschriften BGE 132 III 470 S. 479 erweitern in beachtlicher Weise die Handlungsmöglichkeiten und erleichtern die Anpassung der Rechtsformen der Unternehmen an veränderte Bedürfnisse, ohne die Interessen der Gläubigerinnen und Gläubiger, der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie der Personen mit Minderheitsbeteiligungen zu vernachlässigen. Der Entwurf sieht weiter auch dringend benötigte gesetzliche Grundlagen für die Überführung öffentlich-rechtlicher Institute in privatrechtliche Rechtsformen vor." Hingegen blieb der umgekehrte Vorgang in der abschliessenden Regelung der privatrechtlich zulässigen Strukturanpassungen bewusst ausgeklammert (WAGNER PFEIFER/GELZER, a.a.O., N. 2 Bem. vor Art. 99-101 FusG ). Die Botschaft führt dazu aus (a.a.O., BBl 2000 S. 4481): "Der umgekehrte Vorgang der Übernahme eines privatrechtlichen Rechtsträgers durch ein Institut des öffentlichen Rechts und die Umwandlung eines privatrechtlichen Rechtsträgers in ein Institut des öffentlichen Rechts (Verstaatlichung) liegt ausserhalb des Regelungsbereichs des vorliegenden Entwurfs (ebenso die Fusion zwischen öffentlich-rechtlichen Rechtsträgern). Was die Vornahme des (rein privatrechtlichen) Rechtsübergangs betrifft, steht jedoch für alle diese Vorhaben die Vermögensübertragung zur Verfügung. Auch für Institute des öffentlichen Rechts gilt grundsätzlich der Numerus clausus sowohl für die Wahl einer Rechtsform des Privatrechts als auch bezüglich der Form der Strukturänderung (Fusion, Umwandlung und Vermögensübertragung). Zur Wahrung der Transparenz und der Rechtssicherheit müssen die angestrebte Rechtsform und die Form der Strukturänderung grundsätzlich den Vorgaben des Obligationenrechts und dieses Gesetzes entsprechen. Können diese Vorgaben nicht erfüllt werden, steht es dem Bund und den Kantonen offen, durch spezialgesetzliche öffentlich-rechtliche Regelungen Umstrukturierungen innerhalb des Rahmens des öffentlichen Rechts vorzunehmen. Entsprechende Rechtsformen und Vorgänge unterstehen dem vorliegenden privatrechtlichen Gesetz nicht." Nachdem die vorliegend strittigen Vorgänge nicht Regelungsgegenstand des Fusionsgesetzes bilden und - angesichts der vom Gesetzgeber beanspruchten Verfassungsgrundlage zur Gesetzgebung auf dem Gebiet des Zivilrechts ( Art. 122 Abs. 1 BV ) - auch nicht bilden konnten, entfällt die Annahme einer Gesetzeslücke von vornherein. Dass der Beschwerdeführerin als Institut des öffentlichen Rechts die Übernahme einer privatrechtlichen Aktiengesellschaft durch Absorptionsfusion verwehrt ist, rührt nicht aus einer planwidrigen Unvollständigkeit des Fusionsgesetzes, sondern folgt aus der öffentlich-rechtlichen Rechtsnatur der Organisationsform der Beschwerdeführerin.
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Erwägungen ab Seite 402 BGE 117 V 401 S. 402 Aus den Erwägungen: In formellrechtlicher Hinsicht beantragt der Beschwerdeführer, der vorinstanzliche Entscheid sei dahingehend abzuändern, dass die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA) ihm die vollen Parteikosten, einschliesslich derjenigen für das Einspracheverfahren, zu vergüten habe. II.1. Zu prüfen ist zunächst, wie es sich hinsichtlich des Anspruchs auf Parteientschädigung im Einspracheverfahren verhält. Dabei ist davon auszugehen, dass Art. 130 Abs. 2 Satz 2 UVV einen solchen Anspruch ausdrücklich ausschliesst. Es kann sich daher lediglich die Frage stellen, ob diese Bestimmung gegen das Gesetz oder die Verfassung verstösst. a) Art. 130 Abs. 2 Satz 2 UVV ist nicht gesetzwidrig, indem weder die Verfahrensbestimmungen des UVG ( Art. 105 Abs. 1 UVG ) noch die gemäss Art. 96 UVG für die SUVA geltenden Bestimmungen des VwVG (vgl. BGE 115 V 299 Erw. 2b) einen Anspruch auf Parteientschädigung im Einspracheverfahren einräumen. Art. 64 VwVG sieht einen Anspruch auf Parteientschädigung nur für das Beschwerdeverfahren vor. Die positivrechtliche BGE 117 V 401 S. 403 Regelung der Parteientschädigung im Beschwerdeverfahren ( Art. 108 Abs. 1 lit. g UVG ) und die Gesetzesmaterialien (Botschaft zum UVG vom 18. August 1976, BBl 1976 III 178, 225; Kommission des Nationalrates zur Vorberatung des UVG, Protokoll der Sitzung vom 28./29. August 1978, S. 35) lassen sogar auf ein qualifiziertes Schweigen des Gesetzgebers bezüglich des Anspruchs auf Parteientschädigung im Einspracheverfahren schliessen. Den rechtsanwendenden Behörden wäre es daher verwehrt, in irgendeiner Weise lückenfüllend tätig zu werden. Sie könnten sich dabei auch nicht auf positivrechtliche Regelungen in andern Sozialversicherungsgesetzen oder einen allgemeinen sozialversicherungsrechtlichen Grundsatz stützen. Selbst rechtspolitische Gesichtspunkte de lege ferenda gestatten derzeit keine andere Betrachtungsweise. So wird nach Art. 58 Abs. 4 des Entwurfs zu einem Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) ein Anspruch auf Parteientschädigung für das (kostenlose und weitgehend formlose) Einspracheverfahren ausdrücklich ausgeschlossen (Bericht der Kommission des Ständerates zur parlamentarischen Initiative Allgemeiner Teil Sozialversicherung, BBl 1991 II 200 und 262, sowie Bericht und Entwurf zu einem Allgemeinen Teil der Sozialversicherung, Bern, 1984, S. 51/52 und 76). b) Vorinstanz und SUVA ist darin beizupflichten, dass Art. 130 Abs. 2 Satz 2 UVV auch nicht als verfassungswidrig qualifiziert werden kann. Nach Lehre und Rechtsprechung lässt sich ein Anspruch auf Parteientschädigung unmittelbar aus Art. 4 BV nicht ableiten (GRISEL, Traité de droit administratif, Bd. II, S. 847; BERNET, Die Parteientschädigung in der schweizerischen Verwaltungsrechtspflege, Diss. iur. Zürich 1986, S. 59 ff.; BGE 104 Ia 9 ; ZBl 86 [1985] S. 508, 85 [1984] S. 141). In BGE 104 Ia 11 hat das Bundesgericht einen Vorbehalt lediglich in dem Sinne angebracht, dass im Einzelfall der eine Parteientschädigung ablehnende Entscheid dann wegen Verletzung von Art. 4 BV aufgehoben werden könnte, wenn die Ablehnung des Entschädigungsbegehrens in stossender Weise dem Gerechtigkeitsempfinden zuwiderliefe. Gleichzeitig stellte es jedoch fest, es habe nie aus Art. 4 BV den allgemeinen Satz abgeleitet, im Rechtsmittelverfahren vor der Verwaltungsbehörde müsse der obsiegenden Partei, wenn sie durch einen Anwalt vertreten gewesen sei, eine Parteientschädigung zugesprochen werden. Dementsprechend hat es auch das Eidg. Versicherungsgericht stets BGE 117 V 401 S. 404 abgelehnt, auf dem Wege der Rechtsprechung einen von Bundesrechts wegen bestehenden Anspruch auf Parteientschädigung für das kantonale Beschwerdeverfahren dort einzuführen, wo ein solcher gesetzlich nicht vorgesehen ist ( BGE 114 V 230 /231 Erw. 3b mit Hinweisen). Um so weniger lässt sich ein unmittelbar aus Art. 4 BV fliessender Anspruch auf Parteientschädigung für das Einspracheverfahren nach Art. 105 Abs. 1 UVG annehmen, welches nicht zur streitigen Verwaltungsrechtspflege im engeren Sinne gehört (GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl., S. 33). Dem steht nicht entgegen, dass das Eidg. Versicherungsgericht in BGE 114 V 228 gestützt auf Art. 4 BV unter engen sachlichen und zeitlichen Voraussetzungen einen Anspruch auf unentgeltliche Verbeiständung im nichtstreitigen Verwaltungsverfahren der Invalidenversicherung (Anhörungsverfahren gemäss Art. 73bis IVV ) anerkannt und mit Urteil vom heutigen Tag in Sachen B. ( BGE 117 V 408 ) einen entsprechenden Anspruch auch für das Einspracheverfahren gemäss Art. 105 Abs. 1 UVG bejaht hat. Beim Anspruch auf unentgeltliche Verbeiständung und demjenigen auf Parteientschädigung handelt es sich um zwei verschiedene Rechtsinstitute, deren unterschiedliche Behandlung verfassungsrechtlich vertretbar ist. Die Rechtsgleichheit gebietet, dass auch der bedürftige Rechtsuchende seine Interessen wahrnehmen kann, weshalb ihm ein Anspruch auf unentgeltliche Verbeiständung einzuräumen ist, falls er auf eine Vertretung angewiesen ist. Demgegenüber wird der bemittelte Rechtsuchende durch den fehlenden Anspruch auf Parteientschädigung an der Durchsetzung seiner Rechte nicht gehindert. Die Nichtgewährung einer Parteientschädigung führt allenfalls zu einer gewissen Beeinträchtigung des Rechtsschutzes, nicht aber zu einer eigentlichen Rechtsverweigerung (vgl. BERNET, a.a.O., S. 62). Das Verfassungsrecht gewährleistet daher nur, dass nötigenfalls auch der Unbemittelte zur Wahrnehmung seiner Interessen die Dienste eines Rechtsverständigen in Anspruch nehmen kann. Eine im Lichte von Art. 4 BV zu beanstandende Ungleichbehandlung entsteht dagegen nicht, wenn dem im Prozess Obsiegenden, der die Voraussetzungen für die unentgeltliche Verbeiständung nicht erfüllt, ein Anspruch auf Ersatz der Parteikosten verweigert wird. Fraglich kann lediglich sein, wie es sich hinsichtlich des Entschädigungsanspruchs desjenigen Rechtsuchenden verhält, welcher die Voraussetzungen für die unentgeltliche Verbeiständung erfüllt, im Prozess jedoch BGE 117 V 401 S. 405 obsiegt. Wie diesbezüglich zu entscheiden ist, kann indessen dahingestellt bleiben, weil der Beschwerdeführer bisher nie ein Armenrechtsgesuch gestellt hat. Offenbleiben kann des weitern, ob im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ( BGE 104 Ia 11 ) Ausnahmen vorzubehalten sind, wo gestützt auf Art. 4 BV im Einzelfall ein Anspruch auf Parteientschädigung anzuerkennen ist. Denn es spricht nichts dafür, dass die Verweigerung einer Parteientschädigung für das Einspracheverfahren im vorliegenden Fall in verfassungsmässig unhaltbarer Weise dem Gebot der Gerechtigkeit zuwiderliefe. Es muss daher bei der Feststellung bleiben, dass der Beschwerdeführer keinen Anspruch auf Vergütung der mit Eingabe an die Vorinstanz vom 2. Oktober 1990 mit Fr. 816.-- bezifferten Kosten der Rechtsvertretung im Einspracheverfahren hat. II.2. Streitig ist des weitern die Höhe der Parteientschädigung im kantonalen Beschwerdeverfahren. a) Nach Art. 108 Abs. 1 lit. g UVG hat der obsiegende Beschwerdeführer Anspruch auf den vom Gericht festgesetzten Ersatz der Parteikosten. Diese werden ohne Rücksicht auf den Streitwert nach dem zu beurteilenden Sachverhalt und der Schwierigkeit des Prozesses bemessen. Im Unterschied zu andern Sozialversicherungszweigen mit bundesrechtlich garantiertem Anspruch auf Parteientschädigung (vgl. Art. 85 Abs. 2 lit. f AHVG , Art. 69 IVG , Art. 7 Abs. 2 ELG , Art. 24 Satz 2 EOG , Art. 22 Abs. 3 FLG und Art. 56 Abs. 1 lit. e MVG ) enthält das UVG weitergehende bundesrechtliche Vorschriften betreffend die Bemessung der Parteientschädigung (vgl. BGE 114 V 88 Erw. 4c in fine, BGE 111 V 49 Erw. 4a). Daraus folgt, dass das Eidg. Versicherungsgericht im Bereich der Unfallversicherung als Frage des Bundesrechts frei prüft, ob der vorinstanzliche Entscheid den durch Art. 108 Abs. 1 lit. g UVG eingeräumten grundsätzlichen Anspruch auf Parteientschädigung verletzt und ob der Entscheid hinsichtlich der Bemessung der Parteientschädigung den bundesrechtlichen Anforderungen gemäss Art. 108 Abs. 1 lit. g Satz 2 UVG genügt. Darüber hinaus hat das Eidg. Versicherungsgericht praktisch lediglich zu prüfen, ob die Höhe der Parteientschädigung vor dem Willkürverbot standhält (vgl. BGE 114 V 86 Erw. 4a). b) Die Vorinstanz hat die Parteientschädigung aufgrund des vom Rechtsvertreter des Beschwerdeführers geltend gemachten zeitlichen Aufwandes von 13 Stunden in sinngemässer Anwendung BGE 117 V 401 S. 406 des kantonalen Konventionaltarifes (Art. 4 Abs. 2 des Dekrets über die Anwaltsgebühren vom 6. November 1973) auf Fr. 2'210.-- festgesetzt und diesen Betrag um einen Drittel gekürzt, was zusammen mit dem Auslagenersatz von Fr. 197.20 eine Entschädigung von Fr. 1'672.20 ergab. Dabei ging sie davon aus, dass die SUVA die Rente im Einspracheentscheid vom 7. August 1989 auf 15% festgesetzt hatte, beschwerdeweise eine Rente von mindestens 30% beantragt wurde und der kantonale Entscheid auf 25% lautete, so dass der Beschwerdeführer mit seinem Antrag zu zwei Dritteln durchgedrungen ist. Der Beschwerdeführer ficht die Kürzung der Parteientschädigung als sachlich nicht gerechtfertigt an. In BGE 114 V 87 Erw. 4b habe das Eidg. Versicherungsgericht erkannt, dass im Sozialversicherungsprozess grundsätzlich nicht auf den Streitwert abzustellen sei, sondern die Parteientschädigung nach dem gebotenen Zeitaufwand festzusetzen sei, wobei der Wichtigkeit und Schwierigkeit der Streitsache und dem Umfang der gebotenen Arbeitsleistung Rechnung zu tragen sei. Damit sei zum Ausdruck gebracht worden, dass nicht die im Zivilprozess entwickelten Kriterien massgebend seien. Diesen Grundsätzen widerspreche der vorinstanzliche Entscheid. Zunächst sei der Beschwerdeführer gar nicht verpflichtet gewesen, sein Rechtsbegehren zu quantifizieren. Sodann sei das kantonale Gericht im Rahmen des Untersuchungsgrundsatzes und der Offizialmaxime gehalten gewesen, die Richtigkeit der Verfügung zu prüfen; auch sei es an die Parteianträge nicht gebunden. Das Ausmass des Obsiegens könne daher für die Bemessung der Parteientschädigung nicht massgebend sein, wenn sich erweise, dass die Beschwerde dem Grundsatze nach gerechtfertigt sei. Andernfalls würden doch zivilprozessuale Gesichtspunkte wegleitend sein. Dem Beschwerdeführer ist insoweit beizupflichten, als er nicht verpflichtet gewesen wäre, den für die beantragte Rente massgebenden Invaliditätsgrad zahlenmässig zu spezifizieren, sondern sich damit hätte begnügen können, eine höhere Rente zu verlangen ( BGE 101 V 223 Erw. 4). Diesfalls wäre der Prozesserfolg nicht anteilsmässig quantifizierbar gewesen und der Beschwerdeführer hätte wegen Obsiegens eine volle Parteientschädigung erhalten. Zum gleichen Ergebnis hätte geführt, wenn die Vorinstanz die für den Entscheid über den Rentenanspruch erforderlichen zusätzlichen Erhebungen nicht selber vorgenommen, sondern die Sache zu ergänzender Abklärung an die SUVA BGE 117 V 401 S. 407 zurückgewiesen hätte (ZAK 1987 S. 268 Erw. 5), was in ihrem Ermessen stand (ZAK 1971 S. 36 Erw. 1; RKUV 1986 Nr. K 665 S. 88, 1985 Nr. K 637 S. 195 Erw. 4; RSKV 1982 Nr. 492 S. 143 Erw. 3a). Dieses Ergebnis wäre einer Korrektur indessen nur zugänglich, wenn der Entscheid über die Parteientschädigung frei überprüfbar wäre. Denn unter dem Gesichtswinkel der Willkür lässt sich eine Kürzung der Parteientschädigung nach Massgabe eines nur teilweisen Obsiegens nicht beanstanden. Eine in diesem Sinne reduzierte Parteientschädigung widerspricht auch nicht dem Grundsatz von Art. 108 Abs. 1 lit. g Satz 2 UVG, wonach die Parteikosten ohne Rücksicht auf den Streitwert festzulegen sind. c) Die streitige Festsetzung der Parteientschädigung widerspricht der bundesrechtlichen Bemessungsvorschrift von Art. 108 Abs. 1 lit. g Satz 2 UVG aber insofern, als mit dem Abstellen auf das bloss teilweise Obsiegen im konkreten Fall von den Kriterien des "zu beurteilenden Sachverhalts und der Schwierigkeit des Prozesses" abgewichen wird. Der Sachverhalt und die Schwierigkeit des Prozesses sind nicht davon abhängig, ob der Beschwerdeführer sein Rechtsbegehren konkret oder allgemein gefasst hat. Wird die Entschädigung im Sinne des vorinstanzlichen Entscheids nach dem anteilsmässigen Prozesserfolg bemessen, so hält sich dies nicht im Rahmen der nach Gesetz und Rechtsprechung massgebenden bundesrechtlichen Anforderungen an die Festsetzung der Parteientschädigung. Nach der Rechtsprechung hat der Beschwerdeführer bei teilweisem Obsiegen Anspruch auf eine reduzierte Parteientschädigung ( BGE 110 V 57 Erw. 3a, ZAK 1980 S. 124 Erw. 5). Eine "Überklagung" rechtfertigt aber auch dort, wo das Quantitativ einer Leistung streitig ist, eine Reduktion der Parteientschädigung nur, wenn das ziffernmässig bestimmte Rechtsbegehren den Prozessaufwand beeinflusst hat (EVGE 1967 S. 215 Erw. 3a). Hiefür fehlen im vorliegenden Fall aber jegliche Anhaltspunkte. Nach dem Gesagten kann der vorinstanzliche Entscheid, soweit damit eine Kürzung der Parteientschädigung wegen bloss teilweisen Obsiegens vorgenommen wurde, nicht bestätigt werden. Da die übrigen Bemessungselemente von keiner Seite bestritten werden und einer Willkürprüfung standhalten, steht dem Beschwerdeführer im kantonalen Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 2'407.20 (Fr. 2'210.-- + Auslagenersatz von Fr. 197.20) zu.
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Sachverhalt ab Seite 123 BGE 114 II 123 S. 123 A.- H. und A. wurden am 22. Oktober 1981 durch das Amtsgericht Frutigen geschieden. Die beiden Kinder stellte das Gericht unter die elterliche Gewalt der Mutter. Der Vater wurde zu einem indexierten monatlichen Unterhaltsbeitrag an die beiden Kinder von je Fr. 300.-- verpflichtet. Mit Zahlungsbefehl Nr. 2648 des Betreibungsamtes Frutigen betrieb die Gemeinde Leissigen den Vater für bevorschusste Unterhaltsbeiträge vom 1. Februar 1984 bis und mit März 1987 im Betrage von Fr. 21'428.--. Der Betriebene erhob Rechtsvorschlag. BGE 114 II 123 S. 124 B.- Am 13. August 1987 erteilte der Gerichtspräsident des Amtsbezirkes Frutigen die definitive Rechtsöffnung für Fr. 18'628.--. Für den Restbetrag wurde das Rechtsöffnungsgesuch abgewiesen, da die entsprechende Unterhaltsforderung durch die Auszahlung einer IV-Kinderrente getilgt worden sei. Gegen diesen Entscheid appellierte die Gemeinde Leissigen an den Appellationshof des Kantons Bern. Dieser wies die Appellation am 6. Oktober 1987 ab und bestätigte das Urteil des Gerichtspräsidenten des Amtsbezirkes Frutigen. C.-
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Erwägungen ab Seite 300 BGE 122 V 300 S. 300 Aus den Erwägungen: 2. a) Gemäss Art. 2 Abs. 1 ELG ist den in der Schweiz wohnhaften Schweizer Bürgern, denen eine Rente oder eine Hilflosenentschädigung der Alters- und Hinterlassenenversicherung oder der Invalidenversicherung zusteht, ein Anspruch auf Ergänzungsleistungen einzuräumen, soweit das anrechenbare Jahreseinkommen einen von den Kantonen innerhalb eines gesetzlich vorgegebenen Rahmens festzusetzenden Grenzbetrag nicht erreicht. Die jährliche Ergänzungsleistung entspricht laut Art. 5 Abs. 1 ELG dem Unterschied zwischen der massgebenden Einkommensgrenze und dem anrechenbaren Jahreseinkommen (Satz 1). BGE 122 V 300 S. 301 b) Bei der Berechnung der Ergänzungsleistungen sind zu den Einkommensgrenzen für Alleinstehende und Ehepaare laut Art. 2 Abs. 3 ELG für Kinder, die einen Anspruch auf Zusatzrente der Alters- und Hinterlassenenversicherung oder der Invalidenversicherung begründen, die für Waisen massgebenden Grenzbeträge hinzuzuzählen (erster Halbsatz). Laut Art. 3 Abs. 6 ELG regelt der Bundesrat u.a. die Zusammenrechnung der Einkommensgrenzen und der anrechenbaren Einkommen von Familiengliedern. Gestützt auf diese Delegationsnorm hat der Bundesrat für die Berechnung der Ergänzungsleistungen von Alleinstehenden und Ehepaaren mit Kindern im Sinne von Art. 2 Abs. 3 ELG mit Art. 7 ELV eine Bestimmung erlassen, die in der bis 31. Dezember 1994 gültig gewesenen Fassung wie folgt lautete: "1Die Einkommensgrenzen und die anrechenbaren Einkommen von Kindern, die einen Anspruch auf eine Kinderrente der Alters-, Hinterlassenen- oder Invalidenversicherung begründen, werden den Eltern zugerechnet oder, falls die Eltern getrennte Ansprüche haben, dem Elternteil, in dessen Obhut sich das Kind befindet oder der überwiegend für das Kind aufkommt. 2Ist im Sinne des AHVG oder des IVG nur einer der Ehegatten rentenberechtigt, werden die Einkommensgrenzen und die anrechenbaren Einkommen der Kinder diesem Ehegatten zugerechnet." Gestützt auf Abs. 2 dieser Bestimmung hatte die Verwaltung bei der Ergänzungsleistungsberechnung bis Ende 1994 sowohl die für den Sohn K. massgebende Einkommensgrenze wie auch als anrechenbares Einkommen die für diesen ausgerichtete Kinderrente der Invalidenversicherung dem Beschwerdegegner zugerechnet. c) Mit der Verordnungsänderung vom 26. September 1994 erhielt Art. 7 ELV mit Wirkung ab 1. Januar 1995 folgenden Wortlaut: "1Die Ergänzungsleistung für Kinder, die einen Anspruch auf eine Kinderrente der Alters-, Hinterlassenen- oder Invalidenversicherung begründen, wird wie folgt berechnet: a.Leben die Kinder mit den Eltern zusammen, erfolgt eine gemeinsame Berechnung der Ergänzungsleistung. b.Leben die Kinder nur mit einem Elternteil zusammen, der rentenberechtigt ist oder für den Anspruch auf eine Zusatzrente der Alters-, Hinterlassenen- oder Invalidenversicherung besteht, so wird die Ergänzungsleistung zusammen mit diesem Elternteil festgelegt. c.Lebt das Kind nicht bei den Eltern oder lebt es bei einem Elternteil, der nicht rentenberechtigt ist und für den auch kein Anspruch auf eine Zusatzrente besteht, so ist die Ergänzungsleistung gesondert zu berechnen. BGE 122 V 300 S. 302 2Bei einer Berechnung nach Absatz 1 Buchstaben b und c ist das Einkommen der Eltern soweit zu berücksichtigen, als es deren eigenen Unterhalt und den der übrigen unterhaltsberechtigten Familienangehörigen übersteigt." Im Hinblick auf diese Verordnungsänderung nahm die Verwaltung eine Neuberechnung der Ergänzungsleistungen des Beschwerdegegners vor. Weil der Sohn K. bei seiner Mutter lebt, welche nicht rentenberechtigt ist und auch keine Zusatzrente beanspruchen kann, wurde die Ergänzungsleistung ausschliesslich aufgrund der Einkommensverhältnisse des Beschwerdegegners ermittelt. Diese Berechnung, die einen jährlichen Einkommensüberschuss von Fr. 3'940.-- ergab, erweist sich nach den zutreffenden Feststellungen der Vorinstanz als richtig, was unter der Voraussetzung, dass Art. 7 Abs. 1 lit. c ELV überhaupt Anwendung finden kann, zur Verneinung der Anspruchsberechtigung führt. 3. a) Das kantonale Gericht gelangte zum Schluss, Art. 7 Abs. 1 lit. c ELV in der ab 1. Januar 1995 geltenden Fassung sei gesetzwidrig, weshalb die darauf gestützte Ergänzungsleistungsberechnung der Verwaltung nicht geschützt werden könne. Im einzelnen erwog die Vorinstanz, das ELG stelle in Art. 2 Abs. 3 den Berechnungsgrundsatz auf, dass zu den Einkommensgrenzen für Alleinstehende und Ehepaare für Kinder, die einen Anspruch auf Zusatzrente der Alters- und Hinterlassenen- oder der Invalidenversicherung begründen, die für Waisen massgebenden Grenzbeträge hinzuzuzählen sind; Art. 3 Abs. 6 ELG überlasse sodann die Regelung der Zusammenrechnung der Einkommensgrenzen und der anrechenbaren Einkommen von Familienmitgliedern dem Bundesrat, welcher in Ausführung dieser Bestimmung in Art. 7 ELV in der bis Ende 1994 gültig gewesenen Fassung Vorschriften darüber erlassen habe, welchem Elternteil die Einkommensgrenzen und anrechenbaren Einkommen von Kindern anzurechnen sind, falls die Eltern getrennte Ansprüche haben oder wenn nur einer der beiden Ehegatten rentenberechtigt ist; Art. 7 Abs. 1 ELV in der revidierten Fassung stelle nun insofern eine gänzlich neue Regelung auf, als dessen lit. c eine "gesonderte" Berechnung der Ergänzungsleistungen in jenen Fällen vorsieht, in welchen das Kind, das Anspruch auf eine Kinderrente der Alters- und Hinterlassenen- oder der Invalidenversicherung begründet, nicht bei den Eltern lebt oder aber bei einem Elternteil, der nicht rentenberechtigt ist und für welchen auch kein Anspruch auf eine Zusatzrente besteht; mit dieser Ausnahmeregelung setze sich der Verordnungsgeber in Widerspruch zu dem in BGE 122 V 300 S. 303 Art. 2 Abs. 3 ELG festgehaltenen Grundsatz der Zusammenrechnung der Einkommensgrenzen bei Ergänzungsleistungsbezügern mit Kindern, die einen Anspruch auf Zusatzrente begründen, und gehe damit über die ihm im Gesetz delegierte Kompetenz zur Realisierung der Zusammenrechnung hinaus. Da dies bundesrechtswidrig sei, erklärte das Gericht Art. 7 Abs. 1 lit. c ELV für die Beurteilung des Ergänzungsleistungsanspruchs des Beschwerdegegners als nicht anwendbar und wies die Sache an die Verwaltung zurück, damit diese den Anspruch unter Hinzurechnung der für den Sohn K. massgebenden Einkommensgrenze neu berechne. b) Dem hält das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) in seiner Verwaltungsgerichtsbeschwerde entgegen, aufgrund der in Art. 3 Abs. 6 ELG erfolgten Delegation der Zusammenrechnung sei der Bundesrat befugt, zu regeln, für welche Personen die Einkommensgrenzen und anrechenbaren Einkommen zusammenzurechnen sind und für welche eben nicht; da es sich gezeigt habe, dass eine Zusammenrechnung bei Personen, die nicht im gleichen Haushalt leben, immer wieder zu Schwierigkeiten führt, habe der Bundesrat in der Verordnung vorgesehen, dass die Ergänzungsleistung bei vom anspruchsberechtigten Elternteil getrennt lebenden Kindern auch getrennt zu berechnen ist. Dazu führt das Bundesamt aus, wenn beispielsweise Kinder in Heimen oder Grossfamilien untergebracht sind, ermögliche diese Ordnung, sofern notwendig, die Auszahlung höherer Ergänzungsleistungen; Ziel der Ergänzungsleistungen sei die Deckung des Existenzbedarfs; mit der neuen Regelung habe der Bundesrat erreichen wollen, dass der Existenzbedarf für die Kinder an dem Ort gewährleistet ist, an welchem sie wohnen (z.B. im Heim, bei Verwandten, in Grossfamilien, bei Drittpersonen); da zudem oft eine Fürsorgebehörde die finanziellen Angelegenheiten dieser Kinder regle, stelle die getrennte Ergänzungsleistungsberechnung eine klare Vereinfachung dar. 4. a) Nach der Rechtsprechung kann das Eidg. Versicherungsgericht Verordnungen des Bundesrates grundsätzlich, von hier nicht in Betracht fallenden Ausnahmen abgesehen, auf ihre Rechtmässigkeit hin überprüfen. Bei (unselbständigen) Verordnungen, die sich auf eine gesetzliche Delegation stützen, prüft es, ob sie sich in den Grenzen der dem Bundesrat im Gesetz eingeräumten Befugnisse halten. Wird dem Bundesrat durch die gesetzliche Delegation ein sehr weiter Spielraum des Ermessens für die Regelung auf Verordnungsebene eingeräumt, muss sich das Gericht auf die Prüfung beschränken, ob die umstrittenen Verordnungsvorschriften offensichtlich aus BGE 122 V 300 S. 304 dem Rahmen der dem Bundesrat im Gesetz delegierten Kompetenzen herausfallen oder aus andern Gründen verfassungs- oder gesetzwidrig sind. Es kann jedoch sein eigenes Ermessen nicht an die Stelle desjenigen des Bundesrates setzen und es hat auch nicht die Zweckmässigkeit zu untersuchen. Die vom Bundesrat verordnete Regelung verstösst allerdings dann gegen Art. 4 BV , wenn sie sich nicht auf ernsthafte Gründe stützen lässt, wenn sie sinn- oder zwecklos ist oder wenn sie rechtliche Unterscheidungen trifft, für die sich ein vernünftiger Grund nicht finden lässt. Gleiches gilt, wenn die Verordnung es unterlässt, Unterscheidungen zu treffen, die richtigerweise hätten berücksichtigt werden sollen ( BGE 122 V 93 Erw. 5a/bb, BGE 120 V 457 Erw. 2b, je mit Hinweisen). b) Der Argumentation des beschwerdeführenden Bundesamtes liegt die unzutreffende Annahme zugrunde, dass Kinder, die einen Anspruch auf Kinderrente begründen und beim nicht rentenberechtigten Elternteil oder bei Dritten leben, einen eigenen Anspruch auf Ergänzungsleistung besitzen. Wie das Eidg. Versicherungsgericht in dem in ZAK 1989 S. 224 publizierten Urteil W. vom 25. November 1988 indessen ausführte, haben aufgrund von Art. 2 Abs. 1 ELG nur Personen Anspruch auf Ergänzungsleistungen, welchen eine Rente oder Hilflosenentschädigung der Alters- und Hinterlassenen- oder der Invalidenversicherung zusteht; gemeint sei damit ein selbständiger Rentenanspruch; von Gesetzes wegen keinen solchen originären Rentenanspruch besitze eine Person, für die ein Versicherter eine Zusatzrente bezieht (ZAK 1968 S. 171 f. Erw. 2a); entsprechend fänden die Bezüger von Kinderrenten, welche derivative Zusatzrenten zur Stammrente von Vater oder Mutter darstellen (vgl. Art. 22ter AHVG , Art. 35 IVG ; BGE 108 V 78 Erw. 3), in Art. 2 Abs. 1 ELG keine Erwähnung, sondern nur Alleinstehende, Ehepaare, minderjährige Bezüger einer Invalidenrente und Waisen, die ebenfalls originär rentenberechtigt sind ( Art. 25 AHVG ). Seine Auffassung vertritt das BSV unter Hinweis auf ZAK 1989 S. 224 auch in der Wegleitung über die Ergänzungsleistungen zur AHV und IV (WEL). Es fügte in Rz. 2005 WEL jedoch bei, in den Fällen von Art. 7 Abs. 1 lit. c ELV gälten Personen, für welche eine Kinderrente ausgerichtet wird, als rentenberechtigt. Dieser Zusatz ist nicht gerechtfertigt. Ein selbständiger Ergänzungsleistungsanspruch des Kindes, das einen Anspruch auf eine Zusatzrente der Alters- und Hinterlassenen- oder der Invalidenversicherung begründet, lässt sich selbst aufgrund der Tatsache nicht konstruieren, dass die den Eltern oder einem Elternteil zustehende Ergänzungsleistung BGE 122 V 300 S. 305 auch den unterhaltsberechtigten Kindern zugutekommt. Ausschliesslicher Zweck der Ergänzungsleistungen bleibt dennoch, den zum Leben notwendigen Bedarf des Anspruchsberechtigten zu gewährleisten ( BGE 115 V 353 Erw. 5c mit Hinweisen). Das Eidg. Versicherungsgericht hat es denn auch abgelehnt, Kinder, für die eine Kinderrente der Invalidenversicherung gewährt wird, aufgrund wirtschaftlicher Betrachtungsweise als Destinatäre eines Teils der Ergänzungsleistung zu betrachten (ZAK 1989 S. 226 Erw. 2c). Gerade im Hinblick auf familiäre Unterhaltsverpflichtungen sind aber die für die Kinder massgebenden Grenzwerte in die Ergänzungsleistungsberechnung des Berechtigten miteinzubeziehen. c) Aus dem Gesagten folgt, dass Art. 7 Abs. 1 lit. c ELV , welcher offenbar ebenfalls von einem dem Kind selbst zustehenden Ergänzungsleistungsanspruch ausgeht, gesetzwidrig ist. Abgesehen davon, dass die Bestimmung nach den zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz von Art. 3 Abs. 6 ELG nicht gedeckt ist, verstösst sie gegen den in Art. 2 Abs. 1 ELG festgehaltenen Grundsatz, wonach zu den Einkommensgrenzen für Alleinstehende und Ehepaare die für Kinder, die einen Anspruch auf eine Zusatzrente der Alters- und Hinterlassenen- oder der Invalidenversicherung begründen, massgebenden Grenzbeträge hinzuzuzählen sind. An der Gesetzwidrigkeit dieser Bestimmung vermag auch die vom BSV angeführte Zielsetzung der neuen Ordnung, nämlich die Gewährleistung des Existenzbedarfs für Kinder an dem Ort, an dem sie leben, nichts zu ändern.
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95432c1b-334a-486b-9ed6-2a043aae5af2
Sachverhalt ab Seite 362 BGE 129 V 362 S. 362 A.- Mit Verfügung vom 26. Januar 2000 sprach die IV-Stelle Schaffhausen dem 1954 geborenen J. für die Zeit ab 1. Februar 2000 eine ganze Invalidenrente zu. Mit einer gleichentags an die von J. geschiedene Ehefrau S. gerichteten Verfügung ordnete sie die Auszahlung der zur Rente des Vaters gehörenden Kinderrente für den gemeinsamen Sohn T. an dessen Mutter an. Am 24. Februar 2000 BGE 129 V 362 S. 363 erliess die IV-Stelle eine weitere Verfügung, mit welcher sie J. rückwirkend ab 1. November 1997 eine halbe und ab 1. Februar 1999 eine ganze Invalidenrente gewährte. Die dazugehörenden Kinderrenten für den Sohn T. und die Tochter D. sollten gemäss zwei ebenfalls am 24. Februar 2000 ergangenen Verfügungen der Mutter ausbezahlt werden, wobei diejenige für D. im Hinblick auf den erfolgten Lehrabschluss bis Ende Juli 1999 befristet war. Weiter wurden von den am 24. Februar 2000 zugesprochenen Kinderrenten-Nachzahlungen Fr. 12'514.- resp. Fr. 3'294.- mit Leistungen verrechnet, welche die Alimenteninkassostelle X. für T. und D. vorschussweise erbracht hatte. B.- Eine unter anderm gegen die Auszahlung der Kinderrenten an die geschiedene Ehefrau gerichtete Beschwerde wies das Obergericht des Kantons Schaffhausen mit Entscheid vom 22. Juni 2001 ab. C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt J. erneut beantragen, die Kinderrenten seien ihm und nicht seiner geschiedenen Ehefrau auszuzahlen. Die IV-Stelle sieht von einer materiellen Stellungnahme ab und ersucht, die Ausgleichskasse des Kantons Luzern zur Vernehmlassung einzuladen. Diese und S. schliessen als Mitinteressierte auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) setzt sich insbesondere näher mit den Auswirkungen des auf den 1. Januar 2000 in Art. 285 ZGB neu eingefügten Abs. 2bis - wozu es im vorinstanzlichen Verfahren eine am 19. Mai 2000 erstattete Stellungnahme des Bundesamtes für Justiz eingeholt hatte - auseinander und trägt des Weitern ebenfalls auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an. Erwägungen Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 1. Streitig ist die Zulässigkeit der von der Verwaltung verfügten und vorinstanzlich bestätigten Anordnung der Auszahlung der Kinderrenten an die geschiedene Ehefrau des Beschwerdeführers. Ausdrücklich einverstanden erklärt hat sich dieser damit, dass ein Teil der Rentennachzahlungen zwecks Verrechnung mit bevorschussten Unterhaltsbeiträgen an die Alimenteninkassostelle X. überwiesen wird. Die Ehefrau des Versicherten würde demnach die Nachzahlung der Kinderrenten nur im Umfang des Überschusses erhalten, der nach Abzug der bevorschussten und mittels Verrechnung zurückerstatteten Unterhaltsbeiträge verbleibt. BGE 129 V 362 S. 364 2. Da Streitigkeiten über den Auszahlungsmodus rechtsprechungsgemäss nicht die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen betreffen, hat das Eidgenössische Versicherungsgericht nur zu prüfen, ob das vorinstanzliche Gericht Bundesrecht verletzt hat, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG ). 3. 3.1 Am 1. Januar 2003 ist das Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 in Kraft getreten. Mit ihm sind zahlreiche Bestimmungen auch im Invalidenversicherungsbereich geändert worden. Weil in zeitlicher Hinsicht grundsätzlich diejenigen Rechtssätze massgebend sind, die bei der Erfüllung des zu Rechtsfolgen führenden Tatbestandes Geltung haben ( BGE 127 V 467 Erw. 1), und weil ferner das Sozialversicherungsgericht bei der Beurteilung eines Falles in der Regel auf den bis zum Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Verfügungen (hier: 26. Januar und 24. Februar 2000) eingetretenen Sachverhalt abstellt ( BGE 121 V 366 Erw. 1b), sind im vorliegenden Fall das ATSG selbst und die damit in Zusammenhang stehenden neuen Bestimmungen nicht anwendbar ( BGE 129 V 4 Erw. 1.2). 3.2 Bezüglich der massgebenden gesetzlichen Grundlage für eine Auszahlung von Kinderrenten an den Ehegatten der anspruchsberechtigten Person ( Art. 35 Abs. 4 IVG in der auf den 1. Januar 1997 in Kraft getretenen und bis Ende 2002 gültig gewesenen, hier anwendbaren Fassung [vgl. Erw. 3.1 hievor]) ist ergänzend zu den Ausführungen des kantonalen Gerichts zu erwähnen, dass Art. 35 IVG in der bis Ende 1996 gültig gewesenen Fassung anders als der damalige, die Zusatzrente für die Ehefrau betreffende Art. 34 IVG keine Regelung hinsichtlich einer Drittauszahlung der Renten beinhaltete. Mit Blick auf den gesetzlichen Zweck, wonach die Kinderrente ausschliesslich für den Unterhalt und die Erziehung des Kindes zu verwenden ist, hatte das Eidgenössische Versicherungsgericht hingegen ergänzende Regeln zu den Bestimmungen über die zweckgemässe Rentenverwendung ( Art. 50 IVG in Verbindung mit Art. 45 AHVG sowie Art. 84 IVV und Art. 76 AHVV ) aufgestellt und eine Auszahlung der Kinderrente an die getrennt lebende oder geschiedene Mutter unter der Voraussetzung zugelassen, dass diese die elterliche Gewalt innehat, das Kind nicht beim rentenberechtigten BGE 129 V 362 S. 365 Vater wohnt und sich dessen Unterhaltspflicht in einem Kostenbeitrag erschöpft ( BGE 103 V 134 Erw. 3 mit Hinweisen). In einem Kostenbeitrag erschöpft sich die Unterhaltspflicht nach dieser Rechtsprechung, wenn die Unterhaltsbeiträge die von HANS WINZELER (Die Bemessung der Unterhaltsbeiträge für Kinder, Diss. Zürich 1974) in Zusammenarbeit mit dem Jugendamt des Kantons Zürich ermittelten Ansätze für den Unterhaltsbedarf von Kindern nicht erreichen (SVR 2002 IV Nr. 5 S. 11 Erw. 3c/aa, 1999 IV Nr. 2 S. 6 Erw. 2a; vgl. auch BGE 122 V 125 ). Diese nunmehr vom BSV regelmässig der Lohn- und Preisentwicklung angepassten Ansätze werden jeweils im Anhang III der bundesamtlichen Wegleitung über die Renten (RWL) veröffentlicht. 3.3 Mit der auf den 1. Januar 1997 in Kraft getretenen 10. AHV-Revision (Bundesgesetz vom 7. Oktober 1994) und den damit einhergehenden Änderungen des IVG hat der Gesetzgeber Art. 35 IVG durch einen neuen Abs. 4 ergänzt. Danach wird die Kinderrente wie die Rente ausbezahlt, zu der sie gehört (Satz 1); vorbehalten bleiben die Bestimmungen über die zweckgemässe Rentenverwendung ( Art. 50 IVG ) und abweichende zivilrichterliche Anordnungen (Satz 2); der Bundesrat kann ergänzende Vorschriften für die Auszahlung erlassen, namentlich für Kinder aus getrennter oder geschiedener Ehe (Satz 3). Von dieser ihm eingeräumten Befugnis hat der Bundesrat zunächst keinen Gebrauch gemacht, weshalb das Eidgenössische Versicherungsgericht in dem in SVR 2000 IV Nr. 22 S. 65 publizierten Urteil J. vom 29. November 1999 (I 171/99) erkannt (S. 66 Erw. 1a in fine) und seither wiederholt bestätigt hat (SVR 2002 IV Nr. 5 S. 11 f. Erw. 3c/aa in fine, nicht veröffentlichte Urteile R. vom 14. April 2000 [I 425/99] und C. vom 13. Februar 2002 [I 366/00]), dass die unter alt Art. 35 IVG ergangene Rechtsprechung weiterhin massgebend bleibt. 3.4 Erst mit der gleichzeitigen Änderung von AHVV und IVV vom 14. November 2001 hat der Bundesrat unter anderm für die Auszahlung von Kinderrenten der Invalidenversicherung bei getrennter oder geschiedener Ehe gestützt auf die Delegationsnorm in Satz 3 von Art. 35 Abs. 4 IVG eine spezielle Regelung auf Verordnungsstufe geschaffen, indem er in Art. 82 IVV den Art. 71ter AHVV für die Auszahlung der Kinderrenten der Invalidenversicherung als sinngemäss anwendbar erklärt hat (Änderung der AHVV vom 14. November 2001, AS 2002 199; Änderung der IVV vom 14. November 2001; AS 2002 200). Nach Art. 71ter Abs. 1 AHVV ist die Kinderrente, wenn die Eltern des Kindes nicht oder nicht mehr BGE 129 V 362 S. 366 miteinander verheiratet sind oder getrennt leben, auf Antrag dem nicht rentenberechtigten Elternteil auszuzahlen, wenn diesem die elterliche Sorge über das Kind zusteht und es bei ihm wohnt (Satz 1); abweichende vormundschaftliche oder zivilrichterliche Anordnungen bleiben vorbehalten (Satz 2). Laut Abs. 2 gilt dies auch für die Nachzahlung von Kinderrenten (Satz 1); hat der rentenberechtigte Elternteil seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind erfüllt, so steht ihm die Nachzahlung im Umfang der monatlich erbrachten Leistungen zu (Satz 2). Diese Ordnung ist erst auf den 1. Januar 2002 in Kraft getreten, sodass sie im vorliegenden Fall, in welchem es um die Auszahlung von bereits am 26. Januar und 24. Februar 2000 zugesprochenen Kinderrenten geht, keine Anwendung findet. 4. 4.1 Entgegen der in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vertretenen Auffassung war eine Auszahlung von Kinderrenten an den selbst nicht anspruchsberechtigten Elternteil im vorliegend massgebenden Zeitpunkt (Januar/Februar 2000) nicht nur zulässig, wenn die für eine Drittauszahlung zwecks Gewährleistung zweckgemässer Rentenverwendung nach Art. 76 AHVV in Verbindung mit Art. 84 IVV erforderlichen Voraussetzungen erfüllt waren (Erw. 3.2 hievor). Die vor dem In-Kraft-Treten der mit der 10. AHV-Revision geänderten Normen massgebende Praxis zur Auszahlung von Kinderrenten an den nicht rentenberechtigten Elternteil beanspruchte vorerst vielmehr weiterhin Geltung (Erw. 3.3 hievor). Für die Zulässigkeit der vorliegend streitigen Auszahlung der Kinderrenten an die Ehefrau des Beschwerdeführers ist deshalb auch die von der Vorinstanz als entscheidend erachtete Frage, ob der Versicherte seiner Unterhaltspflicht jeweils nachgekommen ist, nicht von ausschlaggebender Bedeutung. 4.2 Im Zeitpunkt des Erlasses der Verfügungen vom 26. Januar und 24. Februar 2000 hatte die geschiedene Ehefrau des Beschwerdeführers die elterliche Sorge über die gemeinsamen Kinder inne. Auch wohnten diese bei der Mutter und nicht beim rentenberechtigten Vater. Angesichts des im Scheidungsurteil des Bezirksgerichts Y. vom 30. Juni 1988 pro Kind auf monatlich Fr. 400.- resp. Fr. 450.- (zuzüglich Kinderzulage, indexgebunden) festgesetzten und gemäss Ausführungen in der im vorinstanzlichen Verfahren eingereichten Beschwerde Fr. 540.- resp. ab Juni 1999 Fr. 585.- ausmachenden Unterhaltsbeitrages kann schliesslich davon ausgegangen werden, dass sich die Unterhaltspflicht des Beschwerdeführers BGE 129 V 362 S. 367 auf einen Kostenbeitrag beschränkte, lagen die Ansätze für den Unterhaltsbedarf der im November 1983 und im Juli 1980 geborenen beiden Kinder doch - wie das BSV in seiner Stellungnahme vom 26. Oktober 2001 zutreffend aufzeigt - deutlich höher (vgl. Anhang III zur RWL). Nach Massgabe der auch nach Inkraftsetzung des Art. 35 Abs. 4 IVG auf den 1. Januar 1997 zunächst weiterhin geltenden Rechtsprechung ist der Anspruch der Ehefrau des Beschwerdeführers auf direkte Auszahlung der Kinderrenten demnach ausgewiesen. 5. Zu prüfen bleibt, ob der auf den 1. Januar 2000 neu eingefügte Abs. 2bis von Art. 285 ZGB an dieser Rechtslage etwas geändert hat. Danach hat der Unterhaltspflichtige, der infolge Alter oder Invalidität nachträglich Sozialversicherungsrenten oder ähnliche für den Unterhalt des Kindes bestimmte Leistungen erhält, die Erwerbseinkommen ersetzen, diese Beträge dem Kind zu zahlen; der bisherige Unterhaltsbeitrag vermindert sich von Gesetzes wegen im Umfang dieser neuen Leistungen. Vor dem In-Kraft-Treten dieser Norm stellte der gleichzeitige Bezug von Unterhaltsbeiträgen und Kinderrenten durch die vom Rentenberechtigten getrennt lebende oder geschiedene Ehefrau demgegenüber keine unzulässige Leistungskumulation dar ( Art. 285 Abs. 2 ZGB ; BGE 128 III 308 ff. Erw. 4; SVR 2002 IV Nr. 5 S. 12 Erw. 3c/bb). Mit dem neu eingefügten Abs. 2bis von Art. 285 ZGB ist eine für den unterhaltspflichtigen Rentenberechtigten im Vergleich zur früheren Rechtslage vorteilhaftere Regelung getroffen worden. Diese wirkt sich in erster Linie auf die Höhe der noch geschuldeten Unterhaltsbeiträge aus. Ein direkter Einfluss auf die Zulässigkeit einer Auszahlung von Kinderrenten an den selbst nicht anspruchsberechtigten Ehegatten, der die elterliche Sorge über die bei ihm wohnenden gemeinsamen Kinder innehat, ist daraus nicht zwingend abzuleiten. 5.1 Soweit es um laufende Rentenzahlungen geht, dürfte sich das Problem einer unerwünschten Kumulation von Sozialversicherungsleistungen und Unterhaltsbeiträgen in der Regel nicht stellen, da der Unterhaltspflichtige, nachdem sich der bisherige Unterhaltsbeitrag auf Grund von Art. 285 Abs. 2bis ZGB von Gesetzes wegen im Umfang der Kinderrente vermindert, ohne weitere Umtriebe - insbesondere ohne vorgängig eine Abänderung des Scheidungsurteils erwirken zu müssen ( BGE 128 III 308 Erw. 3) - die Möglichkeit hat, seine Beitragszahlungen rechtzeitig zu stoppen oder zu reduzieren. BGE 129 V 362 S. 368 5.2 5.2.1 Was die Nachzahlung von Kinderrenten anbelangt, ist für den vorliegend zu beurteilenden Fall bedeutsam, dass die neue Regelung in Art. 285 Abs. 2bis ZGB - wie auch das Bundesamt für Justiz in seiner zuhanden des BSV erstatteten Vernehmlassung vom 19. Mai 2000 bestätigt - nicht rückwirkend zur Anwendung gelangt ( BGE 128 III 307 Erw. 2b). Die für die Zeit bis Ende 1999 ausbezahlten Kinderrenten, die bei der Festlegung des Kinderunterhalts noch keine Berücksichtigung gefunden haben, sind auf Grund von Art. 285 Abs. 2 ZGB zusätzlich zu den Unterhaltsbeiträgen geschuldet; diese Kumulation entfällt erst mit der Abänderung der Kinderunterhaltsbeiträge im Verfahren nach Art. 286 Abs. 2 ZGB ( BGE 128 III 308 ff. Erw. 4 ff.). Gegen die Ausrichtung der für die Zeit bis Ende 1999 zugesprochenen Kinderrenten an die Ehefrau des Anspruchsberechtigten ist demnach, entsprechend der bis dahin massgebend gewesenen Rechtslage, ungeachtet des damit verbundenen Zusammentreffens von Renten- und Unterhaltszahlungen, nichts einzuwenden. 5.2.2 Die Nachzahlung von Kinderrenten für einen nach dem In-Kraft-Treten des Art. 285 Abs. 2bis ZGB liegenden Zeitraum - im vorliegenden Fall mithin einzig für den Monat Januar 2000 - an den Ehegatten der anspruchsberechtigten Person birgt demgegenüber die Gefahr in sich, die mit der neuen Regelung in Art. 285 Abs. 2bis ZGB anvisierte - und nach der seit 1. Januar 2002 geltenden Regelung durch Art. 71ter AHVV in Verbindung mit Art. 82 IVV (Erw. 3.4 hievor) auch weit gehend gesicherte - Verbesserung der Position des rentenberechtigten Unterhaltspflichtigen zu vereiteln. Diesem wird es unter Umständen nicht mehr möglich sein, bereits bezahlte, nach der rückwirkenden Rentenzusprechung auf Grund von Art. 285 Abs. 2bis ZGB jedoch gar nicht mehr geschuldete Unterhaltsbeiträge wieder erhältlich zu machen. Es ist indessen nicht Sache des Sozialversicherungsgerichts, über eine allfällige Rückforderung früher zu viel bezahlter Unterhaltsbeiträge zu befinden. Aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht kann sich einzig die Frage stellen, ob der Entstehung einer solchen für den rentenberechtigten Unterhaltspflichtigen unbefriedigenden Situation allenfalls im Sinne einer Vorbeugung mit einer Einschränkung der bei der Auszahlung von Kinderrenten an den getrennt lebenden oder geschiedenen Ehegatten der anspruchsberechtigten Person bestehenden Praxis wirksam entgegengetreten werden kann. Dies liesse sich unter Umständen realisieren, indem etwa, wie vom Bundesamt BGE 129 V 362 S. 369 für Justiz in der mehrfach erwähnten Stellungnahme vom 19. Mai 2000 angeregt und auch vom BSV dem Grundsatz nach befürwortet, die Auszahlung von Kinderrenten an den Ehegatten des Rentenberechtigten nur in dem Umfang zugelassen würde, in welchem für die nämliche Zeitspanne nicht bereits Unterhaltsbeiträge geleistet wurden. Die Schaffung einer speziellen Auszahlungsregelung, welche der mit Art. 285 Abs. 2bis ZGB verfolgten Zielsetzung angemessen Rechnung trägt und dabei doch auch allenfalls davon tangierte andere Interessen, etwa das Bestreben nach Geringhaltung des administrativen Aufwandes der Verwaltung, nicht vernachlässigt, würde die blosse Auslegung bestehender Normen indessen bei weitem sprengen. Hinsichtlich des bis Ende 2001 anhaltenden Fehlens einer genaueren Regelung der Auszahlungsmodalitäten auf Gesetzes- oder Verordnungsstufe kann auch nicht von einer echten Lücke gesprochen werden, deren Schliessung durch das Sozialversicherungsgericht an sich zulässig wäre (vgl. BGE 127 V 41 Erw. 4b/cc und 4b/dd mit Hinweisen). Eine Ergänzung der bis Ende 2001 aktuellen normativen Ordnung, wie sie nunmehr mit Art. 71ter AHVV in Verbindung Art. 82 IVV verwirklicht worden ist, auch für die Zeit vor dem 1. Januar 2002 liegt deshalb nicht im Zuständigkeitsbereich der Sozialversicherungsgerichte. Einzig dem Gesetzgeber oder allenfalls - auf Verordnungsstufe - dem Bundesrat stand die Kompetenz zu, der nicht ohne weiteres überzeugenden früheren Auszahlungsregelung durch den Erlass einschlägiger Bestimmungen zu begegnen, wie dies nunmehr mit der Schaffung von Art. 71ter AHVV und dem Verweis darauf in Art. 82 IVV auch geschehen ist. 6. Zusammenfassend lässt sich demnach gegen die Auszahlung an die geschiedene Ehefrau des Beschwerdeführers weder bezüglich der laufenden Kinderrente noch bezüglich der Kinderrenten-Nachzahlung etwas einwenden. Dass damit allenfalls für den Monat Januar 2000 nebst der Kinderrente - wegen der Neuregelung in Art. 285 Abs. 2bis ZGB zu Unrecht - zusätzlich auch noch der Unterhaltsbeitrag für den gemeinsamen Sohn an die Ehefrau gelangt, ist angesichts des Fehlens einer dies ausschliessenden Regelung auf Gesetzes- oder Verordnungsstufe im massgebenden Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Verfügungen vom 26. Januar und 24. Februar 2000 hinzunehmen. Immerhin bleibt anzumerken, dass sich die Rechtslage für den Beschwerdeführer hinsichtlich seiner Leistungen für diesen Monat im Vergleich zu seinen bis Ende 1999 bestehenden Verpflichtungen nicht ungünstiger präsentiert. 7. Obschon nicht die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen streitig war (Erw. 2 hievor) und das Verfahren deshalb grundsätzlich kostenpflichtig wäre (Umkehrschluss aus Art. 134 OG ), werden für das vorliegende Verfahren praxisgemäss keine Gerichtskosten erhoben (SVR 2002 IV Nr. 5 S. 12 Erw. 4a mit Hinweisen).
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Erwägungen ab Seite 167 BGE 117 V 166 S. 167 Aus den Erwägungen: 2. Nach dem seit 1. Januar 1985 in Kraft stehenden Art. 36 BVG werden Hinterlassenen- und Invalidenrenten, nicht aber Altersrenten, deren Laufzeit 3 Jahre überschritten hat, für Männer bis zum vollendeten 65., für Frauen bis zum vollendeten 62. Altersjahr nach Anordnung des Bundesrates der Preisentwicklung angepasst (Abs. 1). Die Vorsorgeeinrichtung hat im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten Bestimmungen über die Anpassung der laufenden Renten in den übrigen Fällen zu erlassen (Abs. 2). Gestützt auf Art. 36 Abs. 1 BVG hat der Bundesrat am 16. September 1987 die Verordnung über die Anpassung der laufenden Hinterlassenen- und Invalidenrenten an die Preisentwicklung, in Kraft seit 1. Januar 1988, erlassen. Wie aus Art. 6 BVG hervorgeht, stellt Art. 36 BVG eine Mindestvorschrift dar, welche einzig für die seit 1. Januar 1985 in Kraft stehende obligatorische Versicherung der Arbeitnehmer ( Art. 2 BVG ) massgeblich ist. Art. 49 BVG schränkt die Selbständigkeit der Vorsorgeeinrichtungen in der weitergehenden Vorsorge (Abs. 1), wozu praxisgemäss auch die vorobligatorische Vorsorge zählt ( BGE 114 V 35 Erw. 1a, 37 Erw. 2a), bezüglich Art. 36 BVG nicht ein (Abs. 2). Doktrin (RIEMER, Das Recht der beruflichen Vorsorge in der Schweiz, S. 29, N 14 in fine zu § 1) und Verwaltungspraxis (vgl. Mitteilungen des Bundesamtes für Sozialversicherung [BSV] über die berufliche Vorsorge, Nr. 5 Rz. 32, Nr. 11 Rz. 61 f. und Nr. 13 Rz. 80) gehen denn auch davon aus, dass Art. 36 BVG nur für die obligatorische Vorsorge gilt, wogegen im weitergehenden Bereich der beruflichen Vorsorge von Gesetzes wegen keine Verpflichtung zur Anpassung der Hinterlassenen- oder Invalidenrenten an die Preisentwicklung besteht. 3. a) Wie bereits im vorinstanzlichen Verfahren bringt der Beschwerdeführer im wesentlichen einzig vor, die auf den 30. November 1983 erfolgte Beendigung des Arbeitsverhältnisses BGE 117 V 166 S. 168 mit der Micafil AG sei in Verletzung der zwingenden arbeitsvertragsrechtlichen Bestimmungen über die Kündigungsbeschränkung bei Krankheit des Arbeitnehmers erfolgt. Wäre sein "Arbeitsverhältnis unter anständigen und regulären Bedingungen gekündigt worden und nicht, wie geschehen, abseits von Recht und Gesetz, so hätte der Austritt zu einem späteren Zeitpunkt, nämlich mindestens 2 Monate später, am 31. Januar 1984 stattgefunden. Dies wiederum hätte unter Anrechnung einer einjährigen Karenzzeit bedeutet, dass (er) rückwirkend auf den 1. Februar 1985 invalidisiert worden wäre." Damit will der Beschwerdeführer geltend machen, dass bei ordnungsgemässer Beendigung des Arbeitsverhältnisses der von der Pensionskasse übernommene Beginn der Wartezeit ( Art. 29 IVG ) später erfolgt und der Rentenanspruch diesfalls erst 1985 entstanden wäre, somit unter dem Obligatorium gemäss BVG. b) Diesen Vorbringen ist zunächst entgegenzuhalten, dass es im Rahmen der Beurteilung eines vorsorgerechtlichen Anspruches grundsätzlich nicht Sache des Eidg. Versicherungsgerichts sein kann, von einer durch die Beteiligten geschaffenen arbeitsvertraglichen Sachlage abzugehen. Statt dessen gestützt auf irgendwelche behauptete hypothetische Verhältnisse zu entscheiden, geht jedenfalls dort nicht an, wo der Versicherte, wie vorliegend, eine arbeitsgerichtliche Beurteilung hätte herbeiführen können. Ob das Arbeitsverhältnis im Falle einer Klage des Beschwerdeführers durch das Arbeitsgericht noch verlängert worden wäre, ist im übrigen nach der Aktenlage fraglich, für den Ausgang des vorliegenden Verfahrens indessen in keiner Weise massgeblich. Denn ob eine Invalidenrente vorobligatorischer Natur sei oder vom BVG-Obligatorium erfasst werde und insoweit dem Teuerungsausgleich unterliege, beurteilt sich nicht nach dem Zeitpunkt des Rentenbeginns. Die Annahme eines überhaupt dem Obligatorium unterstehenden Versicherungsverhältnisses - und folglich eine darauf beruhende Rentenberechtigung - setzt vielmehr voraus, dass der Leistungsansprecher tatsächlich nach dem 1. Januar 1985 koordinierten Lohn gemäss den Bestimmungen des BVG bezogen hat (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 7 ff. BVG ). Dies trifft hier nicht zu. Denn es ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer nach Ende November 1983 für die Firma Micafil AG nicht mehr als Arbeitnehmer tätig gewesen ist, weshalb er zumindest im hier streitigen und massgeblichen Verhältnis zur Pensionskasse nie koordinierten Lohn im Sinne von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit BGE 117 V 166 S. 169 Art. 7 ff. BVG bezog. Damit war er bei der Beschwerdegegnerin nie obligatorisch nach Massgabe des BVG versichert mit der Folge, dass seine ausschliesslich vorobligatorisch geäufnete Rente kein Altersguthaben umfasst, bezüglich dessen, zur Invalidenrente umgerechnet (Art. 24 in Verbindung mit Art. 15 BVG ), der gesetzliche Teuerungsausgleich nach Art. 36 BVG einzig zum Tragen käme. 4. Handelt es sich somit bei der Invalidenrente des Beschwerdeführers um einen Anspruch aus vorobligatorischer Vorsorge, gibt es keine gesetzliche (und unbestrittenerweise auch keine reglementarische) Grundlage, um seinem Antrag auf Indexierung der Rente stattzugeben. Dass dieses Ergebnis als unbefriedigend erscheint, weil sich der wirtschaftliche Wert der Invalidenrente zufolge der ansteigenden Preisentwicklung, trotz der freiwilligen Anpassungen, verringert, gibt dem Richter nicht die Befugnis, die Vorsorgeeinrichtung zur Indexierung zu verpflichten. Art. 36 BVG , welcher selber für die verschiedenen Rentenarten eine unterschiedliche Regelung enthält, zeigt, dass dies Sache des Gesetzgebers ist (Erw. 3). Der vorinstanzliche Entscheid, mit welchem das Rechtsbegehren um teuerungsbedingte Erhöhung der Invalidenrente abgewiesen wurde, lässt sich somit nicht beanstanden.
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8fce1627-785b-499e-98bf-57c600032cda
Sachverhalt ab Seite 369 BGE 143 III 369 S. 369 Die Ehegatten C.B. und B.B. schlossen 2015 einen öffentlich beurkundeten Ehe- und Erbvertrag und vereinbarten, dass die Gesamtsumme beider Vorschläge dem überlebenden Ehegatten zusteht und der vorversterbende Ehegatte den nachversterbenden als Universalerben einsetzt. 2016 starb C.B. (Erblasser). Gesetzliche Erbinnen sind seine Ehefrau B.B. sowie die gemeinsamen Töchter D. und A. A. verlangte die Aufnahme eines öffentlichen Inventars. Die kantonalen Gerichte wiesen das Gesuch ab. A. (Beschwerdeführerin) erneuert ihr Gesuch vor Bundesgericht, das ihre Beschwerde abweist. (Zusammenfassung) BGE 143 III 369 S. 370 Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. 2.1 Die Beschwerdeführerin ist die Tochter des Erblassers und damit gesetzliche Erbin ( Art. 457 ZGB ) und pflichtteilsberechtigt ( Art. 471 Ziff. 1 ZGB ). Sie wurde vom Erblasser mit Verfügung von Todes wegen vollständig übergangen und erlangt ihre Erbenstellung erst mit einem zu ihren Gunsten lautenden Herabsetzungsurteil ( BGE 138 III 354 E. 5 S. 357; vgl. BGE 139 V 1 E. 4.3 S. 4 f.) oder Ungültigkeitsurteil ( BGE 86 II 340 E. 5 S. 344; vgl. BGE 139 V 1 E. 4.4 S. 5; DENIS PIOTET, N. 35 zu Art. 519/520 und N. 3 vor Art. 522-533 ZGB , sowie SPAHR, N. 9 zu Art. 602 und N. 8 zu Art. 604 ZGB , je in: Commentaire romand, Code civil, Bd. II, 2016; FORNI/PIATTI, N. 31 zu Art. 519/520 und N. 2 vor Art. 522-533 ZGB , sowie SCHAUFELBERGER/KELLER LÜSCHER, N. 5 und 5a zu Art. 602 und N. 20 zu Art. 604 ZGB , je in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, Bd. II, 5. Aufl. 2015; HRUBESCH-MILLAUER, N. 3 vor Art. 522 ff. ZGB , sowie WEIBEL, N. 11 zu Art. 602 und N. 10 zu Art. 604 ZGB , je in: Praxiskommentar Erbrecht, Abt/Weibel [Hrsg.], 3. Aufl. 2015; STEINAUER, Le droit des successions, 2. Aufl. 2015, S. 418 N. 787; WOLF/GENNA, Erbrecht, SPR Bd. IV/1, 2. Aufl. 2012, S. 449 f.; je mit weiteren Hinweisen; grundlegend: PAUL PIOTET, La protection du réservataire en droit successoral suisse, ZSR 91/1972 I S. 25 ff., 30; REINOLD RAEMY, Das Pflichtteilsrecht und die Erbenqualität, 1982, S. 68 ff.). 2.2 Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin hat das Bundesgericht mit seinem in Dreierbesetzung gefällten und nicht amtlich veröffentlichten Urteil 5A_610/2013 vom 1. November 2013 seine Praxis nicht ändern und auch nicht auf eine frühere Rechtsprechung zurückkommen wollen (zit. Urteil 5A_610/2013 E. 2.2.1, in: ZBGR 96/2015 S. 198 f.; kritisch ALEXANDRA HIRT, Sicherungs- bzw. öffentliches Inventar auf Antrag eines virtuellen Erben, Der digitale Rechtsprechungs-Kommentar [dRSK], 20. Februar 2014). Die Beschwerdeführerin bezeichnet sich denn auch ausdrücklich als sog. virtuelle Erbin des Erblassers. 2.3 Das Obergericht ist somit von zutreffenden erbrechtlichen Grundsätzen ausgegangen, indem es dafürgehalten hat, die Beschwerdeführerin, die vom Erblasser mittels Ehe- und Erbvertrag vollständig von der Erbschaft ausgeschlossen worden sei, müsse die bereits angekündigte Ungültigkeits-, eventuell Herabsetzungsklage erheben, um Erbenstellung zu erlangen. BGE 143 III 369 S. 371 3. 3.1 Berechtigt, ein öffentliches Inventar zu verlangen, ist gemäss Art. 580 Abs. 1 ZGB jeder Erbe, der die Befugnis hat, die Erbschaft auszuschlagen. Die vom Erblasser mit Verfügung von Todes wegen vollständig übergangene Beschwerdeführerin kann ein öffentliches Inventar folglich (E. 2 oben) erst verlangen, wenn sie ihre Erbenstellung durch ein zu ihren Gunsten lautendes Ungültigkeits- oder Herabsetzungsurteil erlangt hat. Vorher ist die Ausschlagung für sie weder nötig noch möglich (RAEMY, a.a.O., S. 96 f.; RUBIDO, in: Commentaire romand, a.a.O., N. 2 zu Art. 580 ZGB ; WISSMANN/ VOGT/LEU, in: Basler Kommentar, a.a.O., N. 2 zu Art. 580 ZGB ; NONN/ENGLER, in: Praxiskommentar Erbrecht, a.a.O., N. 1 und 8 zu Art. 580 ZGB ; WOLF/GENNA, Erbrecht, SPR Bd. IV/2, 2. Aufl. 2015, S. 106; STEINAUER, a.a.O., S. 532 N. 1013a; je mit weiteren Hinweisen). 3.2 Gegenteiliges ergibt sich aus den Erwägungen des Urteils 5A_610/ 2013 vom 1. November 2013 nicht. Darin wird nicht die Berechtigung, ein öffentliches Inventar ( Art. 580 ff. ZGB ) zu verlangen, geprüft, sondern die Frage beantwortet, ob ein von der Erbfolge ausgeschlossener Pflichtteilserbe ein Inventar gemäss Art. 553 ZGB und damit eine Sicherungsmassregel ( Art. 551 ff. ZGB ) verlangen könne (zit. Urteil 5A_610/2013 E. 2.2.2, in: ZBGR 96/2015 S. 199 f.). Diese Frage indessen stellt sich heute nicht. 3.3 Gegen die Verneinung ihrer Berechtigung, ein öffentliches Inventar zu verlangen, wendet die Beschwerdeführerin ein, sie habe ein schutzwürdiges Interesse daran, im Hinblick auf ihre Herabsetzungsklage über Aktiven und Passiven des Nachlasses (mit Bewertungen) genaue Kenntnis zu erhalten, und die Verweigerung des öffentlichen Inventars bedeute eine Ungleichbehandlung zwischen ihr als gesetzlicher Erbin und der Ehefrau des Erblassers als Alleinerbin kraft Verfügung von Todes wegen. 3.4 Die Einwände erweisen sich als unbegründet. Zum einen setzt die Erhebung der Herabsetzungsklage nicht voraus, dass das genaue Ausmass der Pflichtteilsverletzung feststeht, sondern es genügt die Kenntnis der ungefähren Nachlasshöhe ( BGE 138 III 354 E. 5.2 S. 358), die die Beschwerdeführerin auch ohne die verlangte Inventaraufnahme bereits hat und zu belegen vermag. Als vollständig übergangene Pflichtteilserbin hat sie von der Verletzung ihrer Rechte ohnehin bereits aus der entsprechenden Verfügung von Todes BGE 143 III 369 S. 372 wegen Kenntnis erhalten ( BGE 138 III 354 E. 5.2 S. 358). Zum anderen ist eine Verfügung von Todes wegen wirksam, solange sie nicht auf Klage hin gerichtlich für ungültig erklärt oder herabgesetzt wird ( BGE 86 II 340 E. 5 S. 344; vgl. BGE 139 V 1 E. 4.4 S. 5), weshalb zwischen wirksam eingesetzter Alleinerbin und wirksam von der Erbschaft ausgeschlossener gesetzlicher Erbin zu vergleichen ist und ein sachlicher Grund für eine unterschiedliche Berechtigung, ein öffentliches Inventar zu verlangen, besteht. Eine Ungleichbehandlung ist weder ersichtlich noch dargetan ( BGE 136 I 345 E. 5 S. 347 f.). 3.5 Ohne Verletzung von Bundesrecht hat das Obergericht somit annehmen dürfen, die Beschwerdeführerin sei nicht berechtigt, ein öffentliches Inventar zu verlangen. (...)
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Sachverhalt ab Seite 305 BGE 101 II 305 S. 305 A.- Die am 9. April 1966 in Basel verstorbene ledige Mathilde R. hinterliess als gesetzliche Erben ihre beiden Schwestern Hedwig P. und Suzanne R. Am 8. Juli 1961 hatte BGE 101 II 305 S. 306 die Erblasserin von ihrer Mutter, Berta R., das Haus ... Nr. 130 in Basel käuflich erworben. Am gleichen Tag traf sie die folgende als Erbvertrag bezeichnete Verfügung von Todes wegen: "Erbvertrag Vor mir, dem unterzeichneten öffentlichen Notar zu Basel ist erschienen: Fräulein Mathilde R., ledig und mehrjährig, von und in Basel, mir, dem Notar, persönlich bekannt, und hat mir erklärt: Ich wünsche von Todes wegen folgendes zu verfügen: I. Sollte ich vor meiner Mutter sterben, sind meine beiden Schwestern, nämlich Frau Hedwig p. und Frau Suzanne R., oder deren Nachkommen, meine einzigen gesetzlichen Erben; ihr Erbrecht richtet sich nach den gesetzlichen Bestimmungen. Meiner Mutter vermache ich die lebenslängliche sicherstellungsfreie Nutzniessung an meinem Nachlass; vorbehalten bleibt das Legat gemäss nächstem Absatz. Meine beiden Neffen Samuel S., geboren 1938 (neunzehnhundertachtunddreissig) und Stephan S., geboren 1941 (neunzehnhunderteinundvierzig), den Kindern meiner vorverstorbenen Schwester Gertrud, vermache ich als Vermächtnisnehmern je einen Barbetrag in Höhe von Fr. 5'000.-- (fünftausend Franken). II Sollte meine Mutter vor mir sterben, so sind meine einzigen Erben die beiden sub I (eins) hievor genannten Schwestern, Frau Hedwig P. und Frau Suzanne R., oder deren Nachkommen; ihr Erbrecht richtet sich nach den gesetzlichen Vorschriften. Meine beiden Neffen, Samuel S., geboren 1938 (neunzehnhundertachtunddreissig) und Stephan S., geboren 1941 (neunzehnhunderteinundvierzig), den Kindern meiner vorverstorbenen Schwester Gertrud, vermache ich als Vermächtnisnehmern je einen Barbetrag von Fr. 5'000.-- (fünftausend Franken). III Ich unterstelle die Erbfolge in meinen Nachlass ausdrücklich dem Rechte des Kantons Basel-Stadt als meines Heimatkantons. IV Sollte ein Erbe oder Vermächtnisnehmer dieses Testament in irgend einer Form anfechten, verfüge ich, dass er vom Erbrecht vollständig (hier fehlen offenbar die Worte: ausgeschlossen sein soll). V Ich hebe hierdurch alle meine früheren Verfügungen von Todes wegen auf. Alsdann ist erschienen Frau Witwe Berta R., Hausfrau, von und in Basel, mir, dem Notar persönlich bekannt, und hat mir erklärt: BGE 101 II 305 S. 307 Ich habe von den Erklärungen meiner Tochter Kenntnis genommen. Ich bin mit ihnen in allen Teilen einverstanden, insbesondere bin ich damit einverstanden, dass ich beim Vorabsterben meiner Tochter an deren Nachlass die lebenslängliche Nutzniessung erhalte." (Es folgen Beurkundungsformel und Zeugenbestätigung.) Die Mutter Berta R. starb vor ihrer Tochter Mathilde am 12. März 1965. Diese errichtete am 3. Dezember 1965 ein eigenhändiges Testament, in welchem sie ihre Schwester, Frau Hedwig P., als einzige Erbin einsetzte. Bei deren Vorabsterben sollten ihre Nachkommen zu gleichen Teilen die Erbschaft antreten. In Ziffer 3 des Testaments verpflichtete die Erblasserin Hedwig P. (oder deren Nachkommen), aus dem ihr zufallenden Erbteil die 36 Aktien der X. AG mit ihren eigenen oder den ihrem Ehemann gehörenden 37 Aktien der X. AG ihrer Schwester, Frau Suzanne R., zu Eigentum zu übertragen, sofern sich diese bereit erkläre, ihren Drittel-Anteil am Hause ... Nr. 127 Zug um Zug ohne Barausgleichung auf Frau Hedwig P. oder deren Nachkommen zu übertragen. Sollte sich Frau Suzanne R. hiezu innerhalb eines halben Jahres seit dem Ableben der Erblasserin nicht bereit erklären, falle die zu Lasten von Frau Hedwig P. aufgestellte Verpflichtung dahin. Für den Fall, dass dieser Abtausch deshalb nicht zustande komme, weil sich Herr P. oder dessen Erben weigern, die ihnen gehörenden Aktien der X. AG für den Abtausch zur Verfügung zu stellen, bestimmte die Erblasserin, dass die Erbeinsetzung der Frau Hedwig P. dahinfallen und das gesetzliche Erbrecht gelten solle. Mit diesem Testament hob Mathilde R. alle ihre früheren Verfügungen von Todes wegen auf. Nach dem Tode von Mathilde R. verhandelten ihre beiden Schwestern über den im Testament vorgesehenen Abtausch, auf den sie schliesslich mit einer Vereinbarung vom 31. Dezember 1969/7. Januar 1970 verzichteten. Hingegen verkaufte Suzanne R. die ihr gehörenden Aktien der X. AG ihrer Schwester Hedwig P. In Ziffer II der genannten Vereinbarung wurde folgendes festgehalten: "Durch den vorstehenden Aktienverkauf ist der im Testament der Fräulein Mathilde R. vom 3. Dezember 1965 in Ziff. 3 vorgesehene Abtausch hinfällig geworden. Beide Parteien verzichten daher ausdrücklich auf diesen Abtausch. Sämtliche Korrespondenzen, die den Abtausch zum Gegenstand haben, sind somit gegenstandslos. Im Sinne einer Klarstellung verschiedener Differenzen wird bezüglich der im Gesamteigentum (intern zu 2/3 Frau Hedwig P. und zu BGE 101 II 305 S. 308 1/3 Frau Suzanne R.) stehenden Liegenschaft ... Nr. 127 folgendes festgehalten:" (Es folgen eine Anzahl von Bestimmungen, die für das vorliegende Verfahren ohne Bedeutung sind.) B.- Am 6. November 1972 reichte Suzanne R. beim Zivilgericht des Kantons Basel-Stadt gegen Hedwig P. Klage ein mit den folgenden Anträgen: "1. Hiemit fechte ich die letztwillige Verfügung (Testament) meiner Schwester Mathilde R. vom 3. Dezember 1965, die im Widerspruch zum Erbvertrag zwischen meiner Mutter Frau Wwe. Berta R. und meiner Schwester Fräulein Mathilde R. vom 8. Juli 1961 steht, auf Grund von Art. 494 Abs. 3 ZGB an. 2. Diese Verfügung sei, soweit sie die Beklagte und mich betrifft und die Beklagte, meine Schwester, mir gegenüber begünstigt, in Analogie zu Art. 522 ZGB betr. Herabsetzungsklage herabzusetzen, und es sei die Beklagte zu verpflichten, mit mir den Aktivsaldo der Erbschaft von Mathilde R. zu gleichen Teilen, d.h. zur Hälfte, zu teilen. 3. Es sei insbesondere festzustellen, dass das Haus ... Nr. 130 in Basel je zur Hälfte mir und meiner Schwester, der Beklagten, gehört. 4. Es sei die Beklagte zu verpflichten, auch den übrigen Nachlass von Mathilde R. mit mir zu teilen. 5. Es sei festzustellen, dass die Beklagte als bösgläubig Bedachte die ihr im Testament von Mathilde R. vom 3. Dezember 1965 zugedachten Vorteile für sich in Anspruch nimmt. 6. Ferner sei die Beklagte zu verpflichten, das Inventar des Nachlasses von Mathilde R. zu edieren, welches Inventar ich bis jetzt nicht besass. Ich habe davon erst kürzlich nur den Betrag des Reinvermögens erfahren." Die Beklagte beantragte die vollumfängliche Abweisung der Klage. Gleichzeitig erhob sie Widerklage, mit der sie die Feststellung verlangte, dass die Parteien an der nach aussen in ihrem Gesamteigentum stehenden Liegenschaft ... Nr. 127 in Basel im internen Verhältnis wie folgt beteiligt seien: zu einem Drittel die Klägerin und zu zwei Dritteln die Beklagte. Ferner beantragte die Beklagte, die Klägerin sei zu verurteilen, ihr den Betrag von Fr. 8'876.95 nebst Zins zu 5% seit 19. März 1973 zu bezahlen. C.- Das Zivilgericht des Kantons Basel-Stadt wies die Klage mit Urteil vom 19. August 1974 ab und hiess die Widerklage teilweise gut. Es stellte fest, dass die Beklagte an der im Gesamteigentum stehenden Liegenschaft ... Nr. 127, Basel, intern zu zwei Dritteln und die Klägerin zu einem Drittel beteiligt ist. Ferner verurteilte es die Klägerin zur Zahlung BGE 101 II 305 S. 309 von Fr. 8'074.45 nebst 5% Zins seit 19. März 1973 an die Beklagte und wies die Mehrforderung ab. Das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt, an welches die Klägerin appelliert hatte, bestätigte das Urteil des Zivilgerichts am 23. Mai 1975. Es erachtete die Klage als verjährt. Hingegen war es der Auffassung, dass die Klägerin den Herabsetzungsanspruch gemäss Art. 533 Abs. 3 ZGB gegenüber der Widerklage jederzeit einredeweise geltend machen könne. Im vorliegenden Falle könne die Klägerin diese Einrede jedoch aus materiellen Gründen nicht mehr erheben, weil sie das Testament vom 3. Dezember 1965 in voller Kenntnis des von ihr behaupteten Mangels wiederholt ausdrücklich, zuletzt in der Vereinbarung vom 31. Dezember 1969/7. Januar 1970, anerkannt habe. D.- Die Klägerin führt Berufung an das Bundesgericht mit dem Antrag, das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 23. Mai 1975 wegen Verletzung von Art. 533 Abs. 1 ZGB etc. aufzuheben. Die Beklagte beantragt, auf die Berufung nicht einzutreten, eventuell sie abzuweisen. Das Bundesgericht weist die Berufung ab, soweit auf sie eingetreten werden kann, und bestätigt das Urteil des Appellationsgerichts. Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. a) Zur Begründung ihrer Berufung macht die Klägerin zunächst geltend, das Testament vom 3. Dezember 1965, in welchem die Beklagte von der Erblasserin zur Alleinerbin eingesetzt worden ist, verletze den von Mathilde R. mit ihrer Mutter abgeschlossenen Erbvertrag vom 8. Juli 1961. Sinngemäss behauptet sie damit, das Testament sei ungültig, weil es neben dem Erbvertrag nicht zu Recht bestehen könne. Wegen Unvereinbarkeit mit erbvertraglichen Verpflichtungen kann das Testament zum vorneherein dann nicht angefochten werden, wenn der entsprechende Teil des Erbvertrages überhaupt nicht Bestimmungen vertraglicher Natur, sondern einseitige testamentarische Verfügungen enthält. Es ist nämlich allgemein anerkannt, dass Verfügungen von Todes wegen, die in der Form des Erbvertrages errichtet werden, neben Bestimmungen vertraglicher Art auch letztwillige Verfügungen enthalten BGE 101 II 305 S. 310 können, die gemäss Art. 509 ZGB frei widerruflich sind ( BGE 96 II 281 Erw. 3 und die dort angeführten Zitate). Bei Auslegung des Erbvertrages vom 8. Juli 1961 ergibt sich, dass die von der Klägerin angefochtene Ziffer II nicht vertraglicher Natur ist, sondern eine letztwillige Verfügung darstellt. Vertraglicher Natur ist nur Ziffer I, die der Mutter der Erblasserin anstelle ihres Pflichtteilsanspruches die Nutzniessung am Nachlass zuweist. Diese Anordnung bedurfte der Zustimmung der Mutter Berta R. Ziffer II des Erbvertrages enthält neben zwei Vermächtnissen die Bestimmung, dass bei Vorabsterben der Mutter die beiden noch lebenden Schwestern der Erblasserin bzw. deren Nachkommen ihre einzigen Erben sein werden. Dass diese Anordnungen vertraglicher Natur wären, ergibt sich aus der Verfügung in keiner Weise. Die Annahme der Klägerin, ihre Mutter habe die Liegenschaft ... Nr. 130 nur unter der Bedingung zu einem so günstigen Preis ihrer Tochter Mathilde verkauft, dass diese sich verpflichte, ihre beiden Schwestern zu gleichen Teilen als Erbinnen einzusetzen, findet weder im Wortlaut noch im Sinn des Erbvertrages eine Stütze. Die Klägerin behauptet auch nicht, eine solche Bedingung sei in dem am gleichen Tag wie der Erbvertrag zwischen der Erblasserin und ihrer Mutter abgeschlossenen Kaufvertrag enthalten. Das würde übrigens auch nicht genügen, weil eine solche Bedingung erbvertraglicher Natur wäre und daher der Form des Erbvertrages bedürfte. Ist demnach Ziffer II der Verfügung vom 8. Juli 1961 nicht erbvertraglicher Natur, sondern stellt sie eine letztwillige Verfügung dar, so durfte die Erblasserin sie jederzeit gemäss Art. 509 ZGB durch eine spätere Verfügung aufheben und ersetzen. Damit fällt eine Anfechtung gestützt auf Art. 494 Abs. 3 ZGB zum vorneherein ausser Betracht. b) Selbst wenn man aber der angefochtenen Bestimmung des Erbvertrages vom 8. Juli 1961 mit der Klägerin die vertragliche Natur zubilligen wollte, wäre dieser nicht geholfen, weil die Anfechtung auf jeden Fall verjährt wäre. Der Auffassung der Vorinstanz, der Klägerin stehe gegenüber der Widerklage die unverjährbare Herabsetzungseinrede gemäss Art. 533 Abs. 3 ZGB zu, kann nicht gefolgt werden. Der Widerklage kommt nämlich, soweit sie die Feststellung der internen Beteiligung der Parteien an der Liegenschaft ... Nr. 127 zum Gegenstand hat, gar keine selbständige Bedeutung zu. Materiell BGE 101 II 305 S. 311 stellt sie vielmehr lediglich einen Antrag auf Klageabweisung dar. Mit dem Widerklagebegehren auf richterliche Feststellung der Beteiligungsverhältnisse an der Liegenschaft will die Beklagte nur den bereits bestehenden Zustand sanktionieren lassen. Hiefür hätte es jedoch genügt, wenn sie die Abweisung der Klage beantragt hätte. Mit einem auf Klageabweisung lautenden Urteil wäre das Testament als gültig erklärt und die Klägerin von der Erbschaft ausgeschlossen worden. Anderseits hätte die Beklagte bereits auf Grund des Testamentes vom 3. Dezember 1965, gegen das innert Monatsfrist keine Einsprache erhoben worden war, gestützt auf Art. 559 ZGB die Erbbescheinigung verlangen, den Besitz der Erbschaft antreten und allfällige Grundbucheintragungen erwirken können ( Art. 18 GBV ; TUOR/PICENONI, N. 23 ff. zu Art. 559 ZGB ; BGE 98 Ib 92 ff., BGE 82 I 188 ff. und BGE 79 I 260 ff.). Tatsächlich war die Beklagte auch im Besitze der Erbschaft, mit Einschluss des zwei-Drittel-Anteils an der Liegenschaft ... Nr. 127. Die Klägerin hatte in den vergangenen Jahren in sämtlichen Korrespondenzen, Abrechnungen etc. stets anerkannt, dass die Beklagte Alleinerbin und als solche an der fraglichen Liegenschaft zu zwei Dritteln (nämlich dem ihr ursprünglich zustehenden Drittel und dem von der Schwester Mathilde R. geerbten Drittel) beteiligt sei. Die Beklagte war also Besitzerin dieses zwei-Drittel-Anteils. Es ist die Klägerin, die mit ihrer Anfechtungsklage diesen Besitz bestreiten will; die Beklagte kann sich ihr gegenüber auf eine Abwehr beschränken und braucht nicht selbst vorzugehen. Damit besteht aber auch kein Anlass, der Klägerin eine unverjährbare Herabsetzungseinrede zuzugestehen (vgl. dazu TUOR, N. 14 zu Art. 521 ZGB , und PICENONI, Die Verjährung der Testamentsungültigkeits- und Herabsetzungsklage, SJZ 63/1967 S. 104/5). Es stellt sich somit lediglich die Frage, ob die Anfechtungsklage verjährt sei, was beide Vorinstanzen mit Recht bejaht haben. Die in Art. 494 Abs. 3 ZGB geregelte Anfechtung eines Testaments, das mit Verpflichtungen des Erblassers aus einem Erbvertrag in Widerspruch steht, wird in Lehre und Rechtsprechung nahezu einhellig als ein der Herabsetzungsklage vergleichbarer Fall betrachtet, auf welchen die Art. 522 bis 533 ZGB analoge Anwendung finden (TUOR, N. 11 und 19, und ESCHER, N. 10 zu Art. 494 ZGB mit Hinweisen; BGE 73 II 10 und BGE 62 II 133 ). BGE 101 II 305 S. 312 Demgegenüber vertritt RASCHEIN, Die Ungültigkeit der Verfügungen von Todes wegen, Diss. Bern 1954, S. 55, die Ansicht, ein Testament, das mit einer vorher eingegangenen erbvertraglichen Verpflichtung des Erblassers unvereinbar sei, unterliege der Ungültigkeitsklage gemäss Art. 519 bis 521 ZGB. Dieser Auffassung kann jedenfalls insofern nicht gefolgt werden, als der Autor Ungültigkeit des Testamentes im Sinne von Art. 519 Ziff. 3 ZGB und damit Rechtswidrigkeit angenommen hat. Eine nach Errichtung eines Erbvertrages getroffene letztwillige Verfügung ist nicht schlechthin ungültig, sondern lediglich so weit anfechtbar, als sie zum Erbvertrag in Widerspruch steht. Sie verstösst somit nicht gegen das Gesetz, sondern gegebenenfalls gegen eine früher eingegangene vertragliche Verpflichtung. Liegt aber keine Rechtswidrigkeit vor, so ist auch die in Art. 521 Abs. 2 ZGB vorgesehene Verjährungsfrist von 30 Jahren ausgeschlossen. Die einjährige Verjährungsfrist ist aber sowohl bei Anwendung von Art. 521 Abs. 1 als auch von Art. 533 Abs. 1 ZGB im vorliegenden Fall bereits abgelaufen. Nach der erstgenannten Bestimmung begann diese Frist von dem Zeitpunkt an zu laufen, in welchem die Klägerin von der Verfügung und vom Ungültigkeitsgrund Kenntnis erlangte. Das war nach der vom Appellationsgericht übernommenen und damit für das Bundesgericht verbindlichen tatsächlichen Feststellung des Zivilgerichts spätestens im Verlaufe des Monats Juli 1966 der Fall. Gleich verhält es sich aber auch bezüglich der Frist des Art. 533 Abs. 1 ZGB . Diese beginnt im Augenblick, da der betroffene Erbe von der Verletzung seiner Rechte Kenntnis erhalten hat. Im vorliegenden Fall war dies ebenfalls im Juli 1966. Die Höhe des Nachlasses spielt in diesem Zusammenhang nur eine Rolle, wenn von ihr die Frage abhängt, ob eine Verletzung des Pflichtteils oder anderer Rechte der Erben vorliegt. Steht aber mit der Kenntnis vom Testament unzweifelhaft fest, dass der Pflichtteil bzw. eine Verpflichtung aus einem früheren Erbvertrag verletzt ist, beginnt die einjährige Verjährungsfrist von diesem Augenblick an zu laufen. Wohl mag die Grösse des Nachlasses für den verletzten Erben insofern von Bedeutung sein, als er sich darüber schlüssig zu werden hat, ob sich die Einreichung einer Anfechtungs- bzw. Herabsetzungsklage lohne oder nicht. Das kann aber für den Beginn der Verjährungsfrist nicht massgebend sein. Damit steht BGE 101 II 305 S. 313 fest, dass im vorliegenden Fall eine allfällige Anfechtungsklage spätestens am 31. Juli 1967 verjährt wäre. c) Endlich müsste dem Appellationsgericht aber auch insofern beigepflichtet werden, als dieses die Auffassung vertrat, die Klägerin habe das Testament ausdrücklich anerkannt, auch nachdem ihr der angeblich bestehende Widerspruch zum früheren Erbvertrag bekannt gewesen sei. Dieser Schluss konnte bereits aus der Vereinbarung der Parteien vom 31. Dezember 1969/7. Januar 1970 gezogen werden, in welcher die Klägerin ausdrücklich mit ihrer Unterschrift bestätigte, dass sie an der Liegenschaft ... Nr. 127 zu einem Drittel und die Beklagte zu zwei Dritteln beteiligt sei. Auf die früheren Korrespondenzen hat die Vorinstanz nur im Sinne einer Ergänzung hingewiesen. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob diese Korrespondenzen - wie die Klägerin behauptet - unbeachtlich seien, weil die Vereinbarung vom 31. Dezember 1969/7. Januar 1970 den Satz enthält: "Sämtliche Korrespondenzen, die den Abtausch zum Gegenstand haben, sind somit gegenstandslos." Immerhin wäre dazu zu bemerken, dass die Klägerin nicht nur in Korrespondenzen, die sich auf den im Testament vorgesehenen Austausch bezogen, sondern auch in andern Briefen die Gültigkeit des Testaments ausdrücklich anerkannt hat. Das gilt insbesondere für einen Brief der Klägerin an die Beklagte vom 18. September 1969. Aus diesen Ausführungen folgt, dass sich die Berufung, soweit sie die Hauptklage betrifft, materiell in dreifacher Hinsicht als offensichtlich unbegründet erweist.
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Erwägungen ab Seite 33 BGE 137 III 32 S. 33 Aus den Erwägungen: 2. Die Beschwerdeführerin wirft der Vorinstanz vor, sie habe Art. 24 Abs. 1 GestG verletzt, indem sie das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien zu Unrecht als Handelsreisenden- und nicht als Agenturvertrag qualifiziert habe. Da zwischen den Parteien lediglich ein Agenturvertrag bestehe, könne der Gerichtsstand von Art. 24 Abs. 1 GestG nicht zur Anwendung kommen. 2.1 Gemäss Art. 24 Abs. 1 GestG (AS 2000 2360) ist für arbeitsrechtliche Klagen das Gericht am Wohnsitz oder Sitz der beklagten Partei oder am Ort, an dem der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin gewöhnlich die Arbeit verrichtet, zuständig. Der Begriff der arbeitsrechtlichen Klagen ("actions fondées sur le droit du travail"; "azioni in materia di diritto del lavoro") ist dabei weit zu verstehen. Darunter fallen sämtliche Klagen über Ansprüche, die auf Regeln gründen, welche auf Arbeitsverträge anwendbar sind (Urteil 4P.18/1999 vom 22. März 1999 E. 2c, in: Jahrbuch des schweizerischen Arbeitsrechts [JAR] 2000 S. 390; MARIANNE HRISTIC, Zwingende und teilzwingende Gerichtsstände des Gerichtsstandsgesetzes, 2002, S. 119; BALZ GROSS, in: Gerichtsstandsgesetz, Kommentar zum Bundesgesetz über den Gerichtsstand in Zivilsachen, Müller/Wirth [Hrsg.], 2001, N. 29 zu Art. 24 GestG ). Dazu gehören namentlich Klagen über Ansprüche aus Einzelarbeitsvertrag gemäss den Art. 319 ff. OR sowie aus Lehr-, Handelsreisenden- oder Heimarbeitsvertrag gemäss den Art. 344 ff. OR (GROSS, a.a.O., N. 31, 35 zu Art. 24 GestG ; FRIDOLIN WALTHER, in: Gerichtsstandsgesetz, Kommentar zum Bundesgesetz über den Gerichtsstand in Zivilsachen, Kellerhals und andere [Hrsg.], 2. Aufl. 2005, N. 6 zu Art. 24 GestG ; YVES DONZALLAZ, Commentaire de la loi fédérale sur les fors en matière civile, 2001, N. 6 zu Art. 24 GestG ; NOËLLE KAISER JOB, in: Bundesgesetz über den Gerichtsstand in Zivilsachen [GestG], Kommentar zum Schweizerischen Zivilprozessrecht, Spühler und andere [Hrsg.], 2001, N. 8 zu Art. 24 GestG ). Weiter gehören dazu auch Klagen, die sich auf spezialgesetzliche Normen stützen, welche das einzelarbeitsvertragliche Rechtsverhältnis regeln und den Parteien zivilprozessual durchsetzbare Ansprüche geben, z.B. aus Gleichstellungsgesetz (SR 151) oder Mitwirkungsgesetz (SR 822.14) (GROSS, a.a.O., N. 31 zu Art. 24 GestG ; Botschaft zum Bundesgesetz über den Gerichtsstand in Zivilsachen, BBl 1999 2829, 2862). BGE 137 III 32 S. 34 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts zu aArt. 343 Abs. 1 OR, der Vorgängernorm von Art. 24 Abs. 1 GestG (vgl. Botschaft, a.a.O., S. 2862), liegt eine arbeitsrechtliche Streitigkeit bzw. Klage sodann bereits vor, wenn umstritten ist, ob zwischen den Parteien ein Arbeitsvertrag besteht (Urteil 4P.18/1999 vom 22. März 1999 E. 2c, in: JAR 2000 S. 390; SPÜHLER/VOCK, Gerichtsstandsgesetz, 2000, N. 1 zu Art. 24 GestG ). 2.2 Nach einem allgemeinen prozessualen Grundsatz ist bei der Beurteilung der Zuständigkeit primär auf den vom Kläger eingeklagten Anspruch und dessen Begründung abzustellen. Die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts hängt von der gestellten Frage ab, nicht von deren Beantwortung, die im Rahmen der materiellen Prüfung zu erfolgen hat (Urteil 4P.18/1999 vom 22. März 1999 E. 2c, in: JAR 2000 S. 390). In Bezug auf die rechtliche Würdigung der klägerischen Vorbringen ist das Gericht aber nicht an die Auffassung des Klägers gebunden (Urteil 4P.104/2006 vom 25. September 2006 E. 2.3): Hängt die Zuständigkeit - wie hier - davon ab, ob Ansprüche aus Arbeits- bzw. Handelsreisendenvertrag geltend gemacht werden, sind die klägerischen Tatsachenbehauptungen im Rahmen der Zuständigkeitsprüfung von Amtes wegen daraufhin zu überprüfen, ob sich aus ihnen auf das Bestehen eines solchen Vertrages schliessen lässt. Erscheint eine derartige rechtliche Qualifikation als ausgeschlossen, ist auf die Klage nicht einzutreten. 2.3 Die vom Kläger behaupteten Tatsachen, die sowohl für die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts als auch die Begründetheit der Klage erheblich sind (sog. doppelrelevante Tatsachen), sind für die Beurteilung der Zuständigkeit als wahr zu unterstellen. Sie werden erst im Moment der materiellen Prüfung des eingeklagten Anspruchs untersucht; diesbezügliche Einwände der Gegenpartei sind im Rahmen der Zuständigkeitsprüfung unbeachtlich ( BGE 136 III 486 ; BGE 134 III 27 E. 6.2.1 S. 34; BGE 133 III 295 E. 6.2 S. 298 f.; BGE 122 III 249 E. 3b/bb S. 252). Eine Ausnahme gilt nur für den Fall, dass der klägerische Tatsachenvortrag auf Anhieb fadenscheinig oder inkohärent erscheint und durch die Klageantwort sowie die von der Gegenseite produzierten Dokumente unmittelbar und eindeutig widerlegt werden kann ( BGE 136 III 486 ). Über Tatsachen, die nur für die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts, nicht aber für die materielle Begründetheit des eingeklagten Anspruchs notwendig sind (sog. zuständigkeitsbegründende oder BGE 137 III 32 S. 35 einfachrelevante Tatsache), ist hingegen Beweis zu führen, wenn deren Vorhandensein von der Gegenpartei bestritten wird ( BGE 122 III 249 E. 3b/cc S. 252; Urteil 4C.73/2000 vom 22. Juni 2000 E. 2b). Im Tatbestand des Art. 24 Abs. 1 GestG sind die Tatsachen von doppelter Relevanz, welche auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses schliessen lassen. Einfachrelevant sind die örtlichen Faktoren, d.h. der Wohnsitz oder Sitz des Beklagten und der Ort der gewöhnlichen Arbeitsverrichtung (ANDRÉ BLOCH, Die Prüfung der örtlichen Zuständigkeit von Amtes wegen und die Folgen bei örtlicher Unzuständigkeit gemäss Art. 34 GestG , 2003, S. 93). 2.4 Gemäss dem vorinstanzlich festgestellten Prozesssachverhalt behauptet der Beschwerdegegner, dass zwischen ihm und der Beschwerdeführerin ein Handelsreisendenvertrag gemäss den Art. 347 ff. OR abgeschlossen worden sei. Die geltend gemachten Forderungen stützt er auf zwingende Bestimmungen des Arbeitsrechts. Wie die Vorinstanz zu Recht ausführt, hängt die Begründetheit der Klage somit davon ab, ob der umstrittene Vertrag als Arbeits- bzw. Handelsreisendenvertrag zu qualifizieren ist. Der Vorinstanz kann dagegen nicht gefolgt werden, soweit sie annimmt, die Zuständigkeit gemäss Art. 24 Abs. 1 GestG sei nur dann gegeben, wenn tatsächlich erwiesen ist, dass zwischen den Parteien ein Arbeits- bzw. Handelsreisendenvertrag vorliegt. 2.4.1 Die Vorinstanz hat verkannt, dass die Tatsachen, aus denen sich das Bestehen eines Handelsreisendenvertrags ergibt, doppelrelevant sind. Anstatt Beweise zu erheben und zu würdigen, um gestützt darauf festzustellen, ob der Vertrag zwischen den Parteien tatsächlich als Handelsreisendenvertrag zu qualifizieren ist, hätte die Vorinstanz für die Prüfung der Zuständigkeit ausschliesslich auf den Tatsachenvortrag des Klägers abstellen müssen. Sie hätte beurteilen müssen, ob die klägerischen Behauptungen - sollten sie erwiesen sein - auf das Bestehen eines Handelsreisendenvertrags schliessen lassen. Bei doppelrelevanten Tatsachen ist der tatsächlich bewiesene Sachverhalt für den Entscheid über die materielle Begründetheit der Klage, nicht aber für die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts erheblich. Dementsprechend zielen auch die Rügen der Beschwerdeführerin ins Leere, soweit sie sich gegen die Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz richten und die Vertragsqualifikation in Frage stellen, welche die Vorinstanz gestützt auf den beweismässig erhobenen Sachverhalt getroffen hat. BGE 137 III 32 S. 36 2.4.2 Die Beschwerdeführerin macht zu Recht nicht geltend, dass sich der umstrittene Vertrag nach den Vorbringen des Klägers nicht als Handelsreisendenvertrag qualifizieren lasse. Der Beschwerdegegner behauptete vor der Vorinstanz, er sei in seiner Tätigkeit weisungsabhängig und rapportierungspflichtig gewesen, habe regelmässig an obligatorischen Schulungen teilnehmen müssen und sei einem strengen Konkurrenzverbot unterstanden. Schliesslich sei er von der Beschwerdeführerin wirtschaftlich abhängig gewesen, da es ihm nicht möglich gewesen sei, ausserhalb der 8 bis 10 Kundenbesuche pro Woche einer anderen Tätigkeit nachzugehen. Dies sind Elemente, die gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung durchaus auf das für einen Handelsreisendenvertrag typische Subordinationsverhältnis schliessen lassen (vgl. BGE 129 III 664 E. 3.2 S. 667 f.). Die Abgrenzung zum Agenturvertrag mag zwar praktisch schwierig sein (vgl. etwa Urteil 4C.276/2006 vom 25. Januar 2007 E. 4), wird aber erst im Rahmen der materiellen Prüfung der Klage eingehend zu untersuchen sein. Für die Bejahung der Zuständigkeit ist einstweilen genügend, dass sich aus den Vorbringen des Klägers/Beschwerdegegners plausibel auf das Bestehen eines Handelsreisedenvertrags schliessen lässt. 2.5 Die Klage des Beschwerdegegners ist demnach als "arbeitsrechtliche" i.S. des Art. 24 Abs. 1 GestG zu qualifizieren. Danach besteht ein Gerichtsstand am Ort, an dem der Arbeitnehmer gewöhnlich die Arbeit verrichtet. Dass der Beschwerdegegner seine Arbeit gewöhnlich an seinem Wohnsitz verrichtet hat, stellt die Beschwerdeführerin nicht in Frage. Es ist daher davon auszugehen, dass der gewöhnliche Arbeitsort des Beschwerdegegners an dessen Wohnsitz liegt. Das Gericht am Wohnsitz des Beschwerdegegners (Gerichtskreis IX Schwarzenburg-Seftigen) ist folglich zur Beurteilung der Klage örtlich zuständig. Eine allfällige Gerichtsstandsvereinbarung steht dem nicht entgegen, da der Beschwerdegegner als arbeitnehmende Partei gemäss Art. 21 Abs. 1 lit. d GestG darauf nicht zum Voraus verzichten kann.
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4545cee9-94b5-4174-ba7a-a06d9c68dc40
Sachverhalt ab Seite 259 BGE 113 II 259 S. 259 A.- Frau X. trat am 18. Oktober 1982 als Büroangestellte in die Dienste der Firma Z., die im Apparatebau tätig ist. Sie bezog monatlich einen Bruttolohn von Fr. 2'700.--, der sich 1984 auf Fr. 2'755.-- erhöhte. BGE 113 II 259 S. 260 Mit Schreiben vom 27. Dezember 1983 kündigte die Firma das Arbeitsverhältnis auf den 29. Februar 1984. Frau X. erhielt das Schreiben am 28. Dezember. Am gleichen Tag suchte sie einen Arzt auf, der sie bis auf weiteres für arbeitsunfähig erklärte. Sie war damals, wie ihre Arbeitgeberin wusste, bereits seit einigen Monaten schwanger. Am 2. Februar schrieb sie der Firma, dass sie die Kündigung als ungültig betrachte. Die Arbeitgeberin liess ihr am 24. Februar antworten, dass von einer Kündigung zur Unzeit keine Rede sein könne. Frau X. blieb weiterhin krank und nahm ihre Arbeit nicht mehr auf. Am 25. Mai gebar sie ein Kind. Mit Brief vom 28. Mai kündigte sie ihrerseits das Vertragsverhältnis auf den 31. Juli 1984. B.- Im April 1985 klagte Frau X. gegen die Firma Z. auf Zahlung von Fr. 11'754.65 nebst Zins. Sie beanspruchte damit ihren Lohn für die Zeit von anfangs März bis Ende Juli 1984. Mit Urteil vom 21. November 1985 beschränkte das Bezirksgericht Hinwil den Lohnanspruch der Klägerin auf Fr. 4'860.-- nebst Zins. Es fand, dass die Kündigungsfrist der Beklagten wegen Krankheit der Klägerin unterbrochen, die Kündigung aber auf Ende April 1984 wirksam geworden sei. Auf Appellation beider Parteien änderte das Obergericht des Kantons Zürich dieses Urteil am 16. September 1986 lediglich dahin ab, dass es die Beklagte zur Zahlung von Fr. 1'993.30 nebst 5% Zins seit verschiedenen Verfalldaten verpflichtete, weil sie die Klage im Betrage von Fr. 2'755.-- bereits im erstinstanzlichen Verfahren anerkannt habe. C.- Die Klägerin hat Berufung eingereicht mit den Anträgen, das Urteil des Obergerichts aufzuheben und die Beklagte zur Zahlung von Fr. 8'532.45 nebst Zins zu verpflichten. Die Beklagte beantragt, die Berufung abzuweisen. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 2. Nach Auffassung der Vorinstanzen ist eine Kündigung, die vom Arbeitgeber vor Beginn einer Sperrfrist erklärt wird, unabhängig davon gültig, ob der betroffene Arbeitnehmer sie zur Kenntnis nimmt oder nehmen kann; erforderlich sei bloss, dass der Arbeitgeber gutgläubig handle. Treffe dies wie hier zu, so dürfe die Kündigung nicht als empfangsbedürftige Willenserklärung angesehen werden; wenn die Erklärung in eine Sperrfrist falle, habe dies bloss zur Folge, dass die Kündigungsfrist um die Dauer der Sperre verlängert werde. Die Klägerin ist dagegen der Meinung, eine BGE 113 II 259 S. 261 Kündigung könne ihre Wirkungen erst vom Zeitpunkt ihres Empfanges an entfalten, die Kündigungsfrist folglich auch nicht vorher zu laufen beginnen oder gar unterbrochen werden, wie die Vorinstanzen annähmen. a) Unter dem Kündigungsrecht ist die Befugnis jeder Partei zu verstehen, das Vertragsverhältnis durch einseitige Willenserklärung aufzulösen, wenn die gesetzlichen Erfordernisse erfüllt sind. Es handelt sich um ein typisches Gestaltungsrecht, das durch eine Erklärung des Berechtigten an die Gegenpartei ausgeübt wird. Die Erklärung bedarf in der Regel keiner besonderen Form; sie ist aber stets empfangsbedürftig, muss folglich dem andern Vertragspartner zugegangen sein; erst dann gilt der Erklärungsvorgang als abgeschlossen. Dieser Begriff liegt auch Art. 336 OR zugrunde (KRAMER, N. 29 zu Art. 1 OR ). Die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses ist daher rechtzeitig und unter Vorbehalt von Hinderungsgründen im Sinne von Art. 336e und 336f OR auch wirksam, wenn die Erklärung vor Beginn der Kündigungsfrist beim Adressaten eintrifft. Den Beweis für die Rechtzeitigkeit oder allfällige Hinderungsgründe trägt nach der allgemeinen Regel des Art. 8 ZGB jene Partei, die daraus Rechte ableitet. Dass und warum der Begriff in Art. 336e OR , der sich mit Kündigungen des Arbeitgebers zur Unzeit befasst, einen andern Sinn haben sollte, wie die Vorinstanzen anzunehmen scheinen, ist nicht zu ersehen. Gewiss leuchtet nicht ohne weiteres ein, dass gemäss Abs. 2 dieser Bestimmung die Kündigung nichtig ist, wenn sie während einer in Abs. 1 festgesetzten Sperrfrist erklärt wird, eine schon vorher abgegebene Erklärung dagegen die Kündigungsfrist bloss unterbricht und nach Beendigung der Sperre weiterlaufen lässt. Die Rechtfertigung derart unterschiedlicher Folgen ist offenbar darin zu erblicken, dass nach dem geltenden Verständnis zu den Gestaltungsrechten eine Kündigung sich nicht als nichtig ausgeben lässt, wenn der Hinderungsgrund erst eintritt, nachdem der Betroffene die Kündigung erhalten hat. Der Wortlaut von Art. 336e Abs. 2 OR ist indes eindeutig und lässt keinen Raum zum Streit darüber, ob Nichtigkeit einer Kündigung das geeignete Mittel ist, den Arbeitnehmer entsprechend dem Grundgedanken des Gesetzes vor sozialwidrigen Kündigungen zu schützen. Der Richter hat sich daher an die Unterscheidung des Gesetzes zu halten ( BGE 109 II 331 /32). Ein anderer Sinn ergibt sich auch nicht daraus, dass in Art. 336e Abs. 2 OR von der "Kündigung, die ... erklärt wird" bzw. "erfolgt" BGE 113 II 259 S. 262 ist, in Art. 336 bis 336d sowie in Art. 336f und 336g OR dagegen durchwegs von "kündigen" die Rede ist. Es handelt sich um Wendungen gleicher Bedeutung; sie werden in den romanischen Gesetzestexten denn auch bald mit "résilier" bzw. "disdire", bald mit "donner congé" bzw. "dare la disdetta" wiedergegeben. Zu bedenken ist ferner, dass Art. 336e OR nicht den Arbeitgeber massregeln, sondern nur den Arbeitnehmer vor Kündigungen mit unerwünschten Auswirkungen, die sich aus den in Abs. 1 erwähnten Umständen ergeben können, während einer bestimmten Zeit bewahren will. Der billige Interessenausgleich, der gemäss Botschaft zur Novelle mit der Vorschrift angestrebt wird (BBl 1967 II 379), wird entgegen der Annahme der Vorinstanz nicht dadurch erreicht, dass die Bestimmung zulasten des Arbeitgebers weit ausgelegt wird; er liegt vielmehr in den zeitlichen Kündigungsbeschränkungen als solchen, die sinngemäss übrigens auch vom Arbeitnehmer zu beachten sind ( Art. 336f OR ). Bei Erkrankung des Arbeitnehmers ist daher unerheblich, ob der Arbeitgeber, der das Vertragsverhältnis durch Kündigung auflösen will, darum weiss oder nicht; das leuchtet namentlich dann ein, wenn ein Arbeitnehmer im Aussendienst tätig ist oder während der Ferien erkrankt. Daraus erhellt, dass stets von einer empfangsbedürftigen Willenserklärung auszugehen, für die Beurteilung der Frage, ob ein Hinderungsgrund im Sinne von Art. 336e OR vorliegt, folglich der Zeitpunkt massgebend ist, zu dem die Erklärung dem Betroffenen zugeht. Ist der Arbeitnehmer zu diesem Zeitpunkt bereits erkrankt, so ist die Kündigung nichtig; ein Vorbehalt dürfte immerhin für den Fall angebracht sein, dass die Erklärung offensichtlich verfrüht ist und der Arbeitnehmer sich noch vor Beginn der Kündigungsfrist erholt (U. STREIFF, Leitfaden zum Arbeitsvertragsrecht, 4. Aufl. S. 244 N. 2 zu Art. 336e-f OR ). Erkrankt er dagegen erst nach Empfang der Erklärung, so wird diese Frist für die Dauer der Sperre unterbrochen und dann fortgesetzt. b) Nach dem angefochtenen Urteil muss angenommen werden, dass die Klägerin plötzlich erkrankt ist. Wann dies geschehen ist, ob vor oder nach Erhalt des Kündigungsschreibens, geht aus dem Urteil nicht hervor. Wie schon das Bezirksgericht, übergeht auch das Obergericht die Frage in der Meinung, dass die Kündigung vorliegend so oder anders als gültig anzusehen sei, weil die Beklagte das Kündigungsrecht gutgläubig ausgeübt habe. Das widerspricht indes dem klaren Wortlaut des Art. 336e Abs. 2 OR , der BGE 113 II 259 S. 263 die unterschiedlichen Rechtsfolgen unbekümmert um das Wissen des Arbeitgebers vom Zeitpunkt abhängig macht, an dem die Kündigung dem Betroffenen zugeht. Das angefochtene Urteil ist daher gestützt auf Art. 64 Abs. 1 OG aufzuheben und die Sache zur Klärung der offengelassenen Frage an die Vorinstanz zurückzuweisen. Sollte zutreffen, dass die Klägerin schon am Morgen des 28. Dezember 1983 wegen Erkrankung den Arzt aufgesucht und das Kündigungsschreiben erst nachher erhalten hat, wie sie im kantonalen Verfahren behauptete, so fiel die Kündigung in die Sperrfrist von acht Wochen gemäss Art. 336e Abs. 1 lit. b OR , war folglich nichtig; andernfalls begann die Kündigungsfrist spätestens am 22. Februar 1984 zu laufen, als die Sperre von acht Wochen zu Ende ging. Im ersten Fall fragt sich ferner, ob die Beklagte die Kündigung mit Schreiben vom 24. Februar 1984, das dem Vertreter der Klägerin am 27. Februar 1984 zuging, wiederholt habe, was sie schon im kantonalen Verfahren geltend gemacht hat. Ist das zu bejahen, so hätte sie das Arbeitsverhältnis auf Ende April 1984 gelöst. Im einen wie im andern Fall stellt sich zudem die Frage einer Kumulation von Sperrfristen ( BGE 109 II 333 ), da Ende März 1984 die Sperre von acht Wochen gemäss Art. 336e Abs. 1 lit. c OR wegen Niederkunft der Klägerin zu laufen begann. 3. Die Klägerin macht geltend, dass die Lohnzahlungspflicht der Beklagten selbst bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf Ende April 1984 in jedem Fall noch bis Ende Juli 1984 bestanden habe; gemäss Ziff. 5 des Arbeitsvertrages habe sie nämlich ab dem 91. Tag einer Krankheit noch Anspruch auf 80% des Lohnes gehabt. Diese Auffassung ist unhaltbar. Die Vorinstanzen halten der Klägerin mit Recht entgegen, dass mangels einer ausdrücklichen Abrede eine Lohnzahlungspflicht, die über die Dauer des Vertragsverhältnisses hinausginge, zu verneinen ist. Das deckt sich mit der herrschenden Lehre, die diesfalls einen Vorbehalt nur für den Fall macht, dass der Arbeitgeber das Vertragsverhältnis in der Absicht kündigt, seiner Lohnzahlungspflicht zu entgehen (SCHWEINGRUBER, Kommentar zum Arbeitsvertrag, S. 113; STAEHELIN, N. 51/52 und REHBINDER, N. 26 zu Art. 324a OR ). Für einen solchen Sachverhalt liegt hier jedoch nichts vor. BGE 113 II 259 S. 264
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0b1f02bb-8149-428e-a7be-c6ce1c18289d
Sachverhalt ab Seite 235 BGE 127 III 235 S. 235 A.- Y. arbeitete bis zum 28. Februar 1997 bei der Verwaltung der Stadt Z. und war über deren privatrechtliche Kollektiv-Krankentaggeldversicherung bei der X. Versicherungen AG (nachfolgend X.) versichert. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses schied er aus der Kollektiv-Krankentaggeldversicherung aus und BGE 127 III 235 S. 236 wurde zufolge Arbeitslosigkeit per 1. März 1997 in die Einzel-Krankentaggeldversicherung der X. übernommen. Die Versicherungsdeckung in der Einzelversicherung umfasste - wie zuvor in der Kollektivversicherung - ein Krankentaggeld von Fr. 70.- ab dem 31. Tag für die Dauer von 720 Tagen. Y. war in der Folge vom 18. November 1997 bis zum 27. Februar 1998 und vom 21. Mai bis zum 8. August 1999 wegen Alkoholmissbrauches arbeitsunfähig. In der Folge erhob er bei der X. Anspruch auf Krankentaggelder für die genannten Perioden; die X. lehnte die Zahlung indessen mit der Begründung ab, die Arbeitsunfähigkeit des Versicherten sei aufgrund des Alkoholentzuges erfolgt; gemäss Ziff. 3.6 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) für die Einzelversicherung gelte Alkoholmissbrauch nicht als Krankheit, weshalb keine Versicherungsleistungen geschuldet seien. B.- Am 17. Dezember 1999 klagte Y. beim Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau als Versicherungsgericht gegen die X. auf Zahlung von Fr. 5'040.- nebst Zins zu 5% seit dem 22. Januar 1998 für die Periode vom 18. Dezember 1997 bis zum 27. Februar 1998 (72 Krankheitstage) bzw. von Fr. 3'430.- nebst Zins zu 5% seit dem 15. Juli 1999 für den Zeitraum vom 21. Juni bis zum 9. August 1999 (49 Krankheitstage). Mit Urteil vom 6. September 2000 hiess das Verwaltungsgericht die Klage gut. C.- Mit eidgenössischer Berufung beantragt die Beklagte zusammengefasst, der Entscheid des Verwaltungsgerichts sei teilweise aufzuheben und die Klage im Umfang von Fr. 5'040.- nebst Zins zu 5% seit dem 22. Januar 1998 abzuweisen. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Die Verweisungsnorm von Art. 100 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 2. April 1908 über den Versicherungsvertrag (SR 221.229.1; VVG) erklärt Art. 71 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (SR 832.10; KVG) als sinngemäss anwendbar auf arbeitslose Versicherungsnehmer und Versicherte. Im vorliegenden Verfahren geht es um die Bedeutung dieses Verweises. Art. 71 Abs. 1 KVG lautet wie folgt: "Scheidet eine versicherte Person aus der Kollektivversicherung aus, weil sie nicht mehr zu dem im Vertrag umschriebenen Kreis der Versicherten zählt oder weil der Vertrag aufgelöst wird, so hat sie das Recht, in die Einzelversicherung des Versicherers überzutreten. Soweit die versicherte Person in der Einzelversicherung nicht höhere Leistungen versichert, dürfen keine neuen Versicherungsvorbehalte angebracht werden; das im Kollektivvertrag massgebende Eintrittsalter ist beizubehalten." BGE 127 III 235 S. 237 a) Die Vorinstanz hat angenommen, beim Übertritt von der Kollektiv- in die Einzelversicherung dürften dem Versicherten keine Einschränkungen des Versicherungsschutzes irgendwelcher Art auferlegt werden, verfolge Art. 71 Abs. 1 KVG doch das Ziel, dem Versicherten den bisherigen Besitzstand zu wahren. Diese Garantie wäre indessen nicht gegeben, wenn der Versicherungsschutz des Übertretenden durch Vorbehalte oder Bedingungen eingeschränkt würde. Zwar könnten bei der Aufnahme in die Kollektivversicherung Vorbehalte unter Benennung von Krankheit und Vorbehaltsdauer angebracht werden; beim Wechsel von der Kollektiv- zur Einzelversicherung aber seien neue Vorbehalte auf den bisherigen Leistungen unzulässig. Seien aber schon individuelle Vorbehalte untersagt, so müsse dies erst recht für allgemein umschriebene Versicherungsausschlüsse gelten. Im konkreten Fall würden die AVB der Kollektivversicherung - im Gegensatz zu den einschlägigen AVB der Einzelversicherung - keine Einschränkungen des Versicherungsschutzes bei Heilbehandlung und Arbeitsunfähigkeit infolge übermässigen Alkoholkonsums vorsehen. Damit aber dürften dem Übertretenden keine Einschränkungen der Versicherungsdeckung gegenüber dem bisherigen Versicherungsschutz auferlegt werden und sei der Anspruch des Versicherten auf Krankentaggeld grundsätzlich gutzuheissen. b) Die Beklagte wirft dem Verwaltungsgericht vor, es habe den Bestimmungen von Art. 100 Abs. 2 VVG und Art. 71 Abs. 1 KVG fälschlicherweise die Bedeutung beigelegt, dass dem in die Einzelversicherung Übertretenden nicht nur die bisherigen Leistungen, sondern darüber hinaus auch noch sämtliche bisherigen Versicherungsbedingungen zugestanden werden müssten. Diese Auffassung sei mit Sinn und Zweck der Übertrittsregelung unvereinbar. Die Besitzstandsgarantie erstrecke sich - im Gegenteil - nur auf die bisherigen Versicherungsleistungen. Der Übertritt erfolge zwar zu den alten Versicherungsleistungen, jedoch zu den Bedingungen und Tarifen der Einzelversicherung; diesbezüglich handle es sich um einen Neuabschluss, weshalb nicht mehr die Bedingungen der Kollektivversicherung, sondern jene der Einzelversicherung zur Anwendung gelangten. Dass es sich bei der Kollektivversicherung und der Einzelversicherung um identische Produkte mit denselben AVB handeln müsse, gehe weder aus dem Gesetz selber noch aus BGE 127 III 235 S. 238 den Materialien hervor und finde auch in der Literatur keine Stütze. Vielmehr würden die gesetzlichen Vorschriften vom Einzelversicherer nur verlangen, dass er dem Übertretenden das Krankentaggeld im bisherigen Umfang weiterversichere, sofern dieser es wünsche. c) Wie sich bereits aus der Überschrift zum dritten Titel des KVG, aber auch aus den Gesetzesmaterialien ergibt, besteht für die Krankentaggeldversicherung kein Obligatorium (vgl. dazu: Botschaft über die Revision der Krankenversicherung vom 6. November 1991, BBl 1992 I 93/97, 139; AB 1992 S 1335 f.; AB 1993 N 1893). Sie kann freiwillig auf der Grundlage des KVG oder des VVG abgeschlossen werden (ALFRED MAURER, Das neue Krankenversicherungsrecht, Basel 1996, S. 108 und 113; KURT MEIER/THOMAS FINGERHUTH, Krankentaggeld statt Lohnfortzahlung, Plädoyer 1999 3 S. 27). Vor diesem Hintergrund ist die Verweisungsnorm von Art. 100 Abs. 2 VVG zu sehen. Durch sie werden die privatversicherungsrechtliche und die sozialversicherungsrechtliche Regelung aufeinander abgestimmt und wird eine einheitliche Ordnung namentlich für den Fall geschaffen, dass eine versicherte Person aus der Kollektivversicherung ausscheidet ( Art. 71 Abs. 1 KVG ). In erster Linie gewährt Art. 71 Abs. 1 KVG dem aus der Kollektivversicherung Austretenden das Recht, beim gleichen Versicherer in die Einzelversicherung überzutreten, womit er sich nicht anderweitig um Versicherungsschutz bemühen muss, was namentlich für einen Arbeitslosen mit Schwierigkeiten verbunden sein kann. Beim Wechsel von der Kollektiv- zur Einzelversicherung sind der übertretenden Person die gleichen Leistungen zu gewähren wie in der Kollektivversicherung (MAURER, Bundessozialversicherungsrecht, 2. unveränderte Aufl., Basel 1994, S. 272). Damit hat es jedoch nicht sein Bewenden, wie die Beklagte offenbar annimmt. Als Zweites sieht Art. 71 Abs. 1 KVG vor, dass auf diesen gleichen Leistungen - mit Ausnahme des Falles der Höherversicherung - grundsätzlich keine neuen Vorbehalte angebracht werden dürfen. Was unter dem Versicherungsvorbehalt im Sinne von Art. 71 Abs. 1 KVG zu verstehen ist, ergibt sich aus Art. 69 Abs. 1 KVG : Danach kann der Versicherer Krankheiten, die bei der Aufnahme einer Person in die Versicherung bestehen, vom Versicherungsschutz ausschliessen; dasselbe gilt für frühere Krankheiten, die erfahrungsgemäss zu Rückfällen führen können; derartige Vorbehalte fallen allerdings nach fünf Jahren dahin ( Art. 69 Abs. 2 KVG ). Beim Vorbehalt handelt es sich demnach um eine individuelle, konkrete und zeitlich begrenzte Einschränkung des Versicherungsschutzes in BGE 127 III 235 S. 239 Einzelfällen. Ein solcher Vorbehalt ist grundsätzlich ausgeschlossen. Was aber für die individuelle Einschränkung der Versicherungsdeckung gilt, muss erst recht für einen generellen, zeitlich unbefristeten Deckungsausschluss Geltung haben, der wegen seiner abstrakten Formulierung und seiner zeitlichen Unbegrenztheit den Versicherungsschutz weit stärker einschränkt als ein konkreter, auf fünf Jahre begrenzter Vorbehalt bei einem individuellen Versicherten (argumentum a fortiori; zur geschilderten Methode vgl. ERNST A. KRAMER, Juristische Methodenlehre, Bern 1998, S. 151). d) Als der Kläger von der Kollektivversicherung in die Einzelversicherung übertrat, war er arbeitslos; nach der Verweisungsnorm von Art. 100 Abs. 2 VVG gelangt daher Art. 71 Abs. 1 KVG zur Anwendung, wobei der Kläger unbestrittenermassen keine Höherversicherung abgeschlossen hat. Die AVB der Kollektivversicherung, die bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegolten hatten, sahen keine Einschränkung der Versicherungsdeckung für Heilbehandlungen und Arbeitsunfähigkeit infolge (übermässigen) Alkoholkonsums vor. Anders jedoch die AVB der Einzelversicherung. Gemäss deren Ziff. 3.6 ist der Versicherer nicht leistungspflichtig bei Heilbehandlungen und Arbeitsunfähigkeit wegen missbräuchlichen Alkoholgenusses. Die Einzelversicherung enthält demnach im Unterschied zur Kollektivversicherung eine neue Einschränkung des Versicherungsschutzes in Gestalt eines generellen und zeitlich unbegrenzten Deckungsausschlusses, was nach den Ausführungen unter E. 2c hievor ebenso unzulässig ist wie ein neuer individueller Vorbehalt. Aus dem Vergleich der beiden AVB erhellt mithin, dass der Versicherer in der Einzelversicherung überhaupt nicht leistungspflichtig ist in Fällen, in denen er im Rahmen der Kollektivversicherung unzweifelhaft Leistungen erbringen müsste. Insoweit ist bei einem Übertritt von der Kollektiv- zur Einzelversicherung der Leistungsbestand nicht garantiert, was Art. 71 Abs. 1 KVG gerade verhindern will. Die Vorinstanz hat daher kein Bundesrecht verletzt, indem sie den Anspruch des Klägers auf Krankentaggelder im Grundsatz bejaht hat. Die Berufung ist abzuweisen und das angefochtene Urteil zu bestätigen.
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Sachverhalt ab Seite 67 BGE 124 III 67 S. 67 C. und D. sind seit dem 15. Oktober 1992 in der Liegenschaft von A. und B. in einer 3 1/2-Zimmer-Wohnung an der E.strasse in Zürich eingemietet. Zufolge jeweils gesunkenen Hypothekarzinssatzes wurde der Anfangsmietzins von monatlich Fr. 1'798.-- vermieterseits per 1. April 1994 auf Fr. 1'777.-- und per 1. April 1996 auf Fr. 1'740.-- gesenkt, beide Male unter Angabe eines Reservevorbehalts. Die Mieter, welche gegen die genannten, auf amtlichem Formular mitgeteilten Mietzinsherabsetzungen als solche keine Einwände BGE 124 III 67 S. 68 erhoben oder Schlichtungsverfahren eingeleitet hatten, verlangten mit Schreiben vom 28. Dezember 1995 eine zusätzliche Senkung des Mietzinses auf den 1. April 1996. Die Vermieter widersetzten sich, worauf die Mieter der Schlichtungsbehörde ein Herabsetzungsbegehren stellten, welches sie nach erfolgloser Einigungsverhandlung beim Mietgericht des Bezirks Zürich prosequierten. Mit Urteil vom 6. Februar 1997 setzte das Mietgericht in Teilgutheissung der Klage den Mietzins per 1. April 1996 auf netto Fr. 1'725.-- herab. Darüber hinaus wies es die Klage mit der Begründung ab, die unwidersprochen gebliebene und damit akzeptierte Mietzinsherabsetzung per 1. April 1994 habe als konsensuale Vertragsänderung zu gelten, welche dem streitigen Herabsetzungsbegehren aus den Prinzipien der relativen Methode Schranken setze. Auf Berufung der Mieter setzte das Obergericht (II. Zivilkammer) des Kantons Zürich mit Beschluss vom 3. Juni 1997 in Gutheissung der Klage den ab 1. April 1996 zulässigen Mietzins auf Fr. 1'596.25 herab. Es erwog, die per 1. April 1994 vermieterseits erklärte Herabsetzung des Mietzinses habe keine die Mieter bindende konsensuale Vertragsänderung bewirkt, so dass für die Beurteilung des streitigen Herabsetzungsbegehrens auf die Kostenstände im Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzustellen sei. Davon ausgehend ermittelte es den per 1. April 1996 als zulässig erkannten Mietzins ebenfalls nach der relativen Methode. Die Vermieter führen eidgenössische Berufung mit dem Hauptantrag, den per 1. April 1996 zulässigen Nettomietzins auf Fr. 1'725.-- (entsprechend dem Urteil des Bezirksgerichts) festzusetzen. Das Bundesgericht weist die Berufung ab Erwägungen aus folgender Erwägung: 3. Die relative Berechnungsmethode beruht auf den Prinzipien von Treu und Glauben, der Verwirkung und der Rechtskraft. Der Vertrauensgrundsatz bindet die Parteien an das eigene rechtsgeschäftliche Verhalten, untersagt ihnen namentlich, einen frei vereinbarten und unangefochten gebliebenen ( Art. 270 OR ) Mietzins oder eine vorbehaltlos verlangte und erreichte Mietzinsanpassung nachträglich als missbräuchlich oder ungenügend auszugeben ( BGE 121 III 163 E. 2c und d). Der Verwirkungstatbestand erlangt Bedeutung, wenn eine unangefochten gebliebene Mietzinserhöhung des Vermieters mieterseits nicht mehr in Frage zu stellen ist und die so BGE 124 III 67 S. 69 bewirkte Anpassung als einseitige und nicht als konsensuale verstanden wird (zum Meinungsstreit HIGI, Zürcher Kommentar, N. 19 f, zu Art. 257 OR ; WEBER/ZIHLMANN, in: Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, 2. Aufl., N. 1 zu Art. 269d OR ; HONSELL, Schweizerisches Obligationenrecht, Besonderer Teil, 4. Aufl., S. 219). Auf Gedanken der materiellen Rechtskraft schliesslich gründet die relative Methode insoweit, als gerichtliche Entscheidungen oder Vergleiche über einen streitigen Mietzins im Umfang des Beurteilten oder Verglichenen auch jedes mit einer späteren Zinsanpassung befasste Gericht binden. Geht es um Mietzinsherabsetzungen, beschränkt die relative Methode die Forderung des Mieters insofern, als von vornherein nur solche Änderungen der Berechnungsgrundlagen in Anschlag gebracht werden dürfen, die sich seit der letzten Mietzinsfestsetzung verwirklicht haben ( BGE 121 III 163 E. 2d). Daran ändert im Grundsatz auch die Bestimmung in Art. 13 Abs. 4 der Verordnung über die Miete und Pacht von Wohn- und Geschäftsräume (VMWG; SR 221.213.11) nichts. Einer rückwirkenden Berücksichtigung von Änderungen des Hypothekarzinssatzes sind durch Konsens, Urteil, Vergleich und unbestritten gebliebene Erhöhung nach Massgabe dieses Kostenfaktors Schranken gesetzt ( BGE 119 II 348 E. 4b). Im vorliegenden Fall zu entscheiden ist die Frage, ob auch unbestritten gebliebene Mietzinssenkungen durch den Vermieter als bindende Mietzinsfestsetzungen in diesem Sinne zu gelten haben. Sie stellt sich unter den Aspekten des Vertrauensschutzes und der Verwirkung. a) Vertrauensschutz beanspruchen die Vermieter aus dem Verhalten der Mieter, welche die ihnen per 1. April 1994 angezeigte Mietzinsherabsetzung stillschweigend annahmen und entsprechend den reduzierten Mietzins bezahlten. Sie schliessen daraus vertrauenstheoretisch, die Mieter hätten den neu offerierten Mietzins als nicht missbräuchlich anerkannt und sich des Rechts begeben, ihn später wiederum in Frage zu stellen. Diese Auffassung ist mit der Vorinstanz abzulehnen. Zeigt der Vermieter dem Mieter eine Mietzinsherabsetzung an, was er formfrei tun kann ( Art. 269d OR ; HIGI, a.a.O., N. 20 zu Art. 257 OR ), stellt er ein begünstigendes Angebot, das der Mieter nach Art. 6 OR mangels Widerspruchs annimmt. Die stillschweigende Annahme reicht indessen nicht weiter als die angebotene Senkung, stellt mangels besonderer Umstände namentlich keine konkludente Willensäusserung des Inhalts dar, dass damit auf den gesetzlichen BGE 124 III 67 S. 70 Anspruch, gegebenenfalls eine weitergehende Herabsetzung zu beanspruchen, verzichtet werde. Diese Annahme widerspräche bereits dem Grundsatz, dass nur das rein begünstigende Angebot durch Stillschweigen als angenommen gilt (SCHMIDLIN, Berner Kommentar, N. 32 zu Art. 6 OR , mit Hinweisen), der fingierte Annahmewille sich in der Zustimmung zum beantragten Vorteil erschöpft (SCHÖNENBERGER/JÄGGI, Zürcher Kommentar, N. 28 zu Art. 6 OR ). So wenig die Annahme einer Teilleistung als solche die Restforderung berührt (WEBER, Berner Kommentar, N. 54 zu Art. 69 OR ; SCHRANER, Zürcher Kommentar, N. 35 zu Art. 69 OR ), so wenig verzichtet der Mieter bei stillschweigender Annahme der bloss teilweise angebotenen Reduktion eines missbräuchlichen Mietzinses fiktiv oder vermutungsweise auf die Geltendmachung des gesetzlichen Restanspruchs. Dieser Schluss verbietet sich im Mietrecht zusätzlich daraus, dass im Regelfall allein der Vermieter über die einschlägigen Berechnungsgrundlagen verfügt und der Mieter nicht das Risiko tragen soll, diese nur ungenügend offengelegt erhalten zu haben (DAVID DÜRR, Mietzinsherabsetzung und Einrede des nicht übersetzten Ertrags, SJZ 91/1995, S. 265 ff., 269). Von einer im genannten Sinne bindenden Vertragsänderung wäre daher nur auszugehen, wenn die Parteien sich einvernehmlich und freiwillig auf eine Neugestaltung des Mietzinses, auch unter Missbrauchsgesichtspunkten, geeinigt hätten. Blosses Stillschweigen auf eine angebotene Teilreduktion bedeutet dagegen keinen Verzicht auf den weitergehenden Herabsetzungsanspruch (BRUNNER/STOLL, Die Mietzinsherabsetzung, mp 1993, S. 99 ff., 127). b) Eine Anspruchsverwirkung sodann tritt ausserhalb des Vertrauensgrundsatzes nur ein, wo das Gesetz sie anordnet. Dies gilt beispielsweise für die unangefochtene Mietzinserhöhung ( Art. 270b Abs. 1 OR ) oder die nicht ausdrücklich vorbehaltene Mietzinsreserve ( Art. 18 VMWG ), nicht aber für den hier streitigen Herabsetzungsanspruch. Unbesehen darum, ob die Mietzinsherabsetzung dem Mieter mit amtlichem Formular angezeigt wird oder nicht, ist er nicht gehalten, sie als ungenügend anzufechten, ist dazu in der Regel auch nicht in der Lage, weil die begünstigende Anzeige als solche der Anfechtung nicht unterliegt und der Mieter eine weitergehende Reduktion ausserhalb eines Erhöhungsverfahrens ( Art. 270a Abs. 3 OR ) nur verlangen kann, wenn er sie vorgängig unter Beachtung der Kündigungsfrist auf einen Kündigungstermin verlangt hat ( Art. 270a OR ; BGE 122 III 20 E. 4b). Hatten die Kläger aber keine Möglichkeit, die ihnen am 1. März 1994 auf den 1. April 1994 BGE 124 III 67 S. 71 angezeigte Mietzinssenkung als ungenügend anzufechten, weil sie selbst auf den Anpassungszeitpunkt kein fristgerechtes Herabsetzungsbegehren gestellt hatten, gingen sie ihres nunmehr zur Beurteilung stehenden Anspruchs nicht dadurch verlustig, dass sie der Anzeige nicht opponierten.
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Erwägungen ab Seite 372 BGE 101 II 372 S. 372 Aus den Erwägungen: Gemäss Art. 55 Abs. 1 lit. b OG ist in der Berufungsschrift genau anzugeben, welche Punkte des kantonalen Entscheides angefochten und welche Abänderungen beantragt werden. Das Bundesgericht hat diese Vorschrift, die auch bei der Anschlussberufung zu beachten ist (vgl. BGE 59 II 174 Erw. 1), stets dahin ausgelegt, dass bei Klagen auf Geldleistungen der zuzusprechende Betrag ziffermässig anzugeben ist ( BGE 75 II 334 , BGE 79 II 255 , BGE 86 II 193 , BGE 88 II 207 , BGE 89 II 414 , BGE 91 II 283 ). Bei der Berufung brauchen die beantragten Abänderungen freilich nicht aus dem Wortlaut des Rechtsbegehrens selbst hervorzugehen. Nach der Rechtsprechung genügt, wenn in Verbindung mit der Begründung oder dem angefochtenen Urteil ohne weiteres ersichtlich ist, in welchem Sinne das angefochtene Urteil nach dem Willen des Berufungsklägers abgeändert werden soll. Das trifft z.B. zu, wenn aus der Begründung zu ersehen ist, auf welchen Betrag er eine Geldleistung festgesetzt wissen will ( BGE 78 II 448 , BGE 80 II 245 , BGE 81 II 251 , BGE 99 II 181 ). Dies gilt aber nur für die Berufung, da deren Anträge innert 30 Tagen nach der Mitteilung des angefochtenen Urteils nicht bloss eingereicht, sondern auch begründet werden müssen ( Art. 54 Abs. 1 und 55 OG ; BGE 92 II 67 , BGE 94 II 10 ). Bei der Anschlussberufung verhält es sich anders; diesfalls sind die Abänderungsanträge innert 10 Tagen nach der in Art. 56 OG vorgesehenen Anzeige, die schriftliche Begründung dagegen erst zusammen mit der Antwort auf die Berufung einzureichen ( Art. 59 Abs. 1 und 2 OG ). Dieser wichtige Unterschied zwischen Berufung und Anschlussberufung steht bei der letzteren einer Ergänzung der Anträge in der Begründung entgegen. Das ergibt sich daraus, dass Berufung und Anschlussberufung den Eintritt der Rechtskraft nur im Umfang der Anträge hemmen ( Art. 54 Abs. 2 OG ), der Berufungsbeklagte seine Abänderungsanträge aber innert der zehntägigen Frist des Art. 59 Abs. 1 OG stellen muss, wenn er sich der Berufung anschliessen will.
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957.1 1 / 20 Bundesgesetz über Bucheffekten (Bucheffektengesetz, BEG) vom 3. Oktober 2008 (Stand am 1. Januar 2023) Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf die Artikel 98 Absatz 1 und 122 Absatz 1 der Bundesverfassung1, nach Einsicht in die Botschaft des Bundesrates vom 15. November 20062, beschliesst: 1. Kapitel: Zweck, Geltungsbereich und Begriffe Art. 1 Gegenstand und Zweck 1 Dieses Gesetz regelt die Verwahrung von Wertpapieren und Wertrechten durch Ver- wahrungsstellen und deren Übertragung. 2 Es gewährleistet den Schutz der Eigentumsrechte der Anlegerinnen und Anleger. Es trägt bei zur Rechtssicherheit im internationalen Verhältnis, zur effizienten Abwick- lung von Effektengeschäften und zur Stabilität des Finanzsystems. Art. 2 Geltungsbereich 1 Dieses Gesetz findet Anwendung auf Bucheffekten, die eine Verwahrungsstelle ei- nem Effektenkonto gutgeschrieben hat. 1bis Artikel 31 Absatz 2 ist unter den Voraussetzungen nach Artikel 31 Absatz 1 auf Bucheffekten anwendbar, welche bei einer Verwahrungsstelle im In- oder Ausland verwahrt werden, auch wenn die Verwahrung ausländischem Recht untersteht.3 2 Es lässt Vorschriften über die Eintragung von Namenaktien in das Aktienbuch un- berührt. Art. 3 Bucheffekten 1 Bucheffekten im Sinne dieses Gesetzes sind vertretbare Forderungs- oder Mitglied- schaftsrechte gegenüber dem Emittenten4: a. die einem Effektenkonto gutgeschrieben sind; und AS 2009 3577 1 SR 101 2 BBl 2006 9315 3 Eingefügt durch Anhang Ziff. 8 des BG vom 17. Dez. 2021 (Insolvenz und Einlagensi- cherung), in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 732; BBl 2020 6359). 4 Weil es sich bei den Emittenten hauptsächlich um juristische Personen handelt, wird auf die sprachliche Gleichbehandlung verzichtet. 957.1 Bucheffekten 2 / 20 957.1 b. über welche die Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber nach den Vorschriften dieses Gesetzes verfügen können. 1bis Als Bucheffekte im Sinne dieses Gesetzes gilt auch jedes nach ausländischem Recht verwahrte Finanzinstrument und jedes Recht an einem solchen Finanzin-stru- ment, dem nach diesem ausländischen Recht eine vergleichbare Funktion zukommt.5 2 Die Bucheffekte ist der Verwahrungsstelle und jedem Dritten gegenüber wirksam; sie ist dem Zugriff der weiteren Gläubigerinnen und Gläubiger der Verwahrungsstelle entzogen. Art. 4 Verwahrungsstellen 1 Eine Verwahrungsstelle im Sinne dieses Gesetzes führt auf den Namen von Perso- nen oder Personengesamtheiten Effektenkonten. 2 Als Verwahrungsstellen gelten: a. Banken gemäss Bankengesetz vom 8. November 19346; b.7 Wertpapierhäuser nach Artikel 41 des Finanzinstitutsgesetzes vom 15. Juni 20188; c.9 Fondsleitungen nach Artikel 32 des Finanzinstitutsgesetzes, sofern sie An- teilskonten führen; d.10 Zentralverwahrer im Sinne von Artikel 61 des Finanzmarktinfrastrukturgeset- zes vom 19. Juni 201511; e. die Schweizerische Nationalbank gemäss Nationalbankgesetz vom 3. Oktober 200312; f.13 die Schweizerische Post gemäss Postorganisationsgesetz vom 17. Dezember 201014; und 5 Eingefügt durch Anhang Ziff. 14 des Finanzmarktinfrastrukturgesetzes vom 19. Juni 2015, in Kraft seit 1. Jan. 2016 (AS 2015 5339; BBl 2014 7483). 6 SR 952.0 7 Fassung gemäss Anhang Ziff. II 17 des Finanzinstitutsgesetzes vom 15. Juni 2018, in Kraft seit 1. Jan. 2020 (AS 2018 5247, 2019 4631; BBl 2015 8901). 8 SR 954.1 9 Fassung gemäss Anhang Ziff. II 17 des Finanzinstitutsgesetzes vom 15. Juni 2018, in Kraft seit 1. Jan. 2020 (AS 2018 5247, 2019 4631; BBl 2015 8901). 10 Fassung gemäss Anhang Ziff. 14 des Finanzmarktinfrastrukturgesetzes vom 19. Juni 2015, in Kraft seit 1. Jan. 2016 (AS 2015 5339; BBl 2014 7483). 11 SR 958.1 12 SR 951.11 13 Fassung gemäss Ziff. I 9 des BG vom 25. Sept. 2020 zur Anpassung des Bundesrechts an Entwicklungen der Technik verteilter elektronischer Register, in Kraft seit 1. Febr. 2021 (AS 2021 33; BBl 2020 233). 14 SR 783.1 Bucheffektengesetz 3 / 20 957.1 g.15 DLT-Handelssysteme nach den Artikeln 73a–73f des Finanzmarktinfrastruk- turgesetzes vom 19. Juni 201516 in Bezug auf immobilisierte Registerwert- rechte nach den Artikeln 973d–973i des Obligationenrechts17. 3 Als Verwahrungsstelle gelten, sofern sie im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit Effek- tenkonten führen, auch ausländische Banken, ausländische Wertpapierhäuser und an- dere ausländische Finanzinstitute sowie ausländische zentrale Verwahrungsstellen.18 Art. 5 Begriffe In diesem Gesetz gelten als: a. Drittverwahrungsstelle: eine Verwahrungsstelle, die für andere Verwah- rungsstellen Effektenkonten führt; b. Kontoinhaberin oder Kontoinhaber: eine Person oder Personengesamtheit, auf deren Namen eine Verwahrungsstelle ein Effektenkonto führt; c. Anlegerin oder Anleger: eine Kontoinhaberin oder ein Kontoinhaber, die oder der nicht Verwahrungsstelle ist, oder eine Verwahrungsstelle, die Bucheffek- ten für eigene Rechnung hält; d. qualifizierte Anlegerin oder qualifizierter Anleger: eine Verwahrungsstelle; eine beaufsichtigte Versicherungseinrichtung; eine öffentlich-rechtliche Kör- perschaft, eine Vorsorgeeinrichtung oder ein Unternehmen mit professionel- ler Tresorerie; e. sammelverwahrte Wertpapiere: Wertpapiere im Sinne von Artikel 973a des Obligationenrechts19; f. Globalurkunde: ein Wertpapier im Sinne von Artikel 973b des Obligationen- rechts; g.20 einfache Wertrechte: Rechte im Sinne von Artikel 973c des Obligationen- rechts; h.21 Registerwertrechte: Rechte im Sinne von Artikel 973d des Obligationen- rechts. 15 Eingefügt durch Ziff. I 9 des BG vom 25. Sept. 2020 zur Anpassung des Bundesrechts an Entwicklungen der Technik verteilter elektronischer Register, in Kraft seit 1. Febr. 2021 (AS 2021 33; BBl 2020 233). 16 SR 958.1 17 SR 220 18 Fassung gemäss Anhang Ziff. II 17 des Finanzinstitutsgesetzes vom 15. Juni 2018, in Kraft seit 1. Jan. 2020 (AS 2018 5247, 2019 4631; BBl 2015 8901). 19 SR 220 20 Fassung gemäss Ziff. I 9 des BG vom 25. Sept. 2020 zur Anpassung des Bundesrechts an Entwicklungen der Technik verteilter elektronischer Register, in Kraft seit 1. Febr. 2021 (AS 2021 33; BBl 2020 233). 21 Eingefügt durch Ziff. I 9 des BG vom 25. Sept. 2020 zur Anpassung des Bundesrechts an Entwicklungen der Technik verteilter elektronischer Register, in Kraft seit 1. Febr. 2021 (AS 2021 33; BBl 2020 233). Bucheffekten 4 / 20 957.1 2. Kapitel: Entstehung, Umwandlung und Untergang von Bucheffekten Art. 6 Entstehung 1 Bucheffekten entstehen: a. mit der Hinterlegung von Wertpapieren zur Sammelverwahrung bei einer Verwahrungsstelle und deren Gutschrift in einem oder mehreren Effektenkon- ten; b. mit der Hinterlegung von Globalurkunden bei einer Verwahrungsstelle und deren Gutschrift in einem oder mehreren Effektenkonten; c.22 mit der Eintragung von einfachen Wertrechten im Hauptregister einer Ver- wahrungsstelle und der Gutschrift in einem oder mehreren Effektenkonten; d.23 mit der Übertragung von Registerwertrechten auf eine Verwahrungsstelle und der Gutschrift in einem oder mehreren Effektenkonten. 2 Für jede Emission von einfachen Wertrechten führt eine einzige Verwahrungsstelle das Hauptregister. Es enthält Angaben über die Emission und die Anzahl sowie die Stückelung der ausgegebenen Wertrechte; es ist öffentlich.24 3 Registerwertrechte sind bei deren Übertragung auf eine Verwahrungsstelle im Wert- rechteregister zu immobilisieren.25 Art. 7 Umwandlung 1 Sofern die Ausgabebedingungen oder die Gesellschaftsstatuten nichts anderes be- stimmen, kann der Emittent sammelverwahrte Wertpapiere, Globalurkunden oder ein- fache Wertrechte, die als Grundlage von Bucheffekten hinterlegt oder eingetragen sind, jederzeit und ohne Zustimmung der Kontoinhaberinnen oder Kontoinhaber in eine der beiden anderen Formen umwandeln.26 Er trägt dafür die Kosten. 2 Die Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber können vom Emittenten jederzeit verlan- gen, für die Bucheffekten, die durch Hinterlegung einer Globalurkunde oder durch Eintragung einfacher Wertrechte in ein Hauptregister entstehen, Wertpapiere gleicher 22 Fassung gemäss Ziff. I 9 des BG vom 25. Sept. 2020 zur Anpassung des Bundesrechts an Entwicklungen der Technik verteilter elektronischer Register, in Kraft seit 1. Febr. 2021 (AS 2021 33; BBl 2020 233). 23 Eingefügt durch Ziff. I 9 des BG vom 25. Sept. 2020 zur Anpassung des Bundesrechts an Entwicklungen der Technik verteilter elektronischer Register, in Kraft seit 1. Febr. 2021 (AS 2021 33; BBl 2020 233). 24 Fassung gemäss Ziff. I 9 des BG vom 25. Sept. 2020 zur Anpassung des Bundesrechts an Entwicklungen der Technik verteilter elektronischer Register, in Kraft seit 1. Febr. 2021 (AS 2021 33; BBl 2020 233). 25 Eingefügt durch Ziff. I 9 des BG vom 25. Sept. 2020 zur Anpassung des Bundesrechts an Entwicklungen der Technik verteilter elektronischer Register, in Kraft seit 1. Febr. 2021 (AS 2021 33; BBl 2020 233). 26 Fassung gemäss Ziff. I 9 des BG vom 25. Sept. 2020 zur Anpassung des Bundesrechts an Entwicklungen der Technik verteilter elektronischer Register, in Kraft seit 1. Febr. 2021 (AS 2021 33; BBl 2020 233). Bucheffektengesetz 5 / 20 957.1 Zahl und Gattung auszustellen, sofern die Ausgabebedingungen oder Gesellschafts- statuten es vorsehen.27 Sie tragen dafür die Kosten, es sei denn, die Ausgabebedin- gungen oder Gesellschaftsstatuten bestimmen etwas anderes. 3 Die Verwahrungsstelle stellt sicher, dass durch eine Umwandlung die Gesamtzahl der ausgegebenen Forderungs- oder Mitgliedschaftsrechte nicht verändert wird. Art. 8 Auslieferung und Untergang im Allgemeinen28 1 Die Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber können von der Verwahrungsstelle jeder- zeit verlangen, ihnen Wertpapiere gleicher Zahl und Gattung auszuliefern oder aus- liefern zu lassen, wie ihrem Effektenkonto Bucheffekten gutgeschrieben sind, sofern: a. bei der Verwahrungsstelle oder bei einer Drittverwahrungsstelle Wertpapiere hinterlegt sind; oder b. die Kontoinhaberin oder der Kontoinhaber nach Artikel 7 Absatz 2 einen An- spruch auf Ausstellung von Wertpapieren hat. 2 Die Kontoinhaberin oder der Kontoinhaber hat Anspruch auf die Auslieferung von Wertpapieren, die den Usanzen des Marktes entsprechen, auf dem diese Wertpapiere gehandelt werden. 3 Die Verwahrungsstelle stellt sicher, dass die Wertpapiere nur ausgeliefert werden, wenn Bucheffekten gleicher Zahl und Gattung dem entsprechenden Effektenkonto belastet worden sind. Art. 8a29 Auslieferung von Inhaberaktien von Aktiengesellschaften ohne börsenkotierte Beteiligungspapiere Bei Aktiengesellschaften ohne börsenkotierte Beteiligungspapiere, deren Inhaberak- tien als Bucheffekten ausgestaltet sind, stellt die nach Artikel 697j Absatz 5 des Ob- ligationenrechts30 von der Gesellschaft bezeichnete Verwahrungsstelle sicher, dass die Wertpapiere nur ausgeliefert werden: a. bei Beendigung der Funktion der Verwahrungsstelle31: an die Verwahrungs- stelle in der Schweiz, die von der Gesellschaft als Ersatz bezeichnet worden ist; b. bei Umwandlung der Inhaberaktien in Namenaktien: an die Gesellschaft; c. bei Vernichtung der Inhaberaktien: an die Gesellschaft. 27 Fassung gemäss Ziff. I 9 des BG vom 25. Sept. 2020 zur Anpassung des Bundesrechts an Entwicklungen der Technik verteilter elektronischer Register, in Kraft seit 1. Febr. 2021 (AS 2021 33; BBl 2020 233). 28 Fassung gemäss Ziff. I 4 des BG vom 21. Juni 2019 zur Umsetzung von Empfehlungen des Globalen Forums über Transparenz und Informationsaustausch für Steuerzwecke, in Kraft seit 1. Nov. 2019 (AS 2019 3161; BBl 2019 279). 29 Eingefügt durch Ziff. I 4 des BG vom 21. Juni 2019 zur Umsetzung von Empfehlungen des Globalen Forums über Transparenz und Informationsaustausch für Steuerzwecke, in Kraft seit 1. Nov. 2019 (AS 2019 3161; BBl 2019 279). 30 SR 220 31 Berichtigt von der Redaktionskommission der BVers (Art. 58 Abs. 1 ParlG; SR 171.10). Bucheffekten 6 / 20 957.1 3. Kapitel: Drittverwahrung und Verfügbarkeit von Bucheffekten Art. 9 Ermächtigung zur Drittverwahrung 1 Eine Verwahrungsstelle kann Bucheffekten, Wertpapiere, einfache Wertrechte und Registerwertrechte durch eine Drittverwahrungsstelle in der Schweiz oder im Ausland verwahren lassen.32 Die Zustimmung der Kontoinhaberin oder des Kontoinhabers ist nicht erforderlich. 2 Die Drittverwahrung im Ausland bedarf jedoch der ausdrücklichen Zustimmung der Kontoinhaberin oder des Kontoinhabers, wenn die ausländische Verwahrungsstelle nicht einer Aufsicht untersteht, welche ihrer Tätigkeit angemessen ist. Art. 10 Wirkungen 1 Die Verwahrungsstelle schreibt dem Effektenkonto der Kontoinhaberin oder des Kontoinhabers die Bucheffekten gut, welche die Drittverwahrungsstelle ihrem Effek- tenkonto gutgeschrieben hat. 2 Untersteht die Drittverwahrung nicht diesem Gesetz, so erwirbt die Kontoinhaberin oder der Kontoinhaber mit der Gutschrift zumindest Rechte entsprechend den Rech- ten, welche die Verwahrungsstelle aus der Drittverwahrung erhält. Art. 11 Verfügbare Bucheffekten 1 Jede Verwahrungsstelle hält bei sich selber oder bei einer Drittverwahrungsstelle Bucheffekten verfügbar, deren Zahl und Gattung mindestens der Summe der in den Effektenkonten ihrer Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber als Guthaben ausgewie- senen Bucheffekten (Effektenguthaben) entspricht. 2 Ist die Menge der verfügbaren Bucheffekten kleiner als die Summe der Effektengut- haben, so muss die Verwahrungsstelle ohne Verzug Bucheffekten im Umfang des Un- terbestandes erwerben. 3 Als verfügbar gelten: a. Bucheffekten, die einem Effektenkonto der Verwahrungsstelle bei einer Dritt- verwahrungsstelle gutgeschrieben sind; b.33 bei der Verwahrungsstelle sammelverwahrte Wertpapiere, Registerwert- rechte, Globalurkunden oder einfache Wertrechte, die in ihrem Hauptregister eingetragen sind; und c. frei verfügbare Ansprüche auf Lieferung von Bucheffekten durch andere Ver- wahrungsstellen während der Frist, die auf dem betreffenden Markt für eine 32 Fassung gemäss Ziff. I 9 des BG vom 25. Sept. 2020 zur Anpassung des Bundesrechts an Entwicklungen der Technik verteilter elektronischer Register, in Kraft seit 1. Febr. 2021 (AS 2021 33; BBl 2020 233). 33 Fassung gemäss Ziff. I 9 des BG vom 25. Sept. 2020 zur Anpassung des Bundesrechts an Entwicklungen der Technik verteilter elektronischer Register, in Kraft seit 1. Febr. 2021 (AS 2021 33; BBl 2020 233). Bucheffektengesetz 7 / 20 957.1 ordentliche Abwicklung vorgeschrieben oder üblich ist, längstens jedoch während acht Tagen. Art. 11a34 Segregierung 1 Die Verwahrungsstelle ist verpflichtet, Eigen- und Drittbestände in ihren Büchern getrennt zu halten. 2 Hält die Verwahrungsstelle Eigen- und Drittbestände bei einer Drittverwahrungs- stelle im Inland, so hat sie die Eigen- und die Drittbestände auf verschiedenen Effek- tenkonten zu halten. Drittverwahrungsstellen müssen den Verwahrungsstellen die Möglichkeit anbieten, Eigen- und Drittbestände auf verschiedenen Effektenkonten zu halten. 3 Erfolgt die Verwahrung im Ausland, so vereinbart die Schweizer Verwahrungsstelle mit der ersten ausländischen Drittverwahrungsstelle, dass diese die Eigen- und die Drittbestände auf verschiedenen Effektenkonten hält. 4 Ist eine Vereinbarung nach Absatz 3 nach dem Recht des betroffenen Staates oder aus operationellen Gründen nicht möglich, so trifft die Schweizer Verwahrungsstelle andere Massnahmen, die der Kontoinhaberin oder dem Kontoinhaber ein vergleich- bares Mass an Schutz bieten. 5 Die Schweizer Verwahrungsstelle muss keine Massnahmen nach Absatz 4 treffen, wenn: a. die Drittverwahrung wegen der Eigenschaften der betreffenden Bucheffekten oder der mit diesen verbundenen Finanzdienstleistungen nur im betroffenen Staat erfolgen kann; oder b. die Kontoinhaberin oder der Kontoinhaber die Verwahrungsstelle schriftlich oder in einer anderen Form, die den Nachweis durch Text ermöglicht, ange- wiesen hat, die Bucheffekten bei einer Drittverwahrungsstelle in diesem Staat zu verwahren. 6 Die Schweizer Verwahrungsstelle, die Drittbestände bei einer Drittverwahrungs- stelle hält, stellt der Kontoinhaberin oder dem Kontoinhaber vorgängig in standardi- sierter Weise in Papierform oder elektronisch Informationen zur Verfügung. Sie legt dar: a. dass die Verwahrung in der Regel bei einer Drittverwahrungsstelle erfolgt; b. dass eine Drittverwahrungsstelle je nach Emittent allenfalls Sitz im Ausland hat und dass die Verwahrung in diesem Fall ausländischem Recht untersteht; c. dass mit einer Verwahrung im Ausland für die Kontoinhaberin oder den Kon- toinhaber Risiken verbunden sind und um welche generellen Risiken es sich handelt; d. die Kosten der Verwahrung von Bucheffekten. 34 Eingefügt durch Anhang Ziff. 8 des BG vom 17. Dez. 2021 (Insolvenz und Einlagensi- cherung), in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 732; BBl 2020 6359). Bucheffekten 8 / 20 957.1 Art. 11b35 Datenübermittlung an Drittverwahrungsstellen und weitere Stellen 1 Die Schweizer Verwahrungsstelle darf der in- oder ausländischen Drittverwahrungs- stelle und weiteren Stellen und Gesellschaften direkt alle Daten übermitteln, welche diese oder eine in der Verwahrungskette nachgelagerte Drittverwahrungsstelle, Stelle oder Gesellschaft zur Erfüllung ihrer mit der Verwahrung verbundenen rechtlichen Pflichten benötigen. 2 Die Verwahrungsstelle informiert die Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber vorgän- gig in standardisierter Weise in Papierform oder elektronisch über die Möglichkeit der Datenübermittlung nach Absatz 1 und darüber, dass Kundendaten, je nach gelten- dem ausländischem Recht, Behörden des betroffenen Staates weitergeleitet werden können. Art. 12 Eigen- und Drittbestände 1 Hält die Verwahrungsstelle Eigen- und Drittbestände bei einer Drittverwahrungs- stelle, so werden die Bucheffekten der Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber sowie deren Lieferansprüche nicht berührt durch:36 a. eine Aufrechnungsvereinbarung zwischen der Verwahrungsstelle und einer Drittverwahrungsstelle, welcher die Kontoinhaberin oder der Kontoinhaber nicht als Partei beigetreten ist; b.37 Pfand-, Rückbehalts- und Verwertungsrechte der Drittverwahrungsstelle oder von Dritten, die über das Rückbehalts- und Verwertungsrecht der Verwah- rungsstelle gemäss Artikel 21 hinausgehen und denen die Kontoinhaberin o- der der Kontoinhaber nicht zugestimmt hat. 2 Die Verwahrungsstelle kann über Bucheffekten einer Kontoinhaberin oder eines Kontoinhabers nur verfügen, nachdem sie diese in Ausübung ihres Nutzungsrechts in ihr eigenes Effektenkonto übertragen hat. 3 Abweichende Abreden sind nichtig. 4. Kapitel: Rechte aus der Verwahrung von Bucheffekten 1. Abschnitt: Allgemeine Rechte der Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber Art. 13 Grundsatz 1 Die Entstehung von Bucheffekten lässt die Rechte der Anlegerinnen und Anleger gegenüber dem Emittenten unberührt. 35 Eingefügt durch Anhang Ziff. 8 des BG vom 17. Dez. 2021 (Insolvenz und Einlagensi- cherung), in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 732; BBl 2020 6359). 36 Fassung gemäss Anhang Ziff. 8 des BG vom 17. Dez. 2021 (Insolvenz und Einlagensi- cherung), in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 732; BBl 2020 6359). 37 Fassung gemäss Anhang Ziff. 8 des BG vom 17. Dez. 2021 (Insolvenz und Einlagensi- cherung), in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 732; BBl 2020 6359). Bucheffektengesetz 9 / 20 957.1 2 Die Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber können ihre Rechte an Bucheffekten nur über ihre Verwahrungsstelle ausüben, sofern dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. Art. 14 Pfändung und Arrest 1 Wird gegen eine Kontoinhaberin oder einen Kontoinhaber eine Pfändung, ein Arrest oder eine andere vorsorgliche Massnahme verfügt, die Bucheffekten zum Gegenstand hat, so ist diese Massnahme ausschliesslich bei der Verwahrungsstelle zu vollziehen, die das Effektenkonto der Kontoinhaberin oder des Kontoinhabers führt, dem die Bucheffekten gutgeschrieben sind. 2 Pfändungen, Arreste und andere vorsorgliche Massnahmen gegen eine Kontoinha- berin oder einen Kontoinhaber, die bei einer Drittverwahrungsstelle vollzogen wer- den, sind nichtig. Art. 15 Weisung 1 Die Verwahrungsstelle ist nach Massgabe ihres Vertrags mit der Kontoinhaberin o- der dem Kontoinhaber verpflichtet, deren oder dessen Weisungen zur Verfügung über Bucheffekten auszuführen. 2 Sie hat weder das Recht noch die Pflicht, den Rechtsgrund der Weisung zu überprü- fen. 3 Die Kontoinhaberin oder der Kontoinhaber kann die Weisung widerrufen bis zum Zeitpunkt, der durch den Vertrag mit der Verwahrungsstelle oder die anwendbaren Regeln eines Effektenabrechnungs- und -abwicklungssystems festgelegt ist. Sobald die Verwahrungsstelle das Effektenkonto belastet hat, ist die Weisung in jedem Fall unwiderruflich. Art. 16 Ausweis Die Kontoinhaberin oder der Kontoinhaber kann von der Verwahrungsstelle jederzeit einen Ausweis über die dem betreffenden Effektenkonto gutgeschriebenen Buchef- fekten verlangen. Diesem Ausweis kommt nicht die Eigenschaft eines Wertpapiers zu. 2. Abschnitt: Rechte der Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber in der Liquidation einer Verwahrungsstelle Art. 17 Absonderung 1 Wird über eine Verwahrungsstelle ein Zwangsliquidationsverfahren zum Zwecke der Generalexekution eröffnet, so sondert die Liquidatorin oder der Liquidator im Umfang der Effektenguthaben ihrer Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber von Amtes wegen ab: Bucheffekten 10 / 20 957.1 a. Bucheffekten, die einem Effektenkonto der Verwahrungsstelle bei einer Dritt- verwahrungsstelle gutgeschrieben sind; b.38 bei der Verwahrungsstelle sammelverwahrte Wertpapiere, Registerwert- rechte, Globalurkunden oder einfache Wertrechte, die in ihrem Hauptregister eingetragen sind; und c. frei verfügbare Ansprüche der Verwahrungsstelle gegenüber Dritten auf Lie- ferung von Bucheffekten aus Kassageschäften, abgelaufenen Termingeschäf- ten, Deckungsgeschäften oder Emissionen für Rechnung der Kontoinhaberin- nen oder Kontoinhaber. 2 Hält die Verwahrungsstelle Eigen- und Drittbestände bei einer Drittverwahrungs- stelle zusammengefasst auf einem einzigen Effektenkonto, so gilt die Vermutung, dass es sich dabei um Bucheffekten ihrer Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber han- delt. 3 Wer eine Verwahrungsstelle liquidiert, muss deren Verpflichtungen gegenüber der Drittverwahrungsstelle erfüllen, die ihr entstanden sind aus der Drittverwahrung von Bucheffekten oder aus der Vorleistung der Drittverwahrungsstelle für den Erwerb von Bucheffekten. 4 Die abgesonderten Bucheffekten und Ansprüche auf Lieferung von Bucheffekten werden: a. auf die Verwahrungsstelle übertragen, die von der Kontoinhaberin oder vom Kontoinhaber bezeichnet wird; b.39 in Form von Wertpapieren der Kontoinhaberin oder dem Kontoinhaber aus- geliefert; oder c.40 in Form von Registerwertrechten auf die Kontoinhaberin oder den Kontoin- haber übertragen. 5 Die Ansprüche der Verwahrungsstelle nach Artikel 21 bleiben vorbehalten. Art. 18 Absonderung bei Liquidation der Drittverwahrungsstelle Wird über eine Drittverwahrungsstelle ein Zwangsliquidationsverfahren zum Zwecke einer Generalexekution eröffnet, so hat die Verwahrungsstelle die Absonderung der Bucheffekten ihrer Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber bei der Drittverwahrungs- stelle geltend zu machen. 38 Fassung gemäss Ziff. I 9 des BG vom 25. Sept. 2020 zur Anpassung des Bundesrechts an Entwicklungen der Technik verteilter elektronischer Register, in Kraft seit 1. Febr. 2021 (AS 2021 33; BBl 2020 233). 39 Fassung gemäss Ziff. I 9 des BG vom 25. Sept. 2020 zur Anpassung des Bundesrechts an Entwicklungen der Technik verteilter elektronischer Register, in Kraft seit 1. Febr. 2021 (AS 2021 33; BBl 2020 233). 40 Fassung gemäss Ziff. I 9 des BG vom 25. Sept. 2020 zur Anpassung des Bundesrechts an Entwicklungen der Technik verteilter elektronischer Register, in Kraft seit 1. Febr. 2021 (AS 2021 33; BBl 2020 233). Bucheffektengesetz 11 / 20 957.1 Art. 19 Unterbestand 1 Genügen die abgesonderten Bucheffekten zur vollständigen Befriedigung der An- sprüche der Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber nicht, so werden zu deren Gunsten im Umfang des Unterbestandes Bucheffekten derselben Gattung abgesondert, die die Verwahrungsstelle auf eigene Rechnung hält, auch wenn sie getrennt von den Buchef- fekten ihrer Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber verwahrt werden. 2 Sind die Ansprüche der Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber immer noch nicht vollständig befriedigt, so tragen die Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber den Unter- bestand im Verhältnis ihrer Effektenguthaben der betreffenden Gattung. In diesem Umfang steht jeder Kontoinhaberin und jedem Kontoinhaber eine Ersatzforderung gegen die Verwahrungsstelle zu. Art. 20 Endgültigkeit von Weisungen Die Weisung einer Verwahrungsstelle, die an einem Effektenabrechnungs- und -ab- wicklungssystem teilnimmt, ist auch im Falle eines Zwangsvollstreckungsverfahrens gegen diese Verwahrungsstelle rechtlich verbindlich und Dritten gegenüber wirksam, wenn sie: a. vor Eröffnung des Verfahrens in das System eingebracht wurde; oder b. nach Eröffnung des Verfahrens in das System eingebracht und am Tag der Verfahrenseröffnung ausgeführt wurde, sofern der Systembetreiber nach- weist, dass er von der Eröffnung des Verfahrens keine Kenntnis hatte oder haben musste. 3. Abschnitt: Rechte der Verwahrungsstelle an Bucheffekten Art. 21 Rückbehalts- und Verwertungsrecht 1 Die Verwahrungsstelle kann einem Effektenkonto gutgeschriebene Bucheffekten zurückbehalten und verwerten, sofern eine Forderung gegen die Inhaberin oder den Inhaber dieses Kontos fällig ist und sie aus der Verwahrung der Bucheffekten oder aus Vorleistungen der Verwahrungsstelle für den Erwerb von Bucheffekten herrührt. 2 Das Rückbehalts- und Verwertungsrecht der Verwahrungsstelle erlischt, sobald die Bucheffekten dem Effektenkonto einer anderen Kontoinhaberin oder eines anderen Kontoinhabers gutgeschrieben werden. Art. 22 Nutzungsrecht 1 Die Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber können der Verwahrungsstelle das Recht einräumen, über ihre Bucheffekten im eigenen Namen und auf eigene Rechnung zu verfügen, namentlich die Bucheffekten als Sicherheit weiter zu verwenden. 2 Ist die Kontoinhaberin oder der Kontoinhaber keine qualifizierte Anlegerin oder kein qualifizierter Anleger, so ist die Ermächtigung schriftlich zu erteilen. Die Er- mächtigung darf nicht in den allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten sein. Bucheffekten 12 / 20 957.1 Art. 23 Rückerstattung von Sicherheiten 1 Hat die Kontoinhaberin oder der Kontoinhaber der Verwahrungsstelle Bucheffekten als Sicherheit übertragen und nutzt die Verwahrungsstelle diese Bucheffekten ihrer- seits als Sicherheit, so muss die Verwahrungsstelle der Kontoinhaberin oder dem Kontoinhaber spätestens bei Fälligkeit der gesicherten Forderung Bucheffekten der- selben Zahl und Gattung rückerstatten. 2 Diese Bucheffekten unterliegen demselben Sicherungsrecht wie das ursprüngliche Sicherungsrecht und werden so behandelt, als wären sie zum selben Zeitpunkt wie das ursprüngliche Sicherungsrecht bestellt worden. 3 Soweit im Sicherungsvertrag mit der Kontoinhaberin oder dem Kontoinhaber vor- gesehen, kann die Verwahrungsstelle die Bucheffekten, statt sie zurückzuerstatten, nach Artikel 31 verwerten. Art. 23a41 Weiterleitung von Informationen Die von einer Aktiengesellschaft nach Artikel 697i Absatz 4 oder Artikel 697j Ab- satz 3 des Obligationenrechts42 bezeichnete Verwahrungsstelle muss sicherstellen, dass ihr die in der Kette nachgelagerten Verwahrungsstellen auf Anfrage die folgen- den Informationen weiterleiten: a. Vor- und Nachname oder Firma sowie Adresse der Aktionärin oder des Akti- onärs; und b. Vor- und Nachname sowie Adresse der wirtschaftlich berechtigten Person. 5. Kapitel: Verfügung über Bucheffekten und Wirkung gegenüber Dritten 1. Abschnitt: Verfügung über Bucheffekten Art. 24 Gutschrift43 1 Über Bucheffekten wird verfügt durch: a. Weisung der Kontoinhaberin oder des Kontoinhabers an die Verwahrungs- stelle, die Bucheffekten zu übertragen; und b. Gutschrift der Bucheffekten im Effektenkonto der Erwerberin oder des Er- werbers. 2 Die Verfügung ist mit Abschluss der erforderlichen Gutschrift vollzogen und Dritten gegenüber wirksam. Wird durch die Verfügung das Vollrecht übertragen, so verliert 41 Eingefügt durch Ziff. I 8 des BG vom 12. Dez. 2014 zur Umsetzung der 2012 revidierten Empfehlungen der Groupe d'action financière, in Kraft seit 1. Juli 2015 (AS 2015 1389; BBl 2014 605). 42 SR 220 43 Fassung gemäss Anhang Ziff. 14 des Finanzmarktinfrastrukturgesetzes vom 19. Juni 2015, in Kraft seit 1. Jan. 2016 (AS 2015 5339; BBl 2014 7483). Bucheffektengesetz 13 / 20 957.1 die verfügende Kontoinhaberin oder der verfügende Kontoinhaber ihre oder seine Rechte an den Bucheffekten.44 3 Vorbehalten bleiben die Vorschriften über den Erwerb durch Universalsukzession oder Zwangsvollstreckung. 4 Beschränkungen der Übertragbarkeit von Namenaktien bleiben vorbehalten. Andere Beschränkungen der Übertragbarkeit bleiben der Erwerberin oder dem Erwerber oder Dritten gegenüber ohne Wirkung. Art. 2545 Kontrollvereinbarung 1 Über Bucheffekten kann mit Wirkung gegenüber Dritten auch verfügt werden, in- dem die Kontoinhaberin oder der Kontoinhaber mit der Verwahrungsstelle unwider- ruflich vereinbart, dass diese die Weisungen der Erwerberin oder des Erwerbers ohne weitere Zustimmung oder Mitwirkung der Kontoinhaberin oder des Kontoinhabers auszuführen hat. 2 Die Verfügung kann sich beziehen auf: a. bestimmte Bucheffekten; b. alle Bucheffekten, die einem Effektenkonto gutgeschrieben sind; oder c. einen wertmässig bestimmten Anteil der Bucheffekten, die einem Effekten- konto gutgeschrieben sind. Art. 2646 Vereinbarung mit der Verwahrungsstelle 1 Die Kontoinhaberin oder der Kontoinhaber kann durch Abschluss einer Vereinba- rung mit der Verwahrungsstelle zu deren Gunsten über Bucheffekten verfügen. Die Verfügung ist Dritten gegenüber mit dem Abschluss der Vereinbarung wirksam. 2 Artikel 25 Absatz 2 ist anwendbar. 2. Abschnitt: Stornierung Art. 27 Stornierung einer Belastung 1 Die Belastung von Bucheffekten in einem Effektenkonto ist zu stornieren, wenn: a. sie ohne Weisung erfolgt; b. sie aufgrund einer Weisung erfolgt, die: 1. nichtig ist, 44 Fassung gemäss Anhang Ziff. 14 des Finanzmarktinfrastrukturgesetzes vom 19. Juni 2015, in Kraft seit 1. Jan. 2016 (AS 2015 5339; BBl 2014 7483). 45 Fassung gemäss Anhang Ziff. 14 des Finanzmarktinfrastrukturgesetzes vom 19. Juni 2015, in Kraft seit 1. Jan. 2016 (AS 2015 5339; BBl 2014 7483). 46 Fassung gemäss Anhang Ziff. 14 des Finanzmarktinfrastrukturgesetzes vom 19. Juni 2015, in Kraft seit 1. Jan. 2016 (AS 2015 5339; BBl 2014 7483). Bucheffekten 14 / 20 957.1 2. nicht von der Kontoinhaberin oder dem Kontoinhaber beziehungsweise deren oder dessen Vertreterin oder Vertreter stammt, 3. durch die Kontoinhaberin oder den Kontoinhaber rechtzeitig widerrufen wurde, oder 4. wegen eines Erklärungsirrtums oder eines Übermittlungsfehlers, wegen absichtlicher Täuschung oder begründeter Furcht angefochten wurde; Artikel 26 des Obligationenrechts47 bleibt vorbehalten; c. die Gutschrift von Bucheffekten im Effektenkonto der Erwerberin oder des Erwerbers der Weisung nicht entspricht oder nicht innerhalb der für die Aus- führung üblichen Frist erfolgt. 2 In den Fällen nach Absatz 1 Buchstaben a und b hat die Kontoinhaberin oder der Kontoinhaber nachzuweisen, dass die Weisung mangelhaft war. Der Anspruch auf Stornierung besteht nicht, wenn die Verwahrungsstelle nachweist, dass sie den Man- gel der Weisung nicht kannte und trotz Anwendung von zumutbaren Massnahmen und Verfahren nicht kennen musste. 3 Durch Stornierung wird die Kontoinhaberin oder der Kontoinhaber gestellt, wie wenn die Belastung nie stattgefunden hätte. Schadenersatzansprüche nach den Vor- schriften des Obligationenrechts bleiben vorbehalten. 4 Die Ansprüche nach diesem Artikel verjähren mit Ablauf von drei Jahren nach der Entdeckung des Mangels, in jedem Fall jedoch mit Ablauf von zehn Jahren seit dem Tag der Belastung.48 5 Kontoinhaberinnen oder Kontoinhaber, die qualifizierte Anlegerinnen oder Anleger sind, können mit ihrer Verwahrungsstelle abweichende Vereinbarungen treffen. Art. 28 Stornierung einer Gutschrift 1 Die Verwahrungsstelle kann die Gutschrift von Bucheffekten in einem Effekten- konto stornieren, wenn: a. die entsprechende Belastung storniert worden ist; oder b. die Gutschrift nicht der Weisung entspricht. 2 Die Stornierung ist der Kontoinhaberin oder dem Kontoinhaber mitzuteilen. 3 Die Stornierung ist ausgeschlossen, wenn das Effektenkonto keine Bucheffekten dieser Gattung mehr umfasst oder wenn Dritte daran gutgläubig Rechte erworben ha- ben. In diesem Fall hat die Verwahrungsstelle Anspruch auf Ersatz, es sei denn, die Kontoinhaberin oder der Kontoinhaber war bei der Entäusserung der Bucheffekten in gutem Glauben oder musste mit der Rückerstattung nicht rechnen. 47 SR 220 48 Fassung gemäss Anhang Ziff. 29 des BG vom 15. Juni 2018 (Revision des Verjährungs- rechts), in Kraft seit 1. Jan. 2020 (AS 2018 5343; BBl 2014 235). Bucheffektengesetz 15 / 20 957.1 4 Die Ansprüche nach diesem Artikel verjähren mit Ablauf von drei Jahren nach der Entdeckung des Mangels, in jedem Fall jedoch mit Ablauf von zehn Jahren seit dem Tag der Gutschrift.49 5 Kontoinhaberinnen oder Kontoinhaber, die qualifizierte Anlegerinnen oder Anleger sind, können mit ihrer Verwahrungsstelle abweichende Vereinbarungen treffen. 3. Abschnitt: Wirkung gegenüber Dritten Art. 29 Schutz des gutgläubigen Erwerbs 1 Wer nach Artikel 24, 25 oder 26 Bucheffekten oder Rechte an Bucheffekten in gu- tem Glauben entgeltlich erwirbt, ist in seinem Erwerb geschützt, auch wenn: a. die Veräussererin oder der Veräusserer zur Verfügung über die Bucheffekten nicht befugt war; oder b. die Gutschrift von Bucheffekten im Effektenkonto der Veräussererin oder des Veräusserers storniert worden ist. 2 Ist der Erwerb nicht geschützt, so ist die Erwerberin oder der Erwerber nach den Vorschriften des Obligationenrechts50 über die ungerechtfertigte Bereicherung zur Rückerstattung von Bucheffekten derselben Zahl und Gattung verpflichtet. Rechte Dritter werden dadurch nicht berührt. Weitere Ansprüche nach den Vorschriften des Obligationenrechts bleiben vorbehalten. 3 Wird über die rückerstattungspflichtige Erwerberin oder den rückerstattungspflich- tigen Erwerber ein Zwangsvollstreckungsverfahren zum Zwecke der Generalexeku- tion eröffnet, so kann die berechtigte Person Bucheffekten derselben Zahl und Gat- tung aussondern, sofern sich solche Bucheffekten in der Masse befinden. 4 Die Ansprüche nach Absatz 2 verjähren mit Ablauf von drei Jahren, nachdem die berechtige Person von ihrem Anspruch und von der Person ihrer Schuldnerin oder ihres Schuldners Kenntnis erhalten hat, in jedem Fall aber mit Ablauf von zehn Jahren seit dem Tag der Belastung. Artikel 60 Absatz 2 des Obligationenrechts bleibt vorbe- halten.51 5 Sind die Stornierungsvoraussetzungen nach Artikel 28 erfüllt, so steht der Erwerbe- rin oder dem Erwerber aufgrund dieses Artikels keine Einwendung gegen die Stornie- rung einer Gutschrift zu. Art. 30 Rangfolge 1 Wird über Bucheffekten oder Rechte an Bucheffekten nach den Vorschriften dieses Gesetzes verfügt, so geht die frühere Verfügung der späteren im Range vor. 49 Fassung gemäss Anhang Ziff. 29 des BG vom 15. Juni 2018 (Revision des Verjährungs- rechts), in Kraft seit 1. Jan. 2020 (AS 2018 5343; BBl 2014 235). 50 SR 220 51 Fassung gemäss Anhang Ziff. 29 des BG vom 15. Juni 2018 (Revision des Verjährungs- rechts), in Kraft seit 1. Jan. 2020 (AS 2018 5343; BBl 2014 235). Bucheffekten 16 / 20 957.1 2 Schliesst die Verwahrungsstelle mit der Kontoinhaberin oder dem Kontoinhaber eine Vereinbarung gemäss Artikel 25 Absatz 1 ab, ohne die Erwerberin oder den Er- werber ausdrücklich auf die ihr zustehenden früheren Rechte hinzuweisen, so gilt ihr Recht als dem Recht der Erwerberin oder des Erwerbers untergeordnet.52 3 …53 4 Abweichende Abreden über die Rangfolge bleiben vorbehalten, entfalten jedoch nur unter den Parteien dieser Abrede Wirkung. 6. Kapitel: Verwertung von Sicherheiten Art. 31 Verwertungsbefugnis 1 Die Sicherungsnehmerin oder der Sicherungsnehmer kann Bucheffekten, an denen eine Sicherheit bestellt worden ist, unter den im Sicherungsvertrag vereinbarten Vo- raussetzungen verwerten, indem sie oder er: a. die Bucheffekten verkauft und den Erlös mit der gesicherten Forderung ver- rechnet; oder b. sich die Bucheffekten, deren Wert objektiv bestimmbar ist, aneignet und ihren Wert auf die gesicherte Forderung anrechnet.54 2 Diese Befugnis bleibt auch in einem Zwangsvollstreckungsverfahren gegen die Si- cherungsgeberin oder den Sicherungsgeber sowie bei Anordnung von Sanierungs- o- der Schutzmassnahmen jeglicher Art bestehen. 3 Die Verwahrungsstelle hat weder das Recht noch die Pflicht zu prüfen, ob die Vo- raussetzungen für die Verwertung der Bucheffekten erfüllt sind. 4 Schreitet die Sicherungsnehmerin oder der Sicherungsnehmer zur Verwertung von Bucheffekten, ohne dass die Voraussetzungen dafür gegeben sind, so haftet sie oder er der Sicherungsgeberin oder dem Sicherungsgeber für den entstandenen Schaden. Art. 32 Ankündigung und Abrechnung 1 Die Verwertung ist der Sicherungsgeberin oder dem Sicherungsgeber anzukündigen. Die Sicherungsgeberin oder der Sicherungsgeber kann auf die Ankündigung verzich- ten, wenn sie oder er eine qualifizierte Anlegerin oder ein qualifizierter Anleger ist. 2 Die Sicherungsnehmerin oder der Sicherungsnehmer ist zur Abrechnung verpflich- tet und hat der Sicherungsgeberin oder dem Sicherungsgeber einen Überschuss her- auszugeben. 52 Fassung gemäss Anhang Ziff. 14 des Finanzmarktinfrastrukturgesetzes vom 19. Juni 2015, in Kraft seit 1. Jan. 2016 (AS 2015 5339; BBl 2014 7483). 53 Aufgehoben durch Anhang Ziff. 14 des Finanzmarktinfrastrukturgesetzes vom 19. Juni 2015, mit Wirkung seit 1. Jan. 2016 (AS 2015 5339; BBl 2014 7483). 54 Fassung gemäss Anhang Ziff. 14 des Finanzmarktinfrastrukturgesetzes vom 19. Juni 2015, in Kraft seit 1. Jan. 2016 (AS 2015 5339; BBl 2014 7483). Bucheffektengesetz 17 / 20 957.1 7. Kapitel: Haftungsbestimmungen Art. 33 1 Für Schäden aus der Verwahrung oder der Übertragung von Bucheffekten haftet die Verwahrungsstelle der Kontoinhaberin oder dem Kontoinhaber nach den Vorschriften des Obligationenrechts55, soweit dieser Artikel nichts anderes bestimmt. 2 Lässt die Verwahrungsstelle Bucheffekten befugterweise bei einer Drittverwah- rungsstelle verwahren, so haftet sie für gehörige Sorgfalt bei der Wahl und Instruktion der Drittverwahrungsstelle sowie bei der Überwachung der dauernden Einhaltung der Auswahlkriterien. 3 Die Verwahrungsstelle kann die Haftung nach Absatz 2 ausschliessen, sofern Bucheffekten auf ausdrückliche Weisung der Kontoinhaberin oder des Kontoinhabers bei einer Drittverwahrungsstelle verwahrt werden, die von der Verwahrungsstelle da- für nicht empfohlen wurde. 4 Die Verwahrungsstelle haftet für das Verschulden der Drittverwahrungsstelle wie für eigenes Verschulden, wenn diese: a. für die Verwahrungsstelle selbstständig und dauernd die gesamte Effekten- verwaltung und die Abwicklung von Effektengeschäften erledigt; oder b. mit der Verwahrungsstelle eine wirtschaftliche Einheit bildet. 5 Abweichende Abreden sind nur unter Verwahrungsstellen oder zugunsten der Anle- gerin oder des Anlegers wirksam. 8. Kapitel: Schlussbestimmungen Art. 34 Änderung bisherigen Rechts Die Änderung bisherigen Rechts wird im Anhang geregelt. Art. 35 Übergangsbestimmungen 1 Emittenten von Wertrechten, die einem durch eine Verwahrungsstelle geführten Ef- fektenkonto gutgeschrieben sind, haben innerhalb von sechs Monaten nach Inkraft- treten dieses Gesetzes bei einer Verwahrungsstelle das Hauptregister einrichten und die Wertrechte darin eintragen zu lassen. 2 Ist vor Inkrafttreten dieses Gesetzes über sammelverwahrte Wertpapiere, Globalur- kunden oder Wertrechte verfügt worden und genügt diese Verfügung nicht den Vor- schriften dieses Gesetzes, so geht das dadurch erworbene Recht jedem nach Inkraft- treten dieses Gesetzes begründeten Recht vor, sofern die Erwerberin oder der Erwerber innerhalb von zwölf Monaten nach Inkrafttreten die nach diesem Gesetz erforderlichen Einträge vornimmt oder vornehmen lässt. 55 SR 220 Bucheffekten 18 / 20 957.1 Art. 36 Referendum und Inkrafttreten 1 Dieses Gesetz untersteht dem fakultativen Referendum. 2 Der Bundesrat bestimmt das Inkrafttreten. Inkrafttreten:56 1. Januar 2010 Art. 470 Abs. 2bis des Obligationenrechts (Ziff. 3 des Anhang): 1. Oktober 2009 56 BRB vom 6. Mai 2009 Bucheffektengesetz 19 / 20 957.1 Anhang (Art. 34) Änderung bisherigen Rechts Die nachstehenden Bundesgesetze werden wie folgt geändert: …57 57 Die Änderungen können unter AS 2009 3577 konsultiert werden. Bucheffekten 20 / 20 957.1 1. Kapitel: Zweck, Geltungsbereich und Begriffe Art. 1 Gegenstand und Zweck Art. 2 Geltungsbereich Art. 3 Bucheffekten Art. 4 Verwahrungsstellen Art. 5 Begriffe 2. Kapitel: Entstehung, Umwandlung und Untergang von Bucheffekten Art. 6 Entstehung Art. 7 Umwandlung Art. 8 Auslieferung und Untergang im Allgemeinen Art. 8a Auslieferung von Inhaberaktien von Aktiengesellschaften ohne börsenkotierte Beteiligungspapiere 3. Kapitel: Drittverwahrung und Verfügbarkeit von Bucheffekten Art. 9 Ermächtigung zur Drittverwahrung Art. 10 Wirkungen Art. 11 Verfügbare Bucheffekten Art. 11a Segregierung Art. 11b Datenübermittlung an Drittverwahrungsstellen und weitere Stellen Art. 12 Eigen- und Drittbestände 4. Kapitel: Rechte aus der Verwahrung von Bucheffekten 1. Abschnitt: Allgemeine Rechte der Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber Art. 13 Grundsatz Art. 14 Pfändung und Arrest Art. 15 Weisung Art. 16 Ausweis 2. Abschnitt: Rechte der Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber in der Liquidation einer Verwahrungsstelle Art. 17 Absonderung Art. 18 Absonderung bei Liquidation der Drittverwahrungsstelle Art. 19 Unterbestand Art. 20 Endgültigkeit von Weisungen 3. Abschnitt: Rechte der Verwahrungsstelle an Bucheffekten Art. 21 Rückbehalts- und Verwertungsrecht Art. 22 Nutzungsrecht Art. 23 Rückerstattung von Sicherheiten Art. 23a Weiterleitung von Informationen 5. Kapitel: Verfügung über Bucheffekten und Wirkung gegenüber Dritten 1. Abschnitt: Verfügung über Bucheffekten Art. 24 Gutschrift Art. 25 Kontrollvereinbarung Art. 26 Vereinbarung mit der Verwahrungsstelle 2. Abschnitt: Stornierung Art. 27 Stornierung einer Belastung Art. 28 Stornierung einer Gutschrift 3. Abschnitt: Wirkung gegenüber Dritten Art. 29 Schutz des gutgläubigen Erwerbs Art. 30 Rangfolge 6. Kapitel: Verwertung von Sicherheiten Art. 31 Verwertungsbefugnis Art. 32 Ankündigung und Abrechnung 7. Kapitel: Haftungsbestimmungen Art. 33 8. Kapitel: Schlussbestimmungen Art. 34 Änderung bisherigen Rechts Art. 35 Übergangsbestimmungen Art. 36 Referendum und Inkrafttreten Anhang Änderung bisherigen Rechts
de
90f721c9-ae08-4676-873a-0d7882a2a34d
Sachverhalt ab Seite 197 BGE 141 V 197 S. 197 A. Die 1968 geborene A. war bis 30. Juni 2005 bei der B. AG angestellt und dadurch bei der Winterthur-Columna Sammelstiftung 2. Säule vorsorgeversichert. Die Arbeitgeberin und die Versicherte teilten der Sammelstiftung mit, dass das Arbeitsverhältnis per 30. Juni 2005 ende und der Vorsorgeschutz durch Errichtung einer Freizügigkeitspolice sicherzustellen sei. Die Sammelstiftung liess A. mit Schreiben vom 7. Juni 2005 mitteilen, ihre Freizügigkeitsleistung betrage per 30. Juni 2005 Fr. 53'200.60 und werde zur Erstellung einer Freizügigkeitspolice verwendet. Am 5. Juli 2005 wurde die Freizügigkeitspolice Nr. x der Winterthur Leben (heute: AXA Leben AG) mit Versicherungsbeginn 30. Juni 2005 erstellt. Am 15. August 2006 informierte A. die Sammelstiftung, dass ihr die IV-Stelle des Kantons Zürich mit Wirkung ab 1. Mai 2006 eine ganze Invalidenrente zugesprochen habe. Sie ersuchte um Prüfung der ihr BGE 141 V 197 S. 198 im Invaliditätsfall zustehenden BVG-Leistungen. Daraufhin teilte ihr die Winterthur Leben mit, das Todesfallkapital ihrer Freizügigkeitspolice belaufe sich im Jahr 2006 auf Fr. 54'646.- und das Altersguthaben per 15. September 2006 auf Fr. 54'369.05 (Schreiben vom 16. September 2006). Mit Schreiben vom 12. Oktober 2006 ersuchte C., Mitarbeiter des Patronato D., die Winterthur Leben im Namen von A. um Auflösung der Freizügigkeitspolice und Überweisung des Guthabens auf das Konto Nr. x, lautend auf D., bei der Aargauischen Kantonalbank. Dem Schreiben lag eine Vollmacht zugunsten von "D., Strasse x, Stadt y" vom 12. Oktober 2006 und das von der Winterthur Leben zugestellte Formular betreffend Auflösung der Freizügigkeitspolice bei. Die Vollmacht und das Formular waren von A. unterzeichnet und mit einem Stempel des italienischen Konsulats versehen. Die Winterthur Leben löste die Freizügigkeitspolice von A. am 23. Oktober 2006 auf und überwies das Altersguthaben von Fr. 54'470.90 auf das Konto Nr. x bei der Aargauischen Kantonalbank. Bis im April 2009 richtete C. A. monatliche Zahlungen in der Höhe von Fr. 812.- aus. Nachdem die Zahlungen ab Mai 2009 ausgeblieben waren und gegen C. ein Strafverfahren eröffnet worden war, wandte sich A. an die Sammelstiftung und ersuchte um Ausrichtung einer Invalidenrente. Diese teilte A. am 20. Juli 2010 mit, dass sie die Leistungspflicht anerkenne und den per 30. Juni 2005 durchgeführten Austritt rückgängig mache. Sie richtete A. mit Wirkung ab 1. Mai 2006 eine Invalidenrente von jährlich Fr. 16'843.- bzw. ab 1. Januar 2010 Fr. 17'198.- bzw. ab 1. Januar 2011 Fr. 17'238.- aus. Mit Schreiben vom 4. Mai 2012 ersuchte A. die Sammelstiftung um Bestätigung, dass ihre künftige Altersrente ohne Berücksichtigung der erfolgten Kapitalauszahlung berechnet werde, was diese ablehnte (Schreiben vom 11. Mai 2012). B. Am 14. Juli 2012 erhob A. Klage gegen die (mittlerweile) Columna Sammelstiftung Client Invest mit dem Rechtsbegehren, diese sei anzuweisen, ihrem Freizügigkeitskonto betreffend Altersvorsorge (recte: Alterskonto; Vertrags-Nr. x - B. AG) Fr. 54'470.90 zuzüglich gesetzliche und reglementarisch-statutarische Verzinsung gutzuschreiben, sodass sie bei Eintritt des Pensionsalters betreffend ihren Anspruch auf Altersrente so gestellt sei, als ob eine Auszahlung des Freizügigkeitsguthabens in bezeichneter Höhe an einen unberechtigten Dritten (C.) am 23. Oktober 2006 nicht stattgefunden BGE 141 V 197 S. 199 hätte. In diesem Sinne sei die Sammelstiftung zudem zu verpflichten, ihr bei Eintritt des Pensionsalters eine Altersrente aus BVG in der Höhe, welche sich ergäbe, wenn die Auszahlung von Fr. 54'470.90 an einen unberechtigten Dritten (C.) am 23. Oktober 2006 nicht stattgefunden hätte, gemäss gesetzlichen und statutarisch-reglementarischen Vorgaben zu bezahlen. Eventualiter beantragte sie die Feststellung, dass die Auszahlung von Fr. 54'470.90 an einen unberechtigten Dritten am klägerischen Anspruch betreffend das Vorsorgeguthaben (Stammrecht) und am darauf beruhenden Altersrentenanspruch ab Eintritt des Pensionsalters nichts geändert habe bzw. dass sie nach wie vor die Ansprüche betreffend Vorsorgeguthaben und Altersrente gegenüber der Sammelstiftung besitze, welche Bestand hätten, wenn die Auszahlung vom 23. Oktober 2006 nicht stattgefunden hätte. Die Sammelstiftung sei zudem zu verpflichten, ihr den Schaden von Fr. 24'256.90 zuzüglich Verzugszins von 5 % seit 12. April 2011 zu ersetzen. Im Rahmen des zweiten Schriftenwechsels liess A. ergänzend beantragen, dass sie nicht nur bei Eintritt des Pensionsalters so zu stellen sei, wie wenn die Auszahlung an den unberechtigten Dritten nicht erfolgt sei, sondern rückwirkend per 1. Mai 2006, dass die Invalidenrente gemäss den gesetzlichen Grundlagen und Reglementen der Beklagten rückwirkend per 1. Mai 2006 anzupassen sei und dass festzustellen sei, dass die Auszahlung an den unberechtigten Dritten bezüglich Rentenanspruch betreffend Invalidität und Altersvorsorge nichts geändert habe. Mit Entscheid vom 29. September 2014 wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich die Klage ab, soweit es darauf eintrat. C. A. lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen, die Aufhebung des kantonalen Entscheides beantragen und ihre in der Klage gestellten Rechtsbegehren im Übrigen erneuern. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. 2.1 Treten Versicherte in eine neue Vorsorgeeinrichtung ein, hat die frühere Vorsorgeeinrichtung die Austrittsleistung an die neue zu überweisen ( Art. 3 Abs. 1 FZG [SR 831.42]). Versicherte, die nicht in eine neue Vorsorgeeinrichtung eintreten, haben ihrer Vorsorgeeinrichtung mitzuteilen, in welcher zulässigen Form sie den Vorsorgeschutz erhalten wollen ( Art. 4 Abs. 1 FZG ). Der Vorsorgeschutz BGE 141 V 197 S. 200 kann durch eine Freizügigkeitspolice oder durch ein Freizügigkeitskonto erhalten werden ( Art. 10 Abs. 1 FZV [SR 831.425]). 2.2 Muss die frühere Vorsorgeeinrichtung Hinterlassenen- oder Invalidenleistungen erbringen, nachdem sie die Austrittsleistung an eine neue Vorsorgeeinrichtung überwiesen hat, ist ihr diese Austrittsleistung soweit zurückzuerstatten, als dies zur Auszahlung der Hinterlassenen- oder Invalidenleistungen notwendig ist ( Art. 3 Abs. 2 FZG ). Die Hinterlassenen- und Invalidenleistungen der früheren Vorsorgeeinrichtung können gekürzt werden, soweit eine Rückerstattung unterbleibt ( Art. 3 Abs. 3 FZG ). 2.3 Die vorzeitige Auszahlung der Altersleistung aus Freizügigkeitspolicen an Versicherte, die eine volle Invalidenrente der Invalidenversicherung beziehen, ist zulässig, sofern das Invaliditätsrisiko nicht zusätzlich versichert ist (vgl. Art. 16 Abs. 2 FZV ). 3. 3.1 Nach den verbindlichen vorinstanzlichen Feststellungen wurde die Austrittsleistung der Versicherten nach Beendigung des Vorsorgeverhältnisses (Austritt per 30. Juni 2005) weisungsgemäss zur Errichtung der Freizügigkeitspolice Nr. x bei der Winterthur Leben verwendet und es kann der Beschwerdegegnerin in diesem Zusammenhang nichts vorgeworfen werden. Des Weitern hat die Vorinstanz ebenfalls verbindlich festgestellt, dass im hier zu beurteilenden Fall im Rahmen der Freizügigkeitspolice eine zusätzliche Versicherung nur für das Todes- und nicht auch für das Invaliditätsrisiko bestand (Freizügigkeitspolice Nr. x; Allgemeine Bestimmungen für die Freizügigkeitspolice, Ausgabe 2005). Dementsprechend stand der vorzeitigen Auszahlung des Alterskapitals (Auflösung der Freizügigkeitspolice) auf Begehren der Versicherten grundsätzlich nichts entgegen (vgl. E. 2.3). Weiter steht fest, dass die Beschwerdegegnerin, obwohl ihr die Austrittsleistung nicht zurückerstattet worden ist, der Beschwerdeführerin ab 1. Mai 2006 eine (ungekürzte) Invalidenrente von Fr. 16'843.- pro Jahr ausrichtet. 3.2 Die Beschwerdeführerin will hinsichtlich ihres Anspruchs auf eine Altersrente der Beschwerdegegnerin so gestellt werden, wie wenn die Auszahlung des Alterskapitals von Fr. 54'470.90 (Auflösung der Freizügigkeitspolice) nie stattgefunden hätte. Dies rechtfertigt sich ihrer Auffassung nach, weil die Auszahlung von Fr. 54'470.90 an C. am 23. Oktober 2006 zu Unrecht erfolgt sei. Die Beschwerdeführerin leitet daraus ab, dass ihr der Betrag von Fr. 54'470.90 (zuzüglich gesetzliche und reglementarisch-statutarische Verzinsung) BGE 141 V 197 S. 201 gutzuschreiben und bei Eintritt des Pensionsalters auf dieser Grundlage eine Altersrente auszurichten sei (Hauptantrag) oder dass zumindest festzustellen sei, dass die Auszahlung vom 23. Oktober 2006 an ihrem Altersrentenanspruch nichts geändert habe (Eventualantrag). 4. 4.1 Die Vorinstanz erwog, A. habe nach ihren eigenen Angaben das Vollmachtsformular sowie das Formular zur Auszahlung des Alterskapitals blanko unterschrieben. Soweit sie die Auszahlung an C. nicht habe erwirken wollen, liege ein Blankettmissbrauch vor und es stelle sich die Frage, ob die Winterthur Leben als Freizügigkeitseinrichtung annehmen durfte, dass der erweckte Rechtsschein der wahren Sachlage entspreche, mithin ob sie als gutgläubig behandelt werden könne. Es beständen keine Anhaltspunkte, dass die Winterthur Leben im Zeitpunkt der Auszahlung der Altersleistung nicht gutgläubig gewesen wäre, und es seien keine Umstände ersichtlich, dass die Winterthur Leben die gebotene Aufmerksamkeit habe vermissen lassen. Damit sei die Auszahlung nicht zu beanstanden und würde eine Rückforderung bereits an diesem Umstand scheitern. Zudem bestehe keine Grundlage, die Beschwerdegegnerin zur Rückforderung der Austrittsleistung zu verpflichten. Ebenso wenig könne sie angehalten werden, dem Alterskonto das an die Freizügigkeitseinrichtung übertragene Alterskapital wieder gutzuschreiben. Soweit die Klage auf Feststellung der Höhe der Altersrente abziele, fehle es an einem aktuellen Feststellungsinteresse, erreiche doch A. das Pensionsalter erst im Jahre 2032. Mangels widerrechtlichen Verhaltens der Vorsorgeeinrichtung bestehe auch keine Grundlage für die geltend gemachte Schadenersatzforderung. 4.2 In der Beschwerde wird geltend gemacht, die Beschwerdegegnerin verletze, indem sie nach Auszahlung des Freizügigkeitsguthabens an einen unberechtigten Dritten die Gutschreibung des Betrages in Bezug auf die Altersrente verweigere, ihre vertraglichen Pflichten. Die Vorinstanz missachte die Rechtslage, wenn sie von einer Exkulpation der Beschwerdegegnerin (recte: der Winterthur Leben) wegen guten Glaubens ausgehe, eine Beweislastumkehr zulasten der Beschwerdeführerin vornehme und dabei unberücksichtigt lasse, dass die Beschwerdegegnerin Bemühungen um eine sorgfältige Vertragserfüllung nicht darzulegen vermöge. Selbst wenn eine Anscheinshaftung zur Diskussion stände, wäre eine Entlastung nur unter sehr strengen Voraussetzungen und unter massgeblicher BGE 141 V 197 S. 202 Berücksichtigung der bei Vertragsverhältnissen geltenden Beweislastverteilung möglich: Die Beschwerdegegnerin müsste alles in ihrer Macht Stehende vorgekehrt haben und ihren Pflichten aus durchwegs entschuldbaren Gründen nicht nachgekommen sein. Eine Vollmachtsurkunde alleine vermöge die Anscheinshaftung noch nicht zu begründen. Denn nach der Lehre müssten, wenn der Vertretene passiv bzw. unsichtbar bleibe, zusätzliche hinreichende objektive Umstände bestehen, aus denen der Dritte auf die Bevollmächtigung des Vertreters bzw. auf den Willen der Auszahlung schliessen dürfe. Es verletze Bundesrecht, den Anspruch auf rechtliches Gehör und die Begründungspflicht, dass die Vorinstanz ohne rechtsgenügliche Auseinandersetzung mit der Sach- und der Rechtslage und ohne Würdigung der vorgebrachten Argumente annehme, "die Beschwerdeführerin habe durch ihre Unterschriften den Rechtsschein einer rechtsgültigen Vertretung in anrechenbarer Weise geschaffen". Aufgrund ihrer gesundheitlichen Einschränkungen - seit Jahren leide sie an Depressionen mit psychotischen Schüben - und ihrer mangelnden Fachkenntnisse habe die Beschwerdeführerin keine Ahnung von den effektiven Vorgängen gehabt; diese wären von ihr niemals gutgeheissen worden und könnten ihr auch im Rahmen einer Anscheinsvollmacht nicht zugerechnet werden. 5. Streitig und zu prüfen ist, ob die Beschwerdegegnerin dazu verpflichtet werden kann, die an die Winterthur Leben (heute: AXA Leben AG) transferierten Altersleistungen wieder gutzuschreiben und ihre Leistungen - den Vorsorgefall Alter betreffend - gestützt auf das "ganze" Altersguthaben zu erbringen, wie dies die Beschwerdeführerin sinngemäss beantragt. 5.1 Die Winterthur Leben als Freizügigkeitseinrichtung, an welche die Austrittsleistung Ende Juni 2005 überwiesen worden war, hat die Austrittsleistung nicht zurückerstattet, weil sich diese seit der vorzeitigen Auszahlung des Alterskapitals (Auflösung der Freizügigkeitspolice) am 23. Oktober 2006 nicht mehr bei ihr befand. Eingeklagt hat die Versicherte indessen nicht die Winterthur Leben, welche die Altersleistung gestützt auf Art. 16 Abs. 2 FZV vorzeitig auszahlte, sondern die Sammelstiftung, von welcher die Versicherte Altersleistungen verlangt, wie wenn die Auszahlung vom 23. Oktober 2006 nie stattgefunden hätte. In diesem von der Versicherten gegen die Sammelstiftung (und nicht gegen die Freizügigkeitseinrichtung) eingeleiteten Prozess stellt sich die Frage, ob die Sammelstiftung die Rückerstattung der Austrittsleistung durch die Freizügigkeitseinrichtung erzwingen muss. BGE 141 V 197 S. 203 5.2 Ausgangspunkt jeder Auslegung bildet der Wortlaut der Bestimmung. Vom klaren, das heisst eindeutigen und unmissverständlichen Wortlaut darf nur ausnahmsweise abgewichen werden, unter anderem dann, wenn triftige Gründe dafür vorliegen, dass der Wortlaut nicht den wahren Sinn der Norm wiedergibt. Solche Gründe können sich aus der Entstehungsgeschichte der Bestimmung, aus ihrem Sinn und Zweck oder aus dem Zusammenhang mit andern Vorschriften ergeben. Eine historisch orientierte Auslegung ist für sich allein nicht entscheidend. Doch vermag nur sie die Regelungsabsicht des Gesetzgebers (die sich insbesondere aus den Materialien ergibt) aufzuzeigen, welche wiederum zusammen mit den zu ihrer Verfolgung getroffenen Wertentscheidungen verbindliche Richtschnur des Gerichts bleibt, auch wenn es das Gesetz mittels teleologischer Auslegung oder Rechtsfortbildung veränderten, vom Gesetzgeber nicht vorausgesehenen Umständen anpasst oder ergänzt ( BGE 138 III 359 E. 6.2 S. 361; BGE 138 V 23 E. 3.4.1 S. 28). 5.3 Der Wortlaut des Art. 3 Abs. 2 FZG , wonach der früheren Vorsorgeeinrichtung im Falle ihrer Leistungspflicht für Hinterlassenen- oder Invalidenleistungen nach Überweisung der Austrittsleistung "diese Austrittsleistung soweit zurückzuerstatten [ist], als dies zur Auszahlung von Hinterlassenen- oder Invalidenleistungen nötig ist" (französisch: "cette dernière prestation doit lui être restituée dans la mesure où la restitution est nécessaire pour accorder le paiement de prestations d'invalidité ou pour survivants", italienisch: "quest'ultima prestazione dev'essergli restituita nella misura in cui la restituzione sia necessaria per accordare il pagamento delle prestazioni d'invalidità o per superstiti"), lässt offen, wer die Austrittsleistung zurückerstatten soll. In der Botschaft findet sich der Hinweis, dass das vor Inkrafttreten des FZG geltende Recht dem Vorsorgenehmer eine Rückerstattungspflicht auferlegte und dies mit dem FZG dahingehend geändert werden sollte, dass nunmehr die neue Vorsorgeeinrichtung, welcher die alte Vorsorgeeinrichtung die Austrittsleistung überweisen muss, die Austrittsleistung soll zurückgeben können. Wer die Austrittsleistung zurückerstatten soll, bleibe offen (Botschaft vom 26. Februar 1992 zu einem Bundesgesetz über die Freizügigkeit in der beruflichen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge, BBl 1992 533 ff., 573 f. Ziff. 632.2). Eine dem heutigen Art. 3 Abs. 2 FZG entsprechende Regelung war im bundesrätlichen Gesetzesentwurf noch nicht enthalten (Art. 3 Abs. 2 des bundesrätlichen Entwurfs regelte eine andere Frage). Erst im BGE 141 V 197 S. 204 Verlaufe der parlamentarischen Beratungen wurde darüber diskutiert, wen eine Rückerstattungspflicht trifft. Dabei war ursprünglich eine Rückerstattungspflicht der neuen Vorsorgeeinrichtung vorgesehen (AB 1992 N 2432; Protokoll der Sitzung der nationalrätlichen Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit vom 20.-22. Mai 1992, S. 12 f.), die später in eine allgemeine Rückerstattungspflicht entsprechend dem heutigen Gesetzeswortlaut und der Intention des Bundesrates, d.h. ohne Nennung des Verpflichteten, umformuliert wurde (AB 1993 S 560 f.). Im Normalfall wird die Leistung von demjenigen zurückerstattet, der sie erhalten hat, d.h. von der neuen Vorsorgeeinrichtung ( Art. 3 Abs. 1 FZG ), allenfalls von der Auffangeinrichtung ( Art. 4 Abs. 2 FZG ) oder einer Freizügigkeitseinrichtung ( Art. 4 Abs. 1 FZG ; Art. 10 FZV ). Die Rückerstattung kann auch durch andere Personen, namentlich die versicherte Person selbst, erbracht werden. Für die frühere Vorsorgeeinrichtung spielt es weder rechtlich noch versicherungstechnisch eine Rolle, wer die Austrittsleistung zurückerstattet. Sinn und Zweck der Rückerstattung ist es, die frühere Vorsorgeeinrichtung versicherungstechnisch so zu stellen, wie sie es zur Erfüllung ihrer Leistungspflicht sein muss. Mit anderen Worten wird damit die Situation wiederhergestellt, die aus der Optik der früheren Vorsorgeeinrichtung wie auch des Versicherten richtigerweise im Zeitpunkt des Austritts bestanden hätte, wenn die Leistungspflicht bereits damals bekannt gewesen wäre, indem die frühere Vorsorgeeinrichtung das Deckungskapital erhält, das notwendig ist, um die geschuldeten Leistungen zu erbringen (zum Ganzen: BGE 135 V 13 E. 3.6.3 und 3.6.4 S. 22). Ebenso wenig wie Art. 3 Abs. 2 FZG den Rückerstattungspflichtigen bestimmt, regelt die Norm die damit eng zusammenhängende Frage, ob (und allenfalls wie) die Pflicht zur Rückerstattung durchgesetzt werden kann bzw. muss. Wie sich aus Art. 3 Abs. 3 FZG ergibt, rechnete der Gesetzgeber denn auch mit dem Fall, dass die Rückerstattungspflicht nicht erfüllt wird. Er sah hierfür vor, dass die frühere Vorsorgeeinrichtung, "soweit eine Rückerstattung unterbleibt" (französisch: "pour autant qu'il n'y ait pas de restitution"; italienisch: "sempre che non vi sia stata restituzione"), die Hinterlassenen- und Invalidenleistungen kürzen kann (vgl. auch Botschaft, a.a.O., 574 Ziff. 632.2), wobei nach den Materialien auch eine Kürzung der (eine Invalidenrente ablösenden) Altersleistungen zulässig sein soll (AB 1993 S 561; siehe auch AB 1993 N 1698; Protokoll BGE 141 V 197 S. 205 der Sitzung der ständerätlichen Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit vom 17. Mai 1993, S. 3). Zusammenfassend ergibt sich, dass Art. 3 Abs. 2 FZG vom Wortlaut, von der Entstehungsgeschichte, von der Systematik sowie vom Sinn und Zweck her dahingehend zu verstehen ist, dass die frühere Vorsorgeeinrichtung die Rückerstattung nicht erzwingen kann und auch nicht erzwingen muss. Vielmehr besteht für sie allein die Möglichkeit, die fehlende Rückerstattung mit einer Leistungskürzung zu sanktionieren. Diese Auffassung wird im Übrigen auch in der Lehre vertreten (vgl. HERMANN WALSER, in: BVG und FZG, Schneider/Geiser/Gächter [Hrsg.], 2010, N. 7f. zu Art. 3 FZG ). 5.4 Im hier zu beurteilenden Fall hat die in E. 5.3 dargelegte Rechtslage zur Folge, dass die Beschwerdegegnerin nicht verpflichtet werden kann, von der Winterthur Leben die Rückerstattung der an sie übertragenen Austrittsleistung zu verlangen und diese der Versicherten wieder gutzuschreiben. Ebenso wenig besteht damit eine Pflicht der Beschwerdegegnerin, bei Eintritt des Vorsorgefalles "Alter" Leistungen auf der Grundlage des "ganzen" Altersguthabens zu erbringen, wie dies die Beschwerdeführerin beantragt. Demnach hat die Vorinstanz die Rechtsbegehren der Beschwerdeführerin - auf Gutschreibung des Betrages von Fr. 54'470.90 und Ausrichtung einer Altersrente auf dieser Grundlage (bei Eintritt des Pensionsalters), eventualiter auf Feststellung, dass die Auszahlung von Fr. 54'470.90 an ihrem Anspruch betreffend das Vorsorgeguthaben und am Altersrentenanspruch nichts geändert habe - zu Recht abgewiesen. Weiterungen bezüglich des erforderlichen Rechtsschutz- bzw. Feststellungsinteresses erübrigen sich damit. 5.5 Bei dieser Sachlage ist auch nicht zu beanstanden, dass der Beschwerdeführerin im angefochtenen Entscheid keine Parteientschädigung - von ihr als Schadenersatzforderung in der Höhe von Fr. 24'256.90 geltend gemacht - zugesprochen wurde. 5.6 Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass es der Beschwerdeführerin freisteht, die Austrittsleistung mit eigenen Mitteln wieder einzubringen (vgl. E. 5.3; BGE 135 V 13 E. 3.6.3 S. 22), um die entstandene Vorsorgelücke zu schliessen. Darüber hat sie die Beschwerdegegnerin bereits mit Schreiben vom 30. Juni 2011 informiert. Eine weitere Möglichkeit besteht für die Beschwerdeführerin grundsätzlich darin, die heutige AXA Leben AG auf die (Rück-)Überweisung des Altersguthabens einzuklagen. Allein in diesem Prozess wäre die in den kantonalen Rechtsschriften und in der BGE 141 V 197 S. 206 letztinstanzlichen Beschwerde zentral abgehandelte Frage zu prüfen, ob die damalige Winterthur Leben das Altersguthaben gestützt auf die von der Beschwerdeführerin unbestrittenermassen blanko unterzeichneten Dokumente (Vollmacht und Auszahlungsformular) am 23. Oktober 2006 zu Recht an C. ausbezahlt hat. Dabei rechtfertigt sich allerdings bereits heute ein Hinweis darauf, dass das Bundesgericht sich im Urteil 9C_141/2014 vom 26. November 2014 mit einem ähnlich gelagerten Sachverhalt zu befassen hatte. Es erwog, wer eine Blankovollmacht ausstelle, trage das Risiko, dass diese abredewidrig - der damals Bevollmächtigte ergänzte eigenmächtig, dass die Auszahlung auf ein von ihm bestimmtes Drittkonto erfolgen solle - ausgefüllt wird. Die (damals am Recht stehende) Versicherte habe mit der Ausstellung einer Blankovollmacht einen objektiv beachtlichen, ihr zurechenbaren Rechtsschein gesetzt, welcher dazu geführt habe, dass die Vorsorgeeinrichtung den Dritten für berechtigt gehalten habe, die Leistung entgegenzunehmen; sie habe darauf vertrauen dürfen. Dementsprechend hat das Bundesgericht der damaligen Auszahlung des Guthabens gestützt auf die erteilte Blankovollmacht befreiende Wirkung zuerkannt (genanntes Urteil 9C_141/2014 E. 4.3 und 4.6).
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Sachverhalt ab Seite 182 BGE 134 II 182 S. 182 Für den Sachverhalt kann auf BGE 134 II 49 verwiesen werden. Vorliegend hatte die Schätzungskommission über die Entschädigung für ein Baurechtsgrundstück zu befinden. Der Baurechtsvertrag wurde am 20. Mai 1960 abgeschlossen, am 26. Oktober 1993 verlängert und dauert bis Ende 2048. Baurechtsgeberin ist die Politische Gemeinde Opfikon-Glattbrugg. Erwägungen Aus den Erwägungen: 11. Die von der Schätzungskommission vorgenommene Verkehrswertschätzung basiert auf der Lageklassemethode (unter Abzinsung infolge der Dauer des Baurechts) und berücksichtigt den Barwert des Baurechts. Die Schätzungskommission führt dazu aus, der Wert BGE 134 II 182 S. 183 der Liegenschaft sei massgeblich bestimmt durch den Ertrag aus dem langfristigen Baurecht. Ein allfälliger Erwerber könne auch ohne Fluglärm keinen höheren Baurechtszins verlangen. Der Wert der Liegenschaft sei im Verhältnis zu lagemässig vergleichbaren Objekten aus diesen Gründen und nicht infolge des Fluglärms beschränkt. Die Beschwerdeführerin beruft sich demgegenüber auf BGE 132 II 427 E. 6.2 S. 442 und macht geltend, die Vorinstanz gehe zu Unrecht von konkreten Ertragszahlen aus. Sie habe keine Erhebungen über ortsübliche Mietzinse an einer vergleichbaren, unbelasteten Lage in der näheren Umgebung gemacht. Detaillierte Überlegungen über das Mietzinssteigerungspotenzial würden genauso fehlen wie der korrekt ermittelte Verkehrswert ohne Fluglärm. Die Enteigner halten dieser Argumentation entgegen, es handle sich bei den Mehrfamilienhäusern an der Dammstrasse 29-33 um sozialen Wohnungsbau, weshalb nur sehr tiefe Mieten verlangt würden. Der Baurechtsvertrag sei jedoch am 26. Oktober 1993 bis ins Jahr 2048 verlängert worden. Eine Vertragsanpassung sei nicht vorgesehen. Entsprechend sei der Baurechtszins nicht abänderbar, unabhängig vom Fluglärm. Daher liege kein Minderwert vor. Selbst wenn von einem Minderwert ausgegangen würde, wäre der Verkehrswert nach Auffassung der Enteigner vom Jahr 2048 bis zum dies aestimandi abzuzinsen. Aus dem daraus resultierenden Betrag ergebe sich, dass sicherlich kein schwerer Schaden im Sinne der Rechtsprechung vorliege. 11.1 Die Behauptung der Beschwerdeführerin, dass das Bundesgericht für dieselbe Liegenschaftenart jeweils nur eine einzige Schätzungsmethode anwende, trifft in dieser Absolutheit zwar nicht zu (vgl. etwa BGE 113 Ib 39 E. 4a-c S. 44 ff.; BGE 128 II 74 E. 4 S. 77), bedarf aber hier keiner weiteren Ausführungen. Zum Antrag der Beschwerdeführerin hinsichtlich einer Neuschätzung durch die Eidgenössische Oberschätzungskommission gilt es festzuhalten, dass letztere kein Gremium ist, das als solches Schätzungen anstellen würde. Sie besteht vielmehr aus einer Reihe von Fachleuten aus verschiedenen Berufen, die vom Bundesgericht nach Bedarf zur fachtechnischen Beratung beigezogen werden können (vgl. Art. 80 und 82 EntG [SR 711]; BGE 128 II 74 E. 3 S. 77). Vor Bundesgericht fällt aber die Wiederholung von Schätzungsverfahren in einer Vielzahl von Fällen ausser Betracht. BGE 134 II 182 S. 184 11.2 Bei der Enteignung einer Baurechtsliegenschaft hat der Grundeigentümer in der Regel Anspruch auf den Barwert der für die Restvertragsdauer geschuldeten Baurechtszinse sowie auf den diskontierten Wert des ihm nach Ablauf des Baurechts wieder zur Verfügung stehenden Grundstücks, wobei einer allenfalls dem Bauberechtigten für die Bauten zu leistenden Entschädigung angemessen Rechnung zu tragen ist ( BGE 112 Ib 514 E. 4a S. 521). Vorliegend handelt es sich um eine Teilenteignung, bei welcher sich die Minderwertentschädigung aus der Gegenüberstellung der Situation mit und ohne Fluglärm berechnet. Zu prüfen sind demnach die etwaigen Auswirkungen der Immissionen auf den Baurechtszins, den Wert der Liegenschaft nach Ablauf des Baurechtes und die Höhe der Heimfallentschädigung, da diese drei Faktoren bei der Entschädigungsberechnung ausschlaggebend sind. Bis zum Ablauf des Baurechtsvertrags Ende 2048 hat der Fluglärm keinerlei Einfluss auf die Höhe des vertraglich festgelegten Baurechtszinssatzes. Die Beschwerdeführerin macht denn auch nicht geltend, der Baurechtszins sei seit dem dies aestimandi wegen des Fluglärms reduziert worden. Nicht zu berücksichtigen ist, dass die Beschwerdeführerin ihrer Vertragspartnerin mit dem tiefen Zins eine verdeckte Subvention gewährt haben will. Wie die Enteigner zu Recht anführen und wie sich auch aus dem Baurechtsvertrag ergibt, bezweckte die Beschwerdeführerin mit der Einräumung der Dienstbarkeit, den sozialen Wohnungsbau zu fördern. Damit hat sie den tiefen Zins freiwillig in Kauf genommen. Ein Käufer des Baurechtsgrundstückes könnte aufgrund des Baurechtsvertrages keinen höheren Baurechtszins realisieren, sondern wäre an den vereinbarten Satz gebunden. Der Wert der Liegenschaft lässt sich darum kaum mit demjenigen von ähnlich gelagerten Objekten vergleichen. Der Heimfall erfolgt unentgeltlich. Infolgedessen kann sich die Beeinträchtigung durch den Fluglärm auch nicht in der Höhe einer etwaigen Heimfallentschädigung widerspiegeln. Was die Wertberechnung des nach Ablauf des Baurechts wieder zur Verfügung stehenden Grundstückes anbelangt, ist dieser wie erwähnt auf den Schätzungszeitpunkt zu diskontieren. Dabei fragt sich, welcher Zinssatz bzw. Abzinsungsfaktor zu wählen ist. Die Enteigner halten den Satz von 4,5 % für anwendbar, doch dürfte dieser angesichts des schon längere Zeit anhaltenden tiefen Zinsniveaus wohl auch niedriger angesetzt werden. Die Frage braucht BGE 134 II 182 S. 185 nicht abschliessend beantwortet zu werden, da sich der auf den Bewertungsstichtag abgezinste Wert auch bei Wahl eines Zinses von 3 % nur auf einen Fünftel des Wertes im Jahre 2048 beläuft (vgl. Das Schweizerische Schätzerhandbuch, Bewertung von Immobilien, Ausgabe 2005, Schweiz. Vereinigung kantonaler Grundstücksbewertungsexperten SVK und Schweiz. Schätzungsexpertenkammer/Schweiz. Verband der Immobilien-Treuhänder SEK/SVIT [Hrsg.], S. 266, Abzinsungsfaktor für eine Dauer von 50 Jahren: 0.223107). Ausgehend von einem Zins von 4,5 %, sinkt der heutige Wert bzw. derjenige am dies aestimandi auf einen Zehntel (Abzinsungsfaktor 0.110710). Beläuft sich somit der diskontierte, für die Schadensermittlung massgebende Wert des Grundstückes nur noch auf einen Bruchteil des vollen Bodenwertes, so kann der im gleichen Masse verminderte Vergleichswert keinen schweren Schaden im Sinne der Rechtsprechung darstellen. 11.3 Daraus folgt, dass die Schätzungskommission die Entschädigungsforderung der Beschwerdeführerin mangels eines schweren Schadens zu Recht abgewiesen hat.
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2088c56e-5027-436a-9863-7a59f0c71caa
Sachverhalt ab Seite 218 BGE 146 V 217 S. 218 A. Der 1970 geborene A. bezog seit Oktober 2001 eine ganze Rente der Invalidenversicherung. Mit Revisionsverfügung vom 12. Februar 2013 hob die IV-Stelle des Kantons St. Gallen diese Invalidenrente auf Ende März 2013 hin auf, weil kein leistungsbegründender Gesundheitsschaden mehr vorliege. In der Folge bestätigten sowohl das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 5. Mai 2015 als auch das Bundesgericht mit Urteil 9C_423/2015 vom 22. September 2015 die verfügte Rentenaufhebung. Dennoch zahlte die Schweizerische Ausgleichskasse die monatlichen Rentenbetreffnisse fälschlicherweise weiterhin aus. Erst am 2. Juni 2017 realisierten die beteiligten IV-Organe (IV-Stelle des Kantons St. Gallen, Schweizerische Ausgleichskasse), dass die IV-Stelle ihre leistungsaufhebende Revisionsverfügung vom 12. Februar 2013 der für die Auszahlung der Invalidenrente zuständigen Ausgleichskasse versehentlich nie mitgeteilt hatte. Die weitere Auszahlung wurde umgehend eingestellt. Mit Vorbescheid vom 17. Oktober 2017 forderte die Schweizerische Ausgleichskasse unrechtmässig bezogene Rentenbetreffnisse in Höhe von Fr. 195'657.- vom Versicherten zurück. Im gleichen Sinne verfügte die IV-Stelle des BGE 146 V 217 S. 219 Kantons St. Gallen am 30. Januar 2018. Diese Verfügung wurde in der Folge widerrufen und durch eine neue Rückerstattungsverfügung vom 16. März 2018 ersetzt. Darin forderte die IV-Stelle die im Zeitraum von April 2013 bis Mai 2017 zu Unrecht ausgerichteten Rentenbetreffnisse (einschliesslich dreier Kinderrenten) im korrigierten Betrag von Fr. 191'814.- von A. zurück. B. Das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen hiess die dagegen erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 27. August 2019 teilweise gut. Es hob die Rückerstattungsverfügung vom 16. März 2018 auf und reduzierte den von A. zu leistenden Rückforderungsbetrag auf Fr. 15'372.-, d.h. auf die von Februar bis Mai 2017 unrechtmässig bezogenen Rentenbetreffnisse. Die Rückforderung für die zuvor ausgerichteten Renten sei verwirkt. C. Die IV-Stelle führt Beschwerde ans Bundesgericht mit dem Antrag auf Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids und Bestätigung ihrer Rückerstattungsverfügung vom 16. März 2018. A. schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Überdies ersucht er um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege. Während das Versicherungsgericht eine Stellungnahme einreicht, ohne einen Antrag zu formulieren, hat sich das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) nicht vernehmen lassen. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. 2.1 Unrechtmässig bezogene Leistungen sind zurückzuerstatten (Art. 25 Abs. 1 erster Satz ATSG [SR 830.1]). Gemäss Art. 25 Abs. 2 erster Satz ATSG erlischt der Rückforderungsanspruch mit dem Ablauf eines Jahres, nachdem die Versicherungseinrichtung davon Kenntnis erhalten hat, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Jahren nach der Entrichtung der einzelnen Leistung. Bei den genannten Fristen handelt es sich um Verwirkungsfristen ( BGE 142 V 20 E. 3.2.2 S. 24; BGE 140 V 521 E. 2.1 S. 525 mit Hinweisen). Unter der Wendung "nachdem die Versicherungseinrichtung davon Kenntnis erhalten hat", ist der Zeitpunkt zu verstehen, in dem die Verwaltung bei Beachtung der gebotenen und zumutbaren Aufmerksamkeit hätte erkennen müssen, dass die Voraussetzungen für eine Rückerstattung bestehen, oder mit andern Worten, in welchem sich der Versicherungsträger hätte Rechenschaft geben müssen über Grundsatz, BGE 146 V 217 S. 220 Ausmass und Adressat des Rückforderungsanspruchs. Ist für die Leistungsfestsetzung (oder die Rückforderung) das Zusammenwirken mehrerer mit der Durchführung der Versicherung betrauter Behörden notwendig, genügt es für den Beginn des Fristenlaufs, dass die nach der Rechtsprechung erforderliche Kenntnis bei einer der zuständigen Verwaltungsstellen vorhanden ist ( BGE 140 V 521 E. 2.1 S. 525; BGE 139 V 6 E. 4.1 S. 8, BGE 139 V 106 E. 7.2.1; je mit Hinweisen). 2.2 Beruht die unrechtmässige Leistungsausrichtung auf einem Fehler der Verwaltung, wird die einjährige relative Verwirkungsfrist gemäss Art. 25 Abs. 2 erster Satz ATSG nicht durch das erstmalige unrichtige Handeln der Amtsstelle ausgelöst. Vielmehr ist auf jenen Tag abzustellen, an dem das Durchführungsorgan später - beispielsweise anlässlich einer Rechnungskontrolle oder aufgrund eines zusätzlichen Indizes - unter Anwendung der ihm zumutbaren Aufmerksamkeit seinen Fehler hätte erkennen müssen ( BGE 139 V 570 E. 3.1 S. 572; BGE 124 V 380 E. 1 S. 382 f.; BGE 122 V 270 E. 5b/aa S. 275; UELI KIESER, Kommentar zum ATSG, 4. Aufl. 2020, N. 85 zu Art. 25 ATSG ; JOHANNA DORMANN, in: Basler Kommentar, Allgemeiner Teil des Sozialversicherungsrechts, 2020, N. 53 zu Art. 25 ATSG ; SYLVIE PÉTREMAND, in: Commentaire romand, Loi sur la partie générale des assurances sociales, 2018, N. 93 zu Art. 25 ATSG ). 3. Unter den Verfahrensbeteiligten ist unbestritten, dass der Beschwerdegegner die trotz rechtskräftiger Rentenaufhebung weiterhin ausgerichtete Invalidenrente an sich vollumfänglich zurückzuerstatten hat. Streitig ist einzig, ob die angeführte einjährige Verwirkungsfrist bereits abgelaufen und der Rückforderungsanspruch der Verwaltung demzufolge (weitgehend) erloschen war, als die IV-Stelle ihre (nachträglich widerrufene und berichtigte) Rückerstattungsverfügung vom 30. Januar 2018 erliess. 3.1 Die Vorinstanz stellt in für das Bundesgericht verbindlicher Weise fest (nicht publ. E. 1), dass die IV-Stelle ihre Rentenaufhebungsverfügung vom 12. Februar 2013 der Schweizerischen Ausgleichskasse nicht zugestellt hat, obwohl Letztere unter den verschiedenen Empfängern einer Verfügungskopie ausdrücklich und mit dem Vermerk "zum Vollzug" angeführt wurde. Durch diesen ersten Fehler der Verwaltung, der dazu führte, dass die Ausgleichskasse ihre monatliche Auszahlung der Invalidenrente nicht einstellte, wurde die einjährige Verwirkungsfrist allerdings noch nicht ausgelöst (E. 2.2 hiervor). Darin sind sich auch alle Verfahrensbeteiligten einig. Das zweite und somit fristauslösende Fehlverhalten der IV-Stelle BGE 146 V 217 S. 221 erblicken kantonales Gericht und Beschwerdegegner in einer doppelten sorgfaltspflichtwidrigen Unterlassung der kantonalen Amtsstelle. Im Nachgang zu ihrer rentenaufhebenden Verfügung hätte die IV-Stelle gemäss Auffassung der Vorinstanz und des Versicherten nämlich zu prüfen gehabt, ob die Verfügung bei der Schweizerischen Ausgleichskasse auch tatsächlich eingegangen ist ("Quittierungspflicht") und - in der Folge - ob die verfügte Renteneinstellung ordnungsgemäss umgesetzt wurde. Diese zumutbare Kontrolle hätte sich, wiederum nach Auffassung von kantonalem Gericht und Beschwerdegegner, durch Konsultation des Rentenregisters der Zentralen Ausgleichsstelle (ZAS) spätestens Mitte April 2013 mit äusserst geringem Aufwand bewerkstelligen lassen, weshalb die relative einjährige Verwirkungsfrist Ende April 2013 zu laufen begonnen habe und längst verstrichen gewesen sei, als die Durchführungsorgane die unrechtmässige Weiterausrichtung der Rente im Juni 2017 stoppten und anschliessend deren Rückerstattung verlangten. 3.2 Im Zusammenhang mit der Zusprechung von Invalidenrenten sind die Aufgaben zwischen IV-Stellen und Ausgleichskassen gesetzlich aufgeteilt: Die IV-Stellen klären die versicherungsmässigen Voraussetzungen ab, bemessen die Invalidität und verfügen über die Leistungen der Invalidenversicherung (Art. 57 Abs. 1 lit. c, f und g IVG). Die Ausgleichskassen wirken bei der Abklärung der versicherungsmässigen Voraussetzungen mit, berechnen die Renten und zahlen diese aus (Art. 60 Abs. 1 lit. a, b und c IVG). Mit Blick auf diese gesetzlichen und die zugehörigen Verordnungsbestimmungen zieht die Beschwerdeführerin zu Recht in Zweifel, dass den IV-Stellen die vorinstanzlich unterstellte "Quittierungs"-, Kontroll- und Überwachungspflicht obliege. Es ist auch keine Verwaltungspraxis ersichtlich, welche von der zuständigen IV-Stelle unmittelbar nach Erlass einer rentenaufhebenden oder -herabsetzenden Verfügung entsprechende Vorkehrungen verlangen würde (vgl. Kreisschreiben des BSV über das Verfahren in der Invalidenversicherung [KSVI], gültig ab 1. Januar 2010; Wegleitung des BSV über die Renten [RWL] in der Eidgenössischen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung, gültig ab 1. Januar 2003). Ebenso wenig lässt sich solches aus der bisherigen Rechtsprechung ableiten. Im Zusammenhang mit der unrechtmässigen Weiterausrichtung einer Witwerrente an den wiederverheirateten Witwer hat es das Bundesgericht sinngemäss abgelehnt, den Ausgleichskassen eine engmaschigere Abgleichung des zentralen Rentenregisters der ZAS mit den Daten der Zivilstandsbehörden vorzuschreiben ( BGE 139 V 6 E. 5.1 S. 10), obwohl in BGE 146 V 217 S. 222 derartigen Fällen in Übereinstimmung mit den vorinstanzlichen Ausführungen im hier angefochtenen Entscheid "mit einem minimalen Aufwand (...) Schaden im fünf- oder gar sechsstelligen Bereich" abgewendet werden könnte, "weil Rückforderungen in dieser Höhe oft als uneinbringlich abgeschrieben werden müssen". 3.3 Die Frage nach der vom Beschwerdegegner postulierten und vom kantonalen Gericht anerkannten Kontroll- und Überwachungspflicht der IV-Stellen braucht im vorliegenden Fall jedoch nicht abschliessend beantwortet zu werden. Denn wie bereits im Sachverhalt erwähnt, waren hier nicht nur der Versicherungsträger und (jedenfalls bei korrektem Ablauf) die Schweizerische Ausgleichskasse als weiteres Durchführungsorgan mit der Rentenaufhebung konfrontiert, sondern in der Folge auch die Gerichtsbehörden. Für die diesbezüglichen Verfahren hat das BSV im Kreisschreiben über die Rechtspflege in der AHV, der IV, der EO und der EL (KSRP), gültig ab 1. Oktober 2005, zuhanden verschiedener Versicherungseinrichtungen Verwaltungsweisungen erlassen. So wird in Rz. 2048 KSRP festgelegt, dass die zuständige, d.h. die verfügende (vgl. Rz. 2044) IV-Stelle oder Ausgleichskasse in AHV/IV-Verfahren vor dem kantonalen Versicherungsgericht dem jeweils anderen Durchführungsorgan die Beschwerde und den Beschwerdeentscheid sofort bekannt gibt. Warum diese Handlungsanweisung im Abschnitt über die AHV/IV-Verfahren vor Bundesgericht (Rz. 2049 ff. KSRP) nicht wiederholt wird, ist unverständlich, kann hier aber offenbleiben. Entscheidend ist, dass die im vorliegenden Verfahren beschwerdeführende IV-Stelle seinerzeit im Prozess vor dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen betreffend Rentenaufhebung der Schweizerischen Ausgleichskasse weder die vom Versicherten eingereichte Beschwerde, noch den Entscheid des kantonalen Gerichts vom 5. Mai 2015 übermittelt hat. Hätte indes die IV-Stelle die angeführte Verwaltungsweisung befolgt, wäre die Ausgleichskasse allerspätestens schon im Mai 2015 auf die zu Unrecht weiterhin ausbezahlte Invalidenrente aufmerksam gemacht worden und hätte die Rente umgehend stoppen können. In der Missachtung von Rz. 2048 KSRP liegt der zweite Fehler der IV-Stelle, welcher nach der in E. 2.2 hiervor dargelegten Rechtsprechung die einjährige Verwirkungsfrist gemäss Art. 25 Abs. 2 erster Satz ATSG auslöste. Daran ändert nichts, dass bei weisungsgemässem Vorgehen der IV-Stelle im Mai 2015 nicht sie selber, sondern primär die Schweizerische Ausgleichskasse den ursprünglichen Fehler entdeckt hätte. Denn ist - wie hier - für die BGE 146 V 217 S. 223 Festsetzung, Aufhebung und Rückforderung der Invalidenrente das Zusammenwirken von IV-Stelle und Ausgleichskasse nötig, genügt es für den Beginn des Fristenlaufs, wenn die erforderliche Kenntnis über den Rückforderungsanspruch bei einer der zuständigen Durchführungsstellen vorhanden ist (E. 2.1 hiervor in fine). Indem die IV- Stelle in ihrer Beschwerde u.a. betont, dass der vorinstanzliche Entscheid vom 5. Mai 2015 der Ausgleichskasse nicht zugestellt worden sei, beruft sie sich nach dem Gesagten auf einen Umstand, den sie durch eigene Pflichtwidrigkeit selber verursacht hat. Insofern ist dem kantonalen Gericht beizupflichten. 3.4 Es stellt sich die Frage nach dem Ablauf der Einjahresfrist. Im Invalidenversicherungsrecht werden die relative einjährige und die absolute fünfjährige Verwirkungsfrist in der Regel durch den Erlass eines Vorbescheids im Sinne von Art. 73 bis IVV (SR 831.201) gewahrt ( BGE 134 V 97 ; BGE 133 V 579 E. 4.3.1 S. 584; BGE 119 V 431 E. 3c S. 434; SVR 2011 IV Nr. 52 S. 155, 8C_699/2010 E. 2). Hier erging ein "Vorbescheid" erst am 17. Oktober 2017. Weil dieser indes, wie die Vorinstanz zutreffend festhält, nicht von der IV-Stelle, sondern von der dafür nicht zuständigen Schweizerischen Ausgleichskasse erlassen wurde ( Art. 57a Abs. 1 IVG ; vgl. E. 3.2 hiervor), bleibt er im vorliegenden Zusammenhang unbeachtlich. Fristenrechtlich massgebend ist demnach die (noch spätere) Rückerstattungsverfügung der IV-Stelle vom 30. Januar 2018. Der Umstand, dass diese Verfügung nachträglich widerrufen und durch die betraglich berichtigte Rückerstattungsverfügung vom 16. März 2018 ersetzt wurde, spielt demgegenüber rechtsprechungsgemäss keine Rolle (SVR 2018 KV Nr. 6 S. 30, 9C_778/2016 E. 5.1; 2010 ALV Nr. 4 S. 9, 8C_616/2009 E. 3.2). Die im Mai 2015 ausgelöste einjährige Verwirkungsfrist (E. 3.3 hiervor in fine) war jedenfalls im Zeitpunkt der Rückforderung durch die Verwaltung längst abgelaufen und der Rückerstattungsanspruch hinsichtlich der ab April 2013 unrechtmässig bezogenen Invalidenrenten im Gesamtbetrag von Fr. 191'814.- demzufolge weitgehend, nämlich im Umfang von Fr. 176'442.- erloschen. Etwas anderes gilt nur für die innerhalb eines Jahres vor Erlass der Rückerstattungsverfügung vom 30. Januar 2018 ausgerichteten Rentenbetreffnisse, d.h. diejenigen für die Monate Februar bis Mai 2017: Der diesbezügliche Rückforderungsanspruch in Höhe von insgesamt Fr. 15'372.- konnte solange nicht verwirken, als die einzelnen monatlichen Renten noch gar nicht ausbezahlt waren ( BGE 139 V 6 E. 5.2 in fine S. 11; BGE 122 V 270 E. 5b/bb S. 276; Urteil 9C_454/2012 BGE 146 V 217 S. 224 vom 18. März 2013 E. 7.3, nicht publ. in: BGE 139 V 106 , aber in: SVR 2013 IV Nr. 24 S. 66). Die Beschwerde der IV-Stelle ist mithin unbegründet.
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Sachverhalt ab Seite 354 BGE 133 V 353 S. 354 A. A.a Der Kanton Zürich, die Ärztegesellschaft des Kantons Zürich (AGZ) und die Helsana Versicherungen AG (nachfolgend: Helsana) schlossen am 8./9. Februar 2001 einen Rahmenvertrag über die obligatorische Krankenpflegeversicherung für Asylsuchende, vorläufig Aufgenommene und Schutzbedürftige ohne Aufenthaltsbewilligung, die von den zuständigen Fürsorgebehörden ganz oder teilweise unterstützt werden (nachfolgend: Rahmenvertrag). Dieser sieht eine eingeschränkte Wahl des Leistungserbringers sowie die Kostenvergütung nach dem System des tiers payant vor. Die zur Auswahl stehenden Leistungserbringer werden von den Vertragsparteien gemeinsam aus einer durch die AGZ erstellten Liste bestimmt. Diese sog. Asyl-Hausarztliste wurde auf den 1. Juli 2001 definitiv eingeführt. Der nicht auf der Liste stehende Dr. med. M. behandelte in der Zeit vom 25. Juli bis 15. August 2001 den vom 1. April bis 31. August 2001 mittels Rahmenvertrag versicherten Asylbewerber K. Als er von der Helsana mit Rechnung vom 4. Oktober 2001 die Vergütung der erbrachten Leistungen forderte, lehnte die Helsana die Kostenübernahme ab. Daraufhin trat K. allfällige Ansprüche gegenüber der Helsana an Dr. med. M. ab. A.b Nachdem Dr. med. M. beim Schiedsgericht in Sozialversicherungsstreitigkeiten des Kantons Zürich Klage auf Bezahlung der Rechnung erhoben und letztinstanzlich das damalige Eidgenössische Versicherungsgericht (seit 1. Januar 2007: Bundesgericht) die BGE 133 V 353 S. 355 Zuständigkeit des Schiedsgerichts verneint hatte (Urteil K 66/02 vom 17. August 2004, publ. in: RKUV 2005 Nr. KV 312 S. 3), lehnte die Helsana mit Verfügung vom 8. November 2004 und Einspracheentscheid vom 8. Februar 2005 die Kostenübernahme ab. B. Die von Dr. med. M. dagegen erhobene Beschwerde hiess das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 30. November 2006 gut. Es verpflichtete die Helsana, Dr. med. M. die Kosten der Behandlung von K. zu erstatten. C. Die Helsana erhebt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, der kantonale Entscheid sei aufzuheben. Dr. med. M. schliesst auf Abweisung der Beschwerde, während das Bundesamt für Gesundheit auf eine Vernehmlassung verzichtet. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Gemäss Art. 41 Abs. 1 Satz 1 KVG können die Versicherten unter den zugelassenen Leistungserbringern, die für die Behandlung ihrer Krankheit geeignet sind, frei wählen. Diese freie Wahl des Leistungserbringers wird im Rahmenvertrag gestützt auf Art. 41 Abs. 4 KVG sowie die Asylverordnung 2 vom 11. August 1999 über Finanzierungsfragen (AsylV 2; SR 142.312) eingeschränkt. Nach Art. 41 Abs. 4 KVG können die Versicherten ihr Wahlrecht im Einvernehmen mit dem Versicherer auf Leistungserbringer beschränken, die der Versicherer im Hinblick auf eine kostengünstigere Versorgung auswählt ( Art. 62 Abs. 1 und 3 KVG ). Der Versicherer muss dann nur die Kosten für Leistungen übernehmen, die von diesen Leistungserbringern ausgeführt oder veranlasst werden; Absatz 2 gilt sinngemäss. Die gesetzlichen Pflichtleistungen sind in jedem Fall versichert. Art. 26 Abs. 4 AsylV 2 lautet: "Die Kantone schränken für Asylsuchende, vorläufig Aufgenommene und Schutzbedürftige ohne Aufenthaltsbewilligung die Wahl des Versicherers und der Leistungserbringer ein, namentlich in Fällen, in denen zwischen Versicherungen und Leistungserbringern Vereinbarungen nach den Artikeln 42 Absatz 2 und 62 KVG abgeschlossen worden sind. Die Kantone haben die geeigneten Massnahmen zu ergreifen, um die Qualität des Leistungsangebotes sicherzustellen. Im Übrigen gilt Artikel 41 Absatz 4 KVG sinngemäss." BGE 133 V 353 S. 356 3. Es ist unbestritten, dass der Beschwerdegegner nicht auf der Asyl-Hausarztliste (Ziff. 5.3 Rahmenvertrag) figuriert und K. zur Zeit der streitigen Behandlung unter die Bestimmungen des Rahmenvertrags fiel. Vorinstanz und Beschwerdegegner sind jedoch der Ansicht, die im Rahmenvertrag vorgesehene Beschränkung der Wahl der Leistungserbringer (Ziff. 4.2 Rahmenvertrag) widerspreche Art. 41 Abs. 1 KVG . Sie lasse sich weder auf Art. 41 Abs. 4 KVG noch auf Art. 26 Abs. 4 AsylV 2 stützen. Die erstgenannte Bestimmung könne nicht als Grundlage dienen, weil dem Versicherten beim Abschluss und bei der Ausgestaltung des Versicherungsverhältnisses kein Mitspracherecht zuerkannt worden sei, dieser somit nicht im Sinne dieser Norm sein Wahlrecht habe beschränken können. Auch die zweitgenannte Norm vermöge die im Rahmenvertrag vorgesehene Einschränkung der Wahlmöglichkeit nicht zu rechtfertigen, da sie keine genügende formellgesetzliche Grundlage habe. 4. 4.1 Der Rahmenvertrag gilt gemäss seiner Ziffer 2 nicht generell für Asylsuchende, vorläufig Aufgenommene und Schutzbedürftige ohne Aufenthaltsbewilligung, sondern ausschliesslich für diejenigen Personen dieser Kategorien, welche von den zuständigen Fürsorgebehörden unterstützt werden; für fürsorgeunabhängige Personen gilt er ausdrücklich nicht. Gemäss Ziff. 3.4 des Rahmenvertrags endet die damit geschlossene Versicherung denn auch, wenn die Unterstützung der versicherten Person durch die zuständige Fürsorgebehörde entfällt. Auch Art. 26 Abs. 4 AsylV 2 betrifft - im Kontext gelesen - nicht generell die Krankenversicherung der betreffenden Personen, sondern einzig die Fürsorgeleistungen, welche für diese Personen in Bezug auf die medizinische Versorgung erbracht werden, bzw. die Vergütung, die der Bund den Kantonen dafür leistet (Art. 88 ff., namentlich Art. 91 Abs. 5 des Asylgesetzes vom 26. Juni 1998 [AsylG; SR 142.31] sowie Art. 26 Abs. 1 und 2 AsylV 2 ). Bei dieser Sachlage - namentlich auch mit Blick darauf, dass von keiner Seite behauptet wird, K. sei im fraglichen Zeitpunkt nicht von der Fürsorge unterstützt worden - ist nicht streitig, ob der Kanton generell für Asylsuchende die freie Wahl der Leistungserbringer einschränken darf, sondern wie er die Fürsorgeleistungen für diese Personen auszugestalten hat. BGE 133 V 353 S. 357 4.2 Die Fürsorge bzw. Sozialhilfe gewährleistet nicht das Leistungsniveau, das sich fürsorgeunabhängige Personen aus eigenen Mitteln leisten könnten und dürften. So bezahlt die Fürsorge beispielsweise nicht überhöhte Wohnkosten oder Kosten für nicht benötigte Fahrzeuge (vgl. Urteil des Bundesgerichts 2P.139/2003 vom 13. November 2003, E. 6 nicht publ. in BGE 130 I 1 ; FELIX WOLFFERS, Grundriss des Sozialhilferechts, 2. Aufl., Bern 1999, S. 142 f.). Solche Leistungsbegrenzungen sind dem Wesen der Sozialhilfe immanent und stellen keine Einschränkung des sich aus der Vertragsfreiheit ergebenden Rechts dar, luxuriöse Wohnungen oder Autos zu kaufen. Erst recht wird dadurch nicht die Wirtschaftsfreiheit der Anbieter von Wohnungen oder Autos eingeschränkt. Desgleichen kann beispielsweise das fürsorgepflichtige Gemeinwesen vom Fürsorgeempfänger verlangen, dass er, soweit zumutbar, eine Erwerbstätigkeit ausübt ( BGE 130 I 71 E. 4.3 S. 75 f.; WOLFFERS, a.a.O., S. 108 ff.); dabei handelt es sich nicht etwa um eine hoheitliche Arbeitsverpflichtung, sondern um eine Anspruchsvoraussetzung für die vom Staat erbrachte Leistung (KATHRIN AMSTUTZ, Anspruchsvoraussetzungen und -inhalt, in: Carlo Tschudi [Hrsg.], Das Grundrecht auf Hilfe in Notlagen, Bern 2005, S. 17 ff., 23 f.). Analoges gilt auch im Bereich der Fürsorgekosten für die medizinische Versorgung bzw. Krankenversicherung: Das fürsorgepflichtige Gemeinwesen muss nicht eine kostspielige Versorgung oder Krankenversicherung finanzieren, wenn auch mit einer kostengünstigeren Lösung eine ausreichende medizinische Versorgung sichergestellt ist. So kann beispielsweise vom Sozialhilfeempfänger verlangt werden, sich nur beim Hausarzt oder durch vom Hausarzt zugezogene Spezialisten behandeln zu lassen oder vor der Konsultation die Bewilligung der Sozialhilfebehörde einzuholen (WOLFFERS, a.a.O., S. 146; vgl. ähnlich auch Art. 8 Abs. 3 ELKV [SR 831.301.1]). Es geht dabei nicht um das Recht der versicherten Personen, den Arzt frei zu wählen, und auch nicht um das Recht der Leistungserbringer auf Ausübung ihrer Wirtschaftsfreiheit, sondern um die Ausgestaltung der vom Staat zu erbringenden Fürsorgeleistungen. 4.3 Gemäss Art. 80 Abs. 1 Satz 1 AsylG gewährleisten die Kantone die Fürsorge für Personen, die sich gestützt auf dieses Gesetz in der Schweiz aufhalten. Für die Ausrichtung von Fürsorgeleistungen gilt grundsätzlich kantonales Recht ( Art. 82 Abs. 1 AsylG ), wobei jedoch mit Rücksicht auf die weitgehende BGE 133 V 353 S. 358 Bundesfinanzierung ( Art. 88 ff. AsylG ) auch die im Asylgesetz enthaltenen bundesrechtlichen Regeln zu beachten sind (BERNHARD WALDMANN, Das Recht auf Nothilfe zwischen Solidarität und Eigenverantwortung, ZBl 2006 S. 341 ff., 364). Das Asylgesetz unterscheidet zwischen Asylsuchenden und Schutzbedürftigen ohne Aufenthaltsbewilligung einerseits sowie Flüchtlingen und Schutzbedürftigen mit Anspruch auf Aufenthaltsbewilligung andererseits. Diese Unterscheidung rechtfertigt sich dadurch, dass die Angehörigen der ersten Kategorie nur ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht in der Schweiz haben. Die an sie erbrachten Fürsorgeleistungen sind demnach nicht auf die Integration ausgerichtet; daraus ergibt sich die Berechtigung, Asylsuchende und Schutzbedürftige ohne Aufenthaltsbewilligung nicht nur anders, sondern auch in geringerem Umfang als andere Personen zu unterstützen (Botschaft des Bundesrats vom 4. Dezember 1995 zur Änderung des Asylgesetzes, BBl 1996 II 1 ff., 89 f.; BGE 131 I 166 E. 7.2.1 S. 180 und E. 8.2 S. 181 ff.; BGE 130 I 1 E. 3.6.1 S. 11 f.). Die Unterstützung ist nach Möglichkeit in Form von Sachleistungen auszurichten ( Art. 82 Abs. 2 AsylG ). Dies betrifft insbesondere auch den Versicherungsschutz bei Krankheiten (BBl 1996 II 89). Bei dieser Rechtslage liegt eine genügende formellgesetzliche Grundlage für eine von der Regelung der ordentlichen Fürsorgeleistung abweichende Normierung vor ( BGE 130 I 1 E. 3.6.3 S. 13). Entgegen der Auffassung der Vorinstanz findet auch Art. 26 Abs. 4 AsylV 2 in Art. 82 AsylG eine genügende formellgesetzliche Grundlage. Die Tatsache, dass eine analoge Regelung inzwischen auf die Stufe des formellen Gesetzes gehoben worden ist ( Art. 82a AsylG in der noch nicht in Kraft getretenen Fassung gemäss Revision des KVG vom 16. Dezember 2005, AS 2006 S. 4823 f.), bedeutet nicht, dass die gesetzliche Grundlage vorher ungenügend gewesen wäre. 4.4 Die krankenversicherungspflichtigen Asylsuchenden (Art. 3 Abs. 1 [vgl. BGE 129 V 77 ] oder Art. 3 Abs. 3 KVG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 2 lit. c KVV [SR 832.102]) müssen sich zwar grundsätzlich selber versichern ( Art. 7 Abs. 5 KVV ). Wenn aber das fürsorgepflichtige Gemeinwesen gemäss Art. 82 Abs. 2 AsylG , welche Bestimmung sowohl als lex posterior als auch als lex specialis dem KVG vorgeht, die Fürsorge nach Möglichkeit in Form von Sachleistungen zu erbringen hat, kann es für die und an Stelle der grundsätzlich versicherungspflichtigen Fürsorgeempfänger eine BGE 133 V 353 S. 359 Krankenversicherung abschliessen. Es stellt damit den Versicherungsschutz als Sachleistung zur Verfügung. Das gilt zumindest dann, wenn - wie das hier unbestritten der Fall ist - der Versicherte nicht selber bereits eine andere Versicherung abgeschlossen hat (vgl. BGE 128 V 263 E. 3b S. 268 f.). 4.5 In diesem Sinne hat die Direktion für Soziales und Sicherheit des Kantons Zürich als Versicherungsnehmerin den Rahmenvertrag abgeschlossen, welcher gemäss Art. 26 Abs. 4 AsylV 2 eine Einschränkung der freien Wahl des Leistungserbringers im Sinne von Art. 41 Abs. 4 und Art. 62 KVG vorsieht. Mit diesem Vertrag sorgt der Kanton für die Versicherung der betroffenen Fürsorgeempfänger und bezahlt gestützt darauf dem Versicherer die Prämien, Franchisen und Selbstbehalte (Anhang 5 Ziff. 3 Rahmenvertrag). Dabei handelt es sich nicht um einen in der Grundversicherung nicht mehr zulässigen eigentlichen Kollektivvertrag; vielmehr ist darin die Erbringung der angemessenen Fürsorgeleistung in Sachleistungsform gemäss Art. 82 Abs. 2 AsylG geregelt. Der Kanton Zürich ist damit seiner Fürsorgepflicht rechtmässig nachgekommen.
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Sachverhalt ab Seite 237 BGE 122 I 236 S. 237 Jorane Althaus, geboren 1988, wohnt mit ihren Eltern in der deutschsprachigen Berner Gemeinde Mörigen. Ihr Vater ist deutscher, die Mutter französischer Muttersprache. Im Elternhaus wird französisch gesprochen. Jorane Althaus besuchte den (deutschsprachigen) Kindergarten in Mörigen. Im August 1995 wurde sie in der ersten Klasse der französischsprachigen Primarschule Mühlefeld in Biel eingeschult. Ihr Vater ersuchte nachträglich um Bewilligung, seine Tochter in dieser Schule belassen zu dürfen, und verpflichtete sich gleichzeitig, alle finanziellen Konsequenzen zu tragen. Der Gemeinderat Mörigen lehnte das Gesuch am 1. Dezember 1995 ab und verfügte, dass Jorane Althaus ab 8. Januar 1996 die Primarschule in Mörigen zu besuchen habe. Jorane Althaus reichte dagegen am 28. Dezember 1995 Beschwerde bei der Erziehungsdirektion des Kantons Bern ein. Diese wies mit Entscheid vom 2. April 1996 die Beschwerde ab und verpflichtete Jorane Althaus, ab Schuljahr 1996/97 die Primarschule in Mörigen zu besuchen. Jorane Althaus erhebt staatsrechtliche Beschwerde und beantragt, den Entscheid der Erziehungsdirektion aufzuheben. BGE 122 I 236 S. 238 Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut aus folgenden Erwägungen Erwägungen: 2. Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung der Sprachenfreiheit und eine willkürliche Anwendung von Art. 7 des bernischen Volksschulgesetzes vom 19. März 1992 (VSG) sowie Willkür durch Nichtanwendung von Art. 4 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 3 der bernischen Kantonsverfassung vom 6. Juni 1993 (KV/BE). a) Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung gehört die Sprachenfreiheit zu den ungeschriebenen Freiheitsrechten der Bundesverfassung ( BGE 91 I 480 E. II.1 S. 485 f.; BGE 100 Ia 462 E. 2a S. 465; BGE 106 Ia 299 E. 2a S. 302; BGE 121 I 196 E. 2a S. 198; ZBl 83/1982 S. 356 E. 1b S. 358). Sie ist zudem durch Art. 15 KV/BE ausdrücklich gewährleistet. b) Die Sprachenfreiheit schützt den Gebrauch der Muttersprache ( BGE 121 I 196 E. 2a S. 198) bzw. einer nahestehenden anderen Sprache (ZBl 83/1982 S. 356 E. 3b S. 361) oder allenfalls jeder Sprache, deren sich jemand bedienen will (GIORGIO MALINVERNI in Kommentar BV, Rz. 5 f. zur Sprachenfreiheit; JÖRG PAUL MÜLLER, Die Grundrechte der schweizerischen Bundesverfassung, Bern 1991, S. 82; RUDOLF VILETTA, Abhandlungen zum Sprachenrecht mit besonderer Berücksichtigung des Rechts der Gemeinden des Kantons Graubünden, Band I: Grundlagen des Sprachenrechts, Diss. Zürich 1978, S. 287; RUDOLF VILETTA, Die Regelung der Beziehungen zwischen den schweizerischen Sprachgemeinschaften, ZBl 82/1981 S. 193-217, 206). Soweit diese Sprache zugleich eine Landessprache der Schweiz ist, steht deren Gebrauch sodann unter dem Schutz von Art. 116 Abs. 1 BV (in der Fassung vom 10. März 1996, AS 1996 1492). Diese Bestimmung verbietet es den Kantonen insbesondere, Gruppen, die eine Landessprache sprechen, aber im Kanton eine Minderheit darstellen, zu unterdrücken oder in ihrem Fortbestand zu gefährden ( BGE 106 Ia 299 E. 2a S. 302; BGE 121 I 196 E. 2a S. 198). c) Art. 116 BV gewährleistet nach der Rechtsprechung allerdings auch die überkommene sprachliche Zusammensetzung des Landes (Territorialitätsprinzip)( BGE 91 I 480 E. II.2 S. 486 f.; BGE 106 Ia 299 E. 2a S. 303; BGE 116 Ia 345 E. 5b/aa S. 349; ZBl 94/1993 S. 133 E. 4a; ARTHUR HAEFLIGER, Die Sprachenfreiheit in der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, in: Mélanges Zwahlen, Lausanne 1977, S. 77-86, 78; DANIEL THÜRER, Zur Bedeutung des sprachenrechtlichen Territorialprinzips für die Sprachenlage BGE 122 I 236 S. 239 im Kanton Graubünden, ZBl 85/1984 S. 241-271, 248). Er steht damit in einem Spannungsfeld zur Sprachenfreiheit. Zwar ist das Territorialitätsprinzip kein verfassungsmässiges Individualrecht (nicht veröffentlichtes Urteil des Bundesgerichts i.S. R. vom 4. März 1993, E. 2b). Es stellt aber eine Einschränkung der Sprachenfreiheit dar und erlaubt den Kantonen, Massnahmen zu ergreifen, um die überlieferten Grenzen der Sprachgebiete und deren Homogenität zu erhalten, selbst wenn dadurch die Freiheit des einzelnen, seine Muttersprache zu gebrauchen, eingeschränkt wird. Solche Massnahmen müssen aber verhältnismässig sein ( BGE 91 I 480 E. II.2 S. 486 f.; BGE 106 Ia 299 E. 2a S. 303; BGE 116 Ia 345 E. 6a S. 351 ff.; BGE 121 I 196 E. 2a S. 198). Im Verkehr mit den Behörden ist die Freiheit des Sprachgebrauchs zudem eingeschränkt durch das Prinzip der Amtssprache (MALINVERNI, a.a.O., Rz. 16; CHARLES-ALBERT MORAND, Liberté de la langue et principe de territorialité. Variations sur un thème encore méconnu, ZSR 112/1993 I S. 11-36, 20, 28; MÜLLER, a.a.O., S. 82); vorbehältlich besonderer, namentlich staatsvertraglicher, Bestimmungen (z.B. Art. 5 Ziff. 2 und Art. 6 Ziff. 3 lit. a EMRK ) besteht grundsätzlich kein Anspruch darauf, mit Behörden in einer anderen Sprache als der Amtssprache zu verkehren. Die Amtssprache steht ihrerseits in Beziehung zum Territorialitätsprinzip, indem sie normalerweise derjenigen Sprache entspricht, die im betreffenden Gebiet gesprochen wird. d) Das Territorialitätsprinzip ist kein Selbstzweck. Es dient mehreren Zielen: Soweit staatliche Leistungen, insbesondere der unentgeltliche öffentliche Schulunterricht, zur Diskussion stehen, dient es zunächst dem Anliegen der Praktikabilität und der kostengünstigen Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben. Infolge der zunehmenden Mobilität der Bevölkerung und der Zuwanderung zahlreicher Personen aus sehr unterschiedlichen Sprachgebieten wäre das Gemeinwesen finanziell rasch überfordert, wenn es öffentliche Leistungen, insbesondere den von Verfassungs wegen ( Art. 27 BV ) unentgeltlichen Schulunterricht, für sämtliche Sprachgruppen in deren eigener Sprache anbieten müsste. Das Territorialitätsprinzip gilt deshalb grundsätzlich auch für die Unterrichtssprache. In der öffentlichen Schule wird der Unterricht in der Regel in der Amtssprache des Einzugsgebiets erteilt. Nach der Rechtsprechung geben weder Art. 27 BV noch die Sprachenfreiheit einen Anspruch darauf, dass sprachliche Minderheiten in ihrer Muttersprache unterrichtet werden ( BGE 91 I 480 E. II.2 S. 487; 100 Ia 462 E. 2 S. 465 f., und E. 4 S. 470 f.; VEB 40/1976 Nr. 37 S. 46 f.; MARCO BORGHI in Kommentar zur Bundesverfassung, Rz. 35 zu Art. 27; BGE 122 I 236 S. 240 CHRISTINE MARTI-ROLLI, La liberté de la langue en droit suisse, Thèse Lausanne 1978, S. 20). Diese Praxis wird in der Lehre teilweise kritisiert (MALINVERNI, a.a.O., Rz. 36, 38, 42, mit Hinweisen). Die Kritik ist insofern berechtigt, als das Territorialitätsprinzip in traditionell zwei- oder mehrsprachigen Gebieten das Verhältnis zwischen den Sprachen gerade nicht regeln kann. In solchen Gebieten kann sich deshalb aus der Sprachenfreiheit allenfalls ein Anspruch darauf ergeben, in einer der mehreren traditionellen Sprachen unterrichtet zu werden, sofern dies nicht zu einer unverhältnismässigen Belastung des Gemeinwesens führt (HAEFLIGER, a.a.O., S. 83; MORAND, a.a.O., S. 30; offen gelassen in BGE 100 Ia 462 E. 2b S. 466). Anders verhält es sich hinsichtlich von Sprachen, die nicht traditionell in einem Gebiet gesprochen werden (MORAND, a.a.O., S. 30). Es kann nicht im Belieben Privater stehen, in ein fremdsprachiges Gebiet zu ziehen und von den dortigen Behörden einen Unterricht in ihrer Sprache zu verlangen. Dadurch würden das Territorialitätsprinzip und die bestehende sprachliche Gliederung geradezu aus den Angeln gehoben. Wer in ein fremdes Sprachgebiet zieht, hat grundsätzlich die Konsequenzen zu tragen, die sich daraus ergeben. Infolgedessen ist daran festzuhalten, dass das Gemeinwesen nicht verpflichtet ist, für neu zugewanderte sprachliche Minderheiten einen Unterricht in deren Sprache anzubieten. e) Nebst dem Anliegen einer kostengünstigen Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben wird dem Territorialitätsprinzip aber auch die Funktion zugeschrieben, zur Erhaltung bedrohter Sprachen sowie zur Wahrung des Sprachfriedens und damit zum gesellschaftlichen Zusammenhalt beizutragen ( BGE 121 I 196 E. 2b S. 199; EMILIO CATENAZZI, Libertà di lingua e lingua ufficiale, RDAT 1977, S. 269-274, 271; MARTI-ROLLI, a.a.O., S. 39 f.; MÜLLER, a.a.O., S. 80 f.; MICHEL ROSSINELLI, La question linguistique en Suisse: Bilan critique et nouvelles perspectives juridiques, ZSR 108/1989 I S. 163-193, 169; MICHEL ROSSINELLI, Protection des minorités linguistiques helvétiques et révision de l'article 116 de la Constitution fédérale, Gesetzgebung heute 1991/1, S. 45-68, 54). Dieses Ziel wird in der Schweiz herkömmlicherweise dadurch angestrebt, dass - abgesehen von traditionell zwei- oder mehrsprachigen Gebieten - Personen, die in ein anderssprachiges Gebiet ziehen, die dort gesprochene Sprache übernehmen. Insofern rechtfertigen sich zur Wahrung der sprachlichen Homogenität gewisse Einschränkungen der Sprachenfreiheit, auch soweit nicht staatliche Leistungen zur Diskussion stehen. So hat das Bundesgericht es als zulässig betrachtet, dass für Privatschulen der Gebrauch der Amtssprache BGE 122 I 236 S. 241 vorgeschrieben wird ( BGE 91 I 480 E. II.3 S. 489 ff.). Gleicher Ansicht ist ein Teil der Lehre, welcher aus dem Territorialitätsprinzip folgert, dass Personen, die in ein fremdsprachiges Gebiet zuwandern, sich im öffentlichen Sprachgebrauch zu assimilieren haben (MARTI-ROLLI, a.a.O., S. 41; VILETTA, a.a.O. (1978), S. 342, (1981), S. 211 f.). Andere Lehrmeinungen betonen demgegenüber eher die individualrechtliche Sprachenfreiheit und sind der Ansicht, das Territorialitätsprinzip sei in Art. 116 BV nicht zwingend enthalten; gerade eine bewusste Politik der Mehrsprachigkeit könne der Förderung des sprachlichen Friedens dienen (MALINVERNI, a.a.O., Rz. 40; MÜLLER, a.a.O., S. 84 f.; ROSSINELLI, a.a.O. (1991), S. 54). In der Lehre lässt sich keine einhellige Auffassung über Bedeutung und Tragweite des Territorialitätsprinzips und seine Beziehung zur Sprachenfreiheit erkennen. f) Die vom Eidg. Departement des Innern eingesetzte Arbeitsgruppe unter dem Vorsitz von Professor Saladin, welche den Auftrag hatte, eine Neufassung von Art. 116 BV zu formulieren, kritisierte in ihrem Bericht von 1989, dass sich das Territorialitätsprinzip in der bisherigen Praxis vorwiegend zu Lasten sprachlicher Minderheiten ausgewirkt habe (ARBEITSGRUPPE DES EDI, Zustand und Zukunft der viersprachigen Schweiz, Abklärungen, Vorschläge und Empfehlungen einer Arbeitsgruppe des Eidg. Departements des Innern, August 1989, S. 200, 348), und betonte eher die Bedeutung der Sprachenfreiheit (a.a.O., S. 206 ff., 366 f.). Aus dem Territorialitätsprinzip fliessende Einschränkungen der Sprachenfreiheit empfahl sie hauptsächlich zum Schutze der bedrohten Sprachen Italienisch und Rätoromanisch (a.a.O., S. 351 f., 365 ff.). Im Vernehmlassungsverfahren zum neuen Sprachenartikel in der Bundesverfassung beharrten indessen insbesondere die französischsprachigen Kantone auf einer strikten Anwendung des Territorialitätsprinzips (BBl 1991 II 332). Der Bundesrat schlug deshalb eine Formulierung vor, die sowohl die Sprachenfreiheit als auch das Territorialitätsprinzip erwähnte (BBl 1991 II 346). Der Ständerat als Erstrat strich die ausdrückliche Erwähnung der Sprachenfreiheit (AB StR 1992 S. 1044 ff.). Das wurde im Nationalrat als asymmetrisch betrachtet. Eine Minderheit schlug deshalb vor, wieder zum Antrag des Bundesrates zurückzukehren. Nach ausführlichen Debatten beschloss der Nationalrat jedoch angesichts der Schwierigkeiten, eine befriedigende Regelung zu finden, eine Formulierung, welche weder die Sprachenfreiheit noch das Territorialitätsprinzip ausdrücklich festlegte BGE 122 I 236 S. 242 (AB NR 1993 S. 1541 ff.). Diese Fassung wurde schliesslich in der Volksabstimmung vom 10. März 1996 angenommen. g) Die ausführlichen Verhandlungen in der Bundesversammlung zeigen auf, dass das Spannungsverhältnis zwischen Sprachenfreiheit und Territorialitätsprinzip nicht leicht aufgelöst werden kann und auch heute geeignet ist, Emotionen zu wecken. Es kann davon ausgegangen werden, dass mit der neuen Fassung von Art. 116 BV weiterhin die beiden divergierenden Anliegen in einer differenzierten, den Anliegen des Sprachfriedens Rechnung tragenden Weise anzuwenden sind. Je bedrohter eine Sprache ist, desto eher sind Massnahmen zu ihrer Erhaltung und Eingriffe in die individuelle Sprachenfreiheit gerechtfertigt (AB NR 1993 S. 1544, Kommissionssprecher Bundi). Im übrigen ist es weitgehend eine Frage politischen Gestaltungsermessens, ob dem Ziel der Bewahrung bedrohter Sprachen und des Sprachfriedens eher mit der Erhaltung homogener Sprachgebiete oder eher mit einer bewussten Förderung der Mehrsprachigkeit gedient sei (MORAND, a.a.O., S. 31; ROSSINELLI, a.a.O. (1989), S. 191). Es gibt in der Schweiz traditionell zweisprachige Städte oder Gebiete, welche belegen, dass ein friedliches Zusammenleben von Angehörigen verschiedener Sprachen möglich ist. Umgekehrt gibt es zahlreiche Beispiele im In- und Ausland, wonach Verschiebungen von Sprachgrenzen oder Zuwanderungen von nicht assimilationswilligen Anderssprachigen durchaus zu Spannungen führen können. h) Aufgrund von Art. 3 BV sind für die Regelung des Sprachgebrauchs primär die Kantone zuständig ( BGE 100 Ia 462 E. 2a S. 465; BGE 121 I 196 E. 2c S. 199 f.; ARBEITSGRUPPE EDI, a.a.O., S. 172 ff.; ANDREAS AUER, D'une liberté non écrite qui n'aurait pas dû l'être: la liberté de la langue, AJP 1992 S. 955-964, 961, 964; FRANÇOIS DESSEMONTET, Le droit des langues en Suisse, Québec 1984, S. 112 f.; MARTI-ROLLI, a.a.O., S. 18 f.; THÜRER, a.a.O., S. 254). Bundesverfassungsrechtliche Schranken ergeben sich einerseits daraus, dass es mit dem Territorialitätsprinzip nicht vereinbar wäre, die Sprachgrenzen bewusst und gewollt zu verschieben ( BGE 100 Ia 462 E. 2b S. 466; ARBEITSGRUPPE EDI, a.a.O., S. 202; HAEFLIGER, a.a.O., S. 78; MALINVERNI, a.a.O., Rz. 28); insoweit schützt die Bundesverfassung die überlieferte sprachliche Gebietsaufteilung und damit auch die Homogenität traditionell einsprachiger Gebiete, insbesondere (aber nicht nur) wenn es sich dabei um gesamtschweizerische Minderheitssprachen handelt. Andererseits darf in traditionell zwei- oder mehrsprachigen Gebieten nicht BGE 122 I 236 S. 243 die eine Sprache unterdrückt werden; insoweit schützt die Sprachenfreiheit insbesondere die Sprache von regionalen Minderheiten ( BGE 106 Ia 299 E. 2b/cc S. 305; ZBl 83/1982 S. 356 E. 3c/bb S. 362). Schliesslich darf auch der Gebrauch anderer Sprachen als der in einem bestimmten Gebiet traditionellerweise gesprochenen nicht unverhältnismässig beeinträchtigt werden; dabei sind umso einschneidendere Massnahmen zulässig, je bedrohter eine herkömmliche Sprache ist (vgl. BGE 116 Ia 345 E. 5b/cc S. 350; ARBEITSGRUPPE EDI, a.a.O., S. 237; HAEFLIGER, a.a.O., S. 80). Innerhalb dieser bundesverfassungsrechtlichen Schranken steht den Kantonen ein weiter Gestaltungsspielraum offen. Ob diese - wie in Lehre und Praxis teilweise angenommen ( BGE 91 I 480 E. II.2 S. 486 f.; BGE 116 Ia 345 E. 5b/aa S. 349; ZBl 94/1993 S. 133 E. 4a; CATENAZZI, a.a.O., S. 271; THÜRER, a.a.O., S. 256 ff.) - geradezu verpflichtet sind, für die Erhaltung des Territorialitätsprinzips zu sorgen, kann offenbleiben; jedenfalls sind sie dazu innerhalb der genannten Schranken berechtigt ( BGE 116 Ia 345 E. 5b/cc S. 350). Es ist somit die rechtliche Lage im Kanton Bern zu untersuchen und anschliessend zu prüfen, ob diese allenfalls verfassungsmässige Rechte der Beschwerdeführerin verletzt. 3. a) Art. 15 KV/BE gewährleistet ausdrücklich die Sprachenfreiheit. Gemäss Art. 6 Abs. 1 KV/BE sind das Deutsche und das Französische die bernischen Landes- und Amtssprachen. Art. 6 Abs. 2 KV/BE legt fest, dass im Berner Jura das Französische, im Amtsbezirk Biel das Deutsche und das Französische und in den übrigen Amtsbezirken das Deutsche die Amtssprachen sind. Damit ist implizit für amtliche Zwecke auf Bezirks- und Gemeindeebene das Territorialitätsprinzip verfassungsmässig festgelegt. In der Gemeinde Mörigen ist demzufolge das Deutsche von Verfassungs wegen Amtssprache. Gemäss Art. 6 Abs. 3 KV/BE können Kanton und Gemeinden besonderen Verhältnissen, die sich aus der Zweisprachigkeit des Kantons ergeben, Rechnung tragen. Diese Bestimmung erlaubt dem Kanton und den Gemeinden, in bestimmtem Umfang von dem in Abs. 2 festgelegten Territorialitätsprinzip abzuweichen; sie gibt jedoch keinen individualrechtlichen Anspruch auf eine solche abweichende Regelung, ebensowenig wie Art. 4 KV/BE , wonach unter anderem den sprachlichen Minderheiten besondere Befugnisse zuerkannt werden können. b) Gemäss Art. 7 Abs. 1 VSG besucht jedes Kind die öffentliche Schule an seinem Aufenthaltsort; die Gemeinden können unter sich abweichende Vereinbarungen treffen. Zwischen der Gemeinde Mörigen und der Gemeinde Biel, in welcher die Beschwerdeführerin die Primarschule besuchen möchte, BGE 122 I 236 S. 244 besteht nach übereinstimmender Darstellung der Beteiligten für diese Schulstufe keine derartige Vereinbarung. Unbegründet ist der Vorwurf der Beschwerdeführerin, die Gemeinde Mörigen habe willkürlich gehandelt, indem sie den entsprechenden Vereinbarungsvorschlag der Gemeinde Biel abgelehnt habe. Nach dem klaren Wortlaut von Art. 7 Abs. 1 VSG liegt es in der Autonomie der Gemeinden, derartige Vereinbarungen abzuschliessen. Dass angeblich alle oder die meisten anderen deutschsprachigen Gemeinden in der Region Biel eine entsprechende Vereinbarung abgeschlossen haben, ändert nichts. Der Sinn der Autonomie liegt gerade darin, dass auch Lösungen zulässig sind, die von denjenigen abweichen, welche die anderen Gemeinden gewählt haben. c) Nach der verfassungs- und gesetzmässigen Lage im Kanton Bern hat somit die in Mörigen wohnhafte Beschwerdeführerin keinen Anspruch darauf, dass ihr der Kanton oder die Gemeinde einen französischsprachigen Schulunterricht - sei es in Mörigen oder Biel - anbietet. Das widerspricht nach dem vorne Ausgeführten (E. 2d) auch nicht der Bundesverfassung. 4. a) Vorliegend hat sich nun freilich einerseits die Gemeinde Biel bereit erklärt, die Beschwerdeführerin in eine französischsprachige Schule aufzunehmen, sofern ihr das Schulgeld vergütet wird; andererseits haben sich die Eltern der Beschwerdeführerin bereit erklärt, für alle finanziellen Konsequenzen aufzukommen. Unter diesen Umständen bedeutet die angefochtene Verfügung, wonach die Beschwerdeführerin in Mörigen die Schule zu besuchen hat, eine Einschränkung der Sprachenfreiheit, die nicht durch das öffentliche Interesse an einer kostengünstigen Gestaltung des Schulwesens gerechtfertigt werden kann. Sie unterliegt den üblichen Voraussetzungen für Grundrechtseingriffe. Dabei prüft das Bundesgericht frei, ob Einschränkungen von Grundrechten verhältnismässig sind und einem überwiegenden öffentlichen Interesse entsprechen (WALTER KÄLIN, Das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde, 2. A. Bern 1994, S. 185, mit Hinweisen). Nur auf Willkür hin prüft es die Auslegung und Anwendung von kantonalem Gesetzesrecht, sofern, wie vorliegend, kein besonders schwerer Eingriff zur Diskussion steht (KÄLIN, a.a.O., S. 175, 177, mit Hinweisen). b) Nach Ansicht der Erziehungsdirektion erlaubt das Volksschulgesetz nicht, dass die Eltern mittels Übernahme des Schulgeldes den Schulort des Kindes bestimmen können. Es kann offenbleiben, ob diese Gesetzesauslegung - wie BGE 122 I 236 S. 245 die Beschwerdeführerin vorbringt - geradezu willkürlich ist. Auch wenn sie haltbar ist, fragt sich, ob es mit der Sprachenfreiheit vereinbar ist, den Besuch einer französischsprachigen Schule auch dann zu verbieten, wenn die Eltern die Kosten übernehmen. Dass Art. 27 BV einen unentgeltlichen Schulunterricht vorschreibt, ändert daran nichts, da dadurch der freiwillige Besuch einer entgeltlichen Schule nicht ausgeschlossen wird. c) Eine gesetzliche Grundlage für den Eingriff ist gegeben, indem Art. 7 Abs. 1 VSG vorschreibt, dass - vorbehältlich abweichender Vereinbarungen unter den Gemeinden oder einer im Streitfall durch die Erziehungsdirektion zu erteilenden Bewilligung aus wichtigen Gründen - jedes Kind die öffentliche Schule an seinem Aufenthaltsort besucht. d) Diese Regelung kann grundsätzlich mit öffentlichen Interessen gerechtfertigt werden. aa) Die Gemeinde hat ein legitimes Interesse daran, die Klassengrössen planen zu können. Allerdings ist eine Schulplanung nie genau möglich, da durch Wohnortswechsel immer Schwankungen in der Zahl der schulpflichtigen Kinder auftreten können. Doch wird die Planung zusätzlich erschwert, wenn die Wahl des Schulortes auch für die Einwohner der Gemeinde freigestellt wäre. bb) Zudem ist denkbar, dass insbesondere in kleineren Gemeinden der Fortbestand einer Schule in Frage gestellt wird, wenn den Einwohnern freigestellt würde, ihre Kinder in einer anderen Gemeinde zur Schule zu schicken. Angesichts der erheblichen kulturellen und gesellschaftlichen Bedeutung, welche einer eigenen Schule für eine Gemeinde zukommt, stellt es durchaus ein haltbares öffentliches Interesse dar, wenn das Gesetz dafür sorgt, dass die in einer Gemeinde wohnhaften Kinder die dortige Schule besuchen. cc) Ein allgemeines Recht der Kinder bzw. Eltern auf freie Wahl der ihnen zusagenden Schule kann daher nicht in Frage kommen. Hingegen ist fraglich, ob die genannten Interessen für eine Einschränkung der Sprachenfreiheit ausreichen. Dafür kommt hauptsächlich das allgemeine staatspolitische Interesse an der Erhaltung sprachlich homogener Gebiete in Betracht. Dieses Interesse ist - wie vorne ausgeführt - grundsätzlich haltbar und berechtigt. Auch soweit der Erhaltung sprachlicher Homogenität keine grosse Bedeutung beigemessen wird, erscheint es doch zumindest erwünscht, dass Binnenwandererfamilien eine zweisprachige Identität entwickeln, um zur sprachlichen Verständigung beizutragen (ARBEITSGRUPPE EDI, a.a.O., S. 96 f.). Das würde gefördert, wenn die Kinder von fremdsprachigen Zuwanderern, BGE 122 I 236 S. 246 die in der Familie ihre Muttersprache sprechen, durch den Schulbesuch an ihrem Wohnort auch die Ortssprache erlernen. Gerade eine solche Zweisprachigkeit wird von der Beschwerdeführerin bzw. ihren Eltern abgelehnt, indem sie nicht nur zu Hause, sondern auch in der Schule ihre französische Muttersprache sprechen will. e) Das geltend gemachte öffentliche Interesse an einem Schulbesuch der Beschwerdeführerin in Mörigen muss im Lichte des Verhältnismässigkeitsprinzips die entgegenstehenden privaten Interessen überwiegen. aa) Die Beschwerdeführerin macht keine persönlichen Gründe geltend, die für sie spezifisch eine Ausnahmebewilligung nahelegen würden. Sie bringt einzig vor, dass sie - bzw. ihre Eltern - einen Schulunterricht in französischer Sprache bevorzugen. Ihre Situation unterscheidet sich in nichts von derjenigen aller anderen Kinder französischsprachiger Eltern, die im deutschen Sprachgebiet wohnen - oder umgekehrt. Wird ihr der Besuch in einer französischsprachigen Schule in Biel bewilligt, so muss dasselbe allen anderen Kindern ebenfalls bewilligt werden, deren Eltern bereit sind, die entsprechenden Kosten auf sich zu nehmen. bb) Im Lichte des Verhältnismässigkeitsprinzips muss ein Mittel, welches Grundrechte einschränkt, geeignet sein, den angestrebten legitimen Zweck zu erreichen. Es fragt sich, ob die Verpflichtung, die Schule am Aufenthaltsort zu besuchen, ein geeignetes Mittel ist, um einen legitimen Zweck zu erreichen. cc) Das Territorialitätsprinzip verbietet absichtliche Veränderungen der Sprachgrenze (vorne E. 2h). Hingegen bezweckt es nicht eine Zementierung einmal bestehender Zustände. Es kann nicht natürliche Verschiebungen in der sprachlichen Zusammensetzung verhindern (MALINVERNI, a.a.O., Rz. 28; THÜRER, a.a.O., S. 249 f., 255). Auch soweit eine Assimilation und gesellschaftliche Integration fremdsprachiger Zuwanderer wünschbar erscheint, ist doch fraglich, inwieweit dies mit staatlichen Zwangsmassnahmen sinnvollerweise erreicht werden kann. Insofern ist anzuerkennen, dass dem Recht nur eine beschränkte Steuerungskraft gegenüber gesellschaftlichen Entwicklungen zukommen kann (AUER, a.a.O., S. 963; DESSEMONTET, a.a.O., S. 65 f.; MARTI-ROLLI, a.a.O., S. 67 f.). Beachtet die Rechtsordnung diese Beschränkung nicht, so kann längerfristig ein Widerspruch zwischen Recht und Lebenswirklichkeit entstehen, der seinerseits für den Sprachfrieden eine Gefahr darstellen könnte. dd) Hinzu kommt, dass so oder so ein Besuch der Gemeindeschule in Mörigen letztlich nicht erzwungen werden kann. Der Besuch der staatlichen BGE 122 I 236 S. 247 Volksschule ist nämlich ohnehin nicht zwingend. Es stünde der Beschwerdeführerin frei, eine Privatschule zu besuchen (Art. 64 ff. VSG). Zwar hat das Bundesgericht entschieden, dass ein Kanton den Privatschulen vorschreiben kann, in der jeweiligen Amtssprache zu unterrichten ( BGE 91 I 480 E. II.3b S. 491 ff.; dieser Entscheid wurde in der Lehre kritisiert, vgl. HAEFLIGER, a.a.O., S. 82; MALINVERNI, a.a.O., Rz. 33; MARTI-ROLLI, a.a.O., S. 58 ff.; MORAND, a.a.O., S. 24; LUZIUS WILDHABER, Der belgische Sprachenstreit vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, in: Schweizerisches Jahrbuch für internationales Recht 26 (1969/70), S. 9-38, 37 f.). Der Kanton Bern kennt denn auch grundsätzlich eine entsprechende Regelung (Art. 66 Abs. 1 VSG). Er könnte jedoch aufgrund der gesetzlichen Lage nicht verhindern, dass die Beschwerdeführerin eine französischsprachige Privatschule im französischsprachigen Kantonsteil oder in Biel besucht. Schliesslich könnten die Eltern ihre Tochter privat auf französisch unterrichten (Art. 71 Abs. 1 VSG), anstatt sie in eine Schule zu schicken. Insofern der angefochtene Entscheid die Beschwerdeführerin hoheitlich verpflichtet, in Mörigen die Schule zu besuchen, ist er somit so oder so nicht haltbar. Es kann aufgrund der rechtlichen Situation nicht erzwungen werden, dass die Beschwerdeführerin effektiv auf deutsch unterrichtet wird. ee) Könnte demnach eine private französische Schulung der Beschwerdeführerin ohnehin nicht verhindert werden, sofern die Eltern für das Schulgeld aufkommen bzw. das Kind selber unterrichten, kann Anknüpfungspunkt des Entscheides der Erziehungsdirektion einzig sein, dass es sich bei der Schule, welche die Beschwerdeführerin in Biel besuchen möchte, um eine öffentliche Schule handelt. Freilich dürfte es nach bernischem Recht nicht zulässig sein, dass eine Gemeinde generell ihre öffentliche Schule gleichsam wie eine Privatschule allen Interessierten gegen Bezahlung zur Verfügung stellt. Doch hat die Gemeinde Mörigen nach dem Gesagten keinen Anspruch darauf, dass die auf ihrem Gebiet wohnhaften Kinder ihre Schule besuchen. Sie hat deshalb kein rechtlich geschütztes Interesse, sich gegen einen Schulbesuch der Beschwerdeführerin in Biel zu wehren, solange ihr daraus keine Kosten oder sonstigen Nachteile erwachsen. Das angestrebte Ziel der sprachlichen Homogenität oder zumindest der Zweisprachigkeit kann durch den angefochtenen Entscheid kaum erreicht werden, während das finanzielle Interesse der öffentlichen Hand solange nicht berührt wird, als die Beschwerdeführerin bereit ist, die finanziellen BGE 122 I 236 S. 248 Konsequenzen des Schulbesuchs in Biel selber zu tragen. Die Gemeinde Mörigen tut auch nicht dar, dass der Bestand ihrer Primarschule durch den Schulbesuch von französischsprachigen Schülern in Biel gefährdet würde. Unter diesen Umständen erweist sich die Verpflichtung, in Mörigen die Schule zu besuchen, als ein durch kein überwiegendes öffentliches Interesse gerechtfertigter und daher unverhältnismässiger Eingriff in die Sprachenfreiheit. 5. Gesamthaft ergibt sich, dass weder die Bundesverfassung noch die Kantonsverfassung den Kanton Bern oder die Gemeinde Mörigen verpflichten, der Beschwerdeführerin einen französischsprachigen Unterricht anzubieten. Ebensowenig ist die Gemeinde Biel verpflichtet, die Beschwerdeführerin in eine französischsprachige Schule aufzunehmen. Solange jedoch die Gemeinde Biel auf freiwilliger Basis dazu bereit ist und die Eltern die daraus resultierenden finanziellen Konsequenzen tragen, ist es ein unverhältnismässiger Eingriff in die Sprachenfreiheit der Beschwerdeführerin, ihr den Besuch der französischsprachigen Schule in Biel zu verunmöglichen. Der angefochtene Entscheid ist daher aufzuheben.
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Sachverhalt ab Seite 217 BGE 124 I 216 S. 217 Am 19. Januar 1996 stellte das Strassenverkehrs- und Schiffahrtsamt des Kantons Bern Franziska Fritschi für die Motorfahrzeugsteuer 1996 Fr. 712.20 in Rechnung. Die dagegen erhobene Einsprache wies das Strassenverkehrs- und Schiffahrtsamt am 27. März 1996 ab. Hiergegen gelangte Franziska Fritschi erfolglos an die Polizei- und Militärdirektion sowie an das Verwaltungsgericht des Kantons Bern. Gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts vom 21. April 1997 hat Franziska Fritschi am 21. Mai 1997 beim Bundesgericht staatsrechtliche Beschwerde erhoben. Sie macht geltend, die streitige Motorfahrzeugsteuerveranlagung beruhe auf einer ungenügenden gesetzlichen Grundlage und verletze damit Art. 4 BV sowie Art. 69 Abs. 4 lit. b und Art. 132 Abs. 1 der bernischen Kantonsverfassung vom 6. Juni 1993 (KV/BE). Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut und hebt den angefochtenen Entscheid auf. BGE 124 I 216 S. 218 Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Die umstrittene Motorfahrzeugsteuerveranlagung bzw. der entsprechende Beschwerdeentscheid stützt sich auf das Dekret vom 10. Mai 1972 über die Besteuerung der Strassenfahrzeuge (im folgenden: Fahrzeugsteuerdekret; DBS), welches sich seinerseits auf das Gesetz vom 4. März 1973 über den Strassenverkehr und die Besteuerung der Strassenfahrzeuge (SBS) stützt. Gemäss Art. 9 SBS ist für Strassenfahrzeuge mit Standort im Kanton Bern, die auf öffentlichen Strassen verkehren, eine Steuer zu entrichten, wobei sich diese nach der Zahl der Tage der Zulassung zum Verkehr und dem Gesamtgewicht des Fahrzeuges bemisst. Der Grosse Rat bestimmt durch Dekret die Besteuerungsgrundlagen und regelt Abstufung, Bezug und Verwendung der Steuern (Art. 11 SBS). Gemäss Art. 5 des Fahrzeugsteuerdekrets (in der Fassung vom 28. Juni 1995) beträgt die Normalsteuer Fr. 360.-- für die ersten 1'000 Kilogramm; für je weitere 1'000 Kilogramm ermässigt sich die Steuer um 14% des Steuersatzes der vorangehenden Tonne; vor der Dekretsänderung vom 28. Juni 1995 betrug die Normalsteuer Fr. 324.-- für die ersten 1'000 Kilogramm. Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Motorfahrzeugsteuerveranlagung für das Jahr 1996 entbehre einer genügenden gesetzlichen Grundlage, denn seit dem Inkrafttreten der neuen bernischen Verfassung vom 6. Juni 1993 am 1. Januar 1995 hätte die Änderung eines Steuertarifs nur nach Massgabe von Art. 69 Abs. 4 lit. b sowie Art. 132 Abs. 1 KV/BE und damit in Form eines referendumsfähigen Gesetzes erfolgen dürfen; die Änderung des Fahrzeugsteuerdekrets vom 28. Juni 1995 verletze somit die neue bernische Kantonsverfassung. 3. a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts kommt dem Erfordernis der gesetzlichen Grundlage im Abgaberecht die Bedeutung eines verfassungsmässigen Rechts zu, dessen Verletzung selbständig, unmittelbar gestützt auf Art. 4 BV , mit staatsrechtlicher Beschwerde geltend gemacht werden kann. Öffentliche Abgaben bedürfen grundsätzlich einer Grundlage in einem formellen Gesetz, d.h. normalerweise in einem dem Referendum unterstehenden Erlass ( BGE 120 Ia 265 E. 2a S. 266, mit Hinweisen). Indessen können auch allein vom Parlament beschlossene Erlasse die Funktion des formellen Gesetzes erfüllen, wenn die betreffende kantonale Verfassungsordnung dies so vorsieht, sind doch die Kantone von Bundesrechts wegen nicht gehalten, ihre Gesetze dem Referendum zu BGE 124 I 216 S. 219 unterstellen ( BGE 118 Ia 245 E. 3b S. 248, 320 E. 3a S. 324). Aus diesem Grunde kann für die vorliegend interessierende Frage, ob nach dem 1. Januar 1995 eine Erhöhung der Motorfahrzeugsteuer in der Form einer Dekretsänderung zulässig war, aus dem bundesrechtlichen Legalitätsprinzip im Abgaberecht nichts abgeleitet werden. b) Die Beschwerdeführerin kann sich indessen auch auf das durch sämtliche Kantonsverfassungen garantierte Prinzip der Gewaltentrennung berufen, welches das Bundesgericht seit jeher als Individualrecht der Bürger anerkannt hat. Sein Inhalt ergibt sich jeweils aus dem kantonalen Recht, wobei das Bundesgericht die Auslegung der einschlägigen Verfassungsbestimmungen frei, jene des Gesetzesrechts dagegen lediglich auf Willkür hin prüft ( BGE 121 I 22 E. 3a S. 25, mit Hinweisen). 4. a) Gemäss Art. 69 Abs. 1 KV/BE können Befugnisse des Volkes an den Grossen Rat und an den Regierungsrat übertragen werden, falls die Delegation auf ein bestimmtes Gebiet beschränkt ist und das Gesetz den Rahmen der Delegation festlegt. Art. 69 Abs. 4 KV/BE bestimmt, dass alle grundlegenden und wichtigen Rechtssätze des kantonalen Rechts in der Form des Gesetzes zu erlassen sind. Dazu gehören unter anderem Bestimmungen über den Gegenstand von Abgaben, die Grundsätze ihrer Bemessung und den Kreis der Abgabepflichtigen mit Ausnahme von Gebühren in geringer Höhe (lit. b). b) Die Kantonsverfassung versteht gemäss Art. 69 Abs. 4 in Verbindung mit Art. 62 Abs. 1 lit. a unter Gesetzen im formellen Sinne Erlasse des Grossen Rates, welche Rechtssätze verankern und dem fakultativen Referendum unterstehen (WALTER KÄLIN/URS BOLZ, Handbuch des bernischen Verfassungsrechts, Bern 1995, S. 129). Im Gegensatz dazu sind Dekrete Erlasse des Grossen Rates, welche dieser gestützt auf eine gesetzliche Ermächtigung verabschieden kann, um Gesetzesbestimmungen "näher auszuführen" ( Art. 74 Abs. 1 KV/BE ). Im Bereich des Dekrets ist die Mitwirkung des Volkes ausgeschlossen. Es handelt sich bei dieser Erlassform um auf Delegation beruhende (unselbständige) parlamentarische Verordnungen. Dekretsbefugnisse, die sich direkt aus der Verfassung ergeben, kennt die Kantonsverfassung nicht mehr. Dekrete sind für die Regelung von Angelegenheiten reserviert, welche zwar nicht die Wichtigkeit von Gesetzesbestimmungen erreichen, aber doch zuviel Gewicht besitzen, um der Exekutive überlassen zu werden; sie sind insbesondere für Verordnungsrecht mit erhöhtem Legitimationsbedarf geeignet (WALTER KÄLIN/URS BOLZ, a.a.O., S. 132). BGE 124 I 216 S. 220 c) Das Gesetz vom 4. März 1973 über den Strassenverkehr und die Besteuerung der Strassenfahrzeuge regelt zwar, für welche Strassenfahrzeuge die Steuer zu entrichten ist und dass sich diese nach der Zahl der Tage der Zulassung zum Verkehr und dem Gesamtgewicht des Fahrzeuges richtet (vgl. E. 2); es delegiert jedoch in Art. 11 die Befugnis zur Bestimmung der Besteuerungsgrundlagen an den Grossen Rat, welcher in Art. 1 Abs. 2 des Fahrzeugsteuerdekrets den Kreis der Abgabepflichtigen präzisiert (die Fahrzeughalter) und in Art. 5 ff. den Steuertarif festlegt. Indem das Gesetz die Bemessung der Motorfahrzeugsteuer dem Grossen Rat als Dekretsgeber überlässt, nimmt es eine nach Art. 69 Abs. 4 KV/BE nicht mehr zulässige Delegation vor; der auf dieser Delegation beruhende Art. 5 des Fahrzeugsteuerdekrets ist somit heute formell verfassungswidrig. 5. Gemäss Art. 132 Abs. 1 KV/BE bleiben Erlasse, die von einer nicht mehr zuständigen Behörde oder in einem nicht mehr zulässigen Verfahren geschaffen worden sind, vorläufig in Kraft, denn der Verfassungsgeber erachtete es als weder sinnvoll noch machbar, alle diese recht zahlreichen Bestimmungen innert kurzer Frist zu ändern. Dabei betrifft diese Regelung namentlich Dekretsbestimmungen, die gestützt auf Art. 69 Abs. 4 oder Art. 95 Abs. 2 KV/BE neu auf Gesetzesstufe zu erlassen sind, sowie Dekrete, die sich unmittelbar auf die alte Verfassung abstützten (WALTER KÄLIN/URS BOLZ, a.a.O., S. 574). Damit durfte der Kanton Bern auch nach dem Inkrafttreten der neuen Kantonsverfassung die Motorfahrzeugsteuer noch nach Art. 5 des Fahrzeugsteuerdekrets (in der Fassung vor der Änderung vom 28. Juni 1995) erheben. 6. a) Die strittige Motorfahrzeugsteuerveranlagung stützt sich indessen auf Art. 5 DBS in seiner Form vom 28. Juni 1995 und damit auf eine Dekretsänderung, welche der Grosse Rat nach dem Inkrafttreten der neuen Kantonsverfassung beschlossen hat, indem er die Normalsteuer per 1. Januar 1996 für die ersten 1'000 Kilogramm von Fr. 324.-- auf Fr. 360.-- heraufsetzte. Die Beschwerdeführerin betrachtet diese Dekretsänderung als mit Art. 132 Abs. 1 KV/BE unvereinbar, wonach sich die Änderung von Erlassen, die von einer nicht mehr zuständigen Behörde oder in einem nicht mehr zulässigen Verfahren geschaffen worden sind, nach der neuen Verfassung richtet. Das Verwaltungsgericht liess die Frage, ob das Fahrzeugsteuerdekret auf einer den Anforderungen der neuen Kantonsverfassung BGE 124 I 216 S. 221 genügenden gesetzlichen Ermächtigung beruhe, offen. Es erwog, ein allfälliger delegationsrechtlicher Mangel könne durch eine Dekretsänderung nicht behoben werden; nur die Aufnahme der heute auf Dekretsstufe geregelten Bemessungskriterien in ein formelles Gesetz könnte eine formelle Verfassungswidrigkeit in diesem Punkt beheben. Trotzdem ist das Verwaltungsgericht der Auffassung, dass im vorliegenden Fall die umstrittene Änderung des Fahrzeugsteuerdekrets nicht gegen Art. 132 Abs. 1 KV/BE verstosse: Es argumentiert, die staatliche Tätigkeit und ihre Finanzierung könnten in der Übergangszeit empfindlich beeinträchtigt werden, wenn unmittelbar mit dem Inkrafttreten der neuen Kantonsverfassung die Revision von belastenden Dekretsbestimmungen wie den interessierenden generell und unbesehen des jeweiligen Revisionsgegenstands untersagt werden sollte; dies habe aber der Verfassungsgeber mit Art. 132 Abs. 1 KV/BE gerade vermeiden wollen. Das Verwaltungsgericht weist ferner darauf hin, dass ein Gesetzgebungsprojekt über die Besteuerung von Strassenfahrzeugen hängig sei. b) Diese Argumentation überzeugt nicht: Für Abwägungen zwischen den staatlichen Finanzbedürfnissen und der Gewichtigkeit eines delegationsrechtlichen Mangels lässt die Übergangsregelung von Art. 132 Abs. 1 KV/BE grundsätzlich keinen Raum. Der bernische Verfassungsgeber hat zwischen dem Ziel, die neue Zuständigkeitsordnung durchzusetzen, und der Notwendigkeit, Rechtslücken und damit verbundene Beeinträchtigungen der Staatstätigkeit zu vermeiden, selber bereits eine Abwägung getroffen, indem er formell verfassungswidrig gewordenen Erlassen zwar einstweilen noch Gültigkeit zuerkennt, aber die zuständigen Rechtsetzungsorgane, wenn die betreffenden Bestimmungen geändert werden sollen, zur Legiferierung in der neu vorgeschriebenen Form verpflichtet. c) Auf die Frage, wie weit die Pflicht zur Anpassung bei blossen Teilrevisionen eines formell mangelhaften Erlasses reicht - ob jeweils der ganze Erlass oder nur gerade die von der Revision erfassten Bestimmungen mit der neuen Ordnung in Einklang zu bringen sind -, braucht hier nicht weiter eingegangen zu werden. Die Pflicht zur Anpassung gilt jedenfalls für die unmittelbar geänderten Bestimmungen, was bedeutet, dass die vorliegend in Frage stehende Erhöhung der Motorfahrzeugsteuer die Schaffung entsprechender Grundlagen auf Gesetzesstufe voraussetzt. Dass mittlerweile ein solches Gesetz vom Parlament verabschiedet worden ist, rechtfertigt keine Abweichung von der Regel des Art. 132 Abs. 1 KV/BE ; BGE 124 I 216 S. 222 ebensowenig der Umstand, dass die Auswirkungen der Steuererhöhung für die Beschwerdeführerin mässig sind bzw. zum Teil nur eine Anpassung an die Teuerung darstellen. d) Das Verwaltungsgericht hätte daher die streitige Steuererhöhung, weil sie in Verletzung von Art. 69 Abs. 4 KV/BE und Art. 132 Abs. 1 Satz 2 KV/BE beschlossen wurde, als unwirksam betrachten müssen; der angefochtene gegenteilige Entscheid verletzt den in genannten Verfassungsvorschriften zum Ausdruck kommenden Grundsatz der Gewaltentrennung. Nachdem die Revision von Art. 5 DBS vom 28. Juni 1995 als ungültig zu betrachten ist, wird die Beschwerdeführerin für das Jahr 1996 nach dem niedrigeren bisherigen Tarif zu besteuern sein.
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Sachverhalt ab Seite 23 BGE 121 I 22 S. 23 Der Regierungsrat des Kantons Zürich beschloss am 10. August 1994 folgende Zulassungsbeschränkung zum Medizinstudium an der Universität Zürich: "I. An der Universität Zürich werden auf das Wintersemester 1994/95 für das Studium der Human-, Zahn- und Veterinärmedizin von den definitiv angemeldeten Studienbewerbern höchstens 400 aufgenommen. II. Die Selektion erfolgt nach dem Alter der Studienbewerber. Die älteren Bewerber werden den jüngeren nach der Reihenfolge ihrer Geburtsdaten vorgezogen. Die Erziehungsdirektion bezeichnet die für die Durchführung der Auswahl verantwortliche Stelle. III. Abgewiesene Bewerber werden auf eine Warteliste eingeteilt und erhalten die Garantie, dass sie auf das Wintersemester 1995/96 zum Medizinstudium zugelassen werden. IV. In der Humanmedizin werden von den Studienanfängern 1994 (Kohorte 1994/95) höchstens 220 Studierende ins dritte Studienjahr (Klinikum) aufgenommen. Darin inbegriffen sind die zu übernehmenden Studierenden aus Freiburg und Neuenburg, die aus Kapazitätsgründen für das Grundstudium umgeleitet wurden, sowie allfällige Studierende aus früheren Kohorten. V. Veröffentlichung im Amtsblatt." Gegen die Ziffern I. bis III. dieses Beschlusses haben Anouk Hasler, Mélanie Kunz und Madlaina Meili am 16. September 1994 beim Bundesgericht staatsrechtliche Beschwerde eingereicht. Sie machen geltend, der regierungsrätliche Beschluss verletze den Grundsatz der Gewaltentrennung, verstosse gegen das Gebot der Rechtsgleichheit und beeinträchtige die Handels- und Gewerbefreiheit. Die Erziehungsdirektion beantragt für den Regierungsrat, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Mit Verfügung vom 20. Oktober 1994 legte der Präsident der II. öffentlichrechtlichen Abteilung der Eingabe in dem Sinne aufschiebende Wirkung bei, dass alle Studienwilligen der Warteliste für die Dauer des bundesgerichtlichen Verfahrens ihr Medizinstudium auf eigenes Risiko aufnehmen konnten. Am 28. November 1994 lehnte er ein Gesuch ab, diese Verfügung insofern zu präzisieren, dass alle abgewiesenen Studienbewerber bis zum bundesgerichtlichen Urteil ihr Praktikum auch während des Semesters BGE 121 I 22 S. 24 zu absolvieren befugt seien und nicht bloss im Rahmen eines Blockkurses im Anschluss an das erste Semester. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Das Bundesgericht hat sich in seiner Praxis wiederholt mit der Problematik von Zulassungsbeschränkungen zu staatlichen Bildungseinrichtungen befasst. Die Frage, ob und wann solche Massnahmen den Anwendungsbereich des ungeschriebenen verfassungsmässigen Rechts der persönlichen Freiheit beziehungsweise dessen Kernbereich berühren, liess es dabei jeweils mit Blick auf eine Beurteilung im einzelnen Anwendungsfall offen (vgl. BGE 104 Ia 305 E. 2 S. 308, BGE 103 Ia 369 E. 7d/bb S. 389, 394 E. 2d S. 401; BGE 102 Ia 321 E. 3a S. 324). In einem jüngeren Entscheid schloss es in etwas anderem Zusammenhang nicht zum vornherein aus, dass ein staatlicher Eingriff auf dem Gebiet des Bildungswesens in den Schutzbereich der persönlichen Freiheit fallen könne ( BGE 117 Ia 27 E. 5b S. 30). Im Grundsatzentscheid "Wäffler" betreffend den Numerus clausus an der Universität Basel hielt es fest, dass in der Schweiz (über Art. 27 BV hinaus) kein verfassungsmässiges Recht auf Bildung bestehe und auch die Handels- und Gewerbefreiheit keine Teilhaberrechte verschaffe, die einen Zugang zu staatlichen Bildungseinrichtungen garantierten ( BGE 103 Ia 369 E. 4a 377 f.). Der Gesetzesvorbehalt und die strengen Anforderungen an eine Delegationsnorm seien indessen auch dort zu beachten, wo - wie im Bildungsbereich - erst eine staatliche Leistung die tatsächlichen Voraussetzungen für die Ausübung und Entfaltung verfassungsmässiger Rechte schaffe; dies gelte besonders dann, wenn dem Staat faktisch Monopolstellung zukomme ( BGE 103 Ia 369 E. 6e S. 383; vgl. auch BGE 117 Ib 387 E. 6d S. 395). In BGE 114 Ia 216 E. 5 S. 220 bestätigte das Bundesgericht, dass die persönliche Freiheit in der Regel keinen Anspruch auf staatliche Leistungen verschafft. Ein Recht auf Bildung, und damit auf freien Zugang zu den Universitäten, könne nicht auf dem Umweg der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Grundrecht der persönlichen Freiheit geschaffen werden. Die persönliche Freiheit bilde kein allgemeines Auffanggrundrecht; das Legalitätsprinzip und der daraus abgeleitete Grundsatz der Gesetzmässigkeit zusammen mit dem Willkürverbot und dem Gebot rechtsgleicher Behandlung böten hier hinreichenden Schutz (im gleichen Sinn auch die BGE 121 I 22 S. 25 unveröffentlichte Praxis: Urteile vom 13. September 1994 i.S. R.F.N., E. 3; vom 28. April 1994 i.S. C.E. u. Mitb., E. 3; vom 7. Oktober 1988 i.S. M.A., E. 2b; vom 26. Mai 1983 i.S. E., E. 3a, und vom 4. Dezember 1981 i.S. G., E. 2b). 3. Die Beschwerdeführerinnen machen in erster Linie geltend, der angefochtene Beschluss entbehre der gesetzlichen Grundlage und verstosse deshalb gegen den Grundsatz der Gewaltentrennung. a) Das Legalitätsprinzip ist an sich kein selbständiges verfassungsmässiges Recht (WALTER KÄLIN, Das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde, Bern 1994, S. 70; ULRICH HÄFELIN/GEORG MÜLLER, Grundriss des Allgemeinen Verwaltungsrechts, Zürich 1993, S. 69, Rz. 295; vgl. auch BGE 117 Ia 27 E. 7a S. 32). Das Bundesgericht prüft seine Einhaltung deshalb nur im Zusammenhang mit speziellen Grundrechten frei, ansonsten lediglich unter dem beschränkten Gesichtswinkel von Art. 4 BV , das heisst nach Massgabe der Rechtsgleichheit und des Willkürverbots ( BGE 117 Ia 27 E. 7a S. 32). Seit jeher hat das Bundesgericht aber das durch sämtliche Kantonsverfassungen gewährleistete Prinzip der Gewaltentrennung als Individualrecht der Bürger anerkannt ( BGE 118 Ia 305 E. 2a S. 309; für den Kanton Zürich: BGE 108 Ia 178 E. 2 S. 180). Sein Inhalt ergibt sich jeweils aus dem kantonalen Recht, wobei das Bundesgericht die Auslegung der einschlägigen Verfassungsbestimmungen frei, jene des Gesetzesrechts dagegen lediglich auf Willkür hin prüft (WALTER KÄLIN, a.a.O., S. 191); grundsätzlich mit freier Kognition beurteilt es die Frage der bundesverfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen (vgl. BGE 118 Ia 245 E. 3b S. 248). b) Der Regierungsrat anerkennt, dass die Einführung eines allgemeinen Numerus clausus nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts einer formellen Grundlage im kantonalen Recht bedürfe; er habe dem Kantonsrat am 2. Juni 1993 und 10. August 1994 denn auch in diesem Sinn Antrag gestellt. Beim angefochtenen Beschluss habe er sich nicht auf das Unterrichtsgesetz gestützt, sondern auf Art. 37 der Verfassung vom 18. April 1869 des eidgenössischen Standes Zürich (KV, SR 131.211), wonach er die oberste kantonale Vollzugs- und Verwaltungsbehörde sei. Er könne aus dieser Bestimmung zwar keine allgemeine Rechtsetzungskompetenz ableiten, doch ergebe sich für ihn daraus das Recht und die Pflicht zu handeln, wenn ein Eingreifen zwingend geboten erscheine. Nach dem Voranmeldungstermin für das Medizinstudium vom 1. Juni 1994 sei bekannt geworden, dass die Zahl der Studienbewerber in Medizin noch einmal erheblich zunehmen und die obersten BGE 121 I 22 S. 26 Kapazitätsgrenzen der Universität mit grösster Wahrscheinlichkeit überschreiten werde. Die im Hinblick auf die Einführung des Numerus clausus für die Gesetzesänderung notwendige Volksabstimmung habe frühestens anfangs 1995 erwartet werden können, das heisst zu einem Zeitpunkt, an dem das Wintersemester 1994/95 schon fast vorbei gewesen wäre. In dieser Situation sei er gezwungen gewesen, geeignete Massnahmen zu treffen, ansonsten an der Universität eine unhaltbare Situation entstanden wäre. c) Gesetzgebende Gewalt im Kanton Zürich ist gemäss Art. 28 KV das Volk unter Mitwirkung des Kantonsrats. Weder Erlasse, die vom Kantonsrat in eigener Kompetenz verabschiedet werden, noch Verordnungen der Exekutive oder der Justiz sind Gesetze im formellen Sinn (TOBIAS JAAG, Der Gesetzesbegriff im zürcherischen Recht, in: ANDREAS AUER/WALTER KÄLIN, Das Gesetz im Staatsrecht der Kantone, Chur/Zürich 1991, S. 364). Ein selbständiges verfassungsmässiges Verordnungsrecht steht dem Regierungsrat nur zum Erlass von Vollzugsverordnungen und Polizeinotrecht zu. Aus Art. 28 KV ergibt sich insbesondere, dass der Regierung kein allgemeines, unmittelbar auf die Verfassung gestütztes Recht zum Erlass gesetzesvertretender Verordnungen zukommt; ein solches lässt sich weder aus der allgemeinen Polizeibefugnis noch aus einer ausdrücklichen Bestimmung der Kantonsverfassung oder aus dem Gewohnheitsrecht ableiten (TOBIAS JAAG, a.a.O., S. 369 f.; Urteil des Zürcher Verwaltungsgerichts vom 12. September 1963, in: ZBl 65/1964 S. 232 ff.). Das Zürcher Verwaltungsgericht hat bereits 1963 ausdrücklich festgehalten, dass sich weder aus Art. 37 noch aus Art. 40 KV eine selbständige Rechtsetzungskompetenz des Regierungsrats ergebe, die eine von der Verfassung selbst vorgesehene Durchbrechung des Grundsatzes der Gewaltentrennung darstellen würde (ZBl 65/1964 S. 235). Der angefochtene Beschluss des Regierungsrats hält demnach vor dem Prinzip der Gewaltentrennung nur stand, wenn es sich dabei um eine Vollzugsbestimmung (vgl. E. 4a) oder eine Polizeinotregelung (vgl. E. 4b) handelt. 4. a) Die Einführung einer Zulassungsbeschränkung, auch wenn diese fachlich und zeitlich limitiert ist, geht über die Wahrnehmung einer blossen Vollzugskompetenz hinaus: Das Gesetz vom 23. Dezember 1859 über das gesamte Unterrichtswesen (LS 410.1) sieht einen Numerus clausus ebensowenig vor (vgl. §§ 140 ff.) wie die einschlägigen Bestimmungen des Reglements vom 17. Januar 1967 für die Studierenden und Auditoren der Universität Zürich (LS 415.31). Zwar handelt es sich bei der Universität um eine BGE 121 I 22 S. 27 öffentlichrechtliche Anstalt, in deren Rahmen der Benützer in ein besonderes Rechtsverhältnis zum Gemeinwesen tritt, doch gilt das Legalitätsprinzip für wichtige Fragen auch hier. Zur Anstaltsordnung, zu deren Normierung die Anstaltsleitung oder die Exekutive allenfalls auch ohne ausdrückliche formellgesetzliche Grundlage befugt ist, soweit sich dies zur Wahrung des Anstaltszwecks als nötig erweist, gehören etwa die Regelung der Disziplin und die Organisation der Kurse beziehungsweise der Examina. Eine Kompetenz der Exekutivorgane, nicht nur die Modalitäten, sondern auch die Zulassung als solche zu regeln, lässt sich aus dem Anstaltszweck dagegen regelmässig nicht ableiten. Die Einführung eines Numerus clausus stellt einen gewichtigen Einbruch in die bisherige Zulassungspraxis nicht nur an der Universität Zürich, sondern an den schweizerischen Universitäten schlechthin dar (vgl. Art. 1 Abs. 3 lit. a des Bundesgesetzes vom 22. März 1991 über die Hochschulförderung, HFG; SR 414.20) und greift derart in die Rechtsstellung der künftigen Anstaltsbenützer ein, dass der Entscheid, ob und in welcher Ausgestaltung zu dieser Massnahme gegriffen werden soll, nicht dem Regierungsrat überlassen bleiben kann. Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, zumindest die Grundzüge einer entsprechenden Regelung festzulegen (vgl. Urteil des Bundesgerichts vom 27. Februar 1987 i.S. P.H., E. 3c, in: ZBl 88/1987 S. 459 ff.). Das Zürcher Unterrichtsgesetz enthält aber weder eine Delegationsnorm an den Regierungsrat, die Zulassung zur Universität mit Blick auf quantitative Vorgaben zu regeln, noch die hierbei zu beachtenden Richtlinien. Diese ergeben sich auch nicht aus dem einschlägigen Bundesrecht: Die Verordnung des Bundesrats vom 19. November 1980 über die Prüfungen für Ärzte (SR 811.112.2) erstreckt und beschränkt sich wie die Allgemeine Medizinalprüfungsverordnung vom gleichen Datum (AMV; SR 811.112.1) auf das Prüfungswesen. Sie erfasst die Zulassung zu den kantonalen Hochschulen nicht; diese richtet sich ausschliesslich nach dem (kompetenzkonform erlassenen) kantonalen Recht und den allenfalls gestützt hierauf im Rahmen von Art. 13 HFG ergehenden Koordinationsmassnahmen der Schweizerischen Hochschulkonferenz (vgl. unveröffentlichtes Urteil des Bundesgerichts vom 7. Oktober 1988 i.S. M.A., E. 1a). b) aa) Dem Regierungsrat steht zwar ein selbständiges Notverordnungs- bzw. -verfügungsrecht zu. Die Kompetenz zum Erlass von Polizeinotrecht setzt jedoch eine schwere und unmittelbar drohende Gefahr für die öffentliche Ordnung voraus, der nicht mit anderen gesetzlichen Mitteln beizukommen ist; BGE 121 I 22 S. 28 erforderlich ist, dass ohne sofortiges Handeln der Behörden fundamentale Rechtsgüter in unmittelbarer, direkter und schwerwiegender Weise gefährdet würden (vgl. BGE 111 Ia 246 E. 3a S. 248). Der Anwendungsbereich der polizeilichen Generalklausel ist auf echte und unvorhersehbare Notfälle beschränkt; ihre Anrufung ist grundsätzlich ausgeschlossen, wenn typische und erkennbare Gefährdungslagen trotz Kenntnis der Problematik nicht normiert wurden (vgl. JÖRG PAUL MÜLLER, in: Kommentar BV, Einleitung zu den Grundrechten, Rz. 122). bb) Die dauernde Überbelegung einer Studienrichtung führt unbestrittenermassen zu Beeinträchtigungen des Unterrichts. Von einer eigentlichen Notsituation, die durch keine anderen legalen Mittel zu beseitigen wäre, kann vorliegend indessen nicht die Rede sein. Der Numerus clausus bildet nur eine Möglichkeit, eine Überbelegung von Ausbildungsgängen im Interesse des Anstaltszwecks zu verhindern. Hat es der (formelle) Gesetzgeber unterlassen, diese Möglichkeit in der einschlägigen Gesetzgebung vorzusehen, muss die Exekutive in erster Linie auf organisatorischem Weg, allenfalls auch mit einer vorübergehenden Erhöhung der sachlichen und personellen Mittel, Abhilfe schaffen. Das Bundesgericht verneint zwar ein unbedingtes subjektives Recht auf Zulassung zu staatlichen Bildungsanstalten, verlangt jedoch, dass über einen allfälligen Numerus clausus im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren entschieden wird. Bei dieser Sicht der Dinge darf verfassungsrechtlich nur mit äusserster Zurückhaltung hingenommen werden, dass ein Exekutivakt diesen Fragenbereich der demokratischen Diskussion entzieht; bis zum Vorliegen einer hinreichenden gesetzlichen Grundlage kann deshalb eine momentane Ausweitung des staatlichen Leistungsangebots geboten sein (vgl. JÖRG PAUL MÜLLER, Elemente einer schweizerischen Grundrechtstheorie, Bern 1982, S. 63). Es geht nicht an, im Hinblick auf die Beschränktheit staatlicher Ressourcen unter Umgehung der verfassungsrechtlichen Zuständigkeitsordnung zu Notkompetenzen zu greifen; Legislative und Exekutive haben ihre jeweiligen Verantwortungen wahrzunehmen und - im Rahmen ihrer Zuständigkeiten - nach verfassungsmässigen Lösungen zu suchen. Die Überlastung der medizinischen Studieneinrichtungen ist seit Jahren bekannt und hat immer wieder zu Diskussionen um Zugangsbeschränkungen geführt. Die Erziehungsdirektion weist in ihrer Vernehmlassung selber darauf hin, dass die Zahl von 335 neu in das Grundstudium eintretenden Studenten bereits 1974 "in hohem Masse alarmierend" gewesen sei, was die Schweizerische Hochschulkonferenz schon damals veranlasst habe, sich konkrete Gedanken zur Frage von BGE 121 I 22 S. 29 Zulassungsbeschränkungen zu machen. Zwar beruhigte sich die Entwicklung in der Folge etwas, doch lagen seit 1990 wieder deutliche Anzeichen für eine fortlaufende Zunahme der Studienwilligen in den in bezug auf die Ausbildungskapazitäten besonders heiklen medizinischen Bereichen vor. Verzichtete der Regierungsrat, dem nach Art. 40 Abs. 1 KV das "Vorschlagsrecht für Gesetze und Beschlüsse vor dem Kantonsrate" zusteht, darauf, für die Bewältigung des erkennbaren Problems rechtzeitig die nötigen gesetzlichen Grundlagen zu beantragen, oder wurden ihm diese verweigert, geht es nicht an, wenn er den Fragenbereich heute - wenn auch zeitlich beschränkt bis zum Inkrafttreten einer entsprechenden formellgesetzlichen Grundlage - polizeinotrechtlich zu regeln versucht; dies wäre höchstens in einer Extremsituation denkbar. Für das medizinische Grundstudium an der Universität Zürich waren für das Wintersemester 1994/95 478 Kandidatinnen und Kandidaten vorangemeldet; im Vorjahr hatten 429 Studienwillige dieses Studium aufgenommen. Trotz der vorauszusehenden Ausfälle hätten somit zwar wohl mehr Kandidatinnen und Kandidaten ihr Studium begonnen als im Vorjahr, doch hätte es sich dabei nicht um eine aussergewöhnliche Zuwachsrate gehandelt, welche die Funktionsfähigkeit der Anstalt geradezu in Frage gestellt hätte; der Regierungsrat ging in der Begründung des angefochtenen Beschlusses selber davon aus, dass aufgrund der von der Schweizerischen Hochschulkonferenz berechneten Zahlen die Universität Zürich "1994 nach Abzug der Umleitungen an andere Universitäten rund 425 Studienbewerber aufnehmen" müsste, wobei die oberste Kapazitätsgrenze um rund 25 überschritten würde. Im Anschluss an die bundesgerichtliche Präsidialverfügung vom 20. Oktober 1994 haben sich insgesamt 439 Personen für das erste Studienjahr immatrikuliert; in dieser Zahl sind allfällige nachträgliche Rückzüge (z.B. wegen frühzeitiger Aufgabe des Studiums) nicht berücksichtigt. Ein Vergleich dieser Zahl mit jener des Vorjahres zeigt, dass von einer Verunmöglichung einer sinnvollen Studienorganisation im ersten Studienjahr kaum mehr die Rede sein kann. c) Zusammenfassend ergibt sich somit, dass der Beschluss des Regierungsrats vom 10. August 1994 in den Punkten I., II. und III. wegen Verletzung des Gewaltenteilungsprinzips aufzuheben ist; eine Behandlung der weiteren Rügen erübrigt sich unter diesen Umständen. Punkt IV. des Beschlusses ist nicht angefochten, weshalb das Bundesgericht dazu keine weiteren Ausführungen zu machen hat.
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Sachverhalt ab Seite 161 BGE 133 V 161 S. 161 A. Der 1976 geborene H. bezog ab 18. April 2001 (Beginn der Leistungsrahmenfrist) Taggelder der Arbeitslosenversicherung. Am BGE 133 V 161 S. 162 18. Mai 2001 meldete die Firma X. der Winterthur Schweizerische Versicherungs-Gesellschaft (nachfolgend: Winterthur), welcher sie für die Durchführung der obligatorischen Unfallversicherung angeschlossen war, H. sei am Vortag bei der mit "Schnuppertage" bezeichneten Tätigkeit beim Abladen eines Lieferwagens auf einer Baustelle von der Ladefläche gefallen und habe sich am Rücken verletzt. Auf entsprechende Anfrage teilte die Firma mit Schreiben vom 5. Juni 2001 mit, der Verunfallte habe vom 14. bis 17. Mai 2001 im Betrieb geschnuppert. Für diese Tage habe er keinen Lohn erhalten. Die Winterthur kam für die Heilungskosten auf und richtete Taggelder aus. Nach Korrespondenz mit der zuständigen Arbeitslosenkasse überwies die Winterthur am 29. November 2001 die Unterlagen zur Weiterbehandlung an die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA). Gleichzeitig ersuchte sie um Rückerstattung der bisher erbrachten Leistungen (Heilbehandlung, Taggeld) von insgesamt Fr. 34'345.20. Zur Begründung führte sie aus, H. habe die Schnuppertage bei der Firma X. selbst organisiert. Er habe keinen entsprechenden Lohn erhalten und somit keinen Zwischenverdienst erzielt. Er sei zum Zeitpunkt des Unfalles jedoch noch arbeitslos gemeldet und somit bei der SUVA versichert gewesen. Mit Verfügung vom 18. April 2003 stellte die Winterthur die Taggeldleistungen zum 1. März 2003 ein und sprach H. eine Integritätsentschädigung von 20 % zu. Da die SUVA die Übernahme des Falles ablehnte, ersuchte die Winterthur am 6. Juni 2003 das Bundesamt für Sozialversicherungen, die Zuständigkeit abzuklären und allenfalls eine entsprechende Verfügung zu erlassen. Die Aufsichtsbehörde führte am 19. September 2003 ein Vermittlungsgespräch durch und gab den Parteien nochmals Gelegenheit zur Stellungnahme. Am 16. Juli 2004 erliess das mittlerweile zuständige Bundesamt für Gesundheit, Abteilung Kranken- und Unfallversicherung, folgende Verfügung: "1. Die SUVA ist für den Unfall für H. vom 17. Mai 2001 zuständig und wird verpflichtet, für die UVG-Leistungen aus dem Ereignis aufzukommen und der Winterthur die bereits geleisteten Aufwendungen zurückzuerstatten. 2. - 4. (...)." B. Die Verwaltungsbeschwerde der SUVA wies das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) mit Entscheid vom 9. November 2005 im Sinne der Erwägungen ab. BGE 133 V 161 S. 163 C. Die SUVA führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Rechtsbegehren, der Beschwerdeentscheid vom 9. November 2005 sei aufzuheben und es sei festzustellen, dass die Winterthur weiterhin und ausschliesslich Leistungen aus UVG für den Unfall vom 17. Mai 2001 zu gewähren hat. Das EDI und die Winterthur beantragen die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. In gleichem Sinne lässt sich H. vernehmen. Das Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine Stellungnahme. Die als Mitinteressierte zum Verfahren beigeladene Firma X. hat keine Vernehmlassung eingereicht. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Die sachliche Zuständigkeit des Bundesamtes für Gesundheit und des EDI sowie letztinstanzlich des Eidgenössischen Versicherungsgerichts zum Entscheid über den negativen Kompetenzkonflikt zwischen der Winterthur und der SUVA betreffend den Unfall des H. vom 17. Mai 2001 ist gegeben ( Art. 78a UVG und Art. 98 lit. b OG in Verbindung mit Art. 128 OG ; BGE 127 V 176 , insbesondere S. 182 E. 4d und RKUV 2003 Nr. U 472 [U 187/02] S. 42 E. 1.1, 1998 Nr. U 312 S. 470; vgl. zur Aufhebung von Art. 78 UVG auf 1. Januar 2003 BBl 1999 S. 4587 f. und 4700). 2. 2.1 Nach Art. 1 (seit 1. Januar 2003: 1a) Abs. 1 UVG sind obligatorisch nach diesem Gesetz versichert die in der Schweiz beschäftigten Arbeitnehmer, einschliesslich der Heimarbeiter, Lehrlinge, Praktikanten, Volontäre sowie der in Lehr- oder Invalidenwerkstätten tätigen Personen. Als Arbeitnehmer im Sinne dieser Bestimmung gilt laut Art. 1 UVV in der bis 31. Dezember 2002 gültig gewesenen, hier anwendbaren Fassung, wer eine unselbstständige Erwerbstätigkeit im Sinne der Bundesgesetzgebung über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) ausübt. Gemäss Art. 1a Abs. 1 UVV , BGE 133 V 161 S. 164 erlassen durch den Bundesrat gestützt auf Art. 1 Abs. 2 UVG , sind auch Personen, die zur Abklärung der Berufswahl bei einem Arbeitgeber tätig sind, obligatorisch versichert. 2.2 2.2.1 Nach Art. 2 der Verordnung vom 24. Januar 1996 über die Unfallversicherung von arbeitslosen Personen (UVAL; SR 837.171), erlassen durch den Bundesrat gestützt auf Art. 3 Abs. 5 UVG und Art 2a Abs. 4 AVIG , sind arbeitslose Personen, welche die Anspruchsvoraussetzungen nach Art. 8 AVIG erfüllen oder Entschädigungen nach Art. 29 AVIG beziehen, bei der SUVA obligatorisch gegen Unfälle versichert. Vorbehalten bleiben die Artikel 6-8 UVAL. Die Versicherung nach Art. 2 UVAL ist eine Nichtberufsunfallversicherung (vgl. Art. 22a Abs. 4 AVIG sowie Art. 6 Abs. 2 und Art. 10 Abs. 2 UVAL ; ferner BGE 127 V 462 unten sowie AB 1994 N 1587 f., BGE 127 V 1995 S 106). 2.2.2 Art. 6 Abs. 1 UVAL bestimmt Folgendes: Erzielt die versicherte Person einen Zwischenverdienst (nach Art. 24 AVIG ) aus unselbstständiger Erwerbstätigkeit, so erbringt bei Berufsunfällen der Versicherer des betreffenden Betriebs die Leistungen. Der Arbeitslose im Zwischenverdienst hat Anspruch auf Ersatz des Verdienstausfalls ( Art. 24 Abs. 1 Satz 2 AVIG ). Als Verdienstausfall gilt die Differenz zwischen dem in der Kontrollperiode erzielten Zwischenverdienst, mindestens aber dem berufs- und ortsüblichen Ansatz für die betreffende Arbeit, und dem versicherten Verdienst ( Art. 24 Abs. 3 Satz 1 AVIG ). Sinn und Zweck der Entschädigung des Verdienstausfalles ist es, Anreiz für die Annahme schlechter entlöhnter Arbeiten zu schaffen ( BGE 129 V 103 E. 3.3; BGE 125 V 490 E. 4c/cc). 3. In tatsächlicher Hinsicht steht fest, dass der viertägige Einsatz in der Firma X. vom 14. bis 17. Mai 2001 auf eigene Initiative des H. zustande gekommen war. Je nach Verlauf war offenbar eine Festanstellung beabsichtigt oder zumindest in Aussicht gestellt. Dabei ging es nicht nur darum, Einblick in den Betrieb und die betrieblichen Abläufe zu gewinnen. Vielmehr wollte der Arbeitgeber während der in der Unfallmeldung UVG vom 18. Mai 2001 als "Schnuppertage" bezeichneten Art der Tätigkeit Leistungsbereitschaft und Eignung des H. im Hinblick auf eine allfällige feste Anstellung testen. In diesem Sinne äusserte sich der Firmeninhaber beim Beratungsgespräch vom 20. Februar 2002 mit dem zuständigen Sachbearbeiter der Winterthur (Protokoll vom 25. Februar 2002). Zu diesem Zweck hatte H. regelmässig im Betrieb anfallende Arbeiten zu verrichten. So war er mit Abladen von 10-20 kg schweren Steinen von einem Lieferwagen auf einer Baustelle beschäftigt, als sich der Unfall (Sturz rücklings von der Ladefläche) ereignete. BGE 133 V 161 S. 165 Für die vom 14. bis 17. Mai 2001 geleistete Arbeit wurde vereinbarungsgemäss kein Lohn ausbezahlt. Hingegen wurden H. für die vier Tage vom 14. bis 17. Mai 2001 (volle) Taggelder ausgerichtet. Unbestrittenermassen erfüllte er die Anspruchsvoraussetzungen nach Art. 8 AVIG . Er war somit im Zeitpunkt des Unfalles nach Art. 2 UVAL obligatorisch versichert. 4. 4.1 Das Departement hat die vom Bundesamt verfügte Zuständigkeit der SUVA für den Unfall des H. vom 17. Mai 2001 bestätigt. Es hat erwogen, der rechtserhebliche Sachverhalt lasse sich nicht unter Art. 1a Abs. 1 UVG subsumieren. Der Begriff des Arbeitnehmers und der Arbeitnehmerin nach Art. 1 UVV und Art. 10 ATSG setze den Bezug von Lohn für geleistete Arbeit voraus. Für den probeweise geleisteten Einsatz des H. sei jedoch keine Entschädigung entrichtet worden. Eine allfällige zukünftige und somit hypothetische Anstellung könne nicht bereits als Entgelt gewertet werden. Sodann regle Art. 1a Abs. 1 UVV die arbeitsvertragsähnlichen Verhältnisse im Sinne von Art. 1a Abs. 2 UVG abschliessend. Die zu beurteilende Situation falle nicht darunter. Der fragliche Einsatz vom 14. bis 17. Mai 2001 könne auch nicht als Arbeitsantritt im Sinne von Art. 3 Abs. 1 UVG aufgefasst werden. Er sei zwar im Hinblick auf eine allfällige feste Anstellung erfolgt. Ob es effektiv zum Abschluss eines Arbeitsvertrages gekommen wäre und H. die Stelle tatsächlich auch angetreten hätte, sei indessen im Zeitpunkt des Unfalles offen gewesen. Aufgrund von Art. 2 UVAL habe jedoch Versicherungsschutz bestanden. H. habe die Voraussetzungen des Art. 8 AVIG erfüllt und während des viertägigen probeweisen Arbeitseinsatzes in der Firma X. entsprechende Taggelder bezogen. Zuständiger Unfallversicherer sei somit die SUVA. Die Bestimmungen über den Zwischenverdienst und die Teilarbeitslosigkeit ( Art. 6-8 UVAL ) seien vorliegend nicht massgebend. H. habe während des befristeten und probeweisen Arbeitseinsatzes in der Gärtnerei unbestrittenermassen keinen Lohn und auch sonst keine Entschädigung erhalten, noch sei er für einen anderen Arbeitgeber tätig gewesen. Die auch hier zum Zuge kommende Regelung, wonach bei Arbeitslosigkeit grundsätzlich die SUVA für den Versicherungsschutz zuständig sei, sei im Übrigen sinnvoll und zweckmässig. Sie garantiere eine eindeutige, klare und transparente Situation im Hinblick auf die Versicherungsverhältnisse und die Rechtssicherheit. Sie trage dem Grundsatz Rechnung, dass bestehende BGE 133 V 161 S. 166 Verhältnisse möglichst konstant und effizient sein sollen. Dem widerspräche ein Versicherungswechsel für die Dauer des viertägigen Arbeitseinsatzes. Somit seien die Voraussetzungen für die Versicherungsdeckung der SUVA nach Art. 2 UVAL gegeben. Die Winterthur und das verfügende Bundesamt bejahen aus den im Wesentlichen gleichen Gründen wie die Vorinstanz die Zuständigkeit der SUVA für den Unfall des H. vom 17. Mai 2001. 4.2 Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde führende SUVA bringt vor, die Voraussetzungen des Art. 2 UVAL seien zwar an sich erfüllt. Es entspreche indessen der rechtspolitischen Zielsetzung des Unfallversicherungsgesetzes, Personen, die um des Erwerbs willen in unselbstständiger Stellung Arbeit leisteten, einen umfassenden Versicherungsschutz bei Unfall zukommen zu lassen. Die Zugehörigkeit zur obligatorischen Unfallversicherung sei nicht von einer Lohnabrede abhängig. Wo die unselbstständige Tätigkeit ihrer Natur nach nicht auf die Erzielung eines Einkommens, sondern - wie bei Volontären oder Stagiaires - auf Ausbildung oder Berufswahl gerichtet sei, könne eine solche Vereinbarung kein ausschlaggebendes Kriterium für oder gegen den Unfallversicherungsschutz sein. Nach Intention des Gesetzgebers gelte grundsätzlich jede auf Erwerb gerichtete Aktivität, welche nicht eine selbstständige Erwerbstätigkeit darstelle oder als Freizeitbeschäftigung, blosse kurzfristige Handreichung und Tätigkeit aus Gefälligkeit zu betrachten sei, als unfallversichert. Es entbehre daher jeder sachlichen Begründung, einer Person, die ihren Arbeitswillen vorbildlich demonstriere und aus eigener Initiative eine Erwerbsmöglichkeit suche, wie H., in der - nicht entlöhnten - Probephase den obligatorischen Versicherungsschutz zu verweigern. Es sei daher in geltungszeitlicher Auslegung der Art. 1a Abs. 1 UVG und Art. 1a Abs. 1 UVV vorliegend von einem von der obligatorischen Unfallversicherung erfassten arbeitsvertragsähnlichen Arbeitsverhältnis auszugehen mit der Folge, dass die Winterthur für den Unfall vom 17. Mai 2001 zuständig sei. 5. 5.1 H. erfüllte im Zeitpunkt des Unfalles vom 17. Mai 2001 die Anspruchsvoraussetzungen nach Art. 8 AVIG . Er war somit nach Art. 2 UVAL obligatorisch versichert, und zwar bei der SUVA. Als Arbeitsloser konnte er nicht gleichzeitig zu dem im Unfallversicherungsgesetz und in der Unfallversicherungsverordnung BGE 133 V 161 S. 167 genannten Kreis obligatorisch Versicherter gehören. Die allfällige Zuständigkeit der Winterthur für den Unfall vom 17. Mai 2001 kann sich somit nur aus der Verordnung über die Unfallversicherung von arbeitslosen Personen selber, insbesondere aus Art. 6 Abs. 1 UVAL ergeben, nicht hingegen - zumindest nicht direkt - aus Art. 1a Abs. 1 UVG , Art. 1 UVV und Art. 1a Abs. 1 UVV (vgl. auch Art. 1 UVAL ). In diesem Zusammenhang hat die Vorinstanz übersehen, dass Art. 10 ATSG , welcher den Arbeitnehmerbegriff umschreibt, vorliegend ohnehin nicht anwendbar ist. Der Unfall vom 17. Mai 2001 ereignete sich vor Inkrafttreten des Allgemeinen Teils des Sozialversicherungsrechts am 1. Januar 2003 ( BGE 130 V 261 E. 3.9; BGE 127 V 467 E. 1). 5.2 5.2.1 In Bezug auf den viertägigen Einsatz vom 14. bis 17. Mai 2001 in der Firma X. sind mit Ausnahme des Erzielens eines (Zwischen-)Verdienstes alle Tatbestandselemente des Art. 6 Abs. 1 UVAL gegeben. H. verrichtete Arbeiten, welche sonst von unselbstständigen Angestellten der Firma hätten erbracht werden müssen. Ebenfalls bestand eine Erwerbsabsicht ( BGE 125 V 384 E. 2a mit Hinweisen). Es ging darum, Leistungsbereitschaft, Eignung und Arbeitsfähigkeit unter Tatbeweis zu stellen, dies im Hinblick auf eine feste Anstellung. Darin ist - gleich wie bei einem Selbstständigerwerbenden, der (zuerst) Aufträge akquirieren muss - das Erwerbsmotiv zu erblicken. 5.2.2 Das Tatbestandsmerkmal des Erzielens eines Zwischenverdienstes ist insofern von untergeordneter Bedeutung, als dieser noch so gering sein kann. Art. 6 Abs. 1 UVAL schreibt keinen Mindestbetrag des Zwischenverdienstes vor. Die Bestimmung ist auch bei noch so schlechter Entlöhnung anwendbar. Von daher fragt sich, ob es nicht - Erwerbsabsicht und unselbstständiger Charakter der Arbeit vorausgesetzt - genügt, wenn es sich um eine üblicherweise entlöhnte Tätigkeit handelt und aufgrund von Art. 320 Abs. 2 OR und nach Massgabe der Art. 322 ff. OR Anspruch auf Lohn besteht oder bestünde, was vorliegend unzweifelhaft zutrifft. Die Frage kann jedoch offen bleiben. Dass H. mit seinem Einverständnis für seine Arbeit in der Firma X. nicht entschädigt wurde, stellt einen Lohnverzicht dar. Arbeitslosenversicherungsrechtlich hat die fehlende Entlöhnung zur Folge, dass H. für die geleistete Arbeit ein Zwischenverdienst nach BGE 133 V 161 S. 168 berufs- und ortsüblichen Ansätzen anzurechnen ist (vgl. zu Sinn und Zweck dieser Regelung BGE 129 V 103 E. 3.3; BGE 120 V 245 E. 3c) und er Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung nicht in Höhe des vollen Taggeldes, sondern lediglich der mit dem Entschädigungssatz gekürzten Differenz zum versicherten Verdienst hat ( Art. 24 Abs. 1 und 3 AVIG sowie Art. 22 AVIG ). Er wird somit so gestellt, wie wenn er tatsächlich (berufs- und ortsüblich) entlöhnt worden wäre. Damit ist aber auch das Tatbestandselement des Erzielens eines Zwischenverdienstes nach Art. 6 Abs. 1 UVAL gleichsam kraft Gesetz gegeben und diese Bestimmung grundsätzlich anwendbar. 5.2.3 Für die Zuständigkeit der Winterthur als Versicherer des Betriebs der Firma X. spricht auch, dass sich beim Sturz rücklings von der Ladefläche des Lieferwagens während des Abladens von 10-20 kg schweren Steinen am 17. Mai 2001 das typische betriebsspezifische Unfallrisiko verwirklichte. Der Vorfall stellt einen Berufsunfall im Sinne von Art. 7 Abs. 1 lit. a UVG dar. Dafür ist die Berufsunfallversicherung zuständig. Die Versicherung nach Art. 2 UVAL ist hingegen eine Nichtberufsunfallversicherung (E. 2.2.1). Unter diesen Umständen wäre kaum verständlich und es käme einem Missbrauch zu Lasten des Arbeitslosen gleich, Prämien von der Arbeitslosenentschädigung abzuziehen ( Art. 22a Abs. 4 AVIG und Art. 10 Abs. 1 UVAL ) und keine Prämien bei der Firma zu erheben ( Art. 91 Abs. 1 UVG ). 5.3 Somit hat die Winterthur im Rahmen von Gesetz und Verordnung für die gesundheitlichen und erwerblichen Folgen des Unfalles des H. vom 17. Mai 2001 aufzukommen. Der die Zuständigkeit der SUVA bejahende Beschwerdeentscheid des Departementes verletzt somit Bundesrecht. Wie es sich verhielte, wenn H. nicht arbeitslos im Sinne von Art. 2 UVAL gewesen wäre, braucht hier nicht entschieden zu werden. 6. (Kosten)
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Erwägungen ab Seite 459 BGE 127 V 458 S. 459 Aus den Erwägungen: 2. Zunächst ist über den Hauptantrag der Beschwerdeführerin zu entscheiden, es sei ihr das höhere, auf der Grundlage des bei der letzten Arbeitgeberin erzielten Lohnes, und nicht das niedrigere, auf der Basis der Arbeitslosenversicherungsordnung berechnete Taggeld zu gewähren. a) aa) Gemäss Art. 3 Abs. 2 UVG endet die Versicherung mit dem 30. Tag nach dem Tage, an dem der Anspruch auf mindestens den halben Lohn aufhört. Der Bundesrat regelt die Vergütungen und Ersatzeinkünfte, die als Lohn gelten, die Form und den Inhalt von Abreden über die Verlängerung von Versicherungen sowie die Fortdauer der Versicherung bei Arbeitslosigkeit ( Art. 3 Abs. 5 UVG ). Als Lohn im Sinne von Art. 3 Abs. 2 UVG gelten gemäss Art. 7 Abs. 1 lit. b UVV auch Taggelder der obligatorischen Unfallversicherung. bb) Arbeitslose Personen, welche die Anspruchsvoraussetzungen nach Art. 8 AVIG erfüllen oder Entschädigungen nach Art. 29 AVIG beziehen, sind bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) obligatorisch gegen Unfälle versichert (Art. 2 der rückwirkend auf den 1. Januar 1996 in Kraft gesetzten Verordnung über die Unfallversicherung von arbeitslosen Personen vom 24. Januar 1996 [UVAL]; SR 837.171). Die Versicherung beginnt gemäss Art. 3 Abs. 1 UVAL mit dem Tag, an welchem Arbeitslose erstmals die Anspruchsvoraussetzungen nach Art. 8 AVIG erfüllen oder Entschädigungen nach Art. 29 AVIG beziehen. b) Die Versicherte arbeitete letztmals am 31. Mai 1996. Am 3. Juni 1996 meldete sie sich arbeitslos und bezog Arbeitslosenentschädigung. Der Unfall vom 17. Juni 1996 ereignete sich demnach während der bis zum 30. Juni 1996 laufenden Nachdeckungsfrist der obligatorischen Unfallversicherung, in einem Zeitpunkt, in dem die Beschwerdeführerin Taggelder der Arbeitslosenversicherung bezog. Damit war sie als arbeitslose Person ebenfalls obligatorisch bei der SUVA unfallversichert, womit ein doppelter Versicherungsschutz bestand. aa) Mit der Nachdeckungsfrist gemäss Art. 3 Abs. 2 UVG und der Regelung des Versicherungsbeginns von arbeitslosen Personen können solche Doppelversicherungen entstehen. Der Gesetzgeber BGE 127 V 458 S. 460 wollte - wie das Eidg. Versicherungsgericht in ARV 1998 Nr. 22 S. 105 anhand einer Analyse der Gesetzesmaterialien dargelegt hat - indessen nicht nur jenen den Versicherungsschutz zukommen lassen, die schon vor der Arbeitslosigkeit versichert waren, sondern alle arbeitslosen Personen obligatorisch versichern, ohne dass die Arbeitslosenkasse in jedem Fall abklären muss, ob vor Eintritt der Arbeitslosigkeit eine Versicherung nach UVG bestand (ARV 1998 Nr. 22 S. 112 Erw. 3c). Damit ist indessen noch nicht entschieden, welche der beiden Versicherungen im Falle einer Doppelversicherung Leistungen zu erbringen hat. Zu klären ist somit die sich vor Eidg. Versicherungsgericht erstmals stellende Frage des Verhältnisses zwischen der Nachdeckungsfrist gemäss Art. 3 Abs. 2 UVG und dem Versicherungsbeginn gemäss Art. 3 Abs. 1 UVAL . bb) Nach Auffassung der Beschwerdeführerin geht die Unfallversicherung des bisherigen Arbeitgebers vor. Eine Leistungspflicht des Unfallversicherers der Arbeitslosenversicherung entstehe erst nach Ablauf der 30-tägigen Nachdeckungsfrist. Diejenige Versicherung sei für Nichtberufsunfälle zuständig, bei welcher die verunfallte Person zuletzt auch gegen Berufsunfälle versichert war ( Art. 77 Abs. 2 UVG ), d.h. die über den Arbeitgeber zur Leistungserbringung verpflichtete Versicherung. Art. 3 Abs. 2 UVG wolle bewusst die nach einem Stellenverlust noch arbeitslosen Personen abdecken. Dieser Schutzzweck werde vereitelt, wenn in Fällen von Doppeldeckung der durch die Arbeitslosenversicherung bezeichnete Unfallversicherer, die SUVA, als zuständig bezeichnet werde, da sie Leistungen erbringe, welche auf einem tieferen versicherten Einkommen basieren würden. Denn erfahrungsgemäss melde sich die weit überwiegende Mehrheit der Arbeitslosen unmittelbar nachdem sie keinen Lohnanspruch mehr besitzt, arbeitslos. cc) Auch für die Vorinstanz ist von Art. 77 Abs. 2 UVG auszugehen; sie kommt indessen zu einem anderen Schluss. Danach ist für arbeitnehmende Versicherte, die nahtlos aus einem Arbeitsverhältnis in ein neues übertreten, für Nichtberufsunfälle die Versicherung des neuen Arbeitgebers zuständig. Dies müsse auch für Arbeitslose gelten, welche im Rahmen des Leistungsbezugs in Form von Arbeitslosenentschädigung obligatorisch bei der SUVA unfallversichert sind. dd) Nach Art. 77 Abs. 1 UVG erbringt bei Berufsunfällen der Versicherer die Leistungen, bei dem die Versicherung zur Zeit des Unfalls bestanden hat. Bei Nichtberufsunfällen ist jener Versicherer leistungspflichtig, bei dem der Verunfallte zuletzt auch gegen BGE 127 V 458 S. 461 Berufsunfälle versichert war ( Art. 77 Abs. 2 UVG ). Durch diese Vorschriften wird bestimmt, welcher Versicherer leistungspflichtig ist, wenn bei Eintritt des leistungsbegründenden Ereignisses und in der Folgezeit bei verschiedenen Versicherern eine Risikodeckung bestand ( BGE 116 V 53 Erw. 1a; MAURER, Schweizerisches Unfallversicherungsrecht, S. 68). Aus dieser Ordnung kann indessen für die Beantwortung der vorliegenden Rechtsfrage der Leistungspflicht bei der hier speziellen Doppelversicherung für Nichtberufsunfälle nichts hergeleitet werden. ee) Art. 3 Abs. 2 UVG bezweckt die Verhinderung von Versicherungslücken für Personen, die nach Beendigung eines Arbeitsverhältnisses nicht sofort eine neue Stelle antreten; ohne Nachdeckung verfügten sie über keinen Versicherungsschutz für Nichtberufsunfälle. Sobald indessen wiederum ein solcher Schutz vorhanden ist, ist die neue Versicherung zuständig, selbst wenn der Unfall in die Nachdeckungsfrist fällt, da diese damit nicht mehr notwendig ist. Das bedeutet für Bezüger von Arbeitslosenentschädigung, dass die Leistungspflicht des Unfallversicherers der Arbeitslosenversicherung nicht erst dann beginnt, wenn die 30-tägige Nachdeckungsfrist abgelaufen ist. Der Arbeitnehmer, der ohne Unterbruch aus einem alten in ein neues Arbeitsverhältnis übertritt, kann ebenfalls nicht geltend machen, es bestünde im Rahmen der Nachdeckung gemäss Art. 3 Abs. 2 UVG ein Versicherungsschutz beim ersten Arbeitgeber. Verunfallt er, hat der Versicherer des neuen Arbeitgebers zu leisten, auch wenn die Versicherungsleistungen allenfalls tiefer sind als bei der Versicherung des früheren Arbeitgebers. Der Zweck der "Auffangbestimmung" von Art. 3 Abs. 2 UVG (Verhinderung von Versicherungslücken) kommt auch darin zum Ausdruck, dass für die Nachdeckungsfrist keine Prämien geschuldet sind. Demgegenüber zieht die Arbeitslosenkasse die Prämie für die obligatorische Versicherung für Nichtberufsunfälle von der Arbeitslosenentschädigung ab und entrichtet sie der SUVA ( Art. 22a Abs. 4 Satz 1 AVIG ; vgl. dazu ARV 1998 Nr. 22 S. 105). Es ist daher sachgerecht, dass diejenige Versicherung die Leistungen erbringt, welche im Unfallzeitpunkt die Prämien erhält. Für diese Konstellation der Doppelversicherung (Nachdeckung gemäss Art. 3 Abs. 2 UVG für Nichtberufsunfälle und Versicherung auch für Nichtberufsunfälle gemäss Art. 3 Abs. 1 UVAL ) ist demnach die SUVA als Unfallversicherer der Arbeitslosenversicherung zuständig. Dass bei Arbeitslosen das durch den Unfallversicherer ausgerichtete Taggeld nicht höher als die ohne Unfall zustehende BGE 127 V 458 S. 462 Arbeitslosenentschädigung sein soll, entsprach auch der Regelung vor Inkrafttreten der UVAL. Art. 23 Abs. 2 UVV (gültig gewesen bis 31. Dezember 1995) bestimmte, dass bei versicherten Personen, die ganz arbeitslos sind, der vor der Arbeitslosigkeit erzielte Lohn massgebend ist. In Art. 25 Abs. 2 UVV (gültig gewesen bis 31. Dezember 1995) wurde zudem geregelt, dass das Taggeld der Unfallversicherung jenes der Arbeitslosenversicherung nicht übersteigen darf, sofern der Versicherte eine Arbeitslosenentschädigung bezog (vgl. BGE 120 V 493 Erw. 2 und BGE 113 V 130 Erw. 2b). 3. Weiter steht die Gesetzmässigkeit von Art. 5 Abs. 1 UVAL im Raum. a) Gemäss Art. 22a Abs. 4 AVIG zieht die Kasse von der Arbeitslosenentschädigung auch die Prämie für die obligatorische Versicherung der Nichtberufsunfälle ab und entrichtet sie der SUVA (Satz 1). Für Einstell- und Wartetage werden keine Prämien erhoben (Satz 2). Der Bundesrat regelt die Einzelheiten und das Verfahren (Satz 3). Die vom Bundesrat gestützt hierauf erlassene UVAL sieht in Art. 5 Abs. 1 in der (im vorliegenden Fall für die Zeit bis 31. Dezember 1996 anwendbaren) Fassung vom 24. Januar 1996 vor, dass das Taggeld der Unfallversicherung der Arbeitslosenentschädigung abzüglich der Beiträge an die Sozialversicherungen nach Art. 22a AVIG entspricht, umgerechnet auf den Kalendertag. Mit Wirkung auf den 1. Januar 1997 (hier für die Folgezeit anwendbare Fassung vom 6. November 1996) wurde diese Verordnungsbestimmung dahin gehend geändert, dass das Taggeld der Unfallversicherung der Nettoentschädigung der Arbeitslosenversicherung nach den Artikeln 22 und 22a AVIG, umgerechnet auf den Kalendertag, entspricht. b) (Überprüfung von Verordnungen des Bundesrates durch das Eidg. Versicherungsgericht; vgl. BGE 127 V 7 Erw. 5a, BGE 126 II 404 Erw. 4a, 573 Erw. 41, BGE 126 V 52 Erw. 3b, 365 Erw. 3, 473 Erw. 5b, je mit Hinweisen). c) Wie das Eidg. Versicherungsgericht in ARV 1998 Nr. 22 S. 111 Erw. 3b erkannt hat, wurde dem Bundesrat für die Regelung der UVAL, bei welcher es sich im Verhältnis zu Art. 22a Abs. 4 AVIG um eine gesetzesvollziehende und im Hinblick auf das UVG um eine gesetzesvertretende Verordnung handelt, ein weiter Gestaltungsspielraum eingeräumt. Zu prüfen ist demnach, ob die umstrittene Verordnungsvorschrift offensichtlich aus dem Rahmen der dem Bundesrat im Gesetz ( Art. 22a Abs. 4 Satz 3 AVIG ) delegierten BGE 127 V 458 S. 463 Kompetenzen herausfällt oder aus andern Gründen verfassungs- oder gesetzwidrig ist. Wie sich aus den in RKUV 1996 S. 45 ff. publizierten Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen der rückwirkend auf den 1. Januar 1996 in Kraft gesetzten Fassung der UVAL vom 24. Januar 1996 ergibt, ging der Verordnungsgeber für die Festlegung des Taggeldes der Unfallversicherung arbeitsloser Personen vom Grundsatz aus, dass dieses nicht höher sein soll, als die von der Arbeitslosenversicherung ausbezahlte Entschädigung. Aus diesem Grunde sah er eine Regelung vor, welche auf die Arbeitslosenentschädigung nach Abzug der Beiträge an die Sozialversicherungen abstellte (RKUV 1996 S. 46 zu Art. 5 UVAL , welche Ausführungen sich auf die ab 1. Januar 1997 in Kraft stehende Fassung übertragen lassen). Damit wurde erreicht, dass eine arbeitslose Person durch einen Unfall nicht besser gestellt wird, als wenn sie diesen nicht erlitten hätte, so dass sie nicht mehr ausbezahlt erhält, als der tatsächlich eingetretene, im Verlust der Arbeitslosentaggelder bestehende Schaden ausmacht. Dass der Bundesrat dieses Prinzip stärker gewichtet hat als den von der Beschwerdeführerin angerufenen Grundsatz der Konnexität zwischen dem Einkommen, auf welchem die Prämien erhoben werden (Bruttoentschädigung), und demjenigen, welches Grundlage für die Leistungsberechnung bildet (Nettoentschädigung), ist nicht zu beanstanden (vgl. für Abweichungen zwischen dem Beitragsobjekt und dem Grundlage für die Leistungsberechnung bildenden versicherten Verdienst: Art. 115 Abs. 1 lit. a-c UVV ; THOMAS LOCHER, Grundriss des Sozialversicherungsrechts, 2. Aufl., Bern 1997, S. 153 N 29). Die vorgesehene Lösung ist auch sonst weder zweck- oder sinnlos, noch trifft sie Unterscheidungen, für die sich ein vernünftiger Grund nicht finden lässt. Wie die Vorinstanz zutreffend erwog, scheint eine Differenzierung des Leistungsbezugs durch Arbeitslose danach, ob es um Taggelder der Arbeitslosenversicherung oder solche der Unfallversicherung geht, gerechtfertigt, dies namentlich mit Blick darauf, dass es sehr wohl einen Unterschied macht, ob eine arbeitslose Person Taggelder der Arbeitslosenversicherung bezieht und der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht oder ob sie Anspruch auf solche der Unfallversicherung hat. Nichts zu ihren Gunsten abzuleiten vermag die Beschwerdeführerin sodann aus der Regelung der Militärversicherung ( Art. 28 Abs. 6 MVG ), wonach das Taggeld bei Arbeitsunfähigkeit infolge einer Gesundheitsschädigung bei Arbeitslosigkeit der Entschädigung BGE 127 V 458 S. 464 der Arbeitslosenversicherung entspricht, d.h. in der Regel 80% des versicherten Verdienstes nach Art. 22 AVIG beträgt (JÜRG MAESCHI, Kommentar zum Bundesgesetz über die Militärversicherung [MVG] vom 19. Juni 1992, Bern 2000, S. 251 N 37 zu Art. 28). Denn der Verordnungsgeber war nicht verpflichtet, in der Unfallversicherung eine für den Versicherten ebenso günstige Regelung vorzusehen, sondern es lag in seinem Ermessen, das Nettotaggeld für massgebend zu erklären. Mit Blick auf den dem Bundesrat durch die gesetzliche Delegation zugestandenen Gestaltungsspielraum geht schliesslich auch der Einwand ins Leere, wonach sich weder im Gesetz noch in den Materialien der parlamentarischen Beratungen Hinweise dafür fänden, dass so zu entscheiden wäre, wie es der Verordnungsgeber in Art. 5 Abs. 1 UVAL getan habe. Denn zu prüfen ist angesichts des dem Bundesrat durch die gesetzliche Delegation eingeräumten weiten Spielraumes des Ermessens einzig, ob die umstrittene Vorschrift des Art. 5 Abs. 1 UVAL nicht offensichtlich aus dem Rahmen der dem Bundesrat im Gesetz delegierten Kompetenz herausfällt noch aus anderen Gründen gesetz- oder verfassungswidrig ist, welche Frage die Vorinstanz nach dem Gesagten zu Recht verneint hat.
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Sachverhalt ab Seite 17 BGE 142 III 16 S. 17 A. Die A. AG (Gesuchsgegnerin und Beschwerdeführerin) ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in U. Ihr Aktienkapital beträgt Fr. 100'000.-. (...) B. (Gesuchsteller und Beschwerdegegner) hält 50 % der Aktien der A. AG. Mit Schreiben vom 1. Oktober 2014 und 28. Oktober 2014 sowie - unter Angabe von Traktanden und Beschlussanträgen - mit Schreiben vom 25. November 2014 ersuchte er den Verwaltungsrat der A. AG um Einberufung einer ordentlichen Generalversammlung für das Geschäftsjahr 2013. Diesem Ersuchen wurde nicht entsprochen. B. Mit Gesuch vom 5. März 2015 stellte B. dem Handelsgericht des Kantons Zürich folgende Rechtsbegehren: "1. Die Klage [recte: Gesuch] sei gutzuheissen und für die Beklagte [recte: Gesuchsgegnerin] eine Generalversammlung einzuberufen mit folgenden Traktanden und Beschlussanträgen: [Liste der Traktanden und Beschlussanträge, betreffend u.a. die Genehmigung der Jahresrechnung 2013 und des Revisionsberichts sowie die Verwendung des Bilanzgewinns] 2. Der Notar des Notariatskreises Riesbach-Zürich, Kreuzstrasse 42, Postfach 821, 8034 Zürich sei zu beauftragen innert 5 Tagen ab Urteilsdatum die Generalversammlung der Beklagen inkl. der in Ziff. 1 aufgeführten Traktanden, per eingeschriebenen Brief an die im Aktienbuch verzeichneten Aktionäre C. in U. und B., in V., einzuberufen, unter Angabe von Ort und Zeit. Als Datum für die Generalversammlung sei ein Termin anzusetzen, der frühestens 25 Tage nach dem Versand der Einladung und spätestens 30 Tage nach dem Versand der Einladung stattfindet. Als Ort für die Generalversammlung sei das Amtslokal des Notariats Riesbach-Zürich, Kreuzstrasse 42, 8008 Zürich zu bezeichnen. Der Notar des Notariatskreises Riesbach-Zürich sei mit der Durchführung und Protokollierung der Generalversammlung zu beauftragen. 3. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der Beklagten." Die A. AG schloss auf Abweisung des Gesuchs, soweit Eintreten. (...) Mit Urteil vom 27. Mai 2015 hiess das Handelsgericht das Einberufungsgesuch mit den beantragten Traktanden und Beschlussanträgen BGE 142 III 16 S. 18 gut, wobei es den Notar beauftragte, frühestens nach Ablauf von 10 und spätestens innert 13 Tagen ab Urteilsdatum die Generalversammlung der Gesuchsgegnerin einzuberufen. C. Mit Beschwerde in Zivilsachen beantragt die Gesuchsgegnerin dem Bundesgericht, das Urteil des Handelsgerichts sei aufzuheben und das Einberufungsbegehren des Gesuchstellers sei abzuweisen; eventualiter sei die Sache an die Vorinstanz zu neuer Beurteilung zurückzuweisen. In prozessualer Hinsicht beantragte die Gesuchsgegnerin unter anderem, es sei die aufschiebende Wirkung der Beschwerde zu bestätigen.
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Sachverhalt ab Seite 138 BGE 133 V 137 S. 138 A. A.a Die 1958 geborene schweizerisch-liechtensteinische Doppelbürgerin G. war in den Jahren 2001 und 2002 jeweils befristet mit einem Teilpensum in der Gemeinde A. (FL) als Aushilfe angestellt. Vom 2. April 2002 bis September 2002 bezog sie im Fürstentum Liechtenstein Arbeitslosenentschädigung. Alsdann war sie vom 1. Oktober 2002 bis zur sofortigen Freistellung Ende April 2003 als Grenzgängerin in der X. AG in C. (CH) tätig. Daraufhin meldete sie sich beim Amt für Volkswirtschaft des Fürstentums Liechtenstein zum Leistungsbezug an, welches ihr vom 2. Juni 2003 bis zur Ausschöpfung des Anspruchs am 16. Januar 2004 Arbeitslosentaggelder ausrichtete. A.b Am 10. Februar 2004 meldete sich G. beim Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) Z. (CH) zur Arbeitsvermittlung an und beantragte Arbeitslosenentschädigung. Sie gab an, seit 1. Februar 2004 an einzelnen Tagen in der V. AG mit Kundendienstsitz in M. (CH) als kaufmännische Angestellte zu arbeiten, suche jedoch eine Vollzeitstelle. Ab 1. März 2004 bezog sie vom Amt für Soziale Dienste des Fürstentums Liechtenstein wirtschaftliche Sozialhilfe. Sodann meldete sie sich am 2. April 2004 rückwirkend ab 1. Februar 2004 in der Gemeinde C. (CH) an, ohne sich jedoch im Fürstentum Liechtenstein abzumelden. Mit Verfügung vom 9. Dezember 2004 verneinte die Kantonale Arbeitslosenkasse St. Gallen den Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung ab 10. Februar 2004 mit der Begründung, die Versicherte habe ihren Lebensmittelpunkt im Fürstentum Liechtenstein, weshalb die Voraussetzungen für einen Leistungsanspruch in der Schweiz nicht erfüllt seien. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 14. Januar 2005 fest. BGE 133 V 137 S. 139 B. Die hiegegen erhobene Beschwerde hiess das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 17. Juni 2005 gut, hob den Einspracheentscheid auf und wies die Sache zur weiteren Abklärung der Anspruchsvoraussetzungen an die Kantonale Arbeitslosenkasse zurück. C. Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt die Arbeitslosenkasse Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids mit der Feststellung, dass ab 10. Februar 2004 kein Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung gegeben sei. G. lässt auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen. Das vom Eidgenössischen Versicherungsgericht zur Vernehmlassung aufgeforderte Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) äussert sich in zustimmendem Sinne zum Rechtsmittel. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. 1.1 Im vorinstanzlichen Entscheid wird richtig festgehalten, dass am 1. Juni 2002 das Abkommen vom 21. Juni 2001 zur Änderung des Übereinkommens vom 4. Januar 1960 zur Errichtung der Europäischen Freihandelsassoziation (SR 0.632.31; im Folgenden: EFTA-Übereinkommen) in Kraft getreten ist. Nach dessen Art. 21 regeln die Mitgliedstaaten die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit gemäss Anlage 2 zu Anhang K und durch das Protokoll zu Anhang K über die Freizügigkeit zwischen Liechtenstein und der Schweiz. Anlage 2 zu Anhang K trägt den Titel "Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit". Dort werden die Verordnungen (EWG) Nr. 1408/71 und (EWG) Nr. 574/72 als anwendbar erklärt (Art. 1 Abs. 1 Anlage 2 zu Anhang K des EFTA-Übereinkommens). Der am 1. Juni 2002 in Kraft getretene Art. 121 AVIG verweist in lit. b auf das EFTA-Übereinkommen und die erwähnten Koordinierungsverordnungen. 1.2 Die Kollisionsnormen der Verordnung Nr. 1408/71 bestimmen, welche nationale Rechtsordnung anzuwenden ist. Unter Vorbehalt der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben ist es Sache des innerstaatlichen Rechts, festzulegen, unter welchen Voraussetzungen Leistungen gewährt werden (vgl. BGE 131 V 214 E. 5.3; SVR 2006 AlV Nr. 24 S. 82, C 290/03). 1.3 Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen der Verordnung Nr. 1408/71 über die bei Arbeitslosigkeit grundsätzlich zuständige BGE 133 V 137 S. 140 Rechtsordnung des letzten Beschäftigungsstaates (Art. 13 Abs. 2 lit. a) und die Sonderregeln für Arbeitslose mit Wohnsitz ausserhalb des Beschäftigungsstaates (Art. 71), insbesondere für Grenzgänger (vgl. Art. 1 lit. b; Art. 71 Abs. 1 lit. a) bei Kurzarbeit oder sonstigem vorübergehendem Arbeitsausfall in dem Unternehmen, das sie beschäftigt (Art. 71 Abs. 1 lit. a Ziff. i), und bei Vollarbeitslosigkeit (Art. 71 Abs. 1 lit. a Ziff. ii) richtig dargelegt. Darauf wird verwiesen. Zutreffend ist auch, dass die darin enthaltenen Kriterien gemeinschaftsrechtlich auszulegen sind (EBERHARD Eichenhofer, in: Maximilian Fuchs [Hrsg.], Kommentar zum Europäischen Sozialrecht, 4. Aufl., Baden-Baden 2005, N. 4 zu Art. 71 der Verordnung Nr. 1408/71; Urteil des EuGH vom 15. März 2001 in der Rechtssache C-444/98, de Laat , Slg. 2001, I-2229). 1.4 Im Rahmen des die Zuständigkeit für den Fall regelnden Art. 71 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71, dass während der letzten Erwerbstätigkeit Beschäftigungs- und Wohnortstaat verschieden sind, ist zwischen so genannten echten und unechten Grenzgängern zu unterscheiden. Nach Art. 1 lit. b der Verordnung Nr. 1408/71 sind (echte) Grenzgänger Personen, die ihre Berufstätigkeit im Gebiet eines Mitglied- oder Abkommensstaates ausüben und im Gebiet eines andern Mitglied- oder Abkommensstaates wohnen, in das sie in der Regel täglich, mindestens aber einmal wöchentlich zurückkehren. Sie fallen unter Art. 71 Abs. 1 lit. a der Verordnung Nr. 1408/71. Die in Art. 71 Abs. 1 lit. b der Verordnung Nr. 1408/71 normierten "nicht Grenzgänger" ("unechte Grenzgänger") sind demgegenüber Personen, deren Wohn- und Beschäftigungsort zwar ebenfalls in zwei verschiedenen Staaten liegen, die aber nicht mindestens einmal wöchentlich an ihren Wohnort zurückkehren. Dazu zählen beispielsweise Saisonarbeitnehmende, Arbeitnehmende im internationalen Verkehrswesen, Arbeitnehmende, die ihre Tätigkeit gewöhnlich im Gebiet mehrerer Mitgliedstaaten ausüben und Arbeitnehmende, die in einem Grenzbetrieb beschäftigt sind (vgl. Beschluss Nr. 160 vom 28. November 1995 der Verwaltungskommission der Europäischen Gemeinschaften für die Soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer zur Auslegung des Art. 71 Abs. 1 lit. b Ziff. ii der Verordnung Nr. 1408/71, im Amtsblatt Nr. L 49 vom 28. Februar 1996, S. 31-33; vgl. auch Kreisschreiben des seco über die Auswirkungen des Abkommens über den freien Personenverkehr sowie des geänderten EFTA-Abkommens auf die Arbeitslosenversicherung [KS-ALE-FPV], B 46; PATRICIA USINGER-EGGER, Die soziale BGE 133 V 137 S. 141 Sicherheit der Arbeitslosen in der Verordnung [EWG] Nr. 1408/71 und in den bilateralen Abkommen zwischen der Schweiz und ihren Nachbarstaaten, Diss. Freiburg [Schweiz] 2000, S. 85 ff.; EDGAR IMHOF, Eine Anleitung zum Gebrauch des Personenfreizügigkeitsabkommens und der VO 1408/71, in: Hans-Jakob Mosimann [Hrsg.], Aktuelles im Sozialversicherungsrecht, Zürich 2001, S. 57; vgl. zudem BGE 131 V 228 E. 6.2). 2. 2.1 Die Voraussetzungen des Anspruchs auf Arbeitslosenentschädigung sind in Art. 8 AVIG aufgezählt. Danach muss die versicherte Person unter anderem in der Schweiz wohnen ( Art. 8 Abs. 1 lit. c AVIG ) und die Beitragszeit erfüllen ( Art. 8 Abs. 1 lit. e AVIG ). Nach Art. 13 Abs. 1 AVIG erfüllt die Beitragszeit, wer innerhalb der dafür vorgesehenen Rahmenfrist ( Art. 9 Abs. 3 AVIG ) während mindestens zwölf Monaten eine beitragspflichtige Beschäftigung ausgeübt hat. Diese Bestimmung bezieht sich auf die Beitragspflicht und setzt daher eine beitragspflichtige Beschäftigung in der Schweiz voraus ( BGE 128 V 186 E. 3b). 2.2 Im Zeitpunkt, als sich die Beschwerdegegnerin am 10. Februar 2004 bei der Arbeitslosenversicherung meldete, konnte sie für die zwei Jahre davor beginnende Rahmenfrist (vgl. Art. 9 Abs. 3 AVIG ) keine mindestens zwölfmonatige beitragspflichtige Beschäftigung in der Schweiz ausweisen. Die Anstellung in der X. AG in C. (CH) dauerte vom 1. Oktober 2002 bis zur Freistellung Ende April 2003, allenfalls bis Ende Mai 2003. Anschliessend nahm sie erst am 1. Februar 2004 wieder eine Erwerbstätigkeit in der Schweiz auf. Weitere Beschäftigungszeiten in der Schweiz sind - entgegen dem, was die Vorinstanz anzunehmen scheint - aufgrund der Akten nicht ausgewiesen. 3. 3.1 Das kantonale Gericht hat erwogen, Art. 8 Abs. 1 lit. c AVIG sei staatsvertragskonform auszulegen. Dabei genüge es, dass sich die versicherte Person regelmässig in der Schweiz aufhalte, sich den hiesigen Kontrollvorschriften unterziehe und sich dem schweizerischen Arbeitsmarkt zur Verfügung stelle. Die strittige Frage, ob die Beschwerdegegnerin ihren Lebensmittelpunkt im Februar 2004 effektiv vom Fürstentum Liechtenstein in die Schweiz verlegt hat, kann nach Auffassung der Vorinstanz offen bleiben. Als vollarbeitslose Grenzgängerin im Sinne von Art. 71 Abs. 1 lit. a Ziff. ii der Verordnung Nr. 1408/71 habe sie ein Wahlrecht BGE 133 V 137 S. 142 zwischen Leistungen des Wohnstaates und solchen des Beschäftigungsstaates. Indem sie sich am 10. Februar 2004 beim RAV Z. zur Arbeitsvermittlung angemeldet habe, habe sie sich im Sinne von Fussnote 1 zu Ziffer 1 in Abschnitt A zu Art. 3 zu Anlage 2 zu Anhang K des EFTA-Übereinkommens dem schweizerischen Arbeitsmarkt zur Verfügung gestellt. Zudem habe sie in der Schweiz eine Teilzeitstelle gefunden. Sodann bestünden gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass sie als gebürtige Schweizerin in diesem Land persönliche und berufliche Bindungen aufrechterhalte und hier somit über die besten Voraussetzungen für eine berufliche Wiedereingliederung verfüge. Da das Gemeinschaftsrecht eine Diskriminierung von Wanderarbeitnehmenden verhindern und das Recht auf Freizügigkeit im europäischen Raum fördern wolle, erscheine es nicht stossend, wenn die Beschwerdegegnerin unabhängig vom Wohnsitz in der Schweiz Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung geltend machen könne. Die Vorinstanz wies die Sache daher zur Prüfung der weiteren Anspruchsvoraussetzungen an die Verwaltung zurück. 3.2 Die Beschwerde führende Arbeitslosenkasse stellt sich demgegenüber auf den Standpunkt, der Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung sei zu verneinen, weil die Beschwerdegegnerin ihren Wohnsitz nicht in der Schweiz, sondern im Fürstentum Liechtenstein habe und damit die Anspruchsvoraussetzung von Art. 8 Abs. 1 lit. c AVIG nicht erfülle. Das seco bezweifelt ebenfalls, dass die Beschwerdegegnerin in der Schweiz wohnt. Sie habe hier erst einen zusätzlichen Wohnort geltend gemacht, nachdem die Ansprüche auf Arbeitslosenentschädigung im Fürstentum Liechtenstein erschöpft gewesen seien. Unter diesen Umständen könne sie nicht als unechte Grenzgängerin betrachtet werden. Echte Grenzgänger im Sinne von Art. 71 Abs. 1 lit. a Ziff. ii der Verordnung Nr. 1408/71 hätten kein Wahlrecht und müssten ihren Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung im Wohnstaat geltend machen. 4. (...) 4.5 Bei dieser Sachlage ist davon auszugehen, dass die Beschwerdegegnerin auch ab dem 10. Februar 2004 ihren tatsächlichen Aufenthalt weiterhin in Y. (FL) verzeichnete, wo auch ihre Tochter wohnte und wo sie gemäss eigenen Angaben einen Schwerpunkt ihrer Lebensbeziehungen aufrechterhielt. Daran vermag die Tatsache nichts zu ändern, dass sie in der Schweiz Freunde und Bekannte hat, einen grossen Teil ihrer Freizeit hier verbringt und den BGE 133 V 137 S. 143 arbeitslosenversicherungsrechtlichen Kontrollvorschriften nachgekommen ist. Obwohl ein Aufenthalt während einer gewissen Dauer genügt, kann nicht gesagt werden, sie habe den gewöhnlichen Aufenthalt ab 10. Februar 2004 in die Schweiz verlegt, zumal sie zuvor während über 10 Jahren in Y. wohnte. 5. Zu prüfen bleibt, ob die Beschwerdegegnerin aus dem am 1. Juni 2002 in Kraft getretenen EFTA-Übereinkommen und den gestützt darauf anwendbaren gemeinschaftsrechtlichen Regeln, insbesondere der Verordnung Nr. 1408/71, einen Leistungsanspruch abzuleiten vermag. In zeitlicher Hinsicht ist dieses Abkommen anwendbar, da ein Leistungsanspruch für die Zeit nach dessen Inkrafttreten geltend gemacht wird und der Einspracheentscheid nach diesem Datum ergangen ist. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass allenfalls Versicherungs-, Beschäftigungs- oder Wohnzeiten zu berücksichtigen sind, die in einem anderen Abkommensstaat vor dem 1. Juni 2002 zurückgelegt worden sind (Art. 94 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1408/71; BGE 131 V 225 E. 2.3). Auch in persönlicher Hinsicht ist die Verordnung Nr. 1408/71 anwendbar, da die Beschwerdegegnerin als Staatsangehörige eines Mitgliedstaates zu betrachten ist, für welche die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten im Sinne von Art. 2 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 gelten oder galten. Ebenfalls gegeben ist die sachliche Anwendbarkeit, da sich der Geltungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71 unter anderem auf Leistungen bei Arbeitslosigkeit bezieht (Art. 4 Abs. 1 lit. g der Verordnung Nr. 1408/71). 6. 6.1 Titel II der Verordnung Nr. 1408/71 (Art. 13 bis 17a) enthält allgemeine Kollisionsregeln zur Bestimmung der anzuwendenden Rechtsvorschriften. Dabei legt Art. 13 Abs. 1 den kollisionsrechtlichen Grundsatz der Einheitlichkeit der anwendbaren Rechtsvorschriften nach den Regeln gemäss Art. 13 Abs. 2 bis Art. 17a in dem Sinne fest, dass für jede betroffene Person die Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaates massgebend sind. Ausnahmen vorbehalten, gilt für Arbeitnehmende das Beschäftigungslandprinzip. Dies trifft auch dann zu, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates wohnen oder ihr Arbeitgeber oder das Unternehmen, das sie beschäftigt, den Wohn- oder Betriebssitz im Gebiet eines andern Mitgliedstaates hat (Grundsatz der lex loci laboris; Art. 13 Abs. 2 lit. a der Verordnung Nr. 1408/71; BGE 132 V 57 E. 4.1). BGE 133 V 137 S. 144 6.2 Titel III der Verordnung Nr. 1408/71 enthält besondere Vorschriften für die einzelnen Leistungsarten. Leistungen bei Arbeitslosigkeit erbringt nach Art. 67 Abs. 3 grundsätzlich der Staat, nach dessen Rechtsvorschriften die betroffene Person unmittelbar zuvor Versicherungs- oder Beschäftigungszeiten zurückgelegt hat, somit der letzte Beschäftigungsstaat (Art. 68 Abs. 1). Art. 71 regelt die Zuständigkeit für Arbeitslose, die während der letzten Beschäftigung in einem anderen Mitgliedstaat als dem zuständigen Staat wohnten. 6.3 Für die Beantwortung der Frage, ob die Beschwerdegegnerin gestützt auf die Verordnung Nr. 1408/71 Anspruch auf Leistungen der schweizerischen Arbeitslosenversicherung hat, ist zunächst festzustellen, welche Rechtsvorschriften nach den allgemeinen Anknüpfungsregeln von Titel II der Verordnung anzuwenden sind, und anschliessend zu prüfen, ob die besonderen Anknüpfungsregeln dieser Verordnung als Sondervorschriften die Anwendung anderer Rechtsvorschriften vorsehen ( BGE 132 V 58 E. 5). 6.4 Nach der allgemeinen Grundregel von Art. 13 Abs. 2 lit. a der Verordnung Nr. 1408/71 wäre an und für sich das Recht des Beschäftigungsstaates massgebend. Diese Regel gilt jedoch nur soweit, als nicht die besonderen Vorschriften für die einzelnen Leistungsarten, die den Titel III bilden, etwas anderes bestimmen. Diese greifen, wenn Beschäftigungs- und Wohnstaat - wie dies bei der Beschwerdegegnerin der Fall ist - nicht identisch sind. 7. 7.1 Art. 71 Abs. 1 lit. a Ziff. ii und lit. b Ziff. ii der Verordnung Nr. 1408/71 bestimmen, dass bei Vollarbeitslosigkeit echte Grenzgänger ausschliesslich und unechte Grenzgänger für den Fall, dass sie sich den Arbeitsbemühungen ihres Wohnstaates zur Verfügung stellen, Leistungen aufgrund von Versicherungs- oder Beschäftigungszeiten im Beschäftigungsstaat nach dem Recht des Wohnstaates erhalten ( BGE 132 V 61 E. 6.4). Diese Regelung beruht auf der Annahme, dass die Vermittlungschancen für die arbeitslose Person an ihrem Wohnort am grössten sind (EICHENHOFER, a.a.O., N. 2 f. zu Art. 71 der Verordnung Nr. 1408/71). Der unechte Grenzgänger hat die Wahl zwischen Leistungen des Beschäftigungs- oder des Wohnstaates. Dieses Wahlrecht übt er dadurch aus, dass er sich entweder der Arbeitsverwaltung des Staates der letzten Beschäftigung (Art. 71 Abs. 1 lit. b Ziff. i) oder der Arbeitsverwaltung des Wohnortstaates (Art. 71 Abs. 1 lit. b Ziff. ii) zu BGE 133 V 137 S. 145 rVerfügung stellt ( BGE 132 V 61 E. 6.4 mit Hinweis auf die Rechtsprechung des EuGH; BGE 131 V 228 E. 6.2). Der EuGH hat die strikte Verweisung des vollarbeitslosen echten Grenzgängers auf den Arbeitsmarkt des Wohnstaates in Art. 71 Abs. 1 lit. a Ziff. ii der Verordnung Nr. 1408/71 für den Fall aufgehoben, dass dieser zum Beschäftigungsstaat persönliche und berufliche Bindungen solcher Art aufrechterhält, das BGE 133 V 137 S. 146 s er dort die besten Aussichten auf Wiedereingliederung hat (Urteil des EuGH vom 12. Juni 1986 in der Rechtssache 1/85, Miethe , Slg. I-1986 S. 1837). Dabei handelt es sich jedoch insofern nicht um ein echtes Wahlrecht, als es Sache des Beschäftigungsstaats ist zu entscheiden, ob eine besonders enge Bindung besteht (vgl. USINGER-EGGER, a.a.O., S. 85; dieselbe , Ausgewählte Rechtsfragen des Arbeitslosenversicherungsrechts im Verhältnis Schweiz-EU, in: Thomas Gächter [Hrsg.], Das Europäische Koordinationsrecht der sozialen Sicherheit und die Schweiz, Zürich 2006, S. 37 Fn. 23; vgl. zudem BGE 132 V 53 ). Leistungen bei Teilarbeitslosigkeit sind ausschliesslich nach dem Recht des Beschäftigungsstaates zu erbringen (Art. 67 Abs. 3, Art. 71 Abs. 1 lit. a Ziff. i und lit. b Ziff. i der Verordnung Nr. 1408/71; vgl. EICHENHOFER, a.a.O., N. 3 zu Art. 71 der Verordnung Nr. 1408/71). 7.2 Die Vorinstanz ist davon ausgegangen, dass die Beschwerdegegnerin als vollarbeitslose echte Grenzgängerin im Sinne von Art. 71 Abs. 1 lit. a Ziff. ii der Verordnung Nr. 1408/71 zu qualifizieren sei. Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung wäre somit der Wohnortstaat zur Leistungsausrichtung zuständig. Gemäss Art. 1 lit. h der Verordnung Nr. 1408/71 wird "Wohnort" als der Ort des gewöhnlichen Aufenthalts definiert. Massgebend für das Vorliegen des Wohnortes sind die Dauer und Kontinuität des Wohnens bis zur Aufnahme der Beschäftigung, die Dauer und die Modalität der Abwesenheit, die Art der im anderen Mitgliedstaat ausgeübten Beschäftigung sowie die Absicht des Arbeitnehmers, wie sie sich aus den gesamten Umständen ergibt, an den Ort vor Aufnahme der Beschäftigung zurückzukehren (EICHENHOFER, a.a.O., N. 7 zu Art. 71 der Verordnung Nr. 1408/71; BGE 131 V 230 E. 7.4 mit Hinweis auf die Rechtsprechung des EuGH). Nach dem in E. 4 Gesagten befindet sich der Wohnort der Beschwerdegegnerin in diesem Sinne in Y. (FL). Ein Recht auf Leistungen vom Beschäftigungsstaat hätte sie daher nur, wenn ihr die Stellung einer unechten Grenzgängerin zuzuerkennen wäre, weil sie zur Schweiz persönliche und berufliche Bindungen solcher Art aufrechterhält, dasssie dort die besten Aussichten auf Wiedereingliederung hat. Diese Voraussetzung ist entgegen der von der Vorinstanz vertretenen Auffassung nicht erfüllt. Abgesehen davon, dass die Beschwerdegegnerin bis zur Aufnahme der Teilzeitstelle in C. (CH) im Februar 2004 der Arbeitsvermittlung in Y. unterstellt war und mit dem dortigen Amt für Volkswirtschaft weiterhin in Kontakt blieb, kann nicht gesagt werden, sie habe in der Schweiz über die besseren beruflichen Eingliederungsmöglichkeiten verfügt. 7.3 Des Weitern hat das kantonale Gericht erwogen, die Beschwerdegegnerin sei teilarbeitslos im Sinne von Art. 10 Abs. 2 lit. b AVIG (Person, die eine Teilzeitbeschäftigung hat und eine Vollzeit- oder eine weitere Teilzeitbeschäftigung sucht), nicht aber im Sinne von BGE 133 V 137 S. 147 Art. 71 Abs. 1 lit. a Ziff. i der Verordnung Nr. 1408/71. Nach Gemeinschaftsrecht bedeutet Vollarbeitslosigkeit einen Erwerbsausfall infolge Auflösung des Arbeitsverhältnisses und Teilarbeitslosigkeit einen vorübergehenden Arbeitsausfall bei andauerndem Arbeitsverhältnis, insbesondere bei Kurzarbeit (IMHOF, a.a.O., S. 53; EICHENHOFER, a.a.O., N. 5 zu Art. 71 der Verordnung Nr. 1408/71). Teilweise Arbeitslosigkeit gemäss Art. 10 Abs. 2 lit. b AVIG kann unter bestimmten Voraussetzungen eine Teilarbeitslosigkeit im Sinne der Verordnung Nr. 1408/71 sein (USINGER-EGGER, Ausgewählte Rechtsfragen des Arbeitslosenversicherungsrechts im Verhältnis Schweiz-EU, a.a.O., S. 49 Fn. 110). Eine Teilzeitbeschäftigung ist nach Gemeinschaftsrecht anzunehmen, wenn ein bisher vollzeitig beschäftigter Arbeitnehmer in einem Unternehmen teilzeitbeschäftigt ist und Anwärter auf eine vollzeitige Arbeit ist (EICHENHOFER, Sozialrecht der Europäischen Union, 3. Aufl., S. 167 Rz. 284; derselbe in: Rechtsprechung des EuGH zum Europäischen koordinierenden Sozialrecht, Juristen Zeitung (D) 2005 S. 264). Begründet wird dies damit, dass das mit Art. 71 der Verordnung Nr. 1408/71 verfolgte Ziel des Schutzes des Arbeitnehmers nicht erreicht werde, wenn ein Arbeitnehmer, der bei demselben Unternehmen in einem anderen Mitgliedstaat als dem Staat, auf dessen Gebiet er wohnt, in Teilzeitbeschäftigung beschäftigt bleibt, jedoch Anwärter auf eine Vollzeitbeschäftigung bleibt, sich an einen Träger seines Wohnortes wenden müsste, um dort Unterstützung bei der Suche nach einer zusätzlichen Beschäftigung neben der bereits ausgeübten zu finden (Urteil des EuGH vom 15. März 2001 in der Rechtssache C-444/98, de Laat , Slg. 2001, I-2229). Die Beschwerdegegnerin hat nun aber nicht im Unternehmen, das sie beschäftigt, einen "vorübergehenden Arbeitsausfall" erlitten (vgl.Art. 71 Abs. 1 lit. a Ziff. i der Verordnung Nr. 1408/71), sondern am 1. Februar 2004 bei der V. AG eine Teilzeitstelle angetreten. Sie hat daher als vollarbeitslos im Sinne von Art. 71 Abs. 1 lit. a Ziff. ii der Verordnung Nr. 1408/71 zu gelten und untersteht somit der Rechtsordnung des Wohnstaates, also des Fürstentums Liechtenstein.
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Sachverhalt ab Seite 403 BGE 143 V 402 S. 403 A. A., slowenischer Staatsangehöriger und im Besitz der Niederlassungsbewilligung C, war seit 2011 in X. wohnhaft und übte in der Schweiz eine unselbständige Erwerbstätigkeit aus. Gleichzeitig war er aufgrund einer entsprechenden Arbeits- und Aufenthaltsbewilligung in Montenegro selbständig erwerbstätig. Gestützt auf die Steuermeldung AHV über die Veranlagung der direkten Bundessteuer BGE 143 V 402 S. 404 für 2011 und 2012 erhob die Ausgleichskasse Zug mit zwei Verfügungen vom 4. Oktober 2016 Beiträge aus selbständiger Erwerbstätigkeit (inkl. Verwaltungskosten) von Fr. 1'257.- (2011) und Fr. 813.60 (2012). Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 2. Dezember 2016 fest. B. Die Beschwerde des A. wies das Verwaltungsgericht des Kantons Zug, Sozialversicherungsrechtliche Kammer, mit Entscheid vom 30. März 2017 ab. C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt A., der Entscheid vom 30. März 2017 sei aufzuheben und es sei festzustellen, dass er für die Jahre 2011 und 2012 keine Sozialversicherungsbeiträge für seine Tätigkeit in Montenegro schulde; eventualiter sei die Sache an die Vorinstanz zur Neubeurteilung zurückzuweisen; dem Rechtsmittel sei die aufschiebende Wirkung zu erteilen. Die Ausgleichskasse Zug ersucht um Abweisung der Beschwerde, desgleichen das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV). A. hat Bemerkungen zu den eingereichten Vernehmlassungen gemacht. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Streitgegenstand bildet die Frage, ob der Beschwerdeführer, slowenischer Staatsangehöriger und somit EU-Bürger mit Wohnsitz in der Schweiz, in Bezug auf seine selbständige Erwerbstätigkeit in Montenegro der schweizerischen (obligatorischen) Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) untersteht und auf den damit erzielten Einkommen Beiträge (inkl. Verwaltungskosten) von Fr. 1'257.- (2011) und Fr. 813.60 (2012) zu entrichten hat. 4. Die Vorinstanz hat im Wesentlichen erwogen, es liege ein räumliches Dreiecksverhältnis zwischen der Schweiz, Slowenien und Montenegro vor, das nicht übergreifend koordiniert werde. Der Beschwerdeführer falle somit grundsätzlich nicht unter das Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (FZA; SR 0.142.112.681) und die Rechtsakte der Europäischen Union betreffend die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, welche es in Art. 1 Abs. 1 Anhang II für anwendbar erklärt, namentlich die Verordnung (EWG) BGE 143 V 402 S. 405 Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbstständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (AS 2004 121; nachfolgend: VO 1408/71) bzw. seit 1. April 2012 Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (SR 0.831.109.268.1; nachfolgend: VO 883/04) sowie die jeweiligen Durchführungsverordnungen Nr. 574/72 vom 21. März 1972 und Nr. 987/2009 vom 16. September 2009. Im Urteil 9C_313/2010 vom 5. November 2010 (in: SVR 2011 AHV Nr. 3 S. 13) und in BGE 139 V 216 sei es zwar ebenfalls um in einem Drittstaat (Liechtenstein bzw. Bulgarien [vor dem EU-Beitritt am 1. Juni 2007]) erwerbstätigen EU-Bürger mit Wohnsitz in der Schweiz gegangen. Daraus ergebe sich indessen nichts zu Gunsten des Beschwerdeführers, da Montenegro kein EFTA-Staat bzw. er nicht durch einen Arbeitgeber mit Sitz in einem EU-Staat oder in der Schweiz dort tätig (gewesen) sei. Ebenso nicht einschlägig seien die Sozialversicherungsabkommen zwischen der Schweiz und Montenegro sowie der Schweiz und Slowenien. Demzufolge bestimme sich nach schweizerischem Recht, ob der Beschwerdeführer in Bezug auf die selbständige Erwerbstätigkeit in Montenegro der AHV unterstehe und auf dem daraus 2011 und 2012 erzielten Einkommen Beiträge zu entrichten habe, was nach Art. 1a Abs. 1 lit. a AHVG sowie Art. 4 AHVG und Art. 6 Abs. 1 AHVV (SR 831.101) zu bejahen sei. 5. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des Diskriminierungsverbots nach Art. 2 FZA sowie eine Missachtung des gesamten Freizügigkeitsabkommens. Dieses knüpfe an die Staatsangehörigkeit an, kenne somit keine geografischen Grenzen für EU-Bürger, die eine Tätigkeit ausübten. In Verkennung dieser Rechtslage habe die Vorinstanz zu Unrecht dem Urteil 9C_313/2010 vom 5. November 2010 und BGE 139 V 216 keine präjudizielle Bedeutung beigemessen. Die Vorinstanz stelle ihn schlechter als Schweizer oder Angehörige eines anderen Vertragsstaates (als Slowenien), die in einem Drittstaat einer Erwerbstätigkeit nachgingen. 6. 6.1 Montenegro gehört nicht zu den Vertragsstaaten des FZA. Dieses Abkommen und demzufolge auch die VO 1408/71 und VO 883/04 sind daher grundsätzlich nicht anwendbar ( Art. 24 FZA ; vgl. BGE 139 V 216 E. 4.1 S. 221; BGE 136 V 244 E. 6.2 S. 249 f.; Urteil 9C_313/2010 vom 5. November 2010 E. 2.3, in: SVR 2011 AHV BGE 143 V 402 S. 406 Nr. 3 S. 13). Dies betrifft namentlich auch das Diskriminierungsverbot nach Art. 2 FZA bzw. das insoweit gleich weit reichende Gleichbehandlungsgebot nach Art. 3 Abs. 1 VO 1408/71 und Art. 4 VO 883/04, welches an die Staatsangehörigkeit anknüpft und sich insbesondere auf die Rechtsvorschriften gemäss Anhang II (Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit) erstreckt ( BGE 136 V 182 E. 7.1 S. 192 mit Hinweisen; vgl. auch Urteil 9C_259/2016 vom 19. Juli 2016 E. 5.2). 6.2 In BGE 139 V 216 erkannte das Bundesgericht, dass Angehörige eines Mitgliedstaats der EU mit Wohnsitz in der Schweiz in Bezug auf die Tätigkeit als Arbeitnehmer in einem Drittstaat für eine in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Arbeitgeberin nicht der AHV-Beitragspflicht unterstehen. Daraus lässt sich für den hier zu beurteilenden Fall nichts ableiten. In jenem Fall war entscheidend, dass auch der Arbeitgeber Sitz in einem (anderen) Abkommensstaat hatte. In dieser Konstellation war in Anlehnung an die Rechtsprechung des EuGH (vgl. Art. 16 Abs. 2 FZA ) von einer (echten) Lücke auszugehen, welche nach dem gemeinschaftsrechtlichen Freizügigkeitsgedanken so zu füllen war, dass der Sitz des Arbeitgebers als Anknüpfungspunkt naheliegender war als der Wohnsitz des Arbeitnehmenden in der Schweiz, "der mit dem Arbeitsverhältnis, dem Arbeitsort und dem Sitz des Arbeitgebers in keinem Zusammenhang steht" ( BGE 139 V 216 E. 3.1 und E. 4.1-4.3 S. 219 ff.). Im vorliegenden Fall war der Beschwerdeführer unbestrittenermassen in Montenegro selbständig und nicht als Arbeitnehmer für einen Arbeitgeber mit Sitz in einem Mitgliedstaat der EU erwerbstätig. Im Übrigen könnte - umgekehrt - aus BGE 139 V 216 nicht ohne Weiteres gefolgert werden, dass bei einer selbständigen Erwerbstätigkeit der Sitz des Arbeitgebers mit dem Wohnsitz der betreffenden Person zusammenfiele und daher das schweizerische Recht anwendbar wäre. 6.3 6.3.1 Im Urteil 9C_313/2010 vom 5. November 2010 stand ein deutscher Staatsangehöriger am Recht, der Wohnsitz in der Schweiz hatte und in Liechtenstein erwerbstätig war. Zwischen allen drei beteiligten Staaten bestand ein Abkommen: Schweiz-Deutschland (FZA), Schweiz-Liechtenstein (Übereinkommen zwischen Island, Liechtenstein, Norwegen und der Schweiz vom 4. Januar 1960 zur Errichtung der Europäischen Freihandelsassoziation [EFTA-Übereinkommen; SR 0.632.31]), Liechtenstein-Deutschland (Abkommen vom 2. Mai 1992 über den Europäischen Wirtschaftsraum BGE 143 V 402 S. 407 [EWR-Abkommen; liechtensteinische Gesetzessammlung Nr. 0.110]). Von diesen drei Abkommen war zwar keines auf das dreiseitige Verhältnis bzw. die Situation des Beschwerdeführers anwendbar. Das Bundesgericht mass jedoch dem Umstand entscheidende Bedeutung zu, dass sowohl im Verhältnis Schweiz-Deutschland (über das FZA) als auch im Verhältnis Schweiz-Liechtenstein (über das EFTA-Übereinkommen) und im Verhältnis Liechtenstein-Deutschland (über das EWR-Abkommen) die VO 1408/71 galt. Davon ausgehend erkannte es, dass der deutsche Staatsangehörige auf Grund von Art. 2 FZA Anspruch darauf habe, dass er nicht anders behandelt werde als ein Schweizer in seiner Lage, d.h. Wohnsitz in der Schweiz und Erwerbsort in Liechtenstein (E. 2.4). 6.3.2 Montenegro ist zwar weder Mitglied der EU noch der EFTA. Daraus kann jedoch nicht gefolgert werden, der Beschwerdeführer könne "alleine auf Grund seiner slowenischen Staatsbürgerschaft keine Rechte" aus dem Urteil 9C_313/2010 vom 5. November 2010 ableiten, wie das die Vorinstanz getan hat. Diese Begründung greift zu kurz bzw. trifft nicht den entscheidenden Punkt: Massgebend in jenem Fall war, dass im bilateralen Verhältnis aller drei beteiligten Staaten zueinander nach Art. 13 Abs. 1 und Abs. 2 Bst. a VO 1408/71 der kollisionsrechtliche Grundsatz der Einheitlichkeit der anwendbaren Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaates und das Beschäftigungslandprinzip bei Arbeitnehmern galt (E. 2.1-2.3). Im vorliegenden Fall bestehen zwischen den beteiligten Staaten ebenfalls Abkommen: Schweiz-Slowenien (Abkommen vom 10. April 1996 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Republik Slowenien über Soziale Sicherheit [SR 0.831.109.691.1] bzw. kraft Art. 20 FZA die VO 1408/71 und VO 883/04; BGE 137 V 282 E. 3.2 S. 284), Schweiz-Montenegro (Abkommen vom 8. Juni 1962 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der [ehemaligen] Föderativen Volksrepublik Jugoslawien über Sozialversicherung [SR 0.831.109.818.1] samt Verwaltungsvereinbarung vom 5. Juli 1963 [SR 0.831.109.818.12] und Notenaustausch vom 29. Juni/10. Juli 2007 zwischen der Schweiz und Montenegro zur Bestätigung der Weitergeltung der Vereinbarung [AS 2008 1753]), Montenegro-Slowenien (Sozialabkommen zwischen Slowenien und Montenegro vom 12. Mai 2011). Alle Abkommen erklären im Grundsatz die Rechtsvorschriften desjenigen Vertragsstaates für massgebend, auf dessen Gebiet die Erwerbstätigkeit ausgeübt wird. BGE 143 V 402 S. 408 Insoweit liegt eine mit 9C_313/2010 vergleichbare Konstellation vor. Ein wesentlicher Unterschied besteht jedoch insofern, als der Beschwerdeführer in den hier interessierenden Jahren 2011 und 2012 neben der selbständigen Erwerbstätigkeit in Montenegro gleichzeitig in der Schweiz, wo er Wohnsitz hatte, eine unselbständige Erwerbstätigkeit ausübte. Für diesen Fall sieht das erwähnte Abkommen zwischen der Schweiz und Montenegro nicht die Anwendbarkeit der Rechtsvorschriften beider Staaten vor. Der Beschwerdeführer macht nicht geltend, dass das Sozialabkommen zwischen Slowenien und Montenegro diesbezüglich eine andere Regelung enthält. Das FZA bzw. die Rechtsakte der Europäischen Union betreffend die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, welche es für anwendbar erklärt, statuieren den kollisionsrechtlichen Grundsatz der Einheitlichkeit der anwendbaren Rechtsvorschriften (Art. 13 Abs. 1 VO 1408/71 und Art. 11 Abs. 1 VO 883/04; BGE 143 V 52 E. 6.2.1 S. 56; BGE 139 V 216 E. 4.3 S. 222) und in diesem Rahmen den Vorrang des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet die abhängige Beschäftigung ausgeübt wird (Art. 14c Bst. a VO 1408/71 und Art. 13 Abs. 3 VO 883/04). Diese Anknüpfungsregel muss umso mehr gelten, wenn, wie im vorliegenden Fall, Wohnsitz und Beschäftigungsort zusammenfallen. Dies führt zur Anwendung des schweizerischen Rechts, welches das Einkommen des Beschwerdeführers aus der selbständigen Tätigkeit in Montenegro der AHV-Beitragspflicht unterwirft ( Art. 6 Abs. 1 AHVV ). Es wird nicht - prozesskonform (vgl. nicht publ. E. 1) - geltend gemacht und es bestehen keine Anhaltspunkte in den Akten, dass ein Ausnahmetatbestand nach Art. 6 ter AHVV (i.V.m. Art. 4 Abs. 2 lit. a AHVG ) gegeben wäre. Nichts anderes ergäbe sich bei einem schweizerischen Staatsangehörigen in vergleichbarer Lage, was die Anwendbarkeit von Art. 2 FZA von vornherein ausschliesst. Damit kann auch der Berufung des Beschwerdeführers auf die Empfehlung der Verwaltungskommission für die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit Nr. H1 vom 19. Juni 2013 betreffend das Urteil vom 15. Januar 2002 in der Rechtssache C-55/00 Elide Gottardo/Istituto nazionale della previdenza sociale (INPS) , Slg. 2002 I-00413 ff. (Amtsblatt der Europäischen Union vom 27. September 2013, C 279/13) kein Erfolg beschieden sein. Das BSV weist in seiner Vernehmlassung darauf hin, dass die Empfehlung Nr. H1 vom 19. Juni 2013 nicht im Anhang II FZA unter den Rechtsakten in Abschnitt A und B aufgeführt ist, die die Vertragsparteien zu berücksichtigen oder zur Kenntnis zu nehmen haben.
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Sachverhalt ab Seite 122 BGE 140 V 121 S. 122 A. A.a Die Z. GmbH ist Stifterfirma der Vorsorgeeinrichtung Personalversicherung X. Nachdem es bei Ersterer am 15. August 2007 zu einer Auslagerung eines Teils ihrer Tätigkeit und damit verbunden zu einer Überführung von 40 Mitarbeitenden auf die neu gegründete Y. GmbH gekommen war, wechselten die betroffenen Aktivversicherten am 1. Januar 2009 kollektiv zur Columna Sammelstiftung Client Invest (nachfolgend: Sammelstiftung). In der Folge führte die Personalversicherung X. eine Teilliquidation mit Stichtag 31. Dezember 2008 durch. A.b Am 14. Januar 2010 gelangten die Y. GmbH und 35 Aktivversicherte an das Amt für berufliche Vorsorge und Stiftungen (heute: BVG- und Stiftungsaufsicht des Kantons Zürich; nachfolgend: BGE 140 V 121 S. 123 Aufsichtsbehörde) mit dem Antrag, die Personalversicherung X. sei zu verpflichten, von den technischen Rückstellungen einen Anteil von mindestens Fr. 1'709'410.- zu Gunsten der per 31. Dezember 2008 ausgetretenen Mitarbeitenden an die Sammelstiftung zu übertragen.
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Sachverhalt ab Seite 72 BGE 129 IV 71 S. 72 A.- X., von Beruf Fotograf mit eigenem Atelier, sprach im Oktober 1996 in einem Berner Restaurant A. (Beschwerdegegnerin 1) an, unter dem Vorwand, ein Fotomodell für Jeans von Karl Lagerfeld zu suchen. In der Folge schlossen die beiden einen Vertrag ab. Zwischen Oktober und Dezember 1996 führte X. mehrere Fotosessionen mit BGE 129 IV 71 S. 73 der Beschwerdegegnerin 1 als Modell durch, wobei er auch Akt- und Erotikbilder machte. Anlässlich dieser Sessionen näherte sich der Fotograf seinem Modell sexuell, worauf ihn die Beschwerdegegnerin 1 manuell befriedigte. Zwischen dem 18. und 23. Dezember 1996 führte X. die Beschwerdegegnerin 1 zum Zwecke der Prostitution in verschiedene Etablissements ein, unter anderem auch in den Y-Club und in eine Diskothek in Luzern. Im Y-Club erbrachte sie mehreren Männern Liebesdienste für Geld. Mit einem der Kunden vollzog sie den Beischlaf. Bemüht, Karriere zu machen, unterschrieb die Beschwerdegegnerin 1 in der genannten Zeit alles, was X. ihr vorlegte, unter anderem auch eine Schuldanerkennung über Fr. 33'000.-. Diese setzte X. später ein, um seiner Drohung Nachdruck zu geben, die Beschwerdegegnerin 1 und ihre Familie "medienmässig fertig zu machen". Schliesslich beauftragte X. ein Inkassobüro damit, die Geldforderung gegen die Beschwerdegegnerin 1 einzutreiben. Er verkaufte ferner diverse Akt- und Erotikfotos von ihr an eine grosse Tageszeitung. Diese veröffentlichte die Fotos kurz vor dem Auftritt der Beschwerdegegnerin 1 an einem Gesangswettbewerb. Abgesehen von verschiedenen sexuellen Handlungen zum Nachteil der noch nicht mündigen B. (Beschwerdegegnerin 2) brachte X. sie mit der ihm eigenen kraftvollen "Überredungskunst" dazu, zwei Männer gegen Entgelt oral zu befriedigen. Diese Handlungen fanden im Frühling 1997 statt. B.- Das Obergericht des Kantons Bern sprach X. am 8. April 2002 wegen dieser und weiterer Taten zweitinstanzlich schuldig des Fahrens eines Personenwagens in angetrunkenem Zustand, der Vereitelung einer Blutprobe, der sexuellen Handlungen mit Kindern, der mehrfachen sexuellen Nötigung, der sexuellen Handlungen mit Abhängigen, der mehrfachen vollendeten und versuchten Förderung der Prostitution, der versuchten Nötigung sowie der Erpressung und bestrafte ihn mit 30 Monaten Gefängnis, teilweise als Zusatzstrafe zum Urteil des Strafamtsgerichts Bern vom 20. Oktober 1995. Es schied für die vor dem 20. Oktober 1995 begangenen Delikte eine Strafquote von 15 Monaten aus. Schliesslich verpflichtete das Obergericht X., der Beschwerdegegnerin 2 eine Genugtuung von Fr. 15'000.- und der Beschwerdegegnerin 1 eine Genugtuung von Fr. 2'000.- zu bezahlen. X. führt dagegen eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde im Strafpunkt in Anwendung von Art. 277 BStP teilweise gut. BGE 129 IV 71 S. 74 Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen seine Verurteilung wegen vollendeter und versuchter Förderung der Prostitution zum Nachteil der Beschwerdegegnerin 1. 1.1 Die Vorinstanzen erwägen, der Beschwerdeführer habe die Beschwerdegegnerin 1 in den Y-Club eingeführt. Auf sein Drängen hin und aufgrund seiner Drohungen habe sie sich Männern gegen Geld sexuell hingegeben. Mit einem Kunden sei es zum Beischlaf gekommen. Wesentlich sei, dass diese Handlungen im Zusammenhang mit den finanziellen Forderungen des Beschwerdeführers gestanden hätten und das Selbstbestimmungsrecht der Beschwerdegegnerin 1 deutlich eingeschränkt gewesen sei. Art. 195 StGB erfülle bereits, wer jemanden gelegentlich der Prostitution zuführe. Entscheidend sei nicht die Intensität der Prostitution, sondern das initiale Zuführen in diese Tätigkeit. Der Beschwerdeführer habe sich der Förderung der Prostitution schuldig gemacht, auch wenn die Beschwerdegegnerin 1 ihm das verdiente Geld nicht weitergeleitet habe. In den übrigen Fällen, in denen der Beschwerdeführer sie in andere "Etablissements" eingeführt habe, ohne dass es zu sexuellen Handlungen mit Kunden gekommen sei, liege bloss versuchte Förderung der Prostitution vor, da der vom Beschwerdeführer angestrebte Vermögensvorteil nicht eingetreten sei. 1.2 Der Beschwerdeführer bringt vor, die Vorinstanz begründe nicht, weshalb sie im Gegensatz zum Kreisgericht nur von einem statt von mehreren im Y-Club bedienten Freiern ausgehe. Ebenso stelle die Vorinstanz nichts fest, was über das "Bringen" der Beschwerdegegnerin 1 in Etablissements hinausgehe. Sie berücksichtige nicht, dass die Beschwerdegegnerin 1 in der Zeit vor und nach den Besuchen in den erwähnten Etablissements ein ausschweifendes Sexualleben gepflegt habe. Sachverhaltsfeststellungen, die über ein blosses "Verleiten" oder "Anstiften" hinausgingen, lägen keine vor. Die gewisse Intensität der Einwirkung, die notwendig wäre, sei nicht erfüllt. Das sexuelle Selbstbestimmungsrecht der Beschwerdegegnerin sei nicht in strafrechtlich relevantem Mass beeinträchtigt gewesen. Mit Blick auf Art. 195 StGB müsse das erwachsene Opfer erheblich unter Druck gesetzt worden sein, um die Ausnützung der Abhängigkeit und eines Vermögensvorteils annehmen zu können. Das sei gestützt auf die Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz zu verneinen. BGE 129 IV 71 S. 75 1.3 Nach Art. 195 StGB ("Ausnützung sexueller Handlungen. Förderung der Prostitution") wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren oder mit Gefängnis bestraft, wer - eine unmündige Person der Prostitution zuführt (Abs. 1); - eine Person unter Ausnützung ihrer Abhängigkeit oder eines Vermögensvorteils wegen der Prostitution zuführt (Abs. 2); - die Handlungsfähigkeit einer Person, die Prostitution betreibt, dadurch beeinträchtigt, dass er sie bei dieser Tätigkeit überwacht oder Ort, Zeit, Ausmass oder andere Umstände der Prostitution bestimmt (Abs. 3); - eine Person in der Prostitution festhält (Abs. 4). Art. 195 StGB ist bei der Revision des Sexualstrafrechts von 1992 an die Stelle der altrechtlichen Art. 198, 199, 200 und 201 StGB getreten. Die Bestimmung schützt sowohl Personen davor, gegen ihren Willen dazu gebracht zu werden, sich zu prostituieren, als auch die Entscheidungsfreiheit von Personen, die bereits als Prostituierte arbeiten. Der Gesetzgeber wollte die Strafbarkeit der ethisch missbilligenswerten Kuppelei und Zuhälterei auf Fälle einschränken, in denen der Täter die aufgrund einer Unterlegenheit bzw. Abhängigkeit verminderte Handlungsfreiheit des Opfers ausnützt (vgl. Botschaft über die Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches und des Militärstrafgesetzes [Strafbare Handlungen gegen Leib und Leben, gegen die Sittlichkeit und gegen die Familie] vom 26. Juni 1985, BBl 1985 II 1009 ff., 1082). Ob die Willens- und Handlungsfreiheit des Opfers eingeschränkt war, bestimmt sich nach dessen individuellen Fähigkeiten im gesamten jeweiligen Kontext. Die Norm schützt die sexuelle Selbstbestimmung im Bereich der Prostitution nur vor besonderen, abschliessend umschriebenen Beeinträchtigungen. Denn das Strafrecht gründet auf dem Menschenbild, Erwachsene könnten innerhalb der Beschränkungen, die das tägliche Leben mit sich bringen, ihren Willen grundsätzlich frei bilden und umsetzen. 1.4 Prostitution besteht im gelegentlichen oder gewerbsmässigen Anbieten und Preisgeben des eigenen Körpers an beliebige Personen zu deren sexueller Befriedigung gegen Geld oder geldwerte Leistungen (Botschaft, BBl 1985 II 1082 f.). Es genügt grundsätzlich jede hetero- oder homosexuelle Handlung, mit der ein Kunde oder eine Kundin über einen körperlichen Kontakt befriedigt werden soll. Prostitution liegt schon vor, wenn sich das Opfer erst vereinzelt in der oben umschriebenen Weise Dritten angeboten und hingegeben hat. Es ist somit nicht erforderlich, dass die Prostitution regelmässig BGE 129 IV 71 S. 76 ausgeübt wird und für das Opfer zu einer eigentlichen Lebensform geworden ist, es sich also unbestimmt vielen Personen im Sinne eines (Haupt- oder Neben-)Erwerbs anbietet (vgl. Botschaft, S. 1082 f.; ebenso JÖRG REHBERG/NIKLAUS SCHMID, Strafrecht III, 7. Aufl., Zürich 1997, S. 410; JÖRG REHBERG, Das revidierte Sexualstrafrecht, AJP 1993 S. 26; a.A. GUIDO JENNY, Kommentar zum schweizerischen Strafrecht, 4. Bd.: Delikte gegen die sexuelle Integrität und gegen die Familie, Art. 195 StGB N. 5; GÜNTER STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil 1, 5. Aufl., Bern 1995, § 9 N. 6; STEFAN TRECHSEL, Kurzkommentar, 2. Aufl., Zürich 1997, Art. 195 StGB N. 2). Diese Begriffsumschreibung ist offensichtlich sehr weit und geht bei gelegentlichen Sexualkontakten möglicherweise über das hinaus, was gemeinhin unter Prostitution verstanden wird ( BGE 121 IV 86 E. 2a S. 88 mit Hinweis auf STRATENWERTH, a.a.O., N. 6). Fraglich ist nur, wie gelegentlich bzw. wie selten das Verhalten sein muss, um noch als Prostitution im Sinne von Art. 195 StGB zu gelten (STRATENWERTH, a.a.O., N. 6). Der Prostitution führt zu, wer eine andere Person "in das Gewerbe einführt und zu dessen Ausübung bestimmt" (Botschaft, BBl 1985 II 1083). Wie sich aus dem dargelegten Begriff der Prostitution ergibt, genügt es bereits, wenn der Täter die Person im Hinblick auf eine bloss gelegentliche Ausübung der Prostitution in diese Tätigkeit einführt. Nicht erforderlich ist die Absicht, die Person bleibend in das "Gewerbe" einzuführen und sie zur Prostitution im Sinne einer Lebensform zu bestimmen. Das ergibt sich auch aus der französischen und italienischen Gesetzesfassung ("poussé autrui à se prostituer" bzw. "sospinge altri alla prostituzione"). Der Täter muss aber mit "einer gewissen Intensität" auf sein Opfer einwirken, wobei bereits ein Drängen oder Insistieren genügen soll (Botschaft, S. 1083; REHBERG, a.a.O., S. 26; TRECHSEL, a.a.O., Art. 195 StGB N. 4). Bei unmündigen Opfern nach Art. 195 Abs. 1 StGB genügt in der Regel ein geringerer Druck als gegenüber Erwachsenen (vgl. etwa STRATENWERTH, a.a.O., N. 8 mit Beispielen). Ein "Zuführen" kann - nicht nur bei Erwachsenen - darin bestehen, dass der Täter Räume organisiert oder Kunden vermittelt (REHBERG/SCHMID, a.a.O., S. 410 f.; vgl. auch BGE 121 IV 86 E. 2b, wo das Merkmal "Zuführen" jedoch nicht angefochten war und damit vom Bundesgericht nicht überprüft wurde). Weil die gezielte Einwirkung des Täters auf das Opfer dessen Willens- und Handlungsfreiheit nennenswert beeinträchtigen muss, ist ein "Zuführen" zu verneinen, wenn der Täter dem Opfer bloss die Gelegenheit eröffnet oder BGE 129 IV 71 S. 77 Möglichkeiten aufzeigt, sich auf die Prostitution einzulassen, es also lediglich zur Tätigkeit verleitet (Botschaft, S. 1083; vgl. ferner STRATENWERTH, a.a.O., § 9 N. 7 f.). Wer sich bereits prostituiert, kann zwar in bestimmte Bereiche bzw. Facetten des Gewerbes eingeführt, aber nicht mehr der Prostitution als solcher zugeführt werden (Botschaft, S. 1083), wohl aber wer mit der Prostitution bereits abgeschlossen hatte. Führt der Täter eine erwachsene Person der Prostitution zu, ist nach Absatz 2 der Bestimmung zusätzlich erforderlich, dass er eine Abhängigkeit des Opfers ausnützt oder "eines Vermögensvorteils wegen" handelt. Der auch in den Art. 188, 192 und 193 StGB verwendete Begriff der Abhängigkeit ist bei Art. 195 StGB weit zu verstehen (Botschaft, BBl 1985 II 1084). Ob eine Abhängigkeit vorliegt, entzieht sich einer allgemeinen Umschreibung und ist nach den Umständen des jeweiligen Falles zu ermitteln. In Betracht kommen neben dem in Art. 193 StGB genannten Arbeitsverhältnis jede andere hinreichend schwere Form von Abhängigkeit. Das kann etwa bei Hörigkeit (Botschaft, S. 1084), Drogensucht, finanziellen Abhängigkeiten usw. anzunehmen sein (vgl. Botschaft, S. 1084; STRATENWERTH, a.a.O., § 9 N. 9; TRECHSEL, a.a.O., Art. 195 StGB N. 6; JENNY, a.a.O., Art. 195 StGB N. 8). Nach der zweiten Variante muss der Täter das Opfer "eines Vermögensvorteils wegen" der Prostitution zuführen, d.h. mit Blick auf eine eigene vermögenswerte Besserstellung handeln. Das Tatbestandsmerkmal "verschmilzt" mit dem Motiv des Täters (Botschaft, BBl 1985 II 1084). Insoweit klingt die moralische Missbilligung der Zuhälterei des früheren Rechts an (vgl. Art. 201 aStGB), worin der Gesetzgeber neu keinen hinreichenden Strafgrund erblickte (Botschaft, S. 1082). Daraus leitet die herrschende Lehre zutreffend ab, eine erwachsene Person für geldwerte Vorteile der Prostitution zuzuführen sei nach Art. 195 Abs. 2 StGB nur strafbar, wenn das Opfer unter Druck gesetzt oder dessen besondere Unterlegenheit ausgenützt werde, so dass seine Handlungsfreiheit im Ergebnis ähnlich stark eingeschränkt sei wie bei den anderen Formen des Delikts. Insofern liegt das Schwergewicht beim Begriff des Zuführens und nicht beim Merkmal des Handelns um des vermögenswerten Vorteils wegen (STRATENWERTH, a.a.O., § 9 N. 10; ebenso TRECHSEL, a.a.O., Art. 195 StGB N. 7 mit weiteren Hinweisen). 1.5 Nach Auffassung der Vorinstanz hat der Beschwerdeführer die Beschwerdegegnerin 1 im Sinne von Art. 195 Abs. 2 StGB der BGE 129 IV 71 S. 78 Prostitution zugeführt, um daraus einen (eigenen) Vermögensvorteil zu erzielen. Die kantonale Behörde hat ihre Entscheidung so zu begründen, dass das Bundesgericht die Gesetzesanwendung überprüfen kann (vgl. Art. 277 BStP ). Dies setzt voraus, dass im Urteil das Ergebnis der Beweisführung - soweit es für die Beurteilung der Sache von Bedeutung ist - festgestellt wird (so für die eidgenössische Berufung in Zivilsachen ausdrücklich Art. 51 Abs. 1 lit. c Satz 1 OG). Aus dem Ergebnis der Beweisführung muss in einem Fall wie hier ersichtlich sein, weshalb die Voraussetzungen von Art. 195 Abs. 2 StGB bejaht wurden (vgl. ERHARD SCHWERI, Eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde in Strafsachen, Bern 1993, N. 600; MARTIN SCHUBARTH, Nichtigkeitsbeschwerde 2001, Bern 2001, N. 154; vgl. Urteil 6S.476/1992 vom 28. Dezember 1993, E. 3a). Das angefochtene Urteil genügt diesen eidgenössischen Mindestanforderungen für die Begründung kantonaler Urteile nicht. Im angefochtenen Urteil finden sich relevante Sachverhaltsfeststellungen verstreut an mehreren Stellen, wobei Überflüssiges gleichgeordnet mit Wesentlichem referiert wird. Unter diesen Umständen ist es dem Bundesgericht nicht möglich, die Gesetzesanwendungen nachzuprüfen. Abgesehen davon ist das angefochtene Urteil aus folgenden Gründen gestützt auf Art. 277 BStP aufzuheben. Dem Urteil ist nicht zu entnehmen, worin das "Drohen, Drängen und Insistieren" des Beschwerdeführers bestanden haben soll. Soweit die Vorinstanz annimmt, der Beschwerdeführer habe die Schuldanerkennung der Beschwerdegegnerin 1 dazu benutzt, seine Drohung zu "untermauern", die Beschwerdegegnerin 1 und ihre Familie "medienmässig fertigzumachen", und er habe ein Inkassobüro mit der Eintreibung der Geldforderung beauftragt sowie kurz vor einem wichtigen Auftritt der Beschwerdegegnerin 1 Fotos an eine Zeitung verkauft, geht nicht genügend deutlich hervor, inwiefern dieses Verhalten mit den entgeltlichen Dienstleistungen der Beschwerdegegnerin 1 im Y-Club und den gemeinsamen Besuchen von verschiedenen "Etablissements" im Zusammenhang gestanden haben soll und die Handlungsfreiheit der Beschwerdegegnerin 1 dadurch deutlich beschränkt gewesen sei. Nur wenn dies festgestellt wäre, liesse sich beurteilen, ob darin ein Druck im Sinne von Art. 195 Abs. 2 StGB zu erblicken ist. Sodann erachtet die Vorinstanz Art. 195 Abs. 2 StGB als vollendet, soweit die Beschwerdegegnerin 1 im Y-Club "gegen Entgelt BGE 129 IV 71 S. 79 Kunden bediente und es dort mit einer Person zum Beischlaf gekommen" sei. Zwar geht daraus entgegen den Vorbringen des Beschwerdeführers hervor, dass die Vorinstanz wie zuvor schon das Kreisgericht von mehreren bedienten Kunden ausgeht. Um beurteilen zu können, ob die sexuellen Dienste ein "Zuführen" in die Prostitution begründen, müsste jedoch feststehen, ob es sich um mehr als eine bzw. um wie viele Gegebenheiten es sich dabei handelte. Entsprechendes gilt für die nicht näher umschriebenen Vorfälle, die von der Vorinstanz als versuchte Tatbegehung beurteilt wurden. Dem Urteil der Vorinstanz sind keine Ausführungen darüber zu entnehmen, inwiefern bei den "übrigen Vorfällen" eine versuchte Förderung der Prostitution stattgefunden haben soll. Die Tatumstände bleiben im Dunkeln. Schliesslich steht im angefochtenen Urteil nichts zur Frage der Abhängigkeit der Beschwerdegegnerin 1. In Bezug auf das von der Vorinstanz bejahte alternative Erfordernis des Handelns im Hinblick auf einen Vermögensvorteil ist dem angefochtenen Urteil nur zu entnehmen, dass dem Beschwerdeführer "schlussendlich kein Vermögensvorteil erwachsen ist". Zur entscheidenden Frage, ob und inwieweit die Beschwerdegegnerin 1 die von ihren Kunden erhaltenen Gelder oder einen Teil davon dem Beschwerdeführer hätte abgeben sollen bzw. ob der Beschwerdeführer konkret erwartete bzw. erwarten konnte, von der Tätigkeit der Beschwerdegegnerin 1 finanziell unmittelbar zu profitieren, schweigt sich die Vorinstanz aus. 1.6 Bei der Neubeurteilung wird sich die Vorinstanz zu den genannten Punkten aussprechen. Ausgehend davon wird sie die Genugtuungsforderung der Beschwerdegegnerin 1 neu beurteilen, weshalb die Beschwerde insoweit ebenfalls nach Art. 277 BStP gutzuheissen ist. 2. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen seine Verurteilung wegen vollendeter Förderung der Prostitution zum Nachteil der Beschwerdegegnerin 2. 2.1 Nach den verbindlichen tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz hat der Beschwerdeführer zwischen März und Ende Juni 1997 bzw. "im Frühling" 1997 zwei Männer der Beschwerdegegnerin 2 zwecks entgeltlicher oraler Befriedigung zugeführt. Er habe die beiden Männer kontaktiert und ihnen "den Körper" der Beschwerdegegnerin 2 "angeboten". Die Beschwerdegegnerin 2 (geb. 24. Juni 1979) traf die beiden Freier getrennt voneinander je einmal im Atelier des Beschwerdeführers und verkehrte mit ihnen oral gegen Geld; der Beschwerdeführer war dabei anwesend. BGE 129 IV 71 S. 80 2.2 Auch wenn das angefochtene Urteil die beiden Vorfälle an einer Stelle zeitlich im Frühling 1997 und an anderer Stelle zwischen März und Ende Juni 1997 ansiedelt, zeigt der Gesamtzusammenhang, dass die Vorinstanz annimmt, die dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Taten seien vor Eintritt der Mündigkeit der Beschwerdegegnerin 2 begangen worden. Die Beschwerdegegnerin 2 war damals noch nicht mündig, da sie ihren 18. Geburtstag erst nach Sommerbeginn hatte. 2.3 Der Beschwerdeführer hat die damals unmündige Beschwerdegegnerin der Prostitution zugeführt im Sinne des Art. 195 Abs. 1 StGB . Wie bereits dargelegt wurde, genügt für die Prostitution das gelegentliche Anbieten und Preisgeben des eigenen Körpers an beliebige Personen zu deren sexueller Befriedigung gegen Entlöhnung in Geld oder anderen materiellen Werten. Entscheidend ist nicht die quantitative und genaue qualitative Bewertung der Tätigkeit, sondern die vollzogene Initiation in die Prostitution als solche, wobei das Wort "gelegentlich" mehr als einen Vorfall impliziert. Ein Zuführen ist jedenfalls bei unmündigen Opfern bereits ab zwei sexuellen Akten gegen Geld zu bejahen. Bei Unmündigen bedeutet "Zuführen", sie zu veranlassen, sich gegen Geld anderen Personen sexuell hinzugeben. Unmündige pflegen in ihrer Fähigkeit zur Selbstbestimmung noch nicht voll entwickelt zu sein (Botschaft, BBl 1985 II 1083), weshalb der Gesetzgeber sie vor ihrem eigenen Unverstand schützen wollte. Daraus folgt, dass es für die Tathandlung des Art. 195 Abs. 1 StGB im Unterschied zum Absatz 2 der Norm genügt, wenn wie hier ein älterer oder sonst überlegener Täter die Jugendlichkeit des Opfers ausnützt. Ein "Zuführen" ist bei Unmündigen deshalb bereits bei einem blossen Überreden zu bejahen (vgl. nur STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil 1, 5. Aufl., Bern 1995, § 9 N. 8). Ob das Opfer zusätzlich vom Täter abhängig war oder ob dieser "eines Vermögensvorteils wegen" handelte, ist hier im Unterschied zu Art. 195 Abs. 2 StGB nicht Tatbestandsmerkmal, weshalb dies nicht weiter geprüft werden muss. Aus diesen Gründen ist der angefochtene Entscheid in diesem Punkt bundesrechtlich nicht zu beanstanden. 2.4 Zur Begründung der Beschwerde im Zivilpunkt gehört grundsätzlich, dass gesagt wird, welche zivilrechtlichen Bestimmungen und inwiefern sie durch den angefochtenen Entscheid verletzt worden sind. Unterlässt der Beschwerdeführer eine solche Begründung und verweist er statt dessen nur auf seine Ausführungen zum Strafpunkt, dann betrachtet er seinen Antrag zum Zivilpunkt nur als Folge BGE 129 IV 71 S. 81 seines Antrags im Strafpunkt. Wird seine Beschwerde im Strafpunkt abgewiesen, ist deshalb auf die Beschwerde im Zivilpunkt nicht einzutreten ( BGE 76 IV 102 E. 4; MARTIN SCHUBARTH, Nichtigkeitsbeschwerde 2001, Bern 2001, N. 276).
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90d49dac-489c-494f-953f-5ce09631224d
Sachverhalt ab Seite 38 BGE 94 II 37 S. 38 Aus dem Tatbestand: Die Exchange Finanz AG Zürich, die Rechtsvorgängerin der heutigen Beklagten Grufina AG, verkaufte im Juli 1951 für ihren Kunden Raimund Vogel in München 630 000 Sperrmark. Vogel bestritt, ihr einen Auftrag zu diesen Verkäufen erteilt zu haben, und weigerte sich, ihr die erforderlichen Sperrmark zu liefern. Die Exchange beschaffte sich daher die Sperrmark durch Deckungskäufe, wobei sich ein Exekutionsschaden von Fr. 24 785.-- ergab, den sie einem Schweizerfrankenkonto des Vogel belastete. Vogel erhob bei der Liquidierung dieses Kontos im Juli 1951 gegen die Belastung Einspruch und verlangte im August 1951, sowie in den Jahren 1952 und 1954 erfolglos Auszahlung des zurückbehaltenen Betrages. Am 22. Juni 1961 betrieb er die Grufina zwecks Unterbrechung der Verjährung. Die Betriebene erhob Rechtsvorschlag, worauf Vogel die Sache erneut ruhen liess, bis er im November 1965 Klage auf Auszahlung des Betrages von Fr. 24 785.-- einreichte. Die Beklagte bestritt die Klage mit der Begründung, Vogel habe ihr 1951 einen Verkaufsauftrag erteilt und habe ihr daher den infolge Nichtlieferung der verkauften Sperrmark eingetretenen Exekutionsschaden ersetzen müssen; eventuell erhob sie die Einrede der Verjährung. Das Handelsgericht des Kantons Zürich entschied, der Nachweis für den von der Beklagten behaupteten Auftrag zum Verkauf der Sperrmark sei nicht erbracht, verwarf die Verjährungseinrede der Beklagten und schützte die Klage. Das Bundesgericht, vor dem die Beklagte an der Einrede der Verjährung festhielt und neu den Einwand des Rechtsmissbrauchs wegen Verzögerung in der Geltendmachung des Anspruchs erhob, weist die Sache an die Vorinstanz zurück auf Grund folgender Erwägungen Erwägungen: 4. Das Handelsgericht hat die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung mit der Begründung verworfen, bei der streitigen Forderung handle es sich um das Saldoguthaben aus BGE 94 II 37 S. 39 einem Kontokorrentverhältnis zwischen dem Kläger und der Exchange, also um einen vertraglichen Anspruch, für den nach Art. 127 OR die zehnjährige Verjährungsfrist gelte; diese sei durch die Betreibung vom 22. Juni 1961 unterbrochen worden und somit im Zeitpunkt der Klageerhebung vom 13. November 1965 noch nicht abgelaufen gewesen. Die Beklagte hält in der Berufung die Verjährungseinrede aufrecht. Sie wendet ein, die Annahme der Vorinstanz, zwischen dem Kläger und der Exchange habe ein Kontokorrentverhältnis bestanden, beruhe auf einer blossen unbewiesenen Behauptung des Klägers. Die Umstände sprächen aber gegen einen Kontokorrentvertrag. Die auf das Schweizerfranken-Konto gelegten Gelder seien der Exchange zum Kaufvon Sperrmark überwiesen worden. Der Anspruch auf Rückerstattung des nicht zu diesem Zwecke verwendeten Geldes sei ein Bereicherungsanspruch im Sinne einer "condictio causa data causa non secuta", für den die einjährige Verjährung gelte. Diese Jahresfrist habe spätestens am 19. Juli 1951 zu laufen begonnen, d.h. mit dem Tage, an dem der Kläger den Saldo des Schweizerfranken-Kontos abzüglich der streitigen Fr. 24 785.-- bezogen habe, und sei somit am 19. Juli 1952 abgelaufen. Dieser Einwand hält der Prüfung nicht stand. Wohl hat die Vorinstanz ohne besondere Beweiserhebungen auf die Behauptung des Klägers abgestellt, dass zwischen ihm und der Exchange ein Kontokorrentvertrag bestanden habe; sie hat das Vorliegen eines solchen offenbar stillschweigend aus den gesamten Umständen gefolgert. Welches die Rechtsnatur dieses Schweizerfranken-Kontos des Klägers bei der Exchange gewesen sei, kann jedoch dahingestellt bleiben. Ob der streitige Betrag den Saldo aus einem Kontokorrentvertrag im Sinne des Art. 117 OR oder aus einem ähnlichen Verhältnis, wie z.B. aus einer gewöhnlichen laufenden Rechnung (vgl. hiezu OSER/SCHÖNENBERGER, N. 4 zu Art. 117 OR ) darstellte, ob eine Hinterlegung, ein Auftrag oder ein einem solchen ähnliches Verhältnis vorgelegen habe, ist nämlich unerheblich. Auf jeden Fall steht ausser Zweifel, dass dieses Konto auf einer vertraglichen Beziehung zwischen dem Kläger und der Exchange beruhte und dass die letztere bei der Beendigung dieses Vertragsverhältnisses verpflichtet war, dem Kläger den verbleibenden Saldo zurückzuerstatten. Behielt sie von diesem unberechtigterweise den Teilbetrag von Fr. 24 785.-- zurück, so verletzte sie damit eine vertragliche Rückerstattungspflicht BGE 94 II 37 S. 40 und war nicht etwa bloss um den zurückbehaltenen Betrag ungerechtfertigt bereichert. Der vertragliche Rückerstattungsanspruch des Klägers untersteht aber der zehnjährigen Verjährungsfrist des Art. 127 OR , die durch die Betreibung vom 22. Juni 1961 unterbrochen wurde. Die Verwerfung der Verjährungseinrede der Beklagten durch die Vorinstanz verstiess daher nicht gegen Bundesrecht. 5. Da ein Auftrag zum Verkauf der Sperrmark nicht erteilt worden war, lässt sich die Belastung des Schweizerfranken-Kontos durch die Exchange mit dem Exekutionsverlust aus dem Sperrmarkverkauf auch nicht etwa auf Art. 402 OR stützen, wonach der Auftraggeber dem Beauftragten die in richtiger Ausführung des Auftrages gemachten Auslagen und Verwendungen, sowie grundsätzlich auch den aus dem Auftrag erwachsenen Schaden zu ersetzen hat. Dass die Exchange der Meinung war, einen Auftrag erhalten zu haben, ändert nichts; denn der blosse Putativauftrag ist kein Auftrag ( BGE 51 II 187 f., BGE 77 II 372 oben; GAUTSCHI, OR Art. 402 N. 6 c, S. 567). Mangels eines Auftrages fehlte der Rechtsgrund für einen solchen Erstattungsanspruch der Exchange. Für eine Heranziehung von Art. 402 OR gegenüber dem Erfüllungsanspruch des Klägers auf Auszahlung des Saldos aus dem Schweizerfranken-Konto ist daher kein Raum. 6. In der Berufung legt die Beklagte das Hauptgewicht auf den Einwand, der Kläger habe den Anspruch auf den verrechnungsweise zurückbehaltenen Betrag infolge ungebührlich verspäteter Geltendmachung verwirkt. Er habe schon am 19. Juli 1951 die Zurückbehaltung des streitigen Betrages gekannt, aber trotzdem mit der Klageerhebung bis zum 13. November 1965, also über 14 Jahre, zugewartet, ohne dafür einen stichhaltigen Grund vorbringen zu können. Falls dafür Devisen- oder Steuergründe massgebend gewesen sein sollten, hätte er dies selber zu vertreten. Der Umstand, dass er nach der Betreibung vom Jahre 1961 bis zur Klageerhebung noch weitere vier Jahre habe verstreichen lassen, zeige deutlich, dass er mit dem Zuwarten während 14 Jahren offensichtlich bezweckt habe, der Beklagten den Beweis für die Erteilung des Auftrages zum Verkauf der Sperrmark zu erschweren oder gar zu verunmöglichen. Solches Zuwarten zum Zwecke der Beweisverdunkelung verstosse gegen Treu und Glauben und bedeute daher einen Rechtsmissbrauch im Sinne des Art. 2 ZGB . BGE 94 II 37 S. 41 a) Dass die Beklagte diesen Einwand erst im Berufungsverfahren erhoben hat, steht seiner Zulässigkeit nicht im Wege. Denn das Vorliegen eines Rechtsmissbrauches im Sinne von Art. 2 ZGB ist in jeder Instanz von Amtes wegen zu beachten ( BGE 69 II 103 , BGE 78 II 227 , BGE 79 II 405 , BGE 86 II 232 Erw. 6). Sobald Sachumstände behauptet werden, die unter dem Gesichtspunkt des Art. 2 ZGB einen Anspruch zu begründen oder zu vernichten geeignet sind, hat der Richter die Norm anzuwenden, gleichgültig, ob eine Partei sie anrufe (MERZ, Art. 2 ZGB , N. 99). Diese Voraussetzung ist hier erfüllt: Der Kläger hat schon in der Klageschrift das Unterbleiben der gerichtlichen Geltendmachung seines Anspruchs damit begründet, er habe vorerst die strafrechtliche Verjährung allfälliger Devisenvergehen abwarten müssen, und die Beklagte ihrerseits hat in der Klagebeantwortung den Standpunkt eingenommen, es wäre mit Treu und Glauben unvereinbar, ihr nach so langer Zeit die Beweislast für die Auftragserteilung aufzubürden. Das Handelsgericht hätte daher Anlass gehabt, nicht nur zu erwägen, wie sich das lange Zuwarten mit der Klage auf die Anforderungen an die Beweispflicht der Beklagten auswirke, sondern auch, ob das Verhalten des Klägers nicht als Rechtsmissbrauch zu bewerten sei. b) Eine Anspruchsverwirkung wegen rechtsmissbräuchlicher Verzögerung der gerichtlichen Geltendmachung darf nur mit grosser Zurückhaltung angenommen werden ( BGE 79 II 313 ). Insbesondere bei vertraglichen Ansprüchen rechtfertigt der blosse Zeitablauf für sich allein den Schluss auf das Vorliegen eines Rechtsmissbrauchs noch nicht. Das Gesetz sieht für die Geltendmachung vertraglicher Forderungen in der Regel eine Verjährungsfrist von 10 Jahren ( Art. 127 OR ), und für gewisse Kategorien von Forderungen eine solche von 5 Jahren ( Art. 128 OR ) vor. Innerhalb dieser Frist steht es dem Gläubiger frei, in welchem Zeitpunkt er seinen Anspruch geltend machen will. Er kann sogar die Verjährung durch Betreibung unterbrechen und damit den Ablauf der Verjährungsfrist noch weiter hinausschieben ( Art. 135 Ziff. 2 OR ). Unter gewissen Umständen sieht das Gesetz sodann vor, dass die Verjährung überhaupt nicht zu laufen beginnt oder stillsteht ( Art. 134 OR ). Das Gesetz nimmt es also in Kauf, dass sich infolge Zeitablaufs für den Schuldner Beweisschwierigkeiten ergeben können für den Nachweis, dass die angebliche Schuld getilgt worden oder anderweitig untergegangen ist. Soll das Rechtsinstitut der Verjährung nicht weitgehend BGE 94 II 37 S. 42 ausgehöhlt werden, so müssen daher zum blossen Zeitablauf noch weitere Umstände hinzutreten, damit eine rechtsmissbräuchliche Verzögerung in der Rechtsausübung angenommen werden darf (MERZ, Art. 2 ZGB N. 522 S. 365). c) Ein solcher Umstand kann darin liegen, dass die Rechtsausübung mit der früheren Untätigkeit des Berechtigten in unvereinbarem Widerspruch steht. Das kommt vor allem in Betracht bei Ansprüchen, für die keine gesetzliche Verwirkungs- oder Verjährungsfrist vorgesehen ist, wie z.B. bei Unterlassungsansprüchen, beim Persönlichkeitsrecht oder im immateriellen Güterrecht, wenn der Berechtigte eine Verletzung seines Rechts während langer Zeit widerspruchslos hingenommen hat ( BGE 73 II 190 , BGE 76 II 394 , BGE 85 II 129 Erw. 9). Bei Forderungsansprüchen kann dagegen eine Verwirkung aus diesem Grunde nur in Frage kommen, wenn die Untätigkeit des Gläubigers den Schluss nahelegt, er habe auf seine Forderung verzichtet. Diese Voraussetzung ist hier jedoch nicht erfüllt. Der Kläger hat nie auf den Anspruch auf Auszahlung des von der Exchange zurückbehaltenen Betrages verzichtet, sondern im Gegenteil sofort nach Entgegennahme des Saldobetrages aus dem Schweizerfranken-Konto am 19. Juli 1951 gegen die Zurückhaltung der Fr. 24 785.-- Einspruch erhoben. Auch in der Folge hat er wiederholt, nämlich im August 1951 und in den Jahren 1952 und 1954, die Auszahlung des zurückbehaltenen Betrages verlangt, und schliesslich hat er seinen Anspruch im Jahre 1961 durch Betreibung erneut geltend gemacht. d) Rechtsmissbräuchliche Verzögerung in der Geltendmachung einer Forderung ist ferner anzunehmen, wenn sie auf die Absicht des Gläubigers zurückzuführen ist, eine für den Schuldner nachteilige Beweisverdunkelung herbeizuführen ( BGE 59 II 392 f.). Solcher Absicht der Beweisverdunkelung bezichtigt die Beklagte den Kläger. Dieser bestreitet die Begründetheit dieses Vorwurfs und will seine Untätigkeit damit erklären, dass er bei früherer Durchsetzung seines Anspruches auf dem Rechtsweg hätte befürchten müssen, in Deutschland wegen Devisenvergehen und Steuerhinterziehung strafrechtlich belangt zu werden. Eine solche Gefahr vermag ein Zuwarten des Gläubigers mit der Rechtsausübung entgegen der Auffassung der Beklagten in der Tat grundsätzlich zu rechtfertigen. Das schweizerische Recht verpflichtet niemanden zu einem Verhalten, das ihn der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung, sei es auch im Ausland, aussetzen BGE 94 II 37 S. 43 könnte. Auf diesem Gedanken beruht z.B. auch das durch das Prozessrecht in der Regel einem Zeugen eingeräumte Recht der Zeugnisverweigerung, wenn er sich mit der Beantwortung einer Frage die Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung zuziehen kann (so z.B. BZP Art. 42 Abs. 1 lit. a). Das Gesetz billigt also dem persönlichen Interesse des Zeugen, sich einer möglicherweise verdienten Bestrafung zu entziehen, den Vorrang zu vor dem Interesse des Beweisführers, den ihm obliegenden Beweis erbringen zu können; ja sogar das öffentliche Interesse an der Ermittlung der Wahrheit, auf dem die allgemeine Zeugnispflicht beruht, hat hinter das genannte rein egoistische Interesse des Zeugen zurückzutreten. Das Bestreben des Klägers, die Gefahr strafrechtlicher Verfolgung abzuwenden, vermag daher sein Zuwarten mit der Rechtsausübung nicht als rechtsmissbräuchlich erscheinen zu lassen, wenn auch die von ihm begangenen strafbaren Handlungen moralisch zu missbilligen sind. Nach dem Eintritt der Verfolgungsverjährung für die Widerhandlungen gegen die deutschen Devisenvorschriften und die Steuerhinterziehungen bestand dagegen für den Kläger kein Anlass mehr, aus diesem Grunde die gerichtliche Durchsetzung seines Anspruchs weiter hinauszuschieben. Wie lange er zuwarten durfte, hängt somit wesentlich von der Dauer der Verjährungsfrist ab, die für die in Frage stehenden strafbaren Handlungen galt. Wie es sich damit verhält, kann beim gegebenen Aktenstand nicht entschieden werden. Die Sache ist daher zur Abklärung dieses Punktes an die Vorinstanz zurückzuweisen. Diese wird abzuklären haben, welche Verjährungsfrist die einschlägige deutsche Gesetzgebung für die Delikte vorsah, wegen denen der Kläger verfolgt zu werden befürchtete. Sollte sich herausstellen, dass er auch nach Ablauf dieser Verjährungsfristen erhebliche Zeit verstreichen liess, bis er sich entschloss, gegen die Beklagte gerichtlich vorzugehen, so wird die Vorinstanz auch zu ermitteln haben, ob hiefür stichhaltige Gründe vorlagen (wie z.B. Schwierigkeiten in der Beibringung des Beweismaterials für den behaupteten Anspruch), oder ob sich, gleich wie im FalleBGE 59 II 392f., eine solche weitere Verzögerung nur mit der arglistigen Absicht der Beweisverdunkelung zum Nachteil der Beklagten erklären lasse.
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Erwägungen ab Seite 245 BGE 98 V 245 S. 245 Aus den Erwägungen: 2. Das ausserordentliche Verfahren der Beitragsfestsetzung gemäss Art. 24 bis 27 AHVV findet unter anderem Anwen dung, wenn der Beitragspflichtige eine selbständige Erwerbstätigkeit aufnimmt. In diesem Falle ermittelt die Ausgleichskasse das massgebende reine Erwerbseinkommen für die Zeit von der Aufnahme der selbständigen Erwerbstätigkeit bis zum BGE 98 V 245 S. 246 Beginn der nächsten ordentlichen Beitragsperiode und setzt die entsprechenden Beiträge fest ( Art. 25 Abs. 1 AHVV ). Dabei sind die Beiträge in der Regel für jedes Kalenderjahr auf Grund des jeweiligen Jahreseinkommens zu bestimmen. Hingegen ist für die Beiträge des Vorjahres der nächsten ordentlichen Beitragsperiode in jedem Falle das reine Erwerbseinkommen massgebend, welches der Beitragsbemessung für diese Periode zugrunde zu legen ist ( Art. 25 Abs. 2 AHVV ). Um den Sinn dieser Regelung für das "Vorjahr" zu erläutern, ist zunächst klarzustellen, was in diesem Zusammenhang unter der "nächsten ordentlichen Beitragsperiode" zu verstehen ist. Offensichtlich kann es sich nur um eine Beitragsperiode handeln, für welche die Beiträge nach dem ordentlichen Veranlagungsverfahren für Selbständigerwerbende, d.h. nach Art. 22 und 23 AHVV festzusetzen sind. In der Fassung der Vollzugsverordnung vom 30. Dezember 1953, in Kraft ab 1. Januar 1954 (AS 1954 S. 219), war dies ausdrücklich gesagt: Art. 25 Abs. 1 lit. c bestimmte nämlich, im ausserordentlichen Verfahren erfolge die Beitragsbemessung "für das Vorjahr der nächsten ordentlichen Beitragsperiode, für welche die Beiträge gemäss Art. 24 berechnet werden können, auf Grund des Einkommens, welches der Beitragsbemessung für diese nächste Beitragsperiode zugrunde zu legen ist"; der genannte Art. 24 normierte das ordentliche Veranlagungsverfahren für die Beiträge der Selbständigerwerbenden. Diese damaligen Verordnungsbestimmungen galten immer als gesetzeskonform (vgl. EVGE 1959 S. 133). Als dann der Bundesrat am 19. November 1965 die Vollzugsverordnung zum AHVG erneut revidierte und die betreffenden Bestimmungen in die heute noch geltende systematischere und straffere Fassung brachte, fiel die oben erwähnte (kursiv gesetzte) Präzisierung weg. Damit war jedoch keine inhaltliche Änderung beabsichtigt. Vielmehr war jener Nebensatz offenbar als unnötige Selbstverständlichkeit betrachtet und lediglich aus diesem Grunde gestrichen worden. Daraus folgt, dass als "nächste ordentliche Beitragsperiode" diejenige Beitragsperiode gilt, für welche das Jahr der Aufnahme der selbständigen Erwerbstätigkeit Teil der gemäss Art. 22 Abs. 2 AHVV massgebenden Berechnungsperiode bildet, wobei mindestens 12 Monate der selbständigen Erwerbstätigkeit in diese Berechnungsperiode fallen müssen (vgl. die Anwendungsfälle BGE 98 V 245 S. 247 ZAK 1971 S. 443 ff. und das nicht veröffentlichte Urteil vom 6. September 1972 i.S. Minder; ferner EVGE 1959 S. 130 ff. = ZAK 1959 S. 383). Welche Bedeutung hat nun - aus dieser Sicht - die Regelung für das "Vorjahr" der nächsten ordentlichen Beitragsperiode gemäss Art. 25 Abs. 2 Satz 2 AHVV ? Nach ständiger Rechtsprechung des Eidg. Versicherungsgerichts stellt Art. 25 AHVV eine Ausnahmebestimmung dar, die nicht extensiv auszulegen und anzuwenden ist. Deshalb soll vom ausserordentlichen Verfahren der Beitragsfestsetzung so bald als möglich zum ordentlichen Verfahren übergegangen werden, auch wenn noch nicht eine volle zweijährige Berechnungsperiode zur Verfügung steht, genügt doch - wie gesagt - für die ordentliche Beitragsberechnung eine Steuerveranlagung, die ein während mindestens 12 Monaten innerhalb der Berechnungsperiode erzieltes Einkommen ausweist (ZAK 1971 S. 443, 1969 S. 296). Da im Rahmen des ordentlichen Verfahrens aber nicht die beiden unmittelbar der Beitragsperiode vorangehenden Jahre, sondern das zweit- und drittletzte Jahr vor der Beitragsperiode die Berechnungsperiode bilden, musste für den Übergang vom ausserordentlichen Verfahren, in welchem Berechnungs- und Beitragsjahr identisch sind (Gegenwartsbemessung), zum ordentlichen Verfahren eine Regelung für das Jahr unmittelbar vor der ordentlichen Beitragsperiode getroffen werden, in welcher das ordentliche Verfahren erstmals zur Anwendung gelangen kann. Diese notwendige Regelung für das Vorjahr ist nun nach der einheitlichen Zweckbestimmung des gesamten Art. 25 AHVV ausgerichtet: Es soll möglichst bald zum ordentlichen Verfahren gewechselt werden und allfällige anfängliche Unebenheiten können in der späteren Konstanz des ordentlichen Verfahrens ihren Ausgleich finden; deshalb sollen für das Vorjahr die gleichen Berechnungsgrundlagen gelten wie für die nächste bzw. erste ordentliche Beitragsperiode. Daraus erhellt, dass die Regelung betreffend das Vorjahr nur dort Sinn und Berechtigung hat, wo in den folgenden Jahren eine Veranlagung im ordentlichen Verfahren stattfinden kann; gibt es keine "nächste ordentliche Beitragsperiode", so gibt es auch kein "Vorjahr" dazu. Ist der Pflichtige in der auf das "Vorjahr" folgenden ordentlichen Beitragsperiode nicht mehr als Selbständigerwerbender zu erfassen und ist mithin ein Übergang vom ausserordentlichen zum ordentlichen Verfahren BGE 98 V 245 S. 248 der Beitragsfestsetzung aus diesem Grunde unmöglich, so kann auch die "Übergangs"-Regelung über das Vorjahr nicht Anwendung finden. Vielmehr ist in diesen Fällen (Aufgabe der selbständigen Erwerbstätigkeit vor dem Übergang zum ordentlichen Verfahren) das ausserordentliche Verfahren bis zum Ausscheiden aus der Beitragspflicht als Selbständigerwerbender beizubehalten. 3. Angewendet auf den vorliegenden Fall führen diese Erwägungen zu folgenden Ergebnissen: a) Am 1. Januar 1966 nahmen die beiden Beschwerdegegner eine selbständige Erwerbstätigkeit auf. Mit Recht hat die Kasse daher das ausserordentliche Verfahren gemäss Art. 25 AHVV angewendet. Ab 1. Januar 1968 waren die Beschwerdegegner wiederum in unselbständiger Stellung erwerbstätig. Im gleichen Zeitpunkt begann die nächste ordentliche Beitragsperiode 1968/69. Für diese konnten jedoch die Beiträge infolge Aufgabe der selbständigen Erwerbstätigkeit nicht nach dem ordentlichen Verfahren für Selbständigerwerbende gemäss Art. 22 und 23 AHVV berechnet werden. Folglich ist die Sonderregel für das "Vorjahr" nach dem Gesagten nicht anwendbar. Das bedeutet, dass die Ausgleichskasse das massgebende reine Erwerbseinkommen für die Zeit von der Aufnahme der selbständigen Erwerbstätigkeit bis zu deren Aufgabe (bzw. bis zum Beginn der nächsten ordentlichen Beitragsperiode) gemäss Art. 25 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 AHVV zu ermitteln und gestützt darauf die Beiträge für jedes Kalenderjahr auf Grund des jeweiligen Jahreseinkommens (also einzeln für 1966 und 1967) festzusetzen hat. Der Vorinstanz kann somit nicht beigepflichtet werden, wenn sie annimmt (Erw. 2 b in fine), das im Jahre 1966 erzielte Einkommen müsse nicht nur als Grundlage für das Beitragsjahr 1966 selbst, sondern auch für das Beitragsjahr 1967 betrachtet werden. Vielmehr sind die persönlichen Beiträge der Beschwerdegegner für das Jahr 1967 nach dem in diesem Jahr tatsächlich erzielten Einkommen festzusetzen. b) Zum gleichen Ergebnis gelangen auch die Ausgleichskasse in ihrer Verwaltungsgerichtsbeschwerde und das Bundesamt für Sozialversicherung in seiner Vernehmlassung an das Eidg. Versicherungsgericht, jedoch mit anderer Begründung. Sie möchten Art. 22 Abs. 3 AHVV analog auf den vorliegenden Sachverhalt anwenden; nach dieser Bestimmung wird der BGE 98 V 245 S. 249 Jahresbeitrag vom reinen Einkommen aus einer nebenberuflichen, gelegentlich ausgeübten selbständigen Erwerbstätigkeit für das Kalenderjahr festgesetzt, in dem es erzielt wurde. Das Bundesamt übersieht dabei zwar nicht, dass Art. 22 Abs. 3 AHVV sich seinem Wortlaut nach auf Einkommen aus einer nebenberuflichen, gelegentlich ausgeübten selbständigen Erwerbstätigkeit bezieht; aber es meint, diese Bestimmung sollte "naturgemäss auf jedes während nur verhältnismässig kurzer Zeit erzielte Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit anwendbar sein"; denn wesentlich sei das Zeitmoment: bei relativ kurzer Dauer der Erwerbstätigkeit sei ein Ausgleich der Einkommensschwankungen nicht möglich. Dieser Auffassung kann jedoch nicht beigepflichtet werden; die Präjudizien, auf welche sich die Verwaltung stützen zu können glaubt ( BGE 96 V 58 = ZAK 1971 S. 270, ZAK 1970 S. 398 und das nicht veröffentlichte Urteil vom 26. Mai 1970 i.S. Paterlini) beziehen sich ausschliesslich auf nebenberuflich ausgeübte selbständige Erwerbstätigkeiten. Eine analoge Anwendung des Art. 22 Abs. 3 AHVV ist umso weniger geboten, als nach den Ausführungen in Erwägung 2 die historische und teleologische Auslegung des direkt anwendbaren Art. 25 Abs. 1 und 2 AHVV das Problem in befriedigender und systemgetreuer Weise löst. 4. Was die materielle Einkommensermittlung betrifft, so ist davon auszugehen, dass die Ausgleichskasse gemäss Art. 26 Abs. 1 AHVV das reine Erwerbseinkommen auf Grund aller ihr zur Verfügung stehenden Unterlagen einzuschätzen hat. a) Die aktenmässigen Unterlagen über den ordentlichen Reingewinn der Beschwerdegegner in den Jahren 1966 und 1967 bestehen in den beiden Meldungen der kantonalen Wehrsteuerverwaltung und in einigen Angaben aus den Geschäftsabschlüssen der Kollektivgesellschaft, die der Steuerveranlagung gedient haben. Auf Grund dieser Belege hat die Ausgleichskasse die vorne wiedergegebenen Zahlen des ordentlichen Reingewinnes für 1966 und 1967 zusammengestellt. Es ist nicht Sache des letztinstanzlichen Richters, dieses Zahlenmaterial in allen Einzelheiten auf seine Übereinstimmung mit den vorhandenen Unterlagen hin zu überprüfen; er hat denn auch nicht selber eine berichtigte Beitragsverfügung zu erlassen, sondern zu entscheiden, nach welchen Grundsätzen dies im konkreten Fall zu geschehen habe. So ist es auch hier zu BGE 98 V 245 S. 250 halten. Die Kasse wird die von ihr in der Beschwerde zusammengestellten ordentlichen Reingewinne der Jahre 1966 und 1967, aufgeteilt auf die Beschwerdegegner im Verhältnis 2 (Walter Walz) zu 3 (Heinz Wenger), nochmals genau überprüfen und alsdann der Veranlagung des für die Beitragspflicht massgebenden Erwerbseinkommens im Sinne der vorstehenden Erwägungen zugrunde legen. Weiter wird die Kasse abklären, wie es mit der Aufrechnung der persönlichen Sozialversicherungsbeiträge steht, d.h. ob solche noch zu berücksichtigen oder ob sie allenfalls schon eingerechnet sind. Es bleibt der Kasse anheimgestellt, die vorhandenen Belege zu verwerten, diese zu ergänzen oder zu bereinigen, soweit sie dies für notwendig erachtet. Die Rückweisung soll überdies den Beschwerdegegnern Gelegenheit verschaffen, im Rahmen des Verwaltungsverfahrens zur definitiven Berechnung einlässlich Stellung nehmen zu können. b) Aus den Akten ergibt sich sodann, dass anlässlich der Umwandlung der Kollektivgesellschaft in eine Aktiengesellschaft Ende 1967 ein Liquidationsgewinn erzielt wurde, der gemäss Gesellschaftsvertrag zu 2/5 Walter Walz und zu 3/5 Heinz Wenger zufloss. Diese Liquidationsgewinnanteile wurden von der Steuerbehörde im Jahre 1967 mit der Jahressteuer gemäss Art. 43 WStB erfasst. Gemäss Art. 17 lit. d AHVV gelten eingetretene und verbuchte Wertvermehrungen und Kapitalgewinne von zur Führung kaufmännischer Bücher verpflichteten Unternehmungen als Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit. Diese Bestimmung wurde stets als gesetzeskonform betrachtet (letztmals in BGE 96 V 58 Erw. 2 = ZAK 1971 S. 270). Darunter fallen auch die Liquidationsgewinne, welche sich bei Auflösung oder Umwandlung eines buchführungspflichtigen Unternehmens ergeben; sie sind wirtschaftliches Ergebnis selbständiger Erwerbstätigkeit. Gemäss dem erwähnten BGE 96 V 58 ist die Rz. 84 der Wegleitung über die Beiträge der Selbständigerwerbenden und Nichterwerbstätigen (gültig ab 1. Januar 1970), welche solche - wehrsteuerrechtlich mit der sogenannten Jahressteuer nach Art. 43 WStB erfassten - Kapitalgewinne nicht zum massgebenden Erwerbseinkommen zählt, nicht gesetzeskonform. Im vorliegenden Fall war die von den Beschwerdegegnern bis Ende 1967 geführte Kollektivgesellschaft schon auf Grund BGE 98 V 245 S. 251 des Umsatzes buchführungspflichtig. Der in den Steuerakten ermittelte Liquidationsgewinn ist Ergebnis selbständiger Erwerbstätigkeit, das buchmässig erst anlässlich der Umwandlung der Firma in eine Aktiengesellschaft erfasst wurde. Die Beschwerdegegner haben diesen Gewinn, wie ausgeführt, nach Art. 17 lit. d und Art. 20 Abs. 1 AHVV sowie gemäss der einschlägigen Rechtsprechung zu verabgaben. Die gegenteilige - auch von den Beschwerdegegnern angerufene - Auffassung der Vorinstanz war bereits durch die Rechtsprechung des Eidg. Versicherungsgerichts überholt, als der angefochtene Rekursentscheid erging. Was die Vorinstanz im übrigen zur Begründung ihrer Auffassung ausführt, ist zudem durch das betreffend Nichtanwendung der Sonderregelung über das Vorjahr (in Erwägung 2 und 3) Gesagte widerlegt. Danach muss das für die Beitragspflicht massgebende Erwerbseinkommen für die beiden Jahre 1966 und 1967 nach der Gegenwartsbemessung veranlagt werden; demgemäss sind die genannten Anteile am Liquidationsgewinn zum Erwerbseinkommen des Jahres 1967 zu zählen, wie es die Kasse in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt.
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Sachverhalt ab Seite 375 BGE 106 IV 375 S. 375 A.- M. hat als Eigentümer über die in einem Mietobjekt ausgeführten Renovationsarbeiten eine Abrechnung erstellt und sie vom Maler N. quittieren lassen. Dieses Schriftstück verwendete er in der Auseinandersetzung mit einem ehemaligen Mieter als Beleg für die Höhe der von diesem zu bezahlenden Instandstellungskosten und reichte es als Beweismittel im Forderungsprozess dem Bezirksgericht Lenzburg ein. Die in der von M. erstellten Abrechnung aufgeführten Zahlen entsprechen - entgegen dem Anschein - nicht den effektiv an N. bezahlten Beträgen. M. liess die Arbeiten in Regie durch von ihm engagierte Kräfte (Maler N. und einen Hilfsarbeiter) ausführen und lieferte das Material. Nach den Feststellungen im kantonalen Verfahren entspricht die mit der Abrechnung geforderte Summe ungefähr den Kosten, welche bei Ausführung der Arbeiten durch ein Malergeschäft entstanden wären. B.- Während das Bezirksgericht Lenzburg M. von der gegen ihn wegen dieser Sache erhobenen Anklage des Betruges und der Urkundenfälschung freisprach, erachtete das Obergericht den Tatbestand der Urkundenfälschung als erfüllt und verurteilte M. deswegen sowie wegen einer in diesem Verfahren nicht zur Diskussion stehender Sachbeschädigung zu 6 Wochen Gefängnis. C.- Gegen den Schuldspruch wegen Urkundenfälschung führt M. Nichtigkeitsbeschwerde. BGE 106 IV 375 S. 376 Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Dass die von M. dem Bezirksgericht als Beweismittel eingereichte, durch N. unterzeichnete Abrechnung eine Urkunde im Sinne von Art. 110 Ziff. 5 StGB darstellt, ist unbestritten. Das Schriftstück ist bestimmt und geeignet, in der Auseinandersetzung mit dem Mieter zu beweisen, welchen Betrag M. für die Instandstellung der Wohnung dem beauftragten Handwerker bezahlt hat. Unbestritten ist auch, dass der Inhalt der Urkunde insofern unwahr ist, als M. dem N. nicht die in der Abrechnung erwähnten Beträge vergütete, sondern die Arbeit unter Beizug von N. in eigener Regie ausführen liess, dementsprechend das Material und die Hilfskraft direkt bezahlte und den Maler N. mit einem regulären Arbeitslohn (teilweise durch Kost und Logis) entschädigte. Die Zahlung an einen beauftragten Handwerker, die mit der Abrechnung belegt werden sollte, ist also in dieser Form und dieser Höhe nicht erfolgt. 2. In der Begründung der Nichtigkeitsbeschwerde wird nicht in Abrede gestellt, dass M. durch die Erstellung der inhaltlich unwahren Abrechnung die objektiven Tatbestandselemente der Falschbeurkundung erfüllt hat. Der Beschwerdeführer anerkennt die Unrechtmässigkeit der Urkunde, vertritt aber die Auffassung, weil die vom Mieter mit der unrechtmässigen Urkunde geforderten Renovationskosten nicht übersetzt gewesen seien, sei der durch die inhaltlich unwahre Urkunde angestrebte Vorteil kein unrechtmässiger; es fehle das subjektive Tatbestandselement des Art. 251 Ziff. 1 StGB . a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts liegt ein unrechtmässiger Vorteil auch darin, dass für einen an sich begründeten Anspruch wegen Fehlens von Beweisen ein falscher Beleg geschaffen bzw. verwendet wird; auch wer nicht einen materiell unrechtmässigen Anspruch durchsetzen will, aber Beweisschwierigkeiten bei der Durchsetzung eines berechtigten Anspruches durch eine falsche Urkunde zu überwinden sucht, verschafft sich gemäss ständiger Praxis im Sinne von Art. 251 StGB einen unrechtmässigen Vorteil ( BGE 106 IV 42 , BGE 102 IV 34 E. 2c, BGE 83 IV 81 ). b) Diese Rechtsprechung wird von STRATENWERTH kritisiert (Bes. Teil II, 2. Aufl. S. 181). Er macht geltend, das Gesetz BGE 106 IV 375 S. 377 könne unmöglich den Vorteil meinen, der schon im Beweiswert der Urkunde als solchem liege; der Vorteil müsse vielmehr ein mit Hilfe des (unrechtmässigen) Beweiswertes erstrebter sein, und wenn es insoweit um die blosse Durchsetzung bestehender Rechte oder die Abwehr von Unrecht gehe, so sei das per definitionem kein unrechtmässiger Vorteil. c) Würde man im Sinne dieser Argumentation den unrechtmässigen Beweiswert nicht als unrechtmässigen Vorteil betrachten, sondern darauf abstellen, ob der mit dem unrechtmässigen Beweis erstrebte materielle Vorteil unrechtmässig sei, so hätte dies zur Folge, dass jede noch so krasse Urkundenfälschung zur Durchsetzung eines berechtigten oder vom Täter für berechtigt gehaltenen Anspruchs straflos bleiben müsste. Die Grenze des Strafbaren könnte dabei natürlich nicht so gezogen werden, dass nur jene Fälle straflos blieben, in denen aufgrund anderer Beweise die Berechtigung des mit einer falschen Urkunde vertretenen Anspruchs bewiesen wäre, sondern der Einwand, der Täter habe mit der falschen Urkunde einen berechtigten Anspruch durchsetzen wollen und somit keinen unrechtmässigen Vorteil angestrebt, wäre stets zu hören und könnte nur mit dem Beweis widerlegt werden, dass der Täter bewusst einen materiell nicht begründeten Anspruch mit Hilfe der falschen Urkunde durchsetzen wollte. Für die Annahme, der Gesetzgeber habe mit der Formulierung von Art. 251 Ziff. 1 StGB jedem, der sich materiell im Recht glaubt, erlauben wollen, zur Durchsetzung seines Rechtes mit falschen Urkunden zu operieren, lassen sich keine sachlichen Gründe finden (vgl. zur Strafwürdigkeit: CL. DU PASQUIER, Essai sur la nature juridique du faux en écriture, thèse Lausanne 1909, S. 161 und 175). Stratenwerth kann sich zwar auf eine Fussnote von Hafter berufen (HAFTER, Bes. Teil, 2. Hälfte S. 600 E. 3); doch fehlt dort für die angegebene "Konsequenz" jede Begründung. Ob nicht schon der unrechtmässige Beweisvorteil genüge, wird von Hafter nicht erörtet. Die weit gefasste Umschreibung des subjektiven Tatbestandselementes ("oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen") erlaubt und gebietet die Erfassung jedes strafwürdigen Strebens nach einem unrechtmässigen Vorteil mittels falscher Urkunden. Fälschungen als harmloser Scherz oder spielerische Unterhaltung sollen straflos bleiben BGE 106 IV 375 S. 378 (SCHWANDER, 2. Aufl. Nr. 700). Wo hingegen die Verwendung einer falschen Urkunde der Täuschung im Rechtsverkehr dient, muss die Strafnorm nach ihrem Sinn und Zweck eingreifen, auch wenn der Täter den nicht widerlegbaren Einwand erhebt, er habe mit der falschen Urkunde einen berechtigten Anspruch durchsetzen wollen. An der bisherigen Praxis des Bundesgerichts ist daher festzuhalten.
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Sachverhalt ab Seite 330 BGE 128 III 330 S. 330 A.- A. (nachstehend: Kläger) mit Wohnsitz in der Schweiz und B. (nachstehend: Beklagter) mit Wohnsitz in Deutschland sind Brüder. Beide sind an der X. Gruppe beteiligt, zu der insbesondere die X. GmbH mit Sitz in Deutschland gehört. Am 18. Juni 1986 schlossen die Parteien eine als "Familienvertrag" bezeichnete Vereinbarung, welche später mehrfach ergänzt wurde. Diese Vereinbarung BGE 128 III 330 S. 331 hatte zum Zweck, die Willensbildung in den beiden Familienstämmen der Parteien jeweils so zu vereinheitlichen, dass jeder Familienstamm nur mit einer Stimme sprechen kann und die Geschäftsführungsorgane entsprechend paritätisch zu besetzen sind. Im Mai 1996 wurde der Sohn des Klägers, C., als Geschäftsführer der X. GmbH eingesetzt. Diese Funktion wurde ihm in der Folge auf Begehren des Klägers wieder entzogen. Daraufhin verlangte der Beklagte unter Berufung auf den "Familienvertrag" die Wiedereinsetzung von C. als Geschäftsführer der X. GmbH. B.- Am 23. August 1999 klagte der Kläger gestützt auf die Schiedsklausel im "Familienvertrag" beim Einzelschiedsrichter Dr. Bernhard Christ in Basel auf Feststellung, dass er nicht verpflichtet sei, der Ernennung von C. zum Geschäftsführer der X. GmbH zuzustimmen. Der Beklagte beantragte, auf die Klage nicht einzutreten, eventualiter sie abzuweisen. Zudem stellte er verschiedene Feststellungsbegehren bezüglich der Stellung von C. als zu rehabilitierendem Geschäftsführer. Am 12. Oktober 2000 stellte der Beklagte beim Zivilgericht Basel-Stadt das Begehren, den Einzelschiedsrichter wegen Befangenheit abzulehnen. Dieses Begehren wies der Zivilgerichtspräsident Basel-Stadt mit Erkenntnis vom 2. April 2001 ab. Dagegen erhob der Beklagte sowohl eine kantonale als auch eine staatsrechtliche Beschwerde. Mit Letzterer beantragte er insbesondere die Anordnung vorsorglicher Massnahmen und die Sistierung des kantonalen Beschwerdeverfahrens. Diese Anträge wies das Bundesgericht mit Präsidialverfügung vom 10. Mai 2001 wegen Aussichtslosigkeit der Beschwerde ab. Daraufhin zog der Beklagte die staatsrechtliche Beschwerde zurück. Das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt hiess die kantonale Beschwerde insoweit gut, als es den Kostenentscheid des Zivilgerichts bezüglich der Parteientschädigung für den Schiedsrichter aufhob. Im Übrigen hat das Appellationsgericht die Beschwerde abgewiesen, soweit es darauf eintrat. Mit Urteil vom 12. Februar 2002 hiess das Schiedsgericht die Klage gut und wies die Rechtsbegehren des Beklagten ab. Der Beklagte erhob Schiedsbeschwerde gemäss Art. 190 ff. IPRG (SR 291) mit den Anträgen, das Schiedsurteil vom 12. Februar 2002 sei aufzuheben und die Sache sei an den von den Parteien für Folgeschiedsverfahren nach dem Familienvertrag gemeinsam bestellten Einzelschiedsrichter Prof. Dr. Anton K. Schnyder zur Neubeurteilung zu verweisen. Zudem ersuchte der Beklagte darum, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzusprechen. Dieses BGE 128 III 330 S. 332 Gesuch wurde mit Präsidialbeschluss vom 30. April 2002 abgewiesen. Der Kläger und der Einzelschiedsrichter beantragen, auf die Beschwerde nicht einzutreten, eventualiter sie abzuweisen. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. 2.1 Der Beschwerdeführer rügt dem Sinne nach, das Zivilgericht habe zu Unrecht die Befangenheit des Schiedsrichters verneint, weshalb das Schiedsgericht vorschriftswidrig zusammengesetzt sei. Damit sei Art. 190 Abs. 2 lit. a IPRG verletzt, was im Rahmen der Anfechtung des Schiedsentscheides geltend gemacht werden könne. Der Beschwerdegegner und der Schiedsrichter machen geltend, der Entscheid des Zivilgerichts sei endgültig und könne daher vom Bundesgericht auch indirekt nicht mehr überprüft werden. 2.2 Soweit die Parteien das Ablehnungsverfahren nicht geregelt haben, entscheidet gemäss Art. 180 Abs. 3 IPRG der Richter am Sitz des Schiedsgerichts endgültig. Das Bundesgericht hat unter Berufung auf die Materialien erkannt, die Endgültigkeit solcher Entscheide bedeute, dass sie nicht direkt mit staatsrechtlicher Beschwerde angefochten werden können ( BGE 122 I 370 E. 2). Offen gelassen wurde dagegen die Frage, ob unbesehen eines negativen Entscheids des staatlichen Richters der spätere Schiedsentscheid gestützt auf Art. 190 Abs. 2 lit. a IPRG wegen der Mitwirkung eines ablehnbaren Schiedsrichters angefochten werden kann oder ob diese Anfechtungsmöglichkeit auf Fälle beschränkt ist, in denen ein von den Parteien ernanntes Gremium über das Ablehnungsgesuch befand ( BGE 122 I 370 E. 2d S. 373). Diese Möglichkeit der indirekten Anfechtung von Ausstandsentscheiden privater Gremien hat das Bundesgericht mit der Begründung zugelassen, eine Rechtsordnung müsse sich die Möglichkeit vorbehalten, Schiedsspruch und -verfahren auf ihre rechtsstaatliche Unbedenklichkeit zu überprüfen, wozu die Unparteilichkeit eines Schiedsrichters gehöre ( BGE 118 II 359 E. 3b; vgl. auch Urteil des Bundesgerichts 4P.292/1993 vom 30. Juni 1994, E. 4). Da die Unparteilichkeit des Schiedsrichters bei einem Ausstandsentscheid gemäss Art. 180 Abs. 3 IPRG bereits von einem staatlichen Richter überprüft wurde, entfällt insoweit das Bedürfnis nach einer weiteren staatlichen Kontrolle. Gemäss der Zielsetzung der gesetzlichen Ordnung über die internationale Schiedsgerichtsbarkeit, die BGE 128 III 330 S. 333 Anfechtungsmöglichkeiten in diesen Verfahren tunlichst zu beschränken (vgl. BGE 122 I 370 E. 2d S. 372), ist daher die Endgültigkeit des Entscheides gemäss Art. 180 Abs. 3 IPRG nach der herrschenden Lehre dahingehend zu verstehen, dass sie auch eine spätere Überprüfung des Ablehnungsentscheides des kantonalen Richters im Rahmen der Anfechtung des Schiedsgerichtsentscheides ausschliesst (WALTER/BOSCH/BRÖNNIMANN, Internationale Schiedsgerichtsbarkeit in der Schweiz, Kommentar zu Kapitel 12 des IPR-Gesetzes, S. 111; LALIVE/POUDRET/REYMOND, Le droit de l'arbitrage interne et international en Suisse, N. 12 zu Art. 180 IPRG ; HEINI, in: IPRG-Kommentar, N. 20 zu Art. 190 IPRG ; RÜEDE/HADENFELDT, Schweizerisches Schiedsgerichtsrecht, 2. Aufl., S. 187 Fn. 155; ANDREAS BUCHER, Le nouvel arbitrage international en Suisse, S. 116 Rz. 341; HANS PETER WALTER, Praktische Probleme der staatsrechtlichen Beschwerde gegen internationale Schiedsentscheide ( Art. 190 IPRG ), in: Bulletin SVS 19/2001 S. 2 ff., S. 12; GERHARD WALTER, Einige prozessuale Aspekte der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit in der Schweiz, in: Etudes de droit international en l'honneur de Pierre Lalive, S. 699 ff., S. 704; derselbe, La loi suisse sur l'arbitrage international - Questions ouvertes sur les moyens de recours, in: SJ 1990 S. 384 ff., S. 385 Fn. 4; derselbe, Die internationale Schiedsgerichtsbarkeit in der Schweiz - Offene Fragen zu Kap. 12 des IPR-Gesetzes, in: ZBJV 126/1990 S. 161 ff., S. 168; a.M. PETER/FREYMOND, Basler Kommentar, N. 36 zu Art. 180 IPRG ; PIERRE A. KARRER, Les rapports entre le tribunal arbitral, les tribunaux étatiques et l'institution arbitrale, in: Revue de droit des affaires internationales/International Business Law Journal 1989 S. 761 ff., S. 766; MARC BLESSING, The New International Arbitration Law in Switzerland, A Significant Step Towards Liberalism, in: Journal of International Arbitration 5/1988 Nr. 2 S. 9 ff., S. 41). 2.3 Aus dem Gesagten folgt, dass auf die Schiedsbeschwerde, welche sich inhaltlich alleine gegen den Ausstandsentscheid des Zivilgerichtspräsidenten richtet, nicht einzutreten ist.
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Sachverhalt ab Seite 378 BGE 141 V 377 S. 378 A. Gestützt auf die Angaben des in X. wohnhaften österreichischen Staatsangehörigen A. im Fragebogen zur Abklärung der Beitragspflicht AHV/IV/EO für Nichterwerbstätige vom 21. Mai 2010 und die entsprechende Steuermeldung setzte die Ausgleichskasse des Kantons St. Gallen (nachfolgend: Ausgleichskasse) vom Versicherten geschuldete Akonto-Beiträge für das Jahr 2012 in der Höhe von Fr. 9'495.10, einschliesslich Verwaltungskosten, fest, wobei der Beitragsverfügung ein Vermögen von Fr. 3'600'000.- zugrunde lag. Am 29. Juli 2013 meldete das Steueramt X. der Ausgleichskasse, der nach Aufwand besteuerte A. habe 2012 gemäss Einschätzung vom 28. Mai 2013 ein Renteneinkommen von Fr. 187'000.- erzielt und verfüge über ein beitragspflichtiges Vermögen (100 %) von Fr. 4'075'000.-. Aufgrund dieser Angaben der Steuerbehörde erliess die Ausgleichskasse am 23. August 2013 für das Jahr 2012 eine Nachtragsverfügung. Damit verpflichtete sie A. für das Jahr 2012 zur Bezahlung von Beiträgen in der Höhe von insgesamt Fr. 22'862.50, einschliesslich Verwaltungskosten, abzüglich der bereits verfügten Beiträge von Fr. 9'495.10, entsprechend einer Differenz von Fr. 13'367.40, einschliesslich Verwaltungskosten. Der Nachtragsverfügung lagen ein Renteneinkommen von Fr. 3'740'000.- (Fr. 187'000.- x 20) sowie ein Reinvermögen (am 31. Dezember 2012) von Fr. 4'075'000.-, total ein massgebendes Vermögen von Fr. 7'815'000.-, zugrunde. Auf Einsprache hin hielt die Ausgleichskasse mit Entscheid vom 22. Oktober 2013 an ihrer Nachtragsverfügung fest. B. Die hiegegen eingereichte Beschwerde, mit welcher A. beantragen liess, unter Aufhebung des Einspracheentscheides seien seine persönlichen Beiträge als Nichterwerbstätiger für das Jahr 2012 einzig auf der Grundlage seines Vermögens von Fr. 4'075'000.- zu BGE 141 V 377 S. 379 bemessen, wies das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 18. September 2014 ab. C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt A. das vorinstanzlich gestellte Rechtsbegehren erneuern. Ferner ersucht er um Gewährung der aufschiebenden Wirkung. Während die Ausgleichskasse auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Gemäss Art. 10 Abs. 1 AHVG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 der Verordnung 15 vom 15. Oktober 2014 über Anpassungen an die Lohn- und Preisentwicklung bei der AHV/IV/EO (SR 831.108), in Kraft seit 1. Januar 2015, bezahlen Nichterwerbstätige einen Beitrag nach ihren sozialen Verhältnissen. Der Mindestbeitrag beträgt Fr. 392.- (bis 31. Dezember 2014: Fr. 387.-), der Höchstbeitrag entspricht dem 50-fachen Mindestbeitrag (Abs. 1 und 2). Gemäss Art. 10 Abs. 3 AHVG erlässt der Bundesrat nähere Vorschriften über den Kreis der Personen, die als Nichterwerbstätige gelten, und über die Bemessung der Beiträge. Die Beiträge der Nichterwerbstätigen, für die nicht der jährliche Mindestbeitrag vorgesehen ist, bemessen sich aufgrund ihres Vermögens und Renteneinkommens. Nicht zum Renteneinkommen gehören die Renten nach den Art. 36 und 39 IVG ( Art. 28 Abs. 1 AHVV [SR 831.101]). Verfügt eine nicht erwerbstätige Person gleichzeitig über Vermögen und Renteneinkommen, so wird der mit 20 multiplizierte jährliche Rentenbetrag zum Vermögen hinzugerechnet ( Art. 28 Abs. 2 AHVV ). Der für die Besteuerung nach dem Aufwand nach Art. 14 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer (DBG; SR 642.11), in Kraft seit 1. Januar 1995, geschätzte Aufwand ist dem Renteneinkommen gleichzusetzen. Die betreffenden Veranlagungen für die direkte Bundessteuer sind für die Ausgleichskassen verbindlich ( Art. 29 Abs. 5 AHVV ). Laut Art. 14 Abs. 1 und 2 DBG haben ausländische Staatsangehörige, die in der Schweiz keine Erwerbstätigkeit ausüben, anstelle der Einkommenssteuer eine Steuer nach dem Aufwand zu entrichten. Die Steuer wird nach dem Aufwand der steuerpflichtigen Person und ihrer Familie bemessen und erfasst u.a. den Bruttobetrag der Einkünfte aus dem in der Schweiz gelegenen BGE 141 V 377 S. 380 unbeweglichen Vermögen ( Art. 14 Abs. 3 lit. a DBG ). Die Höhe der AHV/IV/EO-Beiträge der Nichterwerbstätigen ergibt sich aus Art. 10 Abs. 1 AHVG , Art. 3 Abs. 1 bis IVG sowie Art. 27 Abs. 2 EOG (SR 834.1). 2. 2.1 Der Beschwerdeführer wird im Sinne von Art. 14 DBG nach Aufwand besteuert. Die Vorinstanz hat in Übereinstimmung mit der Ausgleichskasse die AHV/IV/EO-Beiträge, die er für 2012 als Nichterwerbstätiger schuldet, auf Fr. 22'862.50, einschliesslich Verwaltungskosten, festgesetzt. Den Beiträgen liegen ein Renteneinkommen (Aufwand) von Fr. 187'000.- sowie ein beitragspflichtiges Vermögen von Fr. 4'075'000.- zugrunde. Nach Multiplikation des Renteneinkommens mit 20 im Sinne von Art. 28 Abs. 2 AHVV resultierte ein massgebendes Vermögen von Fr. 7'815'000.- ([Fr. 187'000.- x 20] + Fr. 4'075'000.-). 2.2 Der Beschwerdeführer wendet im Wesentlichen ein, tatsächlich über kein Renteneinkommen zu verfügen. Beim Betrag von Fr. 187'000.-, der mit 20 multipliziert zum Vermögen hinzugerechnet wurde, handle es sich um einen fiktiven Wert. Mangels Renteneinkünften bestreite er seinen Lebensaufwand hauptsächlich durch Vermögensverzehr. Die Fiktion eines Renteneinkommens nach Art. 29 Abs. 5 AHVV verletze die Rechtsgleichheit, indem nicht danach unterschieden werde, ob ein Nichterwerbstätiger über ein tatsächliches Renteneinkommen verfügt oder nicht. Art 29 Abs. 5 AHVV sodann sei durch die Delegationsnorm des Art. 10 Abs. 1 AHVG nicht gedeckt. (...) 4. 4.1 Wie erwähnt, bestreitet der Beschwerdeführer die Verfassungs- und Gesetzmässigkeit von Art. 29 Abs. 5 AHVV und bringt insbesondere vor, dass diese Verordnungsbestimmung für die Beitragsfestsetzung ein Renteneinkommen heranzieht, über das nicht alle nach Aufwand besteuerten Personen verfügten. So stehe auch ihm keine Rente zu. Dadurch würden unterschiedliche Sachverhalte (Bestreitung des Lebensunterhalts durch Renteneinkommen im einen Fall oder durch Vermögensverzehr im anderen Fall) beitragsrechtlich gleich behandelt; damit werde das Gebot rechtsgleicher Behandlung nach Art. 8 Abs. 1 BV verletzt. Weil verfassungswidrig, sei Art. 29 Abs. 5 AHVV nicht anwendbar. Fraglich sei des Weiteren, ob Art. 10 Abs. 1 AHVG eine genügende gesetzliche Grundlage für BGE 141 V 377 S. 381 die Erhebung und Bemessung der Nichterwerbstätigenbeiträge bilde. Die Fiktion, dass der Lebensaufwand, den ein Pauschalbesteuerter zu Lasten seines Vermögens bestreitet, einem Renteneinkommen gleichzusetzen ist, sei durch die Delegationsnorm des Art. 10 Abs. 1 und 3 AHVG nicht gedeckt. 4.2 Die Delegationsnorm des Art. 10 Abs. 3 AHVG eröffnet dem Bundesrat einen weiten Spielraum zur Regelung der Beitragsbemessung bei nichterwerbstätigen Versicherten, indem sie von jeglicher Einschränkung der zu treffenden Ordnung absieht, den Erlass näherer Vorschriften über den Kreis der Personen, die als Nichterwerbstätige gelten, und die Bemessung der Beiträge dem Verordnungsgeber überlässt. In BGE 125 V 221 E. 3c/aa S. 224 hat das Eidgenössische Versicherungsgericht in Bestätigung seiner früheren Rechtsprechung Art. 28 Abs. 1 AHVV , wonach Nichterwerbstätige die Beiträge auf Grund ihres Vermögens und Renteneinkommens zu bezahlen haben, als gesetzmässig erklärt. Die Verordnungsbestimmung halte sich im Rahmen von Art. 10 Abs. 1 AHVG , der die Bemessung der Beiträge der Nichterwerbstätigen nach ihren sozialen Verhältnissen vorsieht. Die beschwerdeweise als verfassungswidrig kritisierte Regelung der Beitragsbemessung bei nach Aufwand besteuerten Versicherten hält sich ebenso im Rahmen der dem Bundesrat zukommenden Rechtsetzungsbefugnis. Eine Verletzung der diesem eingeräumten Kompetenzen zum Erlass der entsprechenden Vorschriften ist nicht erkennbar. Art. 29 Abs. 5 AHVV verletzt weder das Willkürverbot noch das Gebot der rechtsgleichen Behandlung ( Art. 9 und 8 Abs. 1 BV ), sondern stützt sich auf ernsthafte sachliche Gründe. Dass sich die Verordnungsnorm mangels näherer gesetzlicher Vorgaben inhaltlich eng an die steuerrechtlichen Bestimmungen anlehnt, ist sachlich gerechtfertigt, wenn nicht gar geboten. So zieht die Besteuerung nach dem Aufwand, wie sie Art. 14 DBG hauptsächlich für ausländische Staatsangehörige mit steuerrechtlichem Wohnsitz oder Aufenthalt in der Schweiz vorsieht, die hier keine Erwerbstätigkeit ausüben, als Bemessungsgrundlage den Aufwand der steuerpflichtigen Person und ihrer Familie heran (Abs. 3). Art. 29 Abs. 5 AHVV nimmt auf diese bundessteuergesetzliche Bestimmung Bezug, indem er anordnet, dass der für die Besteuerung nach dem Aufwand nach Art. 14 DBG geschätzte Aufwand dem Renteneinkommen gleichzusetzen ist, wobei die betreffenden Veranlagungen für die direkte Bundessteuer für die Ausgleichskassen verbindlich sind. Dass nebst dem Vermögen der Aufwand des Versicherten zur BGE 141 V 377 S. 382 Beitragsberechnung heranzuziehen ist, hält sich an den in Art. 10 Abs. 1 AHVG vorgegebenen Rahmen, indem auch damit die sozialen Verhältnisse der beitragspflichtigen Person berücksichtigt werden, die sich auch und gerade in den Wohnverhältnissen, d.h. der Höhe des Eigenmietwerts oder des Mietzinses, widerspiegeln, welche die Höhe des anzurechnenden Aufwandes massgeblich oder allein bestimmen (E. 4.3 hienach). 4.3 Der Beschwerdeführer bestreitet letztlich einzig, dass als Grundlage für die Beitragsbemessung nebst dem Vermögen ein "fiktives" Renteneinkommen angerechnet werde. Bei dem für die Besteuerung nach Aufwand gemäss Art. 14 DBG geschätzten Aufwand, der nach Art. 29 Abs. 5 AHVV dem Renteneinkommen gleichzusetzen ist, dessen Mitberücksichtigung als Beitragsberechnungsgrundlage grundsätzlich gesetzmässig ist ( BGE 125 V 221 E. 3c/aa S. 224), handelt es sich, wie bereits festgehalten, um den nämlichen Betrag, der für die Steuerveranlagung nach Aufwand (Pauschalbesteuerung) massgebend ist (vgl. Art. 14 Abs. 3 DBG ). Laut Art. 1 Abs. 1 der Verordnung vom 15. März 1993 über die Besteuerung nach dem Aufwand bei der direkten Bundessteuer (SR 642.123) wird die Steuer nach dem Aufwand nach den jährlichen in der Bemessungsperiode entstandenen Lebenshaltungskosten der Steuerpflichtigen und der von ihnen unterhaltenen, in der Schweiz lebenden Personen berechnet. Sie beruht mindestens auf: a) dem Fünffachen des Mietzinses oder des Mietwerts der Wohnung im eigenen Haus für Steuerpflichtige, die einen eigenen Haushalt führen. b) (...) Abs. 2 lautet: Ergibt sich nach Art. 14 Abs. 3 DBG ein höherer Steuerbetrag, so geht dieser vor. 4.4 Wenn dem Beschwerdeführer gestützt auf Art. 1 dieser Verordnung für die direkte Bundessteuer Lebenshaltungskosten von Fr. 187'000.- angerechnet werden, ist seine Logik, dass der gleiche Betrag für die Belange der AHV eine blosse Fiktion darstellt, nicht nachvollziehbar. Dass es sich nicht so verhält, wie der Beschwerdeführer geltend macht, ist systemimmanent: Wenn Art. 14 Abs. 3 DBG die Steuer nach dem Aufwand der steuerpflichtigen Person und ihrer Familie bemisst (vgl. OLIVER ARTER, Die Aufwandbesteuerung, AJP 2007 S. 165 f.), wobei gemäss Art. 1 lit. a der Verordnung über die Besteuerung nach dem Aufwand in der Regel das Fünffache des Mietzinses oder des Mietwerts im eigenen Haus als BGE 141 V 377 S. 383 Berechnungsgrundlage herangezogen wird und Art. 29 Abs. 5 AHVV diesen Wert dem für die AHV-Beiträge teilweise als Bemessungsgrundlage dienenden Renteneinkommen gleichsetzt, kann der identische Aufwand nicht steuerrechtlich als gesetzes- und verfassungskonform, AHV-rechtlich hingegen als verfassungswidrig gelten. Die Argumentation des Beschwerdeführers ist allein dem Wortlaut verhaftet, wenn er einzig die Wendung "Renteneinkommen" nach Art. 28 Abs. 1 bis 4 und Art. 29 Abs. 5 AHVV als massgebend erachtet. Als Bemessungsgrundlage nebst dem Vermögen dient der Aufwand im umschriebenen Sinn. Ob die nach Aufwand besteuerte Person nebst ihrem Vermögen über ein Renteneinkommen im engeren Sinn, das nach Art. 14 Abs. 3 lit. e DBG überdies aus schweizerischen Quellen fliessen müsste, verfügt, ist unerheblich. Da unter dem Begriff Renteneinkommen gemäss Art. 29 Abs. 5 AHVV der Aufwand im Sinne von Art. 14 DBG und Art. 1 der Verordnung über die Besteuerung nach dem Aufwand, d.h. in aller Regel das Fünffache des Eigenmietwerts, zu verstehen ist, kann keine AHV-rechtlich bedeutsame, gegen Art. 8 Abs. 1 BV verstossende Ungleichbehandlung der nach Aufwand besteuerten Personen mit Renteneinkommen im eigentlichen Sinn und jenen ohne solche Renteneinkünfte eintreten. Weil die Frage nach einem Renteneinkommen im engeren Sinn keine Auswirkungen auf die Höhe der geschuldeten Beiträge hat, ist der Behauptung des Beschwerdeführers, weil er keine Rente beziehe, müsse er beitragsrechtlich anders behandelt werden als die pauschal besteuerten Versicherten mit einem Rentenanspruch, die Grundlage entzogen. Eine Gleichbehandlung von in wesentlichen Aspekten unterschiedlichen Tatbeständen ohne Rücksicht auf deren Ungleichkeit liegt bei der gegebenen Rechtslage entgegen den Ausführungen in der Beschwerde nicht vor. Eine Verletzung des Gebots rechtsgleicher Behandlung ( Art. 8 Abs. 1 BV ; BGE 140 I 77 E. 5.1 S. 80; BGE 134 I 23 E. 9.1 S. 42; BGE 133 V 569 E. 5.1 S. 570 f.), das auch bei einer Gleichbehandlung unterschiedlicher Konstellationen verletzt sein kann, ist damit nicht gegeben. 4.5 Die Unterscheidung wird in Gesetz und Verordnung an anderer Stelle getroffen: Nichterwerbstätige Versicherte ohne Sonderstatus als Pauschalbesteuerte bezahlen nach Art. 10 Abs. 1 AHVG und Art. 28 Abs. 1 und 2 AHVV Beiträge aufgrund ihres Vermögens und des tatsächlichen jährlichen Renteneinkommens, was, wie dargelegt, in Bezug auf das Substrat "tatsächliches" Renteneinkommen für diejenigen nichterwerbstätigen Personen, die nach Aufwand besteuert werden, nicht zutrifft. Mit andern Worten wird bei BGE 141 V 377 S. 384 pauschalbesteuerten Personen in jedem Fall ein fiktives Renteneinkommen angenommen, welches durch den (Lebens-)aufwand bestimmt wird ( Art. 29 Abs. 5 AHVV ), währenddem beim Nichterwerbstätigen ohne Sonderstatus zusätzlich zum Vermögen ausschliesslich das effektive Renteneinkommen massgeblich ist. Was sodann die unterschiedlichen sozialen Verhältnisse betrifft, welche nach Auffassung des Beschwerdeführers innerhalb des Personenkreises bestehen, der von der Pauschalbesteuerung profitiert, wird diesem Umstand gemäss Art. 29 Abs. 5 AHVV durch das Abstellen auf einen unterschiedlich hohen Aufwand Rechnung getragen. Der Beschwerdeführer rügt schliesslich, für die Beitragsbemessung dürfe der Verordnungsgeber nebst dem Vermögen nicht auch noch den Aufwand als Bemessungsgrundlage heranziehen. Dies geschieht - wie erwähnt - in Anlehnung an das Steuerrecht. Auch bei der Festsetzung der Beiträge der Selbständigerwerbenden ( Art. 9 Abs. 3 AHVG ; Art. 23 AHVV ) lehnt sich das AHV-Beitragsrecht an die Regelung im Steuerrecht an. Der Beschwerdeführer bringt keine einsichtigen Argumente vor, weshalb diese Parallelität nicht auch vorliegend massgeblich sein soll. 5. 5.1 Soweit sich die Rüge einer Verletzung des Rechtsgleichheitsgebots sinngemäss auf die Höhe des von Ausgleichskasse und Vorinstanz festgelegten Aufwands (sog. "Renteneinkommen") und der darauf basierenden Beiträge im Vergleich zu den bis 2011 erhobenen Beiträgen sowie zur Beitragsfestsetzung aufgrund einer ordentlichen, nicht nach Aufwand erfolgten Steuerveranlagung, bezieht, was aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer mit der Beitragsfestsetzung für 2010 und 2011 offenbar einverstanden war, geschlossen werden könnte, ist sie ebenfalls unbegründet. Wie der Versicherte selbst erwähnt, ist der Höchstbetrag für Nichterwerbstätige nach Art. 10 Abs. 1 AHVG auf den 1. Januar 2012 mehr als verdoppelt worden, indem statt eines Fixbetrages (Fr. 8'400.-) nunmehr das 50-fache des Mindestbeitrages von Fr. 387.- (seit 1. Januar 2012: Fr. 392.-) massgebend ist. Falls der Beschwerdeführer zufolge dieser Gesetzesanpassung als Pauschalbesteuerter höhere AHV/IV/EO-Beiträge zu entrichten hat als im Falle einer Besteuerung auf der Grundlage des effektiven Einkommens und Vermögens, ist es ihm unbenommen, die im Hinblick auf den Wechsel zu einer ordentlichen Steuerveranlagung mangels weiterer Erfüllung der Voraussetzungen für die Pauschalbesteuerung (vgl. ARTER, a.a.O., S. 173 f.) BGE 141 V 377 S. 385 erforderlichen Schritte in die Wege zu leiten. Da die Besteuerung nach Aufwand, welche die Beitragsfestsetzung nach Massgabe von Art. 29 Abs. 5 AHVV nach sich zieht, freiwillig erfolgt, wie bereits die Vorinstanz zutreffend festgehalten hat, und namentlich wohl ein Rechtsanspruch, aber keine Pflicht besteht, sich bei Erfüllung sämtlicher (subjektiven und objektiven) Voraussetzungen pauschal besteuern zu lassen (ARTER, a.a.O., S. 160), kann der Versicherte diesen steuerrechtlichen Status auch wieder beenden. 5.2 Nicht möglich ist es hingegen, die sich nachträglich infolge der Festsetzung höherer AHV/IV/EO-Beiträge allenfalls ungünstig auswirkende Wahl der Besteuerung nach Aufwand im Beitragsbereich mittels Beschwerde gegen die Beitragsfestsetzung zu korrigieren, wie dies der Versicherte offenbar anstrebt.
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Sachverhalt ab Seite 74 BGE 109 IV 73 S. 74 A.- Das Bezirksgericht Aarau verurteilte S. am 8. September 1982 wegen Verübung einer Tat in selbstverschuldeter Unzurechnungsfähigkeit gemäss Art. 263 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 111 StGB zu drei Jahren Gefängnis, abzüglich 259 Tage erstandene Untersuchungshaft. Es schob den Vollzug der Freiheitsstrafe auf und ordnete die Verwahrung gemäss Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 StGB an. Das Obergericht des Kantons Aargau hiess am 10. Juni 1983 eine dagegen eingereichte Berufung des Beschwerdeführers teilweise dahin gut, dass es diesen in Anwendung von Art. 263 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 122 Ziff. 2 StGB zu zwei Jahren Gefängnis, abzüglich die gesamte bis zum zweitinstanzlichen Entscheid erstandene Untersuchungshaft, verurteilte. Im übrigen wies das Gericht die Berufung ab unter gleichzeitiger Überbindung der Hälfte der obergerichtlichen Verfahrenskosten. B.- S. führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts sei teilweise aufzuheben, und es sei die BGE 109 IV 73 S. 75 Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit sie eine Massnahme nach Art. 44 Ziff. 1 StGB anordne. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 2. Der Beschwerdeführer hat einen Menschen wegen eines nichtigen Anlasses mit einem Messer getötet. Er befand sich dabei in einem pathologischen Rausch verbunden mit einer Alkoholpsychose, die beide die Folgen eines seit Jahren währenden, schweren chronischen Alkoholmissbrauchs waren und seine Zurechnungsfähigkeit zur Zeit der Tat aufgehoben hatten. Mehrere Alkoholentziehungskuren in Trinkerheilanstalten waren ohne Erfolg geblieben. Nach dem Gutachten des im kantonalen Verfahren beigezogenen Experten bedarf der Beschwerdeführer wegen seiner schweren, durch den chronischen Alkoholismus bedingten körperlichen Schädigungen zeitlebens einer intensiven ärztlichen Betreuung, während eine psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung zu keinem Erfolg führen dürfte. Auch stellte der Gutachter fest, es sei mit grosser Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass S. nach einer Haftentlassung wieder zu Alkoholmissbrauch neigen werde, und es sei jederzeit denkbar, dass erneut ein pathologischer Rausch oder eine Alkoholpsychose auftreten könne, unter deren Einfluss der Beschwerdeführer die öffentliche Sicherheit in schwerwiegender Weise gefährden würde. In der Hauptverhandlung vor erster Instanz bekräftigte und ergänzte der Experte sein Gutachten, wobei er hervorhob, dass er den Beschwerdeführer aufgrund der Vorgeschichte als unheilbar dem Alkohol verfallen betrachte, und dass im übrigen eine Heilung mit Antabus wegen der somatischen Störungen des S. ausser Betracht falle; schliesslich sei der Drang nach Alkohol, auch wenn der Wille, sich von diesem fernzuhalten, vorhanden sein möge, beim Beschwerdeführer derart massiv, "dass er nicht davon wegkommen kann". 3. Gestützt auf diese Feststellungen des Gutachters nahm die Vorinstanz in Übereinstimmung mit dem Bezirksgericht Aarau an, ein erneuter Versuch, den Beschwerdeführer in einer Trinkerheilanstalt von seiner Sucht zu befreien, sei sinnlos, weshalb sie von der Anwendung von Art. 44 Ziff. 1 StGB absah. Dies ist entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers mit Recht geschehen. Voraussetzung für die Anordnung einer Massnahme nach Art. 44 StGB ist die Behandlungsfähigkeit des Täters. Ist dieser unheilbar und verspricht die Behandlung deshalb von vorneherein keinen BGE 109 IV 73 S. 76 Erfolg, kommt die Massnahme nicht in Frage ( BGE 102 IV 235 ; U. FRAUENFELDER, Die ambulante Behandlung geistig Abnormer und Süchtiger als strafrechtliche Massnahme nach Art. 43 und 44 StGB , Diss. Zürich 1978, S. 70 f.; SCHULTZ, Einführung in den AT des Strafrechts, 4. Auflage, II S. 167). Dass S. unheilbar ist, hat die Vorinstanz in Würdigung der sachverständigen Feststellungen des beigezogenen Experten für den Kassationshof verbindlich festgestellt und wird deshalb in der Beschwerde unzulässigerweise bestritten. Im übrigen trifft es nicht zu, dass zwischen dem schriftlichen Bericht des Gutachters und seinen mündlichen Äusserungen ein Widerspruch besteht. In der Hauptverhandlung hatte jener erklärt, er betrachte den Beschwerdeführer als unheilbar dem Alkohol verfallen. Diese Äusserung findet sich, zwar nicht mit den selben Worten, auch im schriftlichen Gutachten. Dieses besagt sinngemäss nichts anderes, wenn darin festgestellt wird, mehrere Kuren in Trinkerheilanstalten seien erfolglos verlaufen und eine psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung sei sinnlos. Die Vorinstanz hat also kein Bundesrecht verletzt, wenn sie den Beschwerdeführer nicht nach Art. 44 Ziff. 1 StGB in eine Trinkerheilanstalt einwies. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass das Obergericht subsidiär zum Hinweis auf den unheilbaren Charakter der beim Beschwerdeführer bestehenden Suchtkrankheit ausführte, es gebe "abgesehen davon" keine geschlossenen Trinkerheilanstalten, und es bestehe deshalb die Gefahr, dass der Beschwerdeführer - wie früher schon - aus der Anstalt fliehe. Damit ist keineswegs gesagt, dass die Vorinstanz Art. 44 StGB angewendet und damit die Behandlungsfähigkeit bejaht hätte, wenn solche Anstalten vorhanden wären. Darin einen Widerspruch in der Argumentation des Obergerichts zu erblicken, geht nicht an, nachdem sie ausdrücklich die Unheilbarkeit in den Vordergrund gerückt hatte. 4. Hat aber die Vorinstanz von der Anordnung einer Massnahme nach Art. 44 Ziff. 1 StGB im Ergebnis wegen der heute schon feststehenden Nutzlosigkeit derselben abgesehen, dann stellte sich die Frage, ob nicht in analoger Anwendung von Art. 44 Ziff. 3 Abs. 2 StGB eine andere sichernde Massnahme am Platz sei ( BGE 102 IV 235 ). Das wurde vom Obergericht mit der Verwahrung des Beschwerdeführers nach Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 StGB mit Recht bejaht, sind doch die Voraussetzungen dieser sichernden Massnahme, nämlich der beim Beschwerdeführer festgestellte geistig abnorme Zustand, der Zusammenhang desselben mit der BGE 109 IV 73 S. 77 begangenen Tat, seine erhöhte Sozialgefährlichkeit und die Notwendigkeit seiner Verwahrung aufgrund des psychiatrischen Gutachtens zweifellos gegeben. Der Einwand des Beschwerdeführers, die Vorinstanz habe in ihrem Urteil keinerlei Ausführungen über seine "Gemeingefährlichkeit" gemacht, übersieht, dass das Obergericht im betreffenden Zusammenhang ausdrücklich auf die Erwägungen der ersten Instanz verweist, die sich zur Frage unmissverständlich ausgesprochen hat. Die Behauptung aber, die Gefährlichkeit des S. bestehe lediglich in seinem Alkoholabusus und sie entfalle deshalb mit der Alkoholenthaltsamkeit, wäre nur beachtlich, wenn der Beschwerdeführer seinen Drang zum Alkohol wirklich beherrschen könnte. Gerade das aber trifft nach den Feststellungen des Experten nicht zu, weshalb für den Fall einer Haftentlassung weiterhin mit pathologischen Rauschzuständen und Alkoholpsychosen zu rechnen ist, unter deren Einfluss der Beschwerdeführer eine schwere Gefahr für Leib und Leben anderer darstellt. Da dieser Gefahr mit dem Vollzug der auf zwei Jahre Gefängnis bemessenen Strafe, die infolge Anrechnung der Untersuchungshaft grösstenteils verbüsst wäre, keinesfalls wirksam genug begegnet werden könnte (s. BGE 103 IV 140 E. 3) und auch sonst nicht ersichtlich ist, wie sich die Gefährdung der Öffentlichkeit durch einen weniger schweren Eingriff in die persönliche Freiheit des Beschwerdeführers beheben liesse, muss es bei der Verwahrung als ultima ratio sein Bewenden haben ( BGE 101 IV 127 E. 3). 5. Schliesslich wendet der Beschwerdeführer ein, die Verwahrung nach Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 StGB dürfe nur in "einer geeigneten Anstalt" vollzogen werden, die keinesfalls eine Vollzugsanstalt für Zuchthaus- und Gefängnisstrafen sein könne, was sich aus Art. 37 Ziff. 2 Abs. 1 Satz 2 StGB ergebe. Es trifft zu, dass aus dem Wortlaut der letztgenannten Bestimmung ein solcher Schluss gezogen werden könnte. Indessen führt die Entwicklungsgeschichte des Art. 43 StGB zu einem anderen Ergebnis. Weil gerade auch gemeingefährliche Täter, deren abnormer geistiger Zustand einer Beeinflussung durch eine Behandlung oder Pflege nicht zugänglich ist, verwahrt werden müssen (s. BGE 102 IV 236 f.; FRAUENFELDER, a.a.O. S. 179; SCHULTZ, a.a.O. S. 158), hat sich unter der Herrschaft des früheren Rechts die vorgeschriebene Einweisung in eine Heil- oder Pflegeanstalt als unzweckmässig und unnötig erwiesen ( BGE 81 IV 8 E. 2; s. auch H. BINDER, Psychiatrische Probleme gemäss Art. 14 und 15 StGB , ZStR 74/1959, S. 56/57). Aus diesem Grunde ist denn auch anlässlich der Revision von 1971 BGE 109 IV 73 S. 78 der im früheren Art. 14 StGB enthaltene Ausdruck der "Heil- und Pflegeanstalt" im neuen Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 StGB durch denjenigen der "geeigneten Anstalt" ersetzt worden. Damit wurde dem Bedürfnis Rechnung getragen, den gemeingefährlichen geistig abnormen Täter in einer auch nicht ärztlich geleiteten Anstalt und gegebenenfalls in einer Strafanstalt unterzubringen (Botschaft des Bundesrates in BBl 1965 I 576; W. HEIM, Justice pénale et délinquants mentalement anormaux, ZStR 95/1978, S. 362; STRATENWERTH, Strafrechtliche Massnahmen an geistig Abnormen, ZStR 89/1973, S. 144/145 mit Kritik). Ob die Strafanstalt Beverin/Realta mit der ihr angegeliederten psychiatrischen Klinik oder die Strafanstalt Lenzburg dem Erfordernis der Eignung für den konkreten Fall genügt, ist hier jedoch nicht zu entscheiden. Der Vollzug ist - einschliesslich der Wahl des Vollzugsorts - Sache der Verwaltung (SCHULTZ, a.a.O. S. 158). Deshalb hat auch die Vorinstanz die Vollzugsanstalt für die von ihr angeordnete Massnahme nicht urteilsmässig bezeichnet, sondern bloss in Form einer Empfehlung Möglichkeiten der Verwahrung aufgezeigt, die jedoch für die Verwaltung nicht verbindlich sind.
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Sachverhalt ab Seite 377 BGE 121 III 377 S. 377 A.- Die Hugo Boss AG ist Inhaberin der schweizerischen Marke 261 494 "BOSS", die sie am 18. Oktober 1972 für modische Herrenbekleidung der internationalen Klasse 25 hinterlegt hatte. Sie vertreibt unter dem Logo "BOSS/HUGO BOSS" Anzüge, modische Sportbekleidungen und Accessoires für den BGE 121 III 377 S. 378 gepflegten Herrn. Die Reebok International Ltd. hinterlegte am 15. August 1991 die schweizerische Marke 392 282 "BOKS" für Bekleidungsstücke, Schuhwaren und Kopfbedeckungen der internationalen Klasse 25 für Männer, Frauen und Kinder. B.- Am 9. Dezember 1992 reichte die Hugo Boss AG beim Handelsgericht des Kantons Zürich Klage gegen die Reebok International Ltd. ein mit dem Antrag, deren Marke "BOKS" sei nichtig zu erklären und ihr Gebrauch sei der Beklagten unter Strafandrohung zu verbieten. Mit Urteil vom 23. Juni 1993 wies das Handelsgericht die Klage ab. C.- Das Bundesgericht weist die Berufung der Klägerin ab und bestätigt das handelsgerichtliche Urteil. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Art. 3 Abs. 1 lit. c MSchG (SR 232.11) versagt einem Zeichen den Markenschutz, wenn es einer älteren Marke ähnlich und für gleiche oder gleichartige Waren bestimmt ist, so dass sich daraus eine Verwechslungsgefahr ergibt. Die Vorschrift deckt sich inhaltlich mit Art. 6 aMSchG , so dass die Rechtsprechung zum früheren Recht weiterhin herangezogen werden kann ( BGE 119 II 473 E. 2a S. 474 f.). a) Nach ständiger bundesgerichtlicher Praxis ist die Frage, ob sich zwei Marken genügend unterscheiden, aufgrund des Gesamteindrucks zu beurteilen, den sie beim an den fraglichen Waren interessierten Publikum hinterlassen (a.a.O., E. 2c S. 475, mit Hinweisen). Dieses wird die beiden Zeichen meist nicht gleichzeitig wahrnehmen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass dem direkt wahrgenommenen einen Zeichen bloss das mehr oder weniger verschwommene Erinnerungsbild des früher wahrgenommenen anderen Zeichens gegenübersteht. Beim Vergleich der Marken ist deshalb auf diejenigen Merkmale abzustellen, die geeignet sind, auch in einem durchschnittlich unvollkommenen Gedächtnis haften zu bleiben. Das Erinnerungs- und Unterscheidungsvermögen der massgebenden Verkehrskreise wird dabei durch die Umstände mitbeeinflusst, unter denen sich der Handel mit Waren der in Frage stehenden Gattung abzuwickeln pflegt ( BGE 93 II 424 E. 2 S. 426 f.) und hängt insbesondere von der Aufmerksamkeit ab, die beim Einkauf solcher Waren gewöhnlich angewendet wird ( BGE 98 II 138 E. 1 S. 142; BGE 90 II 259 E. 3 S. 264, je mit Hinweisen). Im weiteren werden ähnliche Marken BGE 121 III 377 S. 379 erfahrungsgemäss umso eher verwechselt, je näher sich die damit bezeichneten Waren sind ( BGE 102 II 122 E. 2 S. 125, mit Hinweisen). Selbst bei weitgehend identischen Waren begründet aber die blosse, entfernte Möglichkeit einer Verwechslung noch keine Verwechslungsgefahr im Sinne von Art. 3 Abs. 1 lit. c MSchG . Davon kann vielmehr erst die Rede sein, wenn wahrscheinlich ist, dass das Publikum Verwechslungen unterliegt ( BGE 119 II 473 E. 2d S. 476). b) Der Gesamteindruck von Wortmarken wird zunächst durch den Klang und durch das Schriftbild bestimmt ( BGE 112 II 362 E. 2 S. 364). Da der durchschnittliche Markenadressat aber, was er hört und liest, unwillkürlich auch gedanklich verarbeitet, kann für den Gesamteindruck einer Wortmarke, die dem allgemeinen Sprachschatz entnommen ist, auch ihr Sinngehalt entscheidend sein. In Betracht fallen neben der eigentlichen Wortbedeutung auch Gedankenverbindungen, die das Zeichen unweigerlich hervorruft. Markante Sinngehalte, die sich beim Hören und beim Lesen dem Bewusstsein sogleich aufdrängen, dominieren regelmässig auch das Erinnerungsbild. Weist eine Wortmarke einen derartigen Sinngehalt auf, der sich in der anderen Marke nicht wiederfindet, so ist die Wahrscheinlichkeit geringer, dass sich das kaufende Publikum durch einen ähnlichen Klang oder ein ähnliches Schriftbild täuschen lässt (so bereits WALTER KÖHLER, Verwechslungsgefahr im Warenzeichen- und Wettbewerbsrecht unter Mitberücksichtigung des englischen und französischen Rechts, Berlin 1933, S. 101 und 103 ff.; vgl. ferner BGE 112 II 362 E. 2 S. 364; BGE 97 II 78 E. 2a S. 80 f.; BGE 87 II 40 E. 1d, S. 43 f.; SMI 1985, S. 70 f. E. 3 sowie DAVID, Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, Basel, N. 32 f. zu Art. 3 MSchG ; TROLLER, Immaterialgüterrecht, Bd. I, 3. Aufl. 1983, S. 237; JACQUES BAUMGARTNER, Le risque de confusion en matière de marques, Diss. 1970, S. 136 ff.). Von Bedeutung ist bei Wortmarken schliesslich deren Länge. Kurzwörter werden akustisch und optisch leichter erfasst und prägen sich leichter ein als längere Wörter. Damit verringert sich die Gefahr, dass dem Publikum Unterschiede entgehen. Verwechslungen infolge Verhörens oder Verlesens kommen deshalb bei kurzen Zeichen seltener vor (J. DAVID MEISSER ET AL., Beurteilung der Verwechslungsgefahr im Widerspruchsverfahren, SMI 1994, S. 176; ebenso für das deutsche Recht: BUSSE/STARCK, Warenzeichengesetz, 6. Aufl. 1990, N. 64 zu § 31; BAUMBACH/HEFERMEHL, Warenzeichenrecht, 12. Aufl. 1995, N. 48 zu § 31 WZG ). BGE 121 III 377 S. 380 3. a) Die Marken "BOSS" und "BOKS" stimmen in den ersten beiden und im letzten Buchstaben überein und weisen insbesondere beide den Buchstaben "O" als einzigen Vokal auf. Verschieden ist lediglich der als dritter Buchstabe stehende Konsonant. Unter diesen Umständen liegt auf der Hand, dass die Marken ähnlich klingen. Das Handelsgericht weist jedoch mit Recht auch auf die Unterschiede in der klanglichen Gesamtwirkung hin. Während der Marke "BOSS" ein abgerundeter Klang eignet, erhält die Marke "BOKS" durch die Konsonantenverbindung "-KS", die wie "X" ausgesprochen wird, etwas Abgehacktes. Die Verschiedenheit der Marken ist daher jedenfalls nicht ohne weiteres zu überhören, zumal es sich um Wörter mit bloss einer Silbe, mithin um typische Kurzwörter handelt. b) Entsprechendes lässt sich in bezug auf die bildliche Wirkung der Zeichen feststellen. Dass sich die Schriftbilder - vor allem, wenn die Marken in Grossbuchstaben geschrieben werden - wegen der Übereinstimmung in drei von vier Buchstaben gleichen, lässt sich nicht bestreiten. Dennoch bestehen wiederum Unterschiede, die jedenfalls bei derart kurzen Wörtern nicht leicht zu übersehen sind. In der Marke "BOSS" dominieren geschwungene, runde Linien. Mit dem Buchstaben "K" gelangt demgegenüber ein steifes und eckiges Element in das Schriftbild der Marke "BOKS". Bei Kleinschreibung tritt als weiteres unterscheidendes Merkmal die Oberlänge des "k" hinzu. Die Klägerin wendet zwar ein, ein Gegenstück zu dieser Oberlänge ergebe sich auch in der Marke "BOSS", wenn sie statt mit doppeltem "s" mit einem germanischen scharfen "ß" geschrieben werde. Diesen Einwand hat das Handelsgericht jedoch zu Recht als zwar originell, aber abwegig verworfen. Die Beklagte weist zutreffend darauf hin, dass die Marke der Klägerin in der Schreibweise "Boß" als Wort mit nur drei Buchstaben dem Wort "Boks" mit vier Buchstaben gegenüberstehen würde, so dass zwar der Unterschied in den Oberlängen entfiele, dafür aber in bezug auf die Wortlänge eine neue Abweichung entstünde. Dahingestellt bleiben kann, ob ein scharfes "ß" dem schweizerischen Markenadressaten, schon weil es hierzulande unüblich ist, besonders auffallen und sich als unterscheidendes Merkmal seinem Gedächtnis einprägen würde, wie die Beklagte zusätzlich zu bedenken gibt. c) Ob die Unterschiede im Klang und im Schriftbild der Marken für sich allein ausreichen würden, um eine Verwechslungsgefahr auszuschliessen, braucht indessen nicht abschliessend geprüft zu werden. Denn ausschlaggebend ist, dass sich die Marken in ihrem Sinngehalt deutlich unterscheiden. BGE 121 III 377 S. 381 Das Handelsgericht hält mit Recht fest, dass das Wort "BOSS" beim durchschnittlichen Konsumenten sofort und unwillkürlich die Assoziation zu "Chef" oder "Vorgesetzter" weckt und auch so in der Erinnerung haften bleibt. Das Wort stammt zwar ursprünglich aus dem Englischen. Sein Sinngehalt wird jedoch in der Schweiz - in allen Sprachregionen - sofort verstanden. Die Klägerin geht fehl, wenn sie glauben machen will, Assoziationen zu Chefs und Vorgesetzten ergäben für Kleidungsstücke keinen naheliegenden Sinn. Wenn das Wort "BOSS" als Kennzeichen für Kleidungsstücke verwendet wird, sticht sein Sinngehalt im Gegenteil gerade besonders deutlich hervor, dürfte doch dem durchschnittlichen schweizerischen Markenadressaten geläufig sein, dass Kleider Leute machen. Das dürfte namentlich auf den "gepflegten Herrn" zutreffen, an den sich das Kleiderangebot der Klägerin richtet. Dass nicht jeder Konsument dieser Kategorie ein Chef ist oder sich als solcher geben möchte, ändert nichts daran, dass der Sinngehalt der Marke "BOSS" den Markenadressaten sogleich klar ist und sich ihrer Erinnerung unwillkürlich einprägt. Der Einwand der Klägerin, ihre Kleider wollten nicht nur von Chefs und Vorgesetzten, sondern auch von anderen Leuten getragen werden, zielt daher an der Sache vorbei. Das Handelsgericht geht somit zu Recht davon aus, dass der Sinngehalt für den Gesamteindruck der klägerischen Marke entscheidend ist. Die Marke der Beklagten aber weist unbestrittenermassen nicht den gleichen Sinngehalt auf. Das Publikum fasst das Wort "BOKS" entweder als blosses Phantasiegebilde auf oder verbindet es allenfalls mit "Bock" oder "Box". Es erscheint daher als unwahrscheinlich, dass die beiden Marken verwechselt werden. d) Zur Unwahrscheinlichkeit von Verwechslungen trägt zudem auch bei, dass Kleider in der Regel vor dem Kauf mit grösserer Aufmerksamkeit geprüft - und meist auch anprobiert - werden als Massenartikel, die zum täglichen Konsumbedarf gehören. Auch das gilt im übrigen für Kleider, die für den "gepflegten Herrn" bestimmt sind, noch in gesteigertem Masse. e) Eine Verwechslungsgefahr im Sinne von Art. 3 Abs. 1 lit. c MSchG ist auch dann zu verneinen, wenn im Hinblick auf die von der Klägerin behauptete Warenidentität, die allerdings von der Beklagten in Frage gestellt wird, an die Unterscheidbarkeit der Marken ein strenger Massstab angelegt wird. Dass wegen der klanglichen und bildlichen Ähnlichkeit der Marken (E. a und b hievor) allenfalls eine entfernte Möglichkeit von Verwechslungen bestehen bleibt, ist nach dem Gesagten (E. 2a hievor) unerheblich.
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Sachverhalt ab Seite 196 BGE 112 V 195 S. 196 A.- Susanne Moussa war bei der Krankenkasse Grütli für ein Krankengeld von Fr. 50.-- pro Tag versichert. Vom Sommer 1981 bis Ende Mai 1982 war sie im Restaurant M. als Aushilfserviertochter in Teilzeitarbeit tätig. Im März 1982 wurde sie schwanger und stand fortan beim Gynäkologen Dr. K. in Behandlung. Als dieser anfangs Juni 1982 ferienhalber abwesend war, begab sich Susanne Moussa, da sie unter Herzbeschwerden, Schwindelanfällen, Nervosität und Anämie litt, zu dessen Stellvertreter Dr. W., der ihr im Krankenschein für den Behandlungszeitraum vom 4. bis 18. Juni 1982 volle Arbeitsunfähigkeit attestierte. Gestützt hierauf erbrachte die Krankenkasse Grütli Taggeldleistungen im Betrage von Fr. 750.-- (15 Taggelder à Fr. 50.--). Susanne Moussa nahm die Arbeit nach dem 18. Juni 1982 nicht wieder auf. BGE 112 V 195 S. 197 Am 4. Januar 1983 gebar Susanne Moussa ihr Kind. Im Mai 1983 verlangte sie von der Kasse die Ausrichtung des versicherten Taggeldes für die Zeit vom 19. Juni 1982 bis 3. Januar 1983 unter dem Titel krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit und für die Zeit ab 4. Januar 1983 während zehn Wochen unter dem Titel Mutterschaft. Die Kasse lehnte die Begehren in der Hauptsache mit der Begründung ab, für die Arbeitsunfähigkeit bis zum 3. Januar 1983 fehle es an einer glaubwürdigen ärztlichen Bescheinigung und einer rechtzeitigen Krankmeldung; für die Zeit ab 4. Januar 1983 könne nur ein auf Fr. 4.-- reduziertes tägliches Taggeld ausgerichtet werden. Denn wenn die Erwerbstätigkeit früher als vier Wochen vor der Niederkunft aufgegeben werde, müsse die Krankengeldversicherung herabgesetzt werden ( Art. 14 Abs. 4 KUVG ). Am 12. Dezember 1983 erging die entsprechende Verfügung. B.- Hiegegen liess Susanne Moussa Beschwerde führen mit dem Antrag, die Kasse sei zu verpflichten, für die Zeit vom 19. Juni 1982 bis 20. März 1983 ein Krankengeld von Fr. 50.-- pro Tag auszurichten. Das Versicherungsgericht des Kantons Bern erkannte mit Entscheid vom 7. Februar 1985, dass für die Zeit vom 19. Juni 1982 bis 3. Januar 1983 keine anspruchsbegründende Arbeitsunfähigkeit ausgewiesen sei. Doch selbst wenn eine solche gegeben wäre, könnte das geforderte Krankengeld nicht ausgerichtet werden, da die Arbeitsunfähigkeit verspätet gemeldet worden sei. Demnach bestehe die Leistungsverweigerung der Kasse diesbezüglich zu Recht. Dagegen könne nicht gesagt werden, dass Susanne Moussa die Arbeit mehr als vier Wochen vor der Niederkunft unterbrochen habe, weil sie sich endgültig aus dem Erwerbsleben habe zurückziehen wollen, sondern weil sie sich aufgrund der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsatteste und vielleicht auch wegen gelegentlichen Unwohlseins als arbeitsunfähig gehalten habe. Unter diesen Umständen sei eine Rückversetzung in eine niedrigere Krankengeldklasse unzulässig gewesen. Die Kasse habe deshalb Susanne Moussa für die Dauer von 70 Tagen ( Art. 14 Abs. 6 KUVG ) das volle versicherte Taggeld von Fr. 50.-- auszurichten. C.- Die Kasse führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, der kantonale Entscheid sei aufzuheben und die Verfügung vom 12. Dezember 1983 zu bestätigen. Auf die Begründung wird, soweit erforderlich, in den Erwägungen einzugehen sein. Susanne Moussa lässt Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragen. Das Bundesamt für Sozialversicherung schliesst ebenfalls auf Abweisung. BGE 112 V 195 S. 198 Erwägungen Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 1. a) Streitig ist im vorliegenden Verfahren nur noch der Taggeldanspruch gemäss Art. 14 Abs. 6 KUVG . Nicht mehr streitig ist dagegen, ob der Beschwerdegegnerin Taggelder unter dem Titel "krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit" zuzusprechen seien. Nach Art. 14 Abs. 1 KUVG haben die Krankenkassen bei Schwangerschaft und Niederkunft die gleichen Leistungen wie bei Krankheit zu gewähren, sofern die Versicherte bis zum Tag ihrer Niederkunft während wenigstens 270 Tagen, ohne Unterbrechung von mehr als drei Monaten, Mitglied von Kassen gewesen ist. Nach Art. 14 Abs. 4 dürfen Versicherte, die ihre Erwerbstätigkeit nicht früher als vier Wochen vor ihrer Niederkunft aufgeben, vor Ablauf der Bezugsdauer gemäss Abs. 6 nicht in eine niedrigere Krankengeldklasse versetzt werden. Die Versicherte hat Anspruch auf das versicherte Krankengeld, sofern sie keine gesundheitsschädliche Arbeit verrichtet. Gemäss Art. 14 Abs. 6 KUVG erstrecken sich die Leistungen bei Mutterschaft auf zehn Wochen, wovon mindestens sechs nach der Niederkunft liegen müssen. b) Mit Art. 14 Abs. 4 KUVG wollte der Gesetzgeber das unbefriedigende Ergebnis vermeiden, dass eine Versicherte, die wegen einer bevorstehenden Niederkunft ihre Stelle aufgibt, unverzüglich in eine tiefere Taggeldklasse versetzt wird und damit eines höheren Taggeldanspruchs verlustig geht, obwohl möglicherweise jahrelang verhältnismässig hohe Krankengeldprämien bezahlt worden waren (BBl 1961 I 1437). 2. a) Im Urteil Güttinger vom 16. September 1985 ( BGE 111 V 329 ) hat das Eidg. Versicherungsgericht erkannt, Art. 14 Abs. 4 KUVG bestimme nicht, unter welchen Voraussetzungen die Krankenkassen bei Schwangeren eine Versicherungsdeckung herabsetzen dürfen; für diese Frage gelte der Grundsatz, dass eine Krankenkasse nur dann ohne Einwilligung des Mitgliedes die Krankengeldversicherung aufheben oder die Deckung vermindern dürfe, wenn dieses am Fortbestand oder am bisherigen Mass der Versicherung vernünftigerweise kein Interesse mehr haben könne. Wann das zutrifft, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Eine Rückstufung ist hauptsächlich dann möglich, wenn die Weiterführung der bestehenden Deckung eine dauernde Überversicherung begründen würde, so etwa, wenn die Erwerbstätigkeit endgültig aufgegeben oder für dauernd reduziert und die Taggeldversicherung BGE 112 V 195 S. 199 dadurch ganz oder teilweise gegenstandslos wird (RSKV 1982 Nr. 475 S. 34 und 1981 Nr. 455 S. 156; für die Ausnahmen BGE 107 V 162 Erw. 1 und RSKV 1982 Nr. 475 S. 34). Art. 14 Abs. 4 KUVG begründet eine Einschränkung zu dem in den genannten Grenzen bestehenden Gestaltungsrecht der Kasse und kann nur zum Zuge kommen, wenn die angeführten allgemeinen Voraussetzungen für die Herabsetzung der Versicherungsdeckung beim Krankengeld erfüllt sind. b) Für die Anwendbarkeit von Art. 14 Abs. 4 KUVG ist demnach die Absicht einer endgültigen Erwerbsaufgabe (so auch die juristische Kartothek des Konkordats der schweizerischen Krankenkassen in IIId 10/14/20 und RSKV 1972 S. 197) oder definitiven Verminderung der Erwerbstätigkeit vorauszusetzen. Unter einer endgültigen Änderung der erwerblichen Verhältnisse ist allerdings nicht eine Aufgabe oder Verminderung der Erwerbstätigkeit für immer zu verstehen, da sich eine Versicherte kaum jemals in so definitiver Weise für die Zukunft festlegen könnte. Gemeint ist vielmehr eine Aufgabe oder Verminderung der Erwerbstätigkeit für längere Zeit. Für die Beibehaltung der Versicherungsdeckung genügt es sodann nicht, dass die Versicherte bei der Aufgabe der Erwerbstätigkeit infolge Schwangerschaft gegenüber der Krankenkasse bloss die nicht näher bestimmte Absicht bekundet, später irgendwann wieder ins Erwerbsleben zurückkehren zu wollen. Sie hat vielmehr den späteren Zeitpunkt einer Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit zu konkretisieren; dieser hat sodann in näherer Zukunft zu liegen, da andernfalls von einer länger dauernden Erwerbsaufgabe gesprochen werden müsste, was die Kasse zur Herabsetzung der Versicherungsdeckung berechtigen würde. 3. a) Die Vorinstanz hat zutreffend erkannt und begründet, dass die Beschwerdegegnerin in der Zeit vom 19. Juni 1982 bis 3. Januar 1983 nicht arbeitsunfähig war. Für die Einzelheiten kann auf die vorinstanzlichen Ausführungen verwiesen werden, denen lediglich darin nicht gefolgt werden kann, dass sich die Beschwerdegegnerin trotz bestehender Arbeitsfähigkeit als arbeitsunfähig habe fühlen dürfen. Es verhält sich demnach nicht so, dass die Beschwerdegegnerin die Vierwochenfrist des Art. 14 Abs. 4 KUVG aus gesundheitlichen Gründen nicht hätte einhalten können. b) Nach den vorliegenden Akten ist sodann anzunehmen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen der Beschwerdegegnerin und dem Restaurant M. Ende Mai 1982 beendet und anfangs Mai 1984 neu BGE 112 V 195 S. 200 begründet worden ist. Eine Unterbrechung der Erwerbstätigkeit von rund zwei Jahren bzw. deren Wiederaufnahme erst 14 Monate nach der Niederkunft stellt eine länger dauernde Erwerbsaufgabe dar, welche nach dem oben Gesagten die Kasse zur Herabsetzung der Versicherungsdeckung berechtigte. Die Beschwerdegegnerin will zwar seit anfangs März 1983 stundenweise im Betrieb ihres Ehemannes ausgeholfen haben, ohne hiefür allerdings entschädigt worden zu sein. Das kann jedoch einer Erwerbstätigkeit nicht gleichgestellt werden. Nichts deutet schliesslich darauf hin, dass die Beschwerdegegnerin nicht von Anfang an die Absicht einer länger dauernden Erwerbsaufgabe gehabt hätte. Die Herabsetzung der Versicherungsdeckung auf Fr. 4.-- pro Tag durch die Kasse erweist sich mithin als Rechtens. c) Die Kasse hat nicht entschieden, ab welchem Zeitpunkt die Versicherungsdeckung als herabgesetzt zu betrachten sei. Sie hat sich jedoch in ihrem Schreiben vom 26. April 1983 bereit erklärt, die Reduktion auf den 1. Juli 1982 vorzunehmen, was nicht zu beanstanden ist. Hiebei ist die Kasse zu behaften. Sie wird demzufolge noch über die Prämienrückerstattung zu befinden haben.
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Sachverhalt ab Seite 285 BGE 128 II 285 S. 285 A.- X. fuhr nach eigenen Aussagen am Mittwoch, 1. September 1999, ca. 06.50 Uhr mit seinem Personenwagen auf der Autobahn A1 Richtung Zürich. Weil er sich durch den vorausfahrenden Automobilisten schikaniert fühlte, wechselte er vom ersten Überholstreifen auf den Normalstreifen (rechte Spur). Er passierte mehrere Fahrzeuge rechts und wechselte kurz vor dem Limmattaler-Kreuz zurück in eine Lücke auf dem ersten Überholstreifen, weil sein Fahrziel Zürich-City war. Am betreffenden Ort ist die rechte Spur ausschliesslich für die Abzweigung auf die A4 bestimmt und entsprechend als Einspurstrecke markiert. X. besitzt seit 1969 den Führerausweis der Kat. B. Bis heute wurden keine Administrativmassnahmen gegen ihn ausgesprochen. BGE 128 II 285 S. 286 B.- Mit Wiedererwägungsverfügung vom 17. August 2000 büsste das Statthalteramt des Bezirks Dietikon X. wegen verbotenen Rechtsüberholens auf der Autobahn in Anwendung von Art. 90 Ziff. 1 SVG (SR 741.01) mit Fr. 300.-. Die Verfügung ist rechtskräftig. C.- In Anwendung von Art. 16 Abs. 3 und Art. 17 SVG entzog das Strassenverkehrsamt des Kantons Aargau X. am 23. November 2000 den Führerausweis für die Dauer von zwei Monaten. Das Departement des Innern des Kantons Aargau wie auch das aargauische Verwaltungsgericht wiesen den Antrag von X., auf einen Führerausweisentzug sei zu verzichten, im Beschwerdeverfahren kostenfällig ab. D.- X. führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Bundesgericht mit dem Antrag, es seien der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau vom 23. Januar 2002 aufzuheben und der angeordnete Führerausweisentzug auf die Dauer von einem Monat zu reduzieren. E.- Das Verwaltungsgericht verzichtet unter Hinweis auf das angefochtene Urteil auf Vernehmlassung. Das Bundesamt für Strassen stellt mit seiner Vernehmlassung sinngemäss den Antrag auf Gutheissung der Beschwerde, soweit der Beschwerdeführer seine berufliche Angewiesenheit auf ein Motorfahrzeug geltend mache. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. 1.1 Die Vorinstanz qualifiziert sowohl die vom Beschwerdeführer verursachte Verkehrsgefährdung als auch das Mass seines Verschuldens als schwer. Sie spricht daher den Führerausweisentzug gestützt auf Art. 16 Abs. 3 lit. a SVG aus. 1.2 Der Beschwerdeführer macht geltend, die Annahme eines schweren Falles verletze Bundesrecht. Die Vorinstanz gehe unter Hinweis auf BGE 126 IV 197 davon aus, der Fahrzeuglenker auf der Autobahn müsse sich darauf verlassen können, dass er nicht plötzlich rechts überholt werde. Diese Betrachtungsweise verkenne, dass auf signalisierten Einspurstrecken immer damit gerechnet werden müsse, dass man sowohl links- als auch rechtsseitig passiert werde. So lange die Spuren nicht mit einer Sicherheitslinie voneinander getrennt seien, müsse auch mit Spurwechseln gerechnet werden. Mit Bezug auf die Gefährlichkeit des Manövers könne es nicht darauf ankommen, ob der Wechsel von links nach rechts erfolge. Im BGE 128 II 285 S. 287 Gegensatz zu einem derartigen Überholmanöver auf offener Strecke könne vorliegend nicht von einer besonderen Nähe der Verwirklichung einer Unfallgefahr gesprochen werden. Das zugegebenermassen unzulässige Überholmanöver stelle bloss einen mittelschweren Fall dar. 1.3 Die Voraussetzungen für den Entzug des Führerausweises sind in Art. 16 Abs. 2 und 3 SVG geregelt. Die Vorinstanz setzt sich damit auseinander und stellt die einschlägige Rechtsprechung des Bundesgerichtes zutreffend dar. Es kann darauf verwiesen werden ( Art. 36a Abs. 3 OG ). Gemäss Art. 35 Abs. 1 SVG ist links zu überholen, woraus ein Verbot des Rechtsüberholens folgt. Beim Fahren in parallelen Kolonnen darf der Fahrzeugführer rechts vorbeifahren (Art. 36 Abs. 5 lit. a der Verkehrsregelnverordnung vom 13. November 1962 [VRV; SR 741.11]). Das Rechtsüberholen durch Ausschwenken und Wiedereinbiegen ist jedoch auch im Kolonnenverkehr untersagt ( Art. 8 Abs. 3 Satz 2 VRV ). Das Bundesgericht hat sich im Entscheid BGE 126 IV 192 eingehend zum Problem des Rechtsüberholens geäussert. Es hat unter anderem festgehalten, es liege Überholen und nicht blosses Vorbeifahren vor, wenn Ausschwenken, Vorbeifahren an einem oder wenigen Fahrzeugen und anschliessendes Wiedereinbiegen in einem Zuge erfolgen, also etwa dann, wenn ein Fahrzeuglenker die Lücken in den parallelen Kolonnen zum Vorfahren so ausnütze, dass er kurz auf die rechte Fahrbahn wechsle und gleich wieder nach links einbiege ( BGE 126 IV 192 E. 2a S. 195 mit Hinweis). Ferner hielt es fest, das Verbot des Rechtsüberholens sei eine für die Verkehrssicherheit objektiv wichtige Vorschrift, deren Missachtung eine erhebliche Gefährdung der Verkehrssicherheit mit beträchtlicher Unfallgefahr nach sich ziehe und daher objektiv schwer wiege. Der Beschwerdeführer überholte am 1. September 1999 auf der am betreffenden Ort dreispurigen Autobahn A1 rechts. Er wechselte von der mittleren Spur nach rechts auf die ausschliesslich für die Abzweigung auf die A4 bestimmte Spur, überholte einen oder mehrere vorausfahrende Wagen und schwenkte wieder auf die mittlere Spur Richtung Zürich ein. Damit sind die Voraussetzungen des verbotenen Rechtsüberholens auf der Autobahn erfüllt, was der Beschwerdeführer auch selbst mit den Worten anerkennt, es liege zugegebenermassen ein unzulässiges Überholmanöver vor. 1.4 Der Einwand des Beschwerdeführers, es habe sich um eine spezielle Situation gehandelt, weil er auf einer Einspurstrecke gefahren BGE 128 II 285 S. 288 sei, ist unbehelflich. Einspurstrecken dienen zum Einspuren, gegebenenfalls zum Rechtsvorbeifahren, sofern der übrige Verkehr nicht gefährdet wird, auf keinen Fall aber dürfen sie dazu benützt werden, andere Fahrzeuge rechts zu überholen. Die Missachtung des Rechtsüberholverbotes wiegt objektiv schwer, weshalb der Führerausweis gemäss Art. 16 Abs. 3 lit. a SVG zwingend zu entziehen ist. Vorliegend besteht umso weniger ein Grund, das Fahrmanöver anders zu beurteilen, als der Beschwerdeführer sich seines grob verkehrswidrigen Verhaltens sehr wohl bewusst war und nicht etwa die Situation falsch einschätzte. In der Befragung zur Sache durch die Kantonspolizei Zürich führte er aus, ab der Autobahnraststätte Würenlos, als er mit einer Geschwindigkeit von ca. 100 km/h gefahren sei, habe der vor ihm fahrende Automobilist ein Spielchen mit Beschleunigen und Verlangsamen begonnen und ihm so das Überholen verunmöglicht. Mehrmals sei er ausgebremst worden. Er sei deshalb an besagter Stelle rechts vorgefahren und habe die Lücke auf dem Überholstreifen zum erneuten Fahrbahnwechsel benutzt. Der Beschwerdeführer liess sich also zum verbotenen Fahrmanöver provozieren. 2. 2.1 Nach Auffassung der Vorinstanz rechtfertigt das schwere Tatverschulden einen Führerausweisentzug von drei Monaten. Der ungetrübte automobilistische Leumund führe zu einer Reduktion um einen Monat. Ein Entzug von insgesamt zwei Monaten sei angemessen. Die Massnahmeempfindlichkeit stelle keinen Reduktionsgrund dar, weil der Beschwerdeführer beruflich nicht überdurchschnittlich auf den Besitz des Führerausweises angewiesen sei. Der Einwand, er habe am 1. Oktober 2001 eine neue Stelle angetreten und benötige für seine Arbeit Mess- und Hilfsmittel, die nur mit einem Motorfahrzeug transportiert werden könnten, sei zurückzuweisen. Gemäss kantonaler Rechtsprechung könne ein Automobilist keine erhöhte Massnahmeempfindlichkeit geltend machen, wenn er im Zeitpunkt des Stellenantritts wusste, dass gegen ihn ein Führerausweisentzug verhängt werde. Die Verfügung des Strassenverkehrsamts sei fast ein Jahr vor dem geltend gemachten Stellenantritt erlassen worden. 2.2 Der Beschwerdeführer bringt vor, das Verwaltungsgericht verkenne die bundesgerichtliche Rechtsprechung zur beruflichen Angewiesenheit des Fahrzeuglenkers auf den Führerausweis und verletze damit Bundesrecht. Die Antwort auf die Frage, welche Entzugsdauer notwendig und geeignet sei, die gewünschte Wirkung BGE 128 II 285 S. 289 zu zeitigen, sei nach den Verhältnissen zum Zeitpunkt des mutmasslichen Vollzugs und nicht der Verkehrsregelverletzung zu geben. Da kein missbräuchlicher Stellenwechsel vorliege, müssten die neuen Arbeitsumstände berücksichtigt werden. 2.3 Die Dauer des nach Art. 16 SVG zu verfügenden Warnungsentzugs richtet sich vor allem nach der Schwere des Verschuldens, dem Leumund als Motorfahrzeugführer sowie nach der beruflichen Notwendigkeit, ein Motorfahrzeug zu führen ( Art. 33 Abs. 2 VZV ). Der Beschwerdeführer bestreitet die "Einsatzmassnahme" von drei Monaten nicht. Er beantragt auch nicht, die Entzugsdauer müsse auf Grund seines guten automobilistischen Leumundes um mehr als einen Monat reduziert werden. Zu prüfen ist daher einzig, ob die Vorinstanz die geltend gemachte berufliche Angewiesenheit auf den Führerausweis hätte berücksichtigen müssen. 2.4 Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichts ist bei der Prüfung der Massnahmeempfindlichkeit dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit Rechnung zu tragen und deshalb zu berücksichtigen, in welchem Masse der Fahrzeugführer infolge beruflicher Angewiesenheit auf ein Motorfahrzeug stärker als andere Fahrer vom Entzug des Führerausweises betroffen ist ( BGE 123 II 572 E. 2c mit Hinweisen; vgl. ferner MATTHIAS HÄRRI, Die Bemessung des Führerausweisentzugs zu Warnungszwecken, in: BJM 1999 S. 123). In der Literatur wird diese Rechtsprechung begrüsst: Es erscheine nur diejenige Massnahme als schuldangemessen und damit gerecht, bei deren Bemessung die Strafempfindlichkeit des Täters differenziert herangezogen werde. Deshalb solle jegliche gegenüber dem "normalen" Fahrer erhöhte berufliche Angewiesenheit auf den Führerausweis straf- beziehungsweise massnahmemildernd berücksichtigt werden (vgl. RENÉ SCHAFFHAUSER, Die straf- und verwaltungsrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Strassenverkehrsrecht 1992 bis 1999, S. 173 ff.). Zwar verkennt die Vorinstanz diese Praxis nicht, sie verneint jedoch, die überdurchschnittliche berufliche Angewiesenheit des Beschwerdeführers auf den Führerausweis berücksichtigen zu können. Gemäss ihrer eigenen Rechtsprechung sei diejenige Massnahmeempfindlichkeit für die Bemessung der Massnahme relevant, welche zum Zeitpunkt des Vorfalls bereits bestanden habe. Ein nach der begangenen Verkehrsregelverletzung erfolgter Stellenwechsel sei deshalb unbeachtlich. Zu Recht stellt der Beschwerdeführer diese Auffassung in Frage. Massgebend für die Prüfung der Massnahmeempfindlichkeit ist der BGE 128 II 285 S. 290 Zeitpunkt der Entscheidung über die Massnahme, nicht jener des Verkehrsregelverstosses. Die Dauer des Entzugsverfahrens kann sich aus verschiedensten Gründen in die Länge ziehen (etwa wenn der Ausgang des Strafverfahrens abzuwarten ist oder wegen Überlastung der Behörden oder wegen Ergreifens von Rechtsmitteln). Sofern seitens des Fahrzeuglenkers kein Rechtsmissbrauch vorliegt, darf sich die Verfahrensdauer nicht zu seinen Ungunsten auswirken. Es ist einem Fahrzeuglenker auch nicht zuzumuten, nur wegen des hängigen Massnahmeverfahrens auf einen Stellenwechsel zu verzichten oder den Antritt einer neuen Stelle auf einen unbestimmten Zeitpunkt hinauszuschieben. Der Wechsel der beruflichen Tätigkeit hängt in der Regel von verschiedensten Umständen ab, welche der Betroffene oft nur teilweise oder gar nicht beeinflussen kann. Ist er nun in der neuen Tätigkeit stärker als früher und jedenfalls in grösserem Masse als der normale Fahrer beruflich auf ein Fahrzeug angewiesen, so muss diese Situation bei der Bemessung der Massnahmedauer berücksichtigt werden. Umgekehrt kann sich etwa ein Berufschauffeur, der während des Massnahmeverfahrens eine Arbeit aufnimmt, bei welcher er auf den Führerausweis nicht angewiesen ist, auch nicht mehr auf das entsprechende Zumessungskriterium nach Art. 33 Abs. 2 VZV berufen. Massgebend ist mit andern Worten die aktuelle berufliche Situation des Fahrzeuglenkers zu dem Zeitpunkt, an welchem letztmals neue Tatsachen betreffend die berufliche Situation berücksichtigt werden können. Zum gleichen Ergebnis führt die analoge Anwendung der im Bereich des Strafrechts geltenden Regeln. Die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichts versteht den Warnungsentzug nicht nur als Verwaltungsmassnahme, sondern betont auch deren strafähnlichen Charakter. Wo die gesetzliche Regelung des Warnungsentzugs lückenhaft oder auslegungsbedürftig ist, rechtfertigt sich daher der Rückgriff auf strafrechtliche Grundsätze (vgl. BGE 128 II 173 mit zahlreichen Hinweisen). Im vorliegenden Zusammenhang ist deshalb zu beachten, dass bei der Strafzumessung gemäss Art. 63 StGB auf die Strafempfindlichkeit im Zeitpunkt des Urteils abzustellen ist (STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, AT II, S. 238 N. 45, mit Hinweisen). Auch bei der Prüfung der günstigen Prognose im Hinblick auf die Gewährung des bedingten Strafvollzuges sind die persönlichen Verhältnisse bis zum Zeitpunkt des Entscheides miteinzubeziehen (Urteil des Bundesgerichts 6S.258/1997 vom 15. Dezember 1997). 2.5 Der Beschwerdeführer hat die dem Führerausweisentzug zugrunde liegende Verkehrsregelverletzung am 1. September 1999 BGE 128 II 285 S. 291 begangen. Am 1. Oktober 2001 - also mehr als zwei Jahre später - hat er eine neue Stelle angetreten. Es obliegen ihm Kontrollen in Industriebetrieben auf dem ganzen Gebiet des Kantons Zürich. Für die Arbeit werden Mess- und Hilfsmittel benötigt, die nur mit einem Personenwagen transportiert werden können. Damit ist der Beschwerdeführer vermehrt auf ein Fahrzeug angewiesen. Gemäss eigener Rechtsprechung bejaht das aargauische Verwaltungsgericht eine mittelgradig erhöhte Massnahmeempfindlichkeit, wenn der Betroffene aus beruflichen Gründen auch für den Transport von Material und Werkzeugen ein Auto benötigt. Die Vorinstanz berücksichtigt diesen Umstand vorliegend nicht. Indem sie damit bei der Bemessung der Entzugsdauer einem massgeblichen Gesichtspunkt nicht Rechnung trägt, verletzt sie Bundesrecht. 3. 3.1 Gemäss Art. 17 Abs. 1 lit. a SVG beträgt die Dauer des Führerausweisentzuges mindestens einen Monat. Ausgangspunkt für die Vorinstanz ist im Hinblick auf das schwere Tatverschulden eine Entzugsdauer von drei Monaten. Dies liegt im Rahmen des der Vorinstanz zustehenden richterlichen Ermessens, auch wenn ein dreimonatiger Entzug als Sanktion für die vorliegende Verkehrsregelverletzung an der oberen Grenze liegt. Für den ungetrübten automobilistischen Leumund gewährt die Vorinstanz dem Beschwerdeführer einen Abzug von einem Monat. Sie gelangt damit zu einer Entzugsdauer von zwei Monaten. 3.2 Auf Grund der beruflichen Angewiesenheit des Beschwerdeführers auf ein Motorfahrzeug ist nach Art. 33 Abs. 2 VZV ein weiterer Abzug vorzunehmen. Dieser beträgt gemäss Praxis bei einer Entzugsdauer von etwa zwei bis vier Monaten einen Monat (SCHAFFHAUSER, Grundriss des Schweizerischen Strassenverkehrsrechts, Bd. III, Rz. 2449, mit Hinweisen). Der Beschwerdeführer hat auf der Autobahn rechts überholt. Er ist seit 1969 im Besitze eines Führerausweises. Bis heute wurden keine Administrativmassnahmen ausgefällt. Beruflich ist er auf ein Fahrzeug angewiesen. Im Rahmen einer Gesamtwürdigung der Situation rechtfertigt sich damit eine Dauer des Führerausweisentzuges von einem Monat, wie sie auch der Beschwerdeführer beantragt. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist daher gutzuheissen.
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SR 195.1 1 Bundesgesetz über Schweizer Personen und Institutionen im Ausland (Auslandschweizergesetz, ASG) vom 26. September 2014 (Stand am 1. Januar 2018) Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf die Artikel 40, 54 Absatz 1 und 69 Absatz 2 der Bundesverfassung (BV)1, nach Einsicht in den Bericht der Staatspolitischen Kommission des Ständerates vom 27. Januar 20142, und in die Stellungnahme des Bundesrates vom 7. März 20143, beschliesst: 1. Titel: Allgemeine Bestimmungen Art. 1 Gegenstand 1 Dieses Gesetz regelt: a. Massnahmen der Betreuung, Vernetzung und Information der Ausland- schweizerinnen und -schweizer, ihre politischen Rechte, die Sozialhilfe, die ihnen gewährt werden kann sowie die Unterstützung spezifischer Institutio- nen; b. den von der Schweiz gewährten konsularischen Schutz und ihre weiteren konsularischen Dienstleistungen. 2 Es regelt nicht den diplomatischen Schutz. 3 Abweichende Bestimmungen in für die Schweiz anwendbaren völkerrechtlichen Verträgen bleiben vorbehalten. Art. 2 Zweck Mit diesem Gesetz will der Bund: a. die Rechte und Pflichten von Schweizer Personen und Institutionen im Aus- land sowie seine Dienstleistungen für diese Personen und Institutionen ein- heitlich und kohärent regeln; b. die Beziehungen der Auslandschweizerinnen und -schweizer untereinander und zur Schweiz fördern; AS 2015 3857 1 SR 101 2 BBl 2014 1915 3 BBl 2014 2617 195.1 Schweizer Personen und Institutionen im Ausland 2 195.1 c. die internationale Mobilität der Schweizerinnen und Schweizer erleichtern; d. die Präsenz und Vernetzung der Schweiz im Ausland fördern. Art. 3 Begriffe In diesem Gesetz bedeuten: a. Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer: Schweizerinnen und Schweizer, die in der Schweiz keinen Wohnsitz haben und im Ausland- schweizerregister eingetragen sind; b. Auslandschweizerregister: das Informationssystem «Vernetzte Verwaltung der Auslandschweizerinnen und -schweizer (E-VERA4)» des Eidgenössi- schen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) sowie die Pa- pierakten; c. Empfangsstaat: ausländischer Staat, in dem eine Vertretung etabliert oder anerkannt ist oder sich die betreffende Person aufhält; d. Vertretung: eine diplomatische Mission, ein konsularischer Posten oder jede andere Vertretung der Schweiz im Ausland, die konsularische Aufgaben wahrnehmen kann. Art. 4 Rechtsvorschriften des Empfangsstaates Die Schweizer Behörden und Vertretungen beachten die Rechtsvorschriften des jeweiligen Empfangsstaates. Art. 5 Eigenverantwortung Jede Person trägt die Verantwortung bei der Vorbereitung und Durchführung eines Auslandaufenthaltes oder bei der Ausübung einer Tätigkeit im Ausland. Art. 6 Empfehlungen Das EDA kann Informationen und Empfehlungen, namentlich Reisehinweise, veröf- fentlichen. Art. 7 Guichet unique 1 Das EDA ist die zentrale Anlaufstelle für Anliegen der Schweizer Personen und Institutionen im Ausland. 2 Es erbringt die konsularischen Dienstleistungen in der Regel über sein Ver- tretungsnetz. 3 Es koordiniert eingehende Anfragen mit den zuständigen Verwaltungsstellen des Bundes und der Kantone, denen Aufgaben nach diesem Gesetz übertragen sind. 4 Die Bezeichnung wurde in Anwendung von Art. 12 Abs. 2 des Publikationsgesetzes vom 18. Juni 2004 (SR 170.512) auf den 1. Sept. 2016 angepasst. Auslandschweizergesetz 3 195.1 Art. 8 Aussenpolitische Strategie Der Bundesrat berücksichtigt bei der Festlegung seiner aussenpolitischen Strategie die Interessen der Schweizer Personen und Institutionen im Ausland. 2. Titel: Auslandschweizerinnen und -schweizer 1. Kapitel: Vernetzung und Information Art. 9 Vernetzung 1 Die Vertretungen pflegen Kontakte zur Auslandschweizergemeinschaft und nutzen deren Beziehungsnetz. 2 Der Bund pflegt Kontakte zu Institutionen, welche die Beziehungen der Ausland- schweizerinnen und -schweizer unter sich und zur Schweiz fördern und zu einer besseren Betreuung und Vernetzung der Auslandschweizerinnen und -schweizer beitragen, namentlich zur Auslandschweizer-Organisation. 3 Er fördert den Austausch von jungen Auslandschweizerinnen und -schweizern untereinander und mit der Schweiz. Art. 10 Information 1 Der Bund informiert die Auslandschweizerinnen und -schweizer in elektronischer oder gedruckter Form über ihre Rechte und Pflichten sowie über Themen im Zusammenhang mit diesem Gesetz. 2 Das EDA kann den Auslandschweizerinnen und –schweizern namentlich eine Sammlung gesetzlicher Grundlagen, welche sie betreffen, in elektronischer Form zur Verfügung stellen und ihnen die Institutionen und das politische Leben der Schweiz näher bringen. 2. Kapitel: Auslandschweizerregister Art. 11 Eintrag im Auslandschweizerregister 1 Wer die Schweizer Staatsangehörigkeit besitzt und keinen Wohnsitz in der Schweiz hat, hat sich bei der zuständigen Vertretung zur Eintragung ins Ausland- schweizerregister zu melden. 2 Der Eintrag ist die Voraussetzung für die Ausübung der Rechte und Pflichten der Auslandschweizerinnen und -schweizer sowie für die Erbringung von Dienstleistun- gen durch Schweizer Behörden nach diesem Titel. Ausgenommen sind Fälle, in denen dringliche Sozialhilfe geboten ist. Schweizer Personen und Institutionen im Ausland 4 195.1 Art. 12 Anmeldung 1 Der Eintrag ins Auslandschweizerregister erfolgt durch die Anmeldung bei der zuständigen Vertretung. 2 Zuständig ist die Vertretung am Wohnsitz der Auslandschweizerin oder des Aus- landschweizers. Der Bundesrat kann Ausnahmen vorsehen. 3 Wer als minderjährige Person ins Auslandschweizerregister eingetragen wurde, wird bei Erreichen der Volljährigkeit nach schweizerischem Recht von der zustän- digen Vertretung aufgefordert, die Anmeldung zu bestätigen. 4 Die Schweizer Einwohnergemeinden melden dem EDA jede Abmeldung von Schweizer Staatsangehörigen ins Ausland. Art. 13 Meldung von Änderungen 1 Wer im Auslandschweizerregister eingetragen ist, ist verpflichtet, bei der zustän- digen Vertretung jede Änderung oder Ergänzung der sie oder ihn betreffenden Daten zu melden. 2 Wird infolge eines Wohnsitzwechsels im Ausland oder aus anderen Gründen eine andere Vertretung zuständig, so gilt die ursprüngliche Anmeldung für die neu zuständige Vertretung. 3 Die Schweizer Einwohnergemeinden melden dem EDA jede Anmeldung von Schweizer Staatsangehörigen, die aus dem Ausland in die Schweiz zurückkehren. Art. 14 Streichung des Eintrags und Vernichtung der Daten 1 Der Eintrag im Auslandschweizerregister wird gestrichen, wenn die angemeldete Person: a. in der Schweiz Wohnsitz begründet hat; b. nicht mehr die Schweizer Staatsangehörigkeit besitzt; c. als minderjährige Person im Auslandschweizerregister eingetragen wurde und nach Erreichen der Volljährigkeit nach schweizerischem Recht trotz Aufforderung nicht innert 90 Tagen die Anmeldung bestätigt hat; d. verstorben ist; e. nicht oder nicht mehr unter der angegebenen Adresse erreichbar ist; f. für verschollen erklärt wurde. 2 Die Vernichtung der Daten wird in den Ausführungsbestimmungen geregelt. Auslandschweizergesetz 5 195.1 3. Kapitel: Politische Rechte Art. 15 Anwendbares Recht 1 Für die Auslandschweizerinnen und -schweizer gilt die Gesetzgebung über die politischen Rechte der Schweizerinnen und Schweizer im Inland, soweit dieses Gesetz oder die Ausführungsvorschriften nichts anderes bestimmen. 2 Für die politischen Rechte in kantonalen und kommunalen Angelegenheiten bleibt das kantonale Recht vorbehalten. Art. 16 Umfang 1 Auslandschweizerinnen und -schweizer, die das 18. Altersjahr zurückgelegt haben, können an den eidgenössischen Wahlen und Abstimmungen teilnehmen sowie eid- genössische Initiativ- und Referendumsbegehren unterzeichnen. 2 Die Wählbarkeit richtet sich nach Artikel 143 BV. Art. 17 Ausschluss vom Stimmrecht Als vom Stimmrecht ausgeschlossene Entmündigte im Sinne von Artikel 136 Ab- satz 1 BV gelten Auslandschweizerinnen und -schweizer: a. die nach schweizerischem Recht wegen dauernder Urteilsunfähigkeit unter umfassender Beistandschaft stehen oder durch eine vorsorgebeauftragte Per- son vertreten werden; oder b. für die nach ausländischem Recht wegen dauernder Urteilsunfähigkeit eine Massnahme des Erwachsenenschutzes besteht, welche die Handlungsfähig- keit entfallen lässt, sofern auch nach schweizerischem Recht eine Mass- nahme des Erwachsenenschutzes hätte ausgesprochen werden können. Art. 18 Ausübung des Stimmrechts 1 Auslandschweizerinnen und -schweizer üben ihr Stimmrecht in ihrer letzten Wohnsitzgemeinde aus. 2 Verfügen sie über keine solche, so üben sie ihr Stimmrecht in ihrer Heimatgemein- de aus. Haben sie mehrere Heimatgemeinden, so üben sie es in der Heimatgemeinde aus, die sie bei der Anmeldung nach Artikel 12 festgelegt haben. 3 Die Stimmabgabe kann persönlich oder brieflich oder, sofern die Voraussetzungen erfüllt sind, elektronisch erfolgen. 4 Der Bundesrat fördert im Einvernehmen mit interessierten Kantonen und Gemein- den die Durchführung von Versuchen zur elektronischen Stimmabgabe für Aus- landschweizerinnen und -schweizer nach Artikel 8a des Bundesgesetzes vom 17. Dezember 19765 über die politischen Rechte. 5 SR 161.1 Schweizer Personen und Institutionen im Ausland 6 195.1 Art. 19 Eintrag und Streichung im Stimmregister 1 Auslandschweizerinnen und -schweizer, die ihre politischen Rechte ausüben wol- len, melden dies ihrer Stimmgemeinde über die zuständige Vertretung. Die Stimm- gemeinde trägt sie ins Stimmregister ein. 2 Auslandschweizerinnen und –schweizer, die auf die Ausübung der politischen Rechte verzichten wollen, melden dies ihrer Stimmgemeinde über die zuständige Vertretung. 3 Fallen die Voraussetzungen zur Ausübung der politischen Rechte weg, verzichtet eine Auslandschweizerin oder ein Auslandschweizer auf die Ausübung der politi- schen Rechte oder wird das Stimmmaterial drei Mal in Folge als unzustellbar zu- rückgeschickt, so streicht die Stimmgemeinde die betreffende Person im Stimm- register. 4 Die Stimmgemeinde und das EDA informieren sich gegenseitig über vorge- nommene Änderungen und Streichungen von für das Stimmrecht relevanten Daten im Stimmregister beziehungsweise im Auslandschweizerregister. Art. 20 Führung des Stimmregisters für Auslandschweizerinnen und -schweizer 1 Der Kanton führt das Stimmregister für Auslandschweizerinnen und -schweizer zentral bei der Kantonsverwaltung oder bei der Verwaltung seines Hauptortes. 2 Er kann das Stimmregister für Auslandschweizerinnen und -schweizer dezentral führen, wenn die Daten: a. kantonsweit harmonisiert und elektronisch erfasst sind; oder b. regelmässig an zentraler Stelle elektronisch konsolidiert werden. Art. 21 Förderungsmassnahmen Der Bund kann im Rahmen der bewilligten Kredite Massnahmen treffen, die den Auslandschweizerinnen und -schweizern die Ausübung der politischen Rechte erleichtern. 4. Kapitel: Sozialhilfe 1. Abschnitt: Grundsatz und vorbeugende Massnahmen Art. 22 Grundsatz Der Bund gewährt unter den Voraussetzungen nach diesem Kapitel Ausland- schweizerinnen und -schweizern, die bedürftig sind, Sozialhilfe. Auslandschweizergesetz 7 195.1 Art. 23 Vorbeugende Massnahmen Der Bund kann in besonderen Fällen Massnahmen treffen oder unterstützen, die geeignet sind, Auslandschweizerinnen und -schweizer vor drohender Bedürftigkeit zu schützen. 2. Abschnitt: Voraussetzungen der Sozialhilfe Art. 24 Subsidiarität Sozialhilfe wird Auslandschweizerinnen und -schweizern nur dann gewährt, wenn diese ihren Lebensunterhalt nicht hinreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, aus Beiträgen von privater Seite oder aus Hilfeleistungen des Empfangsstaates bestreiten können. Art. 25 Mehrfache Staatsangehörigkeit Auslandschweizerinnen und -schweizern mit mehrfacher Staatsangehörigkeit wird in der Regel keine Sozialhilfe gewährt, wenn die ausländische Staatsangehörigkeit vor- herrscht. Art. 26 Ausschlussgründe Die Sozialhilfe kann verweigert oder entzogen werden, wenn die gesuchstellende Person: a. schweizerische öffentliche Interessen schwer geschädigt hat; b. wissentlich durch unwahre oder unvollständige Angaben Sozialhilfe- leistungen erwirkt oder zu erwirken versucht; c. sich weigert, den Sozialhilfeorganen über ihre persönlichen Verhältnisse Auskunft zu erteilen oder sie zur Einholung von Auskünften zu ermächtigen; d. die ihr gestellten Bedingungen oder Auflagen nicht erfüllt oder wesentliche Änderungen ihrer Verhältnisse nicht meldet; e. das ihr Zumutbare, um ihre Lage zu verbessern, offensichtlich unterlässt; f. Sozialhilfeleistungen missbräuchlich verwendet. 3. Abschnitt: Sozialhilfeleistungen Art. 27 Art und Umfang 1 Art und Umfang der Sozialhilfe richten sich nach den besonderen Verhältnissen des Empfangsstaates, unter Berücksichtigung der notwendigen Lebensbedürfnisse einer oder eines sich dort aufhaltenden Schweizer Staatsangehörigen. Schweizer Personen und Institutionen im Ausland 8 195.1 2 Der Bund kann Auslandschweizerinnen und -schweizern, die vom Empfangsstaat Sozialhilfeleistungen beziehen, unter Wahrung des Grundsatzes nach Absatz 1 zusätzliche Sozialhilfe gewähren. Art. 28 Bedingungen und Auflagen Sozialhilfeleistungen können mit Bedingungen und Auflagen verbunden werden. Art. 29 Abtretung und Verpfändung 1 Zugesicherte Sozialhilfeleistungen des Bundes dürfen weder abgetreten noch verpfändet werden. 2 Jede Abtretung oder Verpfändung von Sozialhilfeleistungen des Bundes ist nichtig. Art. 30 Rückkehr in die Schweiz 1 Der oder dem Bedürftigen kann die Rückkehr in die Schweiz nahegelegt werden, wenn dies in ihrem oder seinem Interesse oder in dem der Familie liegt. In diesem Fall richtet der Bund keine oder keine weiteren Sozialhilfeleistungen im Ausland aus. 2 Der Bund übernimmt im Falle einer Rückkehr die Reisekosten. Er kann sie auch übernehmen, wenn sich eine Bedürftige oder ein Bedürftiger von sich aus zur Rück- kehr entschliesst. Art. 31 Bestattungskosten Der Bund kann die Kosten der schicklichen Bestattung von im Ausland verstorbenen mittellosen Auslandschweizerinnen und -schweizern übernehmen, soweit dafür weder die Angehörigen noch der Empfangsstaat aufkommen. 4. Abschnitt: Verfahren Art. 32 Gesuch 1 Auslandschweizerinnen und -schweizer reichen Gesuche um Sozialhilfe des Bun- des bei der zuständigen Vertretung ein. 2 Die Vertretung prüft und ergänzt das Gesuch und überweist es mit Bericht und Antrag an die Konsularische Direktion des EDA (KD). Art. 33 Entscheid 1 Die KD entscheidet über die Gesuche und leistet für die bewilligte Sozialhilfe Gutsprache. 2 In dringlichen Fällen gewährt die Vertretung die unumgängliche Soforthilfe; sie informiert die KD. Auslandschweizergesetz 9 195.1 3 Die KD kann eine Vertretung ermächtigen, von sich aus zusätzliche Sozialhilfe zu gewähren. Art. 34 Mitwirkung der Hilfsvereine Die Vertretungen können schweizerische Hilfsvereine im Ausland zur Mitarbeit heranziehen. 5. Abschnitt: Rückerstattung Art. 35 Rückerstattungspflicht 1 Die Sozialhilfeempfängerin oder der Sozialhilfeempfänger hat die Sozialhilfe- leistungen zurückzuerstatten, wenn sie oder er keiner Sozialhilfe mehr bedarf und ein angemessener Lebensunterhalt für sie oder ihn und für die Familie gesichert ist. 2 Sozialhilfeleistungen, die jemand vor der Volljährigkeit oder, über diesen Zeit- punkt hinaus, für die Ausbildung bezogen hat, müssen nicht zurückerstattet werden. 3 Wer eine Sozialhilfeleistung für sich oder eine andere Person wissentlich durch unwahre oder unvollständige Angaben erwirkt hat, ist in allen Fällen zur Rücker- stattung verpflichtet. 4 Erbinnen und Erben sind zur Rückerstattung der von der Erblasserin oder vom Erblasser bezogenen Sozialhilfeleistungen verpflichtet, soweit sie aus dem Nachlass bereichert werden. 5 Über die Rückerstattung entscheidet die KD. Sie kann ganz oder teilweise auf die Rückerstattung verzichten, sofern es die Umstände rechtfertigen. Art. 36 Befristung der Rückerstattungspflicht und Unverzinslichkeit 1 Eine Sozialhilfeleistung kann höchstens während zehn Jahren ab der letzten Aus- zahlung zurückgefordert werden, es sei denn, die Forderung wurde vertraglich oder durch die KD festgesetzt. 2 Rückerstattungsforderungen sind unverzinslich. 6. Abschnitt: Kostenverteilung Art. 37 1 Der Bund trägt die Kosten für die aufgrund dieses Kapitels ausgerichteten Sozial- hilfeleistungen. 2 Das zuständige Gemeinwesen des Heimatkantons trägt die Kosten, die ein anderer Staat aufgrund eines Fürsorgeabkommens von der Schweiz zurückfordern kann. Schweizer Personen und Institutionen im Ausland 10 195.1 5. Kapitel: Unterstützung von Auslandschweizer-Institutionen Art. 38 1 Der Bund kann Institutionen unterstützen, welche die Beziehungen der Ausland- schweizerinnen und -schweizer untereinander und zur Schweiz fördern oder Aus- landschweizerinnen und -schweizern Hilfe gewähren. 2 Er kann insbesondere der Auslandschweizer-Organisation Finanzhilfen zur Wah- rung der Interessen und zur Information der Auslandschweizerinnen und -schweizer gewähren. 3 Das EDA kann mit den Institutionen nach Absatz 1 Leistungsvereinbarungen abschliessen; darin werden die Rechte und Pflichten der Institutionen und die finan- zielle Unterstützung des Bundes festgelegt. 3. Titel: Konsularischer Schutz und weitere konsularische Dienstleistungen zugunsten von Personen im Ausland 1. Kapitel: Konsularischer Schutz 1. Abschnitt: Voraussetzungen Art. 39 Natürliche Personen 1 Der konsularische Schutz kann folgenden natürlichen Personen gewährt werden: a. Auslandschweizerinnen und -schweizern sowie Schweizer Staatsangehöri- gen, die sich im Ausland aufhalten; b. Personen, für welche die Schweiz Schutzfunktionen übernimmt. 2 Er kann gegenüber Schweizer Staatsangehörigen mit mehrfacher Staatsangehörig- keit gewährt werden, sofern nicht ein anderer Staat bereits Unterstützung leistet. 3 Besitzt eine Person neben der Schweizer Staatsangehörigkeit auch die Staats- angehörigkeit des Empfangsstaates, so kann sie von der Schweiz konsularisch geschützt werden, sofern sich der Empfangsstaat nicht widersetzt. Art. 40 Juristische Personen 1 Der konsularische Schutz kann juristischen Personen gewährt werden, die: a. dem Schweizer Recht unterstehen und nach dessen Vorschriften organisiert sind; und b. das Zentrum ihrer tatsächlichen Verwaltung in der Schweiz haben. 2 Subsidiär kann er auch juristischen Personen im Ausland gewährt werden, wenn diese von einer oder einem Schweizer Staatsangehörigen oder von einer juristischen Person im Sinne von Absatz 1 kontrolliert werden und sich der Empfangsstaat nicht widersetzt. Auslandschweizergesetz 11 195.1 3 Eine Kontrolle im Sinne von Absatz 2 liegt vor, wenn die kontrollierende Person: a. direkt über die Mehrheit der Stimmen im obersten Organ verfügt; b. direkt über das Recht verfügt, die Mehrheit der Mitglieder des obersten Lei- tungs- oder Verwaltungsorgans zu bestellen oder abzuberufen; oder c. aufgrund der Statuten, der Stiftungsurkunde, eines Vertrags oder vergleich- barer Instrumente einen beherrschenden Einfluss ausüben kann. Art. 41 Schutz fremder Interessen 1 Der Bund kann den Schutz der Interessen von natürlichen oder juristischen Perso- nen eines fremden Staates übernehmen. Der Bundesrat entscheidet. 2 Der Schutz dieser Interessen kann nicht über den Schutz für Schweizer Personen hinausgehen. 2. Abschnitt: Subsidiarität, Beschränkung und Verantwortlichkeit des Bundes Art. 42 Subsidiarität Der Bund kann natürliche und juristische Personen im Ausland unterstützen, wenn diesen nicht zugemutet werden kann oder sie nicht in der Lage sind, ihre Interessen selbst oder mit Hilfe Dritter zu wahren. Art. 43 Beschränkung des konsularischen Schutzes 1 Es besteht kein Rechtsanspruch auf konsularischen Schutz. 2 Der Bund kann eine Hilfeleistung namentlich dann verweigern oder begrenzen, wenn: a. die Gefahr besteht, dass sie aussenpolitischen Interessen des Bundes nach- teilig sein könnte; b. andere Personen dadurch gefährdet werden; c. die betroffene Person Empfehlungen des Bundes missachtet oder sich auf andere Weise fahrlässig verhalten hat; d. die betroffene Person frühere Hilfeleistungen missbraucht hat. 3 Vorbehalten bleiben die Fälle, in denen Leib und Leben der betroffenen Person in Gefahr sind. Art. 44 Verantwortlichkeit des Bundes 1 Die Verantwortlichkeit des Bundes richtet sich unter Vorbehalt von Absatz 2 nach dem Verantwortlichkeitsgesetz vom 14. März 19586. 6 SR 170.32 Schweizer Personen und Institutionen im Ausland 12 195.1 2 Der Bund haftet nicht: a. für veröffentlichte Empfehlungen und erbrachte Hilfeleistungen; b. wenn die betroffene Person Empfehlungen des Bundes missachtet oder sich auf andere Weise fahrlässig verhalten hat. 3. Abschnitt: Hilfeleistungen Art. 45 Allgemeiner Beistand im Ausland 1 Der allgemeine Beistand umfasst namentlich Hilfeleistungen bei Krankheit und Unfall oder für Opfer schwerer Verbrechen. 2 Der Bund kann sich in Einzelfällen an Such- und Rettungsaktionen beteiligen. 3 Wird der Bund im Rahmen seines Beistandes durch die Behörden des Empfangs- staats vom Hinschied einer oder eines Schweizer Staatsangehörigen mit Wohnsitz in der Schweiz in Kenntnis gesetzt, informiert er die nächsten Angehörigen. 4 In rechtlichen Verfahren im Ausland können die Vertretungen ohne Gewähr einen Rechtsbeistand vor Ort empfehlen. 5 Die Vertretungen können auf den konsularischen und diplomatischen Kanälen bei den lokalen und den zentralen Behörden des Empfangsstaates intervenieren. Art. 46 Freiheitsentzug 1 Erfährt eine Vertretung, dass einer Person im Ausland die Freiheit entzogen wurde, so erkundigt sie sich bei den Behörden des Empfangsstaates nach den Gründen der Massnahme. 2 Die Vertretung bemüht sich namentlich darum: a. sich mit der betroffenen Person in Verbindung zu setzen oder sie zu besu- chen, sofern es angezeigt ist oder die betroffene Person es verlangt; b. sicherzustellen, dass das Recht auf menschenwürdige Haftbedingungen, die Verfahrensgarantien und das Verteidigungsrecht der betroffenen Person res- pektiert werden. Art. 47 Notdarlehen Der Bund kann in Not geratenen natürlichen Personen, die sich vorübergehend im Ausland aufhalten, gegen Rückzahlungsverpflichtung zinslose Darlehen gewähren: a. für die Finanzierung der Heimreise; b. als Überbrückungshilfe; c. für Spital- und Arztkosten. Auslandschweizergesetz 13 195.1 Art. 48 Krisensituationen 1 Jede Vertretung verfügt über ein Krisendispositiv, namentlich für bewaffnete Konflikte, Terroranschläge, politische Unruhen, Verkehrsunfälle und Naturkata- strophen. 2 Das EDA und die Vertretungen informieren natürliche Personen und deren Ange- hörige im Falle einer Krisensituation und leisten ihnen im Rahmen des Möglichen Beistand. 3 Die Sicherheitsempfehlungen des EDA sind zu beachten. Bei anhaltenden Krisen- situationen kann das EDA die Ausreise aus der Krisenregion empfehlen. Der Ent- scheid, eine Krisenregion zu verlassen, erfolgt freiwillig, auf eigenes Risiko und auf eigene Kosten der ausreisenden Person. 4 Der Bund kann sich an Such- und Rettungsmassnahmen des Empfangsstaates oder anderer Staaten beteiligen. 5 Er kann in bestimmten Krisensituationen, namentlich bei bewaffneten Konflikten und politischen Unruhen, natürlichen und juristischen Personen für ihre persönliche Sicherheit oder diejenige ihres Eigentums Schutzbriefe aushändigen. 6 Er kann bei Krieg oder schweren Unruhen natürlichen Personen, die im Ausland unverschuldet ihre Existenzgrundlage verloren haben, eine zeitlich begrenzte finan- zielle Unterstützung gewähren. Art. 49 Entführungen und Geiselnahmen 1 Der Bund kann natürlichen Personen, die im Ausland Opfer einer Entführung oder Geiselnahme sind, Beistand leisten. 2 Erfährt eine Vertretung, dass sich eine Entführung oder Geiselnahme ereignet hat, so bemüht sie sich um Unterstützung vor Ort. Insbesondere ersucht sie die zustän- digen Behörden des Empfangsstaates darum, die notwendigen Massnahmen zu treffen. 2. Kapitel: Weitere konsularische Dienstleistungen 1. Abschnitt: Konsularische Dienstleistungen des EDA Art. 50 Administrative Dienstleistungen 1 Das EDA erbringt die konsularischen Dienstleistungen administrativer Natur, die nicht in anderen Gesetzen geregelt sind oder nicht von anderen Amtsstellen erbracht werden, namentlich Beglaubigungen, Bestätigungen, Bescheinigungen durch eine Vertretung, Hinterlegungen auf einer Vertretung oder Eingaben an Schweizer Be- hörden über eine Vertretung. 2 Der Bundesrat regelt diese Dienstleistungen in einer Verordnung. Schweizer Personen und Institutionen im Ausland 14 195.1 Art. 51 Aus- und Rückwanderungsberatung 1 Das EDA unterhält einen Aus- und Rückwanderungs-Beratungsdienst insbesonde- re nach Artikel 25 Absatz 1 des Arbeitsvermittlungsgesetzes vom 6. Oktober 19897. 2 Der Beratungsdienst informiert schweizerische Rückwanderer aus dem Ausland über Einreise und Lebensbedingungen. Art. 52 Seeschifffahrtsangelegenheiten Die Vertretungen erbringen konsularische Dienstleistungen in Seeschifffahrtsange- legenheiten nach den Artikeln 43, 56, 57, 59, 65, 82, 119 und 120 des Seeschiff- fahrtsgesetzes vom 23. September 19538. 2. Abschnitt: Konsularische Dienstleistungen in der Zuständigkeit anderer Departemente Art. 53 Zivilstand 1 Das EDA stellt die Koordination zwischen den Vertretungen und den im Bundes- amt für Justiz (BJ) für das Zivilstandswesen zuständigen Stellen sicher. 2 Die Vertretungen nehmen Aufgaben, die das Schweizer Zivilstandswesen im Ausland betreffen, wahr. Zu diesem Zwecke arbeiten sie mit dem BJ zusammen und nehmen die Änderungen im Auslandschweizerregister vor. Art. 54 Bürgerrecht 1 Das EDA unterstützt das Staatssekretariat für Migration9 in Bürgerrechtsfragen. 2 Die Vertretungen wirken insbesondere mit bei Abklärungen im Ausland von Sach- verhalten nach den Artikeln 7, 21 Absätze 2 und 4, 26 und 27 des Bürgerrechts- gesetzes vom 20. Juni 201410.11 Art. 55 Ausweisschriften Das EDA unterstützt das Bundesamt für Polizei bei der Ausstellung, beim Entzug und beim Verlust von Ausweisen im Ausland nach den Artikeln 4–6, 7 und 8 des Ausweisgesetzes vom 22. Juni 200112. 7 SR 823.11 8 SR 747.30 9 Die Bezeichnung wurde in Anwendung von Art. 12 Abs. 2 des Publikationsgesetzes vom 18. Juni 2004 (SR 170.512) auf den 1. Sept. 2016 angepasst. 10 SR 141.0 11 Siehe Art. 68 hiernach. 12 SR 143.1 Auslandschweizergesetz 15 195.1 Art. 56 Militärisches Meldewesen 1 Der Militärdienst von Auslandschweizerinnen und -schweizern und von Schwei- zerinnen und Schweizern mit mehrfacher Staatsangehörigkeit richtet sich nach den Artikeln 4, 5 und 27 Absatz 2 des Militärgesetzes vom 3. Februar 199513. 2 Die Vertretungen erbringen in militärischen Angelegenheiten namentlich die fol- genden konsularischen Dienstleistungen: a. Übermittlung von Gesuchen um Auslandurlaub von Schweizer Staats- angehörigen, die es unterlassen haben, diesen anlässlich ihrer Ausreise aus der Schweiz zu beantragen; b. Ausstellung des Wehrpflichtblatts an Schweizer Staatsangehörige, die bei einer Vertretung angemeldet sind und ihre Volljährigkeit erreichen; c. Auskunft an Auslandschweizerinnen und -schweizer, die freiwillig die Rekrutierung, die Rekrutenschule und Ausbildungsdienste in der Schweiz absolvieren wollen; d. Auskunft an Schweizer Staatsangehörige mit mehrfacher Staatsangehörig- keit über den Militärdienst und über die Anerkennung des Militärdienstes im Rahmen eines bilateralen Abkommens. Art. 57 Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung Das EDA unterstützt die Schweizerische Ausgleichskasse und die IV-Stelle für Versicherte im Ausland bei der Durchführung der freiwilligen Versicherung im Aus- land nach: a. Artikel 2 (Freiwillige Versicherung) des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 194614 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung; b. Artikel 1b (Die versicherten Personen) des Bundesgesetzes vom 19. Juni 195915 über die Invalidenversicherung. 4. Titel: Finanzierung, Gebühren und Kostenersatz Art. 58 Finanzierung Die Bundesversammlung bewilligt für eine mehrjährige Beitragsperiode mit ein- fachem Bundesbeschluss den Zahlungsrahmen für die Beiträge nach: a. Artikel 21 (Förderungsmassnahmen); b. Artikel 37 Absatz 1 (Sozialhilfe); c. Artikel 38 (Unterstützung von Auslandschweizer-Institutionen); d. Artikel 47 (Notdarlehen). 13 SR 510.10 14 SR 831.10 15 SR 831.20 Schweizer Personen und Institutionen im Ausland 16 195.1 Art. 59 Gebühren Der Bundesrat erlässt im Sinne von Artikel 46a Absätze 2–4 des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes vom 21. März 199716 Bestimmungen über die Erhebung angemessener Gebühren für Verfügungen, Dienstleistungen und andere amtliche Verrichtungen nach diesem Gesetz. Art. 60 Kostenersatz 1 Personen, die eine konsularische Dienstleistung verursacht haben, schulden dem Bund dafür Kostenersatz. 2 Kostenersatz ist auch geschuldet, wenn der Bund die Dienstleistung ohne Antrag der betroffenen Person, jedoch nach ihrem mutmasslichen Willen und ihren Inte- ressen erbracht hat. 3 Der Bundesrat regelt die Einzelheiten und Ausnahmen. Art. 61 Verzicht auf Gebühren oder Kostenersatz Wegen Bedürftigkeit oder aus anderen wichtigen Gründen kann eine Gebühr oder ein Kostenersatz gestundet oder aber teilweise oder ganz erlassen werden. Wird die Gebühr oder der Kostenersatz teilweise oder ganz erlassen, so ist zu berücksichtigen, ob sich die betreffende Person fahrlässig verhalten hat. 5. Titel: Schlussbestimmungen Art. 62 Rechtspflege Das Beschwerdeverfahren richtet sich nach den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege. Art. 63 Vollzug 1 Der Bundesrat vollzieht dieses Gesetz. 2 Er erlässt die Ausführungsbestimmungen. 3 Die kantonalen Ausführungsbestimmungen bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Genehmigung des Bundes. Art. 64 Zusammenarbeit und Übertragung von Befugnissen 1 Die Amtsstellen des Bundes, der Kantone und der Gemeinden arbeiten unentgelt- lich zusammen. Das EDA kann für ausserordentliche Dienstleistungen mit kanto- nalen Amtsstellen Leistungsvereinbarungen abschliessen. 2 Die Amtsstellen des Bundes und die Vertretungen können im Rahmen ihrer Zuständigkeiten mit ausländischen Behörden zusammenarbeiten. 16 SR 172.010 Auslandschweizergesetz 17 195.1 3 Der Bundesrat kann völkerrechtliche Verträge über Dienstleistungen im konsu- larischen Bereich abschliessen. 4 Er kann private juristische Personen, die auf einem bestimmten Territorium aktiv sind, mit der Erteilung von Visa oder mit der Ausführung von anderen spezifischen konsularischen Dienstleistungen beauftragen, wenn die Schweiz für dieses Territori- um keine zuständige diplomatische Vertretung hat. Er kann zu diesem Zweck Leis- tungsvereinbarungen abschliessen. Art. 65 Statistik Der Bundesrat kann die für dieses Gesetz notwendigen statistischen Erhebungen anordnen und die Daten vom Bundesamt für Statistik oder vom EDA nach Artikel 4 des Bundesgesetzes vom 24. März 200017 über die Bearbeitung von Personendaten im Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten, nach dem Bun- desstatistikgesetz vom 9. Oktober 199218 und nach Artikel 15 Absatz 1 des Regis- terharmonisierungsgesetzes vom 23. Juni 200619 auswerten lassen. Art. 66 Aufhebung und Änderung anderer Erlasse Die Aufhebung und die Änderung anderer Erlasse sind im Anhang geregelt. Art. 67 Übergangsbestimmung Nach bisherigem Recht gewährte Leistungen des Bundes werden auch nach Inkraft- treten dieses Gesetzes ausgerichtet. Art. 68 Koordination mit dem Bürgerrechtsgesetz vom 20. Juni 2014 Unabhängig davon, ob das Bürgerrechtsgesetz vom 20. Juni 201420 oder das vorlie- gende Gesetz zuerst in Kraft tritt, lautet mit Inkrafttreten des später in Kraft treten- den Gesetzes sowie bei gleichzeitigem Inkrafttreten Artikel 54 Absatz 2 des vor- liegenden Gesetzes wie folgt: … 21 Art. 69 Referendum und Inkrafttreten 1 Dieses Gesetz untersteht dem fakultativen Referendum. 2 Der Bundesrat bestimmt das Inkrafttreten. Inkrafttreten: 1. November 201522 17 SR 235.2 18 SR 431.01 19 SR 431.02 20 SR 141.0. In Kraft seit 1. Jan. 2018. 21 Text eingefügt hiervor. 22 BRB vom 7. Okt. 2015 Schweizer Personen und Institutionen im Ausland 18 195.1 Anhang (Art. 66) Aufhebung und Änderung anderer Erlasse I Folgende Erlasse werden aufgehoben: a. Bundesgesetz vom 19. Dezember 197523 über die politischen Rechte der Auslandschweizer; b. Bundesgesetz vom 21. März 197324 über Sozialhilfe und Darlehen an Schweizer Staatsangehörige im Ausland; c. Bundesbeschluss vom 22. Juni 196225 über die Gewährung einer Ausfall- garantie an die Genossenschaft «Solidaritätsfonds der Auslandschweizer»; II Die Änderung vom 17. Juni 201126 des Bundesgesetzes vom 19. Dezember 197527 über die politischen Rechte der Auslandschweizer (Vereinfachung der Erneuerung der Anmeldung) ist gegenstandslos. III Die nachstehenden Erlasse werden wie folgt geändert: …28 23 [AS 1976 1805, 1991 2388, 2002 3193, 2007 4637 Ziff. I 2, 2009 5685 Ziff. I 1, 2011 725 Anhang Ziff. 4] 24 [AS 1973 1976, 2000 1915 Anhang Ziff. 2, 2008 3437 Ziff. II 48, 2009 5685 Ziff. I 2, 2011 725 Anhang Ziff. 34, 2014 3789 Ziff. I 5] 25 [AS 1962 1185] 26 BBl 2011 4839 27 AS 1976 1805 28 Die Änderungen können unter AS 2015 3857 konsultiert werden.
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Sachverhalt ab Seite 290 BGE 145 V 289 S. 290 A. A.a Die A. AG ist Zulassungsinhaberin des Originalpräparats X., welches seit 1. Juli 2005 auf der Spezialitätenliste (SL) figuriert. X. enthält den Wirkstoff Y. und dient der Behandlung von neuropathischen Schmerzen, Epilepsie sowie generalisierten Angststörungen. Der Patentschutz für die beiden letztgenannten Indikationen endete am 20. April 2015, derjenige für neuropathische Schmerzen am 16. Juli 2017. Im November 2014 überprüfte das Bundesamt für Gesundheit (BAG) auf Gesuch der A. AG mit Blick auf das nahende Ende der Marktexklusivität von X. bezüglich der beiden Indikationen Epilepsie und generalisierte Angststörungen, ob das Medikament die SL-Aufnahmebedingungen nach Patentablauf noch erfülle. Am 22. Januar 2015 stellte das BAG verfügungsweise fest, dass der BGE 145 V 289 S. 291 aktuelle Fabrikabgabepreis (FAP) von X. in der Schweiz um 5,04 Prozent zu hoch sei, und setzte die Publikumspreise für die SL per 1. Mai 2015 entsprechend herab. Diese Verfügung erwuchs in Rechtskraft. A.b Mit Schreiben vom 18. Mai 2015 liess die A. AG geltend machen, die einschlägigen Bestimmungen von KVG, KVV und KLV äusserten sich bezüglich Preisüberprüfung und differenzierten Selbstbehalts nicht zur vorliegenden Konstellation, in welcher nur der Patentschutz von zwei von insgesamt drei Indikationen eines Präparats abgelaufen sei. Diese Gesetzeslücke müsse mittels Auslegung bereinigt werden. Dem hielt das BAG am 10. Juli 2015 schriftlich entgegen, bei der Bestimmung des Preisniveaus von allfälligen Generika sei auf den gesamten schweizerischen Umsatz des Arzneimittels abzustellen; für den Vorschlag der A. AG, die Umsätze des Originalpräparats indikationsspezifisch zu berücksichtigen, bestehe keine rechtliche Grundlage. Mit Eingabe vom 22. Oktober 2015 ersuchte die A. AG um freiwillige Preissenkung von X. per 1. Dezember 2015 und um Festlegung des ab diesem Zeitpunkt geltenden Selbstbehalts. Am 28. Oktober 2015 verfügte das BAG eine Preissenkung im von der A. AG beantragten Umfang. Den Selbstbehalt legte es auf 20 Prozent der die Franchise übersteigenden Kosten fest, da es trotz der beantragten Preissenkung per 1. Dezember 2015 zu einem Preis angeboten werde, welcher den für den differenzierten Selbstbehalt (von 10 Prozent) geltenden Grenzwert überschreite (Verfügung vom 29. Oktober 2015). B. Die gegen die Verfügung des BAG vom 29. Oktober 2015 erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht ab, soweit es darauf eintrat (Entscheid vom 7. März 2018). C. Die A. AG lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und beantragen, in Aufhebung des angefochtenen Entscheids sowie der Verfügung des BAG vom 29. Oktober 2015 sei für das Arzneimittel X. ab 1. Dezember 2015 ein Selbstbehalt von 10 Prozent der die Franchise übersteigenden Kosten festzulegen. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung unter preislicher Berücksichtigung der patentgeschützten Indikation des Arzneimittels X. an das BAG zurückzuweisen. Das BAG ersucht um Abweisung der Beschwerde. Die A. AG hält replikweise an ihren Rechtsbegehren fest. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. BGE 145 V 289 S. 292 Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. 2.1 Wie im angefochtenen Entscheid zutreffend dargelegt wird, übernimmt die obligatorische Krankenpflegeversicherung (OKP) gemäss Art. 25 KVG die Kosten für die Leistungen, die der Diagnose oder Behandlung einer Krankheit und ihrer Folgen dienen (Abs. 1). Diese Leistungen umfassen unter anderem die ärztlich verordneten Arzneimittel (Abs. 2 lit. b). Die Leistungen nach Art. 25 KVG müssen gemäss Art. 32 Abs. 1 KVG wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sein (Satz 1), wobei die Wirksamkeit nach wissenschaftlichen Methoden nachgewiesen sein muss (Satz 2). Die Wirksamkeit, die Zweckmässigkeit und die Wirtschaftlichkeit der Leistungen (sogenannte WZW-Kriterien) werden periodisch überprüft ( Art. 32 Abs. 2 KVG ). Das BAG erstellt laut Art. 52 Abs. 1 lit. b Satz 1 KVG (in Verbindung mit Art. 34, 37a lit. c und Art. 37e Abs. 1 KVV [SR 832. 102]) nach Anhören der Eidgenössischen Arzneimittelkommission und unter Berücksichtigung der Grundsätze nach Art. 32 Abs. 1 sowie Art. 43 Abs. 6 KVG eine Liste der pharmazeutischen Spezialitäten und konfektionierten Arzneimittel mit Preisen (Spezialitätenliste, SL). Diese hat auch die mit den Originalpräparaten austauschbaren preisgünstigeren Generika zu enthalten (Art. 52 Abs. 1 lit. b Satz 2 KVG). Die Aufnahme eines Arzneimittels in diese abschliessende und verbindliche Liste ist grundsätzlich Voraussetzung für die Übernahme der Medikamentenkosten durch die OKP ( BGE 139 V 375 E. 4.2 S. 377 mit Hinweisen). 2.2 Die hier entscheidwesentlichen, auszugsweise wiedergegebenen (formellen und materiellen) Ausführungsbestimmungen zur SL, welche der Bundesrat gestützt auf Art. 96 KVG in den Art. 64 ff. KVV sowie das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) auf der Basis von Art. 75 KVV in den Art. 30 ff. KLV (SR 832.112.31) erlassen hat (vgl. BGE 129 V 32 E. 3.2.1 S. 35), lauten wie folgt. In zeitlicher Hinsicht sind dabei - unstreitig - die rechtlichen Grundlagen massgeblich, die am 1. Dezember 2015 galten (erstmalige Anwendung des differenzierten Selbstbehalts gemäss aArt. 38a KLV [vgl. E. 2.2.6 hiernach]). 2.2.1 Die SL enthält die bei Abgabe durch Apothekerinnen und Apotheker, Ärztinnen und Ärzte sowie Spitäler und Pflegeheime massgebenden Höchstpreise ( Art. 67 Abs. 1 KVV ). Der Höchstpreis besteht aus dem FAP und dem Vertriebsanteil ( Art. 67 Abs. 1 bis KVV ). BGE 145 V 289 S. 293 2.2.2 Die Aufnahme eines Arzneimittels in die SL setzt voraus, dass es wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich ist und eine gültige Zulassung des Schweizerischen Heilmittelinstituts Swissmedic vorliegt ( Art. 65 Abs. 1 und 3 KVV , Art. 30 Abs. 1 KLV ). Das BAG kann die Aufnahme mit Bedingungen und Auflagen versehen ( Art. 65 Abs. 5 KVV ). Im Weiteren kann die Aufnahme in die SL unter der Bedingung einer Limitierung erfolgen. Diese kann sich insbesondere auf die Menge oder die medizinischen Indikationen beziehen ( Art. 73 KVV ). 2.2.3 Das BAG stützt sich für die Beurteilung der Wirksamkeit auf die Unterlagen, die für die Registrierung eines Arzneimittels durch Swissmedic massgebend waren; es können weitere Unterlagen verlangt werden ( Art. 32 KLV ). Die Zweckmässigkeit eines Arzneimittels in Bezug auf seine Wirkung und Zusammensetzung wird nach klinisch-pharmakologischen und galenischen Erwägungen, nach unerwünschten Wirkungen sowie nach der Gefahr missbräuchlicher Verwendung beurteilt ( Art. 33 Abs. 1 KLV ). Das BAG stützt sich dabei ebenfalls auf die zuvor genannten, bei Swissmedic eingereichten Unterlagen ( Art. 33 Abs. 2 KLV ). Schliesslich gilt ein Arzneimittel als wirtschaftlich, wenn es die indizierte Heilwirkung mit möglichst geringem finanziellem Aufwand gewährleistet ( Art. 65b Abs. 1 KVV ). 2.2.4 Art. 65c KVV (in der vom 1. Juni 2015 bis 28. Februar 2017 gültig gewesenen, hier massgeblichen Fassung [nachfolgend: aArt.]) regelt die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit bei Generika. Dabei werden die geringeren Kosten für die Entwicklung im Vergleich zum Originalpräparat berücksichtigt (Abs. 1). Ein Generikum gilt bei der Aufnahme in die SL als wirtschaftlich, wenn sein FAP gegenüber dem mit ihm austauschbaren Originalpräparat - je nach Schweizer Marktvolumen des Originalpräparats (und dessen Co-Marketing-Arzneimittel, vgl. zu den Begriffen Art. 64a KVV ) - während drei Jahren vor Patentablauf mindestens 10 bis 60 Prozent tiefer liegt (Abs. 2 lit. a-e). Gemäss Abs. 5 von aArt. 65c KVV werden Generika, die vor der Preisüberprüfung des Originalpräparats nach Art. 65e KVV in die SL aufgenommen werden, nach der Preisüberprüfung zur Wahrung des Abstands preislich angepasst. 2.2.5 Nach aArt. 65e KVV (in der vom 1. Juni 2015 bis 28. Februar 2017 in Kraft gestandenen, hier anwendbaren Fassung) überprüft das BAG Originalpräparate unmittelbar nach Ablauf des Patentschutzes daraufhin, ob sie die Aufnahmebedingungen noch erfüllen. BGE 145 V 289 S. 294 Verfahrenspatente werden bei der Überprüfung nicht berücksichtigt (Abs. 1). Die Wirtschaftlichkeit wird ausschliesslich anhand des Auslandpreisvergleichs überprüft (Abs. 2). Bei der Überprüfung der Wirtschaftlichkeit werden die Kosten für Forschung und Entwicklung nicht mehr berücksichtigt (Abs. 3). Ergibt die Überprüfung der Wirtschaftlichkeit, dass der geltende Höchstpreis zu hoch ist, so verfügt das BAG eine Preissenkung auf den durchschnittlichen FAP der Referenzländer (Abs. 4). Für die Überprüfung eines Originalpräparats nach aArt. 65e KVV muss die Zulassungsinhaberin dem BAG spätestens sechs Monate vor Ablauf des Patentschutzes unaufgefordert die Preise in allen Referenzländern und die Umsatzzahlen der letzten drei Jahre vor Patentablauf nach aArt. 65c Abs. 2-4 KVV angeben ( Art. 37 KLV ). 2.2.6 In aArt. 38a KLV (in der vom 1. März 2011 bis 28. Februar 2017 gültig gewesenen Fassung) wird der differenzierte Selbstbehalt geregelt. Für Arzneimittel, deren Höchstpreis den Durchschnitt der Höchstpreise des günstigsten Drittels aller Arzneimittel mit gleicher Wirkstoffzusammensetzung auf der SL um mindestens 20 Prozent übersteigt, beträgt der Selbstbehalt 20 Prozent der die Franchise übersteigenden Kosten (Abs. 1). Die Festlegung des günstigsten durchschnittlichen Drittels erfolgt auf den 1. September oder bei Aufnahme des ersten Generikums in die SL (Abs. 3 [in der vom 15. November 2015 bis 28. Februar 2017 geltenden Fassung]). Senkt die Inhaberin der Zulassung für ein Originalpräparat oder ein Co-Marketing-Arzneimittel nach Patentablauf den FAP in einem Schritt auf das Generikapreisniveau nach aArt. 65c Abs. 2 KVV, so gilt für dieses Arzneimittel in den ersten 24 Monaten seit dieser Preissenkung ein Selbstbehalt von 10 Prozent der die Franchise übersteigenden Kosten (Abs. 4). 3. 3.1 Streitgegenstand bildet die Festsetzung des differenzierten Selbstbehalts nach Massgabe von aArt. 38a KLV. Dazu gehört - mit der Vorinstanz - die damit zusammenhängende, hier entscheidende Frage, wie das Marktvolumen für die Berechnung des Generikapreisniveaus nach aArt. 65c Abs. 2 KVV zu bestimmen ist, wenn zum Zeitpunkt der Festsetzung des differenzierten Selbstbehalts (mindestens) eine Indikation des betroffenen Originalpräparats noch durch ein Patent geschützt ist. Die Festlegung des Selbstbehalts eines Originalpräparats im Rahmen von aArt. 38a Abs. 4 KLV hängt nämlich BGE 145 V 289 S. 295 von dessen Marktvolumen ab: Für Arzneimittel, die mindestens 20 Prozent teurer sind als das günstigste Drittel aller vergleichbaren Arzneimittel (einschliesslich Generika) gilt gemäss aArt. 38a Abs. 1 KLV ein Selbstbehalt von 20 Prozent. Wird der FAP eines Originalpräparats nach Patentablauf jedoch in einem Schritt auf das Generikapreisniveau gesenkt, so gilt für 24 Monate ein Selbstbehalt von lediglich 10 Prozent (aArt. 38a Abs. 4 KLV). Der Selbstbehalt eines Originalpräparats nach Patentablauf steht also im Zusammenhang mit dem Generikapreisniveau, welches seinerseits laut aArt. 65c Abs. 2 KVV in Relation zum schweizerischen Marktvolumen des Originalpräparats und dessen Co-Marketing-Arzneimittel berechnet wird. 3.2 3.2.1 Vorinstanz und Beschwerdegegner vertreten den Standpunkt, eine korrekte Auslegung von aArt. 65c Abs. 2 KVV ergebe, dass bei der Berechnung des darin erwähnten Generikapreisniveaus auf das gesamte Schweizer Marktvolumen des Originalpräparats abzustellen sei. Dieser Schluss entspreche nicht nur dem Wortlaut, sondern auch dem historischen und aktuellen Zweck der Bestimmung sowie deren gesetz- respektive verordnungsgeberischem Ziel. Sie sei weder im Hinblick auf das Patentrecht noch auf die Eigentumsgarantie oder die Wirtschaftsfreiheit zu beanstanden. 3.2.2 Die Beschwerdeführerin erachtet demgegenüber einzig das Marktvolumen derjenigen Indikationen des Originalpräparats als in diesem Sinne entscheidwesentlich, deren Patentschutz bereits abgelaufen ist. Dem noch andauernden Patentschutz der Indikation neuropathische Schmerzen von X. sei bei der Preisfestsetzung und bei der Festlegung des Selbstbehalts Rechnung zu tragen. Massstab dafür müsse das Verhältnis des Marktvolumens von X. zum Marktvolumen der noch patentgeschützten Indikationen des Medikaments sein. Für die Festsetzung des notwendigen Preisabstands von Generika nach aArt. 65c Abs. 2 KVV dürfe deshalb nur auf denjenigen Teil des Marktvolumens abgestellt werden, der mit den Indikationen erwirtschaftet werde, deren Patentschutz schon abgelaufen sei. Dieser betrage vorliegend einen Drittel des Marktvolumens von X., das heisst 10 Mio. Fr. 4. 4.1 Wie im vorinstanzlichen Entscheid korrekt wiedergegeben, bildet der Wortlaut einer Bestimmung Ausgangspunkt der BGE 145 V 289 S. 296 Gesetzesauslegung (grammatikalisches Element). Ist er klar, d.h. eindeutig und unmissverständlich, darf vom Wortlaut nur abgewichen werden, wenn ein triftiger Grund für die Annahme besteht, der Wortlaut ziele am "wahren Sinn", d.h. am Rechtssinn, der Regelung vorbei. Anlass für eine solche Annahme können die Entstehungsgeschichte der Bestimmung (historisch), ihr Zweck (teleologisch) oder der Zusammenhang mit anderen Vorschriften (systematisch) geben, so namentlich, wenn die grammatikalische Auslegung zu einem Ergebnis führt, das der Gesetzgeber nicht gewollt haben kann ( BGE 144 V 327 E. 3 S. 331; BGE 142 V 402 E. 4.1 S. 404 f.; je mit Hinweisen; Urteil 9C_659/2018 vom 9. April 2019 E. 4.2.1). 4.2 Verordnungsrecht ist gesetzeskonform auszulegen. Es sind die gesetzgeberischen Anordnungen, Wertungen und der in der Delegationsnorm eröffnete Gestaltungsspielraum mit seinen Grenzen zu berücksichtigen ( BGE 142 V 466 E. 3.2 S. 471 mit Hinweisen). 5. 5.1 Als Generikum gilt ein von Swissmedic zugelassenes Arzneimittel, das im Wesentlichen gleich ist wie ein Originalpräparat und das mit diesem auf Grund identischer Wirkstoffe sowie seiner Darreichungsform und Dosierung austauschbar ist (Art. 52 Abs. 1 lit. b Satz 2 KVG in Verbindung mit Art. 64a Abs. 2 KVV ). Generika müssen ebenfalls wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sein, um Aufnahme in die SL zu finden ( Art. 32 Abs. 1 KVG sowie Art. 65 Abs. 3 und Art. 65a ff. KVV ). 5.1.1 Für Generika gilt gemäss Art. 14 Abs. 1 lit. a des Bundesgesetzes vom 15. Dezember 2000 über Arzneimittel und Medizinprodukte (Heilmittelgesetz, HMG; SR 812.21) ein vereinfachtes Zulassungsverfahren. Unter dem Aspekt der (therapeutischen) Wirksamkeit hat Swissmedic vorab festzustellen, ob ein Generikum unter Bezugnahme auf ein Referenzpräparat (Originalpräparat) als therapeutisch äquivalent eingestuft werden kann (vgl. Art. 14 Abs. 1 lit. a der Verordnung des Schweizerischen Heilmittelinstituts vom 22. Juni 2006 über die vereinfachte Zulassung von Arzneimitteln und die Zulassung von Arzneimitteln im Meldeverfahren [in der vom 1. Januar 2013 bis 31. Dezember 2018 in Kraft gestandenen Fassung; VAZV; SR 812.212.23]). Gestützt darauf wird die Austauschbarkeit - und damit das Kriterium der Zweckmässigkeit des fraglichen Generikums - zwischen Originalpräparat und Generikum beurteilt. Die Austauschbarkeit soll sicherstellen, dass das Generikum im klinischen Alltag in gleicher Weise verwendet werden kann wie das BGE 145 V 289 S. 297 Originalpräparat. Generika gelten daher grundsätzlich nur als zweckmässig, wenn sämtliche Packungsgrössen und Dosisstärken einer Darreichungsform (galenische Form) des Originalpräparats für Erwachsene angemeldet werden. Auch müssen alle Indikationen vom Generikum abgedeckt sein (vgl. Ziff. C.4.1, 4.2 und 4.2.8 des vom BAG herausgegebenen Handbuchs betreffend die Spezialitätenliste [SL] vom 1. September 2011, Stand 1. März 2013, Supplementum vom 20. Januar 2014 [fortan: SL-Handbuch; abrufbar unter www.bag. admin.ch]; GEBHARD EUGSTER, Krankenversicherung, in: Soziale Sicherheit, SBVR Bd. XIV, 3. Aufl. 2016, S. 631 Rz. 725; GÄCHTER/VOLLENWEIDER, Zur Preisdifferenzierung zwischen Originalpräparaten und Generika auf der Spezialitätenliste, in: Health Insurance Liability Law [HILL], 2005, Fachartikel Nr. 11, S. 1; siehe ferner BGE 141 II 91 E. 4.3.1 S. 101). In aArt. 65c KVV wird sodann definiert, wie die Wirtschaftlichkeit von Generika zu beurteilen ist. Im Grundsatz sieht Abs. 1 der Bestimmung vor, dass dabei die geringeren Kosten für die Entwicklung im Vergleich zum Originalpräparat berücksichtigt werden. Abs. 2 der Bestimmung konkretisiert diese Vorgabe, indem darin festgelegt wird, dass ein Generikum bei der Aufnahme in die SL dann wirtschaftlich ist, wenn sein FAP (mindestens) einen bestimmten Prozentsatz tiefer liegt als der FAP des entsprechenden austauschbaren Originalpräparats. Wie hoch dieser Prozentsatz des Preisunterschieds ist, hängt, wie erwähnt (vgl. E. 3.1 hiervor), vom schweizerischen Marktvolumen des Originalpräparats (inklusive Co-Marketing-Arzneimittel) ab: Je höher der Umsatz, desto höher muss der prozentuale Preisunterschied sein. 5.1.2 Die Beschwerdeführerin macht vor- wie letztinstanzlich schwergewichtig geltend, aus dem in aArt. 65c Abs. 2 KVV ausdrücklich erwähnten Erfordernis der Austauschbarkeit des Originalpräparats mit dem Generikum folge, dass bei der Berechnung des Generikapreisniveaus nur auf das Marktvolumen der generisch gewordenen Indikationen (hier Epilepsie und generalisierte Angststörungen) abgestellt werden dürfe, da das Originalpräparat bezüglich der noch nicht generisch gewordenen Indikation (neuropathische Schmerzen) nicht austauschbar sei. 5.2 Aus dem hiervor Gesagten ergibt sich ohne Weiteres - und wird seitens des BAG denn auch explizit eingeräumt -, dass sich das Kriterium der Austauschbarkeit ebenfalls auf die Indikationen des Originalpräparats bezieht. Wie der Beschwerdegegner in seiner BGE 145 V 289 S. 298 Vernehmlassung aber zu Recht ausführt, vermag die Beschwerdeführerin aus diesem Umstand nicht unmittelbar herzuleiten, dass für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit von Generika bei der Festlegung des schweizerischen Marktvolumens auf die Umsatzzahlen der einzelnen Indikationen abzustellen ist, wenn deren Patentdauer zu unterschiedlichen Zeitpunkten abläuft. 5.3 Generika gelten, wie hiervor dargelegt, grundsätzlich nur als zweckmässig, wenn alle Packungsgrössen und Dosisstärken einer Darreichungsform des Originalpräparats für Erwachsene angemeldet werden. Auch müssen sämtliche Indikationen vom Generikum abgedeckt sein. Es kann nun aber vorkommen - der vorliegend zu beurteilende Fall belegt dies anschaulich -, dass nicht alle Indikationen eines Arzneimittels gleichzeitig den patentrechtlichen Schutz verlieren. 5.3.1 Diesfalls erfolgt die Aufnahme des in Frage stehenden Generikums mit der Auflage, dass nach Ablauf des Erstanmelderschutzes die fehlenden Informationen bei Swissmedic angemeldet werden und allenfalls noch weitere benötigte Dosisstärken des Originalpräparats beim BAG zur Aufnahme in die SL anzumelden und anzubieten sind. Ebenso sind Indikationen, die dem Originalpräparat nach Aufnahme eines Generikums in die SL zugesprochen werden, nach Ablauf eines allfälligen Erstanmelderschutzes auch für die entsprechenden Generika zu beantragen und weitere Dosisstärken anzubieten (vgl. Ziff. C.4.2.8 SL-Handbuch, a.a.O.). 5.3.2 Selbst wenn einzelne Indikationen eines Generikums bei der Aufnahme in die SL noch patentgeschützt sind - und damit in dieser Indikation noch keine Anwendung finden dürfen -, gilt das Generikum dennoch bereits als zweckmässig und somit austauschbar im Sinne von Art. 52 Abs. 1 lit. b Satz 2 KVG und Art. 64a Abs. 2 KVV , sofern die weiteren Indikationen nach Ablauf des Patentschutzes durch die Zulassungsinhaberin zur Aufnahme in die SL beantragt werden. Der Umstand eines in Bezug auf eine Indikation noch bestehenden patentrechtlichen Schutzes steht einer Aufnahme eines Generikums in die SL mithin nicht im Wege. Die diesbezüglichen Erwägungen der Vorinstanz sind bundesrechtskonform. 5.4 Wenn aArt. 65c Abs. 2 KVV vorgibt, ein Generikum gelte bei der Aufnahme in die SL als wirtschaftlich, sofern sein FAP gegenüber dem mit ihm austauschbaren Originalpräparat um einen gewissen Prozentsatz tiefer liege als der FAP des Originalpräparats, setzt der Begriff "austauschbar" folglich die Zweckmässigkeit des BGE 145 V 289 S. 299 Generikums in diesem Sinne voraus. Erst bei Bejahung - das Generikum also "austauschbar" nach den genannten Voraussetzungen ist - kann seine Wirtschaftlichkeit unter Berücksichtigung der in aArt. 65c KVV enthaltenen Vorgaben beurteilt werden. 5.4.1 Danach bemisst sich die Berechnung des Schweizer Marktvolumens pro Jahr auf der Basis des FAP des Originalpräparats und von dessen Co-Marketing-Arzneimittel und muss sämtliche Handelsformen desselben Wirkstoffs umfassen (aArt. 65c Abs. 4 KVV). Dabei ist auf das Schweizer Marktvolumen des gesamten Arzneimittels abzustellen. Unabhängig davon, ob bereits sämtliche Indikationen den Patentschutz verloren haben oder nicht, kommen jeweils dieselben Preisbildungskriterien für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit von Generika zur Anwendung. Hätte der Verordnungsgeber diesbezüglich eine gestaffelte Vorgehensweise, gestützt auf den Ablauf des Patentschutzes einzelner Indikationen respektive das durch die patentabgelaufenen Indikationen erzielte Marktvolumen, wie von der Beschwerdeführerin gefordert, vorsehen wollen, wäre hierfür - ebenso wie für die spätere Indikationserweiterung des Generikums - eine entsprechende Regelung festzulegen (gewesen). 5.4.2 Dieser Schluss wird untermauert durch den nachfolgenden ausdrücklichen Vermerk in den "Änderungen und Kommentar im Wortlaut" des BAG zu KVV und KLV vom 1. Februar 2017 (zu den vorgesehenen Änderungen per 1. März 2017) unter dem Titel "Überprüfung der Aufnahmebedingungen nach Patentablauf ( Art. 65e KVV )" (S. 12 Ziff. 1.6 [abrufbar unter www.bag.admin.ch ]). Die betreffende Kommentierung wie auch das SL-Handbuch sind im vorliegenden Verfahren zwar grundsätzlich als Parteibehauptung zu werten. Sie stellen aber auch Verwaltungsverordnungen dar, also eine generalisierte Dienstanweisung, welche der Gewährleistung einer einheitlichen, verhältnismässigen Verwaltungspraxis und der Sicherstellung der willkürfreien und rechtsgleichen Behandlung dienen. Sie richten sich als Arbeitsinstrumente prinzipiell an Behörden, aber auch an Zulassungsinhaberinnen von Arzneimitteln und an Verbände. Die darin enthaltenen Hinweise sind keine unmittelbar anwendbare Rechtssätze, können jedoch - wie hier - als Auslegungshilfe herangezogen werden, wenn es um die Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe wie etwa der WZW-Kriterien im konkreten Einzelfall geht (GÄCHTER/MEIENBERGER, Rechtsgutachten zuhanden der Parlamentarischen Verwaltungskontrolle vom 8. Februar 2013, in: Evaluation der Zulassung und Überprüfung von Medikamenten in der BGE 145 V 289 S. 300 obligatorischen Krankenpflegeversicherung vom 13. Juni 2013 - Materialien zum Bericht der Parlamentarischen Verwaltungskontrolle zuhanden der Geschäftsprüfungskommission des Ständerates, S. 48 f. Rz. 93 f.). " ... . Es ist darauf hinzuweisen, dass der Patentschutz für eine Indikation nicht berücksichtigt werden kann, wenn für ein Originalpräparat mehrere Indikationen zugelassen und nicht mehr alle Indikationen patentrechtlich geschützt sind. Die Überprüfung des Originalpräparats erfolgt, sobald mindestens eine Indikation des Arzneimittels nicht mehr patentrechtlich geschützt ist. Grund dafür ist, dass im Rahmen der Neuaufnahme von Generika nach Artikel 65c KVV das Marktvolumen des Originalpräparats vor Patentablauf massgebend ist. In der Schweiz sind keine zuverlässigen Angaben zum Marktvolumen eines Originalpräparats für einzelne Indikationen erhältlich, entsprechend muss zur Preisfestlegung das gesamte Marktvolumen des Originalpräparats vor Patentablauf herangezogen werden. Es wäre widersprüchlich, wenn im Rahmen der Überprüfung der Aufnahmebedingungen nach Patentablauf der Patentschutz für eine oder mehrere Indikationen einen Einfluss hätte, bei der Preisfestlegung der Generika aber nicht. Dies würde eine Ungleichbehandlung von Zulassungsinhaberinnen von Originalpräparaten und Generika bedeuten. Soll der Patentschutz für eine oder mehrere Indikationen weiterhin berücksichtigt werden, so hat die Zulassungsinhaberin die Möglichkeit, bei Swissmedic die Zulassung und beim BAG die SL-Aufnahme für ein eigenständiges Originalpräparat zu beantragen, welches nur für die noch patentgeschützte Indikation zugelassen ist. Die Aufnahme eines solchen Originalpräparats in die SL kann maximal zum Preis des bisherigen Originalpräparats (vor einer allfälligen Überprüfung des Ablaufs des Patentschutzes) erfolgen." Dass die entsprechenden Erläuterungen im Hinblick auf die - im vorliegenden Kontext grundsätzlich nicht anwendbaren (vgl. E. 2.2 am Ende hiervor) - Änderungen von KVV und KLV auf den 1. März 2017 hin ergangen sind, ändert nichts an der Relevanz dieses Hinweises. Damit soll offenkundig die bereits unter den bisherigen rechtlichen Grundlagen geltende Vorgehensweise bei Überprüfung der SL-Aufnahmebedingungen von Arzneimitteln nach Patentablauf nochmals betont und beschrieben werden. Gleichzeitig werden aber auch - mit der am Ende erwähnten Möglichkeit einer zweiten Marktzulassung für die noch patentgeschützte Indikation des betroffenen BGE 145 V 289 S. 301 Präparats - gangbare Alternativen zur Vermeidung allfälliger damit verbundener finanzieller Nachteile aufgezeigt. 5.5 Die vorstehenden Erwägungen zeigen, dass bereits der Wortlaut von aArt. 65c Abs. 2 KVV auf das von Vorinstanz und Beschwerdegegner vertretene Preisbildungssystem schliessen lässt. Die Verordnung sieht somit für die Berechnung des Generikapreisniveaus eine mit Art. 32 Abs. 1 KVG konforme Regelung vor, insbesondere auch für den hier vorliegenden Fall eines Arzneimittels mit mehreren Indikationen, deren Patentschutz zu unterschiedlichen Zeitpunkten abläuft. 6. 6.1 Die Beschwerdeführerin verlangt ferner, die nach aArt. 38a Abs. 4 KLV zur Erreichung eines Selbstbehalts von 10 Prozent notwendige Senkung des FAP von X. dürfe nur proportional zum Marktvolumen der nicht mehr patentgeschützten Indikationen des Arzneimittels erfolgen. 6.2 Es wurde bereits an anderer Stelle darauf hingewiesen (vgl. E. 3.1 hiervor), dass der Selbstbehalt eines Originalpräparats nach Patentablauf im Zusammenhang mit dem Generikapreisniveau steht, welches seinerseits laut aArt. 65c Abs. 2 KVV in Relation zum schweizerischen Marktvolumen des Originalpräparats und dessen Co-Marketing-Arzneimittel berechnet wird. Erweist sich letztere Preisbildungsmethodik nach den vorstehenden Ausführungen als auch für die vorliegend zu beurteilende Konstellation sachgerecht, kann aArt. 38a Abs. 4 KLV ebenfalls nur so verstanden und gemäss klarem Wortlaut ausgelegt werden, dass die Inhaberin der Zulassung für ein Originalpräparat oder ein Co-Marketing-Arzneimittel nach Patentablauf den FAP in einem Schritt auf das - nach Massgabe von aArt. 65c Abs. 2 KVV ermittelte - Generikapreisniveau senken muss, wenn sie einen Selbstbehalt von lediglich 10 Prozent der die Franchise übersteigenden Kosten geltend machen will. Es ist damit unabhängig von allenfalls noch patentgeschützten Indikationen der volle "Senkungssatz" nach aArt. 65c Abs. 2 KVV anzuwenden. Kürzungen dieses Senkungssatzes im Verhältnis zum Schweizer Marktvolumen der noch patentgeschützten Indikationen des Originalpräparats sind nicht vorzunehmen. 7. Zusammenfassend widerspricht die in der Beschwerde befürwortete Auslegung von aArt. 65c Abs. 2 KVV und aArt. 38a Abs. 4 KLV den in der KVV - gesetzeskonform - vorgesehenen Mechanismen BGE 145 V 289 S. 302 der Berechnung des Generikapreisniveaus und der Festlegung des differenzierten Selbstbehalts. Die betreffenden Mechanismen beruhen mit der Vorinstanz auf dem einfachen Prinzip, dass für ein Originalpräparat entweder Generika vorliegen oder nicht. Trifft ersteres zu, kommen im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung und der Festlegung des differenzierten Selbstbehalts die entsprechenden Regeln der Berechnung des Generikapreisniveaus zur Anwendung, basierend auf dem gesamten Schweizer Marktvolumen des Originalpräparats (und allfälliger Co-Marketing-Arzneimittel), dies unabhängig davon, ob die fraglichen Generika für alle Indikationen des Originalpräparats zugelassen und gelistet sind oder nicht. Die Forderung der Beschwerdeführerin, bei der Berechnung des Generikapreises das Originalpräparat nicht als ein gesamthaftes Präparat, sondern indikationsspezifisch, differenziert nach den jeweiligen Marktvolumina zu betrachten, ist systemfremd und findet keinen Niederschlag im Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen. 8. 8.1 An diesem Ergebnis vermag der von der Beschwerdeführerin letztinstanzlich ebenfalls angerufene Patentschutz nichts zu ändern. 8.2 8.2.1 In dieser Hinsicht lässt sich den zutreffenden bundesverwaltungsgerichtlichen Ausführungen entnehmen, dass der Zweck des Patentschutzes unter anderem darin besteht, die aufwändigen und kostspieligen Forschungs- und Entwicklungsarbeiten, die im Hinblick auf die Herstellung neuer Medikamente notwendig sind, dadurch zu kompensieren, dass dem Entwickler (Erfinder) während einer bestimmten Zeit die ausschliessliche Nutzung seiner Erfindung zukommt. Da der patentrechtliche Schutz - insbesondere im Bereich der Arzneimittel - in einem Spannungsfeld mit anderen öffentlichen Interessen steht, ist er zeitlich limitiert. Dies ermöglicht erst die Herstellung und den Vertrieb kostengünstiger Generika. Das Patentrecht ist ein subjektives, dem Patentinhaber zustehendes, absolutes geistiges Eigentumsrecht. Es verschafft das Recht, anderen zu verbieten, die Erfindung gewerbsmässig zu benützen (sog. Recht aus dem Patent). Als Benützung gelten namentlich das Herstellen, das Lagern, das Anbieten, das Inverkehrbringen, die Ein-, Aus- und Durchfuhr sowie der Besitz zu diesen Zwecken (vgl. Art. 8 Abs. 1 und 2 des Bundesgesetzes vom 25. Juni 1954 über die Erfindungspatente [Patentgesetz, PatG; SR 232.14] ). Das Patentrecht gewährt dem Patentinhaber indessen keinen Anspruch, die Erfindung BGE 145 V 289 S. 303 tatsächlich zu nutzen, sondern nur das Anrecht, andere von der Nutzung auszuschliessen. Will der Patentinhaber die Erfindung gewerbsmässig nutzen, muss er sich an die geltende Rechtsordnung halten. Die Voraussetzungen zur Erteilung einer entsprechenden behördlichen Bewilligung werden nicht durch das Patentgesetz, sondern durch andere Gesetze - beispielsweise das Heilmittelgesetz - geregelt. Darüber, ob und in welchem Umfang eine Erfindung verwendet werden darf, entscheiden hierfür spezialisierte Amtsstellen wie Swissmedic, das BAG etc. (vgl. Botschaft vom 23. November 2005 zur Änderung des Patentgesetzes und zum Bundesbeschluss über die Genehmigung des Patentrechtsvertrags und der Ausführungsverordnung, BBl 2006 1 ff., insb. 64 unten f. Ziff. 2.1.3; PEDRAZZINI/HILTI, Europäisches und schweizerisches Patent- und Patentprozessrecht, 3. Aufl. 2008, S. 304). 8.2.2 Der Patentinhaber kann die patentierte Erfindung mithin innerhalb der geltenden Rechtsordnung, das heisst im Arzneimittelbereich im Rahmen der entsprechenden Zulassungs- und Preisbildungsmechanismen des HMG und des KVG sowie der dazugehörigen Verordnungen, nutzen und kommerzialisieren. Aus dem Patentrecht lässt sich jedoch kein Anrecht darauf ableiten, ein Arzneimittel tatsächlich oder zu einem bestimmten Preis verkaufen zu können. Das Patentrecht vermittelt nur, aber immerhin, ein Ausschlussrecht. Dieses steht in casu nicht zur Diskussion, war doch der Patentschutz in Bezug auf die Indikation neuropathische Schmerzen im vorliegend zu beurteilenden Zeitpunkt unstreitig noch gewahrt, da das fragliche Generikum dafür nicht eingesetzt werden durfte. 8.3 Insgesamt kann die Beschwerdeführerin aus dem Patentrecht keine direkten Schlüsse für die Preisbildung von (teilweise oder ganz) patentierten Arzneimitteln ziehen, bedeutet Patentschutz doch nicht Preisschutz. Auch wenn gewisse Bestimmungen des KVG und der KVV auf dem Umstand des Patentschutzes (respektive dessen Ablaufs, vgl. aArt. 65e KVV) aufbauen, zeitigt dieser keine direkten, rechtlich verbindlichen Folgen für den Preisbildungsmechanismus von Arzneimitteln im Rahmen der OKP und daher auch nicht bei der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit bei Generika nach aArt. 65c Abs. 2 KVV. Ebenso wenig verletzt die von Vorinstanz und Beschwerdegegner vertretene Sichtweise schliesslich die Eigentumsgarantie gemäss Art. 26 BV bzw. die Wirtschaftsfreiheit der Beschwerdeführerin. BGE 145 V 289 S. 304 Es kann hierfür auf die im bundesverwaltungsgerichtlichen Entscheid enthaltene ausführliche Begründung verwiesen werden, der, zumal beschwerdeweise nicht substanziiert angefochten, nichts beizufügen ist.
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Sachverhalt ab Seite 180 BGE 119 Ib 179 S. 180 X. ist Eigentümer eines auf Parzelle GB Bannwil Nr. 314 gelegenen Sägereibetriebs, welcher gemäss dem Zonenplan der Gemeinde Bannwil vom 14. Juni 1982 in der Gewerbezone liegt. Unmittelbar angrenzend an die Sägerei befinden sich die Parzellen GB Bannwil Nrn. 501, 502, 503 und 504. Diese sind mit Wohnhäusern überbaut und liegen in der Wohnzone W1. Am 21. Dezember 1988 erteilte der Regierungsstatthalter des Amtsbezirks Aarwangen in Langenthal eine Baubewilligung für Anbauten an die Sägereihalle auf dem Grundstück Nr. 314. In dieser Baubewilligung wurde als "Bedingung" auf ein Schreiben des Kantonalen Amts für Industrie, Gewerbe und Arbeit (KIGA) vom 20. Dezember 1988 verwiesen. Danach wurde für die angrenzenden Wohnhäuser in der Wohnzone die Lärm-Empfindlichkeitsstufe (ES) II als massgebend bezeichnet. Diese Baubewilligung wurde nicht angefochten, nachdem die erhobenen Einsprachen in eine Rechtsverwahrung umgewandelt worden waren. Mit Schreiben vom 7. Februar 1990 beantragte der Gemeinderat von Bannwil nach Absprache mit dem KIGA der Baudirektion des Kantons Bern die einzelfallweise Zuordnung der Parzellen Nrn. 501, 502, 503 und 504 zur Lärm-Empfindlichkeitsstufe III. Diesem Antrag waren Lärmmessungen auf den genannten Parzellen vorangegangen, mit welchen eine erhebliche Lärmbelastung der Nachbarn durch die Sägerei festgestellt worden war. Mit Verfügung vom 2. April 1990 ordnete das Raumplanungsamt des Kantons Bern den Parzellen Nrn. 501, 502, 503 und 504 die Empfindlichkeitsstufe III (ES III) zu. Zur Begründung führte es aus, die Lärmmessungen hätten ergeben, dass die Immissionsgrenzwerte der ES II auf den genannten Parzellen weit überschritten seien. Es rechtfertige sich eine Aufstufung in die ES III, da die Sägerei schon seit langer Zeit bestehe und deshalb für die angrenzenden Parzellen Nrn. 501-504 von einer Vorbelastung im Sinne von Art. 43 Abs. 2 der Lärmschutz-Verordnung vom 15. Dezember 1986 (LSV; SR 814.41) ausgegangen werden müsse. Aus Zweckmässigkeitsgründen ordnete das Raumplanungsamt in der gleichen Verfügung zudem die zur Landwirtschaftszone gehörende Parzelle Nr. 202 der ES III und die Sägereiparzelle Nr. 314 der ES IV zu. BGE 119 Ib 179 S. 181 Gegen diese Verfügung des Raumplanungsamts erhoben A. als Eigentümer der Parzelle Nr. 503, B. als Eigentümer der Parzelle Nr. 501 sowie C. als Eigentümer der Nachbarparzelle Nr. 528 Beschwerde an die Baudirektion des Kantons Bern. Sie beantragten, die Parzellen Nrn. 501-504 seien der ES II zuzuordnen. Zur Begründung führten sie im wesentlichen aus, die störende Lärmbelastung bestehe erst seit der Erweiterung von Sägereibetrieb und Maschinenpark durch X. Vorher habe die Schreinerei nie Anlass zu Klagen über Lärmbelästigungen gegeben. Von einer Vorbelastung im Sinne von Art. 43 Abs. 2 LSV könne daher nicht die Rede sein. Nach einem Augenschein des KIGA, Abteilung Umweltschutz, auf dem Sägereibetrieb wurde die G. Bauphysik AG mit der Erstellung einer Lärmstudie beauftragt. Zudem holte das Rechtsamt der Baudirektion beim Fachausschuss für Lärmfragen einen Mitbericht ein. Mit Entscheid vom 6. Februar 1992 hiess die Baudirektion des Kantons Bern die Beschwerden insofern gut, als sie die Parzellen Nrn. 501-504 der ES II zuordnete. Weitergehende Begehren wies sie ab, soweit sie darauf eintrat. In den Erwägungen führte sie im wesentlichen aus, der massgebende Zeitpunkt für die Frage, ob Teile einer Nutzungszone mit Lärm vorbelastet seien oder nicht, sei das Datum des Inkrafttretens der Lärmschutz-Verordnung vom 15. Dezember 1986, mithin der 1. April 1987. X., welcher den Betrieb am 1. Oktober 1986 zu Eigentum übernommen habe, habe diesen in der Folge intensiviert und erweitert, so dass es im August 1987 erstmals zu Klagen von Nachbarn über Lärmbelästigungen gekommen sei. Das Beweisverfahren habe ergeben, dass X. insbesondere in den Jahren 1987 bis 1989 verschiedene lärmverursachende Maschinen, worunter einen Vakuum-Bretterheber, einen Hacker, eine Holzschälmaschine und eine Sägemaschine, angeschafft habe. Diese Neuerwerbungen seien in erster Linie für die zunehmende Lärmbelastung verantwortlich. Es könne somit nicht von einer Vorbelastung im Sinne von Art. 43 Abs. 2 LSV gesprochen werden, weshalb die Parzellen Nrn. 501-504 der ES II zuzuordnen seien. Für die Landwirtschaftszone sehe die Lärmschutz-Verordnung keine andere Möglichkeit der Zuordnung als diejenige in die ES III vor. Die Einstufung der Parzelle Nr. 202 erweise sich daher als rechtens. Schliesslich sei auch die Zuordnung der Sägereiparzelle Nr. 314 zur ES IV nicht zu beanstanden. Diesen Entscheid der Baudirektion zog X. mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Verwaltungsgericht des Kantons Bern weiter. Er beantragte die Aufhebung des Entscheids der Baudirektion BGE 119 Ib 179 S. 182 und die Zuordnung der Parzellen Nrn. 501-504 zur ES III. Das Verwaltungsgericht hat die Beschwerde mit Urteil vom 26. August 1992 gutgeheissen und den Entscheid der Baudirektion insofern geändert, als es die Parzellen Nrn. 501-504 der ES III zuordnete. Gegen diesen Entscheid des Verwaltungsgerichts führen A. sowie weitere Mitbeteiligte Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht. Sie beantragen, das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 26. August 1992 sei aufzuheben und die Parzellen GB Bannwil Nr. 501, 502, 503 und 504 seien der Lärmempfindlichkeitsstufe II sowie die Parzelle Nr. 314 der Lärmempfindlichkeitsstufe III zuzuweisen. Eventualiter sei die Angelegenheit an die Vorinstanz zurückzuweisen. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob und gegebenenfalls inwieweit es auf ein eingereichtes Rechtsmittel eintreten kann ( BGE 118 Ib 50 f. E. 1 mit Hinweisen). a) Gemäss Art. 97 OG i.V.m. Art. 5 VwVG ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig gegen Verfügungen, die sich auf öffentliches Recht des Bundes stützen oder hätten stützen sollen, sofern diese von einer in Art. 98 OG genannten Vorinstanz erlassen worden sind und keiner der in Art. 99 ff. OG oder in der Spezialgesetzgebung vorgesehenen Ausschlussgründe gegeben ist ( BGE 118 Ib 13 E. 1a mit Hinweisen). Das Verwaltungsgericht hat als letzte kantonale Instanz im Sinne von Art. 98 lit. g OG in Anwendung von Bundesrecht (Art. 43 f. LSV) die einzelfallweise Zuordnung von Empfindlichkeitsstufen beurteilt. Bei der einzelfallweisen Bestimmung der Empfindlichkeitsstufen ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts eine Verfügung im Sinne von Art. 5 VwVG zu treffen, gegen welche unter Vorbehalt allfälliger Ausschlussgründe grundsätzlich die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht zulässig ist ( BGE 117 Ib 160 E. 2c, BGE 115 Ib 351 , 386 E. 1b/aa). Im vorliegenden Fall ist keiner der Ausschlussgründe von Art. 99 ff. OG erfüllt. Insbesondere geht es nicht um eine Bau- oder Betriebsbewilligung für technische Anlagen im Sinne von Art. 99 lit. e OG ( BGE 118 Ib 15 E. 2d, 71 E. cb, BGE 115 Ib 460 E. 1b, je mit Hinweisen). b) Das Verwaltungsgericht vertritt die Auffassung, die Zuordnung der ES IV zur Sägereiparzelle Nr. 314 sei im kantonalen Verfahren BGE 119 Ib 179 S. 183 nicht angefochten worden und somit rechtskräftig. Die Beschwerdeführer halten dieser Argumentation entgegen, die Zuordnung der ES IV habe sie so lange nicht gestört, als für ihre Parzellen die von der Baudirektion festgesetzte ES II massgebend gewesen sei, da diese einen ausreichenden Schutz vor den Lärmimmissionen aus der Sägerei ermöglicht hätte. Nachdem das Verwaltungsgericht nun aber nachträglich für ihre Grundstücke die ES III festgesetzt habe, müsse es ihnen möglich sein, sich auch gegen die Zuordnung der ES IV zur benachbarten Sägereiparzelle, zur Wehr zu setzen. Zur Begründung, warum den Parzellen Nrn. 501-504 die ES III zuzuordnen sei, hat das Verwaltungsgericht zunächst die Rechtmässigkeit der ES IV bezüglich Parzelle Nr. 314 überprüft und bejaht. In der Folge hat es argumentiert, die Parzellen der Beschwerdeführer lägen im Übergangsbereich zwischen der als "Gewerbezone" bezeichneten Industrie- und Gewerbezone mit dem Sägereibetrieb und der eigentlichen Wohnzone. Für diesen Bereich sei im Sinne einer "Pufferzone" die ES III festzulegen. Damit könne offenbleiben, ob für die Wohngrundstücke eine tatsächliche Lärmvorbelastung im Sinne von Art. 43 Abs. 2 LSV bestanden habe und welcher Zeitpunkt für die Beurteilung einer solchen Lärmvorbelastung massgebend sei. Aus dieser Begründung ergibt sich, dass das Verwaltungsgericht die Auffassung vertritt, die Antwort auf die Frage, welche Empfindlichkeitsstufe den Wohngrundstücken zugeordnet werden solle, hänge von der für die Sägereiparzelle geltenden Empfindlichkeitsstufe ab. Insoweit kann nicht gesagt werden, es liege nur die für die Wohngrundstücke festgesetzte Empfindlichkeitsstufe im Streit. Eine solche Aufspaltung des Streitgegenstands würde eine unzulässige Trennung eng zusammenhängender Fragen bewirken und eine gesamthafte Beurteilung der Lärmbelastung im Sinne einer wirksamen Koordination und Abstimmung raumrelevanter Fragen verunmöglichen. Der Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens umfasst somit nicht nur die Empfindlichkeitsstufen für die Parzellen Nrn. 501-504, sondern auch für die Parzelle Nr. 314. Dies ergibt sich auch aus dem Umstand, dass der Zuordnung einer Empfindlichkeitsstufe im Einzelfall nicht die Rechtswirkung zukommt, die das Verwaltungsgericht annimmt (s. hinten E. 2c, d). Auch unter diesem Gesichtspunkt kann keine Rede davon sein, der Parzelle Nr. 314 sei die ES IV rechtsverbindlich zugeordnet worden. c) Nach Art. 103 lit. a OG ist zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht legitimiert, wer durch die angefochtene Verfügung berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an deren BGE 119 Ib 179 S. 184 Aufhebung oder Änderung hat. Dieses Interesse kann rechtlicher oder auch bloss tatsächlicher Natur sein und braucht mit dem Interesse, das durch die vom Beschwerdeführer als verletzt bezeichneten Normen geschützt wird, nicht übereinzustimmen. Immerhin wird verlangt, dass der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Entscheid stärker als jedermann betroffen ist und in einer besonderen, beachtenswerten, nahen Beziehung zur Streitsache steht. Ein schutzwürdiges Interesse liegt vor, wenn die tatsächliche oder rechtliche Situation des Beschwerdeführers durch den Ausgang des Verfahrens beeinflusst werden kann ( BGE 110 Ib 400 E. 1b). Diese Anforderungen sollen die Popularbeschwerde ausschliessen. Ihnen kommt deshalb dann eine ganz besondere Bedeutung zu, wenn wie hier nicht nur der Verfügungsadressat im materiellen Sinn, sondern auch Dritte (Nachbarn) den Entscheid anfechten. Liegt in einem solchen Fall ebenfalls ein unmittelbares Berührtsein, eine spezifische Beziehungsnähe vor, so hat der Beschwerdeführer ein ausreichendes Rechtsschutzinteresse daran, dass der angefochtene Entscheid aufgehoben oder geändert wird. Dieses Interesse besteht im praktischen Nutzen, den die erfolgreiche Beschwerde dem Beschwerdeführer eintragen würde, das heisst in der Abwendung eines materiellen oder ideellen Nachteils, den der angefochtene Entscheid für ihn zur Folge hätte ( BGE 116 Ib 323 f. E. 2a, BGE 113 Ib 228 E. 1c, BGE 112 Ib 158 E. 3, je mit Hinweisen). Bei Verwaltungsgerichtsbeschwerden wegen Lärmbelastung sind nach der Praxis all jene beschwerdeberechtigt, die in der Nähe der lärmigen Anlage wohnen, den Lärm deutlich wahrnehmen und dadurch in ihrer Ruhe gestört werden. Die Beschwerdelegitimation hängt dabei nicht davon ab, ob auf der betroffenen Liegenschaft der Immissionsgrenzwert oder gar der Alarmwert überschritten ist ( BGE 110 Ib 101 f. E. 1c, Urteil des Bundesgerichts vom 9. Juni 1992 i.S. K. publ. in Umweltrecht in der Praxis [URP] 1992 S. 624 ff., E. 1c, mit weiteren Hinweisen). Ausgehend von dieser Praxis und unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls ist für die Beurteilung der Legitimation insbesondere auf die Art und Intensität der Beeinträchtigung der Beschwerdeführer durch den Lärm der Sägerei abzustellen ( BGE 116 Ib 324 E. 2a, BGE 113 Ib 228 ). Es ist unbestritten, dass die hier Beschwerde führenden Nachbarn durch die Lärmimmissionen der Sägerei direkt betroffen sind. Sie haben daher ein schutzwürdiges Interesse an Massnahmen, die der Lärmbegrenzung dienen. Die Beschwerdeführer rügen in erster Linie, das Verwaltungsgericht habe für die Parzellen Nrn. 501-504 zu Unrecht die ES III festgesetzt. Die BGE 119 Ib 179 S. 185 Grundstücke seien im Hinblick auf ihre Lage in der Wohnzone W1 vielmehr der ES II zuzuordnen. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts könne bei diesen Grundstücken keine planerische Lärmvorbelastung im Sinne von Art. 43 Abs. 2 LSV angenommen werden. Die lärmintensiven Maschinen und Einrichtungen seien vom Beschwerdegegner erst nach dem 1. April 1987 und damit nach dem Inkrafttreten der Lärmschutz-Verordnung neu angeschafft worden. Auch von einer tatsächlichen im Lichte der übergangsrechtlichen Situation massgebenden Lärmvorbelastung im Sinne von Art. 43 Abs. 2 LSV könne keine Rede sein. Die Beschwerdeführer kritisieren ferner zumindest sinngemäss, das Verwaltungsgericht habe mit seiner Zuordnung der Empfindlichkeitsstufen in bundesrechtswidriger Art und Weise eine Nutzungsplanungsmassnahme erlassen. Die einzelfallweise Zuordnung zu den Lärmempfindlichkeitsstufen dürfe nicht dazu dienen, Planungspolitik zu betreiben und einen Volksentscheid des zuständigen Planungsträgers zu präjudizieren. A. und B. sind zur Beschwerdeführung legitimiert, nachdem das Verwaltungsgericht den ihnen gehörenden Grundstücken Nrn. 501 und 503 die ES III zugeordnet hat. Zur Beurteilung der Legitimation von C. ist zu beachten, dass sein benachbartes Grundstück Nr. 528 keiner Empfindlichkeitsstufe zugeordnet worden ist. Gerade in dieser Nichtzuordnung dürfte aber für diese Beschwerdeführer eine rechtliche Beeinträchtigung liegen. Indem er zusammen mit A. und B. für die Parzellen Nrn. 501, 502, 503 und 504 die Festsetzung der Empfindlichkeitsstufe II fordert, bringt er zum Ausdruck, dass ihm der aus dieser Empfindlichkeitsstufenzuordnung resultierende Schutz auch zukommen soll. Insoweit ist er vom angefochtenen Entscheid berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an der Beschwerdeführung. Er ist daher zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde ebenfalls legitimiert. Die Beschwerdeführer beanstanden auch die Zuordnung der Parzelle Nr. 314 zur ES IV. Diese Zuordnung betrifft sämtliche Beschwerdeführer in schützenswerten Interessen, nachdem das Verwaltungsgericht wie erwähnt die Festsetzung der ES III für die Parzellen Nrn. 501-504 mit der dem Sägereigrundstück zugeordneten ES IV begründete. Die Beschwerdeberechtigung nach Art. 103 lit. a OG ist somit auch hinsichtlich der Empfindlichkeitsstufe, die dem Sägereigrundstück zuzuordnen ist, zu bejahen. d) Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt und geben zu keinen weiteren Ausführungen Anlass. Auf die form- und BGE 119 Ib 179 S. 186 fristgerecht eingereichte Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist somit einzutreten. 2. a) Die zum Umweltschutzgesetz erlassene Lärmschutz-Verordnung sieht in den Art. 43 und 44 das Instrument der Empfindlichkeitsstufen vor, welche in den einzelnen Nutzungszonen nach Art. 14 ff. RPG gelten sollen. In den Anhängen 3-7 LSV hat der Bundesrat für den Lärm Belastungsgrenzwerte festgesetzt, welche u.a. bei der Bewilligung neuer und wesentlich geänderter ortsfester Anlagen einzuhalten sind ( Art. 25 USG , Art. 7 ff. LSV ). Diese Belastungsgrenzwerte sind nach den erwähnten Empfindlichkeitsstufen für die einzelnen Nutzungszonen differenziert ausgestaltet ( Art. 43 LSV sowie Anhang 3-7 dazu). Nach Art. 44 Abs. 1 LSV sorgen die Kantone dafür, dass die Empfindlichkeitsstufen den Nutzungszonen in den Baureglementen oder Nutzungsplänen der Gemeinden zugeordnet werden. Bis zu dieser Zuordnung, die spätestens innert 10 Jahren erfolgen muss ( Art. 44 Abs. 2 LSV ), bestimmen die Kantone die Empfindlichkeitsstufen im Einzelfall ( Art. 44 Abs. 3 LSV ). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts steht den zuständigen Behörden bei der Bestimmung und Zuordnung der Empfindlichkeitsstufen ein Ermessensspielraum zu, auch wenn sie dabei grundsätzlich Art. 43 Abs. 1 LSV zu beachten haben ( BGE 118 Ib 75 mit Hinweisen). b) In der in URP 1990, S. 346 publizierten Erwägung 4c des Urteils BGE 116 Ib 159 ff. hat das Bundesgericht die Frage aufgeworfen, ob die Bestimmung der Empfindlichkeitsstufen im Einzelfall bedeute, dass sie tatsächlich für den einzelnen Fall - also für das konkrete Vorhaben - oder aber für die durch ein Vorhaben betroffenen Parzellen ein für allemal oder zumindest bis zur definitiven Zuordnung im Rahmen der Nutzungsplanung festgelegt würden. Mit anderen Worten sei also fraglich, ob die Bestimmung der Empfindlichkeitsstufen im Einzelfall Rechtswirkungen nur für das konkrete Vorhaben entfalte, oder ob sie darüber hinaus ebenfalls für zukünftige Vorhaben rechtlich bindend sei. Diese Fragen wurden damals indessen nicht beantwortet. In der vorliegenden Angelegenheit, in welcher nicht die einzelfallweise Bestimmung von Empfindlichkeitsstufen anlässlich der Beurteilung eines konkreten Vorhabens umstritten ist, sondern die Empfindlichkeitsstufen ohne zugrundeliegendes Projekt in bezug auf fünf einzelne Parzellen festgesetzt wurden, kann die Frage der rechtlichen Bedeutung der einzelfallweisen ES-Zuordnung nicht mehr offengelassen werden. BGE 119 Ib 179 S. 187 c) Es ist nach Art. 43 f. LSV davon auszugehen, dass die einzelfallweise ES-Zuordnung ein übergangsrechtliches Instrument bis zur ES-Festsetzung im Rahmen der Nutzungsplanung darstellt. In diesem Sinne hat das Bundesgericht schon vor Jahren darauf hingewiesen, dass die einzelfallweise Festlegung einer ES nicht zu einer Präjudizierung der im Rahmen der Nutzungsplanung vorzunehmenden Zuweisung dieser Stufen führen darf ( BGE 115 Ib 357 ). Deshalb empfiehlt es sich auch, bei ortsfesten Anlagen, deren Lärm sich auf ein grösseres Gebiet auswirkt, wenn möglich die Empfindlichkeitsstufen nicht einzelfallweise ( Art. 44 Abs. 3 LSV ), sondern gestützt auf Art. 44 Abs. 1 und 2 LSV direkt in den Baureglementen oder Nutzungsplänen der Gemeinden definitiv zuzuordnen ( BGE 118 Ib 75 , BGE 117 Ib 27 E. 6, BGE 115 Ib 356 f.). In bestimmten Fällen ist ein solches Vorgehen sogar unumgänglich (vgl. BVR 1993, S. 213 ff.). Viele Gemeinden haben denn auch bereits die Empfindlichkeitsstufen im Rahmen der Nutzungsplanung festgesetzt. Im Hinblick auf den Rechtsschutz hat das Verfahren der ES-Festsetzung im Rahmen der Nutzungsplanung den Anforderungen der Art. 33 f. RPG zu genügen. Sollen Empfindlichkeitsstufen indessen einzelfallweise festgesetzt werden, kann dies nur im Rahmen eines förmlichen Verfahrens erfolgen, in welchem sämtlichen Parteien das rechtliche Gehör zu gewähren ist und das seinen Abschluss im Erlass einer anfechtbaren Verfügung im Sinne von Art. 5 VwVG findet ( BGE 118 Ib 75 , BGE 117 Ib 160 E. 2c). Eine einzelfallweise Festsetzung der Empfindlichkeitsstufen kann somit nur bei der Beurteilung eines einzelnen konkreten Vorhabens erfolgen und gilt auch nur für dieses Vorhaben. Die Rechtswirkungen einer im Einzelfall verfügten Empfindlichkeitsstufe sind demnach auf die Beurteilung dieses Einzelfalls beschränkt. Soweit in der Nutzungsplanung noch keine ES festgesetzt wurden, ist in einem allfälligen späteren Einzelfall, soweit sachgerecht, wiederum eine neue einzelfallweise Bestimmung vorzunehmen. Dabei werden bereits einzelfallweise zugeordnete Empfindlichkeitsstufen unter gebührender Wahrung der Anliegen des Rechtsschutzes nicht unberücksichtigt bleiben. Nach diesen Grundsätzen ist vorzugehen bis die Empfindlichkeitsstufen den Nutzungszonen in den Baureglementen oder Nutzungsplänen gemäss Art. 44 Abs. 1 LSV zugeordnet worden sind. Mit der Bestimmung der Empfindlichkeitsstufen im Einzelfall wird somit nicht eine vorläufige Planungsmassnahme festgesetzt, die bis zur ordentlichen Zuordnung dieser Stufen im Rahmen der Nutzungsplanung BGE 119 Ib 179 S. 188 Gültigkeit haben soll; es geht dabei lediglich darum, die Beurteilungsgrundlagen für den einzelnen Projektbewilligungs- bzw. Sanierungsfall zu erhalten. Dies ergibt sich auch aus dem Wortlaut der französischen und italienischen Fassung von Art. 44 Abs. 3 LSV , wo von "cas par cas" ( BGE 117 Ib 160 ) und "caso per caso" ( BGE 116 Ib 441 ) die Rede ist. In diesem Sinn wurde diese Bestimmung auch in denjenigen Kantonen verstanden, welche die jeweilige Bau- und Projektbewilligungsbehörde für die einzelfallweise Bestimmung der Empfindlichkeitsstufen als zuständig erklärt haben. So wurde diese Kompetenz im Kanton Waadt der Projektbewilligungsbehörde nach vorheriger Begutachtung durch den Service de lutte contre les nuisances zuerkannt ( BGE 117 Ib 160 ). § 14 der besonderen Bauverordnung I des Kantons Zürich vom 6. Mai 1981 (geändert am 24. Februar 1988, in Kraft seit 1. Mai 1988) legt die Zuständigkeit der Gemeindebehörde zur Bestimmung der Empfindlichkeitsstufen im Einzelfall fest, solange diese den Nutzungszonen im Verfahren der Nutzungsplanung noch nicht zugeordnet worden sind. Mit dieser Zuständigkeitsregelung wollten diese Kantone die entsprechenden Projektbewilligungsbehörden jedoch nicht mit dem Erlass vorläufiger Planungsmassnahmen betrauen. Würde man der einzelfallweisen ES-Bestimmung nämlich die Wirkung einer vorläufigen Planungsmassnahme zuerkennen, so würden damit über Jahre hinaus massgebliche Inhalte zahlreicher Nutzungsordnungen festgelegt, ohne dass dies in den Nutzungsplänen und Nutzungsvorschriften zum Ausdruck käme. Die Festsetzung vorläufiger, möglicherweise jahrelang gültiger Nutzungsplanungsmassnahmen würde wohl auch voraussetzen, dass die für den Erlass von Nutzungsplänen bestehenden Vorschriften des Raumplanungsgesetzes einzuhalten wären. Damit wären die als Planungsmassnahmen verstandenen einzelfallweise festgesetzten Empfindlichkeitsstufen etwa im Lichte von Art. 33 Abs. 1 RPG öffentlich aufzulegen sowie gemäss Art. 26 Abs. 1 RPG durch eine kantonale Behörde zu genehmigen. Das sollte aber mit der in Art. 44 Abs. 3 LSV geschaffenen Möglichkeit, die Empfindlichkeitsstufen während einer Übergangszeit in gewissen Fällen einzelfallweise festzusetzen, gerade ausgeschlossen werden. Aus diesen Ausführungen folgt, dass die einzelfallweise Bestimmung der Empfindlichkeitsstufen im Sinne von Art. 44 Abs. 3 LSV keine über den Einzelfall, d.h. über den einzelnen Projektbewilligungs- bzw. Sanierungsfall, hinausgehenden Rechtswirkungen entfalten kann (vgl. ANNE-CHRISTINE FAVRE, Quelques questions soulevées par l'application de l'OPB, RDAF 1992, 316 f.). BGE 119 Ib 179 S. 189
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Sachverhalt ab Seite 394 BGE 113 Ib 393 S. 394 Die Firma S. AG betreibt an der Aeschstrasse bzw. am Blumenweg in Wohlen (AG) eine Mosterei, eine Tafelgetränkeproduktion sowie einen Handel mit selber hergestellten Getränken und mit Fremdprodukten, unter anderem auch mit Wein. Zum Betrieb, der gemäss Zonenplan der Gemeinde Wohlen in der Wohnzone W2, erste Etappe, liegt, gehört eine Flaschenreinigungs- und -abfüllanlage. Auf dem Abstellplatz neben dem Betriebsgebäude, wo 5000-10000 Harasse lagern, sind ständig drei bis vier Personen damit beschäftigt, Harasse und leere Flaschen zu sortieren. Am 14. Oktober 1982 stellten K. und weitere Nachbarn beim Gemeinderat Wohlen das Begehren, die Firma S. AG sei zu verpflichten, die von ihrem Betrieb ausgehenden Immissionen auf das zulässige Mass zu reduzieren und zwar insbesondere dadurch, dass sie das Harassenlager und den gesamten damit zusammenhängenden Warenumschlag aus der Wohnzone entferne. Am 27. Juni 1983 erliess der Gemeinderat Wohlen den folgenden Beschluss: "1. Die S. AG hat das offene Harassenlager auf Parzelle 1673 per 31. März 1984 aufzuheben und von diesem Tag an jegliche Werktätigkeit im Freien zu unterlassen. 2. Der freiwerdende Platz ist dauernd freizuhalten. Jede Nutzung wäre bewilligungspflichtig. 3. In der Zeit zwischen 19.00 Uhr und 07.00 Uhr, samstags ab 12.00 Uhr und sonntags dürfen auf den Parzellen 1673 und 4091 keine Lastwagen (Motorwagen über 3,5 t Gesamtgewicht) parkiert werden. Ebenso dürfen während dieser Zeit keine Lastwagen zu- oder wegfahren. BGE 113 Ib 393 S. 395 4. Für sämtlichen Fahrzeugverkehr ist um das Betriebsgebäude eine zwangsweise Einbahnregelung einzurichten, so dass auch Ortsunkundige nur über die Aeschstrasse zu- und wegfahren können, und zwar mit Zufahrt auf der südöstlichen Gebäudeseite und Wegfahrt auf der nordwestlichen. 5. Während des Betriebes der Flaschenreinigungs- und -abfüllanlage sowie überhaupt bei lärmenden Verrichtungen sind Fenster und Türen des Betriebsgebäudes geschlossen zu halten, und zwar mit sofortiger Wirkung." Im Zusammenhang mit den Streitigkeiten über die Rechtmässigkeit der von der S. AG ausgeübten Tätigkeiten führte der Gemeinderat Wohlen in der Folge ein nachträgliches Bau- und Zweckänderungsbewilligungsverfahren durch und erteilte mit Entscheid vom 22. April 1985 den Einrichtungen im Betriebsgebäude, insbesondere der Flaschenabfüllanlage, seine Genehmigung. Gegen den Beschluss des Gemeinderates vom 27. Juni 1983 reichte die Firma S. AG zunächst beim Baudepartement und hierauf beim Verwaltungsgericht des Kantons Aargau Beschwerde ein. Das Verwaltungsgericht hiess am 22. Oktober 1986 die Beschwerde teilweise gut und ordnete folgendes an: "1. ... a) Die S. AG wird verpflichtet, folgende Betriebsteile auf ihren Parzellen Nrn. 1673 und 3609 aufzuheben: aa) Das Leergut-Harassenlager, soweit es nicht im Rahmen der Eigenproduktion als Pufferlager benötigt wird (maximal 2400 Harasse). bb) Die Standplätze für Nutzfahrzeuge über 3,5 t Gesamtgewicht, mit folgenden Ausnahmen: - Während der Mostereisaison (1. September bis 30. November) maximal 3 Fahrzeuge. - Während der übrigen Saison maximal 2 Fahrzeuge. Bezüglich der Zu- und Wegfahrten gilt lit. b hienach. b) Es ist der S. AG untersagt, in der Zeit zwischen 19.00 Uhr und 07.00 Uhr sowie samstags ab 12.00 Uhr und sonntags Nutzfahrzeuge über 3,5 t Gesamtgewicht auf die Parzellen Nrn. 1673 und 3609 zu- und davon wegfahren zu lassen. c) Es ist der S. AG untersagt, auf den Parzellen Nrn. 1673 und 3609 irgendwelches Leergut zu sortieren. Die Anlieferung von Harassen mit Leergut ist ausschliesslich in sortiertem Zustand zulässig. Die Lagerung dieser Harasse hat, soweit der Platz innerhalb des Betriebsgebäudes dazu nicht ausreicht, ausschliesslich auf der Südostseite des Gebäudes sowie auf dem nordöstlichen Teil des "Vorplatzes" BGE 113 Ib 393 S. 396 zu erfolgen. Der Platz südwestlich des Betriebsgebäudes darf dafür nicht mehr verwendet werden. d) Der S. AG sind auf den Parzellen Nrn. 1673 und 3609 ausserdem noch folgende Tätigkeiten im Freien erlaubt: aa) Bedienung der Obstsilos in der Mostereisaison (1. September bis 30. November), soweit diese Silos rechtskräftig bewilligt sind. bb) Umlad und Abführung von Mostobst. cc) Abführung des Obstsaftes, der Eigenprodukte und der Trockentrester. dd) Betrieb der Lastwagenwaage sowie Vornahme von Mostobstwägungen. 2. Die Auflagen gemäss Ziffer 1 hievor sind innert Jahresfrist ab Rechtskraft dieses Entscheides zu erfüllen. 3. Die Regelung gemäss Ziffer 1 hievor trägt provisorischen Charakter. Sie gilt vorderhand bis zum 31. Dezember 1989. Auf diesen Zeitpunkt hin hat der Gemeinderat Wohlen, allenfalls nach Durchführung entsprechender Lärmmessungen bei der S. AG, in einer anfechtbaren Verfügung darüber zu entscheiden, ob die erwähnte Regelung in ein Definitivum überführt werden kann oder ob weitere geeignete Immissionsschutzmassnahmen anzuordnen sind. 4. Mit dem Vollzug wird der Gemeinderat Wohlen beauftragt. ..." Gegen den Entscheid des Aargauer Verwaltungsgerichtes haben K. und die Mitbeteiligten sowohl Verwaltungsgerichts- wie auch staatsrechtliche Beschwerde eingereicht. Das Bundesgericht weist die beiden Beschwerden in den Hauptpunkten ab. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Die Beschwerdeführer haben gegen den Entscheid des Aargauer Verwaltungsgerichtes sowohl Verwaltungsgerichts- wie auch staatsrechtliche Beschwerde eingereicht. Ob diese Rechtsmittel zulässig seien, hat das Bundesgericht von Amtes wegen zu prüfen (vgl. BGE 112 V 83 E. 1, BGE 108 Ib 74 E. 1b, BGE 106 Ia 152 ). a) Das angefochtene Urteil ist einerseits in Anwendung des kantonalen Baugesetzes vom 2. Februar 1971 (BauG) erlassen worden und stützt sich andererseits auf die Vorschriften des Bundesgesetzes über den Umweltschutz vom 7. Oktober 1983 (USG). Diese bundesrechtlichen Bestimmungen dienen nicht nur als Auslegungshilfe für das kantonale Recht, ihnen kommt vielmehr - wie noch zu zeigen sein wird (vgl. E. 3) - selbständige Bedeutung zu. Der angefochtene BGE 113 Ib 393 S. 397 Entscheid ist im übrigen von der letzten kantonalen Instanz ausgegangen und kann kantonalrechtlich nur noch mit ausserordentlichen Rechtsmitteln in Frage gestellt werden. b) Gemäss Art. 97 OG in Verbindung mit Art. 5 VwVG kann die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen Verfügungen gerichtet werden, die sich auf öffentliches Recht des Bundes stützen oder hätten stützen sollen ( BGE 112 Ib 165 E. 1, 237 E. 2a), sofern diese von den in Art. 98 OG genannten Vorinstanzen erlassen worden sind, keiner der in Art. 99-101 OG oder in der Spezialgesetzgebung vorgesehenen Ausschlussgründe gegeben ist und die Missachtung von Bundesrecht gerügt wird ( Art. 104 lit. a OG ). Dies gilt auch für Verfügungen, die sowohl auf kantonalem bzw. kommunalem wie auch auf Bundesrecht beruhen, falls und soweit die Verletzung von unmittelbar anwendbarem Bundesrecht in Frage steht ( BGE 112 Ib 237 ff., BGE 108 Ib 74 ff., 105 Ib 107 E. 1b und c; s. auch BGE 112 Ib 321 , 359). Der Entscheid des Aargauer Verwaltungsgerichtes ist demnach, soweit er sich auf das Umweltschutzgesetz stützt und dessen Anwendung bzw. Missachtung beanstandet worden ist, zu Recht mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten worden, verweist doch das Umweltschutzgesetz selbst auf die allgemeinen Rechtsmittelbestimmungen des OG und des VwVG ( Art. 54 Abs. 1 USG ) und liegt keiner der Ausnahmefälle nach Art. 99-101 OG vor; insbesondere geht es hier schon deshalb nicht um eine Bau- oder Betriebsbewilligung für technische Anlagen im Sinne von Art. 99 lit. e OG , weil das Verwaltungsgericht nicht über das technische Genügen der Betriebsanlagen der Beschwerdegegnerin befunden hat (vgl. BGE 104 Ib 124 f., BGE 103 Ib 153 E. 2). An der Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde änderte auch nichts, wenn der angefochtene Entscheid im Rahmen eines Bau- oder Zweckänderungsbewilligungsverfahren selbst ergangen wäre, obwohl die raumplanerischen Entscheide - ausgenommen die Entscheide über Entschädigungen als Folge von Eigentumsbeschränkungen und über Bewilligungen im Sinne von Art. 24 des Bundesgesetzes über die Raumplanung (RPG) - nach ausdrücklicher Vorschrift von Art. 34 Abs. 3 RPG der verwaltungsgerichtlichen Überprüfung durch das Bundesgericht entzogen und nur mit staatsrechtlicher Beschwerde anfechtbar sind. Wenn der Gesetzgeber auf dem Gebiete des Umweltschutzes wie in anderen in das Baubewilligungsverfahren hineinspielenden Bereichen des Bundesrechts (Gewässerschutz-, Forstpolizei-, Natur- und Heimatschutzgesetz, Bundesgesetz über bauliche Massnahmen im Zivilschutz BGE 113 Ib 393 S. 398 usw.), den betroffenen Privaten, dem Gemeinwesen und teilweise auch gesamtschweizerischen Organisationen ein ordentliches Rechtsmittel auf Bundesebene zur Verfügung gestellt hat, so sollte die volle Rechts- und allenfalls auch Ermessenskontrolle stets stattfinden und nicht davon abhängen, ob das fragliche Gesetz in einem Verfahren nach Art. 5 oder 24 RPG, nach den anderen Bestimmungen des Raumplanungsgesetzes oder in einem nicht vom Raumplanungsgesetz geregelten Verfahren zur Anwendung komme. Die Vorschrift von Art. 34 RPG , die eine Ausnahme zur allgemeinen bundesrechtlichen Rechtsmittelordnung schafft, kann daher dem Grundsatze nach nur für die richterliche Überprüfung der Auslegung und Anwendung der raumplanerischen kantonal- und bundesrechtlichen Normen selbst, dagegen nicht für andere, unmittelbar anwendbare Bundesrechtsbestimmungen gelten. Die bereits in BGE 113 Ib 384 E. 4c aufgeworfene Frage des Verhältnisses von Art. 34 RPG zu Art. 54 f. USG ist in diesem Sinne zu beantworten. c) Der angefochtene Entscheid stützt sich wie erwähnt nicht nur auf Bundesrecht, sondern gleichzeitig auf kantonales Baurecht, insbesondere auf die Bestimmungen über die Bestandesgarantie und die Baubewilligung. Insoweit ist gemäss Art. 34 RPG in Verbindung mit Art. 84 lit. a OG die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte gegeben. ... d) Die von den Beschwerdeführern eingereichten Rechtsmittel sind somit beide zulässig. In der Tat ist hier von einer Verzweigung des Rechtsmittelweges auszugehen: Soweit die Streitsache dem Bundesverwaltungsrecht untersteht, sind Bundesrechtsverletzungen - mit der erwähnten Ausnahme hinsichtlich des Raumplanungsrechtes - mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde geltend zu machen; insofern dagegen die Anwendung kantonalen Rechts beanstandet wird, muss staatsrechtliche Beschwerde erhoben und kann die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt werden (vgl. BGE 105 Ib 108 f., 222 f. E. 2a). Im vorliegenden Fall sind zwei getrennte Rechtsschriften eingereicht worden, doch hätten die beiden Beschwerden auch in einer einzigen Eingabe erhoben werden können (BGE BGE 105 Ib 223 E. 2a, BGE 100 Ia 280 E. 1b). 3. Das Verwaltungsgericht ist im angefochtenen Urteil von § 135 BauG ausgegangen, wonach bereits vorhandene Bauten für Industrie und Gewerbe, die nicht in einer für sie bestimmten Zone liegen, weiterbestehen und angemessen erweitert werden dürfen, wenn ihre unvermeidlichen Einwirkungen auf die Nachbarschaft nicht übermässig sind. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtes BGE 113 Ib 393 S. 399 ergibt sich die Bedeutung der in dieser Vorschrift enthaltenen Emissionsschranke heute in erster Linie aus dem am 1. Januar 1985 in Kraft getretenen Umweltschutzgesetz. Wenn in § 135 BauG von "unvermeidlichen" Einwirkungen die Rede sei, so heisse dies nunmehr, dass die Emissionen so weit zu begrenzen seien, als dies technisch und betrieblich möglich und wirtschaftlich tragbar sei ( Art. 11 Abs. 2 USG ). Vorbehalten blieben die besonderen Vorschriften über die Sanierungen, namentlich über die Erleichterungen im Einzelfall (Art. 16 ff. und insbesondere Art. 17 USG ), die indessen hier keine Rolle spielten. Diese Ausführungen erwecken den Eindruck, dem Bundesrecht komme lediglich die Rolle einer blossen Auslegungshilfe des kantonalen Rechts zu und es sei nicht selbständig anwendbar. Dem ist aber nicht so. Wie das Bundesgericht schon verschiedentlich festgestellt hat, sind das Bundesgesetz über den Umweltschutz und nun auch die auf den 1. April 1987 in Kraft getretene Lärmschutz-Verordnung vom 15. Dezember 1986 (LSV) mit Rücksicht auf die öffentlichen Interessen, die diese Normen wahren, auf alle Verfahren, die im Zeitpunkt ihres Inkrafttretens noch nicht abgeschlossen sind, grundsätzlich unmittelbar anwendbar ( BGE 113 Ib 62 f., 382 E. 4a, 112 Ib 42, 306 E. 12, 441 E. 7e). Soweit sich der materielle Gehalt der kantonalrechtlichen Vorschriften über den Umweltschutz mit dem Bundesrecht deckt oder weniger weit geht als dieses, verliert das kantonale Recht seine selbständige Bedeutung; es behält sie dort, wo es die bundesrechtlichen Bestimmungen ergänzt oder - soweit erlaubt (vgl. Art. 65 Abs. 2 USG ) - verschärft (HAEFELIN/HALLER, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, S. 112; Entscheid des Obergerichtes des Kantons Schaffhausen vom 17. Dezember 1985, publ. in ZBl 88/1987 S. 87 f., Entscheid des Verwaltungsgerichtes des Kantons Zürich vom 28. Februar 1986, publ. in Baurechtsentscheide Kanton Zürich 1986 Nr. 34 S. 9). Nun hat das Aargauer Verwaltungsgericht hier in Anwendung von § 135 BauG und Art. 11 Abs. 2 USG gegenüber der Beschwerdegegnerin verfügt, welche Emissionsquellen auszuschalten und inwieweit die verbleibenden Emissionen einzuschränken seien, während es die Überprüfung der Frage, welche Immissionen auf die Nachbarliegenschaften einwirkten und ob diese noch zu dulden seien, auf einen späteren Zeitpunkt verschob. Emissionsbeschränkungen, wie sie hier das Verwaltungsgericht festgesetzt hat, hätte dieses aber allein schon gestützt auf Bundesrecht erlassen können. Nach Art. 16 Abs. 1 USG müssen Anlagen, die den Vorschriften des Umweltschutzgesetzes BGE 113 Ib 393 S. 400 nicht genügen, saniert werden. Zu diesen Vorschriften zählt auch Art. 11 Abs. 2 und 3 USG , wonach Emissionen im Rahmen der Vorsorge unabhängig von der bestehenden Umweltbelastung so weit zu begrenzen sind, als dies technisch und betrieblich möglich und wirtschaftlich tragbar ist (Abs. 2). Wenn feststeht oder zu erwarten ist, dass die Einwirkungen unter Berücksichtigung der bestehenden Umweltbelastung schädlich oder lästig werden, sind die Emissionsbegrenzungen zu verschärfen (Abs. 3). Solche Begrenzungen werden gemäss Art. 12 Abs. 2 USG durch Verordnungen oder, soweit diese nichts vorsehen, durch unmittelbar auf das Umweltschutzgesetz abgestützte Verfügungen vorgeschrieben. Da von der Betriebsanlage der Beschwerdegegnerin unbestrittenermassen mehr Emissionen ausgingen, als nach Art. 11 USG zugelassen werden kann, konnte das Verwaltungsgericht die Betriebseinschränkungen gestützt auf die genannten bundesrechtlichen Vorschriften anordnen. Daran ändert nichts, dass hier noch nicht bekannt ist, ob die Immissionsgrenzwerte überschritten werden, und Art. 13 der heute ebenfalls anwendbaren Lärmschutz-Verordnung die Sanierungspflicht nur für jene bestehenden ortsfesten Anlagen vorsieht, welche wesentlich zur Überschreitung der Immissionsgrenzwerte beitragen. Wie bereits erwähnt, können nach Art. 12 Abs. 2 USG Emissionsbegrenzungen durch unmittelbar auf das Umweltschutzgesetz abgestützte Verfügungen erlassen werden und sind nach der Vorschrift von Art. 12 Abs. 2 USG , die im Sinne des Zweckartikels 1 des Gesetzes der Vorsorge dient, Schutzmassnahmen nicht erst zu ergreifen, wenn die Umweltbelastung schädlich oder lästig wird, sondern müssen schon sämtliche unnötigen Emissionen vermieden werden (vgl. Kommentar zum Umweltschutzgesetz, N. 15 zu Art. 11, N. 1 zu Art. 16). 6. a) Die Beschwerdeführer gehen auch in ihrer Verwaltungsgerichtsbeschwerde davon aus, Standplätze, Harassenlager und Werktätigkeit im Freien seien für die Parzellen Nrn. 1673 und 3609 nie rechtskräftig bewilligt worden. Dass das Verwaltungsgericht die Parzelle Nr. 3609 zu Unrecht mit ins Verfahren einbezogen hat, wurde bereits unter E. 4 ausgeführt. Im Zusammenhang mit der Prüfung der staatsrechtlichen Beschwerde hat sich sodann ergeben, dass das Verwaltungsgericht ohne Verfassungsverletzung annehmen durfte, Fahrzeugstandplätze, Harassenlager und Werktätigkeit im Freien hätten, soweit betriebsnotwendig, als durch die bereinigende BGE 113 Ib 393 S. 401 Baubewilligung des Gemeinderates Wohlen vom 22. April 1985 bewilligt zu gelten. Für das Abstellen von Lastwagen enthält Ziffer 3 des das vorliegende Verfahren auslösenden Beschlusses des Gemeinderates Wohlen vom 27. Juni 1983 eine ausdrückliche Regelung. Danach dürfen in der Zeit zwischen 19.00 Uhr und 07.00 Uhr, samstags ab 12.00 Uhr und sonntags auf den Parzellen Nrn. 1673 und 4091 keine Lastwagen (Motorwagen über 3,5 t Gesamtgewicht) parkiert werden. Ebenso dürfen während dieser Zeit keine Lastwagen zu- und wegfahren. Das Verwaltungsgericht hat die zeitliche Regelung für erlaubte Zu- und Wegfahrten übernommen. Es hat zudem lediglich die Parkiererlaubnis für zwei Fahrzeuge, bzw. während der Mostereisaison für drei Fahrzeuge, dahingehend erweitert, dass diese auch zwischen 19.00 Uhr und 07.00 Uhr, also während 24 Stunden am Tag auf dem Betriebsareal stehengelassen werden dürfen. Gleichzeitig hat es die gemeinderätliche Anordnung aber verschärft, indem ausser den speziell aufgeführten Ausnahmen keine Nutzfahrzeuge über 3,5 t Gesamtgewicht mehr auf dem Betriebsareal stationiert werden dürfen. b) Die Beschwerdeführer machen sodann geltend, die von der Vorinstanz zugelassenen zwei bzw. drei Standplätze für Nutzfahrzeuge über 3,5 t Gesamtgewicht bewirkten Immissionen, die in einer reinen Wohnzone mit dem Immissionsgrad I (nicht störend) nicht hingenommen werden müssten. Die Beschwerdegegnerin sei auf die Standplätze nicht angewiesen. Sie könne die Lastwagen problemlos in der Gewerbezone "Rigacker" stationieren. Von dort aus könnten sie zum alten Betriebsgebäude gefahren und auf der dafür vorgesehenen Rampe be- und entladen werden. Die durch die Vorinstanz ausgesprochene Bewilligung der genannten Standplätze verletze Art. 11 Abs. 2 USG . Dasselbe gelte für das Leergut-Harassenlager von maximal 2400 Harassen sowie die unter Ziffer 1 lit. d bewilligten Tätigkeiten im Freien. Der Beschwerdegegnerin stünden genügend Leerräume innerhalb des Betriebsgebäudes zur Verfügung und zudem würden im neuen Betriebsgebäude "Rigacker" neue Lagermöglichkeiten geschaffen. Wie vorn unter E. 3 dargelegt, sind im vorliegenden Fall die Artikel 16 Abs. 1, 11 Abs. 1 und 2 und 12 USG anwendbar. Nach Art. 11 Abs. 1 USG werden Luftverunreinigungen, Lärm, Erschütterungen und Strahlen durch Massnahmen bei der Quelle begrenzt (Emissionsbegrenzungen). Dabei sind die Emissionen unabhängig von der bestehenden Umweltbelastung so weit zu begrenzen, als BGE 113 Ib 393 S. 402 dies technisch und betrieblich möglich und wirtschaftlich tragbar ist. Nach Art. 12 Abs. 1 lit. c USG können die Emissionen unter anderem auch durch den Erlass von Betriebsvorschriften eingeschränkt werden. Genau das hat aber die Vorinstanz mit ihren Anordnungen betreffend die Lastwagen-Standplätze, das Harassenlager und die Tätigkeit auf dem Betriebsareal der Beschwerdegegnerin getan. Dass die endgültige Ermittlung der Aussenlärmsituation auf später verschoben worden ist, läuft entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer ebenfalls nicht auf eine Verletzung des Umweltschutzgesetzes hinaus. Vor dem Abschluss der Umorganisation des Betriebes der Beschwerdegegnerin können die in Zukunft zu erwartenden Immissionen nicht mit hinreichender Sicherheit bestimmt werden. Auch ist nicht abschätzbar, wie sich die bereits angeordneten Emissionsbegrenzungen auswirken werden. Das Verwaltungsgericht durfte sich deshalb in seinem Entscheid unter dem Vorbehalt, dass die verbleibenden Immissionen nach einer Übergangsfrist neu ermittelt würden, mit einer provisorischen Regelung begnügen, die - wie sich im folgenden (E. 6c) zeigt - noch etwas zu verschärfen ist. c) Im angefochtenen Urteil wird das heutige Lager von 5000-10000 Harassen und der Betrieb darum herum als für die Nachbarn klarerweise unzumutbar bezeichnet und dessen Umfang auf maximal 2400 Harasse beschränkt. Zudem wird der S. AG untersagt, auf der Parzelle Nr. 1673 irgendwelches Leergut zu sortieren. Die Lagerung der Harasse habe, soweit der Platz innerhalb des Betriebsgebäudes hiefür nicht ausreiche, ausschliesslich auf der Südostseite des Gebäudes sowie auf dem nordwestlichen Teil des "Vorplatzes" zu erfolgen. Das Eidgenössische Departement des Innern wirft in diesem Zusammenhang die Frage auf, ob nicht auch der Harassenumschlag gleich wie die Fahrzeugbewegungen auf die normalen Betriebszeiten beschränkt werden sollte. Diese Frage erscheint berechtigt. Eine entsprechende Emissionsbeschränkung erfüllt die Voraussetzungen von Art. 11 Abs. 2 USG und ist daher vom Bundesgericht anzuordnen. Das gleiche gilt auch für das Be- und Entladen der Lastwagen. Auch in diesem Punkte ist das angefochtene Urteil in dem Sinne etwas zu verschärfen, als das Be- und Entladen der Lastwagen nur während gewissen Zeiten zulässig ist. Die von den Beschwerdeführern geforderten weiteren Beschränkungen, insbesondere auch hinsichtlich der Werktätigkeit im Freien, wären dagegen zur Zeit unter den gegebenen Umständen unverhältnismässig.
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578a6c61-1d00-42f6-b3d4-ef9f20c7ba6b
Sachverhalt ab Seite 325 BGE 108 Ib 325 S. 325 Die Anlagen der Z. AG, die die Fabrikation und den Vertrieb von Tonwaren bezweckt, wurden 1971 durch Brand vollständig zerstört. Sie legte ihre Betriebe in der Folge endgültig still, was wegen fehlender Rentabilität schon vorher beabsichtigt war. Sie befasst sich seither noch mit Garantielieferungen, vor allem aber mit der Umzonung der bisher in der Industriezone gelegenen Fabrikgrundstücke und der Planung einer Neuüberbauung. Aus den Versicherungsleistungen der Brandversicherung nahm die Z. AG eine Rückstellung für den Wiederaufbau vor, welche die Veranlagungsbehörde steuerlich nicht anerkannte und dem steuerbaren Gewinn aufrechnete. Einsprache und Beschwerde wurden abgewiesen. Gegen den Entscheid der kantonalen Rekurskommission führt die Z. AG Verwaltungsgerichtsbeschwerde, mit der sie die Anerkennung der Rückstellung und Verzicht auf die entsprechenden Aufrechnungen beantragt. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. BGE 108 Ib 325 S. 326 Erwägungen Aus den Erwägungen: I. Verwaltungsgerichtsbeschwerde 3. Zum Reinertrag einer Aktiengesellschaft, welcher der Wehrsteuer nach Art. 48 lit. a WStB unterliegt und der sich vorab im Saldo ihrer Gewinn- und Verlustrechnung ausdrückt (Art. 49 Abs. 1 lit. a WStB), sind auch alle ausserordentlichen Eingänge wie Kapitalgewinne zu rechnen, welche den steuerlich massgebenden Buchwert der betreffenden Gegenstände des Gesellschaftsvermögens übersteigen, insbesondere Versicherungsleistungen für den Verlust von Gebäuden durch Brand. Indem der Gesellschaft an Stelle eines Gegenstands des Gesellschaftsvermögens ein den Buchwert übersteigender Geldbetrag zufliesst, erhöht sich grundsätzlich der Ertrag im Ausmass der auf dem Vermögensgegenstand vorher vorhandenen stillen Reserven, sofern nicht - der Vermögensgegenstand im gleichen Geschäftsjahr durch einen neuen ersetzt wird, der im gleichen Ausmass sofort abgeschrieben wird, womit die stillen Reserven auf diesen neuen Vermögensgegenstand übertragen werden, - oder eine von der Steuerbehörde zu anerkennende Rückstellung für die Wiederbeschaffung gemacht wird, was nach Art. 49 Abs. 1 lit. c WStB nur zulässig ist, soweit solche Abschreibungen oder Rückstellungen geschäftsmässig begründet sind. Eine besondere Behandlung in diesem Sinne erfahren in der Praxis der Wehrsteuerveranlagungsbehörden Kapitalgewinne, die zu Ersatzanschaffungen verwendet werden, wenn Vermögensgegenstände, die zum Betrieb einer Unternehmung notwendig sind, u.a. durch ein Naturereignis zerstört werden, und die an ihre Stelle tretenden Versicherungssummen dazu verwendet werden, die verlorengegangenen Vermögensgegenstände zu ersetzen. Das gleiche gilt, wenn Vermögensgegenstände expropriiert oder unter Expropriationsdrohung veräussert werden. Werden die an Stelle der verlorenen Gegenstände tretenden Geldbeträge zur Beschaffung von Ersatzgütern verwendet und entsprechend verbucht, so wird eine steuerfreie Übertragung der stillen Reserven auf die Ersatzanschaffungen anerkannt und damit berücksichtigt, dass wirtschaftlich eine Realisierung stiller Reserven nicht vorliegt, da ein Zwang zur Ersatzbeschaffung besteht und deshalb die Ersatzsumme für die Unternehmung gar nicht frei verfügbar ist (Entscheid des BGE 108 Ib 325 S. 327 Bundesgerichts vom 4. März 1977 in ASA 46 S. 394 mit Hinweisen). Zu den Voraussetzungen, unter denen die Wehrsteuerveranlagungsbehörden im Hinblick auf eine Ersatzbeschaffung die steuerfreie Übertragung stiller Reserven von einem Gegenstand des Anlagevermögens auf einen neubeschafften Vermögensgegenstand - sei es in Form sofortiger Abschreibung, sei es in Form einer Rückstellung für die Ersatzbeschaffung - zu anerkennen haben, äusserte sich das Bundesgericht erst in einem nicht amtlich publizierten Entscheid vom 23. September 1960 (in ASA 30 S. 91 ff., insbes. S. 98 E. 4), wobei es damals noch offen liess, ob nach der sog. Ersatzbeschaffungstheorie eine steuerfreie Übertragung der stillen Reserven in der Wehrsteuer überhaupt in Betracht komme. 4. Da die Wehrsteuer vom Reinertrag der Kapitalgesellschaften nach Art. 49 Abs. 1 lit. a WStB (und entsprechend vom Unternehmens-Reingewinn von Selbständigerwerbenden und Personengesellschaften nach Art. 21 WStB) grundsätzlich vom bereinigten (Art. 49 Abs. 1 lit. b und c WStB) Saldo der Gewinn- und Verlustrechnung zu erheben ist, muss die sog. Ersatzbeschaffungstheorie von den Wehrsteuerbehörden berücksichtigt werden, soweit bei der Ermittlung des Saldos der Gewinn- und Verlustrechnung nach den Grundsätzen der kaufmännischen Buchführung die Übertragung stiller Reserven auf neubeschaffte Gegenstände des Anlagevermögens anerkannt und nicht bloss Ausdruck einer im Handelsrecht zulässigen vorsichtigen Bilanzierung, sondern für die Ermittlung des wahren Ertrags der betreffenden Rechnungsperiode notwendig ist (vgl. Art. 49 Abs. 1 lit. b WStB). In der Literatur der letzten Jahrzehnte wird durchwegs anerkannt, dass im Rahmen der Reinertrags- bzw. Reingewinnbesteuerung die Beschaffung notwendigen Ersatzes für ausgeschiedene Gegenstände des Anlagevermögens ohne Besteuerung der auf die Ersatzgegenstände übertragenen stillen Reserven möglich sein muss (C. BRELAZ, Imposition des gains en capital dans les cas d'incendie, d'expropriation ou d'autres résiliations nécessitées par des circonstances particulières, RDAF 13, 1957, S. 229 ff.; H. WEIDMANN, StR 16 1961, S. 186 ff.; J.-M. RIVIER, Réinvestissement en franchise d'impôt des bénéfices en capital obtenus par une entreprise astreinte à tenir une comptabilité, RDAF 18, 1962, S. 289 ff.; Gutachten über steuerrechtliche Fragen beim Zusammenschluss von Unternehmungen, Zürich 1970, S. 136 und 157; H. HEROLD, Die Wiederanlage von Liegenschaftsgewinnen des Unternehmers, ASA 39, BGE 108 Ib 325 S. 328 S. 137 ff.; F. CAGIANUT, Einige Gedanken zur steuerrechtlichen Behandlung von Ersatzbeschaffungen, ZBl 73, 1972, S. 95 ff.; ZUPPINGER/SCHÄRRER/FESSLER/REICH, Kommentar zum Zürcher Steuergesetz, Ergänzungsband, § 19 N. 93a S. 46; H. MASSHARDT, Wehrsteuerkommentar 1980, Art. 21 N. 129 S. 125 und Art. 49 N. 15 ff. S. 259 f.; E. KÄNZIG, Steuerrechtliche Fragen im Zusammenhang mit der Unternehmungsteilung, ASA 46 S. 545 ff., insbesondere S. 554/5; derselbe, SAG 50, 1978, 143 ff.; derselbe, Wehrsteuerkommentar, 2. Aufl., Art. 21 N. 197 ff. S. 417 ff.). Mehrere Kantone haben ausdrückliche Vorschriften in diesem Sinne in ihre Steuergesetze aufgenommen, so Aargau ( § 27 Ziff. 2 lit. b StG und § 14 des Aktiensteuergesetzes AStG), St. Gallen ( Art. 25 Abs. 1 lit. b StG und Art. 14 StV ) und neuerdings auch Bern ( Art. 27b, 65 und 80a StG in der Fassung vom 6. Februar 1980). Der Vorentwurf zu einem Rahmengesetz für die Steuerharmonisierung, der 1976 im Auftrag der Konferenz der kantonalen Finanzdirektoren erarbeitet wurde, sieht die steuerfreie Ersatzbeschaffung in Art. 7 Abs. 3 und Art. 24 Abs. 4 ebenfalls ausdrücklich vor. Das Vernehmlassungsverfahren, welches das Eidg. Finanz- und Zolldepartement am 15. März 1978 über diesen Vorentwurf einleitete, ergab keine abweichende Auffassung; im Gegenteil fanden ein Kanton und einzelne Organisationen die Voraussetzungen für die steuerfreie Ersatzbeschaffung sogar zu einschränkend umschrieben (ASA 47 S. 304). Es besteht daher kein Grund, die Möglichkeit der steuerfreien Ersatzbeschaffung in der Wehrsteuer auszuschliessen. 5. Auch über die Voraussetzungen, unter denen die Veranlagungsbehörde im System der Reinertrags- oder Reingewinnbesteuerung des Unternehmens die Übertragung stiller Reserven bei der Ersatzbeschaffung unbesteuert zu gestatten hat, herrscht im wesentlichen weitgehend Übereinstimmung. Zunächst ist klarzustellen, dass ähnliche Probleme sich zwar auch bei Veränderungen im Bestand des Umlaufvermögens eines Unternehmens stellen können, wo es sich nicht um die Kapitalgewinnbesteuerung handelt und die Übertragung stiller Reserven bei sachlich wechselndem Güterbestand von einem Bilanzstichtag zum nächsten laufend anerkannt wird ( BGE 91 I 291 ). Die sog. Ersatzbeschaffungstheorie betrifft die Realisierung von Kapitalgewinnen auf Anlagevermögen. Die Übertragung stiller Reserven auf Gegenständen des Anlagevermögens ist von den Steuerbehörden zu anerkennen unter Voraussetzungen verschiedener Art, die allerdings untereinander zusammenhängen: BGE 108 Ib 325 S. 329 a) Von der Art der ersetzten oder zu ersetzenden Vermögensgegenstände her ist zu fordern, dass es sich um Gegenstände des betriebsnotwendigen Anlagevermögens handelt, d.h. um Vermögensgegenstände, die dem Unternehmen nicht nur mit ihrem Geldwert dienen, sondern direkt für den Betrieb verwendet werden. Werden dagegen Gegenstände, welche für das Unternehmen eine reine Geldanlage bedeuten, zerstört, enteignet oder veräussert und fliesst dem Unternehmen daraus eine den Buchwert übersteigende Geldsumme als Erlös oder Ersatzleistung zu, so realisiert es stille Reserven auf diesen Vermögensgegenständen. b) Es muss ein Zwang zur Verwendung des zugeflossenen Geldbetrags für die Ersatzbeschaffung bestehen: In dieser Hinsicht werden nicht durchwegs gleich strenge Anforderungen gestellt. Im Entscheid in ASA 46 S. 390 ff. wurde ein äusserer Zwang (Zerstörung durch Naturereignis, Enteignung oder Enteignungsdrohung) vorausgesetzt, wobei der Sinn der Praxis darin gesehen wurde, dass dem Unternehmen der Zeitpunkt, in dem stille Reserven aufgelöst werden, nicht von aussen aufgezwungen werden soll. Es wurde aber dahingestellt, ob die Praxis in allen Teilen zu befriedigen vermöge. Vorwiegend wird auch ein innerbetrieblicher Zwang zur Ersatzbeschaffung als genügend erachtet, der den Unternehmensinhaber veranlasst, aus eigenem Entschluss - aber nicht aus wirklich freiem Willen - einen zu den notwendigen Betriebsaktiven gehörenden Vermögensgegenstand aufzugeben, z.B. auch durch Veräusserung (MASSHARDT, a.a.O., Art. 21 N. 101 S. 112/3 und Art. 49 N. 15 S. 259; KÄNZIG, Kommentar zu Art. 21, 2. Aufl., N. 165 f. S. 385 und N. 197 S. 417 f.; Gutachten über steuerrechtliche Fragen beim Zusammenschluss von Unternehmungen, S. 157; RIVIER, a.a.O., S. 297; CAGIANUT, a.a.O., S. 97; für St. Gallen, trotz der einen Zwang nicht erwähnenden Formulierung in Art. 25 Abs. 1 lit. b StG , H. WEIDMANN, Wegweiser durch das St. Gallische Steuerrecht, 3. Aufl., S. 80/1).- Die Frage braucht hier nicht weiter verfolgt zu werden, da bei der Beschwerdeführerin unbestritten durch den Brand zwangsweise die Betriebsanlagen zerstört wurden. c) Der Ersatz muss innert einer angemessenen Frist erfolgen: Andernfalls liesse sich schwerlich von einem Ersatz betriebsnotwendiger Gegenstände sprechen, sondern es müssten in vielen Fällen Zweifel entstehen, ob diese betriebsnotwendig waren. Ein Ersatz innert angemessener Frist ist jedenfalls anzunehmen, wenn er innert derselben Abrechnungsperiode erfolgt, so dass am BGE 108 Ib 325 S. 330 darauffolgenden Bilanzstichtag die stillen Reserven durch entsprechende Bewertung auf den Ersatzgegenstand übertragen werden können. Auch der Ersatz innert der gleichen 2jährigen Wehrsteuer-Bemessungsperiode kann anerkannt werden, was das Bundesgericht in ASA 30 S. 98 allerdings als auf der Grenze einer angemessenen Zeit betrachtete. Die 2jährige Wehrsteuer-Bemessungsperiode dürfte indessen eine äusserste zeitliche Grenze jedenfalls dann nicht darstellen, wenn die Anerkennung einer Rückstellung für die Ersatzbeschaffung in Betracht fällt und diese nach den Umständen (z.B. bei einem durch Planung oder besondere Erschwernisse verzögerten Neubau zerstörter oder enteigneter Betriebsgebäude) längere Zeit in Anspruch nimmt (MASSHARDT, a.a.O., Art. 49 N. 15 a.E. S. 259; HEROLD, a.a.O., S. 156 und 161; vgl. für den neuen Art. 27b Abs. 2 StG /BE; GRUBER, a.a.O., Art. 27b N. 3 S. 61; § 14 Abs. 2 AStG /AG sieht vor, dass eine solche Rückstellung innert 4 Jahren zu verwenden oder zugunsten der Erfolgsrechnung aufzulösen ist). d) Der Erlös muss für die Beschaffung eines Ersatzguts verwendet oder zurückgestellt werden, das der Fortsetzung des im wesentlichen unveränderten Betriebs des gleichen Unternehmens dient: Nur unter dieser Voraussetzung können die Veranlagungsbehörden davon ausgehen, das Unternehmen sei nicht in die Lage versetzt worden, über die Ersatzsumme bzw. den Erlös frei zu verfügen, d.h. die den Buchwert übersteigenden Einnahmen stellten keine Realisierung der stillen Reserven dar. Wollten die Steuerbehörden darüber hinausgehen und eine steuerfreie Übertragung stiller Reserven auf zerstörten, expropriierten oder veräusserten Gegenständen des Anlagevermögens auch dann zulassen, wenn die dem Unternehmen zugeflossenen Geldmittel in einem andern Betrieb oder gar in einem andern Unternehmen investiert würden, wie das etwa in dem von der Beschwerdeführerin zitierten Aufsatz von Weidmann (StR 16 S. 192 ff.) vorgeschlagen wurde, so müsste sich dies auf eine entsprechende gesetzliche Vorschrift stützen. Eine solche Lösung könnte nicht mehr aus den Grundsätzen der Unternehmensbesteuerung heraus, sondern nur aus gewerbepolitischen Überlegungen getroffen werden (HEROLD, a.a.O., S. 152 ff.), die Sache des Gesetzgebers bleiben müssen. Von den für die Buchführung geltenden allgemein anerkannten kaufmännischen Grundsätzen her ist es schon fraglich, ob es angeht, stille Reserven auf bestimmten Anlagegütern zu übertragen BGE 108 Ib 325 S. 331 auf andersartige Anlagegüter für denselben Betrieb (z.B. von enteigneten, zerstörten oder veräusserten Grundstücken auf Maschinen, vgl. CAGIANUT, a.a.O., S. 97). Deshalb wird weit überwiegend die Auffassung vertreten, als Ersatzgut kämen nur Vermögensgegenstände in Betracht, die dem ausgeschiedenen Gut in der Funktion gleich, d.h. funktionell (technisch und wirtschaftlich) gleichartig seien (KÄNZIG, a.a.O., N. 199 S. 420 mit Hinweisen; MASSHARDT, Art. 49 N. 15 S. 259 und Art. 21 N. 101 S. 113; ZUPPINGER/SCHÄRRER/FESSLER/REICH, a.a.O., § 19 N. 93a S. 46; CAGIANUT, a.a.O., S. 97; BRELAZ, a.a.O., S. 232). Die Reinvestition in funktionell gleichartigen Ersatzgegenständen machen auch die Gesetze von St. Gallen ( Art. 25 Abs. 1 lit. b StG und Art. 14 Abs. 1 StV ) und seit der Revision von 1980 Bern ( Art. 27b Abs. 1 und Art. 80a lit. d StG ) zur Voraussetzung, ebenso Art. 7 Abs. 3 des Vorentwurfs zu einem BG über die Harmonisierung der direkten Steuern. Selbst wenn man, da eine ausdrückliche Vorschrift dies nicht hindert, bei der Abgrenzung des wehrsteuerpflichtigen Reinertrags eine Ersatzbeschaffung auch anerkennen wollte, wo an Stelle betriebsnotwendigen Anlagevermögens andersartige Gegenstände des Anlagevermögens beschafft werden, liesse sich dies doch jedenfalls nur dann rechtfertigen, wenn die Ersatzgegenstände dem - im wesentlichen unverändert gleichen - Betrieb (vgl. für die sehr weitherzige Auslegung des Gesetzes von Aargau: FELDMEIER, 10 Jahre Erfahrung mit der Ersatzbeschaffung im Kanton Aargau, StR 32, 1977 S. 313 ff. insbes. 316) oder jedenfalls dem gleichen Unternehmen dienen würden. Wenn der Betrieb (oder Betriebszweig), für welchen die untergegangenen, expropriierten oder aus innerbetrieblicher Notwendigkeit veräusserten Gegenstände betriebsnotwendig waren, aufgegeben und der Erlös für einen andern Betriebszweig verwendet wird, lässt sich schwerlich verneinen, dass das Unternehmen über den Erlös frei verfügen konnte (KÄNZIG, a.a.O., Art. 21 N. 197 S. 418). Jedenfalls aber kann die Reinvestition nur notwendig (und der Erlös deshalb nicht frei verfügbar) sein, wenn sie im gleichen Unternehmen erfolgt (ASA 30 S. 98; RIVIER, a.a.O., S. 296, 297; HEROLD, a.a.O., S. 160). Das ergibt sich für Rückstellungen übrigens schon daraus, dass solche nach Art. 49 Abs. 1 lit. c WStB nur dann nicht als Ertrag zu versteuern sind, wenn sie geschäftsmässig begründet sind. Rückstellungen für einen erst in den nächsten Steuerperioden zu erwartenden Aufwand aber können nur geschäftsmässig begründet sein (und von den BGE 108 Ib 325 S. 332 Steuerbehörden auch anerkannt werden), soweit sie mit dem Geschäftsbetrieb der Rechnungsperiode im Zusammenhang stehen (nicht publiziertes Urteil vom 5. Mai 1982 i.S. H.), wenn sie also gemacht werden, um dasselbe buchführende Unternehmen fortzusetzen. Eine Rückstellung zur "Ersatzbeschaffung" für ein anderes Unternehmen kann nicht geschäftsmässig begründet sein. 6. Bei der Beschwerdeführerin wurde zwar durch den Brand betriebsnotwendiges Anlagevermögen zerstört, so dass die beiden zuerst genannten Voraussetzungen für eine steuerfreie Rückstellung der den Buchwert übersteigenden Versicherungssumme gegeben wären. Doch fehlt es ihr, wie sie selber nicht bestreitet, an der Absicht, diese in dem im wesentlichen unveränderten Betrieb ihres bisherigen Unternehmens wieder zu investieren. Und ausserdem betrachtete die Vorinstanz mit Recht die angemessene Frist, innert welcher die erhaltenen Mittel reinvestiert werden müssten, als überschritten. a) Die Beschwerdeführerin vertritt den Standpunkt, der Begriff der von den Steuerbehörden zu anerkennenden Ersatzbeschaffung sei auszuweiten in dem Sinne, wie dies seinerzeit Weidmann vorgeschlagen hatte, wofür sich im Wehrsteuerbeschluss aber keine Grundlage findet. Nach ihrer Auffassung sollte die Reinvestition in der gleichen Unternehmung genügen, wobei sie mit Unternehmung ihre Kapitalgesellschaft (Aktiengesellschaft) meint und darauf hinweist, dass diese die Versicherungssumme nicht an die Aktionärin (Muttergesellschaft) ausschütte, sondern selber für die Neuüberbauung ihrer Grundstücke verwendet. aa) Diese Auffassung kann schon deshalb nicht zutreffend sein, weil nach Art. 49 Abs. 1 WStB nicht bloss die ausgeschütteten Teile des Geschäftsergebnisses (soweit vor dem Jahresabschluss ausgeschüttet, vgl. Art. 49 Abs. 1 lit. b WStB), sondern der gesamte Reinertrag einschliesslich des Saldos der Gewinn- und Verlustrechnung und der nicht geschäftsmässig begründeten Rückstellungen steuerbar ist, auch soweit die Gesellschaft ihn zurückbehält und allenfalls in neuen Anlagen und Gebäuden investiert. bb) Sowenig wie bei natürlichen Personen (die neben Privatvermögen gleichzeitig mehrere von einander unabhängige Unternehmungen haben können) und bei Personengesellschaften, ist auch bei Kapitalgesellschaften die Unternehmung, deren Erfolg aus der vorgeschriebenen kaufmännischen Buchführung mit Betriebsrechnung (Art. 662 ff. und Art. 957-960 OR ) ersichtlich sein muss, nicht schlechthin identisch mit der Gesellschaft selber als juristischer BGE 108 Ib 325 S. 333 Person (vgl. PATRY, Grundlagen des Handelsrechts, Schweiz. Privatrecht Band VIII/1 S. 178/9). Der Unternehmung ist vielmehr eine vom Zweck bestimmte feste Erwerbstätigkeit eigen, für welche ein Bestand von Kapital und Arbeitskräften zum Einsatz gelangt (PATRY, a.a.O., S. 72; VON STEIGER, Gesellschaftsrecht, Schweiz. Privatrecht Band VIII/1 S. 225 ff., vgl. betr. die Erträge der Unternehmung KÄNZIG, a.a.O., Art. 21 N. 38 ff. S. 255 ff.). Wenn auch bei der kaufmännisch oder industriell tätigen Kapitalgesellschaft ihr Vermögen von dem der Unternehmung nicht zu unterscheiden ist, so kann doch die Unternehmung ganz oder teilweise aufgegeben und der Liquidationsüberschuss für den Aufbau einer neuen oder allenfalls in ihrem Zweck beschränkten Unternehmung verwendet werden. Wenn dabei Vermögensgegenstände der ganz oder teilweise aufgegebenen Unternehmung über ihrem Buchwert veräussert werden, so kann nicht deshalb, weil die Gesellschaft den Kapitalgewinn in einem neuen (oder in dem im Zweck beschränkten) Unternehmen wieder investieren will, eine Realisation der stillen Reserven verneint und die Notwendigkeit der Reinvestition für die Fortsetzung der Unternehmung bejaht werden. Sonst würde der Gesellschaft ermöglicht, was im erwähnten Bundesgerichtsentscheid in ASA 30 S. 98 als unzulässig bezeichnet wurde, nämlich sie könnte "indéfiniment liquider son entreprise et en créer ou en reprendre une autre sans jamais payer l'impôt sur les réserves latentes ainsi réalisées". cc) Die Beschwerdeführerin gab ihr Ziegeleiunternehmen aus eigenem Entschlusse auf, weil es nicht mehr rentierte und auch eine Erneuerung nicht mehr rentabel gewesen wäre. Dass sie den Zeitpunkt der Stillegung nicht frei wählte, dieser vielmehr durch den Brand der Betriebsanlagen gegeben war, ändert daran grundsätzlich nichts, ebensowenig die Entschädigung an die Beschwerdeführerin, ihre Muttergesellschaft und deren Aktionär, welche die bernischen und solothurnischen Ziegelwerke im Interesse der Stillegung leisteten. Entscheidend ist einzig, dass die Unternehmung nicht mehr fortgeführt wird, sondern die Tätigkeit der Beschwerdeführerin sich seither auf die Liquidation, auf Transporte und auf den Handel mit Immobilien beschränkt, wie sie selber in ihrer Steuererklärung angab. Die neue Tätigkeit des Immobilienhandels (bzw. der Überbauung und des Verkaufs oder der Vermietung ihrer Liegenschaften) wird, wenn die Beschwerdeführerin diese als (neues) kaufmännisches Unternehmen dauernd betreiben will, eine Änderung ihres statutarischen Gesellschaftszwecks erfordern. Die BGE 108 Ib 325 S. 334 stillen Reserven auf den Betriebsgebäuden und -anlagen der aufgegebenen Ziegeleiunternehmung, welche die Beschwerdeführerin für die Planung einer neuen Unternehmung verwendet oder später in Gegenstände des Betriebsvermögens dieser neuen Unternehmung investieren wird, sind von ihr realisiert worden. Sie wurden zu Recht als steuerbarer Ertrag aufgerechnet. b) Es braucht daher nicht entschieden zu werden, welche Frist noch als angemessen betrachtet werden kann, wenn für zerstörte, enteignete oder veräusserte Gegenstände des betriebsnotwendigen Anlagevermögens Ersatz in Form neuer Bauwerke beschafft werden soll. Immerhin mag beigefügt werden, dass von einer Reinvestition innert angemessener Frist nicht schon dann gesprochen werden kann, wenn innert solcher Frist erst gewisse vorbereitende Planungen für spätere Bauten ausgeführt werden. Der Vorinstanz kann auch nicht vorgeworfen werden, sie habe die für eine Ersatzbeschaffung vorausgesetzte angemessene Frist zu einschränkend verstanden, wenn sie annahm, diese sei in den sieben Jahren seit dem Brand abgelaufen. Die Beschwerdeführerin konnte sich eine so lange Planungsphase nur deshalb erlauben, weil die Unternehmung nicht fortgesetzt wird, eine Notwendigkeit zur Ersatzbeschaffung eben nicht besteht.
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Sachverhalt ab Seite 34 BGE 114 IV 34 S. 34 Im Januar 1987 fand für den Armeestab ein operatives Seminar statt, das der Generalstabschef in seiner Gesamtheit als "geheim" BGE 114 IV 34 S. 35 erklärte. Er hielt auch ein Referat, welches den Teilnehmern mit dem Vermerk "vertraulich" abgegeben wurde. Aus diesem Referat zitierte M. in der Wochenzeitung vom 30. Januar 1987. Das Statthalteramt des Bezirks Zürich stellte das Verfahren gegen M. wegen Veröffentlichung amtlicher geheimer Verhandlungen am 14. Dezember 1987 ein. Es gelangte zum Schluss, beim Generalstabschef handle es sich um keine Behörde im Sinne von Art. 293 StGB , noch sei dessen in Schriftform abgegebenes Referat als geheim bezeichnet worden. Die Schweizerische Bundesanwaltschaft führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, die Einstellungsverfügung aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an das Statthalteramt zurückzuweisen. M. hat sich trotz Fristansetzung zur Sache nicht vernehmen lassen. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Gemäss Art. 293 Abs. 1 StGB wird mit Haft oder mit Busse bestraft, wer, ohne dazu berechtigt zu sein, aus Akten, Verhandlungen oder Untersuchungen einer Behörde, die durch Gesetz oder durch Beschluss der Behörde im Rahmen ihrer Befugnis als geheim erklärt worden sind, etwas an die Öffentlichkeit bringt. a) Was unter einer Behörde im Sinne von Art. 293 Abs. 1 oder auch anderer Bestimmungen des StGB (Art. 110 Ziff. 5 Abs. 2, Art. 285 f., 288, 291 f., 303 StGB) zu verstehen sei, ist im Strafgesetzbuch nicht definiert. Im Bundesstaats- und Bundesverwaltungsrecht wird der Begriff der Behörde weit gefasst. Er trifft auf alle Bundesorgane zu, die kraft Bundesrecht mit hoheitlicher Zuständigkeit staatliche Funktionen ausüben, stellt also einen Sammelbegriff für alle Arten dieser Organe dar (vgl. HÄFELIN/HALLER, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, S. 185; HANGARTNER, Grundzüge des schweizerischen Staatsrechts, S. 94; FLEINER-GERSTER, Grundzüge des allgemeinen und schweizerischen Verwaltungsrechts, S. 449; GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, S. 131); ob es sich um ein monistisches oder ein Kollegialorgan handle, ist dabei ohne Bedeutung (FLEINER-GERSTER, a.a.O., S. 450 f.). Soweit die Stafrechtsliteratur sich überhaupt zum Behördenbegriff äussert, wird er auch dort nicht anders oder enger gefasst (STRATENWERTH, BT II, S. 166 N. 34 und S. 280 N. 3; SCHWANDER, Das Schweizerische Strafgesetzbuch, S. 506 Nr. 774). BGE 114 IV 34 S. 36 Werden Stellung, Aufgabe und Kompetenzen des Generalstabschefs in Betracht gezogen, der nicht dem Beamtengesetz untersteht (Art. 6 i.V.m. Art. 1 Rechtsstellungsverordnung/SR 510.22), wie sie sich aus den ihn betreffenden Bestimmungen ergeben (insbesondere Art. 40, 42 und 168 MO /SR 510.10; Art. 2, 3 und 23 f. DO/SR 510.21), dann kann keinem Zweifel unterliegen, dass es sich bei ihm um ein mit hoheitlichen Funktionen ausgestattetes staatliches Organ, mithin um eine Behörde im Sinne von Art. 293 Abs. 1 StGB handelt. Als solche ist bereits der Sekretär des Justizdepartements oder die Kantonspolizei betrachtet worden ( BGE 85 IV 83 E. 2). b) Dem Tatbestand von Art. 293 StGB liegt der formelle Geheimnisbegriff zugrunde, so dass es einzig darauf ankommt, ob die Akten, Verhandlungen oder Untersuchungen der Behörde durch Gesetz oder durch Verfügung derselben als geheim erklärt worden sind; dabei macht es keinen wesentlichen Unterschied ob sie als geheim oder als bloss vertraulich bezeichnet wurden, wenn nur klar ist, dass damit die Öffentlichkeit hatte ausgeschlossen werden wollen ( BGE 108 IV 187 E. 1a). Das aber ist vorliegend der Fall; durch die Bezeichnung des operativen Seminars als insgesamt "geheim" und jene des schriftlich abgegebenen Referats als "vertraulich" war dessen Kenntnis auf einen bestimmten Personenkreis beschränkt und damit geheim im Sinne von Art. 293 Abs. 1 StGB . Dass dem Generalstabschef die Befugnis zu einer derartigen Anordnung zustand, kann nicht bestritten werden. Ergab sich der geheime Charakter des Schriftstücks bereits aus dem angebrachten Vermerk "vertraulich", so kommt nichts darauf an, ob der Beschwerdegegner um die Bezeichnung des Seminars als insgesamt "geheim" wusste.
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Sachverhalt ab Seite 186 BGE 108 IV 185 S. 186 A.- Am 2. Juni 1980, ca. 17 Uhr, erhielten die Mitglieder der Geschäftsprüfungskommission (GPK) des Nationalrates im Anschluss an eine kurze Sitzung einen Bericht der Sektion EMD über ihre Abklärungen zur Angelegenheit Bachmann/Schilling mit Beilage (Antworten des EMD auf 16 Fragen der GPK). Der Bericht sollte am darauffolgenden Tage in einer Sitzung der GPK beraten werden und war als "vertraulich" gekennzeichnet. Am späteren Nachmittag des 2. Juni 1980 erkundigte sich der Bundeshausredaktor der Tageszeitung "Blick", Jürg Zbinden, beim damaligen Mitglied der GPK, Nationalrat Georg Nef, nach Neuigkeiten im Fall Bachmann/Schilling, worauf dieser bemerkte, er sei im Besitz des diesbezüglichen Berichtes. Das Begehren Zbindens, ihm den Bericht auszuhändigen, lehnte Nef mit der Begründung ab, dass er diesen zuerst selber lesen müsse. Ungefähr zehn Minuten später traf Zbinden erneut auf Nationalrat Nef, der ihn dahin informierte, dass nichts Relevantes im Bericht stehe. Auf Anfrage Zbindens, ob er den Bericht zum Fotokopieren haben dürfe, um am darauffolgenden Tag in der Zeitung "Blick" einen Artikel darüber schreiben zu können, händigte Nationalrat Nef ihm Bericht und Beilage aus. Zbinden kopierte beide und gab sie kurz darauf an Nef zurück. Unter dem Titel "Oberst Bachmann sollte neuen Geheimdienst aufziehen" veröffentlichte Zbinden in der Nummer 126 des "Blick" vom 3. Juni 1980 Auszüge und teils auch wörtliche Passagen aus beiden Dokumenten. B.- Das Obergericht des Kantons Zürich verurteilte Zbinden am 8. April 1982 in Bestätigung eines Urteils des Einzelrichters in Strafsachen des Bezirksgerichtes Zürich vom 2. Juli 1981 wegen der Veröffentlichung amtlicher geheimer Verhandlungen ( Art. 293 Abs. 1 StGB ) zu einer bedingt vorzeitig löschbaren Busse von Fr. 750.--. BGE 108 IV 185 S. 187 C.- Zbinden führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache sei zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Gleichzeitig hat er staatsrechtliche Beschwerde erhoben (BGE 108 Ia ...). Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Der Beschwerdeführer macht geltend, Art. 293 StGB verlange als Voraussetzung für die Strafbarkeit, dass die Unterlagen geheim gewesen seien. Diese Bestimmung spreche nämlich nur von "geheim", nicht auch von "vertraulich". Die beiden Ausdrücke bedeuteten nicht dasselbe, und BGE 77 IV 182 verwende ebenfalls den Begriff "geheim". Wenn sich die Praxis in Auslegung von Art. 293 StGB schon auf den formellen Geheimnisbegriff stütze, was erwiesenermassen zu unbefriedigenden Ergebnissen führe, so dürfe sie nicht zusätzlich noch "Geheimheit und Vertraulichkeit" gleichsetzen. Das aber habe die Vorinstanz getan, indem sie nicht genügend zur Kenntnis genommen habe, dass die vom Beschwerdeführer teilweise veröffentlichten Dokumente zum Teil mit der Aufschrift "vertraulich bis nach Behandlung in der Kommission" versehen gewesen seien. Von "geheim" habe darauf nichts gestanden. Die Vorinstanz habe die beiden Begriffe vermischt, und gleicherweise sei dies auch durch das Büro des Nationalrates in einem Papier vom 8. Januar 1980 geschehen. Das sei aber die Folge der unklaren Formulierung von Art. 22 GRN (SR 171.13), der die Ausdrücke "geheim" und "vertraulich" verwende. Im übrigen habe niemand behauptet, dass die fraglichen Dokumente Amtsgeheimnisse enthalten hätten. Ob die Kommission den Bericht genehmigt habe oder nicht, spiele keine Rolle; der Hinweis "vertraulich bis nach Behandlung in der Kommission" besage lediglich, dass er tel quel nach Behandlung durch die Kommission habe veröffentlicht werden dürfen. Im übrigen zeigten jene Unklarheiten, dass der Beschwerdeführer zu Unrecht mit einer strafrechtlichen Sanktion bedacht worden sei. a) Nach Art. 293 Abs. 1 StGB macht sich der Veröffentlichung amtlicher geheimer Verhandlungen schuldig, wer, ohne dazu berechtigt zu sein, aus Akten, Verhandlungen oder Untersuchungen einer Behörde, die durch Gesetz oder durch Beschluss der Behörde im Rahmen ihrer Befugnis als geheim erklärt worden sind, etwas an die Öffentlichkeit bringt. Wie das Bundesgericht entschieden hat, liegt diesem Tatbestand der formelle Geheimnisbegriff BGE 108 IV 185 S. 188 zugrunde. Es kommt also nicht darauf an, ob die ausgespähte oder offenbarte Tatsache wirklich geheim ist. Entscheidend ist einzig die durch Gesetz oder durch Verfügung der Behörde abgegebene Erklärung, die Akten, Verhandlungen oder Untersuchungen seien geheim (das zur Veröffentlichung bestimmte Urteil i.S. M. K. vom 27.11.1981; ebenso STRATENWERTH, 2. Aufl. II S. 303). Da überdies nicht der Wortlaut der gesetzlichen oder behördlichen Erklärung, sondern deren Sinn massgebend ist ( BGE 77 IV 182 und Urteil i.S. M. K.), macht es auch keinen wesentlichen Unterschied aus, ob in concreto Akten, Verhandlungen oder Untersuchungen als "geheim" oder als "vertraulich" und dgl. bezeichnet werden; es muss nur klar sein, dass damit die Öffentlichkeit hat ausgeschlossen werden wollen. Der in Art. 293 StGB verwendete Begriff "geheim" kennt denn auch keine graduellen Abstufungen im Sinne von "streng geheim", "geheim", "vertraulich" usw., sondern umfasst alle Klassifizierungen, denen zufolge die Kenntnis auf einen durch Gesetz bzw. durch Beschluss der zuständigen Behörde bestimmten Personenkreis beschränkt bleiben soll. Geheim im Sinne von Art. 293 StGB ist somit gleichbedeutend mit gesetzlich oder behördlich erklärtem Ausschluss der Öffentlichkeit (s. die bei STRATENWERTH, a.a.O. zitierten Beispiele). Damit unterscheidet sich dieser Begriff von dem engeren, den Art. 162, 267, 320 und 321 StGB zugrunde liegenden materiellen Geheimnisbegriff, und er lässt - wie sich im folgenden ergeben wird - eine sachlich, zeitlich und personell differenzierte Geheimhaltung zu, die in der Praxis und insbesondere im Parlamentsbetrieb häufig mit dem Ausdruck der Vertraulichkeit bezeichnet wird, ohne aber einen begriffsmässigen Unterschied zum Ausdruck "geheim" im Sinne von Art. 293 StGB zu markieren (s. C. BURKHARD, Die parlamentarischen Kommissionen der schweiz. Bundesversammlung, Diss. Zürich 1952, S. 3 Ziff. II und S. 191, Zirkular des Büros des Nationalrats vom 8.1.1980). b) Hängt nach dem Gesagten das Geheimhaltungsgebot von einer gesetzlichen oder behördlichen Erklärung ab, so kann diese - immer unter Vorbehalt des Amtsgeheimnisses und der militärischen Geheimhaltung - bestimmen, während welcher Dauer und in welchem Umfang Akten, Verhandlungen und Untersuchungen geheimzuhalten sind. Darüber hinaus folgt aus der formellen Natur des Geheimnisbegriffs des Art. 293 StGB , dass durch die genannte Erklärung auch der Kreis derjenigen Personen umschrieben werden kann, die Kenntnis von den fraglichen Akten, BGE 108 IV 185 S. 189 Verhandlungen und Untersuchungen haben dürfen. Dass zu diesem Kreis, soweit behördliche Verhandlungen in Frage stehen, die Sitzungsteilnehmer zählen, versteht sich von selbst. Es können aber in begrenztem Masse auch bestimmte nichtbeteiligte Dritte einbezogen werden. Dadurch verlieren die Verhandlungen nicht ihren geheimen Charakter, sofern diese Dritten ihrerseits zur Geheimhaltung verpflichtet werden (s. BGE 64 II 171 E. 7, wo das sogar für den materiellen Geheimnisbegriff angenommen wurde). c) Bezieht man in das Gesagte die Regelung des Art. 22 GRN ein, so ergibt sich als erstes, dass diese Bestimmung hinsichtlich der Kommissionsverhandlungen, die allein ausdrücklich erwähnt werden, ein sog. Sitzungsgeheimnis anordnet, mit der Bedeutung, dass über solche Verhandlungen die Kommissionsmitglieder und die anderen Sitzungsteilnehmer so lange nicht öffentlich berichten dürfen, bis Presse, Radio und Fernsehen durch das von der Kommission bezeichnete Mitglied orientiert worden sind ( BGE 107 IV 185 ). Auch danach unterliegen sie noch in dem Masse jenem Geheimhaltungsgebot, als sie nicht bekanntmachen dürfen, wie andere Teilnehmer Stellung bezogen haben (Abs. 2). Soll dieser für die Verhandlungen geltende Ausschluss der Öffentlichkeit seinen Zweck erfüllen, so muss es der Kommission aber auch anheimgestellt sein, Unterlagen, die Gegenstand ihrer Verhandlungen bilden und nicht a priori allgemein zugänglich sind (wie z.B. Vorlagen mit der Botschaft des Bundesrates, die schon vor der Behandlung durch parlamentarische Kommissionen gedruckt herausgegeben werden), dem Sitzungsgeheimnis zu unterstellen. Das folgt ohne weiteres aus dem Sinn jener Ordnung und erhellt auch aus dem öffentlichen Interesse an einer möglichst freien und durch keinerlei unzeitige Beeinflussung beeinträchtigten Meinungsbildung in einer parlamentarischen Kommission ( BGE 107 IV 188 E. 2a und Urteil des Kassationshofes zur staatsrechtlichen Beschwerde Zbindens, Nr. P. 1280/82 vom 17.9.1982, E. 1c). d) Der Umstand, dass nach Art. 22 Abs. 3 GRN die Kommissionsmitglieder dem Sitzungsgeheimnis unterstellte Tatsachen den Mitgliedern und Funktionären ihrer Fraktion bekanntgeben dürfen, ändert an dem formell geheimen Charakter solcher Mitteilungen nichts, weil diese Personen in derselben Bestimmung ausdrücklich verpflichtet werden, solche Mitteilungen nicht bekanntzumachen (s. oben lit. b). Zu einem anderen Ergebnis führt auch nicht, dass Art. 22 Abs. 3 GRN nicht von geheimen, sondern von vertraulichen Mitteilungen spricht. Gerade die Tatsache, dass das BGE 108 IV 185 S. 190 Reglement den genannten Personen verbietet, die ihnen gemachten vertraulichen Mitteilungen weiterzugeben, kennzeichnet diese als geheim im Sinne des Art. 293 StGB , wird doch dadurch klar der Wille kundgemacht, die Öffentlichkeit auszuschliessen (s. oben E. 1a). Zudem können sich diese Mitteilungen nach dem Zusammenhang, in welchem sie in Art. 22 Abs. 3 GRN erwähnt werden, ihrem Gehalt nach ja nur auf die Kommissionsverhandlungen, die - wie dargetan - grundsätzlich geheim sind, oder auf Verhandlungsunterlagen beziehen, für welche die Kommission den Ausschluss der Öffentlichkeit durch einen entsprechenden Vermerk angeordnet hat. e) Nach dem Gesagten ist nicht ersichtlich, inwiefern bei diesen sich ohne weiteres aus dem genannten Reglement ergebenden Schlüssen Art. 22 GRN der gebotenen Klarheit ermangeln sollte. Soweit die Beschwerde das behauptet, erweist sie sich als unbegründet. 2. Im vorliegenden Fall ist verbindlich festgestellt, dass der von Nationalrat Nef dem Beschwerdeführer am 2. Juni 1980 ausgehändigte Bericht der Sektion EMD, der anderntags Gegenstand der Beratungen der GPK des Nationalrats bilden sollte, den Hinweis "vertraulich bis nach Behandlung in der Kommission" trug. Darin lag eine Erklärung der zuständigen Instanz, dass das genannte Papier jedenfalls bis nach der Beratung durch die Kommission im Sinne von Art. 293 Abs. 1 StGB geheim zu bleiben hatte. Diese Erklärung hatte selbstverständlich auch Gültigkeit für die beigelegten Antworten des EMD auf die von der GPK gestellten Fragen, bildeten jene doch integrierenden Bestandteil des sich auf sie stützenden Berichts. Indem Zbinden in der Ausgabe der Zeitung "Blick" vom 3. Juni 1980 Bericht und Antwortbogen auszugsweise veröffentlichte, brachte er, ohne dazu berechtigt gewesen zu sein, etwas an die Öffentlichkeit, was dieser nach Massgabe von Art. 22 GRN nicht oder noch nicht hätte zugänglich gemacht werden dürfen und damit im Sinne von Art. 293 Abs. 1 StGB hätte geheim bleiben sollen.
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Sachverhalt ab Seite 186 BGE 107 IV 185 S. 186 A.- Ende August 1979 bereinigte eine Arbeitsgruppe der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates (GPK) einen Berichtsentwurf betreffend die Bundesaufsicht über die SRG und verabschiedete diesen zu Handen der Gesamtkommission. Der Bericht war zu diesem Zeitpunkt noch nicht für eine Veröffentlichung bestimmt. Auf nicht näher abklärbare Weise geriet der Journalist X. in den Besitz des Berichtsentwurfs und veröffentlichte Auszüge davon unter dem Titel "Polit-Grusel um SRG und Bundesaufsicht" in der "Weltwoche" vom 5. September 1979. Mit Schreiben vom 3. Oktober 1979 erstattete der Präsident des Nationalrates bei der Bundesanwaltschaft Strafanzeige wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses gegen Unbekannt und wegen Veröffentlichung amtlicher geheimer Verhandlungen ( Art. 293 StGB ) gegen X. Das Verfahren gegen den letzteren wurde mit Verfügung vom 14. Februar 1980 an die Behörden des Kantons Zürich delegiert. B.- Der Einzelrichter in Strafsachen des Bezirksgerichtes Zürich sprach X. am 24. Oktober 1980 der Veröffentlichung amtlicher geheimer Verhandlungen im Sinne von Art. 293 Abs. 1 StGB schuldig und bestrafte ihn mit einer Busse von Fr. 750.--. Das Obergericht des Kantons Zürich bestätigte am 12. März 1981 den erstinstanzlichen Entscheid im Schuld- und Strafpunkt. C.- X. führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichtes sei aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich hat auf Gegenbemerkungen verzichtet. BGE 107 IV 185 S. 187 Eine von X. gegen das obergerichtliche Urteil eingereichte kantonale Nichtigkeitsbeschwerde wurde vom Kassationsgericht des Kantons Zürich am 28. September 1981 abgewiesen, soweit darauf eingetreten wurde. Das Bundesgericht weist die Nichtigkeitsbeschwerde ab, soweit es darauf eintritt. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Nach Art. 293 Abs. 1 StGB wird mit Haft oder Busse bestraft, wer, ohne dazu berechtigt zu sein, u.a. aus Verhandlungen einer Behörde, die durch Gesetz oder durch Beschluss der Behörde im Rahmen ihrer Befugnis als geheim erklärt worden sind, etwas an die Öffentlichkeit bringt. a) Soweit diese Bestimmung von "durch Gesetz" geheim erklärten Verhandlungen spricht, ist damit nicht ein Gesetz im formellen Sinne gemeint. Vielmehr muss eine Verordnungsvorschrift ausreichen, wenn der Verordnungsgeber seine Kompetenz dazu unmittelbar aus der Verfassung (selbständige Verordnung) oder aus einer gesetzlichen Delegationsnorm (unselbständige Verordnung) ableiten kann. Es wäre schlechterdings nicht einzusehen, warum die fragliche Behörde ihre Verhandlungen zwar durch Beschluss, also durch eine Verfügung nach Art. 293 Abs. 1 StGB rechtsverbindlich sollte geheim erklären können, nicht aber durch eine Verordnung, wenn sie zum Erlass einer solchen befugt ist. b) Sodann setzt Art. 293 Abs. 1 StGB mit dem Begriff des Gesetztes auch nicht eine generell-abstrakte Norm im Sinne eines die Bürger zu einem bestimmten Tun, Dulden oder Unterlassen verpflichtenden Rechtssatzes voraus (s. BGE 105 Ia 351 f.). Auch Erlasse, die sich nur an die Behörde selber richten, ihr Handeln in organisatorischer Hinsicht regeln (Verwaltungsverordnungen) fallen in Betracht. Das folgt schon aus der Umschreibung des Tatbestandes, wenn darin von Verhandlungen einer Behörde die Rede ist, die durch Gesetz (oder behördlichen Beschluss) als geheim erklärt worden sind. Die damit gemeinte Norm muss sich notwendig an die Mitglieder der Behörde und an allfällige andere Sitzungsteilnehmer richten, ohne zugleich einem aussenstehenden Bürger unmittelbar eine Geheimhaltungspflicht aufzuerlegen. Diese mag als Aussenwirkung der Verordnungsbestimmung den Dritten mittelbar treffen (s. das vorgenannte Urteil), folgt hier aber unmittelbar aus Art. 293 StGB . BGE 107 IV 185 S. 188 c) Durch das Gesetz geheim erklärt ist schliesslich nicht nur, was die Norm ausdrücklich als geheim erklärt; es genügt, dass sich aus deren Sinn ergibt, dass die betreffenden Verhandlungen geheimgehalten werden müssen. Was sich durch Auslegung einem Gesetz entnehmen lässt, ist einer ausdrücklichen Bestimmung grundsätzlich gleichwertig, und es ist nicht zu ersehen, warum der Strafgesetzgeber in Art. 293 StGB eine Ausnahme hätte machen und nur die Veröffentlichung ausdrücklich geheim erklärter Verhandlungen unter Strafe stellen sollen ( BGE 77 IV 183 ). 2. Im vorliegenden Fall hat die Vorinstanz das Gebot zur Geheimhaltung der Verhandlungen der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrats und seiner Arbeitsgruppen aus Art. 22 des Geschäftsreglementes des genannten Rats (SR 171.13; GRN) abgeleitet. a) Bei dieser Reglementsvorschrift handelt es sich unzweifelhaft um ein "Gesetz" im oben umschriebenen Sinne des Art. 293 StGB , zu dessen Erlass der Nationalrat kraft Art. 8bis Abs. 2 des Bundesgesetzes über den Geschäftsverkehr der Bundesversammlung (SR 171.11) befugt war. Dabei hat der Nationalrat seine Befugnis als Verordnungsgeber keineswegs überschritten, wenn er die Verhandlungen seiner Kommissionen grundsätzlich dem Sitzungsgeheimnis unterstellt hat. Es liegt vielmehr im wohlverstandenen Interesse einer möglichst freien, durch keinerlei unzeitige Beeinflussung von aussen behinderten Meinungsbildung, Sitzungen von parlamentarischen Kommissionen so lange geheimzuhalten, als es die betreffende Kommission nach dem Gang ihrer Beratungen für geboten erachtet. Im übrigen wurde - wie sich im folgenden zeigen wird - das Sitzungsgeheimnis in Art. 22 GRN nicht schlechthin und unbegrenzt verhängt, sondern zeitlich und nach dem Kreis der Mitteilungsempfänger in sachlich vertretbarer und dem ungestörten Geschäftsgang objektiv dienender Weise umschrieben. b) Nach dem unter dem Titel "Information, Sitzungsgeheimnis" stehenden Art. 22 GRN unterrichtet die Kommission durch ein beauftragtes Mitglied die Vertreter von Presse, Radio und Fernsehen, je nach der Bedeutung der Geschäfte, schriftlich und allenfalls mündlich über ihre Verhandlungen (Abs. 1 Satz 1). Die Kommissionsmitglieder und Sitzungsteilnehmer greifen dieser Kommissionsmitteilung nicht vor (Abs. 2 Satz 1). Diese Bestimmungen sind nach Wortlaut und Sinn komplementär und damit als eine Einheit zu verstehen. Aus ihnen ergibt sich, dass die Kommission den Zeitpunkt bestimmt, an welchem sie die BGE 107 IV 185 S. 189 Massenmedien über ihre Verhandlungen unterrichten will, und dass diese Information durch ein von ihr beauftragtes Mitglied geschieht, das dann allein hiezu befugt ist; denn wie aus Abs. 2 Satz 1 des Art. 22 GRN folgt, unterliegen die übrigen Kommissionsmitglieder - unter Vorbehalt weitergehender Amtsgeheimnisse usw. (Art. 22 Abs. 2 Satz 2 und 3 und Abs. 3 Satz 1 GRN) einerseits und der Orientierung der eigenen Fraktion anderseits ( Art. 22 Abs. 3 GRN ) - bis nach jener offiziellen Bekanntmachung dem Sitzungsgeheimnis. Hiefür spricht übrigens nicht nur der Titel, sondern vor allem auch der Umstand, dass beide Bestimmungen den Indikativ Präsens verwenden ("Die Kommission unterrichtet", "Die Kommissionsmitglieder... greifen nicht vor"), was dem heute übliche Stil der Gesetzesredaktion gemäss den imperativen Gehalt der Norm ausdrückt. Es kann deshalb keine Rede davon sein, dass mit Abs. 2 Satz 1 eine blosse Ordnungsvorschrift erlassen worden wäre, die keine rechtsgenügende Grundlage für eine Geheimhaltungserklärung im Sinne des Art. 293 StGB bilden würde. Daran ändert auch der in Abs. 2 Sätze 2 und 3 GRN enthaltene Hinweis auf das Amtsgeheimnis, die militärische Geheimhaltung und die Stellungnahme der anderen Teilnehmer in den Verhandlungen nichts. Diese Sonderbestimmungen besagen bloss, dass in diese Geheimnisbereiche fallende Tatsachen von den Kommissionsmitgliedern und Sitzungsteilnehmern über den Rahmen des in Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GRN geregelten Sitzungsgeheimnisses hinaus geheimzuhalten sind (entsprechend auch Abs. 3). Schliesslich zwingt auch die Berufung des Beschwerdeführers auf Art. 10 EMRK nicht zu einem anderen Ergebnis. Abgesehen davon, dass es fraglich ist, ob der Beschwerdeführer mit diesem Vorbringen im Verfahren auf Nichtigkeitsbeschwerde überhaupt zu hören ist, verlangen jedenfalls sowohl die BV wie die EMRK für Beschränkungen der Meinungsäusserungsfreiheit nur ein Gesetz im materiellen Sinn; solche Eingriffe können somit auch in einer verfassungs- und gesetzeskonformen Verordnung enthalten sein ( BGE 105 Ia 183 ), was hier der Fall ist. Inwiefern aber Art. 22 Abs. 2 Satz 1 GRN der gebotenen Bestimmtheit entbehren sollte, ist nach dem oben Gesagten unerfindlich. 3. Was in der Beschwerdeschrift unter lit. B (S. 7 ff.) vorgebracht wird, verkennt klarerweise den Sinn des Art. 22 GRN und widerspricht teilweise auch wesentlichen tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz, die den Kassationshof binden und mit der Nichtigkeitsbeschwerde nicht bestritten werden können. a) Die Behauptung des Beschwerdeführers, der Bericht sei für BGE 107 IV 185 S. 190 die Veröffentlichung bestimmt gewesen, trifft nicht zu. Einmal handelte es sich nicht um einen endgültigen Bericht, sondern nur um einen Berichtsentwurf einer Arbeitsgruppe der Geschäftsprüfungskommission, der dieser vorerst unterbreitet werden musste; denn nach Art. 47ter Abs. 3 des Geschäftsverkehrsgesetzes der Bundesversammlung erhalten die Sektionen einer Geschäftsprüfungskommission ihre Aufträge von der Gesamtkommission, die allein befugt ist, Beschlüsse zu fassen. Dieser allein stand es deshalb zu, darüber zu befinden, ob und in welcher Form der Bericht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollte. Entsprechend sieht denn auch Art. 22 Abs. 1 GRN vor, dass "die Kommission" durch ein beauftragtes Mitglied die Massenmedien unterrichtet. Das Kassationsgericht hat deshalb mit Recht festgehalten, dass der Berichtsentwurf zu jenem Zeitpunkt noch nicht für die Veröffentlichung bestimmt gewesen sei. b) Nach Art. 22 Abs. 1 GRN unterliegen dem Sitzungsgeheimnis die "Verhandlungen" der Geschäftsprüfungskommission. Es versteht sich nach Sinn und Zweck dieser Bestimmung, dass die darin enthaltene Geheimhaltungserklärung auch Papiere umfasst, in denen Verhandlungen ihren Niederschlag gefunden haben und die noch der Beratung der Gesamtkommission unterliegen und deshalb ihrer Natur nach für den internen Gebrauch bestimmt sind. Der fragliche Berichtsentwurf fiel damit ohne weiteres unter das Sitzungsgeheimnis des Art. 22 Abs. 1 GRN ; einer besonderen Geheimhaltungserklärung bedurfte es deshalb für das betreffende Aktenstück entgegen der Meinung des Beschwerdeführers nicht. c) Art. 293 StGB liegt des weiteren ein formeller Geheimnisbegriff zugrunde. Es genügt danach die durch Gesetz oder behördlichen Beschluss abgegebene Erklärung, dass die Akten, Verhandlungen oder Untersuchungen geheim seien. Entsprechend ist deshalb vom Richter nicht zu prüfen, ob die im konkreten Fall bekanntgegebene Tatsache wirklich geheim gewesen ist oder nicht (STRATENWERTH, 2. Aufl. S. 303). Auch ist es ohne Belang, ob die Kommissionsmitglieder durch die Indiskretion in ihrer Meinungsbildung tatsächlich gestört worden sind. Art. 293 StGB will schon die blosse Gefahr einer Beeinflussung des Verhandlungsgangs von aussen her, wie sie bei der vorzeitigen Bekanntgabe von die Beratungen betreffenden Tatsachen möglich wäre, verhindern. d) Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, die in Art. 22 GRN getroffene Lösung befriedige nicht, ist er nicht zu hören. Es ist nicht Sache des Richters, die sich im Rahmen des Art. 8bis Abs. 2 BGE 107 IV 185 S. 191 des Bundesgesetzes über den Geschäftsverkehr der Bundesversammlung haltende Reglementsbestimmung des Art. 22 auf ihre Angemessenheit zu prüfen (s. BGE 98 IV 135 , 92 IV 109 u.a.m.). Ferner ist auf die Beschwerde insoweit nicht einzutreten, als damit unter Berufung auf den Grundsatz in dubio pro reo argumentiert wird. Diese Maxime ist nur im Rahmen des Art. 4 BV beachtlich, dessen Verletzung mit der Nichtigkeitsbeschwerde nicht gerügt werden kann. Schliesslich ist es auch unbehelflich, ob frühere Indiskretionen zu Strafverfahren gegen Journalisten geführt haben oder nicht. Soweit im übrigen der Beschwerdeführer damit einen Verstoss gegen den Gleichheitssatz rügen wollte, wäre er in diesem Verfahren ohnehin nicht zu hören. 4. Nach Art. 293 StGB macht sich strafbar, wer "ohne dazu berechtigt zu sein", aus geheim erklärten Akten usw. etwas an die Öffentlichkeit bringt. Da gemäss Art. 22 Abs. 1 GRN die Kommission durch ein von ihr beauftragtes Mitglied Presse, Radio und Fernsehen und damit die Öffentlichkeit über die grundsätzlich dem Sitzungsgeheimnis unterliegenden Verhandlungen unterrichtet, versteht sich von selbst, dass der Beschwerdeführer als Journalist a priori dazu nicht befugt gewesen ist. Anders wäre es nur, wenn er sich auf einen Rechtfertigungsgrund berufen könnte. X. macht in diesem Sinne Wahrung überwiegender öffentlicher Interessen geltend. Was er jedoch zur Begründung vorbringt, erschöpft sich in allgemeinen Ausführungen über das öffentliche Informationsbedürfnis einerseits und die Wahrung der Staatssicherheit und des Persönlichkeitsschutzes anderseits. Zudem greift er dabei immer wieder auf die Behauptung zurück, der Berichtsentwurf der Arbeitsgruppe habe keine Geheimnisse enthalten. Das letztere Vorbringen ist schon deswegen belanglos, weil - wie ausgeführt - Art. 293 StGB von einem formellen Geheimnisbegriff ausgeht. Und was die allgemeinen Erwägungen zu den vorgenannten Problemkreisen anbelangt, so reichen sie in keiner Weise aus, um darzutun, dass der Beschwerdeführer im konkreten Fall zur Tat berechtigt gewesen wäre. Das würde den Nachweis voraussetzen, dass die Öffentlichkeit, deren Informationsbedürfnis er angeblich hat wahren wollen, in casu ein dringendes Interesse daran gehabt hätte, gerade über die aus dem Berichtsentwurf der Arbeitsgruppe der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrats vom Beschwerdeführer an die Öffentlichkeit gebrachten Tatsachen unterrichtet zu werden, bevor die Gesamtkommission jenen Entwurf beraten und den Gehalt ihrer Verhandlungen durch ein von ihr BGE 107 IV 185 S. 192 beauftragtes Mitglied den Massenmedien bekanntgegeben hätte. Hiefür ist jedoch der Beschwerde nichts Stichhaltiges zu entnehmen; insbesondere hilft der Hinweis darauf nicht, dass die parlamentarische Tätigkeit sich immer mehr auf die Kommissionen verlagert und deswegen die Öffentlichkeit "an einer möglichst breiten, offenen und ungeschminkten Darstellung der Kommissionsarbeit" interessiert sei. Diesem Interesse kommt Art. 22 Abs. 1 GRN entgegen, indem danach die Kommissionen durch ihren beauftragten Sprecher die Massenmedien über den Verhandlungsgang unterrichten. Dabei kann in durchaus zureichendem Masse auch über die Verhandlungen der Sektionen oder Arbeitsgruppen informiert werden. Dass im vorliegenden Fall mit einem ungehörigen Vertuschungsmanöver seitens der Kommission hätte gerechnet werden müssen, dem eine vorzeitige Information der Öffentlichkeit hätte entgegenwirken sollen, wurde von der Vorinstanz verbindlich verneint. Der in der Beschwerde enthaltene Vergleich mit dem Parlamentarier aber, der als Geheimnisträger geheime Tatsachen an einen Journalisten weitergegeben hatte, hinkt. Dass ersterer für den Geheimnisbruch strafrechtlich nicht verfolgt wurde, hatte seinen Grund in der Tatsache, dass die eidgenössischen Räte die Ermächtigung zur Strafverfolgung verweigert hatten (Art. 14 Abs. 1 Verantwortlichkeitsgesetz; SR 170.32). Dafür durften Opportunitätsgründe wie staatspolitische Erwägungen herangezogen werden (s. BGE 106 IV 44 ), die der Journalist, der nicht Parlamentarier war, nicht für sich in Anspruch nehmen konnte. Wo aber die eidgenössischen Räte so verfahren, liegt in ihrem Entscheid keine Rechtfertigung des dem Parlamentarier zur Last gelegten Verhaltens, weshalb auch der unter diesem Gesichtspunkt vom Beschwerdeführer erhobene Einwand fehl geht. 5. Der Beschwerdeführer behauptet sodann, nicht vorsätzlich gehandelt zu haben, weil er nicht die Absicht gehabt habe, etwas Rechtswidriges zu tun. Er verkennt indes, dass zum Vorsatz nur das auf die objektiven Merkmale des Deliktstatbestandes bezogene Wissen und Wollen, nicht aber auch das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit oder gar dasjenige der Strafbarkeit gehört ( BGE 99 IV 58 ). Ob das zum Vorsatz gehörende Wissen und Wollen aber gegeben sei, ist Tatfrage, die vom Sachrichter für den Kassationshof verbindlich beantwortet wird und im vorliegenden Fall auch in nicht anfechtbarer Weise beantwortet worden ist. Auf die Beschwerde ist deshalb insoweit nicht einzutreten. BGE 107 IV 185 S. 193 6. Abschliessend macht der Beschwerdeführer geltend, das Strafurteil verstosse gegen Art. 10 EMRK . Soweit er damit hauptfrageweise eine Verletzung dieser Konventionsbestimmung rügt, ist er nicht zu hören. Das von ihr geschützte Recht der freien Meinungsäusserung ist verfassungsrechtlichen Inhalts ( BGE 101 IV 253 ). Die Verletzung verfassungsmässiger Rechte kann mit der Nichtigkeitsbeschwerde nicht gerügt werden ( Art. 269 BStP ). In dem Masse aber, als X. mit dem Hinweis auf Art. 10 EMRK die Bestimmung des Art. 22 GRN als verfassungswidrig bezeichnen möchte, ist darauf hinzuweisen, dass der Kassationshof im Rahmen eines Meinungsaustauschs mit der 2. öffentlichrechtlichen Abteilung beschlossen hat, in Korrektur der in BGE 98 IV 137 gemachten Aussagen auf seine frühere Praxis zurückzukommen und dieser entsprechend sich grundsätzlich auf eine Gesetzmässigkeitskontrolle unselbständiger Verordnungen zu beschränken, die sich auf eine in einem Bundesgesetz enthaltene Delegationsnorm stützen; das Bundesgericht ist nämlich gemäss Art. 113 Abs. 3 BV an die von der Bundesversammlung erlassenen Gesetze gebunden und hat sich auch an die auf solche Gesetze gestützten Verordnungen zu halten, soweit sie in den Grenzen der dem Verordnungsgeber im Gesetz erteilten Gesetzgebungskompetenz bleiben; in diesem Umfang nehmen sie an der Verbindlichkeit des Gesetzes teil. Sie können nur daraufhin überprüft werden, ob sie über den Rahmen der Ermächtigung hinausgehen ( BGE 92 IV 109 , BGE 75 IV 79 , BGE 62 I 79 ). Dass dies hier nicht der Fall ist, wurde bereits dargetan (E. 2a). Im übrigen wäre der Einwand des Beschwerdeführers ohnehin unbegründet; denn wie das Bundesgericht entschieden hat, schafft Art. 10 EMRK keine Informationspflicht der Behörden, und es folgt eine solche Pflicht auch nicht aus der von der Meinungsäusserungs- und der Pressefreiheit miterfassten Informationsfreiheit ( BGE 104 Ia 88 , insbes. 94 ff.). Sind aber die Behörden nach dem Gesagten nicht zur Information verpflichtet, dann kann nicht darin, dass sie in einem Erlass zwar eine Information der Öffentlichkeit über ihre Verhandlungen vorsehen, sie aber bestimmten Einschränkungen unterwerfen, ein Verstoss gegen Art. 10 EMRK liegen.
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Sachverhalt ab Seite 251 BGE 97 I 250 S. 251 A.- Für D., geb. 1966 in Bad Homburg, wurde am 9. Februar 1967 gegen den italienischen Staatsangehörigen F., damals wohnhaft in Speyer, beim Amtsgericht Speyer Klage auf Bezahlung von Unterhaltsbeiträgen angehoben. Die Klage wurde F. persönlich zugestellt. Er liess am 11. März 1967 durch einen Anwalt die Abweisung der Klage beantragen. Am 25. April 1967 beschloss das Gericht, die Mutter des Klägers als Zeugin zu befragen. Sie wurde am 31. Mai 1967 abgehört und erklärte, mit F. vor und während der gesetzlichen Empfängniszeit geschlechtlich verkehrt zu haben. In der Folge legte der Anwalt sein Mandat nieder, und F. kehrte nach Italien zurück. Er wurde auf den 26. März 1968 zur Gerichtsverhandlung vorgeladen. Die Vorladung wurde ihm am 23. Dezember 1967 auf diplomatischem Weg an seinem damaligen Wohnort in Italien zugestellt und enthielt folgenden Vermerk: "Wenn Sie zum Termin nicht erscheinen und sich nicht durch eine mit schriftlicher Vollmacht versehene, volljährige Person vertreten lassen, kann auf Antrag ein Versäumnisurteil gegen Sie erlassen werden. Ihre schriftlichen Mitteilungen bleiben in diesem Fall unberücksichtigt. Unterbleibt die Bestellung eines Prozessbevollmächtigten und machen Sie dem Gericht auch keine im Bezirk des Amtsgerichtes Speyer am Rhein wohnhafte Person namhaft, die zum Empfang der für Sie bestimmten Schriftstücke bevollmächtigt ist, so können alle zukünftigen Zustellungen an Sie durch Aufgabe zur Post bewirkt werden (§ 174 Abs. 2, § 175 Abs. 1, § 208 der Zivilprozessordnung)." F. liess im Februar 1968 dem Gericht durch einen italienischen Anwalt eine Eingabe zugehen, blieb aber der Verhandlung vom 26. März 1968 fern. Der Vertreter des Klägers beantragte dem Gericht, den Beklagten durch Versäumnisurteil zu verpflichten, dem Kläger eine monatliche Unterhaltsrente von 95 DM zu bezahlen. Das Amtsgericht sprach am 26. März 1968 ein diesem Antrag entsprechendes Urteil aus. Gegen dieses Versäumnisurteil liess F. im Mai 1968 Einspruch erheben und ausführen, er kenne Frau D. nicht und habe mit ihr noch nie geschlechtlich verkehrt. Das Gericht setzte Termin zur mündlichen Verhandlung über Einspruch und Hauptsache auf den 9. Juli 1968 an. BGE 97 I 250 S. 252 Da der Beklagte zu dieser Verhandlung weder erschien noch sich vertreten liess, verwarf das Gericht den Einspruch des F. ohne weitere Sachprüfung durch ein zweites Versäumnisurteil. Beide Urteile sind mit Rechtskraftbescheinigung versehen. Sie wurden dem Beklagten durch Aufgabe zur Post gemäss § 175 der deutschen Zivilprozessordnung (DZPO) zugestellt. Der Kläger betrieb den Beklagten anfangs Oktober 1969 in Zürich für eine Forderung von Fr. 4083.45 nebst Zins. F. erhob Rechtsvorschlag. Gestützt auf das Urteil des Amtsgerichts Speyer vom 26. März 1968 erwirkte der Kläger beim Einzelrichter des Bezirks Zürich die definitive Rechtsöffnung. Der Beklagte focht diesen Entscheid beim Obergericht des Kantons Zürich an, indem er geltend machte, die Bedingungen des Haager Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen auf dem Gebiet der Unterhaltspflicht gegenüber Kindern vom 15. April 1958 (im folgenden: Haager Abkommen; AS 1964, S. 1283 ff.) seien nicht oder wenigstens nicht in allen Teilen erfüllt. Das Obergericht wies den Rekurs am 7. Januar 1971 ab. B.- Gegen den Entscheid des Obergerichts vom 7. Januar 1971 hat F. staatsrechtliche Beschwerde erhoben. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Der Beschwerdeführer behauptet, dass einzelne der in Art. 2 des Haager Abkommens genannten Voraussetzungen und einzelne der in Art. 4 erwähnten Urkunden fehlen. Nach Art. 4 Ziff. 3 des Abkommens hat die Partei, welche die Vollstreckung beantragt, im Falle einer Versäumnisentscheidung eine beglaubigte Abschrift der das Verfahren einleitenden Ladung oder Verfügung und die Urkunden, aus denen sich die ordnungsgemässe Zustellung dieser Ladung oder Verfügung ergibt, beizubringen. Der Beschwerdeführer rügt, dass diese Unterlagen vom Beschwerdegegner nicht vorgelegt worden seien. Sie fehlen in der Tat. Art. 4 Ziff. 3 gilt aber nur für Versäumnisentscheide. Die beiden hier in Frage stehenden Entscheide sind zwar entsprechend der Ausdrucksweise der DZPO als Versäumnisurteile bezeichnet. Nach internationalem Zivilprozessrecht liegt indessen kein Versäumnisurteil vor, wenn sich der Beklagte, wie es hier geschehen ist, auf den Prozess eingelassen hat (GULDENER, Das internationale und interkantonale Zivilprozessrecht BGE 97 I 250 S. 253 der Schweiz, S. 152; vgl. das Urteil vom 28. Oktober 1970 i.S. H., nicht veröffentlichte Erw. 3c, S. 16). Der erstinstanzliche kantonale Richter hat deshalb wohl mit Recht die Ansicht vertreten, Art. 4 Ziff. 3 des Abkommens sei nicht anwendbar. Selbst wenn indessen die beiden Urteile als Versäumnisentscheidungen im Sinne des Art. 4 Ziff. 3 des Abkommens zu gelten hätten, schlüge die Argumentation des Beschwerdeführers nicht durch. Wird die Vorschrift des Art. 4 Ziff. 3 rein nach ihrem Wortlaut genommen, so könnte der Einwand allenfalls als begründet gelten. Das Urteil vom 26. März 1968 wird in den Erwägungen als Versäumnisurteil bezeichnet, und es wurde, wie ausgeführt, weder eine Abschrift der Vorladung noch eine Zustellungsurkunde eingelegt. Es wäre aber formalistisch und dem Sinne der Abkommensregel zuwider, aus diesem Grund die Vollstreckung abzulehnen. In der von dem zuständigen Justizbeamten unterzeichneten schriftlichen Urteilsausfertigung ist festgehalten, dass der Beschwerdeführer zu der Gerichtsverhandlung vom 26. März 1968 auf diplomatischem Weg vorgeladen und dass ihm die Vorladung am 23. Dezember 1967 an seinem Wohnort Terracina (Agro) zugestellt wurde. Diese urkundliche Bestätigung verschafft der Vollstreckungsbehörde praktisch die gleiche Gewähr dafür, dass der Beklagte vorgeladen und ihm die Ladung ordnungsgemäss zugestellt wurde, wie eine beglaubigte Abschrift der Vorladung und eine förmliche Zustellungsbescheinigung. Es mag freilich, unter der Voraussetzung, dass es sich überhaupt um einen Versäumnisentscheid im Sinne des Abkommens gehandelt hätte, beanstandet werden, dass sich der Vertreter des D. wohl nicht ernstlich darum bemüht hat, genau die Dokumente vorzulegen, die in Art. 4 des Abkommens genannt sind. Wie der Beschwerdeführer mit Recht ausführt, sind bei der Vollstreckung ausländischer Urteile im Interesse der Rechtssicherheit bestimmte Förmlichkeiten unumgänglich. Da aber die genannte Feststellung im Urteil vom 26. März 1968 der Vollstreckungsbehörde hinsichtlich Ladung und Zustellung die Sicherheit gibt, wie sie Art. 4 Ziff. 3 gewährleisten will, würde es dem Sinn dieser Vorschrift zuwiderlaufen, ohne sachlichen Grund in rein formaler Auslegung des Abkommens die Vollstreckung zu verweigern. So zu entscheiden, rechtfertigt sich aus einem weitern Grund. Nach Art. 4 Ziff. 3 müssen nur bei Versäumnisentscheiden eine Abschrift der das Verfahren einleitenden Ladung und eine Urkunde BGE 97 I 250 S. 254 über deren ordnungsgemässe Zustellung beigebracht werden. Wenn eine Partei nicht an der Gerichtsverhandlung teilnahm und das Urteil in ihrer Abwesenheit erging, soll durch Vorlage der in Art. 4 Ziff. 3 genannten Urkunden der Nachweis dafür erbracht werden, dass die Partei von der Einleitung des Verfahrens Kenntnis hatte und über den ersten Verhandlungstermin orientiert war. Zweck der Vorschrift ist es, dem Beklagten die Garantie zu geben, von der Einleitung des gegen ihn gerichteten ausländischen Prozessverfahrens in einer Weise Kenntnis zu erhalten, die ihm die Verteidigung vor dem Prozessgericht ermöglicht (vgl. KALLMANN, Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Zivilurteile und gerichtlicher Vergleiche, Basel 1946, S. 284 ff., insbes. S. 286). Sowohl das Urteil vom 26. März 1968 wie jenes vom 9. Juli 1968 sind zwar nach deutschem Recht Versäumnisentscheide. Der gegen den Beschwerdeführer angestrengte Prozess war aber, wie die kantonalen Gerichte zutreffend feststellten, nicht von Anfang an ein Kontumazialverfahren. Vielmehr war der Beschwerdeführer im Prozess zunächst durch einen Anwalt vertreten. Er war also nicht nur über die Einleitung des Verfahrens orientiert und in der Lage, sich im Prozess zu verteidigen, sondern hat seine Rechte auch tatsächlich durch seinen Anwalt wahren lassen. Bei dieser Sachlage ist die Vorlage einer Abschrift der Ladung und der Zustellungsbescheinigung entbehrlich, denn das, was mit diesen Urkunden bewiesen werden soll, ist schon auf andere Weise klar nachgewiesen. Ob dem Beschwerdeführer im spätern Lauf des Prozesses, insbesondere im Einspruchsverfahren, Vorladungen ordnungsgemäss zugestellt wurden, ist im übrigen in diesem Zusammenhang unerheblich, denn Art. 4 Ziff. 3 des Abkommens bezieht sich nur auf die "das Verfahren einleitende Ladung", und einzig für deren Erlass und Zustellung müssen Beweismittel eingelegt werden. Der Einwand, der Beschwerdegegner habe die in Art. 4 Ziff. 3 genannten Unterlagen nicht beigebracht, führt demnach nicht zur Gutheissung der Beschwerde. 4. Der Beschwerdeführer rügt ferner, er habe das Versäumnisurteil vom 9. Juli 1968 überhaupt nicht erhalten, da es nur durch Aufgabe zur Post im Sinne des § 175 DZPO "zugestellt" resp. eben nicht zugestellt worden sei. Nach der Ansicht des Beschwerdeführers entscheidet sich die Frage, ob das Urteil richtig zugestellt wurde, nicht nach dem Haager Abkommen von 1958. Dieses verlange in Art. 2 Ziff. 3, BGE 97 I 250 S. 255 dass der zu vollstreckende Entscheid rechtskräftig sei. Ein Urteil könne nur rechtskräftig sein, wenn es der betreffenden Prozesspartei zugestellt worden sei. Das Haager Abkommen von 1958 habe weder mit der Frage der Zustellung noch mit jener der Rechtskraft das geringste zu tun. Ob ein Urteil rechtskräftig sei, beurteile sich nach der Haager Übereinkunft betreffend Zivilprozessrecht von 1954 (AS 1957, S. 467), sowie im zu beurteilenden Fall nach den zwischen Deutschland und der Schweiz abgeschlossenen besondern Vereinbarungen (betreffend Vereinfachung des Rechtshilfeverkehrs von 1910 und den unmittelbaren Geschäftsverkehr von 1878; BS 12 S. 292 und 293). Diese Ausführungen, mit denen die im bundesgerichtlichen Urteil vom 28. Oktober 1970 i.S. H. geäusserte Ansicht (nicht veröffentlichte Erw. 3b S. 13) kritisiert wird, sind nicht stichhaltig. Die beiden Vereinbarungen der Schweiz mit Deutschland fallen von vorneherein ausser Betracht, weil der Beschwerdeführer sich zur Zeit der streitigen Zustellungen nicht in der Schweiz, sondern in Italien aufgehalten hat. Nach der unmissverständlichen Regel des Art. 5 des Abkommens von 1958 beschränkt sich sodann die Prüfung der Vollstreckungsbehörde auf die in Art. 2 genannten Voraussetzungen und die in Art. 4 aufgezählten Urkunden. Im Abkommen wird nicht bestimmt, wie ein Urteil zugestellt werden muss, so dass sich die Prüfung der Vollstreckungsbehörde nicht darauf beziehen kann, es wäre denn, dass wegen der Art der Zustellung die Entscheidung mit der öffentlichen Ordnung des Vollstreckungsstaates als offensichtlich unvereinbar erschiene (Art. 2 Ziff. 5). Diese Frage hat denn auch das Bundesgericht in dem erwähnten Urteil geprüft ( BGE 96 I 396 ff.), und wird es auch hier zu prüfen haben (Erw. 6c). Wohl muss nach dem Abkommen von 1958 die zu vollstreckende Entscheidung rechtskräftig sein, aber verlangt ist bloss, dass sie "in dem Staat, in welchem sie ergangen ist, Rechtskraft erlangt hat". Das verkennt der Beschwerdeführer; die Regel des Abkommens entspricht übrigens dem allgemeinen Grundsatz, dass unter Berücksichtigung des Rechts des Urteilsgerichts zu entscheiden ist, ob ein Urteil die Merkmale der Rechtskraft aufweist (GULDENER, Das internationale und interkantonale Zivilprozessrecht der Schweiz, S. 95, Anm. 18). Ob das vom Amtsgericht Speyer gegen den Beschwerdeführer ausgesprochene Urteil in der Bundesrepublik Deutschland Rechtskraft erlangt hat, entscheidet sich nicht nach irgendwelchen Staatsverträgen, BGE 97 I 250 S. 256 sondern nach dem deutschen Landesrecht. Nach diesem sind die beiden Versäumnisurteile rechtskräftig, was durch behördliche Rechtskraftbescheinigung nachgewiesen ist, sich aus der DZPO ergibt und auch vom Beschwerdeführer nicht bestritten wird. 5. Im Fall einer Versäumnisentscheidung kann die Vollstreckung versagt werden, wenn die Vollstreckungsbehörde in Anbetracht der Umstände des Falles der Ansicht ist, dass die säumige Partei ohne ihr Verschulden von dem Verfahren keine Kenntnis hatte oder sich in ihm nicht verteidigen konnte (Art. 2 Ziff. 2 Abs. 2). Es scheint, dass sich der Beschwerdeführer auch darauf berufen will. Es war ihm, wie ausgeführt, bekannt, dass gegen ihn in Speyer ein Prozess auf Bezahlung von Unterhaltsbeiträgen angehoben war, und von dem nach dem ersten Urteil durchgeführten Verfahren hatte er deshalb Kenntnis, weil es auf seinen eigenen Einspruch hin durchgeführt wurde. Im ersten Abschnitt des Verfahrens hatte er eine schriftlich begründete Klageantwort durch seinen deutschen Anwalt einreichen lassen, der ihn bis zu einem bestimmten Zeitpunkt auch vor Gericht vertrat. Nach dem ersten Urteil hatte er dem Gericht seinen Standpunkt in einem schriftlich begründeten Einspruch eines italienischen Anwalts darlegen lassen. Es stand ihm demnach nicht nur die Möglichkeit der Verteidigung offen, sondern er hat sie im Prozess auch tatsächlich genutzt. 6. a) Es ist deshalb nur noch zu prüfen, ob die Entscheidung mit der öffentlichen Ordnung (ordre public) der schweizerischen Eidgenossenschaft offensichtlich unvereinbar ist (Art. 2 Ziff. 5). Der Vorbehalt der öffentlichen Ordnung greift nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung dann Platz, wenn das einheimische Rechtsgefühl durch die Anerkennung und Vollstreckung eines ausländischen Urteils in unerträglicher Weise verletzt würde. Ein Urteil kann dabei, wie der Beschwerdeführer zutreffend ausführt, sowohl wegen seines materiellen Inhalts wie wegen des Verfahrens, in welchem es zustande kam, gegen die öffentliche Ordnung der Schweiz verstossen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts sind der Anwendung der Ordre-public-Klausel mit Bezug auf die Vollstreckung ausländischer Urteile engere Grenzen gezogen als im Gebiet der direkten Gesetzesanwendung ( BGE 96 I 391 und 397 f. mit Hinweisen auf frühere Urteile). Es kommt hinzu, dass das Haager Abkommen von 1958 den Gebrauch des Vorbehalts BGE 97 I 250 S. 257 einschränkt, indem es bestimmt, die Vollstreckung sei zu verweigern, wenn die Entscheidung mit der öffentlichen Ordnung "offensichtlich unvereinbar" ist (BBl 1964 I S. 507). b) Der Beschwerdeführer hat im Verfahren vor dem Amtsgericht Speyer sinngemäss die Einrede des Mehrverkehrs erhoben, ohne dafür aber Beweise anzutragen. Da er sich um den Prozess nicht mehr kümmerte, nachdem sein Anwalt das Mandat niedergelegt hatte und er selber nach Italien zurückgekehrt war, kann mit dem Obergericht erwogen werden, er habe es seiner eigenen Nachlässigkeit zuzuschreiben, wenn er keine Beweise beantragen konnte, um darzutun, dass er nicht der Vater des D. sei. Er behauptet zwar, er habe nichts davon gewusst, dass sein Anwalt das Mandat niedergelegt habe, doch wäre es seine Sache gewesen, die Verbindung mit ihm aufrecht zu erhalten. Es wurde ihm übrigens, was mit seiner Behauptung nicht im Einklang ist, mit der Vorladung, die ihm am 23. Dezember 1967 in Terracina zugestellt wurde, bekannt gegeben, dass sein Anwalt das Mandat niedergelegt habe. Bei dieser Sachlage kann nicht gesagt werden, das Amtsgericht habe dem Beschwerdeführer das rechtliche Gehör verweigert. Die Behauptung, nach schweizerischer Rechtsauffassung hätte ihm das Gericht ausdrücklich den Ausschluss vom Beweis androhen müssen, ist nicht stichhaltig. Der Beschwerdeführer ist der Ansicht, selbst wenn man annähme, er hätte sich pflichtwidrig zu wenig um den Prozess gekümmert, hätte das Gericht, nachdem Mehrverkehr behauptet war, die entsprechenden Beweise von Amtes wegen erheben müssen, da nach schweizerischem Recht ein Beklagter einen absoluten Anspruch auf ein Blutgruppengutachten habe. Es besteht freilich nach der Rechtsprechung ein bundesrechtlicher Anspruch auf eine Blutgruppenuntersuchung, doch kann diese auch in einem schweizerischen Prozess dann verweigert werden, wenn der Beklagte diesen Beweis nach dem kantonalen Prozessrecht nicht frist- und formgerecht beantragt hat ( BGE 90 II 152 ; vgl. auch BGE 90 I 110 , BGE 90 II 224 , BGE 91 II 2 ). Ist es in einem schweizerischen Vaterschaftsprozess möglich und zulässig, die vom Beschwerdeführer in seiner Beschwerdeschrift genannten Beweismittel auszuschliessen, wenn sie von der Prozesspartei nicht rechtzeitig und formrichtig beantragt wurden, so verstösst ein ausländisches Urteil, das auf der gleichen Rechtsauffassung fusst, nicht gegen die öffentliche Ordnung der Schweiz. BGE 97 I 250 S. 258 c) Der Beschwerdeführer behauptet schliesslich, es widerspreche der schweizerischen öffentlichen Ordnung, das Urteil vom 9. Juli 1968 für rechtskräftig zu halten, da es ihm nach § 175 DZPO durch Übergabe an die deutsche Post zugestellt worden sei. Er habe es nie erhalten, und die genannte Zustellungsart könne nach schweizerischer Rechtsanschauung nicht als rechtsgültig anerkannt werden. Wenn eine Partei nicht in der Bundesrepublik wohnt, ist sie nach § 174 Abs. 2 DZPO zur Benennung eines Zustellungsbevollmächtigten verpflichtet, falls sie nicht einen in einem bestimmten deutschen Ort oder Bezirk wohnhaften Prozessbevollmächtigten bestellt hat. Kommt die Partei dieser Pflicht nicht nach, so können die spätern Zustellungen nach § 175 Abs. 1 in der Art bewirkt werden, dass der Gerichtsvollzieher das zu übergebende Schriftstück unter der Adresse der Partei nach ihrem Wohnort zur Post gibt. Die Zustellung wird mit der Aufgabe zur Post als bewirkt angesehen, selbst wenn die Sendung als unbestellbar zurückkommt. Das Bundesgericht hat in BGE 96 I 398 E. 4a festgestellt, dass diese unterstellte oder fingierte Zustellung dem Rechtsschutzinteresse der ausländischen Partei wenig Rechnung trägt, da diese vor allem die Folgen zu tragen hat, wenn ihr durch ein Versehen der Post die Sendung nicht zukommt. Die Rechtskraft kann in einem solchen Fall eintreten, obschon die Partei von dem Urteil keine Kenntnis erhielt. Das Bundesgericht hat in dem genannten Entscheid die Frage offen gelassen, ob die Annahme der Rechtskraft gegen die öffentliche Ordnung der Schweiz verstiesse, wenn das Urteil nach § 175 DZPO zugestellt wurde und die Sendung die Partei infolge eines Versehens der Postorgane nicht erreicht hat, da in jenem Fall festgestellt war, dass die Urteilsausfertigung der beklagten Partei durch die Post ausgehändigt worden war ( BGE 96 I 398 /99). Im hier zu beurteilenden Fall wurden zwei Urteile ausgesprochen. Am 26. März 1968 wurde der Beklagte durch Versäumnisurteil verpflichtet, dem Kläger D. eine monatliche Unterhaltsrente von DM 95 zu bezahlen. Dieses gemäss § 175 DZPO zugestellte Urteil wurde dem Beklagten zugestandenermassen an seinem italienischen Wohnort ausgehändigt. Er hat dagegen Einspruch erhoben und bediente sich damit des Rechtsbehelfs, mit dem ein (erstes) Versäumnisurteil grundsätzlich allein angefochten werden kann (§ 338 DZPO; BAUMBACH/LAUTERBACH, Kommentar N 1 zu § 338 DZPO). Der Einspruch BGE 97 I 250 S. 259 wurde am 9. Juli 1968 wiederum durch Versäumnisurteil abgewiesen, und dieses neuerdings nach § 175 DZPO zugestellt. Ob es dem Beschwerdeführer zukam, steht nicht fest. Er bestreitet es. Der Beschwerdegegner verlangt die Vollstreckung des Urteils vom 26. März 1968, und da es dem Beschwerdeführer an seinem damaligen Wohnort ausgehändigt wurde, liesse sich entsprechend dem bundesgerichtlichen Urteil vom 28. Oktober 1970 ( BGE 96 I 398 /9) erwägen, die Annahme der Rechtskraft verstosse schon aus diesem Grund nicht gegen den schweizerischen ordre public. Da der Beschwerdeführer das erste Urteil angefochten hat, muss aber auch das zweite in die Prüfung einbezogen werden, da von dessen rechtskräftigem Bestand die Rechtskraft des ersten abhängig ist. Die Annahme der Rechtskraft des zweiten, den Einspruch des Beschwerdeführers abweisenden Versäumnisurteils kann indessen nur dann überhaupt gegen die öffentliche Ordnung der Schweiz verstossen, wenn dieser zweite Entscheid durch ein Rechtsmittel angefochten werden konnte. Denn die Bedenken des Bundesgerichts gegen die Zustellung nach § 175 DZPO gründen vor allem auf der Überlegung, dass die Prozesspartei ihres Rechtsmittelrechts beraubt werden könnte, wenn ihr das Urteil infolge eines Versehens der Post nicht ausgehändigt wird. Durch Einspruch konnte F. das zweite Urteil nicht anfechten (§ 345 DZPO), doch war offenbar die Berufung möglich, die damit hätte begründet werden können, es liege kein Fall der Versäumung vor (BAUMBACH/LAUTERBACH, Kommentar N 1 zu P 345 DZPO; § 513 Abs. 2 DZPO). Deshalb ist zu prüfen, ob die Annahme der Rechtskraft des zweiten Urteils mit dem schweizerischen ordre public unvereinbar ist. Der Beschwerdeführer wurde mit der Vorladung, die ihm am 23. Dezember 1967 auf diplomatischem Wege zugestellt wurde, unter Hinweis auf die §§ 174 Abs. 2 und 175 Abs. 1 DZPO aufgefordert, einen Prozess- bzw. Zustellungsbevollmächtigten zu bestellen, und es wurde ihm eröffnet, dass im Unterlassungsfall alle zukünftigen Zustellungen durch Aufgabe zur Post bewirkt werden könnten. Da die Eröffnung "alle zukünftigen Zustellungen" betraf, musste dem Beschwerdeführer klar sein, dass auch im Einspruchsverfahren Zustellungen gemäss § 175 DZPO erfolgen konnten. Die Zustellung nach § 175 verstösst wenigstens dann nicht gegen die öffentliche Ordnung der Schweiz, wenn, wie hier, das Gericht die im Ausland wohnhafte BGE 97 I 250 S. 260 Partei aufgefordert hat, einen in Deutschland domizilierten Zustellungsbevollmächtigten zu bezeichnen und wenn es sie davon in Kenntnis gesetzt hat, dass im Unterlassungsfall nach § 175 DZPO zugestellt werden könne. Bei solchem Vorgehen hat es die ausländische Partei in der Hand, durch geeignete Vorkehr dafür zu sorgen, dass ihr gerichtliche Urkunden zukommen. Tut sie es nicht, so handelt sie einer ihr bekannten prozessualen Pflicht (§ 174 Abs. 2 DZPO) zuwider und kann sie sich nicht beklagen, wenn daran Folgen geknüpft werden, die für sie nachteilig sein können. Auf jeden Fall lässt sich nicht sagen, der Eintritt solcher selbstverschuldeter Folgen verletze das einheimische Rechtsgefühl in unerträglicher Weise. Das schweizerische Recht kennt selber Regeln, die mit den genannten Vorschriften der DZPO eine gewisse Verwandtschaft haben. So bestimmt Art. 29 Abs. 4 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege (OG) : "Parteien, die im Ausland wohnen, haben in der Schweiz ein Zustellungsdomizil zu verzeigen. Zustellungen an Parteien, die dieser Auflage nicht Folge leisten, können unterbleiben oder auf dem Ediktalweg erfolgen" (vgl. dazu BGE 86 II 4 /5). Freilich ist diese Vorschrift nicht von gleicher Tragweite wie § 175 DZPO, da bundesgerichtliche Urteile durch kein ordentliches Rechtsmittel angefochten werden können. Es kann trotzdem für eine Partei erhebliche Nachteile zeitigen, wenn sie es unterlässt, gemäss Art. 29 OG in der Schweiz ein Zustellungsdomizil zu verzeigen. Es gibt zudem auch kantonale Rechtsordnungen, die ähnliche Vorschriften enthalten. Art. 69 Abs. 2 der Bündner Zivilprozessordnung bestimmt: "Eine im Ausland wohnende Partei ist gehalten, nach Empfang der ersten an sie gelangten Vorladung durch Ernennung eines Vertreters im Kanton Rechtsdomizil zu nehmen, widrigenfalls die ferneren Vorladungen an sie ediktaliter erlassen werden können. Von dieser Vorschrift und ihren Rechtsfolgen ist ihr mit der Vorladung Kenntnis zu geben." Art. 144 regelt die Mitteilung von Abwesenheitsurteilen, und Abs. 3 lautet:
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Sachverhalt ab Seite 397 BGE 96 I 396 S. 397 Aus dem Tatbestand: Am 6. April 1967 erhob der Vormund der 1961 geborenen M. M. beim Amtsgericht Lörrach (Deutsche Bundesrepublik) gegen den in Zürich wohnhaften H. Vaterschaftsklage auf Bezahlung von Unterhaltsleistungen. H. war im Prozess zunächst durch einen Rechtsanwalt vertreten, entzog diesem dann aber das Mandat und erschien in späteren Verhandlungen persönlich ohne Anwalt vor Gericht. Am 17. April 1968 verurteilte ihn das Amtsgericht Lörrach dazu, dem gesetzlichen Vertreter der Klägerin DM 4'470.-- sowie ab 19. April 1967 eine monatlich vorauszahlbare Unterhaltsrente von DM 100.-- bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres zu bezahlen. Gemäss Zustellungsurkunde wurde eine Ausfertigung dieses Urteils am 25. Juli 1968 mit dem Vermerk "Einschreiben" versehen der Post in Lörrach mit der Adresse des Beklagten übergeben. In der Folge betrieb die Klägerin den Beklagten in Zürich für Fr. 7'597.30 und verlangte gestützt auf das erwähnte Urteil definitive Rechtsöffnung. Diese wurde ihr vom Einzelrichter des Bezirksgerichts Zürich verweigert, vom Obergericht des Kantons Zürich dagegen durch Urteil vom 18. Dezember 1969 gewährt. Mit der hiegegen erhobenen staatsrechtlichen Beschwerde macht H. geltend, das Obergericht habe das Haager Übereinkommen vom 15. April 1958 über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen auf dem Gebiete der Unterhaltspflicht gegenüber Kindern (AS 1964 S. 1283 ff.) in mehrfacher Hinsicht verletzt. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. Erwägungen Aus den Erwägungen: 4. Zu prüfen bleibt, ob das Urteil des Amtsgerichtes Lörrach mit der öffentlichen Ordnung (ordre public) der Schweiz offensichtlich unvereinbar ist, was nach Art. 2 Ziff. 5 des Abkommens die Anerkennung des Urteils ausschlösse. Der Vorbehalt der öffentlichen Ordnung greift nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung dann Platz, wenn das einheimische Rechtsgefühl durch die Anerkennung und Vollstreckung eines ausländischen Urteils in unerträglicher Weise verletzt würde ( BGE 93 I 58 mit Hinweis auf frühere Entscheide; vgl. ferner BGE 93 II 382 ). Ein Urteil kann dabei, wie der Beschwerdeführer BGE 96 I 396 S. 398 zutreffend ausführt, sowohl wegen seines materiellen Inhaltes wie wegen des Verfahrens, in welchem es zustande kam, gegen die öffentliche Ordnung der Schweiz verstossen ( BGE 85 I 47 f., BGE 87 I 78 , BGE 93 I 58 ). Nach der Rechtsprechung sind dabei der Anwendung der Ordre-public-Klausel mit Bezug auf die Vollstreckung ausländischer Urteile engere Grenzen gezogen als im Gebiet der direkten Gesetzesanwendung ( BGE 93 II 383 mit Hinweis auf frühern Entscheid). Es kommt hinzu, dass das Haager Abkommen den Gebrauch des Vorbehalts einschränkt, indem es bestimmt, die Vollstreckung sei zu verweigern, wenn die Entscheidung mit der öffentlichen Ordnung "offensichtlich unvereinbar" ist (BBl 1964 I S. 507). a) Es ist zunächst zu untersuchen, ob es. der öffentlichen Ordnung zuwiderläuft, ein Urteil für rechtskräftig zu halten, das gemäss § 175 DZPO zugestellt wurde. Nach dieser Vorschrift gilt das Urteil mit der Übergabe an die deutsche Post als zugestellt, unbekümmert darum, ob die Sendung dem im Ausland wohnenden Beklagten zukommt oder nicht (Kommentar STEIN-JONAS/POHLE, 19. Aufl., N. III zu § 175 DZPO). Das hat zur Folge, dass die Rechtsmittelfrist vom Tage der Übergabe an die Post an läuft und das Urteil rechtskräftig werden kann, ohne dass der Beklagte die Möglichkeit hat, sich dagegen zur Wehr zu setzen. Er kann freilich solchen Folgen entgehen, indem er - wie es ihm § 174 Abs. 2 DZPO zur Pflicht macht - einen Zustellungsbevollmächtigten in der Bundesrepublik bezeichnet. Ob der Beschwerdeführer auf diese gesetzliche Pflicht hingewiesen wurde, nachdem sein Anwalt das Mandat niedergelegt hatte, steht dahin; nötig war dieser Hinweis nach § 174 Abs. 2 nicht. Die unterstellte oder fingierte Zustellung, wie sie in § 175 DZPO vorgesehen ist, erklärt sich aus den praktischen Bedürfnissen des Gerichtsbetriebes in Fällen, in welchen eine Partei ihren Wohnsitz im Ausland hat. Sie trägt freilich dem Rechtsschutzinteresse der ausländischen Partei wenig Rechnung. Diese hat vor allem die Folgen zu tragen, wenn ihr durch ein Versehen der Post die Sendung nicht zukommt. Ob die Annahme der Rechtskraft des Urteils gegen die öffentliche Ordnung der Schweiz verstiesse, wenn nach § 175 DZPO zugestellt wurde und die Sendung die Partei infolge eines Versehens der Postorgane nicht erreicht hat, kann indessen hier offen bleiben. Der Beschwerdeführer hat nämlich im kantonalen Verfahren nicht bestritten und bestreitet auch in BGE 96 I 396 S. 399 der staatsrechtlichen Beschwerde nicht, dass ihm die Urteilsausfertigung durch die schweizerische Post ausgehändigt wurde. Da es sich um eine eingeschriebene Sendung handelte, hätte sich das im Falle der Bestreitung nachweisen lassen. Ist dem Beschwerdeführer aber das Urteil durch die Post an seinem Domizil in der Schweiz ordnungsgemäss zugekommen, so begegnet die Annahme der Rechtskraft unter dem Gesichtspunkt der öffentlichen Ordnung der Schweiz keinen Bedenken, denn der Beschwerdeführer konnte das Urteil ganz gleich anfechten, wie wenn es ihm auf dem Rechtshilfeweg zugestellt worden wäre. b) Der Beschwerdeführer behauptet, die Ladung zum Verfahren sei nicht rechtsgültig erfolgt und es sei im Urteil auf seine Einwendungen nicht eingegangen worden. Die Akten des Amtsgerichts Lörrach zeigen, dass die Ladung richtig erfolgte und der Beschwerdeführer Gelegenheit hatte, die Vorbringen der Klägerin zu bestreiten. Dass das einer ausländischen Partei zugestellte Urteil eine Rechtsmittelbelehrung enthielte, mag wünschbar scheinen, doch bildet das Fehlen eines solchen Hinweises keinen hinreichenden Grund, das Urteil als offensichtlich der öffentlichen Ordnung zuwiderlaufend zu betrachten. Es sehen nicht alle kantonalen Zivilprozessordnungen der Schweiz die Pflicht des erstinstanzlichen Richters vor, den Streitparteien eine Rechtsmittelbelehrung zu erteilen (GULDENER, Das schweizerische Zivilprozessrecht, 2. Aufl., S. 195), und das Bundesgericht hat Prozessordnungen, welche diese Pflicht nicht statuieren, in seiner bisherigen Rechtsprechung nicht als verfassungswidrig bezeichnet. Umso weniger kann angenommen werden, das deutsche Urteil laufe der öffentlichen Ordnung zuwider, weil die Rechtsmittelbelehrung fehlt. Nachdem das Urteil dem Beschwerdeführer ausgehändigt war, war es für ihn möglich und geraten, entweder durch Anfrage beim deutschen Gericht oder mit Hilfe eines Anwaltes abzuklären, auf welche Weise der Entscheid angefochten werden könne. c) Der Beschwerdeführer ist schliesslich der Meinung, das Urteil laufe auch in materieller Hinsicht der öffentlichen Ordnung zuwider, weil auf die Einrede des unzüchtigen Lebenswandels nicht eingegangen worden sei und der Einwand des Art. 315 ZGB nach allgemeiner Lehre und Praxis zum Vorbehalt des schweizerischen ordre public gehöre. Er irrt. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung verträgt sich ein BGE 96 I 396 S. 400 Urteil mit der öffentlichen Ordnung der Schweiz, das auf Grund eines Gesetzes ausgesprochen wurde, welches den unzüchtigen Lebenswandel der Kindsmutter um die Zeit der Empfängnis im Gegensatz zur Regel des Art. 315 ZGB nicht als Grund für die Klageabweisung gelten lässt ( BGE 53 II 94 , BGE 96 II 8 ; übereinstimmend HEGNAUER, N. 218 zu Art. 314/15 ZGB). Es besteht kein Anlass, von dieser Rechtsprechung abzuweichen.
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Sachverhalt ab Seite 346 BGE 128 III 346 S. 346 Im August 1993 nahm die Bank L. (im Folgenden: die Klägerin) Geschäftsbeziehungen mit der C. GmbH in Klagenfurt (Österreich) auf. Durch betrügerische Handlungen von D. - dem Geschäftsführer der C. GmbH -, auf die hier nicht näher einzugehen ist, soll die Klägerin einen Schaden von rund CHF 35 Mio. erlitten haben. Ein Teil der ertrogenen Gelder sollen dabei auf Konti der C. Ltd. (Bahamas) (im Folgenden: die Beklagte) verschoben worden sein. D. wurde wegen der ihm zur Last gelegten Delikte vom Obersten Gerichtshof der Republik Österreich zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Mit Arrestbefehl vom 16. Dezember 1993 arrestierte der Kreispräsident des Kreises Chur zu Gunsten der Klägerin und zu Lasten BGE 128 III 346 S. 347 der Beklagten sämtliche bei der Bank E. in Chur gelegenen Vermögenswerte als Sicherung für die Forderung der Klägerin von ATS 40 Mio. nebst Zins. Mit Eingabe vom 20. Januar 1995 beantragte die Klägerin dem Bezirksgericht Plessur, die Beklagte zur Bezahlung von CHF 400'000.- zuzüglich Zins zu verpflichten. Mit Urteil vom 8. Dezember 1995 wies das Bezirksgericht Plessur die Klage ab. Eine von der Klägerin dagegen erhobene Berufung hiess das Kantonsgericht von Graubünden mit Urteil vom 5. März 2001 teilweise gut und verpflichtete die Beklagte zur Bezahlung von CHF 305'392.60 nebst Zins. Mit Berufung vom 26. Oktober 2001 beantragt die Beklagte dem Bundesgericht, das Urteil des Kantonsgerichtes vom 5. März 2001 aufzuheben und die Klage abzuweisen. Das Bundesgericht heisst die Berufung teilweise gut, hebt das angefochtene Urteil auf und weist die Sache zur Neuentscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurück. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Das Kantonsgericht ist davon ausgegangen, dass D. für den Schaden, den er der Klägerin durch die betrügerischen Vermögensanlagen zugefügt hat, schadenersatzpflichtig ist. Dies ist unbestritten. Die Klägerin hat indessen nicht D. eingeklagt, sondern prozessiert gegen die von D. beherrschte Beklagte, nachdem es gelungen war, deren Vermögen in der Schweiz zu verarrestieren. Das Kantonsgericht leitet vor dem Hintergrund der beherrschenden Stellung von D. eine Haftbarkeit der Beklagten aus einem umgekehrten Haftungsdurchgriff ab (Haftung der Gesellschaft für die Schulden der beherrschenden Person). Die von der Klägerin geltend gemachte unmittelbare Haftung der Beklagten wegen unerlaubter Handlung (Geldwäscherei im Sinn von Art. 305bis StGB ) hält das Kantonsgericht für nicht gegeben, weil die entsprechende Strafuntersuchung rechtskräftig eingestellt worden sei. 3. Da ein internationaler Sachverhalt zu beurteilen ist ( Art. 1 Abs. 1 IPRG [SR 291]), stellt sich die Frage, nach welchem Recht die Zulässigkeit und Voraussetzungen des Haftungsdurchgriffs zu beurteilen sind. Im angefochtenen Urteil hat die Vorinstanz dazu im Wesentlichen festgehalten, massgebend sei das Gesellschaftsstatut. Die betroffene Gesellschaft habe ihren Sitz in Nassau (Bahamas), so dass das Recht der Bahamas anwendbar sei. Da die Ermittlung des BGE 128 III 346 S. 348 auf den Bahamas geltenden Rechts einen unverhältnismässigen Aufwand erfordere und zu endlosen Verfahrensverzögerungen führe, sei es dem Gericht indessen nicht zumutbar, die Rechtslage nach diesem Recht abzuklären. In Anwendung von Art. 16 Abs. 2 IPRG sei ersatzweise Schweizer Recht anzuwenden. Die Beklagte stimmt der Vorinstanz zu, dass das Recht der Bahamas für die Prüfung der Zulässigkeit und Voraussetzungen des Durchgriffs massgebend wäre, lässt aber die Auffassung des Kantonsgerichtes nicht gelten, gestützt auf Art. 16 IPRG sei ersatzweise Schweizer Recht anzuwenden. Die Klägerin geht davon aus, dass schweizerisches oder österreichisches Recht anwendbar sei, geht aber im Ergebnis mit der Vorinstanz einig, dass eine Durchgriffshaftung zu bejahen sei. 3.1 Da der Haftungsdurchgriff kein vom IPRG verwendeter Verweisungsbegriff ist, verursacht die kollisionsrechtliche Behandlung Schwierigkeiten. Sowohl in der Rechtsprechung als auch in der Literatur werden zur Anknüpfung des Haftungsdurchgriffs unterschiedliche Auffassungen vertreten. 3.1.1 Das Bundesgericht hat in mehreren neueren Entscheiden festgehalten, dass das Gesellschaftsstatut massgebend sei (Urteil 4C.255/1998 vom 3. September 1999, Urteil 4C.231/1997 vom 15. September 1998, Urteil 4C.392/1994 vom 8. September 1995). Demgegenüber wurde der Haftungsdurchgriff in früheren Entscheiden ohne Erörterung der kollisionsrechtlichen Probleme ( BGE 108 II 213 ff.) bzw. unter Hinweis auf Art. 18 IPRG (Urteil 5C.255/1990 vom 23. April 1992) Schweizer Recht unterstellt. Auch kantonale Gerichte haben die Zulässigkeit eines Durchgriffs bei internationalen Sachverhalten nach Schweizer Recht beurteilt (ZR 98/1999 Nr. 52 S. 234 f. [Bezirksgericht Zürich]; SJZ 83/1987 S. 85 [Obergericht Thurgau]). 3.1.2 Ebenso geteilt sind die in der Literatur vertretenen Meinungen. Ein Teil der Lehre unterstellt die Voraussetzungen des Haftungsdurchgriffs grundsätzlich dem Gesellschaftsstatut (FRANK VISCHER, IPRG-Kommentar, Zürich 1993, N. 27 ff. vor Art. 150-165 IPRG ; ders., Das internationale Gesellschaftsrecht der Schweiz, in: Peter Nobel [Hrsg.], Internationales Gesellschaftsrecht, Bern 1998, S. 35; IVO SCHWANDER, Einführung in das internationale Privatrecht, Besonderer Teil, St. Gallen/Lachen, S. 346 Rz. 788; differenziert MARKUS WICK, Der Durchgriff und das auf ihn anwendbare Recht gemäss IPRG, Diss. Zürich 1996, insbes. S. 92 ff.). Andere Autoren wollen dagegen insbesondere aus Gründen des Ordre public auf die lex BGE 128 III 346 S. 349 fori abstellen (ANDREAS ROHR, Der Konzern im IPR unter besonderer Berücksichtigung des Schutzes der Minderheitsaktionäre und der Gläubiger, Diss. Freiburg 1983, S. 431 ff., insbes. S. 458; BERNARD DUTOIT, Commentaire de la loi fédérale du 18 décembre 1987, 3. Aufl., Basel 2001, N. 9 zu Art. 18 IPRG [unter Hinweis auf ZR 98/1999 Nr. 52 S. 234 f.], MONIKA MÄCHLER-ERNE, Basler Kommentar, Internationales Privatrecht, Basel 1995, N. 17 zu Art. 18 IPRG [unter Hinweis auf Urteil 5C.255/1990 vom 23. April 1992]). 3.1.3 Gemäss Art. 154 Abs. 1 IPRG unterstehen die Gesellschaften dem Recht des Staates, nach dessen Vorschriften sie organisiert sind. Der Umfang des Gesellschaftsstatuts wird vom Gesetz weit gefasst ( Art. 155 lit. a-i IPRG ). Ziel der gesetzlichen Regelung ist, dem Gesellschaftsstatut einen möglichst weiten Anwendungsbereich zu geben (BBl 1983 I 442). Unter Vorbehalt der Sonderanknüpfungen ( Art. 155-159 IPRG ) beherrscht das Gesellschaftsstatut alle gesellschaftsrechtlichen Fragen des Innen- und Aussenverhältnisses. Die Aufzählung gemäss Art. 155 lit. a-i IPRG ist nicht abschliessend, sondern nur beispielhaft (VISCHER, a.a.O., N. 2 zu Art. 155 IPRG ). Es rechtfertigt sich daher, in Einklang mit den neueren Bundesgerichtsentscheiden und einem Teil der Lehre auf den Haftungsdurchgriff das Recht des Staates anzuwenden, nach dessen Vorschriften die betroffene Gesellschaft organisiert ist. Dies gilt sowohl für den Fall, dass der (Haupt- oder Allein-)Aktionär für die Gesellschaftsschulden haftet (sog. direkter Durchgriff), als auch für den Fall, dass die Gesellschaft für die Schulden der sie beherrschenden Person belangt wird (sog. umgekehrter Durchgriff). Beide Durchgriffsvarianten betreffen das Verhältnis der Gesellschaft zum beherrschenden Mitglied und fallen unter das weit gefasste Gesellschaftsstatut. 3.1.4 Die Auffassung, der Haftungsdurchgriff sei ein Anwendungsfall des Rechtsmissbrauchsverbots und unterstehe deshalb entsprechend der neusten Rechtsprechung gemäss Art. 18 IPRG immer Schweizer Recht ( BGE 128 III 201 E. 1c), überzeugt aus zwei Gründen nicht. Einerseits beruht der Haftungsdurchgriff dogmatisch nicht zwingend auf dem Rechtsmissbrauchsverbot, wie dies nach Schweizer Auffassung ( BGE 121 III 319 E. 5a S. 321) der Fall ist. Vielmehr werden in der gesellschaftsrechtlichen Literatur ganz unterschiedliche Durchgriffstheorien vertreten (vgl. den Überblick bei KARSTEN SCHMIDT, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl., Köln 1997, S. 228 ff.). Da beim Vorliegen eines internationalen Sachverhaltes der betreffende Lebenssachverhalt autonom - d.h. losgelöst vom BGE 128 III 346 S. 350 nationalen Sachrecht - zu qualifizieren ist (KELLER/SIEHR, Allgemeine Lehren des internationalen Privatrechts, Zürich 1986, S. 434, insbes. S. 443 m.w.H.; KOEPFLER/SCHWEIZER, Droit international privé suisse, 2. Aufl., Bern 1995, Rz. 301 ff.), ist der Haftungsdruchgriff international-privatrechtlich nicht als Anwendungsfall des Rechtsmissbrauchsverbotes zu qualifizieren, wie dies nach Schweizer Sachrecht der Fall ist, sondern als gesellschaftsrechtliches Problem. Bei einer autonomen Qualifikation ist der Haftungsdurchgriff somit dem Gesellschaftsstatut zu unterstellen. Andrerseits ist zu berücksichtigen, dass die Durchgriffshaftung keine Rechtsfigur ist, die wegen ihres besonderen Zweckes zwingend die Anwendbarkeit von Schweizer Recht verlangt ( Art. 18 IPRG , positiver Ordre public). Die zwingende Anwendung des Schweizer Rechts bei Durchgriffsfällen könnte sich im Gegenteil als unpraktikabel erweisen, wenn die an sich berufene, dem Sachverhalt viel näher stehende Rechtsordnung ein differenziertes Duchgriffssystem - und gegebenenfalls sogar ein Konzernrecht als wichtigen Anwendungsfall der Durchgriffsproblematik (vgl. dazu PETER BEHRENS, Konzernsachverhalte im internationalen Recht, in: SZIER 2002 S. 85/86) - kennen würde. Wenn hingegen die an sich berufene ausländische Rechtsordnung keine Durchgriffshaftung kennt und dies zu einem Ergebnis führen würde, das mit dem schweizerischen Ordre public nicht vereinbar ist, könnte die Anwendbarkeit des ausländischen Rechtes immer noch ausgeschlossen werden ( Art. 17 IPRG , negativer Ordre public). Auf diese Möglichkeit hat die Rechtsprechung, die eine Unterstellung des Haftungsdurchgriffs unter das Gesellschaftsstatut bejaht, ausdrücklich hingewiesen (Urteil 4C.392/1994 vom 8. September 1995). 3.1.5 Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass die Frage des Haftungsdurchgriffs dem Gesellschaftsstatut untersteht. Grundsätzlich ist somit das Recht der Bahamas, nach welchem die Beklagte organisiert ist, anwendbar ( Art. 154 Abs. 1 IPRG ). Unbegründet ist insbesondere die Meinung der Klägerin, der Durchgriff sei in Anwendung von Art. 15 IPRG nach Schweizer Recht zu beurteilen, weil der Sachverhalt eine viel engere Beziehung zur hiesigen Rechtsordnung habe. Dazu ist einerseits zu bemerken, dass im vorliegenden Fall ausnahmslos ausländische Rechtspersönlichkeiten involviert sind und sich der Bezug zur Schweiz ausschliesslich in Bankbeziehungen erschöpft. Andrerseits hat das Bundesgericht festgehalten, dass die Anwendung von Art. 15 Abs. 1 IPRG auf die gesellschaftsrechtliche Anknüpfung zu verneinen ist, weil die BGE 128 III 346 S. 351 Tatsache, dass eine ausländische Gesellschaftsform gewählt wurde, einer Rechtswahl gleichzustellen ist und die ausnahmsweise Anwendung von Schweizer Recht gemäss Art. 15 Abs. 2 IPRG ausschliesst ( BGE 117 II 494 E. 7 S. 501 m.w.H.). 3.2 Nachdem sich ergeben hat, dass die Vorinstanz grundsätzlich zutreffend das Recht der Bahamas für anwendbar hielt, ist im Folgenden zu prüfen, ob sie berechtigt war, unter Hinweis auf Art. 16 Abs. 2 IPRG an Stelle der an sich berufenen Rechtsordnung Schweizer Ersatzrecht anzuwenden. 3.2.1 Der Gesetzgeber hat die ersatzweise Anwendung von Schweizer Recht nur ausnahmsweise vorgesehen. In erster Linie hat der Richter das ausländische Recht selbst von Amtes wegen festzustellen ( Art. 16 Abs. 1 Satz 1 IPRG ). Auch beim Vorliegen von grenzüberschreitenden Sachverhalten gilt der Grundsatz "iura novit curia" ( BGE 126 III 492 E. 3c/bb S. 495). Allerdings hat der Richter verschiedene Möglichkeiten, die Parteien bei der Feststellung des anwendbaren Rechts einzubeziehen. In allen Fällen kann der Richter die Mitwirkung der Parteien bei der Feststellung des anwendbaren Rechtes verlangen ( Art. 16 Abs. 1 Satz 2 IPRG ). Beispielsweise besteht die Möglichkeit, eine Partei aufgrund ihrer Nähe zur ausländischen Rechtsordnung aufzufordern, Rechtsquellen und Informationen über das anwendbare ausländische Recht zu beschaffen (MÄCHLER-ERNE, a.a.O., N. 11 zu Art. 16 IPRG ). Bei vermögensrechtlichen Ansprüchen hat der Richter zudem die Möglichkeit, den Nachweis des ausländischen Rechts den Parteien zu überbinden ( Art. 16 Abs. 1 Satz 3 IPRG ). Wenn der Nachweis von den Parteien nicht erbracht wird, ist der Richter aufgrund des Grundsatzes "iura novit curia" immer noch verpflichtet, zumutbare und verhältnismässige Abklärungen über das anwendbare Recht zu machen (MÄCHLER-ERNE, a.a.O., N. 16 zu Art. 16 IPRG ). Nur wenn die erwähnten Bemühungen zu keinem zuverlässigen Ergebnis führen, ist ersatzweise Schweizer Recht anzuwenden ( Art. 16 Abs. 2 IPRG ). Dies ist auch dann der Fall, wenn ernsthafte Zweifel am Ergebnis aufkommen ( BGE 121 III 436 E. 5a S. 438 f. m.w.H.). 3.2.2 Im vorliegenden Fall hat das Kantonsgericht Schweizer Recht angewendet, ohne dass es zunächst selbst und unter Einbezug der Parteien versucht hätte, das Recht der Bahamas zu ermitteln. Dem angefochtenen Entscheid kann kein Hinweis für eigene Abklärungen über den Inhalt des Rechtes der Bahamas entnommen werden. Soweit ersichtlich hat die Vorinstanz von keiner einzigen der verschiedenen Möglichkeiten (vgl. BGE 124 I 49 E. 3b S. 52 BGE 128 III 346 S. 352 m.w.H.) Gebrauch gemacht, sich über das Recht der Bahamas in Kenntnis zu setzen. Ebenso wenig kann dem angefochtenen Urteil entnommen werden, dass die beteiligten Parteien zur Mitwirkung aufgefordert worden wären oder dass ihnen der Nachweis des ausländischen Rechtes überbunden worden wäre. Dazu hätte aber sehr wohl Anlass bestanden. Bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten können die Parteien wie erwähnt nicht nur zur Mitwirkung, sondern sogar zum Nachweis des anwendbaren Rechtes angehalten werden. Von der Beklagten, die ihren Sitz auf den Bahamas hat, hätte aufgrund ihrer besonderen Nähe zur massgebenden Rechtsordnung erwartet werden dürfen, dass sie zur Ermittlung des anwendbaren Rechtes beitragen kann. Die Klägerin - eine international tätige Bank - wäre auf eine entsprechende Aufforderung hin wohl ebenfalls bereit und in der Lage gewesen, ein Parteigutachten über die Rechtslage auf den Bahamas zu produzieren; im Verfahren vor Bundesgericht hat sie auf jeden Fall unaufgefordert ein entsprechendes Gutachten vorgelegt. Insgesamt wurden die von Art. 16 Abs. 1 IPRG verlangten Bemühungen zur Feststellung des an sich anwendbaren Rechtes nicht getroffen. Effektiv kann dem Urteil nicht entnommen werden, dass überhaupt Abklärungen irgendwelcher Art getroffen wurden. Insbesondere überzeugt auch der Einwand des Kantonsgerichtes nicht, auf die Ermittlung des an sich anwendbaren Rechtes sei zu verzichten, weil endlose Verfahrensverzögerungen drohten. Richtig ist zwar, dass der Zeitaufwand ein Kriterium für die Zumutbarkeit der Ermittlung fremden Rechts sein kann (MÄCHLER-ERNE, a.a.O., N. 19 zu Art. 16 IPRG ). Solange aber gar keine Abklärungen durch das Gericht und die Parteien getroffen wurden, kann auch kaum abgeschätzt werden, wieviel Zeit die Ermittlungen in Anspruch nehmen könnten. 3.3 Unter diesen Umständen war das Kantonsgericht nicht berechtigt, gestützt auf Art. 16 Abs. 2 IPRG Schweizer Ersatzrecht anzuwenden. Das Verfahren ist daher zur Ermittlung des Rechtes der Bahamas an die Vorinstanz zurückzuweisen. Nur wenn sich die Ermittlung unter Einbezug der Parteien gemäss Art. 16 Abs. 1 IPRG effektiv als unzumutbar erweisen oder ernsthafte Zweifel am ermittelten Ergebnis aufkommen sollten, könnte gemäss Art. 16 Abs. 2 IPRG Schweizer Ersatzrecht zur Anwendung gelangen.
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Bei Beschwerden wegen Verletzung von Staatsverträgen mit dem Ausland beschränkt sich die Kognition des Bundesgerichts hinsichtlich der Sachverhaltsfeststellungen auf Willkürprüfung, wenn sich die Beschwerde gegen den Entscheid einer gerichtlichen Vorinstanz richtet (Praxisänderung, E. 1). Erwägungen ab Seite 110 BGE 129 I 110 S. 110 Aus den Erwägungen: 1. 1.2 Gegen den kantonal letztinstanzlichen Entscheid über die Anerkennung und Vollstreckung gemäss dem Übereinkommen vom 16. September 1988 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (LugÜ; SR 0.275.11) ist die staatsrechtliche Beschwerde gegeben BGE 129 I 110 S. 111 ( Art. 84 Abs. 1 lit. c und Art. 86 Abs. 1 OG ; Art. 37 Ziff. 2 LugÜ ). Auf die innert der 30-tägigen Beschwerdefrist eingereichte erweitere Eingabe ist ebenfalls einzutreten ( Art. 89 Abs. 1 OG ). 1.3 In seiner früheren Rechtsprechung hat das Bundesgericht bei der Staatsvertragsbeschwerde gemäss Art. 84 Abs. 1 lit. c OG sowohl den Sachverhalt frei geprüft als auch Noven zugelassen (statt vieler: BGE 81 I 139 E. 1 S. 142; BGE 85 I 39 E. 1 S. 44; BGE 93 I 49 E. 2 S. 54, 164 E. 2 S. 167; BGE 101 Ia 521 E. 1b S. 523 f.; BGE 108 Ib 85 E. 2a S. 87; BGE 119 II 380 E. 3b S. 382 f.). Diese Praxis scheint im Wesentlichen auf den Umstand zurückzugehen, dass die Staatsvertragsbeschwerde gemäss Abs. 1 und 3 der alten Fassung von Art. 86 OG vom Grundsatz der relativen Subsidiarität ausgenommen war (vgl. KÄLIN, Das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde, 2. Aufl., 1994, S. 172 oben). Nachdem der kantonale Instanzenzug gemäss der seit 15. Februar 1992 gültigen Fassung von Art. 86 OG in der Regel auch bei der Staatsvertragsbeschwerde auszuschöpfen ist (Bundesgesetz vom 4. Oktober 1991, AS 1992 S. 288, BBl 1991 II 465), wurde diesbezüglich in einer Praxisänderung ein Novenverbot eingeführt ( BGE 128 I 354 E. 6c). Demgegenüber wurde in E. 6d des betreffenden Entscheids an der früheren Praxis festgehalten, wonach das Bundesgericht den Sachverhalt bei der Staatsvertragsbeschwerde frei prüft. Darauf ist zurückzukommen: Soweit eine oder mehrere gerichtliche Vorinstanzen mit der Feststellung des Sachverhaltes befasst sind, scheint es sachgerecht, bei der Staatsvertragsbeschwerde gleich wie bei den übrigen staatsrechtlichen Beschwerden zu verfahren und sich bei der Überprüfung des Sachverhalts auf eine Willkürkognition zu beschränken. Dies liegt umso näher, als ein Zusammenhang zwischen der Zulassung neuer tatsächlicher Vorbringen bzw. dem Novenverbot und der (freien) Überprüfung des Sachverhaltes besteht. So wurden denn die freie Sachverhaltsprüfung und die Zulassung von Noven in der zitierten Praxis oft im Kontext angeführt, und die Lehre geht davon aus, das Zulassen von Noven gebiete die freie Prüfung des Sachverhalts (KÄLIN, a.a.O., S. 172; ROHNER, Über die Kognition des Bundesgerichts bei der staatsrechtlichen Beschwerde wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte, Diss. Bern 1982, S. 41 Rz. 75). Abschliessend sei darauf hingewiesen, dass das Massnahmenpaket der Gesetzesnovelle vom 4. Oktober 1991 im Wesentlichen auf eine Entlastung des Bundesgerichts zielte (BBl 1991 II 472). Auch dies spricht für eine Kognitionsbeschränkung. BGE 129 I 110 S. 112 Aus den genannten Gründen ist der Sachverhalt bei der Staatsvertragsbeschwerde im Sinne einer Praxisänderung lediglich auf Willkür zu überprüfen, wenn eine gerichtliche Vorinstanz den Sachverhalt festgestellt hat; ob es sich allenfalls anders verhält, wenn eine verwaltungsinterne Vorinstanz entschieden hat, kann vorliegend offen gelassen werden. Fraglos unterliegt im Übrigen, soweit gehörig gerügt ( Art. 90 Abs. 1 lit. b OG ), die Anwendung des betreffenden Staatsvertrages der freien Überprüfung, bildet doch gerade dessen Verletzung den Rügegrund von Art. 84 Abs. 1 lit. c OG (KÄLIN, a.a.O., S. 160).
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Sachverhalt ab Seite 379 BGE 82 II 378 S. 379 A.- Frau Frölich war früher zu einem Sechstel Miteigentümerin der Liegenschaft Spitalgasse 55 in Bern. Dort stand ein älteres Geschäftshaus, das östlich und westlich an die grossen Bauten stiess, die dem Betrieb des Warenhauses Loeb dienen und im Eigentum der zu diesem Unternehmen gehörenden Immobiliengesellschaften Warlo AG und Imlo AG stehen. Da die Eheleute Frölich im Jahre 1950 infolge einer längern Krankheit des Ehemannes Bargeld benötigten, entschlossen sie sich, den Miteigentumsanteil der Ehefrau an deren Verwandte Frau Eberhard und Frau Zimmermann zu verkaufen, die bereits je einen Anteil von einem Viertel besassen. Im Kaufvertrag vom 16. Juni 1950, durch den Frau Eberhard und Frau Zimmermann den Anteil der Frau Frölich je zur Hälfte erwarben, wurde der Kaufpreis für diesen Anteil auf Grund einer Kaufofferte der Firma Berger, die für die ganze Liegenschaft Fr. 1'300,000.-- geboten hatte, auf ein Sechstel dieser Summe, d.h. auf Fr. 216'666.-- festgesetzt. Ziffer 6 des Kaufvertrages lautet: "Sofern die Liegenschaft Spitalgasse 55 innert der nächsten 15 Jahre, d.h. vor dem 1. Juli 1965 an einen Dritten verkauft werden sollte, sind die heutigen Käuferinnen bereit, der Verkäuferin den auf den handändernden Miteigentumsanteil von 1/6 entfallenden Gewinn (Verkaufspreis abzüglich Erwerbspreis von Fr. 216'666.-- unter Hinzurechnung der Handänderungskosten und eventueller Kosten für wertvermehrende Aufwendungen) zukommen zu lassen...". B.- Am 3. November 1954 schlossen die Miteigentümer der erwähnten Liegenschaft (worunter Frau Eberhard und Frau Zimmermann) mit den zu einer einfachen Gesellschaft verbundenen Immobiliengesellschaften Warlo AG und Imlo AG einen "Baurechtsvertrag mit Grundlast BGE 82 II 378 S. 380 und Vorkaufsrecht", der u.a. die folgenden Bestimmungen enthält: II. "Die vorgenannten sieben Miteigentümer als Eigentümer der ganzen Liegenschaft räumen der einfachen Gesellschaft, bestehend aus den Aktiengesellschaften "Warlo" Immobilien A G und "Imlo" Immobilien A G ein selbständiges und dauerndes Baurecht auf der ganzen Liegenschaft Bern Grundbuchblatt Nr. 1021 Kreis I im Halte von 1 Are 79 m2 an der Spitalgasse in Bern im Sinne von Art. 675 und 779 ZGB zu folgenden Bedingungen ein: 1. Der Baurechtsberechtigten wird das Recht eingeräumt, im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen über das Baurecht und der Bauvorschriften der Gemeinde Bern das auf der beschriebenen Liegenschaft stehende Gebäude abzureissen und an seiner Stelle auf und unter der Bodenfläche ein Geschäftshaus zu errichten. Es wird festgestellt, dass im Baurecht insbesondere das Recht der Eingliederung in die Nachbarhäuser eingeschlossen ist. Soviel an ihnen, verzichten die Baurechtsbelasteten auf die Errichtung von Scheidemauern. Die Fassade muss selbständig und unabhängig von den Nachbarhäusern gestaltet werden. 2. ... 3. Das Baurecht beginnt am 1. August 1955 und dauert fünfzig Jahre, also bis 1. August 2005... 4. Der Inhaber des Baurechts ist verpflichtet, den jeweiligen Eigentümern der belasteten Liegenschaft einen jährlichen Baurechtszins von Fr. 120'000.-- zu entrichten, zahlbar im voraus in vierteljährlichen Raten von Fr. 30'000.--, erstmals am 1. August 1955... Dieser Baurechtszins basiert auf dem bei Vertragsabschluss geltenden Landesindex über die Kosten der Lebenshaltung, ausgearbeitet und publiziert vom Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit, Sektion Statistik (172 Punkte = 100%). Der Baurechtszins ist alle zehn Jahre seit Abschluss des Vertrages, erstmals auf 1. August 1965, dem Landesindex anzupassen, sofern sich dieser seit Abschluss des Vertrages bzw. seit der letzten, auf Grund dieser Bestimmung vorgenommenen Anpassung des Baurechtszinses um mindestens fünf Punkte erhöht oder ermässigt hat. Der Baurechtszins erhöht oder ermässigt sich in diesem Falle für die nächste zehnjährige Periode in entsprechendem prozentualen Verhältnis. 5. Dieser Baurechtszins ist als Grundlast im Grundbuch einzutragen. Der Gesamtwert beträgt Fr. 360'000.-- ... Diese Grundlast ist mit dem Baurecht untrennbar verbunden. 6. Zwei Jahre vor Ablauf des Baurechts werden sich die Parteien über eine allfällige Verlängerung zu verständigen versuchen. Kommt eine solche nicht zustande, so steht der Baurechtsberechtigte das Recht zu, den Grund und Boden käuflich zu erwerben. Der Kaufpreis beträgt den Kapitalwert eines jährlichen Baurechtszinses, dessen Höhe gemäss den in Ziff. 4 Abs. 2 hiervor aufgestellten Regeln nach dem am Verkaufstag geltenden Landesindex neu zu berechnen ist. Die Kapitalisierung erfolgt zu dem für I. Hypotheken geltenden Zinsfuss, maximal aber zu 4%. Macht sie von diesem Recht keinen Gebrauch, so fällt das Eigentum am Gebäude BGE 82 II 378 S. 381 an die Eigentümer von Grund und Boden; sie haben der Baurechtsberechtigten hierfür eine angemessene Entschädigung zu bezahlen. 7. Die Baurechtsbelasteten räumen der Baurechtsberechtigten während der Dauer dieses Vertrages das Vorkaufsrecht an der Liegenschaft Bern Grundbuchblatt Nr. 1021 Kreis I ein, im ganzen und in Bezug auf die Miteigentümeranteile. Handänderungen unter den Miteigentümern dieser Liegenschaft oder deren Erben bilden jedoch keinen Vorkaufsfall. Ausserdem bleibt das gesetzliche Vorkaufsrecht der Miteigentümer im Sinne von Art. 682 ZGB vorbehalten. Die Baurechtsberechtigte erklärt für das ihr hiervor eingeräumte Vorkaufsrecht zum voraus bis zum Maximalbetrag von Fr. 3'000,000.-- den Nachgang für Grundpfandrechte, die später auf der belasteten Liegenschaft errichtet werden. Dieses Vorkaufsrecht ist für die Dauer von zehn Jahren im Grundbuch vorzumerken. 8. Die auf das mit Baurecht belastete Grundstück entfallenden gegenwärtigen und zukünftigen Steuern und Abgaben gehen zu Lasten der Grundeigentümer, während Steuern und Abgaben für die von den Baurechtsberechtigten errichteten Gebäude und Anlagen sowie der Illuminationsbeitrag durch die Baurechtsberechtigte zu entrichten sind. 9. ... 10. ... 11. a) Das selbständige und dauernde Baurecht ist im Grundbuch einzutragen als Grundstück gemäss Art. 7 der Grundbuchverordnung vom 22. Februar 1910 zu Lasten der Besitzung Bern Grundbuchblatt Nr. 1021 Kreis I. b) Die Grundlast Baurechtszins Fr. 120'000.-- im Jahr, Gesamtwert der Grundlast Fr. 360'000.--, zugunsten der Besitzung Bern Grundbuchblatt Nr. 1021 Kreis I und als Last auf dem für das selbständige und dauernde Baurecht zu errichtenden Grundbuchblatt. c) Das Vorkaufsrecht als Vormerkung auf Bern Grundbuchblatt Nr. 1021 Kreis I zu Gunsten der Baurechtsberechtigten. 12. ... 13. ..." C.- Frau Frölich fand, der abgeschlossene Baurechtsvertrag komme in seinen wirtschaftlichen Auswirkungen einem Verkauf der Liegenschaft gleich; Ziffer 6 des Kaufvertrags vom 16. Juni 1950 gewähre ihr eine Gewinnbeteiligung nicht nur bei einem Verkauf, sondern bei jeder Realisierung des Wertes der Liegenschaft, die innert der vertraglichen Frist von 15 Jahren erfolge; daher komme ihr vom Jahre 1955 bis zum Jahre 2005 eine jährliche Rente in Höhe des Betrages zu, um den der sechste Teil des jährlichen Baurechtszinses von Fr. 120'000.-- den Jahresbetrag einer bis zum Jahre 2005 laufenden jährlichen BGE 82 II 378 S. 382 Rente im Kapitalwert des ihr bezahlten Kaufpreises von Fr. 216'666.-- übersteige. Da Frau Eberhard und Frau Zimmermann ihren Anspruch ablehnten, leitete sie gegen diese beiden am 11. Mai 1955 die vorliegende Klage ein mit Rechtsbegehren, deren endgültige Fassung wie folgt lautet: "Die Beklagten seien zu verurteilen, der Klägerin ab 1. August 1955 und in den folgenden Jahren bis zum Jahre 2005 jeweilen am 1. August eines jeden Jahres einen Betrag von je Fr. 5480.-- zu bezahlen. Eventuell: Die Beklagten seien zu verurteilen, der Klägerin am 1. August 1955 und in den folgenden Jahren bis zum Jahre 2005 jeweilen am 1. August eines jeden Jahres einen gerichtlich zu bestimmenden Betrag zu bezahlen. Subeventuell: Die Beklagten seien zu verurteilen, der Klägerin am 1. August 1955 und in den folgenden Jahren jedes Vierteljahr jeweilen am 1. November, 1. Februar, 1. Mai und 1. August bis zum 1. Mai 2005 einen gerichtlich zu bestimmenden Betrag zu bezahlen." Am 1. November 1955 hat der Appellationshof des Kantons Bern, III. Zivilkammer, die Klage abgewiesen. D.- Mit ihrer Berufung an das Bundesgericht erneuert die Klägerin die im kantonalen Verfahren gestellten Begehren. Die Beklagten schliessen auf Bestätigung des angefochtenen Urteils. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Wer ein Vermögensstück verkauft, gibt damit grundsätzlich alle Rechte daran auf. Insbesondere gewährt das Gesetz dem Verkäufer keinen Anspruch auf eine Beteiligung am Ertrag, den der Käufer aus dem Kaufgegenstande zieht, oder an einem Gewinn, den der Käufer bei der Weiterveräusserung erzielt. Der Verkäufer kann einen solchen Anspruch also nur erheben, wenn und soweit er sich dies vertraglich vorbehalten hat. Im vorliegenden Falle hat die Klägerin nach Ziffer 6 des Kaufvertrages vom 16. Juni 1950 auf einen Gewinnanteil Anspruch, "sofern die Liegenschaft Spitalgasse 55 ... vor dem 1. Juli 1965 an einen Dritten verkauft" wird. Es ist zu prüfen, ob sie auf Grund dieser Klausel einen BGE 82 II 378 S. 383 Anteil am Baurechtszins beanspruchen könne, den die Beklagten von der Warlo AG und Imlo AG gemäss Baurechtsvertrag vom 3. November 1954 beziehen. Dass noch eine weitere Vereinbarung bestehe, auf welche ihr Anspruch sich stützen könnte, behauptet die Klägerin selber nicht. 2. Während die Klägerin im kantonalen Verfahren zugegeben hatte, dass die Liegenschaft Spitalgasse 55 mit dem Vertrag vom 3. November 1954 nicht verkauft worden sei, und ihre Klage im wesentlichen nur damit begründet hatte, dass dieser Vertrag in seinen wirtschaftlichen Auswirkungen einem Verkauf gleichkomme und dass die Gewinnbeteiligungsklausel auch für solche Fälle gelte, lässt sie vor Bundesgericht ausführen, nach den Umständen sei als gewiss anzusehen, dass die Baurechtsberechtigten bei Ablauf des Baurechts von ihrem Kaufsrecht gemäss Ziff. 6 des Vertrags vom 3. November 1954 Gebrauch machen würden; die Vertragsparteien seien sich auch bewusst gewesen, dass ein "Wiederaufleben des Eigentumsrechts" der Belasteten unter keinen Umständen in Frage kommen könne; daher könne mit Fug und Recht der Standpunkt vertreten werden, die Liegenschaft Spitalgasse 55 sei bereits am 3. November 1954 auf den 1. August 2005 verkauft worden. Hievon kann jedoch schon deshalb keine Rede sein, weil der Baurechtsvertrag den Berechtigten ein Kaufsrecht nicht unbedingt, sondern nur für den Fall gewährt, dass die Parteien sich vor Ablauf des Baurechts nicht über eine Verlängerung desselben verständigen können, und weil zudem keineswegs sicher ist, dass die Berechtigten im Jahre 2005 am Erwerb der Liegenschaft zu den im Baurechtsvertrag umschriebenen Bedingungen noch ein Interesse haben und daher beim Scheitern der Verhandlungen über eine Verlängerung des Baurechts von ihrem Kaufsrecht Gebrauch machen werden. Von den heutigen Verhältnissen aus beurteilt, mag dies freilich wahrscheinlich sein. Welche Verhältnisse in fünfzig Jahren herrschen werden, lässt sich jedoch in keiner Weise voraussehen. BGE 82 II 378 S. 384 Es steht mithin durchaus nicht fest, dass das Eigentum an der streitigen Liegenschaft im Jahre 2005 auf die Baurechtsberechtigten übergehen wird. Der Abschluss des Baurechtsvertrags fällt also unzweifelhaft nicht unter die Gewinnbeteiligungsklausel, wenn man den hier verwendeten Ausdruck "Verkauf" im juristischen Sinne auffasst. 3. Die Klägerin macht nun freilich nach wie vor geltend, die Anwendung von Ziff. 6 des Vertrags von 1950 setze nicht den Abschluss eines Kaufvertrags voraus, sondern diese Vertragsbestimmung gelte, sinngemäss ausgelegt, auch für Geschäfte, die zwar rechtlich keinen Verkauf darstellen, aber doch zur Umsetzung der Liegenschaft in Geld führen und sich daher wirtschaftlich wie ein Verkauf auswirken. Ob dies zutreffe, braucht indes nicht näher untersucht zu werden, weil der Abschluss des Baurechtsvertrages vom 3. November 1954 bei wirtschaftlicher Betrachtung so wenig wie bei rechtlicher Beurteilung einem Verkauf der Liegenschaft gleichgestellt werden kann. Richtig ist zwar, dass dieser Vertrag den Berechtigten mit Bezug auf die streitige Liegenschaft ausserordentlich weitgehende Rechte einräumt. Sie können während der nächsten 50 Jahre darauf schalten und walten wie ein Eigentümer. Ihre Befugnisse beziehen sich aber, vom Vorkaufs- und Kaufsrecht abgesehen, doch nur auf die Benützung der Liegenschaft. Sie können diese weder veräussern noch hypothekarisch belasten. Diese Möglichkeiten bleiben vielmehr den Bestellern des Baurechts gewahrt, die als Eigentümer im Grundbuch eingetragen bleiben. Das Vorkaufsrecht ist kein Hindernis für einen Verkauf, sondern bewirkt nur, dass die Berechtigten in einen mit Dritten abgeschlossenen Kaufvertrag eintreten können. Ebensowenig steht das Kaufsrecht, das den Berechtigten bei Ablauf des Baurechts unter Umständen zustehen wird, einem vorherigen Verkauf der Liegenschaft durch die Besteller des Baurechts im Wege. Im Hinblick auf den Baurechtszins, den die jeweiligen Eigentümer der Liegenschaft BGE 82 II 378 S. 385 zu beanspruchen haben, ist eine Veräusserung oder Belehnung der Liegenschaft während der Dauer des Baurechts auch wirtschaftlich sehr wohl möglich. Ob die Berechtigten bei Ablauf des Baurechts zur Ausübung des Kaufsrechts Gelegenheit erhalten und es auch wirklich ausüben werden, lässt sich, wie schon gesagt, nicht voraussagen. Tritt dieser Fall ein, so haben die Berechtigten für die Liegenschaft nicht etwa nur eine symbolische Zahlung zu leisten, sondern einen Kaufspreis zu entrichten, der zwar heute noch nicht beziffert werden kann, aber auf jeden Fall sehr hoch sein wird. Unter diesen Umständen lässt sich nicht sagen, der vorliegende Baurechtsvertrag habe praktisch die gleichen Wirkungen wie ein Kaufvertrag. Die Eigentümer haben damit nicht die Liegenschaft zu Geld gemacht, sondern den Bauberechtigten nur deren Gebrauch überlassen und sich dafür ein Entgelt ausbedungen. Sie haben sich damit einen sehr hohen Ertrag der Liegenschaft gesichert, sodass es abwegig ist, wenn die Klägerin behauptet, es sei ihnen nur die nuda proprietas geblieben. Der Baurechtszins hat wirtschaftlich keineswegs die gleiche Funktion wie ein Kaufpreis, sondern ist in dieser Hinsicht einem Miet- oder Pachtzins ähnlich. Die Baurechtsbelasteten behalten die Liegenschaft als Sachwert in ihrem Vermögen. Selbst wenn die Gewinnbeteiligungsklausel auch im Falle gälte, dass die Liegenschaft auf einem andern Wege als durch einen Verkauf im Rechtssinne in Geld umgesetzt wird, könnte der Abschluss des Baurechtsvertrages also nicht zur Anwendung dieser Vertragsbestimmung führen. 4. Dass die Klägerin nicht bloss an einem bei der Weiterveräusserung der Liegenschaft entstehenden Gewinn, sondern auch an einer Steigerung des Ertrags der Liegenschaft beteiligt sein soll, lässt sich aus der Klausel, auf welche die Klage sich stützt, nicht ableiten. Eine solche Auslegung ist mit der Bedeutung, die den im Vertrag verwendeten Ausdrücken "Verkauf" und "Gewinn" nach allgemeinem Sprachgebrauch zukommt, nicht vereinbar. Dafür, dass die Vertragsparteien diese Ausdrücke übereinstimmend BGE 82 II 378 S. 386 in einem vom allgemeinen Sprachgebrauch abweichenden Sinne verstanden und dies durch ihr Verhalten irgendwie zum Ausdruck gebracht hätten, liegen keinerlei Anhaltspunkte vor. Die Klägerin gibt im Gegenteil zu, dass die Parteien zur Zeit des Vertragsabschlusses an einen andern Fall als denjenigen des Verkaufs nicht gedacht haben. Dachte die Klägerin selber nur an einen Verkauf, so lässt sich aber auch nicht mit Grund behaupten, die Beklagten hätten nach Treu und Glauben erkennen müssen, dass die streitige Klausel, die auf Wunsch der Klägerin in den Kaufvertrag aufgenommen wurde, einen über den Wortlaut weit hinausgehenden Sinn habe und insbesondere auch im Falle der Einräumung eines Baurechts gelte. Diese Klausel kann daher nicht so ausgelegt werden, dass sie der Klägerin eine Beteiligung an dem Mehrertrag der Liegenschaft gewährt, den die Beklagten durch den Abschluss des Baurechtsvertrags erzielt haben. Eine solche Auslegung verbietet sich um so eher, als der Vertrag die der Klägerin zukommende Leistung in einer Art umschreibt, die offensichtlich nur für den Fall der Veräusserung der Liegenschaft, dagegen keineswegs für den Fall einer blossen Steigerung ihres Ertrages passt ("Verkaufspreis abzüglich Erwerbspreis von Fr. 216'666.-- unter Hinzurechnung der Handänderungskosten und eventueller Kosten für wertvermehrende Aufwendungen"). Indem die Klägerin eine Beteiligung am Baurechtszins verlangt, mutet sie dem Richter also in Wirklichkeit eine Ergänzung des Vertrages zu. In der Klageschrift hat sie denn auch zur Begründung ihres Anspruchs selber ausgeführt, es könne mit Bestimmtheit gesagt werden, dass der Fall der Einräumung eines Baurechts ebenfalls in den Vertragstext aufgenommen worden wäre, wenn die Parteien daran gedacht hätten. Sie will also, dass auf etwas abgestellt werde, das die Parteien zwar nicht vereinbart haben, aber vereinbart hätten, wenn sie die Möglichkeit der Bestellung eines Baurechts in Betracht gezogen hätten. BGE 82 II 378 S. 387 Diesem Ansinnen kann nicht stattgegeben werden. Einmal ist durchaus ungewiss, ob die Klägerin (die Geld brauchte) bei den Vertragsverhandlungen neben der Beteiligung an einem allfälligen Verkaufsgewinn auch eine solche an einem erhöhten Ertrag der Liegenschaft hätte durchsetzen können, wenn sie diesen Punkt zur Sprache gebracht hätte. Vor allem aber hat man es hier nicht mit einem Fall zu tun, wo allenfalls eine Ergänzung der vertraglichen Abmachungen durch den Richter in Frage kommen könnte. Die Parteien haben in ihrem Vertrage nicht einen Nebenpunkt offen gelassen, der notwendigerweise der Regelung bedürfte. Ein Kaufvertrag, der keine Beteiligung des Verkäufers am künftigen Erlös oder Ertrag der Kaufsache oder neben der Beteiligung an einem allfälligen Verkaufsgewinn nicht auch eine solche an einer gesteigerten Rendite des Kaufgegenstandes vorsieht, ist deswegen keineswegs lückenhaft; denn es ist, wie schon zu Beginn der Erwägungen bemerkt, das Normale, dass der Verkäufer mit dem Verkauf alle Rechte an der verkauften Sache aufgibt. Die Klägerin kann sich aber auch nicht etwa darauf berufen, dass eine Änderung der Verhältnisse einen richterlichen Eingriff in das Vertragsverhältnis gebiete. Mit den Fällen, wo die Rechtsprechung die sog. clausula rebus sic stantibus zur Geltung brachte, hat der vorliegende Fall überhaupt nichts gemein. Es ist daher ausgeschlossen, die streitige Vertragsklausel in dem von der Klägerin gewünschten Sinne zu ergänzen. 5. Kommt der Abschluss des Baurechtsvertrags nicht einem Verkauf der Liegenschaft gleich und ist es nicht möglich, den Kaufvertrag so auszulegen oder zu ergänzen, dass er der Klägerin einen Anteil an einer Steigerung des Ertrags der Liegenschaft gewähren würde, so bedeutet es selbstverständlich auch keinen Rechtsmissbrauch, dass die Beklagten gegenüber der Klage den Einwand erheben, sie hätten die Liegenschaft nicht verkauft und seien daher der Klägerin nichts schuldig. BGE 82 II 378 S. 388
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Sachverhalt ab Seite 221 BGE 135 III 220 S. 221 A. A. und B. (Beschwerdeführer 1) bewohnen eine 4 1/2-Zimmerwohnung an der D.-Strasse 308 in Basel. C. (Beschwerdeführerin 2) ist Mieterin einer 2 1/2-Zimmerwohnung an der D.-Strasse 310 in Basel. Aufgrund einer Sanierung im Jahre 2002 zeigte die X. Gesellschaft (Beschwerdegegnerin), vertreten durch ihre Tochtergesellschaft X. Immobilien AG, am 7. November 2003 Mietzinserhöhungen an, den Beschwerdeführern 1 von Fr. 1'204.- auf Fr. 1'314.-, der Beschwerdeführerin 2 von Fr. 717.- auf Fr. 798.-. Nachdem vor der Schlichtungsstelle keine Einigung erzielt werden konnte, gelangte die Beschwerdegegnerin an das Zivilgericht Basel-Stadt und beantragte, die Mietzinse entsprechend den bekanntgegebenen Erhöhungen festzusetzen. Der Zivilgerichtspräsident hiess beide Klagen am 27. August 2007 gut. Die gegen diese Entscheide ergriffene kantonale Beschwerde wies das Appellationsgericht Basel-Stadt am 30. April 2008 ab. B. Mit Beschwerde in Zivilsachen beantragen die Beschwerdeführer im Wesentlichen, es sei festzustellen, dass die Mietzinserhöhungen missbräuchlich seien. Die Beschwerdegegnerin schliesst auf kostenfällige Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit darauf einzutreten ist. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Die Beschwerdeführer sind der Auffassung, die Mietzinserhöhung sei nichtig, da sie nicht auf einem von der zuständigen Behörde genehmigten Formular erfolgt sei. Sowohl der Vertreter der Beschwerdeführer als auch der erstinstanzliche Richter hätten von der zuständigen Behörde die Auskunft erhalten, das verwendete Formular sei nicht genehmigt worden. Indem die kantonalen Instanzen dennoch von einem genehmigten Formular ausgingen, hätten sie sich eine Zuständigkeit angemasst, die ihnen nicht zukomme. BGE 135 III 220 S. 222 1.1 Die Vorinstanz hielt in tatsächlicher Hinsicht fest, die Tochtergesellschaft der Beschwerdegegnerin, welche diese vertreten hatte, habe ihre Firma geändert, aber noch unter der ursprünglichen Firma die Genehmigung für ein Erhöhungsformular erhalten. Daher sei sie nicht verpflichtet gewesen, nach dem Firmenwechsel eine erneute Genehmigung einzuholen, da es sich um dieselbe Rechtsperson handle, der das Formular bewilligt worden war. 1.2 Nach Art. 269d Abs. 1 OR muss der Vermieter eine Mietzinserhöhung auf einem vom Kanton genehmigten Formular mitteilen und begründen. Die Mietzinserhöhung ist nichtig, wenn der Vermieter sie nicht mit dem vorgeschriebenen Formular mitteilt ( Art. 269d Abs. 2 lit. a OR ). Das Formular für die Mitteilung von Mietzinserhöhungen muss nach Art. 19 der Verordnung vom 9. Mai 1990 über die Miete und Pacht von Wohn- und Geschäftsräumen (VMWG; SR 221.213.11) den bisherigen Mietzins sowie die bisherige Belastung des Mieters für Nebenkosten, den neuen Mietzins sowie die neue Belastung des Mieters für Nebenkosten, den Zeitpunkt, auf den die Erhöhung in Kraft tritt, und die klare Begründung der Erhöhung enthalten. Werden mehrere Erhöhungsgründe geltend gemacht, so sind diese je in Einzelbeträgen auszuweisen. Dass ein Formular inhaltlich den Anforderungen von Art. 19 VMWG entspricht, genügt nicht. Aus Gründen der Klarheit und einheitlichen Handhabung sowie der Rechtssicherheit ist notwendig, dass das Formular von der zuständigen kantonalen Instanz genehmigt wurde ( BGE 121 III 214 E. 3b S. 217). 1.3 Eine Verletzung der Zuständigkeitsvorschriften, wie sie die Beschwerdeführer geltend machen, läge vor, wenn die kantonalen Gerichte das betreffende Formular selbst an Stelle der kantonalrechtlich hierfür vorgesehenen Behörde genehmigt hätten. Kommt demgegenüber der Richter im Rahmen eines Prozesses zum Ergebnis, das für die Erhöhung verwendete Formular sei von der zuständigen Behörde genehmigt worden, stellt er lediglich den im Prozess massgeblichen Sachverhalt fest. Ausserhalb des Prozesses kommt dieser Sachverhaltsfeststellung keine Bedeutung zu. Da der Richter keine Genehmigung des Formulars vornimmt, ist auch keine Verletzung der Zuständigkeitsordnung gegeben. Es stellt sich einzig die Frage, ob die Sachverhaltsfeststellung angesichts der anderslautenden Auskünfte der zuständigen Behörden korrekt erfolgte. 1.4 Auf Beschwerde in Zivilsachen hin kann das Bundesgericht zwar prüfen, ob eine Feststellung in tatsächlicher Hinsicht BGE 135 III 220 S. 223 offensichtlich unrichtig und damit willkürlich ist ( Art. 97 Abs. 1 BGG ). Der Rechtsuchende hat indessen im Einzelnen darzulegen, weshalb die Auffassung der Vorinstanz offensichtlich unhaltbar und damit willkürlich sein soll ( BGE 133 II 249 E. 1.4.3 S. 254 f.; BGE 133 III 462 E. 2.4 S. 466 f.). Die Beschwerdeführer berufen sich auf die von den zuständigen Behörden erteilten Auskünfte und machen geltend, es sei von der urteilenden Instanz nicht nachzuprüfen, ob diese Auskunft richtig oder falsch sei. Zur Begründung einer Willkürrüge müssten die Beschwerdeführer aber darlegen, inwiefern die Annahme, die Auskünfte seien falsch, offensichtlich unhaltbar und damit willkürlich ist. Dazu genügen ihre Ausführungen nicht, so dass der angefochtene Entscheid insoweit nicht zu überprüfen ist. 1.5 Als aktenwidrig rügen die Beschwerdeführer die Feststellung der Vorinstanz, die Beschwerdegegnerin habe für die Mietzinserhöhung das genehmigte Formular verwendet. Nicht nur die grafische Gestaltung sei völlig unterschiedlich, auch die Firmierung sei eigenhändig abgeändert worden. Zudem sei der Hinweis "Formular genehmigt durch die zuständige Amtsstelle" beigefügt worden. 1.5.1 Der Vorinstanz ist nicht entgangen, dass die beiden Formulare nicht identisch sind, wies sie doch ausdrücklich auf die Firmenänderung hin. Die Vorinstanz ging vielmehr davon aus, die abweichende Gestaltung ändere nichts daran, dass es sich um ein genehmigtes Formular handle. Ob diese Annahme zutrifft, ist eine Rechtsfrage, welche das Bundesgericht unter dem Blickwinkel des Bundesrechts (mit Ausnahme der verfassungsmässigen Rechte der Beschwerdeführer) von Amtes wegen prüfen kann ( Art. 106 BGG ). Soweit keine hinreichend begründeten Sachverhaltsrügen erhoben werden ( Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG ), stützt sich das Bundesgericht dabei grundsätzlich aber auf die im angefochtenen Entscheid enthaltenen tatsächlichen Feststellungen ( Art. 105 Abs. 1 BGG ). 1.5.2 Soweit sich Abweichungen zwischen dem genehmigten und dem verwendeten Formular nicht bereits aus den tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Entscheid ergeben, müssten die Beschwerdeführer diesbezüglich substantiiert eine Ergänzung des Sachverhalts beantragen und danach ausführen, inwiefern die Annahme, das Formular habe trotz der Änderung als genehmigt zu gelten, Recht verletzt ( Art. 42 Abs. 2 BGG ). Diesen Anforderungen genügen die Vorbringen der Beschwerdeführer nicht. Ob eine BGE 135 III 220 S. 224 Abänderung dazu führt, dass das geänderte Formular als nicht genehmigt anzusehen ist, kann nämlich nicht ohne Rücksicht auf die vorgenommenen Modifikationen und den mit dem Formularzwang verfolgten Zweck entschieden werden. So unterscheidet sich das verwendete vom genehmigten Formular beispielsweise darin, dass die Adresse der Mietschlichtungsstelle aktualisiert wurde. Es versteht sich von selbst, dass die korrekte Adressangabe vom Gesetz gewollt ist und der Nachvollzug der Adressänderung nicht dazu führt, dass erneut eine Genehmigung eingeholt werden müsste. 1.5.3 Auf die einzelnen Abweichungen braucht indessen nicht näher eingegangen zu werden, denn die Beschwerdegegnerin verweist auf zwei bei den Akten liegende genehmigte Formulare anderer Liegenschaftsverwaltungen, die mit Ausnahme der Geschäftsfirma und deren Logo mit dem von der Beschwerdegegnerin verwendeten Formular identisch sind. Die Beschwerdeführer berufen sich zwar auf ein im Kanton Luzern ergangenes Urteil (LGVE 1993 I Nr. 9 S. 10 ff.), gemäss welchem die Genehmigung privat kreierter Formulare personenbezogen zu erfolgen hat, damit der zuständigen Behörde bei Anfragen eine effiziente Kontrolle, ob ein Formular genehmigt wurde, ermöglicht wird. Diese liesse sich indessen besser erreichen, indem das Formular mit einer Identifikationsnummer versehen wird. Der Umfang des notwendig vorformulierten Formularinhalts wird abschliessend durch Art. 19 VMWG geregelt (HIGI, Zürcher Kommentar, 4. Aufl. 1998, N. 190 zu Art. 269d OR mit Hinweis). Aus Art. 19 Abs. 4 VMWG ergibt sich, dass der Vermieter genehmigte Erhöhungsformulare beziehen können muss, was voraussetzt, dass unpersönliche Formulare zur Verfügung gestellt werden. Unterscheidet sich das verwendete Formular von einem genehmigten nur in der Firma und dem Kennzeichen des unterzeichnenden Unternehmens, betrifft die Abweichung den individuell auszufüllenden und nicht den allgemeingültigen und damit der Formalisierung überhaupt zugänglichen Teil des Formulars. Mit der Bezeichnung der Vermieterschaft oder der für diese handelnden Gesellschaft wird für den Mieter ersichtlich, wer das Formular verwendet. Dass der Mieter die notwendigen Informationen in der vom Kanton genehmigten Form erhält, bleibt garantiert, solange weder inhaltlich noch in der Darstellung weitere Änderungen vorgenommen werden. Damit ist dem Zweck von Art. 269d OR , dem Mieter den Rechtsweg aufzuzeigen und ihm eine möglichst einfache Beurteilung seiner Chancen zu sichern, die angekündigte BGE 135 III 220 S. 225 Mietzinserhöhung anzufechten, Genüge getan und diesbezüglich die vom Gesetz gewollte vorgängige Kontrolle gewährleistet ( BGE 121 III 214 E. 3b S. 217 mit Hinweisen). Aufgrund der Aktenlage ist somit erstellt, dass das verwendete Formular einem von der zuständigen Behörde genehmigten entspricht. Gegenüber wem und mit welchem Firmenlogo diese Genehmigung erfolgte, ist nicht massgebend.
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Sachverhalt ab Seite 145 BGE 114 II 144 S. 145 Am 31. Juli 1984 fuhr H. in angetrunkenem Zustand mit seinem Personenwagen gegen Mitternacht von A. kommend in Richtung B. H. geriet auf die Gegenfahrbahn, wo er mit den Schwestern Doris und Beatrice V. zusammenstiess, die mit ihren Motorrädern korrekt in Richtung A. fuhren. Doris V. starb zweieinhalb Stunden später an den beim Unfall erlittenen Verletzungen. Ihrer Schwester musste der linke Fuss abgenommen werden. H. wurde mit Urteil des Strafgerichts des Kantons A. wegen fahrlässiger Tötung und Körperverletzung, grober Verletzung von Verkehrsregeln, Fahrens in angetrunkenem Zustand, Führens eines nicht betriebssicheren Fahrzeugs und Fahrens ohne Haftpflichtversicherung zu acht Monaten Gefängnis sowie einer Busse von Fr. 300.-- verurteilt. Im Mai 1985 klagten die Eltern und Geschwister von Doris V. sowie André M., mit dem sie in einer gemeinsamen Wohnung zusammengelebt hatte, beim Kantonsgericht des Kantons A. gegen die Versicherungs-Gesellschaft X. als geschäftsführender Versicherer im Sinne von Art. 76 Abs. 5 SVG . Die Kläger verlangten Schadenersatz und Genugtuung von insgesamt Fr. 205'000.-- abzüglich Fr. 70'000.--, die von der Beklagten bereits bezahlt worden waren. Das Kantonsgericht hiess die Klage teilweise gut und sprach den Klägern insgesamt Fr. 86'350.-- nebst Zins abzüglich der bereits bezahlten Fr. 70'000.-- zu. Auf Appellation von André M., den Eltern von Doris V. sowie ihrer Schwester Beatrice erhöhte das Obergericht des Kantons A. die ihnen vom Kantonsgericht zugesprochenen Genugtuungssummen auf je Fr. 25'000.-- für die Eltern, auf Fr. 25'000.-- für André M. und auf Fr. 12'000.-- für die Schwester. André M., die Eltern von Doris V. sowie ihre Schwester Beatrice haben das Urteil des Obergerichts mit Berufung angefochten. Sie stellen insbesondere den Antrag, dem Kläger André M. weitere Fr. 31'881.60 nebst Zins für Versorgerschaden zuzusprechen. Die Beklagte hat Anschlussberufung eingereicht. BGE 114 II 144 S. 146 Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts, die sich insbesondere auf den Wortlaut von Art. 45 Abs. 3 OR abstützt, ist eine gesetzliche Unterstützungspflicht nicht Voraussetzung der Versorgereigenschaft. Entscheidend ist vielmehr, dass tatsächlich Versorgungsleistungen erbracht worden sind und mit grosser Wahrscheinlichkeit in Zukunft erbracht worden wären ( BGE 112 II 92 mit Hinweisen, BGE 82 II 39 , BGE 54 II 17 E. 2, BGE 53 II 52 E. 3 mit Hinweisen). Verlobten wurde die Versorgereigenschaft dann zuerkannt, wenn eine spätere Heirat als sehr wahrscheinlich erschien ( BGE 66 II 219 E. 3 mit Hinweisen). Nach Auffassung des Obergerichts waren Doris V. und André M. zur Zeit des Unfalles noch nicht verlobt. Es führt dazu aus, das Verlöbnis sei zwar an keine Form gebunden und die beiden hätten die Absicht bekundet, sich zu heiraten; aus der Aussage von André M. an der Parteibefragung, sie hätten sich im Oktober 1984 verloben wollen, ergebe sich indessen, dass sie sich selbst noch nicht als verlobt betrachtet hätten und sich in diesem Sinne noch nicht als gebunden fühlten. Der Frage komme aber keine entscheidende Bedeutung zu, da es grundsätzlich unerheblich sei, ob der Kläger mit der Verstorbenen verlobt gewesen sei oder in einem besonders engen Freundschaftsverhältnis (Konkubinatsverhältnis) gestanden habe. Wesentlich sei, ob die Beziehung eheähnlichen und dauerhaften Charakter aufgewiesen habe. Der Frage, ob Doris V. und André M. sich verlobt hatten, ist in Anbetracht der zitierten Rechtsprechung zur Versorgereigenschaft von Verlobten entgegen der Meinung der Vorinstanz nicht von vornherein jede Erheblichkeit abzusprechen. Sie muss deshalb geprüft werden. Ein Verlöbnis setzt gemäss Art. 90 Abs. 1 ZGB nicht eine formelle Verlobungsfeier, sondern lediglich ein formloses gegenseitiges Eheversprechen voraus ( BGE 83 II 489 ). Nach den Feststellungen des Obergerichts hatten Doris V. und André M. beabsichtigt, sich im Oktober 1984 zu verloben, das heisst offensichtlich, eine offizielle Verlobungsfeier zu veranstalten, und später zu heiraten. Das Kantonsgericht hat präzisiert, die Heirat hätte im Frühjahr 1985 stattfinden sollen. Daraus ergibt sich aber, dass sie sich gegenseitig die Ehe versprochen hatten und damit ein Verlöbnis im Sinne des Gesetzes eingegangen waren. Mit dem gegenteiligen Schluss verkennt das Obergericht, dass sich die Aussage von André M. auf die Verlobungsfeier bezog. Die Versorgereigenschaft BGE 114 II 144 S. 147 der Verstorbenen ergibt sich demnach bereits aus der Tatsache des Verlöbnisses und der hohen Wahrscheinlichkeit einer späteren Heirat. b) Dem angefochtenen Urteil wäre indessen auch dann zuzustimmen, wenn nicht von einem Verlöbnis auszugehen wäre. Die Frage, ob Konkubinatspartner grundsätzlich einen Anspruch auf Ersatz des Versorgerschadens geltend machen können, wird in der neueren Literatur überwiegend bejaht (STARK, ZSR 105/1986, I, S. 374; ALFRED KELLER, Haftpflicht im Privatrecht, Bd. II, S. 74; ZEN-RUFFINEN, La perte de soutien, S. 46 ff.; BREHM, N. 150-153 zu Art. 45 OR ; MERZ, SPR, Bd. VI/1, S. 206; GIRSBERGER, in: Die eheähnliche Gemeinschaft (Konkubinat) im schweizerischen Recht, S. 173 ff.; ENGEL, Traité des obligations, S. 351; STAUFFER/SCHAETZLE, Barwerttafeln, 3. A., S. 69; J.-F. Egli, in: Mélanges André Grisel, S. 340; SCHNYDER, Der Körperschaden, Strassenverkehrsrechts-Tagung 1982, S. 17 f.; DROIN, Sem.jud. 1979, S. 163 f.; anderer Ansicht ist GROSSEN, Le ménage de fait devant la loi suisse, in: Travaux de l'Association Henri Capitant, Bd. XI (1957), Supplément, S. 13 ff.). Wie bereits dargelegt, ist gemäss der Praxis des Bundesgerichts die Versorgereigenschaft dann gegeben, wenn tatsächlich Versorgungsleistungen erbracht worden sind und mit grosser Wahrscheinlichkeit in Zukunft erbracht worden wären. Das Bestehen einer gesetzlichen Unterstützungspflicht ist dagegen nicht erforderlich. Dementsprechend steht der Umstand, dass die unterstützte Person Konkubinatspartner des oder der Verstorbenen war, ihrem Anspruch auf Ersatz des Versorgerschadens grundsätzlich nicht entgegen. Das Obergericht fordert mit Hinweis auf MERZ (a.a.O., S. 206) als weitere Voraussetzung einen eheähnlichen und dauerhaften Charakter des Konkubinatsverhältnisses. Gleiche oder ähnliche Einschränkungen werden von allen zitierten Autoren postuliert. Damit sollen einerseits Konkubinatsverhältnisse ausgeschlossen werden, bei welchen es als nicht wahrscheinlich erscheint, dass sich die Konkubinatspartner auch in Zukunft unterstützt hätten. Andererseits soll ein Konkubinatspartner dann keinen Anspruch auf Entschädigung für den Versorgerschaden erheben können, wenn das Verhältnis rechtswidrig war oder die Versorgungsleistungen aus unmoralischen Gründen erfolgten (BREHM, N. 151 ff. zu Art. 45 OR ; GIRSBERGER, a.a.O., S. 174 ff.). Ob letztere Einschränkung gerechtfertigt ist, braucht hier nicht entschieden zu werden, da ein derartiger Einwand von der Beklagten BGE 114 II 144 S. 148 nicht erhoben wird. Sie macht dagegen geltend, die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz liessen den Schluss nicht zu, die beiden Konkubinatspartner kämen als gegenseitige Versorger in Betracht. Die Beziehung sei lediglich während zehn Monaten eheähnlich gewesen. Daraus folgert die Beklagte mit Hinweis auf BGE 109 II 188 , die Lebensgemeinschaft sei nicht derart stabil und eng gewesen, dass sie wirtschaftlich ähnliche Vorteile wie eine Ehe habe bieten können. Der Vergleich mit der Rechtsprechung zu den Voraussetzungen, unter denen einem geschiedenen Konkubinatspartner der Anspruch auf die Scheidungsrente wegen Rechtsmissbrauchs abgesprochen werden kann, ist indes hier nicht angebracht. In jenen Fällen ist massgebend, ob die Lebensgemeinschaft in dem Sinne eheähnlich sei, dass der Konkubinatspartner des Rentenberechtigten bereit wäre, diesem Beistand und Unterstützung zu gewähren, wie es für einen Ehegatten gestützt auf Art. 159 Abs. 3 ZGB gesetzliche Pflicht ist ( BGE 109 II 190 /191). Die Frage der Versorgereigenschaft von Konkubinatspartnern ist dagegen nach anderen rechtlichen Grundlagen zu beurteilen. Der Vergleich mit der ehelichen Treue- und Beistandspflicht tritt hier in den Hintergrund; ausschlaggebend ist vielmehr die rein tatsächliche Frage, ob sich die Konkubinatspartner während der Dauer der Lebensgemeinschaft unterstützt haben und auch in Zukunft mit grosser Wahrscheinlichkeit unterstützt hätten. Ein schematisches Abstellen auf eine bestimmte Mindestdauer des Konkubinatsverhältnisses fällt deshalb ausser Betracht. Im übrigen waren es vor allem für die Art des Prozesses charakteristische Beweisschwierigkeiten, welche zur Tatsachenvermutung von BGE 109 II 188 geführt haben. Auch aus diesem Grund rechtfertigt sich eine Übernahme dieser Tatsachenvermutung für Verfahren wie das vorliegende nicht. Nach Auffassung des Obergerichts hatte das Konkubinatsverhältnis zwischen Doris V. und André M. eheähnlichen und dauerhaften Charakter. Es stellt dazu fest, die beiden hätten nach glaubwürdiger Sachdarstellung von André M. seit 1981 in einer sehr engen Beziehung gestanden und André M. habe regelmässig bei Doris V. übernachtet, bis sie im Oktober 1983 die gemeinsame Wohnung in C. bezogen. Der Bezug der Wohnung nach mehrjähriger Bekanntschaft sei ein starkes Indiz dafür, dass die Beziehung nach der Meinung der Partner auf Dauer angelegt war und dass sie tatsächlich beabsichtigten, sich zu verloben und später zu heiraten. Es bestünden keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass sich an BGE 114 II 144 S. 149 ihren Absichten in der Zeit bis zum Tode von Doris V. irgend etwas geändert hätte. Diese Tatsachenfeststellungen sind für das Bundesgericht verbindlich ( Art. 63 Abs. 2 OG ). Die rechtliche Folgerung der Vorinstanz, die Konkubinatspartner seien gegenseitig als Versorger zu betrachten, verstösst unter diesen Umständen nicht gegen Bundesrecht. 3. Mit der Anschlussberufung beantragt die Beklagte, die dem Kläger André M. zugesprochene Genugtuungssumme von Fr. 25'000.-- sei auf Fr. 15'000.-- herabzusetzen. Die Beklagte wirft dem Obergericht vor, die von der Rechtsprechung erarbeiteten Bemessungskriterien zumindest teilweise falsch angewendet und damit das ihr in Art. 47 OR in Verbindung mit Art. 4 ZGB zugestandene Ermessen verletzt zu haben. a) Die Vorinstanz hat sich nicht zur Frage geäussert, ob André M. grundsätzlich einen Genugtuungsanspruch wegen des Todes von Doris V. geltend machen könne, da dies im kantonalen Berufungsverfahren nicht umstritten war. Im Verfahren vor Bundesgericht wird der Genugtuungsanspruch von M. von der Beklagten grundsätzlich und in der Höhe von Fr. 15'000.-- anerkannt. Obschon die Parteien somit davon ausgehen, es bestehe eine rechtliche Grundlage für den Genugtuungsanspruch, ist diese Rechtsfrage dennoch von Amtes wegen zu prüfen ( BGE 111 II 369 mit Hinweisen). Wie bereits dargelegt, waren André M. und Doris V. im Zeitpunkt ihres Todes verlobt. Verlobte werden aber nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts und der Lehre als Angehörige im Sinne von Art. 47 OR betrachtet ( BGE 66 II 221 E. 4, BGE 57 II 57 ; BREHM, N. 159 zu Art. 47 OR ; KELLER, a.a.O., S. 131; HÜTTE, Die Genugtuung, 2. A. 1986, I/45, Ziff. 2.2.6.; derselbe, Genugtuungsrecht im Wandel, SJZ 84 (1988), S. 175). Die in der Literatur umstrittene Frage, ob auch ein Konkubinatsverhältnis Grundlage eines Genugtuungsanspruchs bilden könne, braucht deshalb nicht entschieden zu werden (vgl. dazu BREHM, N. 160 zu Art. 47 OR ; KELLER, a.a.O., S. 131/2; HÜTTE, Genugtuungsrecht im Wandel, SJZ 84 (1988) S. 175; TERCIER, Die Genugtuung, Strassenverkehrsrechts-Tagung 1988, S. 20). b) Nach Auffassung der Vorinstanz sind analog der neuesten Rechtsprechung zu den Fällen mit Körperverletzungen, die schwerwiegende Dauerschäden zur Folge haben, auch die Genugtuungssummen wegen des Todes eines Angehörigen generell höher anzusetzen als früher. Das Bundesgericht hat eine derartige allgemeine BGE 114 II 144 S. 150 Erhöhung mit der Begründung abgelehnt, diese Rechtsprechung lasse sich, von der Anpassung an die Teuerung abgesehen, nicht auf den Unfalltod eines Angehörigen übertragen, der mit der Zeit doch leichter überwunden werden könne als eine lebenslängliche schwere Invalidität ( BGE 113 II 339 E. 6). Obschon der Vorinstanz insoweit nicht beizustimmen ist, kommt dem keine entscheidende Bedeutung zu, da die weiteren angeführten Gründe ihren Entscheid auch allein zu tragen vermögen. Sie hat mit Recht insbesondere das schwere Verschulden von H. und das Fehlen eines Mitverschuldens auf seiten der Getöteten sowie die Intensität der Beziehung zwischen den beiden Verlobten berücksichtigt. Sodann trifft entgegen der Behauptung der Beklagten nicht zu, dass diese Beziehung nicht auf Dauer ausgerichtet und völlig unverbindlich gewesen sei. Das Obergericht hat gegenteils und für das Bundesgericht verbindlich festgestellt, die Beziehung sei auf Dauer angelegt gewesen. Die Beklagte macht zudem geltend, bei der Bemessung der Genugtuung sei eine Abstufung nach dem Grad der familiären Beziehung vorzunehmen; in der Literatur werde die Meinung vertreten, dass bei Verlobten die Genugtuung kaum mehr als die Hälfte der bei Ehegatten geschuldeten Summe erreiche. Richtig ist, dass der Grad der Verwandtschaft bei der Bemessung der Genugtuung zu berücksichtigen ist. Gerade im Fall von Verlobten besteht jedoch in der Literatur nur insoweit Übereinstimmung, als die Meinung vertreten wird, die Genugtuung solle niedriger bemessen werden als diejenige für einen Ehegatten. Dagegen ist umstritten, ob sie niedriger oder höher sein soll als die Genugtuung der Eltern beim Tod eines Kindes. Während HÜTTE sie je nach Dauer und Intensität der Beziehung auch höher ansetzen will als die der Eltern (Die Genugtuung, 2. A. 1986, I/45, Ziff. 2.2.6.; SJZ 84 (1988), S. 175), soll die Genugtuung nach BREHM niedriger sein als die einer Mutter für den Verlust ihres einzigen Kindes (N. 160 zu Art. 47 OR ). Schliesslich ergibt sich aus der Aufstellung von KELLER, auf die sich die Beklagte beruft, dass dieser Autor die Genugtuung für Verlobte bei derjenigen von Kindern beim Tod von Vater oder Mutter einstufen will (a.a.O., S. 132). Auch die wenigen Urteile, welche Genugtuungen für Verlobte betrafen, zeigen kein einheitliches Bild. Das Kantonsgericht von Graubünden hat in einem Urteil aus dem Jahre 1978 festgehalten, die Genugtuungssumme sei für eine Braut tiefer anzusetzen als jene für eine Frau oder Mutter, die ihren Ehemann oder ihr einziges Kind BGE 114 II 144 S. 151 verliere, und es hat der Verlobten eine Genugtuung von Fr. 10'000.-- zuerkannt (PKG 1978 Nr. 3 S. 23). Sodann waren im Fall von BGE 57 II 54 vom kantonalen Richter dem Vater des verstorbenen Sohnes Fr. 1'000.-- und der Verlobten Fr. 500.-- Genugtuung zugesprochen worden. Das Bundesgericht hatte dort die Höhe der Genugtuungssummen jedoch nicht zu überprüfen. Schliesslich bezog sich BGE 66 II 221 E. 4 auf einen Sachverhalt, der mit dem vorliegenden insoweit vergleichbar ist, als die Beziehung zwischen den Verlobten mehrere Jahre gedauert hatte und diese beabsichtigten, wenige Monate nach dem Unfall zu heiraten. Das Bundesgericht betrachtete damals Genugtuungen von je Fr. 2'500.-- für die Eltern und von Fr. 3'000.-- für die Verlobte als angemessen. Alle diese Literaturmeinungen und Urteile zeigen, dass die Abstufung nach dem Verwandtschaftsgrad im Falle von Verlobten nur einen unsicheren Anhaltspunkt dafür bieten kann, in welchem Rahmen eine Genugtuung als angemessen erscheint. Jedenfalls liegt im Entscheid der Vorinstanz, die Genugtuung für den Verlobten gleich hoch wie diejenige für die Eltern zu bemessen, keine Ermessensverletzung. Das lässt sich in Anbetracht der Umstände des Falles, insbesondere wegen der Intensität der Gefühlsbeziehungen zwischen den Verlobten und der grossen Wahrscheinlichkeit einer späteren Heirat durchaus rechtfertigen. Dafür spricht aber auch der Vergleich mit BGE 66 II 221 E. 4, wo bei einem ähnlichen Sachverhalt der Verlobten eine höhere Genugtuung zugesprochen wurde als den Eltern. Mit dem weiteren Einwand der Beklagten, die den Eltern zuerkannten Genugtuungssummen lägen an der obersten noch vertretbaren Grenze, lässt sich ebenfalls keine Ermessensverletzung darlegen. Vorab ist festzuhalten, dass die Beklagte das Urteil der Vorinstanz in diesem Punkt nicht angefochten hat. Es ist daher lediglich zu prüfen, ob die Genugtuungssummen für die Eltern dermassen aus dem üblichen Rahmen fallen, dass sie als Anhaltspunkt für die Bemessung der Genugtuung an den Verlobten ausser Betracht bleiben müssen. Das trifft indes nicht zu, wie sich aus neueren Urteilen kantonaler Gerichte ergibt, mit welchen den Eltern Genugtuungssummen zwischen Fr. 20'000.-- und Fr. 35'000.-- zugesprochen wurden (JdT 1984 I Nr. 46 S. 441, 1985 I Nr. 46 S. 429; GVP 1983 Nr. 35 S. 82; RBOG 1987 Nr. 5 S. 61). c) Das Obergericht hat somit die nach der Rechtsprechung massgebenden Kriterien entgegen der Rüge der Beklagten nicht BGE 114 II 144 S. 152 falsch angewendet. Beizustimmen ist der Vorinstanz aber auch insoweit, als sie das jugendliche Alter von M., der zur Zeit des Todes seiner Verlobten fünfundzwanzig Jahre alt war, und die verhältnismässige kurze Dauer des engen Zusammenlebens der Verlobten für die obere Begrenzung der Genugtuungssumme berücksichtigt hat. In Würdigung all dieser Umstände erscheint die vom Obergericht zugesprochene Genugtuung von Fr. 25'000.-- als angemessen. Die Anschlussberufung ist demnach in diesem Punkt unbegründet. 4. Die Kläger beantragen, die Kosten beider kantonalen Verfahren der Beklagten aufzuerlegen und diese zu verpflichten, ihnen eine Parteientschädigung von Fr. 14'683.-- für beide Prozesse zu bezahlen. Gemäss Art. 157 und Art. 159 Abs. 6 OG kann das Bundesgericht die Kosten des kantonalen Verfahrens und die Parteientschädigungen anders festsetzen, falls es das angefochtene Urteil in der Sache abändert. Nach dem Sinn dieser Vorschriften kann eine Neuverteilung der Kosten dann vorgenommen werden, wenn und soweit die Änderungen in der Sache dies rechtfertigen. Das bedeutet, dass das Bundesgericht lediglich zu beurteilen hat, welche Auswirkungen sich aus der von ihm vorgenommenen Korrektur in der Sache selbst für die Kostenfrage ergeben können. Eine selbständige, davon losgelöste Überprüfung der auf kantonalem Recht beruhenden Kostenregelung ist dagegen im Berufungsverfahren ausgeschlossen ( BGE 96 II 63 mit Hinweisen). Im vorliegenden Fall ist die Änderung in der Sache mit Fr. 2'500.-- so gering, dass es sich nicht rechtfertigt, die Kosten des kantonalen Verfahrens und die Parteientschädigungen neu festzusetzen. Das angefochtene Urteil ist deshalb im Kostenpunkt zu bestätigen.
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Sachverhalt ab Seite 131 BGE 119 III 130 S. 131 A.- Am 27. August 1992 hat die Schuldbetreibungs- und Konkurskommission des Obergerichts des Kantons Luzern den von der Spar- und Hypothekenbank Luzern (nachfolgend SHBL) vorgeschlagenen Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung bestätigt und die ATAG Ernst & Young AG als Liquidatorin ernannt. Diese erstellte den Kollokationsplan, und dessen Auflegung wurde im SHAB vom 28. Mai 1993 sowie im Luzerner Kantonsblatt vom 29. Mai 1993 öffentlich bekanntgemacht. Vor Auflegung des Kollokationsplanes teilte die Liquidatorin der Baugenossenschaft U., welche nach den Büchern der SHBL ein Guthaben von Fr. 214'320.-- hat, ihre Kollokationsverfügung mit, wonach der Entscheid über die Kollokation oder Abweisung dieses Guthabens vorläufig ausgesetzt werde. Zur Begründung wurde ausgeführt, es könne darüber erst entschieden werden, wenn feststehe, ob und in welchem Umfang das Guthaben mit Forderungen der SHBL gegenüber X., der als der eigentlich wirtschaftlich Berechtigte an der Baugenossenschaft U. anzusehen sei, zur Verrechnung gebracht werde. B.- Eine Beschwerde gegen diese Verfügung wurde von der Schuldbetreibungs- und Konkurskommission des Obergerichts des Kantons Luzern abgewiesen, und im gleichen Sinn entschied die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts. Erwägungen Aus den Erwägungen: 4. Im Nachlassverfahren einer Bank sind für die Aufstellung des Kollokationsplanes grundsätzlich die Vorschriften des Konkursrechts massgeblich ( Art. 316g SchKG , Art. 30 VNB , SR 952.831; BGE 115 III 144 E. 2, BGE 105 III 28 E. 3 mit weiteren Hinweisen). Es gilt demnach auch die Rechtsprechung zu Art. 59 Abs. 2 KOV (SR 281.32), wonach die nachträgliche Ergänzung des Kollokationsplanes, wie sie diese Bestimmung erlaubt, nur bei ernsthaften Hindernissen oder Schwierigkeiten in Betracht gezogen werden darf ( BGE 115 III 144 E. 2a, BGE 103 III 13 E. 4, BGE 92 III 27 E. 1). a) Hauptsächlich diesbezüglich - also bei der Beantwortung der Frage, ob ernsthafte Hindernisse oder Schwierigkeiten die Aussetzung der Kollokationsverfügung rechtfertigen - nimmt die Rekurrentin einen anderen Standpunkt ein als die Liquidatorin und, im angefochtenen Entscheid, die Nachlassbehörde. Indessen erweisen sich die Vorbringen der Rekurrentin als unbehelflich. BGE 119 III 130 S. 132 Es trifft zwar zu, dass in BGE 92 III 27 E. 3 das besondere Interesse der Liquidationsmasse, gegenüber einer Gläubigerin (der Schweizerischen Kreditanstalt) einen allfälligen Rückgriffsanspruch verrechnungsweise statt selbständig geltend zu machen, verneint wurde. Der Grund lag darin, dass es an Anhaltspunkten für Geschäftsbeziehungen dieser Gläubigerin mit einer Gesellschaft, woran der Nachlassschuldner beteiligt gewesen war (IMMOSA), fehlte. Im vorliegenden Fall aber ist unwiderlegt geblieben, dass X. der wirtschaftlich tatsächlich Berechtigte an der Baugenossenschaft U. ist, die im Nachlassverfahren der SHBL eine Forderung von Fr. 214'320.-- kolloziert wissen möchte; und derselbe X. gewärtigt als Alleinaktionär und Vizepräsident der SHBL einen Verantwortlichkeitsprozess. Selbstverständlich ist noch offen, ob der Durchgriff via die Baugenossenschaft U. auf X., wie es sich die Liquidatorin vorstellt, am Ende möglich sein wird. Doch darüber ist im vorliegenden Rekursverfahren sowenig zu befinden wie über die damit zusammenhängende Frage, ob die Voraussetzungen für eine Verrechnungseinrede erfüllt seien. Auch ist hier nicht näher zu prüfen, ob ein Vorgehen gegen X. wegen dessen Wohnsitz in Monte Carlo erschwert wäre oder ob dies - wie die Rekurrentin vorbringt - zu verneinen sei, weil die Rekurrentin eine Gesellschaft mit Sitz in Aarburg ist und weil gemäss Art. 761 OR die Klage gegen die verantwortlichen Personen der SHBL beim Richter am Sitz der Gesellschaft in Luzern anzubringen ist. Fest steht aber auf jeden Fall, dass ein Verantwortlichkeitsprozess gegen X. nicht bloss (wie in BGE 92 III 27 S. 32) eine entfernte Möglichkeit ist. Bis zu dessen Abschluss wird noch viel Zeit verstreichen; und daher ist die Nachlassbehörde zu Recht der Meinung, es könne der grossen Zahl von Bankgläubigern nicht zugemutet werden, noch länger auf den Kollokationsplan und Abschlagszahlungen zu warten. Die Interessen der Mehrzahl der Bankgläubiger rechtfertigen es, den Kollokationsplan im jetzigen Zeitpunkt zu erstellen, während die Verantwortlichkeitsansprüche gegenüber X. eine Aussetzung der Kollokation der von der Rekurrentin geltend gemachten Forderung zu rechtfertigen vermögen. Die Verantwortlichkeitsansprüche könnten in der Tat auch selbständig geltend gemacht werden. Doch liegt es auf der Hand, dass mehr Aussicht auf deren Befriedigung besteht, wenn die Möglichkeit einer Verrechnung mit Forderungen einer Nachlassgläubigerin gegeben ist. Die Rekurrentin legt nicht konkret dar, inwiefern ihr durch das Vorgehen der Liquidatorin - die bereit ist, BGE 119 III 130 S. 133 Rückstellungen für der Baugenossenschaft U. vorderhand nicht ausgerichtete Abschlagszahlungen für den Fall zu bilden, dass es nicht zu einer Verrechnung kommen sollte - Nachteile erwachsen. b) Die Rekurrentin macht auch geltend, die Aussetzung der Kollokationsverfügung verstosse gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung der Gläubiger. Darüber braucht indessen nicht weiter diskutiert zu werden; denn wenn - nach den obigen Überlegungen - die nachträgliche Ergänzung des Kollokationsplanes im Sinne von Art. 59 Abs. 2 KOV als zulässig betrachtet wird, ist eine Ungleichbehandlung der Gläubiger bezüglich des Zeitpunktes der Kollokation und von Abschlagszahlungen die unvermeidliche, von der Rechtsordnung vorgesehene Folge.
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Sachverhalt ab Seite 154 BGE 110 II 153 S. 154 In der Betreibung Nr. 8586 des Betreibungsamtes Olten-Gösgen forderte die Tornado AG von R. K. einen Betrag von Fr. 275.- nebst Zins zu 5% seit dem 7. Mai 1982 und Kosten von Fr. 43.30. Die Betriebene erhob gegen den Zahlungsbefehl vom 25. Juli 1983 ohne Begründung Rechtsvorschlag. Das Gesuch um provisorische Rechtsöffnung wurde vom Amtsgerichtspräsidenten von Olten-Gösgen mit Entscheid vom 7. November 1983 abgewiesen. Gegen diesen Entscheid erhebt die Tornado AG staatsrechtliche Beschwerde mit dem Begehren, den angefochtenen Entscheid aufzuheben und die Sache zur Bewilligung der Rechtsöffnung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die Beschwerdegegnerin hat sich nicht vernehmen lassen. Der Amtsgerichtspräsident von Olten-Gösgen beantragt die Abweisung der Beschwerde. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Der Amtsgerichtspräsident von Olten-Gösgen hat die provisorische Rechtsöffnung verweigert, weil der zwischen der Tornado AG und R. K. am 29. Januar 1981 abgeschlossene Vertrag betreffend den Kauf eines Staubsaugers seines Erachtens nichtig war. Er hat auf einen Abzahlungsvertrag im Sinne von Art. 226a OR geschlossen, weil der vorgedruckte Vertrag vorsieht, dass nach einer Anzahlung von Fr. 275.- der Restbetrag von Fr. 600.- in 12 Teilraten von monatlich Fr. 50.- zu begleichen ist. Bei einem solchen Vertrag sei aber gemäss Art. 226a Abs. 2 Ziff. 4 OR Gültigkeitserfordernis, dass der Teilzahlungsaufschlag in Franken ausdrücklich festgehalten werde. Diesem Erfordernis genüge der Vertrag vom 29. Januar 1981 nicht, da er zwar von einem Skonto von Fr. 10.- bei Bezahlung des gesamten Kaufpreises innert dreissig Tagen nach Rechnungsstellung spreche, diesen Betrag aber entgegen Art. 226a Abs. 2 Ziff. 4 OR nicht als Teilzahlungsaufschlag bezeichne. 3. Gegen diese Betrachtungsweise wendet die Beschwerdeführerin ein, sie verlange gar keinen Teilzahlungszuschlag. Die Ratenzahlung in zwölf Monatsraten für den Restbetrag in der Höhe von Fr. 600.- verschaffe ihr den Vorteil, dass ihr damit das Eigentum am verkauften Staubsauger verbleibe, womit ihr Risiko gegenüber einem Barkauf geringer sei. Nur aus diesem Grunde habe sie den Abzahlungsvertrag gewählt. Aus der Tatsache, dass bei Barzahlung binnen dreissig Tagen nach Rechnungsstellung ein Skonto von Fr. 10.- gewährt werde, könne nicht geschlossen werden, BGE 110 II 153 S. 155 dass im Kaufpreis von insgesamt Fr. 875.- ein Teilzahlungszuschlag enthalten sei. Der Skonto werde wegen der Einsparung der Zinskosten gewährt. Bei einer mittleren Kaufpreisrestanz von Fr. 300.- würde der Jahreszins bei einem Zinssatz von 5% nämlich gegen Fr. 15.- ausmachen. 4. Mit dem Abschluss eines Abzahlungsvertrages im Sinne von Art. 226a ff. OR ist nicht schon von Gesetzes wegen ein Eigentumsvorbehalt zugunsten des Verkäufers verbunden. Vielmehr bedarf es auch bei einem Abzahlungsvertrag eines entsprechenden Eintrags im Eigentumsvorbehaltsregister gemäss Art. 715 ZGB . Art. 716 ZGB , der den Eigentumsvorbehalt in bezug auf die Abzahlungsgeschäfte regelt, sieht keine Ausnahme von dem in Art. 715 ZGB vorgesehenen Registereintrag vor. Eine solche Ausnahme wäre auch nicht gerechtfertigt, würde damit doch gerade bei den oftmals für Dritte nicht leicht erkennbaren Abzahlungsgeschäften dem Rechtsverkehr jener Schutz versagt, den die Einrichtung des Eigentumsvorbehaltsregisters bezweckt (vgl. E. BÜRGI, Theorie und Praxis des Eigentumsvorbehalts, BTJP 1981, S. 111 ff.). Es ist aber auch nicht ersichtlich, weshalb der Skonto von Fr. 10.- gegenüber dem vertraglich vereinbarten Kaufpreis für den Fall der Barzahlung binnen dreissig Tagen seit Rechnungstellung mit der entfallenden Kreditierung des Restkaufpreises nichts zu tun haben soll. Es ist zumindest mit sachlichen Gründen vertretbar und damit nicht willkürlich, die Nichtgewährung des Skontos bei Ratenzahlung als Teilzahlungszuschlag zu betrachten. Im übrigen durfte der Amtsgerichtspräsident an die Gültigkeitsvorschrift in Art. 226a Abs. 2 Ziff. 4 OR , wonach der Teilzahlungszuschlag ausdrücklich im Vertrag zu erwähnen ist, sehr wohl strenge Anforderungen stellen. Aus der Sicht einer Sozialschutzgesetzgebung geht es in der Tat darum, dass dem Teilzahlungskäufer beim Vertragsschluss klar werden soll, welche Verteuerung er mit dem Kreditkauf auf sich nehmen muss. Der Bundesrat verdeutlicht diese Absicht in seinem Entwurf zu einem Bundesgesetz über den Konsumkredit (KKG) vom 12. Juni 1978 (BBl 1978 II 485 ff.) in Art. 226c Abs. 1 Ziff. 4 dahingehend, dass der Abzahlungsvertrag den "Teilzahlungszuschlag in Franken und in Jahresprozenten des um die Anzahlung verminderten Barkaufpreises, berechnet auf den mittleren Verfall", ausdrücklich erwähnen muss. Das Erfordernis einer ausdrücklichen Bezeichnung des Teilzahlungszuschlages mag zwar im vorliegenden Vertrag, bei dem der Vertragsinhalt BGE 110 II 153 S. 156 hinsichtlich der geldwerten Gegenleistung und des Unterschieds zwischen der Ratenzahlung beim Restkaufpreis einerseits und der Barzahlung dieses Restkaufpreises anderseits dem Vertragstext entnommen werden kann, als weitgehend betrachtet werden; als völlig sinnlos erscheint es indessen nicht. Die Beschwerde ist daher abzuweisen.
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Sachverhalt ab Seite 104 BGE 128 I 102 S. 104 Mit Verfügung vom 16. März 1999 erteilte die Gewerbe- und Handelspolizei des Kantons Solothurn Maria Halbeisen für den Betrieb des Gasthofes Alpenblick in Mümliswil-Ramiswil das Patent gemäss § 4 des Wirtschaftsgesetzes mit Wirkung ab 1. Januar 1999 und setzte die Jahrespatentgebühr auf Fr. -.- fest. Maria Halbeisen erhob gegen die Erhebung dieser Patentgebühr beim Departement des Innern des Kantons Solothurn (Entscheid vom 21. Oktober 1999) und hernach beim Kantonalen Steuergericht Solothurn (Urteil vom 12. März 2001) erfolglos Beschwerde. Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 11. Mai 2001 stellt Maria Halbeisen beim Bundesgericht den Antrag, das Urteil des Kantonalen Steuergerichts Solothurn vom 12. März 2001 aufzuheben. Sie rügt eine Verletzung des Legalitätsprinzips im Abgaberecht, des Grundsatzes der Gewaltentrennung, der Art. 132 Abs. 3 und 142 der Kantonsverfassung, des Art. 49 Abs. 1 BV (derogatorische Kraft des Bundesrechts), Art. 27 Abs. 1 BV (Wirtschaftsfreiheit), Art. 8 BV (Rechtsgleichheit), Art. 9 BV (Willkürverbot) sowie Art. 127 Abs. 2 BV (Grundsatz der Allgemeinheit, der Gleichmässigkeit und Verhältnismässigkeit der Besteuerung). Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. a) Nach Art. 132 Abs. 1 der Verfassung des Kantons Solothurn vom 8. Juni 1986 (KV; in Kraft seit 1. Januar 1988) kann der Kanton folgende Steuern erheben: "a. Personal-, Einkommens- und Vermögenssteuer von den natürlichen Personen; b. Gewinn- und Kapitalsteuer von den juristischen Personen; c. Steuern auf Grundstückgewinnen und auf nicht periodischen Einkünften; d. Finanzausgleichssteuer von den juristischen Personen; e. Spitalsteuer; f. Handänderungssteuer; g. Erbschaftssteuer und Nachlasstaxe; BGE 128 I 102 S. 105 h. Motorfahrzeugsteuer; i. Schiffssteuer; k. Schenkungssteuer; l. Hundesteuer." Zweckgebundene Steuern dürfen nur so lange erhoben werden, als sie benötigt werden (Art. 132 Abs. 2 KV). Art. 132 Abs. 3 KV bestimmt: "Die Einführung neuer kantonaler Steuern bedarf einer verfassungsrechtlichen Grundlage". b) Nach § 21 des Gesetzes vom 6. Dezember 1964 über das Gastgewerbe und den Handel mit geistigen Getränken (altes Wirtschaftsgesetz, aWG) durften Patente für Gastgewerbebetriebe nur erteilt werden, wenn ein Bedürfnis im Sinne der Art. 31ter und 32quater der alten Bundesverfassung gegeben war (wirtschaftspolitische und wirtschaftspolizeiliche Bedürfnisklausel). Die jährlich zu entrichtenden Patentgebühren lagen zwischen 200 und 800 Franken ( § 97 Abs. 1 lit. a aWG ). Das totalrevidierte Gesetz vom 9. Juni 1996 über das Gastgewerbe und den Handel mit alkoholhaltigen Getränken (neues Wirtschaftsgesetz, nWG; in Kraft seit 1. Januar 1997) verzichtet sowohl auf die bisherigen Bedürfnisklauseln als auch auf das Erfordernis eines gastgewerblichen Fähigkeitsausweises, unterwirft aber die Führung von Gastgewerbebetrieben weiterhin der Patentpflicht (§ 4 nWG). Für solche Betriebe ist eine jährliche Patentgebühr zu entrichten, die nach den erzielten Umsätzen zu bemessen ist; sie beträgt mindestens 250 Franken und höchstens 2500 Franken pro Jahr, wobei die nähere Regelung der Gebührenfestsetzung dem Kantonsrat übertragen ist (§§ 37/38 nWG). Nach dem vom Kantonsrat am 25. Juni 1996 erlassenen Gebührentarif zum Wirtschaftsgesetz beträgt die jährliche Gebühr für patentpflichtige Gastgewerbebetriebe 1o/oo des Umsatzes (§ 7), wobei für bestehende Betriebe der in den letzten fünf Jahren erzielte durchschnittliche Umsatz massgebend ist (§ 8). 3. Die Gesetzeskonformität der der Beschwerdeführerin auferlegten jährlichen Patentgebühr von Fr. -.- ist nicht streitig. Die Beschwerdeführerin macht jedoch geltend, dass die betreffenden Bestimmungen des neuen Wirtschaftsgesetzes gegen Normen des kantonalen und eidgenössischen Verfassungsrechtes verstiessen. Mit der staatsrechtlichen Beschwerde gegen einen Einzelakt kann auch die Verfassungswidrigkeit der zur Anwendung gelangten kantonalen Normen gerügt werden (akzessorische Normenkontrolle). Das Bundesgericht prüft dabei aber die Verfassungsmässigkeit der BGE 128 I 102 S. 106 beanstandeten Normen nicht auf alle möglichen Konstellationen hin, sondern nur unter dem Gesichtswinkel des konkreten Falles, und wenn sich die Rüge als begründet erweist, hebt es nicht die beanstandete Norm als solche, sondern lediglich den gestützt auf sie ergangenen Anwendungsakt auf ( BGE 124 I 289 E. 2 S. 291 mit Hinweisen). 4. a) Die Beschwerdeführerin machte im Verfahren vor dem kantonalen Steuergericht geltend, die von ihr aufgrund des neuen Wirtschaftsgesetzes verlangte jährliche Abgabe sei als Steuer zu qualifizieren, welche der nach Art. 132 KV erforderlichen Grundlage in der Kantonsverfassung entbehre. Das Steuergericht qualifizierte die streitige Abgabe als Gemengsteuer, die sowohl Elemente einer Gebühr als auch einer Steuer enthalte. Dies habe aber schon für die Patentgebühr gemäss dem alten Wirtschaftsgesetz von 1964 gegolten, weshalb sich der Rechtscharakter der Patentgebühr durch die Totalrevision des Wirtschaftsgesetzes von 1996 nicht geändert habe. Damit handle es sich bei der streitigen Patentgebühr nicht um eine neue Steuer im Sinne von Art. 132 Abs. 3 KV, die einer verfassungsrechtlichen Grundlage bedürfte. Die Beschwerdeführerin hält dem vor Bundesgericht entgegen, die nach dem alten Wirtschaftsgesetz von 1964 erhobene Patentgebühr habe neben dem Gebührenelement offensichtlich auch Elemente einer Vorzugslast aufgewiesen, indem der durch die damaligen Bedürfnisklauseln bewirkte Konkurrenzschutz dem Patentinhaber einen wirtschaftlichen Sondervorteil verschafft habe. Die künstliche Verknappung von Wirtschaften habe eine erhebliche Wertsteigerung der bestehenden Betriebe mit sich gebracht. Die bisherige Patentgebühr habe damit hauptsächlich den Charakter einer Vorzugslast gehabt, auch wenn sie nicht auf die Abgeltung eines bestimmten, zurechenbaren staatlichen Aufwandes ausgerichtet gewesen sei. Sofern sie zusätzlich noch einen allfälligen Steueranteil mitenthalten habe, sei dieser nicht mehr gross ins Gewicht gefallen. Hätte der Steueranteil einen wesentlichen Teil der Patentgebühr ausgemacht, wäre diese Abgabe in den Katalog der verfassungsrechtlich verankerten Steuern gemäss Art. 132 Abs. 1 KV aufgenommen worden. Mit dem neuen Wirtschaftsgesetz von 1996 seien sowohl die Bedürfnisklauseln als auch das Erfordernis des Fähigkeitsausweises dahingefallen. Dadurch habe sich der Verwaltungsaufwand der Behörden auf ein Minimum reduziert, so dass die jährliche Patentgebühr ausschliesslich Steuercharakter habe. Der bisherige Sondervorteil des Konkurrenzschutzes sei dahingefallen. BGE 128 I 102 S. 107 Das Steuergericht habe diese Auswirkung der Abschaffung der Bedürfnisklausel auf die Rechtsnatur der Abgabe willkürlich verneint. Selbst wenn der Argumentation des Steuergerichtes zu folgen wäre, wonach es sich schon bisher um eine Gemengsteuer gehandelt habe, wäre die neue Gemengsteuer von der alten so verschieden, dass von einer neuen Steuer gesprochen werden müsste. b) Eine echte Vorzugslast im Sinne einer dem Kostendeckungs- und dem Aequivalenzprinzip unterworfenen Kausalabgabe konnte die nach dem alten Wirtschaftsgesetz erhobene Patentgebühr schon deshalb nicht darstellen, weil die Abgabe nicht als Beitrag zur Deckung des dem Kanton aus dem Wirtschaftswesen und insbesondere aus der Handhabung der Bedürfnisklauseln entstehenden Finanzaufwandes konzipiert, sondern kostenunabhängig ausgestaltet war. Des Weiteren wurde die Abgabe nach Massgabe des Umsatzes von jedem Patentinhaber erhoben, ohne Rücksicht darauf, wie sich die aus den Bedürfnisklauseln resultierenden Vorteile im Einzelfall überhaupt auswirkten. Sie konnte daher auch nicht als Mehrwertabgabe eingestuft werden, welche, unabhängig vom Kostenaufwand, nach Massgabe der dem Einzelnen aus einer staatlichen Massnahme resultierenden Vorteile bemessen wird (sog. kostenunabhängige Kausalabgabe; BGE 121 II 138 E. 3c S. 143 mit Hinweisen). Die Abgabe war schliesslich, da für das Wirtschaftsgewerbe kein Staatsmonopol bestand und jeder Gesuchsteller nach Massgabe der Bedürfnisklauseln und der übrigen gesetzlichen Voraussetzungen Anspruch auf Erteilung eines Patentes hatte, auch nicht etwa eine Monopol- oder Konzessionsgebühr. Es handelte sich damit nicht um eine Kausalabgabe, sondern um eine Steuer. Die Wirtschaftspatenttaxen wurden denn auch, soweit sie den durch Gebühren abzudeckenden Verwaltungsaufwand überstiegen, seit jeher als Gemengsteuer bzw. als Gewerbesteuer angesehen, für deren Erhebung sich die Kantone auf Art. 31 Abs. 2 aBV stützen konnten (RENÉ RHINOW, in: Kommentar BV, Rz. 217 f. zu Art. 31 aBV ; JEAN-FRANÇOIS AUBERT, in: Kommentar BV, Rz. 32 zu Art. 32quater aBV ; MARCEL MANGISCH, Die Gastwirtschaftsgesetzgebung der Kantone im Verhältnis zur Handels- und Gewerbefreiheit, Bern 1982, S. 204 f.; HANS MARTI, Die Wirtschaftsfreiheit der schweizerischen Bundesverfassung, Basel 1976, S. 181 ff.; YVONNE ECKSTEIN, Das Gastwirtschaftspatent im Kanton Baselland, Diss. Basel 1979, S. 56; ALBERT KRUMMENACHER, Das Verhältnis der kantonalen Steuerhoheit zur Handels- und Gewerbefreiheit in der Rekurspraxis der Bundesbehörden, Diss. Bern 1946, S. 44 ff.; WILLY KELLER, Die kantonalen BGE 128 I 102 S. 108 Sondergewerbesteuern und die Bundesverfassung, Diss. Zürich 1945, S. 80 ff., 84, 90). Dass die Patentinhaber unter dem Regime von Bedürfnisklauseln einen gewissen Konkurrenzschutz genossen, stellt die Charakterisierung der Patentabgabe als Steuer nicht in Frage. Anlass für deren Erhebung war nicht die Abgeltung des aus allfälligen Bedürfnisklauseln resultierenden Konkurrenzschutzes, sondern das gesundheitspolitische Anliegen, den Betrieb von Wirtschaften (zusätzlich) durch die Belastung mit Abgaben zu erschweren (KRUMMENACHER, a.a.O., S. 45, 47; MANGISCH, a.a.O., S. 203, 205; KELLER, a.a.O., S. 83 f.), wobei diese Sondergewerbesteuer, welche in sämtlichen Kantonen von den Patentinhabern verlangt wird oder wurde, zugleich fiskalischen Zwecken dient (MANGISCH, a.a.O., S. 212). c) Die Annahme des Steuergerichts, wonach die Jahrespatentgebühr schon nach dem alten Wirtschaftsgesetz eine Gemengsteuer gebildet habe, lässt sich daher, entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin, nicht beanstanden. Die Abgabe wurde nicht erst durch die mit dem neuen Wirtschaftsgesetz von 1996 erfolgte Aufhebung der Bedürfnisklauseln zu einer eigentlichen Steuer, sondern sie hatte diesen Charakter nach dem Gesagten schon bisher. Insofern liegt in der Aufrechterhaltung der Jahrespatentgebühr nicht die Einführung einer neuen Steuer, welche nach Art. 132 Abs. 3 KV einer besonderen verfassungsrechtlichen Grundlage bedürfte. Die zur Diskussion stehende Patentabgabe figuriert allerdings auch nicht unter den in Art. 132 Abs. 1 KV aufgezählten Steuern, welche der Kanton erheben darf. Bei dieser Aufzählung ging es indessen lediglich um die Erfassung des Ist-Zustands, nicht dagegen um die Einführung neuer oder um die Abschaffung bestehender Steuern (vgl. BGE 126 I 180 E. 2b/cc S. 185 mit Hinweisen). Dass der Verfassungsrat die Jahrespatentgebühr nach Wirtschaftsgesetz damals nicht zu den Steuern rechnete, steht dem Weiterbestand dieser Abgabe, auch wenn sie richtigerweise ebenfalls als Steuer (bzw. als Gemengsteuer) eingestuft werden muss, nicht entgegen. d) Wieweit der Wegfall der Bedürfnisklauseln und des Fähigkeitsausweises zu einer Verringerung des dem Kanton im Bereich des Gastwirtschaftswesens entstehenden Verwaltungsaufwandes geführt hat, bedarf hier keiner näheren Klärung. Auch wenn sich die (nicht durch spezielle Gebühren gedeckten) administrativen Umtriebe durch die erwähnte Neuregelung stark verringert haben mögen, durfte das Steuergericht doch zulässigerweise davon ausgehen, dass die Jahrespatentgebühr nach wie vor in einem gewissen BGE 128 I 102 S. 109 Masse auch der Abgeltung von verursachtem Verwaltungsaufwand dient, womit die Abgabe auch heute noch als Gemengsteuer eingestuft werden kann. Wohl tritt durch die Verringerung des abzugeltenden Verwaltungsaufwandes und die gleichzeitige Erhöhung der Obergrenze der Abgabe von bisher 800 auf nunmehr 2500 Franken der Steuercharakter der Abgabe stärker in Erscheinung. Doch ist dieser Unterschied nur graduell, weshalb nicht von einer "neuen Steuer" im Sinne von Art. 132 Abs. 3 KV gesprochen werden kann. Jedenfalls hat der Gesetzgeber beim Erlass des neuen Wirtschaftsgesetzes die Kantonsverfassung in diesem Sinne interpretiert, und es besteht für das Bundesgericht kein Anlass, von dieser Auslegung abzuweichen (vgl. BGE 121 I 1 E. 2 S. 3, 291 E. 1c S. 293, 334 E. 2b S. 338). e) Die Beschwerdeführerin verweist schliesslich auf die Übergangsbestimmung in Art. 142 Abs. 1 KV. Danach gelten Erlasse, die in einem nach der neuen Verfassung nicht mehr zulässigen Verfahren geschaffen worden sind, zwar weiter; doch richten sich Änderungen nach der neuen Verfassung. Da mit dem Wirtschaftsgesetz von 1996, wie dargelegt, nicht eine neue Steuer eingeführt wurde, lässt sich die Notwendigkeit der Schaffung einer Verfassungsgrundlage für die streitige Abgabe auch nicht aus der angerufenen Übergangsbestimmung ableiten. Die Rüge der Verletzung von kantonalem Verfassungsrecht erweist sich als unbegründet. 5. Die Beschwerdeführerin wendet ein, die neue Bundesverfassung vom 18. April 1999 enthalte keine dem bisherigen Vorbehalt in Art. 31 Abs. 2 aBV entsprechende Bestimmung mehr, durch welche die Kantone zur Besteuerung von Handel und Gewerbe ermächtigt worden seien. Die Erhebung der streitigen Patentabgaben verstosse damit gegen die derogatorische Kraft des Bundesrechts ( Art. 49 Abs. 1 BV ). Allein daraus, dass die neue Bundesverfassung sich über die Zulässigkeit kantonaler Gewerbesteuern nicht mehr explizit ausspricht, lässt sich nicht folgern, derartige kantonale Steuern seien nunmehr generell ausgeschlossen. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass die Kantone Gewerbesteuern nach Massgabe der bisherigen verfassungsrechtlichen Schranken - in Ausübung der ihnen gemäss Art. 3 BV originär zukommenden Steuerhoheit, unter Vorbehalt der Steuerkompetenzen des Bundes ( Art. 134 BV ) und unter Beachtung der verfassungsmässigen Rechte und Grundsätze ( Art. 127 BV sowie hier insbesondere Art. 94 Abs. 1 und 4 BV ) - BGE 128 I 102 S. 110 weiterhin erheben dürfen (ANDREAS AUER/GIORGIO MALINVERNI/MICHEL HOTTELIER, Droit constitutionnel suisse, Bd. II, Bern 2000, Rz. 692, S. 354; vgl. auch JÖRG PAUL MÜLLER, Grundrechte in der Schweiz, 3. Aufl., Bern 1999, S. 665; ULRICH HÄFELIN/WALTER HALLER, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 5. Aufl., Zürich 2001, S. 190 f.; XAVIER OBERSON/PIERRE-ALAIN GUILLAUME, Le régime financier dans le droit constitutionnel des cantons, in: Daniel Thürer/Jean-François Aubert/Jörg Paul Müller [Hrsg.], Verfassungsrecht der Schweiz, Zürich 2001, Rz. 16, S. 1229). 6. a) Die Beschwerdeführerin erblickt in der angefochtenen Patentabgabe eine diskriminierende, gegen den Grundsatz der Wirtschaftsfreiheit wie auch gegen die Rechtsgleichheit verstossende besondere Belastung des Gastgewerbes. Seit der Revision des Wirtschaftsgesetzes fehle ein sachlicher Grund für diese Sondersteuer. Es sei nicht nachvollziehbar, wieso die Gastwirtschaftsbetriebe im Gegensatz zu andern Gewerbezweigen eine jährliche Patentabgabe zu entrichten hätten. Mit dem Wegfall der wirtschaftspolitischen Bedürfnisklausel und des wirtschaftspolizeilich motivierten Fähigkeitsausweises habe die jährliche Patentabgabe jegliche Berechtigung verloren. Durch die sachlich unbegründete Besteuerung eines einzelnen Gewerbezweiges werde auch der in Art. 127 Abs. 2 BV verankerte Grundsatz der Allgemeinheit, Gleichmässigkeit und Verhältnismässigkeit der Besteuerung verletzt. b) Kantonale Gewerbesteuern verstossen gegen die Wirtschaftsfreiheit, wenn sie sich für den betroffenen Gewerbezweig prohibitiv auswirken, indem sie einen angemessenen Geschäftsgewinn verunmöglichen und die Ausübung des Gewerbes in Frage stellen oder zumindest erheblich erschweren (so BGE 75 I 110 E. 5 S. 112; vgl. auch BGE 125 I 182 E. 5b S. 199; BGE 114 Ib 17 E. 5a S. 23; BGE 87 I 29 E. 3 S. 31; RHINOW, a.a.O., Rz. 219 zu Art. 31 aBV ; MARTI, a.a.O., S. 186). Des Weiteren ist es den Kantonen untersagt, durch solche Steuern wirtschaftspolitische Ziele zu verfolgen, indem zum Beispiel gewisse Gewerbeformen aus protektionistischen Gründen stärker belastet werden als andere (RHINOW, a.a.O., Rz. 220 zu Art. 31 aBV ; MARTI, a.a.O., S. 182). Dass die vorliegend angefochtene Jahrespatentgebühr durch prohibitive Höhe oder protektionistische Zielrichtung gegen die Wirtschaftsfreiheit verstosse, ist nicht dargetan. Es kann sich daher einzig fragen, ob diese Sonderbelastung des Gastgewerbes sich auf hinreichende sachliche Gründe stützen kann, um vor dem allgemeinen Rechtsgleichheitsgebot ( Art. 8 BV ) und dem Willkürverbot ( Art. 9 BV ) standzuhalten. Nach der Rechtsprechung BGE 128 I 102 S. 111 des Bundesgerichts müssen Sondergewerbesteuern durch "objektive Gründe" (ASA 49 S. 345 E. 4a S. 352) bzw. durch "Interessen allgemeiner Art" (ASA 32 S. 425 E. 2 S. 427; BGE 87 I 29 E. 3 S. 30) gerechtfertigt sein, wobei aber kein strenger Massstab angelegt wird (JEAN-FRANÇOIS AUBERT, Bundesstaatsrecht der Schweiz, Bd. II, Basel/Frankfurt a.M. 1995, Nr. 1946, S. 885; RHINOW, a.a.O., Rz. 222 zu Art. 31 aBV ; ASA 49 S. 345 E. 4a S. 352). Als zulässig erachtet wurden etwa Sondersteuern für Kinos ( BGE 54 I 78 ), für das Hausieren ( BGE 54 I 225 ), für Ausverkäufe ( BGE 79 I 209 ), für Automatenverkäufe ( BGE 60 I 188 ) und für Verkaufswagen ( BGE 87 I 29 ; vgl. zu diesen Beispielen die kritischen Bemerkungen bei AUBERT, a.a.O.). Zugelassen wurde schliesslich auch eine "taxe professionnelle" des Kantons Genf, welche von allen natürlichen oder juristischen Personen, die im Kanton ein Gewerbe oder Handelsgeschäft betrieben, nach Massgabe des Umsatzes und weiterer Faktoren erhoben wurde (ASA 49 S. 345 ff.; vgl. auch BGE 122 I 61 ). c) Wirtschaftspatenttaxen der vorliegenden Art werden oder wurden offenbar in allen Kantonen erhoben (vgl. MANGISCH, a.a.O., S. 210, 212). Diese Sonderbelastung des Gastgewerbes hat historische Wurzeln. Das Recht zum Betrieb einer Wirtschaft war ursprünglich ein vom Grundherrn verliehenes Nutzungsrecht, das durch regelmässige Zinsleistungen zu entgelten war. Diese Abgabepflicht überdauerte die Entwicklung bis zur Helvetik, welche die Handels- und Gewerbefreiheit proklamierte und die Abgabepflicht der Wirte beseitigte. Die starke Zunahme der Wirtschaftsbetriebe und damit verbundene Missstände führten aber bald zur Einführung von Patentsystemen, verbunden mit fiskalischen Abgaben in Form von Patentgebühren (Näheres zur geschichtlichen Entwicklung bei KELLER, a.a.O., S. 80 ff. und MANGISCH, a.a.O., S. 202 ff.). Wenn das Gastgewerbe, im Gegensatz zu den meisten andern Gewerbezweigen, heute noch mit einer Sondersteuer belastet wird, entbehrt dies nicht jeglicher sachlichen Begründung. Soweit es sich um Wirtschaften mit Alkoholausschank handelt, lassen sich für diese Sonderbelastung gesundheitspolitische Argumente anführen. Wohl stehen alkoholische Getränke auch im Detailhandel zur Verfügung, doch kann der Alkoholkonsum in öffentlichen Lokalen vermehrt zum Fahren in angetrunkenem Zustand verleiten. Sodann ist der Betrieb von Wirtschaften allgemein in erhöhtem Masse geeignet, die öffentliche Ordnung zu gefährden (Lärm-, Parkierungs- und Zufahrtsprobleme), was einen entsprechenden staatlichen Aufwand verursacht. Diese dem Gastgewerbe anhaftenden Besonderheiten, BGE 128 I 102 S. 112 aufgrund derer nach dem Wertmassstab der früheren Bundesverfassung sogar Bedürfnisklauseln zulässig waren, reichen aus, um die Erhebung einer fiskalischen Patentabgabe auch heute noch als mit dem Willkürverbot und Rechtsgleichheitsgebot vereinbar erscheinen zu lassen. Wohl mochte die Patentabgabe unter dem Regime der bisherigen Bedürfnisklauseln von den Wirten subjektiv als Gegenleistung für den resultierenden Konkurrenzschutz empfunden worden sein. Rechtlich war sie jedoch, soweit sie den gebührenmässig erfassbaren Verwaltungsaufwand überstieg, eine unabhängig von solchen Vorteilen geschuldete Steuer, die als solche vom kantonalen Gesetzgeber auch nach dem Hinfall der Bedürfnisklauseln aufrechterhalten werden kann. Dass die im Kanton Solothurn geforderten Patentabgaben durch ihre Höhe oder die Art ihrer Berechnung gegen das Willkürverbot verstossen, wird nicht geltend gemacht. d) Der Hinweis auf die in Art. 127 Abs. 2 BV verankerten Grundsätze der Allgemeinheit und der Gleichmässigkeit der Besteuerung sowie der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit vermag der Beschwerdeführerin nichts zu nützen. Diese Grundsätze gelten, wie schon im Wortlaut der genannten Verfassungsbestimmung zum Ausdruck kommt, nur soweit es die Art der Steuer zulässt. Es ist kennzeichnend für Sondersteuern der vorliegenden Art, dass sie nur einen bestimmten Kreis von Abgabepflichtigen treffen. Was die Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit anbelangt, so erscheint dieser Grundsatz durch die vorliegende Regelung, welche die Abgabe von der Höhe des Umsatzes abhängig macht, als hinreichend gewahrt.
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Sachverhalt ab Seite 202 BGE 140 V 201 S. 202 A. H. (geb. 1955) bezog mit Wirkung ab 1. Juli 2010 eine ganze Rente der Invalidenversicherung (Verfügung der IV-Stelle des Kantons Zürich vom 11. April 2011). Auf ihr Gesuch vom 27. April 2011 hin sprach ihr die Gemeinde X., Durchführungsstelle für Zusatzleistungen zur AHV/IV, mit Verfügung vom 10. Mai 2012 monatliche Ergänzungsleistungen und Beihilfen zu (für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 2010 monatliche Ergänzungsleistungen von Fr. 311.- und monatliche Beihilfen von Fr. 159.-, vom 1. Januar bis 30. April 2011 Fr. 399.- und Fr. 202.- sowie ab 1. Mai 2011 Fr. 437.- und Fr. 202.-). Eine von der Versicherten dagegen erhobene Einsprache hiess die Gemeinde X., Durchführungsstelle für Zusatzleistungen zur AHV/IV, teilweise gut; sie sprach der Versicherten für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 2010 Fr. 866.- und Fr. 202.- zu, vom 1. Januar bis 30. April 2011 Fr. 1'021.- und Fr. 202.-, vom 1. Mai bis 31. Dezember 2011 Fr. 475.- und Fr. 202.- sowie ab 1. Dezember 2012 Fr. 511.- und Fr. 202.- (Einspracheentscheid vom 7. Juni 2012). B. Beschwerdeweise beantragte H., der Einspracheentscheid sei insoweit aufzuheben, als die Zusatzleistungen ab Mai 2011 auf monatlich Fr. 677.- (Ergänzungsleistungen von Fr. 475.- und Zusatzleistungen von Fr. 202.-) respektive auf Fr. 713.- (Ergänzungsleistungen von Fr. 511.- und Zusatzleistungen von Fr. 202.-) herabgesetzt worden seien, und es seien ihr die gesetzlichen Leistungen zuzusprechen. Mit Entscheid vom 2. Oktober 2013 wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich die Beschwerde ab. C. H. lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und das Rechtsbegehren stellen, der kantonale Entscheid sei aufzuheben und die Gemeinde X., Durchführungsstelle für Zusatzleistungen zur AHV/IV, zu verpflichten, die gesetzlichen Leistungen zu erbringen. BGE 140 V 201 S. 203 Die Gemeinde X., Durchführungsstelle für Zusatzleistungen zur AHV/IV, lässt auf Abweisung der Beschwerde schliessen. Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) verzichtet auf eine Vernehmlassung. In einer weiteren Eingabe hat H. ein neues Beweismittel aus einem zwischen ihr und den Sozialbehörden der Gemeinde Z. vor dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich hängigen Prozess betreffend Sozialhilfeleistungen eingereicht (Auszug aus einer Stellungnahme des die Sozialbehörden vertretenden Rechtsanwalts E. vom 5. Dezember 2013). Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. 2.1 Anspruch auf Ergänzungsleistungen (EL) haben unter anderem Personen, die Anspruch auf eine Rente der Invalidenversicherung haben ( Art. 4 Abs. 1 lit. c ELG [SR 831.30]), wenn die vom Gesetz anerkannten Ausgaben die anrechenbaren Einnahmen übersteigen. Was als Ausgaben anerkannt und was als Einnahmen angerechnet wird, ist in Art. 10 und 11 ELG bestimmt. In zeitlicher Hinsicht massgebend sind in der Regel die während des vorausgegangenen Kalenderjahres erzielten anrechenbaren Einnahmen sowie das am 1. Januar des Bezugsjahres vorhandene Vermögen ( Art. 23 Abs. 1 ELV [SR 831.301]). 2.2 Nach der Rechtsprechung sind Freizügigkeitsguthaben der beruflichen Vorsorge bei der Berechnung des EL-Anspruchs als Vermögen entsprechend Art. 3c Abs. 1 lit. c aELG (heute: Art. 11 Abs. 1 lit. c ELG ) zu berücksichtigen, wenn sie bezogen werden können. Gemäss Art. 16 Abs. 2 der Verordnung vom 3. Oktober 1994 über die Freizügigkeit in der beruflichen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (Freizügigkeitsverordnung, FZV; SR 831.425) kann die versicherte Person die vorzeitige Auszahlung der Altersleistung (von Freizügigkeitspolicen und Freizügigkeitskonten) verlangen, wenn sie (bei fehlender anderweitiger Versicherung des Invaliditätsrisikos) eine volle (ganze) Rente der Eidgenössischen Invalidenversicherung bezieht. Demzufolge ist der EL-berechtigten Person das Freizügigkeitskapital, welches sie gestützt auf Art. 16 Abs. 2 FZV beziehen könnte, in dem Zeitpunkt, in dem sie Anspruch auf eine ganze Invalidenrente begründet, als Vermögen anzurechnen (Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts P 56/05 vom BGE 140 V 201 S. 204 29. Mai 2006 E. 3, in: SVR 2007 EL Nr. 3 S. 5 und Urteil 9C_612/2012 vom 28. November 2012 E. 3.3; CARIGIET/KOCH, Ergänzungsleistungen zur AHV/IV, 2. Aufl. 2009, S. 164). 3. 3.1 Es steht fest, dass die Beschwerdeführerin seit 1. Juli 2010 eine ganze Invalidenrente bezieht und dementsprechend ab diesem Zeitpunkt das bei der Freizügigkeitsstiftung Y. auf einem Freizügigkeitskonto liegende Guthaben, welches am 31. Dezember 2010 einen Saldo von Fr. 156'103.- aufwies, hätte beziehen können. Weiter geht aus den Akten, insbesondere aus der Abrechnung der Freizügigkeitsstiftung Y. vom 10. Juli 2012, hervor, dass sich die Versicherte das Guthaben am 10. Juli 2012 auszahlen liess (damaliger Stand: Fr. 159'020.-). 3.2 Streitig und zu prüfen ist, ob EL-Stelle und Vorinstanz zu Recht davon ausgehen, dass in Anwendung der in E. 2.2 dargelegten Rechtsprechung in der EL-Berechnung der Beschwerdeführerin mit Wirkung ab 2011 das bis Anfang Juli 2012 auf dem Freizügigkeitskonto stehen gelassene Guthaben einnahmeseitig in voller Höhe - d.h. mit Fr. 156'103.- (Stand am 31. Dezember 2010) - zu berücksichtigen ist. 3.3 Die Beschwerdeführerin stellt sich auf den Standpunkt, die Steuerschulden, welche bei einer Auszahlung der Freizügigkeitsleistung zwingend anfallen würden, seien in die EL-Berechnung einzubeziehen. Zur Begründung führt sie an, der Einbezug der Freizügigkeitsleistung beruhe darauf, dass fiktiv davon ausgegangen werde, sie habe vorgängig eine Auszahlung der Freizügigkeitsleistung beantragt und die Freizügigkeitseinrichtung habe ihr dieses Geld auf ein Konto überwiesen. Die Fiktion "Barauszahlung Freizügigkeitsleistung" ziehe nun aber Folgen nach sich, insbesondere steuerlicher Art, und sei nur zu Ende gedacht, wenn auch diese Berücksichtigung fänden. 4. 4.1 Die Anrechnung der Freizügigkeitsleistung als Einnahme fällt unter die Bestimmung des Art. 11 Abs. 1 lit. c ELG , wonach ein Fünfzehntel (bei Altersrentnerinnen und Altersrentnern ein Zehntel) des Reinvermögens angerechnet wird, soweit es bei alleinstehenden Personen Fr. 37'500.- (bei Ehepaaren Fr. 60'000.- und bei rentenberechtigten Waisen sowie bei Kindern, die einen Anspruch auf eine Kinderrente der AHV oder IV begründen, Fr. 15'000.-) übersteigt. BGE 140 V 201 S. 205 4.2 Dass die Bestimmung des Art. 11 Abs. 1 lit. c ELG die Anrechnung eines Teils des Rein vermögens als Einnahme anordnet, heisst nichts anderes, als dass vom rohen Vermögen die Schulden des EL-Ansprechers bzw. der in die Anspruchsberechnung einbezogenen Personen abzuziehen sind, bevor der Vermögensverzehrbetrag ermittelt wird (RALPH JÖHL, Ergänzungsleistungen zur AHV/IV, in: Soziale Sicherheit, SBVR Bd. XIV, 2. Aufl. 2007, S. 1793 Rz. 220; CARIGIET/KOCH, a.a.O., S. 166). In diesem Sinne sieht auch Rz. 2107 der Wegleitung des BSV über die Ergänzungsleistungen zur AHV und IV (WEL; in der ab 1. Januar 2010 gültigen Fassung http://www.bsv.admin.ch/vollzug/documents/view/1638 ) vor, dass vom rohen Vermögen die nachgewiesenen Schulden abzuziehen sind (vgl. auch URS MÜLLER, Bundesgesetz über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung, 2. Aufl. 2006, N. 358 zu Art. 3c ELG ; CARIGIET/KOCH, a.a.O., S. 166). Als Schulden fallen neben Hypothekarschulden, Kleinkrediten bei Banken und Darlehen zwischen Privaten (CARIGIET/KOCH, a.a.O., S. 166) auch Steuerschulden (dazu Urteil 8C_140/2008 vom 25. Februar 2009 E. 7.3 [Zusammenfassung in: SZS 2009 S. 406]) in Betracht.Dabei genügt es für die Berücksichtigung einer Schuld, dass sie tatsächlich entstanden ist; ihre Fälligkeit ist nicht vorausgesetzt. Im Gegensatz dazu können ungewisse Schulden oder Schulden, deren Höhe noch nicht feststeht, nicht abgezogen werden (JÖHL, a.a.O., S. 1793 Rz. 220). 4.3 Soweit die Vorinstanz eine Berücksichtigung der Steuern ablehnte mit der Begründung, diese seien zum Zeitpunkt des Einspracheentscheides, welcher rechtsprechungsgemäss die Grenze der richterlichen Überprüfungsbefugnis bilde, noch nicht geschuldet gewesen, weil das Freizügigkeitskonto damals noch nicht aufgelöst und das Vorsorgekapital noch nicht ausbezahlt worden sei, kann ihr nicht beigepflichtet werden. Denn dieselbe Argumentation stünde auch der Anrechnung des Freizügigkeitskontos entgegen. Da nun aber der mögliche Bezug des Freizügigkeitskontos für dessen Berücksichtigung in der EL-Berechnung ausreicht (vgl. E. 2.2 hiervor), der Bezug mithin fingiert wird, sind die Steuern, die dieser Bezug - fiktiv - auslösen würde (vgl. dazu auch ISABELLE VETTER-SCHREIBER, Berufliche Vorsorge, 3. Aufl. 2013, N. 4 zu Art. 84 BVG ) und welche den der Vorsorgenehmerin zufliessenden Betrag entsprechend mindern würden, ebenso zu berücksichtigen. Mit anderen Worten darf nur der (fiktive) Nettobetrag als hypothetisches BGE 140 V 201 S. 206 Vermögen (hypothetisches Reinvermögen) angerechnet werden. Andernfalls würde die von der Rechtsprechung mit der Anrechnung des Freizügigkeitskontos ab dem möglichen Bezug bezweckte Gleichstellung zwischen Vorsorgenehmern, die auf den Bezug des Guthabens verzichten, und den effektiven Bezügern solcher Guthaben (vgl. Urteil P 56/05 vom 29. Mai 2006 E. 3.3; vgl. auch HANS MICHAEL RIEMER, Berührungspunkte zwischen beruflicher Vorsorge und ELG sowie kantonalen Sozialhilfegesetzen bzw. SKOS-Richtlinien, SZS 2001 S. 331 ff., 333) in ihr Gegenteil verkehrt: Die Anrechnung eines (fiktiven) Bruttobetrages hätte eine unzulässige Schlechterstellung des auf einen Bezug verzichtenden EL-Bezügers gegenüber einem das Freizügigkeitskonto beziehenden EL-Bezüger, bei welchem die Steuern, da bereits angefallen, berücksichtigt würden, zur Folge. 4.4 Wird das auf dem Freizügigkeitskonto stehen gelassene Guthaben im Rahmen der Ermittlung der anrechenbaren Einnahmen nach Art. 11 Abs. 1 lit. c ELG ab dem Jahr 2011 mit Fr. 156'103.- (Stand am 31. Dezember 2010) berücksichtigt, sind davon die Steuern, die bei einem Bezug im Jahr 2011 angefallen wären, zu berücksichtigen. Die in den Akten liegenden Steuerrechnungen beziehen sich auf den am 10. Juli 2012 effektiv erfolgten Bezug des Freizügigkeitsguthabens ("steuerbares Einkommen: Fr. 159'100.-"). Dieser zog Steuern von insgesamt Fr. 7'943.60 nach sich (Steuerrechnungen der Dienstabteilung Bundessteuer vom 7. Januar 2013 [Fr. 1'706.90] und der Gemeinde Z. vom 8. Februar 2013 [Fr. 6'236.70]). Welche Steuerschuld der Bezug des Freizügigkeitsguthabens von Fr. 156'103.- im Jahr 2011 ausgelöst hätte, wird die Beschwerdeführerin nachzuweisen haben. Die EL-Stelle, an welche die Sache zurückzuweisen ist, wird den Anspruch alsdann unter Berücksichtigung der Steuern, die bei einem Bezug im Jahr 2011 angefallen wären, neu zu berechnen haben.
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Sachverhalt ab Seite 129 BGE 127 II 129 S. 129 A.- 1. X. (geb. 1929) fuhr am 6. November 1999, um 10.35 Uhr, mit ihrem Personenwagen auf der Altersheimstrasse in Galgenen und beabsichtigte, in die Kantonsstrasse einzufahren, um nach links in Richtung Lachen zu fahren. Die Altersheimstrasse ist mit dem Signal 3.02 (Kein Vortritt) signalisiert und mit der Markierung "Wartelinie 6.13" versehen. X. übersah einen aus Richtung Lachen kommenden vortrittsberechtigten Personenwagen und fuhr diesem zwischen den beiden Achsen in die Beifahrerseite hinein. BGE 127 II 129 S. 130 Mit Strafverfügung vom 13. Dezember 1999 verurteilte das Bezirksamt March X. in Anwendung von Art. 90 Ziff. 1 SVG (SR 741.01) zu Fr. 300.- Busse. Diese Verfügung ist in Rechtskraft erwachsen. 2. Am 13. Dezember 1999, kurz vor 12.00 Uhr, fuhr X. mit ihrem Personenwagen auf der Zugerstrasse in Wädenswil in Richtung See. Sie beabsichtigte, nach links auf den Parkplatz der Kantonalbank zu fahren. Sie stellte den linken Blinker und hielt wegen des Gegenverkehrs an. Nach kurzem Warten hielt eine auf der Linksabbiegespur entgegenkommende Lenkerin an und gab X. ein Blinkzeichen. Darauf bog X. nach links ab. Sie übersah dabei einen auf der vortrittsberechtigten Geradeausspur herannahenden Personenwagen und stiess mit diesem zusammen. Mit Strafverfügung vom 27. Dezember 1999 verurteilte das Statthalteramt des Bezirks Horgen X. wegen dieses neuen Vorfalles in Anwendung von Art. 90 Ziff. 1 SVG zu Fr. 300.- Busse. Auch diese Strafverfügung ist in Rechtskraft erwachsen. B.- Am 1. Februar 2000 entzog das Verkehrsamt des Kantons Schwyz X. den Führerausweis für die Dauer von einem Monat. Die Wiedererteilung des Ausweises machte es von der erfolgreichen Absolvierung einer Kontrollfahrt abhängig. C.- Die von X. dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz am 14. April 2000 ab. D.- X. führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, den Entscheid des Verwaltungsgerichtes aufzuheben; es sei von Massnahmen abzusehen; eventualiter sei eine Verwarnung ohne weitere Auflagen zu erteilen; subeventualiter sei die Sache zum neuen Entscheid an die Vorinstanz zurückzuweisen. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt. Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Voraussetzungen für die Anordnung der Kontrollfahrt seien nicht gegeben. a) Bestehen Bedenken über die Eignung eines Fahrzeugführers, so kann zur Abklärung der notwendigen Massnahmen eine Kontrollfahrt angeordnet werden ( Art. 24a Abs. 1 der Verordnung vom 27. Oktober 1976 über die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Strassenverkehr [VZV; SR 741.51] ). Die Kontrollfahrt kann angeordnet werden zur Abklärung, ob ein älterer BGE 127 II 129 S. 131 auffälliger Fahrzeuglenker noch als geeignet erscheint (RENÉ SCHAFFHAUSER, Grundriss des schweizerischen Strassenverkehrsrechts, Bd. III: Die Administrativmassnahmen, Bern 1995, N. 2664). Die Kontrollfahrt dient der Verkehrssicherheit. Es geht nicht um die Abgeltung des Verschuldens; dafür wurden hier der Warnungsentzug des Führerausweises und die Bussen ausgesprochen. Bei der Frage, ob eine Kontrollfahrt anzuordnen sei, verfügt die Verwaltungsbehörde über einen Spielraum des Ermessens. Das Bundesgericht greift nur ein bei Ermessensüberschreitung oder -missbrauch. b) Die Beschwerdeführerin hat den ersten Unfall grob fahrlässig verursacht. Sie ist dem korrekt fahrenden Unfallgegner in einer übersichtlichen, einfachen und leicht erfassbaren Situation in die Seite hineingefahren. Dieser erste Unfall bildet ein erhebliches Indiz für eine Beeinträchtigung der Fähigkeit zum sicheren Führen eines Motorfahrzeuges. Hinzu kommt der zweite Unfall vergleichsweise kurze Zeit danach, bei dem die Beschwerdeführerin erneut das Vortrittsrecht missachtete. Auf Grund dieser beiden Unfälle bestand Anlass zu Bedenken hinsichtlich der Eignung der Beschwerdeführerin. Die Kontrollfahrt wird, wie dargelegt, angeordnet im Interesse der Verkehrssicherheit; es geht um den Schutz möglicher Opfer im Strassenverkehr. Dieses Interesse ist hochwertig. Die Kontrollfahrt stellt für die Beschwerdeführerin - insbesondere im Vergleich zum Führerausweisentzug von einem Monat - einen leichten Eingriff dar. Sie muss lediglich mit einem Experten eine Fahrt absolvieren. Dieser Eingriff ist mit Blick auf das gefährdete Rechtsgut - Leib und Leben der Verkehrsteilnehmer - verhältnismässig. Gemäss Art. 7 Abs. 3 lit. b VZV unterliegen die Ausweisinhaber von mehr als 70 Jahren alle zwei Jahre einer vertrauensärztlichen Kontrolluntersuchung. Das schliesst die Anordnung einer Kontrollfahrt nicht aus. Der Arzt äussert sich zur medizinischen Eignung (Sehschärfe, Gehör usw.). Er kann nicht im Arztzimmer beurteilen, wie sich jemand am Steuer verhält. Erkenntnisse dazu lassen sich aus einer Kontrollfahrt gewinnen. Es wäre im Übrigen verfehlt, in einem Fall wie hier den Ablauf der Frist von zwei Jahren nach Art. 7 Abs. 3 lit. b VZV abzuwarten. Verhält sich der Lenker auffällig, ist die Eignung unverzüglich abzuklären. Die Anordnung der Kontrollfahrt liegt danach im Ermessensbereich und verletzt kein Bundesrecht. c) Anzumerken bleibt Folgendes: Die Kontrollfahrt ist keine Strafe. Es geht darum, die Eignung abzuklären und festzustellen, BGE 127 II 129 S. 132 welche Massnahmen gegebenenfalls erforderlich sind. Das liegt gerade in einem Fall wie hier auch im Interesse des Fahrzeugführers. Denn fehlt ihm die Eignung zum Führen eines Fahrzeuges, ist es auch für ihn besser, wenn er aufhört zu fahren, bevor es zu einem weiteren und dann möglicherweise schwereren Unfall kommt. Ist dagegen die Eignung auch künftig zu bejahen, kann ihm die Kontrollfahrt gegebenenfalls Erkenntnisse vermitteln, die ihm für seine weitere Teilnahme am Strassenverkehr hilfreich sein können. d) Die Einwände der Beschwerdeführerin sind unbehelflich. Wie dargelegt, kann die Lungenentzündung als Erklärung für ihr Verhalten beim ersten Unfall nicht herangezogen werden. Zutreffend ist, dass keine grundsätzliche Vermutung besteht, wonach sich ältere Personen nicht mehr als Fahrzeugführer eignen. Von einer solchen Vermutung sind die kantonalen Behörden aber nicht ausgegangen. Sie haben die Kontrollfahrt nicht allein wegen des Alters der Beschwerdeführerin angeordnet, sondern weil diese auf Grund von zwei ähnlichen Unfällen innert kurzer Zeit verkehrsauffällig geworden ist.
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Sachverhalt ab Seite 490 BGE 130 III 489 S. 490 A. Mit Urteil vom 26. September 2002 des Kreisgerichts Kranj, Slowenien, wurde die Ehe von Z. und Y. geschieden. Seit dem 18. Oktober 2002 ist die von Y. gegen den in Slowenien wohnhaften Z. beim Bezirksgericht Baden angehobene Klage auf Ergänzung des slowenischen Scheidungsurteils und auf Zusprechung von Unterhalt hängig. Am 22. November 2002 beantragte Y. die Festsetzung von Unterhaltsbeiträgen für die Dauer des Hauptverfahrens. B. Mit Präliminarentscheid vom 8. September 2003 des Gerichtspräsidenten 3 von Baden wurde Z. für die Dauer des Hauptprozesses verpflichtet, Y. einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von Fr. 1'488.- (vom 22. November 2002 bis 31. Dezember 2002) bzw. Fr. 1'446.- (ab 1. Januar 2003) zu bezahlen. Gleichzeitig wurde die in der Schweiz domizilierte Pensionskasse X. angewiesen, von der Z. zustehenden Altersrente monatlich Fr. 1'446.- direkt an Y. zu überweisen. Auf Beschwerde hin erhöhte das Obergericht des Kantons Aargau, 5. Zivilkammer, mit Urteil vom 24. Februar 2004 die Unterhaltsbeiträge auf Fr. 1'744.- (vom 22. November 2002 bis 31. Juli 2003) bzw. Fr. 1'501.- (ab 1. August 2003) und den von der Pensionskasse direkt zu überweisenden Betrag auf Fr. 1'501.-. Dabei erklärte das Obergericht für das Unterhaltsrecht das BGE 130 III 489 S. 491 slowenische Recht und für das Recht der Schuldneranweisung das schweizerische Recht als massgeblich. C. Z. führt mit Eingabe vom 19. März 2004 eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde und beantragt dem Bundesgericht, das angefochtene Urteil des Obergerichts sei aufzuheben. Weiter ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege. Eine Beschwerdeantwort ist nicht eingeholt worden. Das Bundesgericht nimmt die Nichtigkeitsbeschwerde als staatsrechtliche Beschwerde entgegen und weist diese ab, soweit darauf einzutreten ist. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. 1.1 Die vorliegende Nichtigkeitsbeschwerde zielt einzig auf die vom Obergericht bestätigte Anweisung an die Pensionskasse des Beschwerdeführers, den der Beschwerdegegnerin zugesprochenen Unterhaltsanspruch direkt an diese zu leisten. Der Beschwerdeführer beruft sich auf die Nichtigkeitsgründe nach Art. 68 Abs. 1 lit. b und c OG und rügt, entgegen der Auffassung des Obergerichts sei auf die Schuldneranweisung nicht schweizerisches Recht, sondern wie auf das Unterhaltsrecht ebenfalls slowenisches Recht anwendbar. 1.2 Gemäss BGE 110 II 9 gilt die richterliche Anweisung gemäss ZGB an den Schuldner des Unterhaltspflichtigen als privilegierte Zwangsvollstreckungsmassnahme sui generis, so dass mangels Vorliegen einer Zivilsache sowohl die Berufung ( Art. 43 ff. OG ) als auch die Nichtigkeitsbeschwerde ( Art. 68 ff. OG ) ausgeschlossen sind ( BGE 110 II 9 E. 2 S. 14; vgl. Urteil 5C.243/1990 vom 5. März 1991, SJ 1991 S. 457, E. 4c). 1.3 Die Meinungen über die Rechtsnatur der Schuldneranweisung gehen in der Literatur allerdings auseinander. Während ein Teil der Lehre die Praxis gemäss BGE 110 II 9 bestätigt (DESCHENAUX/ STEINAUER/BADDELEY, Les effets du mariage, Bern 2000, S. 296 Rz. 705; BRÄM/HASENBÖHLER, Zürcher Kommentar, N. 3 zu Art. 177 ZGB ), bezeichnen andere Autoren die Schuldneranweisung nach Art. 177 ZGB (bzw. Art. 132 ZGB sowie Art. 291 ZGB ) als ein besonderes familienrechtliches Institut des ZGB zur erleichterten Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen, welche als Zivilsache zu behandeln sei (HAUSHEER/GEISER/REUSSER, Berner Kommentar, N. 18 BGE 130 III 489 S. 492 und 19 zu Art. 177 ZGB ; SCHWANDER, Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch I, 2. Aufl., 2002, N. 3 zu Art. 177 ZGB ; SANDOZ, L'avis aux créanciers des art. 171 [177 nCC] et 291 CC est-il une mesure d'exécution forcée?, BlSchK 1988 S. 86/87; VOGEL, Die Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahre 1984, ZBJV 122/1986 S. 498 Ziff. 5; BREITSCHMID, Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch I, 2. Aufl., 2002, N. 5 zu Art. 291 ZGB ; HEGNAUER, Berner Kommentar, N. 13 zu Art. 291 ZGB ; SUTTER/FREIBURGHAUS, Kommentar zum neuen Scheidungsrecht, N. 13 und 25 zu Art. 132 ZGB ). Im Urteil 5C.105/2000 vom 9. Juni 2000 (E. 2) sind die Standpunkte der Lehre dargestellt worden, wobei sich damals mit Blick auf das Ergebnis eine Auseinandersetzung erübrigt hatte. Während im Urteil 5P.276/2001 vom 1. November 2001 (E. 1a) die Praxis gemäss BGE 110 II 9 ohne weitere Ausführungen bestätigt wurde, ist in anderen Urteilen (5P.193/2003 vom 23. Juli 2003, E. 1.2; 5P.205/2003 vom 11. September 2003, E. 1.1; 5P.210/2003 vom 11. September 2003, E. 1) die Frage der Rechtsnatur unter Hinweis auf die Kritik in der Literatur offen gelassen worden. Die Auffassung, dass es sich bei der Anweisung um eine zivilrechtliche Massnahme und eine Zivilsache im Sinne des OG handelt, ist wohl vertretbar. Doch rechtfertigt sich namentlich auch mit Blick auf die Rechtssicherheit keine Praxisänderung, weshalb die Nichtigkeitsbeschwerde unzulässig ist. 1.4 Der Beschwerdeführer rügt in seiner Eingabe keine Verletzung von verfassungsmässigen Rechten (vgl. Art. 84 Abs. 1 lit. a OG ), sondern macht insbesondere eine Verletzung des Haager Übereinkommens über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht vom 2. Oktober 1973 (SR 0.211.213.01; nachstehend: UStÜ) geltend. Im vorliegenden Fall erscheint daher gerechtfertigt, die Eingabe als staatsrechtliche Beschwerde gestützt auf Art. 84 Abs. 1 lit. c OG entgegenzunehmen (vgl. BGE 126 III 534 E. 1a S. 536), wobei das Bundesgericht insoweit freie Kognition hat (vgl. BGE 125 III 451 E. 3b S. 455). 2. Das Obergericht hat im Wesentlichen erwogen, auf die vorsorgliche Regelung des Unterhalts im Rahmen des Verfahrens zur Ergänzung des slowenischen Scheidungsurteils sei gestützt auf Art. 8 UStÜ das slowenische Recht anwendbar. Hingegen hat es für die Frage der Anweisung an den Schuldner des Beschwerdeführers nicht das UStÜ, sondern gestützt auf Art. 62 Abs. 2 IPRG das schweizerische Recht als massgebend und die Voraussetzungen für BGE 130 III 489 S. 493 die entsprechende richterliche Anordnung nach Art. 137 i.V.m. Art. 177 ZGB als erfüllt erachtet. 2.1 Im angefochtenen Entscheid wird zu Recht angenommen, dass ein internationales Verhältnis im Sinne von Art. 1 Abs. 1 IPRG vorliegt. Dass die eherechtliche Anweisung als privilegierte Zwangsvollstreckungsmassnahme sui generis nach BGE 110 II 9 keine Zivilsache im Sinne des OG ist, schliesst die Anwendbarkeit des IPRG nicht aus (vgl. BGE 118 Ia 118 ). Die gesetzliche Grundlage der durch das besondere Rechtsverhältnis der Ehegatten gerechtfertigten Schuldneranweisung findet sich im Rahmen der Scheidung in den Art. 132 Abs. 1 und Art. 137 Abs. 2 ZGB (SUTTER/ FREIBURGHAUS, a.a.O., N. 5 und 30 zu Art. 137 ZGB ). Da der vorliegende Sachverhalt mehrere Rechtsordnungen berührt, also nicht klar ist, dass das ZGB als einzig mögliche Rechtsgrundlage für die rechtliche Beurteilung der Massnahme in Frage kommt, sind die Regeln des schweizerischen internationalen Privatrechts massgebend (SIEHR, Das internationale Privatrecht der Schweiz, S. 2). 2.2 Der Beschwerdeführer rügt nicht, dass das Obergericht im hängigen Prozess um Ergänzung des slowenischen Ehescheidungsurteils nicht zuständig sei, vorsorgliche Massnahmen einschliesslich der Schuldneranweisung zu treffen. Ebenso wenig stellt er in Frage, dass für das anwendbare Recht, das auf die Nebenwirkungen einer im Ausland geschiedenen Ehe anwendbar ist, die im IPRG vorbehaltenen staatsvertraglichen Regelungen gelten ( Art. 1 Abs. 2, Art. 64 Abs. 2, Art. 62 Abs. 3 IPRG ) und für die Unterhaltspflichten zwischen geschiedenen Ehegatten gemäss Art. 8 UStÜ das auf die Ehescheidung angewendete Recht massgebend ist (vgl. SIEHR, Basler Kommentar, Internationales Privatrecht, N. 4 zu Art. 64 IPRG ; VOLKEN, Zürcher Kommentar zum IPRG, 2. Aufl., 2004, N. 29 zu Art. 62 IPRG ). Der Beschwerdeführer wendet sich im Wesentlichen gegen die Auffassung des Obergerichts, dass die Schuldneranweisung nicht vom Anwendungsbereich des nach dem Art. 8 UStÜ massgebenden Unterhaltsstatuts erfasst sei. Er macht unter Hinweis auf Art. 10 UStÜ geltend, auch die Schuldneranweisung richte sich nach dem Unterhaltsstatut, so dass slowenisches Recht auch für die Frage der Schuldneranweisung massgebend sei. 2.3 Nach Art. 10 UStÜ bestimmt das auf eine Unterhaltspflicht anzuwendende Recht insbesondere, ob, in welchem Ausmass und von wem der Berechtigte Unterhalt verlangen kann (Ziff. 1), wer zur BGE 130 III 489 S. 494 Einleitung des Unterhaltsverfahrens berechtigt ist und welche Fristen für die Einleitung gelten (Ziff. 2), und das Ausmass der Erstattungspflicht im Falle des Unterhaltsvorschusses durch öffentliche Aufgaben wahrnehmende Einrichtungen (Ziff. 3). Diese Bestimmung nennt besonders wichtige Gegenstände, die jedenfalls unterhaltsrechtlich zu qualifizieren sind (VON STAUDINGER/MANKOWSKI, Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche/IPR, Berlin 2003, N. 315 in Anhang I zu Art. 18 EGBGB). Über diese Aufzählung hinaus unterliegen dem Unterhaltsstatut alle Fragen im Zusammenhang mit der Erfüllung der Forderung (wie Gegenrechte, Einreden, materielle Verteidigungsmittel des Schuldners, Verzicht, Erlass und Abfindung sowie die Verrechnung mit der Unterhaltsforderung) sowie - bei Nichterfüllung der Forderung - die allgemeinen Rechtsfolgen wie Verzug, Ansprüche für Verzugszinsen und Schadenersatz (VON STAUDINGER/MANKOWSKI, a.a.O., N. 317 ff. und 379 ff. in Anhang I zu Art. 18 EGBGB, N. 40 in Anhang II zu Art. 18 EGBGB). Dies liegt im Zweck von Art. 10 UStÜ, vorab zu präzisieren, dass das anwendbare Recht die Existenz, Höhe und Modalitäten der Unterhaltsforderung bestimmen soll (VERWILGHEN, Rapport de la Commission spéciale, in: Actes et documents de la Douzième session de la Conférence de La Haye de droit international privé, Bd. IV, Den Haag 1975, S. 124 Rz. 75 f.). Hingegen unterstehen besondere ehe- und familienrechtliche Sanktionen bzw. Rechtsfolgen, welche bei Nichterfüllung der Unterhaltspflicht vorgesehen sind, grundsätzlich nicht dem Statut der Unterhaltsforderung (FRANÇOIS HERZFELDER, Les obligations alimentaires en droit international privé conventionnel, Paris 1985, S. 116). 2.4 Die Anweisung nach Art. 177 ZGB setzt voraus, dass der Unterhaltsschuldner die Unterhaltspflicht gegenüber seiner Familie, aus welchen Gründen auch immer, nicht erfüllt (SCHWANDER, a.a.O., N. 10 zu Art. 177 ZGB ). Sie hat insoweit den Charakter einer familienrechtlichen Sanktion und untersteht - ob man sie nun als Vollstreckungsmassnahme sui generis oder als besonderes familienrechtliches Institut zur Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen versteht - daher nicht dem Statut der Unterhaltsforderung. Zum gleichen Ergebnis kommen die Lehrmeinungen, welche die Schuldneranweisung nicht an das Unterhaltsstatut, sondern an das allgemeine Ehewirkungsstatut gemäss Art. 48 IPRG anknüpfen (SCHWANDER, a.a.O., N. 17 zu Art. 177 ZGB ; BUCHER, Droit international privé, Bd. II, S. 156 Rz. 425; a.M. WEBER, Anweisung an die Schuldner, BGE 130 III 489 S. 495 Sicherstellung der Unterhaltsforderung und Verfügungsbeschränkung, AJP 2002 S. 241: Anknüpfung an das Statut der Legalzession gemäss Art. 146 Abs. 1 IPRG ). Wenn vor diesem Hintergrund das Obergericht die anbegehrte Anweisung nicht unterhaltsrechtlich qualifiziert und daher nicht dem Unterhaltsstatut unterstellt hat, ist keine Verletzung des Staatsvertrages ersichtlich. Ob das Obergericht hingegen die autonomen Kollisionsregeln richtig angewendet hat, wenn es die Schuldneranweisung als vorsorgliche Massnahme nach Art. 62 Abs. 2 IPRG dem schweizerischen Recht unterstellt hat, oder ob die Schuldneranweisung - entsprechend den Regeln des internationalen Vollstreckungsrechts - sogar ein zwingender Rechtssatz mit auf die Schweiz beschränktem Anwendungsbereich darstellt (vgl. HAUSHEER/GEISER/REUSSER, a.a.O., N. 26 zu Art. 177 ZGB ), ist im vorliegenden Fall nicht zu erörtern. Der Beschwerdeführer rügt nicht, inwiefern die Anwendung des schweizerischen Rechts und damit der angefochtene Entscheid willkürlich ( Art. 9 BV ) sein soll. Auf die Beschwerde kann insoweit nicht eingetreten werden ( Art. 90 Abs. 1 lit. b OG ).
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Sachverhalt ab Seite 226 BGE 122 III 225 S. 226 Am 5. Juli 1988 verursachte ein Brand in der Telefonzentrale Weissenburg einen grossen Sachschaden. Eigentümerin der Zentrale ist die Schweizerische Eidgenossenschaft (PTT-Betriebe). Nach deren Auffassung war der Brand auf Arbeiten zurückzuführen, die von Angestellten der X. AG in der Umgebung der Zentrale unternommen worden waren. Für die Arbeiten verantwortlich waren Mario C. und sein direkter Vorgesetzter Martin B., gegen die ein Strafverfahren eröffnet wurde. Das Verfahren wurde nach dem Tod von Mario C. diesem gegenüber am 17. Oktober 1991 eingestellt. Martin B. wurde mit Urteil vom 19. Oktober 1992 freigesprochen. In der Folge erhob die Schweizerische Eidgenossenschaft (PTT-Betriebe) Schadenersatzklage wegen unerlaubter Handlung gegen die X. AG. Das Verfahren wurde auf die Beurteilung der von der Beklagten erhobenen Verjährungseinrede beschränkt. Mit Entscheid vom 15. September 1994 hiess das Amtsgericht Solothurn-Lebern die Einrede gut und wies die Klage ab. Das Obergericht des Kantons Solothurn, an das die Klägerin appelliert hatte, bestätigte den erstinstanzlichen Entscheid mit Urteil vom 18. Juli 1995. Die Klägerin hat das Urteil des Obergerichts mit Berufung angefochten, die vom Bundesgericht abgewiesen wird, soweit es auf sie eintritt. Erwägungen Aus den Erwägungen: 4. Die Anwendung von Art. 60 Abs. 2 OR setzt weder eine vorgängige Strafverfolgung noch ein Strafurteil voraus. Erforderlich ist einzig, dass eine strafbare Handlung gegeben ist. Liegt zur Zeit der Einleitung der Zivilklage kein Entscheid des Strafrichters vor, so hat der Zivilrichter darüber zu befinden, ob ein Straftatbestand erfüllt ist (BREHM, Berner Kommentar, N. 69 zu Art. 60 OR ; BGE 111 II 429 E. I/2d S. 440 mit Hinweisen). Der Umstand, dass das Strafverfahren gegenüber Mario C. nach dessen Tod eingestellt worden ist, steht somit der Anwendung von Art. 60 Abs. 2 OR an sich nicht entgegen. Im vorliegenden Fall stellt sich indes vorweg die Frage, ob Mario C. bei der Ausführung der ihm übertragenen Arbeit als Organ oder als Hilfsperson der Beklagten gehandelt hat. a) Das Bundesgericht ging bis zum Jahre 1986 davon aus, dass Art. 60 Abs. 2 OR grundsätzlich nur auf die Forderung gegen den Täter selbst, nicht aber auf den Ersatzanspruch gegen Dritte, die zivilrechtlich für den Schaden einzustehen haben, anwendbar sei. Die längere Verjährungsfrist galt daher BGE 122 III 225 S. 227 insbesondere nicht für den Anspruch gegen die juristische Person, selbst wenn die Klage gegen das fehlbare Organ der längeren Frist unterstand. Mit BGE 112 II 172 (E. II/2c S. 189 f.) hat es seine Praxis geändert. In diesem Entscheid wird zunächst auf kritische Stellungnahmen in der Lehre hingewiesen (SPIRO, Die Begrenzung privater Rechte durch Verjährungs-, Verwirkungs- und Fatalfristen, Bd. I, S. 209; BÄR, Gedanken zur praktischen Anwendung der strafrechtlichen Verjährungsfrist im Zivilprozess ( Art. 60 Abs. 2 OR ), in: SJZ 61/1965 S. 74 ff., 75 f.). Sodann wird ausgeführt, die Ausdehnung der längeren Frist auf juristische Personen leuchte schon deshalb ein, weil sie dem Organbegriff des schweizerischen Rechts entspreche, nach dem die Organe Teil der juristischen Person selbst seien und ihr Handeln nicht als Handeln für eine andere Person aufzufassen sei ( Art. 45 und 55 ZGB ); sie verpflichteten die juristische Person auch durch ihr sonstiges Verhalten, insbesondere durch unerlaubte Handlungen ( Art. 55 Abs. 2 ZGB ). Die Ausdehnung vertrage sich zudem mit dem Wortlaut des Art. 60 Abs. 2 OR , da dort von einer Klage die Rede sei, die aus einer strafbaren Handlung hergeleitet werde. Abschliessend wird darauf hingewiesen, das Bundesgericht habe auch Art. 83 Abs. 1 Satz 2 SVG (SR 741.01) in diesem Sinne ausgelegt, der mit Art. 60 Abs. 2 OR übereinstimme ( BGE 112 II 81 E. 3). b) Das Obergericht hat die Organeigenschaft von Mario C. aufgrund seines Aufgabenkreises und des Organisationsschemas der Beklagten verneint; sowohl bei ihm wie auch bei Martin B. habe es sich um blosse Hilfspersonen im Sinne von Art. 55 Abs. 1 OR gehandelt. Als Organe einer juristischen Person sind jene Personen zu betrachten, welche durch Gesetz, Statuten oder aufgrund der faktischen Organisation an der Willensbildung der Gesellschaft teilhaben und auch mit entsprechender rechtlicher oder tatsächlicher Entscheidkompetenz ausgestattet sind (OFTINGER/STARK, Schweizerisches Haftpflichtrecht, Besonderer Teil, Bd. II/1, 4. Auflage, S. 274 f.; RIEMER, Berner Kommentar, N. 16 ff. zu Art. 54/55 ZGB; BREHM, Berner Kommentar, N. 11 zu Art. 41 OR ; BGE 117 II 570 E. 3 S. 571 f.). Es genügt nicht, wenn ein Mitarbeiter in einem stark eingeschränkten Geschäftsbereich die ihm übertragene Tätigkeit selbständig ausführt (OFTINGER/STARK, a.a.O., S. 275). Erforderlich ist vielmehr, dass er die Willensbildung des Unternehmens zu beeinflussen vermag (vgl. BGE 61 II 339 E. 2 S. 342: "...personnes qui tiennent les leviers de commande de l'entreprise."). Diese Voraussetzung war hinsichtlich Mario C. BGE 122 III 225 S. 228 offensichtlich nicht gegeben. Nach verbindlicher Feststellung der Vorinstanz ( Art. 63 Abs. 2 OG ) kam C. keinerlei Entscheidbefugnis im Sinne einer Geschäftsleitung zu. Dass er im technischen Bereich die ihm übertragenen Arbeiten selbständig ausgeführt hat, wie die Klägerin behauptet, kann an der Qualifizierung als blosse Hilfsperson nichts ändern. Insoweit erweist sich die Berufung als unbegründet. 5. Zu prüfen bleibt, ob die längere Verjährungsfrist nach Art. 60 Abs. 2 OR auch für die Hilfspersonenhaftung gemäss Art. 55 OR gilt. Auf der Grundlage der geänderten Rechtsprechung hat das Bundesgericht bisher zu dieser Frage nicht Stellung genommen. In der Lehre wird aus BGE 112 II 172 E. II/2c S. 190 abgeleitet, dass Art. 60 Abs. 2 OR auch gegenüber jenen Personen gelte, die für das Verhalten des Täters wie für eigenes einzustehen haben (BREHM, Berner Kommentar, N. 101 zu Art. 60 OR ). Diese Auffassung steht im Einklang mit dem bereits erwähnten BGE 112 II 79 E. 3 S. 81, nach dem die längere strafrechtliche Verjährungsfrist von Art. 83 Abs. 1 SVG auch auf den unmittelbaren Anspruch gegen den Versicherer gemäss Art. 65 Abs. 1 SVG anwendbar ist. Anders verhält es sich dagegen nach dieser überzeugenden Lehrmeinung, wenn die Haftung des Dritten für das Verhalten des Täters in der Verletzung einer eigenen Sorgfaltspflicht begründet ist, wie das beispielsweise für das Familienhaupt ( Art. 333 ZGB ) und den Geschäftsherrn ( Art. 55 OR ) zutrifft (BREHM, Berner Kommentar, N. 102 zu Art. 60 OR ; ALFRED KELLER, Haftpflicht im Privatrecht, Bd. II, S. 237 f.; vgl. auch KURT JOSEPH STEINER, Verjährung haftpflichtrechtlicher Ansprüche aus Straftat ( Art. 60 Abs. 2 OR ), Diss. Freiburg 1986, S. 98 ff.). In diesem Fall handelt es sich um eine Haftung aus eigenem Verhalten, eigener Beziehung zum Schaden oder eigener Beziehung zum Geschädigten (SPIRO, a.a.O., § 92, S. 209 f.). Die Unterscheidung entspricht dem Sinn und Zweck von Art. 60 Abs. 2 OR . Gemäss Rechtsprechung und Lehre hat diese Regel den Sinn, die zivilrechtliche Verjährung mit der strafrechtlichen zu harmonisieren, weil es stossend wäre, wenn der Täter zwar noch bestraft werden könnte, die Wiedergutmachung des zugefügten Schadens aber nicht mehr verlangt werden dürfte ( BGE 122 III 5 E. 2b S. 7; BREHM, Berner Kommentar, N. 67 zu Art. 60 OR ; ausführlich: SPIRO, a.a.O., § 91, S. 200 ff.). Nach diesem Grundgedanken rechtfertigt sich die Anwendung der längeren strafrechtlichen Verjährungsfrist nur dort, wo der Dritte zivilrechtlich in gleicher Weise haftet wie der Täter. Gründet demgegenüber die Haftung des Dritten auf BGE 122 III 225 S. 229 eigenem Fehlverhalten, auch wenn dieses kein Verschulden darstellt, drängt es sich nicht auf, die Strafbarkeit des Täters verjährungsrechtlich dem Dritten anzurechnen. Diese Erwägungen führen zum Ergebnis, dass die Vorinstanz die Anwendung von Art. 60 Abs. 2 OR zu Recht abgelehnt hat. Die Berufung erweist sich auch insoweit als unbegründet.
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Sachverhalt ab Seite 111 BGE 144 III 111 S. 111 Die B. AG (Klägerin, Beschwerdegegnerin) betreibt ein Verteilnetz, über welches Abnehmer mit Elektrizität beliefert werden. Die A. AG (Beklagte, Beschwerdeführerin) ist als Endverbraucherin an dieses Verteilnetz angeschlossen. Das Netzanschlussverhältnis der Parteien wurde seit 1967 durch sich ablösende Netzanschlussverträge geregelt, zuletzt durch den Netzanschlussvertrag vom 6. März 2007. In diesem belief sich die bezugsberechtigte Leistung, die zuvor sukzessive erhöht wurde und wofür die Beklagte jeweils ein Entgelt entrichtete, auf 1'850 Kilovoltampere (kVA). Am 1. Januar 2008 trat das Bundesgesetz vom 23. März 2007 über die Stromversorgung (Stromversorgungsgesetz, StromVG; SR 734.7) grösstenteils in Kraft. BGE 144 III 111 S. 112 Die Beklagte bezog später eine grössere Leistung als die im Netzanschlussvertrag vorgesehenen 1'850 kVA. Ausgehend von einer Erhöhung der bezugsberechtigten Leistung auf 3'100 kVA forderte die Klägerin einen einmaligen "Netzkostenbeitrag" von Fr. 135'000.-, was die Beklagte jedoch verweigerte. Bis Ende 2013 war die Beklagte eine marktzugangsberechtigte Endverbraucherin, die auf den Netzzugang verzichtete; sie war also bis dahin eine Endverbraucherin im Bereich der Grundversorgung ( Art. 6 Abs. 1 StromVG ). Auf Anfang 2014 machte sie von ihrem Recht auf Netzzugang Gebrauch ( Art. 13 Abs. 1 StromVG ). Seither bezieht sie ihre Elektrizität nicht mehr von der Klägerin, sondern von einer anderen Lieferantin. Die angerufenen kantonalen Zivilgerichte erachteten die Streitigkeit um den einmaligen Netzkostenbeitrag als zivilrechtlicher Natur und hiessen die Klage gut. Das Bundesgericht beurteilt das strittige Netzanschlussverhältnis als öffentlich-rechtlich, hebt den Entscheid der Vorinstanz auf und tritt auf die Klage nicht ein. (Zusammenfassung) Erwägungen Aus den Erwägungen: 5. 5.1 Das StromVG bezweckt, die Voraussetzungen für eine sichere Elektrizitätsversorgung und einen wettbewerbsorientierten Elektrizitätsmarkt zu schaffen. Wesentliches Element ist dabei die Entflechtung von Netzbetrieb und Elektrizitätsproduktion ( Art. 10 ff. StromVG ), was erst einen diskriminierungsfreien Netzzugang erlaubt. Das Gesetz legt abschliessend fest, welche Komponenten der Strompreis für den Endverbraucher enthalten darf, nämlich (1) die anrechenbaren Kosten für die Netznutzung, (2) die Kosten für die Energielieferung sowie (3) die Abgaben und Leistungen an Gemeinwesen ( BGE 138 I 454 E. 3.6.3 S. 463 f.). Damit wird im StromVG zwischen dem Netznutzungsverhältnis einerseits und dem Energielieferungsverhältnis andererseits unterschieden. Was in diesem Zusammenhang genau unter Abgaben und Leistungen an Gemeinwesen (i.S.v. Art. 14 Abs. 1 StromVG ) zu verstehen ist, insbesondere ob und unter welchen Voraussetzungen Netzanschluss- und Netzkostenbeiträge darunter zu subsumieren sein könnten (siehe zur Thematik etwa DANIELA WYSS, Tarife in der Stromversorgung, in: Kausalabgaben, Häner/Waldmann [Hrsg.], 2015, S. 208-211, auch 215; BGE 144 III 111 S. 113 dieselbe , in: Kommentar zum Energierecht, Bd. I, 2016, N. 12 zu Art. 22 StromVG ), interessiert vorliegend nicht und auf den diesbezüglichen Disput der Parteien braucht nicht eingegangen zu werden; relevant ist hier einzig die Abgrenzung zwischen Zivil- und öffentlichem Recht. Im ( Verteil-)Netznutzungsverhältnis ist die Obergrenze des Entgelts für die Netznutzung bundesrechtlich vorgegeben und diese Entgelte unterliegen der Regulierung durch die Eidgenössische Elektrizitätskommission (ElCom). Dieses Verhältnis ist jedenfalls im Bereich der Grundversorgung ( Art. 6 Abs. 1 StromVG ) als öffentlich-rechtlich zu qualifizieren (Urteil 4A_582/2014 vom 17. April 2015 E. 3 in fine, wo im Bereich der Grundversorgung nicht zwischen Netznutzungs- und Energielieferungsverhältnis differenziert wird; PHYLLIS SCHOLL, Rechtsnatur des Stromliefervertrags, Der digitale Rechtsprechungs-Kommentar [dRSK] 26. April 2016 Rz. 12, bezeichnet diese Einordnung als plausibel, auch wenn sie diese Verträge in einer früheren Publikation als privatrechtlich einstufte, vgl. dieselbe , Elektrizität, in: Fachhandbuch Verwaltungsrecht, 2015, S. 519 f. Rz. 13.32). Zur Qualifikation dieses Verhältnisses ausserhalb der Grundversorgung brauchte sich das Bundesgericht bislang noch nicht abschliessend zu äussern (vgl. aber immerhin Urteile 2C_300/2014 vom 9. Februar 2015 E. 1.4.3, nicht publ. in: BGE 141 II 141 ; 2C_857/2014 vom 16. Juli 2015 E. 5.3 f.; 2C_12/2016 vom 16. August 2016 E. 3.3.2 und 3.3.3; jeweils e contrario). Denn aufgrund der gesetzlichen Bestimmung, wonach Streitigkeiten über den Netzzugang, die Netznutzungsbedingungen sowie die Netznutzungstarife und -entgelte von der ElCom zu entscheiden sind ( Art. 22 Abs. 2 lit. a StromVG ), stellen sich regelmässig keine Fragen über den zu beschreitenden Rechtsweg und anderweitig war diese Qualifikation bislang noch nicht von Relevanz. Beim Energielieferungsverhältnis ist zu unterscheiden: Bei freier Wahl des Lieferanten, wenn also ein Recht auf Netzzugang besteht ( Art. 6 Abs. 2 und 6 StromVG e contrario) und davon auch Gebrauch gemacht wurde ( Art. 13 Abs. 1 StromVG ), untersteht das Verhältnis nicht mehr der Grundversorgung, die Preise sind verhandelbar - die Beziehung ist diesfalls als zivilrechtliche einzustufen ( BGE 142 II 451 E. 4.2.1 S. 464 f.; BGE 138 I 454 E. 3.6.3 S. 463; Urteil 2C_739/2010 vom 6. Juli 2011 E. 3.3). Im Bereich der Grundversorgung ( Art. 6 Abs. 1 StromVG ), also insbesondere bei festen Endverbrauchern, ist BGE 144 III 111 S. 114 der Stromtarif hingegen im StromVG vorgegeben - er muss "angemessen" sein - und wird von der ElCom reguliert ( BGE 142 II 451 E. 4 S. 464 ff.). Die Energielieferungsverhältnisse im Bereich der Grundversorgung wurden im zit. Urteil 4A_582/2014 als öffentlich-rechtlich eingestuft (siehe auch BGE 142 II 451 E. 4.2.1 S. 464; zit. Urteil 2C_12/2016 E. 3.3.2). Vorliegend geht es allerdings weder um das Netznutzungsverhältnis noch um das Energielieferungsverhältnis, sondern um das Netzanschlussverhältnis (diese drei Verhältnisse unterscheidend auch etwa SCHOLL, a.a.O., S. 518 f. Rz. 13.29; ebenso bereits bezüglich des abgelehnten Elektrizitätsmarktgesetzes BRIGITTA KRATZ, Zu den Rechtsbeziehungen der Elektrizitätsunternehmen mit den Endkunden - eine Momentanaufnahme nach dem Nein zur EMG-Vorlage, AJP 2003 S. 347). 5.2 Ein Netzanschluss ist faktisch Voraussetzung dafür, dass das Elektrizitätsnetz (vgl. Art. 4 Abs. 1 lit. a StromVG ) überhaupt genutzt und Strom darüber bezogen werden kann (KRATZ, a.a.O., S. 344; JÄGER/SCHEIDEGGER, in: Kommentar zum Energierecht, Bd. I, 2016, N. 26 zu Art. 5 StromVG ). Mit anderen Worten können in der Praxis Netznutzungs- und Energielieferungsverhältnisse regelmässig nicht ohne die diesen vorgelagerten Netzanschlussverhältnisse bestehen. Den Netzanschluss rechtlich sicherzustellen, ist daher ein wesentlicher Bestandteil der Grundversorgung, worunter im betroffenen Gebiet insbesondere das Anschlussrecht der Endverbraucher an das Elektrizitätsnetz zu angemessenen Preisen verstanden wird (Botschaft vom 3. Dezember 2004 zur Änderung des Elektrizitätsgesetzes und zum Stromversorgungsgesetz, BBl 2005 1644 Ziff. 2.2.2.1 i.V.m. 1618 Ziff. 1.2.2). Aus diesem Grund haben die Kantone den auf ihrem Gebiet tätigen Netzbetreibern Netzgebiete zuzuteilen, wobei sie diese Zuteilung zusätzlich mit Leistungsaufträgen verbinden können ( Art. 5 Abs. 1 StromVG ). Art. 5 Abs. 2 StromVG verpflichtet die Netzbetreiber, in dem ihnen zugeteilten Netzgebiet alle Endverbraucher innerhalb der Bauzone, die ganzjährig bewohnten Liegenschaften und Siedlungen ausserhalb der Bauzone sowie alle Elektrizitätserzeuger an ihr Netz anzuschliessen. Diese von den Netzbetreibern zu erfüllende Anschlussgarantie kann von den Kantonen zudem auf Endverbraucher ausserhalb des Netzgebiets ausgedehnt werden ( Art. 5 Abs. 3 StromVG ). Weiter werden die Kantone ermächtigt, Bestimmungen über Anschlüsse ausserhalb der Bauzone BGE 144 III 111 S. 115 sowie über deren Bedingungen und Kosten zu erlassen ( Art. 5 Abs. 4 StromVG ). Dies soll ihnen ermöglichen, zu verhindern, dass der Grundsatz des diskriminierungsfreien Netzzugangs durch prohibitiv hohe Anschlusskosten unterlaufen wird (BBl 2005 1645 Ziff. 2.2.2.1). Die Grundversorgung mit Elektrizität ist Teil des "Service public" (BBl 2005 1618 Ziff. 1.2.2; SCHOLL, a.a.O., S. 515 f. Rz. 13.17). Der Bundesrat hat im Einklang damit denn auch die notwendigen Massnahmen zu treffen, wenn die sichere und erschwingliche Versorgung mit Elektrizität im Inland gefährdet sein sollte ( Art. 9 StromVG ). Netzanschlüsse und damit auch Netzanschlussverhältnisse sind unabdingbar, um die Grundversorgung der von dieser erfassten Endverbraucher (vgl. Art. 6 Abs. 1 StromVG ) zu gewährleisten. Konsequenterweise verpflichtet das StromVG die Netzbetreiber in den in Art. 5 Abs. 2-4 StromVG (gegebenenfalls i.V.m. kantonalem Recht) genannten Fällen, solche Netzanschlussverhältnisse einzugehen; die Netzbetreiber unterliegen also einem Kontrahierungszwang. Dass die Grundversorgung mit Elektrizität und infolgedessen auch die Netzanschlussverhältnisse in diesem Bereich öffentlichen Interessen dienen und damit öffentliche Aufgaben wahrgenommen werden, bedarf keiner weiteren Worte. Dass § 6 Abs. 1 des kantonalen Stromversorgungsgesetzes [des Kantons Luzern] vom 12. Dezember 2011 (SRL 772; nachfolgend: kStromVG) dem Netzbetreiber in seinem Netzgebiet das ausschliessliche Anschlussrecht einräumt (siehe dazu auch Botschaft vom 24. Mai 2011 zu den Entwürfen eines Kantonalen Stromversorgungsgesetzes und eines Kantonsratsbeschlusses über die Volksinitiative "Für tiefere Strompreise und sichere Arbeitsplätze", ad § 6 kStromVG), dessen natürlichem Monopol also gar ausdrücklich ein rechtliches zur Seite stellt (was im StromVG nach BGE 141 II 141 E. 4.4 S. 152 f. nicht der Fall ist; kritisch dazu KATHRIN S. FÖHSE, Die Leiden der jungen Strommarktordnung - aktuelle Probleme des StromVG unter besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung zu Netzgebietszuteilung und Grundversorgung, recht 2015 S. 140 ff.), bekräftigt zusätzlich, dass mit dem Netzanschluss öffentliche Interessen und Aufgaben verfolgt werden. Für die vorzunehmende Qualifikation ist diese kantonalrechtliche Regelung aber nicht entscheidend, weshalb es sich erübrigt, näher darauf einzugehen und insbesondere deren Zulässigkeit im Hinblick auf die nachträgliche derogatorische Kompetenz des Bundes in diesem Bereich und auch BGE 144 III 111 S. 116 mit Blick auf Art. 94 Abs. 4 BV zu prüfen (kantonale Anschlusspflichten als bundesrechtswidrig erachtend etwa JÄGER/SCHEIDEGGER, a.a.O., N. 28 zu Art. 5 StromVG Fn. 50). Netzanschlussverhältnisse im Bereich der Grundversorgung mit Elektrizität sind nach dem Gesagten - ebenso wie die ihnen nachgelagerten Netznutzungs- und Energielieferungsverhältnisse (vgl. E. 5.1 hiervor) - als öffentlich-rechtlich zu qualifizieren. Im Gegensatz zu anderen Branchen, in denen es ebenfalls um die Sicherstellung von Grundversorgung geht, besteht hier keine spezialgesetzliche Vorschrift, die Streitigkeiten darüber der Zivilgerichtsbarkeit unterwerfen würde (vgl. für Fernmeldedienste Art. 14 ff. des Fernmeldegesetzes vom 30. April 1997 [FMG; SR 784.10] i.V.m. Art. 18 f. des Bundesgesetzes vom 30. April 1997 über die Organisation der Telekommunikationsunternehmung des Bundes [TUG; SR 784.11] und für Postdienste Art. 13 ff. des Postgesetzes vom 17. Dezember 2010 [PG; SR 783.0] i.V.m. Art. 11 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 17. Dezember 2010 über die Organisation der Schweizerischen Post [POG; SR 783.1] ). 5.3 Zu prüfen bleibt, ob sich die Rechtsnatur des umstrittenen Netzanschlussverhältnisses änderte, weil die Beschwerdeführerin - noch bevor die Beschwerdegegnerin ihre Klage einreichte - ihr Recht auf Netzzugang ausübte und deshalb seither keine Endverbraucherin im Bereich der Grundversorgung mehr ist. Um ihren Energielieferanten tatsächlich frei wählen zu können, sind marktzugangsberechtigte Endverbraucher, die von diesem Recht Gebrauch machen, auf (diskriminierungsfreien) Netzzugang angewiesen, besteht doch für das elektrische Leitungsnetz ein natürliches Monopol der Netzbetreiber (zit. Urteil 2C_12/2016 E. 3.3). Die Entflechtung von Netzbetrieb und Elektrizitätsproduktion ist entsprechend ein wesentliches Element, um einen wettbewerbsorientierten Elektrizitätsmarkt zu schaffen, wie dies das Stromversorgungsgesetz gemäss Art. 1 Abs. 1 bezweckt ( BGE 138 I 454 E. 3.6.3 S. 463). Dank nationalem Wettbewerb soll einerseits Druck auf die Strompreise ausgeübt, andererseits die Innovation in der Elektrizitätsbranche und das Wachstum der gesamten Schweizer Wirtschaft begünstigt werden (BBl 2005 1642 Ziff. 2.2.1). Zu den netzseitigen Voraussetzungen, damit der freie Strommarkt in der Praxis funktionieren kann, gehört, dass das Gesetz die Verteilnetzbetreiber verpflichtet, Endverbraucher und Elektrizitätserzeuger erstens an das Netz anzuschliessen und ihnen (mit Ausnahme der festen Endverbraucher) zweitens BGE 144 III 111 S. 117 den Netzzugang zu gewähren, d.h. ein Netznutzungsverhältnis einzugehen ( BGE 143 I 395 E. 4.2). Die rechtlichen Grundlagen dafür hat der Gesetzgeber mit Art. 5 und 13 StromVG geschaffen. Die Anschlussgarantie nach Art. 5 Abs. 2 StromVG und ebenso die entsprechenden Netzanschlussverhältnisse dienen demnach (ausser bezüglich der festen Endverbraucher) auch der Verwirklichung des mit dem StromVG angestrebten Zwecks, einen wettbewerbsorientierten Strommarkt zu schaffen. Mit der Realisierung einer bestimmten Wirtschaftsordnung im Bereich der Energieversorgung werden letztlich überindividuelle, öffentliche Interessen verfolgt, weshalb Netzanschlussverhältnisse im Rahmen von Art. 5 Abs. 2 StromVG ebenfalls öffentlich-rechtlicher Natur sind. Dass das Grundstück der Beschwerdeführerin innerhalb der Bauzone liegt und infolgedessen von der Anschlussgarantie nach Art. 5 Abs. 2 StromVG erfasst wird, ist unbestritten.
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Sachverhalt ab Seite 263 BGE 99 Ia 262 S. 263 A.- Der Regierungsrat des Kantons Zürich erliess am 19. April 1972 eine neue Verordnung über die Bezirksgefängnisse BGE 99 Ia 262 S. 264 (Vo); diese Verordnung wurde im Amtsblatt vom 26. Mai 1972 veröffentlicht. B.- Ludwig A. Minelli hat den Erlass innert 30 Tagen nach der amtlichen Publikation mit staatsrechtlicher Beschwerde angefochten. Er stellt den Antrag, es seien die §§ 23, 25, 32, 33 Abs. 3, 36, 37, 40, 42, 44, 48, 49 Abs. 3, 50, 51, 52, 53, 55, 57, 59, 61, 63, 64 und 65 der neuen Verordnung aufzuheben, eventuell sei die ganze Verordnung aufzuheben. Zur Begründung macht der Beschwerdeführer geltend, durch die angefochtenen Bestimmungen würden folgende Grundsätze und verfassungsmässigen Rechte verletzt: - Prinzip der Gesetzmässigkeit der Verwaltung; - Garantie der persönlichen Freiheit; - Grundsatz der derogatorischen Kraft des Bundesrechts (Art. 2 Üb.B.BV); - Gleichheitsgebot, Willkürverbot ( Art. 4 BV ); - Verbot der körperlichen Strafen ( Art. 65 Abs. 2 BV ). Der Inhalt der angefochtenen Vorschriften und die einzelnen gegen den Verordnungstext vorgebrachten Rügen ergeben sich aus den nachfolgenden Erwägungen. C.- Die Justizdirektion des Kantons Zürich beantragt, es sei auf die Beschwerde mangels Legitimation nicht einzutreten, eventualiter sei die Beschwerde vollständig abzuweisen. Die Beschwerdelegitimation wird unter Hinweis darauf bestritten, dass der Beschwerdeführer kein aktuelles Interesse an der Überprüfung der angefochtenen Verordnung habe und dass jeder Anwendungsakt gegebenenfalls mit staatsrechtlicher Beschwerde angefochten werden könne. - Die zur Begründung des Eventualantrages vorgebrachten Argumente betreffend die verfassungsrechtliche Haltbarkeit des Erlasses werden, soweit erforderlich, in den nachfolgenden Erwägungen bei der Erörterung der einzelnen Vorschriften wiedergegeben. D.- In Anwendung von Art. 93 Abs. 2 OG wurde dem Beschwerdeführer nach Eingang der Vernehmlassung der Justizdirektion Gelegenheit zur Ergänzung der Beschwerde gegeben. Er hat von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Die Justizdirektion verzichtete auf eine Stellungnahme zur neuen Eingabe; sie hält an den in der Vernehmlassung gestellten Anträgen fest. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: I. - Gemäss Art. 84 Abs. 1 OG ist die staatsrechtliche BGE 99 Ia 262 S. 265 Beschwerde sowohl gegen Verfügungen (Entscheide) als auch gegen allgemeinverbindliche Erlasse zulässig. Zur Anfechtung von Erlassen ist jeder legitimiert, auf den die als verfassungswidrig bezeichnete Bestimmung künftig einmal angewendet werden könnte. Es genügt, dass der Beschwerdeführer virtuell unter den Erlass fällt; er braucht nicht bereits praktisch davon betroffen zu sein ( BGE 97 I 915 E. 4 a; BIRCHMEIER, Bundesrechtspflege, S. 370; MARTI, Die staatsrechtliche Beschwerde, S. 102). Insoweit ist, entgegen der Auffassung der Justizdirektion, kein "aktuelles Interesse" erforderlich, und auch die Möglichkeit, künftige Anwendungsakte mit staatsrechtlicher Beschwerde anzufechten und dabei vorfrageweise die Verfassungsmässigkeit des Erlasses in Frage zu stellen, schliesst nicht aus, dass schon der Erlass als solcher durch den virtuell Betroffenen sofort dem Verfassungsrichter unterbreitet werden kann. Die von der Justizdirektion in der Vernehmlassung zitierte Rechtsprechung ( BGE 87 I 245 , BGE 89 I 264 , BGE 94 I 33 , BGE 96 I 553 ), wonach ein aktuelles Interesse für die Legitimation dann nicht erforderlich ist, wenn andernfalls der beanstandete Eingriff vom Bundesgericht überhaupt nie auf seine Verfassungsmässigkeit hin überprüft werden könnte, bezieht sich auf die Anfechtung von Verfügungen, deren Wirkungen nicht mehr rückgängig zu machen sind, oder auf die Anfechtung von Erlassen, die im Zeitpunkt der Beurteilung bereits keine Gültigkeit mehr haben. Ein derartiger Sonderfall liegt hier nicht vor. Die Beschwerde richtet sich vielmehr gegen einen neuergangenen, künftig allenfalls anwendbaren, d.h. nicht bereits ausser Kraft gesetzten allgemeinverbindlichen Erlass, so dass sich die Frage, ob für eine verfassungsrichterliche Überprüfung noch Anlass bestehe, im erwähnten Sinne gar nicht stellt. Um einen solchen Erlass innert dreissig Tagen seit seiner Publikation anfechten zu können, genügt es, dass der Beschwerdeführer durch die beanstandeten Vorschriften virtuell betroffen ist. Die staatsrechtliche Beschwerde gegen allgemeinverbindliche Erlasse steht damit der Popularbeschwerde sehr nahe. Die Legitimation fehlt nur dann, wenn der Erlass lediglich auf bestimmte Personen anwendbar ist und der Beschwerdeführer nicht zu dieser Kategorie von Personen gehört (z.B. kann ein Arzt nicht rügen, eine neue Verordnung verletze die Handels- und Gewerbefreiheit der Apotheker; ein Schweizer kann nicht eine Vorschrift anfechten, die sich nur auf Ausländer bezieht, und ein BGE 99 Ia 262 S. 266 Mann nicht eine Bestimmung, die ihrem Inhalt nach nur auf Frauen anwendbar ist). Die im vorliegenden Fall angefochtene Verordnung betrifft virtuell jedermann, der möglicherweise einmal im Kanton Zürich zur Verbüssung einer Strafe oder als Untersuchungsgefangener in ein Bezirksgefängnis eingewiesen wird. Es ist demnach nicht zum vornherein ausgeschlossen, dass die vom Beschwerdeführer als verfassungswidrig beanstandeten Bestimmungen der Verordnung einmal auf ihn angewendet werden könnten (vgl. BGE 64 I 386 ). Seine Legitimation zur Anfechtung dieses Erlasses ist daher zu bejahen. Dass er die Beschwerde faktisch als Präsident des "Vereins für Strafrechts- und Anstaltsreform" eingereicht hat und wohl kaum wegen der Befürchtung, er könnte einmal persönlich von den angefochtenen Bestimmungen betroffen sein, ist verfahrensrechtlich ohne Belang. Die Frage der Legitimation dieses Vereins braucht nicht geprüft zu werden, da formell nicht der Verein, sondern Ludwig Minelli Beschwerde führt und ihm persönlich die Legitimation zur Anfechtung der Verordnung zusteht. II. - Die Verordnung über die Bezirksgefängnisse vom 19. April 1972 bezieht sich auf Anstalten, die einerseits noch nicht beurteilte, aus strafprozessualen Gründen zu internierende Gefangene aufnehmen und anderseits der vorübergehenden Internierung Verurteilter und dem Vollzug von Haftstrafen und kurzen Gefängnisstrafen dienen. Die Verordnung enthält in einem ersten Teil (§§ 1-16) organisatorische Vorschriften; der zweite Teil (§§ 17-60) umfasst die Hausordnung (allgemeine Vollzugsbestimmungen) und der dritte Teil (§§ 61-68) enthält besondere Bestimmungen für einzelne Haftarten. Die staatsrechtliche Beschwerde richtet sich gegen eine Reihe von Vorschriften, welche die Freiheit des Gefangenen in irgendeiner Weise beschränken. Die persönliche Freiheit ist ein ungeschriebenes Individualrecht der Bundesverfassung (BGE 98 I a 423 E. 4; BGE 97 I 841 E. 3, 49 E. 2; BGE 90 I 34 E. 3). Gewährleistungen der persönlichen Freiheit in den Kantonsverfassungen haben nur noch dort eine selbständige Bedeutung, wo sie weiter gehen als das Bundesrecht. Dass dies für Art. 7 KV zutreffe, wird vom Beschwerdeführer mit Recht nicht behauptet (vgl. BGE 97 I 842 E. 3, 49 E. 2). Die verfassungsrechtliche Garantie der persönlichen Freiheit schliesst Beschränkungen nicht aus. Eingriffe sind jedoch hier wie bei andern Grundrechten BGE 99 Ia 262 S. 267 nur zulässig, wenn sie auf gesetzlicher Grundlage beruhen, im öffentlichen Interesse liegen und dem Gebot der Verhältnismässigkeit entsprechen. Zudem darf durch solche Einschränkungen die persönliche Freiheit weder völlig unterdrückt noch ihres Gehaltes als fundamentale Institution unserer Rechtsordnung entleert werden (BGE 98 I a 424; 97 I 842 f, 49 f; 95 I 360 ; 91 I 34 E. 2; 90 I 34 E. 3; zum Schutz des menschlichen Lebens vgl. 98 I a 514 ff.). Bei der Beurteilung der vorliegenden Beschwerde ist zunächst die Frage der gesetzlichen Grundlage abzuklären (Ziff. III) und nachher zu untersuchen, ob die angefochtenen Freiheitsbeschränkungen unter dem Aspekt der Verhältnismässigkeit durch das öffentliche Interesse an der Durchführung des Strafverfahrens bzw. am Vollzug der Strafe gedeckt sind (Ziff. IV und V). Die bei einzelnen Vorschriften erhobenen speziellen Rügen werden im Zusammenhang mit der Prüfung der Verhältnismässigkeit erörtert (Ziff. V). III. - 1) Die gesetzliche Grundlage für den Freiheitsentzug, um dessen Durchführung es in den angefochtenen Vorschriften geht, ist in bezug auf die Untersuchungsgefangenen und polizeilich Verhafteten in der Strafprozessordnung (§§ 49 ff., § 339) und in bezug auf die im Strafvollzug befindlichen Verurteilten im Strafgesetzbuch und in den Bestimmungen des materiellen kantonalen Strafrechts (vgl. z.B. Art. 16 ff. des Zürcher EG/StGB v. 6.7.1941) enthalten. Die Normen, welche die eigentliche Grundlage der strafprozessualen Verhaftung oder strafweisen Internierung bilden, sind somit nicht Bestandteil der angefochtenen Verordnung. Die Verfassungsmässigkeit der verschiedenen Arten von Freiheitsentzug, die in den Bezirksgefängnissen durchgeführt werden, ist hier nicht zu prüfen. Es geht in diesem Verfahren ausschliesslich um die Frage, ob die getroffene Vollzugsordnung gegen Verfassungsrecht verstösst. 2) Wird durch prozessualen Haftbefehl oder richterliches Urteil der Entzug der Freiheit angeordnet, so kommt der Betroffene dadurch zum Staat in ein ganz besonderes Rechtsverhältnis: Der Untersuchungs- oder Strafgefangene wird durch die Tatsache der Haft bzw. des Strafvollzuges in einer radikalen, umfassenden Weise in seiner persönlichen Freiheit und damit zwangsläufig auch in der Ausübung anderer Individualrechte beschränkt und kommt in eine ausserordentlich grosse Abhängigkeit von den die Untersuchungshaft oder Freiheitsstrafe vollziehenden BGE 99 Ia 262 S. 268 Organen. Ob dieses spezifische Abhängigkeitsverhältnis entsprechend der herkömmlichen Terminologie als besonderes Gewaltverhältnis bezeichnet wird oder ob man aus psychologischen Gründen den Begriff der Gewalt vermeidet und - nicht klarer, aber weniger hart - von einem besondern Rechtsverhältnis (so in BGE 98 I b 305 E. 2 a) oder einem besondern Pflichtverhältnis spricht, hat auf die sich dabei stellenden verfassungsrechtlichen Fragen keinen Einfluss (vgl. zur Terminologie ZBl 1972 S. 386 Anm. 13 a). Das Problem, inwieweit neben der gesetzlichen Grundlage für die Anordnung des Freiheitsentzuges (StPO, StGB) die mit dem Vollzug verbundenen einzelnen Beschränkungen der Freiheit (z.B. Beschränkungen der Korrespondenz, der Besuchsmöglichkeit, der Annahme von Geschenken) noch einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung bedürfen, stellt sich unabhängig von der Bezeichnung des besondern Grundverhältnisses. 3) In der Schweiz ist man bisher davon ausgegangen, dass im Rahmen eines besondern Grundverhältnisses die mit dem speziellen Status zusammenhängenden Beschränkungen verfassungsmässiger Rechte keiner ausdrücklichen Regelung im Gesetz bedürfen (BGE 98 I b 305 E. 2 a; 97 I 52 , 842 f.; GRISEL, Droit administratif suisse, S. 166, mit weiteren Hinweisen). Demgegenüber hat das deutsche Bundesverfassungsgericht auf Grund der in Deutschland bestehenden Rechtslage entschieden, dass auch die Grundrechte der Strafgefangenen nur durch Gesetz oder gestützt auf ein Gesetz eingeschränkt werden dürften (Entscheid des Bundesverfassungsgerichts vom 14. März 1972, Bd. 33 Nr. 1; NJW 1972 S. 811). 4) Aus rechtsstaatlichen Gründen erscheint es unerlässlich, die wichtigsten mit Untersuchungshaft oder Strafvollzug verbundenen Freiheitsbeschränkungen durch einen allgemeinen Erlass zu regeln, um den Gefangenen vor Willkür zu schützen. Doch dürfte eine Regelung, welche jede denkbare, mit dem Aufenthalt in einem Gefängnis verbundene Beschränkung der persönlichen Freiheit ordnet - etwa nach dem Prinzip: was nicht ausdrücklich verboten ist, muss gestattet werden - weder notwendig noch möglich sein. Jede allgemeine Ordnung dieser Art wird gewisse Generalklauseln enthalten, da nicht alle im Einzelfall sich stellenden Probleme voraussehbar sind. Unter diesem Gesichtspunkt lässt sich die angefochtene Verordnung über die Bezirksgefängnisse nicht beanstanden. Sie entspricht BGE 99 Ia 262 S. 269 dem rechtsstaatlichen Erfordernis, dass die wesentlichen Einzelheiten eines derart umfassenden besonderen Gewaltverhältnisses, wie es Untersuchungshaft und Strafvollzug darstellen, in einem allgemeinen Erlass zu regeln sind und nicht dem freien Ermessen der Anstaltsbeamten überlassen werden dürfen. 5) Bejaht man die Notwendigkeit eines allgemeinen Erlasses als verfassungsrechtliches Erfordernis, so stellt sich die weitere Frage, ob die Regelung in einem Gesetz im formellen Sinn enthalten sein muss oder ob eine Verordnung der Exekutive genügt. Dass der Freiheitsentzug als solcher, d.h. die Anordnung der Untersuchungshaft oder der Strafe, in jedem Fall eine klare Grundlage in einem formellen Gesetz haben muss, steht fest. Darüber hinaus ist anzunehmen, dass nicht nur die Voraussetzungen für die Begründung des freiheitsentziehenden Grundverhältnisses, sondern auch dessen wesentlichster Inhalt, d.h. namentlich die Art und die mögliche Höchstdauer des Freiheitsentzuges durch ein formelles Gesetz bestimmt sein müssen. Hingegen lässt es sich verfassungsrechtlich nicht beanstanden, wenn die Regelung der Einzelheiten der Vollzugsordnung vom Gesetzgeber an die Exekutive delegiert wird. Obschon die konkrete Ausgestaltung des Vollzuges für das Mass der Freiheitsbeschränkung wesentlich ist, so geht es dabei doch nicht um Grundsatzfragen, deren Entscheidung nur auf dem Wege der formellen Gesetzgebung zulässig wäre (über die in Deutschland nunmehr herrschende strengere Auffassung: RUPPRECHT, Grundrechtseingriffe im Strafvollzug, NJW 1972, S. 1345 ff.; zum österreichischen Recht: Juristische Blätter 1973, S. 19 ff.). Die angefochtene Verordnung beruht einerseits auf den Vorschriften der Zürcher Strafprozessordnung über den Vollzug der Untersuchungshaft (§§ 74-76) und dient insbesondere der Konkretisierung des in § 76 Abs. 3 StPO enthaltenen Grundsatzes, dass die Verhafteten in ihrer Freiheit nicht mehr eingeschränkt werden dürfen, "als der Zweck des Verhaftes es erfordert". Anderseits beauftragt Art. 73 des Zürcher EG/StGB den Regierungsrat u.a., Verordnungen über den Vollzug der Freiheitsstrafen zu erlassen. Da - wie bereits ausgeführt wurde - diese Delegation an sich nicht zu beanstanden ist, hat der Regierungsrat mit der Schaffung der angefochtenen Verordnung seine Zuständigkeit nicht überschritten; der Erlass bildet zusammen mit den § § 74-76 StPO und der Delegationsklausel in BGE 99 Ia 262 S. 270 Art. 73 EG/StGB die von Verfassungs wegen notwendige gesetzliche Grundlage für die darin vorgesehenen einzelnen Freiheitsbeschränkungen im Rahmen des gesetzlich geregelten Grundverhältnisses (Untersuchungshaft, Strafvollzug). IV. - Die Beschränkungen verfassungsmässiger Rechte dürfen beim Vollzug von Freiheitsstrafen und bei der Untersuchungshaft nicht weiter gehen, als der im öffentlichen Interesse liegende Zweck dieser Institutionen es erfordert. Mit staatsrechtlicher Beschwerde kann geltend gemacht werden, einzelne Vorschriften der Verordnung über die Bezirksgefängnisse beschränkten Individualrechte der Gefangenen, ohne dass diese Beschränkung für die Erreichung des Zieles der Untersuchungshaft bzw. des Strafvollzuges notwendig sei. Wenn in der Begründung der Beschwerde von der "Unschuldsvermutung zugunsten Untersuchungsgefangener" und vom Zweck des Strafvollzuges gemäss Art. 37 Ziff. 1 Abs. 1 StGB (Vorbereitung auf den Wiedereintritt in das bürgerliche Leben) die Rede ist, so sind damit nicht besondere verfassungsmässige Rechte angerufen, sondern Gesichtspunkte erwähnt, welche für die sinngemässe Begrenzung des Entzugs der persönlichen Freiheit bei der Ausgestaltung von Untersuchungshaft und Strafvollzug Beachtung verdienen. Mit der Berufung auf die derogatorische Kraft des Bundesrechts soll offenbar geltend gemacht werden, einzelne Verordnungsvorschriften seien aufzuheben, weil sie im Widerspruch zur Zweckbestimmung der Freiheitsstrafe in Art. 37 StGB ständen. Der Strafvollzug ist jedoch Sache der Kantone. Art. 37 StGB enthält zwar eine bundesrechtliche Umschreibung des Zieles, aber nicht eine unmittelbar anwendbare Ordnung, welche zur Folge haben könnte, dass abweichendes kantonales Recht gemäss Art. 2 Üb. Best. BV aufzuheben wäre. Wohl ist Art. 37 StGB bei der Frage, wie weit Freiheitsbeschränkungen durch das Ziel des Strafvollzuges gedeckt sind, zu berücksichtigen; eine selbständige Bedeutung kommt aber der Rüge der Verletzung der derogatorischen Kraft des Bundesrechts, soweit sie sich ausschliesslich auf die Umschreibung des Vollzugsziels in Art. 37 Ziff. 1 StGB bezieht, neben der Rüge der Verletzung der persönlichen Freiheit nicht zu. Im Rahmen der Prüfung, ob die beanstandeten freiheitsbeschränkenden Verordnungsbestimmungen im öffentlichen Interesse liegen, ist vor allem auch zu beurteilen, ob die vorgesehenen BGE 99 Ia 262 S. 271 Eingriffe in die persönliche Freiheit (und allenfalls in andere Grundrechte) im Hinblick auf ihren Zweck dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit entsprechen. Das Bundesgericht hat in diesem Bereich grundsätzlich freie Kognition; doch rechtfertigt sich eine gewisse Zurückhaltung, denn die angemessene Hausordnung hängt teilweise sehr stark von den räumlichen Verhältnissen und den personellen und finanziellen Mitteln ab ( BGE 97 I 844 f. E. 6). Das Bundesgericht hat auf Grund des Verfassungsrechts gewisse Minimalforderungen festzulegen, die sich vor allem aus der Garantie der persönlichen Freiheit ergeben; es ist aber nicht seine Aufgabe, aus der Verfassung eine einheitliche gesamtschweizerische Ordnung abzuleiten und gewissermassen an Stelle des nach Art. 64bis BV (für Strafprozessrecht und Strafvollzug) zuständigen kantonalen Gesetzgebers zu legiferieren ( BGE 97 I 844 E. 6; JÖRG P. MÜLLER, in ZSR 1972, S. 219). Da sich das staatsrechtliche Beschwerdeverfahren auf verfassungsrechtliche Fragen beschränkt und den Kantonen bei der Ausgestaltung von Untersuchungshaft und Strafvollzug ein gewisser Spielraum zusteht, ergibt sich ein grundlegender Unterschied in der Kognitionsbefugnis der staatsrechtlichen Kammer einerseits (BGe BGE 97 I 45 , 839) und der Anklagekammer des Bundesgerichtes anderseits ( BGE 97 IV 70 , BGE 96 IV 45 ), welche im Bundesstrafverfahren als ordentliche Beschwerdeinstanz nach Art. 214 ff. BStP über die gleichen praktischen Fragen der Durchführung der Untersuchungshaft zu befinden hat. Doch geht es hier um eine unmittelbare Anwendung der einschlägigen Vorschriften des Bundesstrafprozessrechtes ( Art. 48 ff. BStP ). Der Verfassungsrichter hat demgegenüber weder den Auftrag noch die Befugnis, den Kantonen jene Regelung aufzuerlegen, welche nach BStP und der Rechtsprechung der Anklagekammer für das Bundesstrafverfahren gilt. Da den Kantonen in der Gestaltung ihres Strafprozessrechtes und des Strafvollzuges eine gewisse Freiheit zusteht, greift das Bundesgericht als Staatsgerichtshof nur ein, wenn die kantonalen Anordnungen oder Erlasse in einer aus dem Zweck der Institution nicht mehr begründbaren Weise die Grundrechte des Gefangenen beschränken. Bei der materiellen Prüfung der angefochtenen Verordnung stellt sich vorweg die grundsätzliche Frage, inwieweit die Unzulänglichkeit der räumlichen Verhältnisse sowie personelle und finanzielle Erwägungen eine freiheitsbeschränkende Vorschrift BGE 99 Ia 262 S. 272 zu begründen vermögen. Bei abstrakter Betrachtung wäre man geneigt, kategorisch zu erklären, dass Überlegungen dieser Art niemals eine Freiheitsbeschränkung rechtfertigen könnten, welche nicht an sich durch den Zweck der Untersuchungshaft oder des Strafvollzuges gedeckt sei. Die Frage stellt sich aber sehr oft in einer differenzierteren Form: Die Freiheitsbeschränkung als solche ergibt sich meistens aus dem Zweck des Grundverhältnisses und streitig ist dann nur, wieweit eine mögliche Lockerung des Eingriffes im Hinblick auf die räumlichen Verhältnisse, die Beanspruchung des Personals oder aus finanziellen Überlegungen verweigert werden darf. Das nachfolgende Beispiel zeigt sofort, dass Lockerungen der Freiheitsbeschränkung nicht nur durch den Zweck von Untersuchungshaft oder Strafvollzug begrenzt sind, sondern dass auch der durch die Lockerung verursachte zusätzliche Aufwand zum schützenswerten Interesse des Betroffenen an einer weitergehenden Lockerung in einem vernünftigen Verhältnis stehen muss (vgl. auch BGE 97 I 843 E. 5). So kann etwa Zahl und Dauer der zulässigen Besuche nicht ohne Rücksicht auf die vorhandenen Besuchsräume und die zusätzliche Belastung des Personals (Überwachung der Besuche) festgesetzt werden; das Besuchsrecht ist vielmehr so zu regeln, dass einerseits dem legitimen Bedürfnis des Gefangenen nach Kontakt mit der Aussenwelt und anderseits den Erfordernissen des konkreten Anstaltsbetriebes Rechnung getragen wird. Vom Internierungszweck her mögliche Lockerungen des Freiheitsentzuges sollen natürlich nicht leichthin unter Hinweis auf irgendwelche Durchführungsschwierigkeiten rundweg abgelehnt werden können. Gesamthaft muss die Regelung einen menschenwürdigen, von schikanösen, sachlich nicht begründeten Grundrechtsbeschränkungen freien Vollzug gewährleisten. Ohne dass diese absoluten Mindesterfordernisse hier im einzelnen festzulegen wären, ist doch klarzustellen, dass ein gewisses Mindestmass an Bewegung, Betätigungsmöglichkeit, Besuchsmöglichkeit, Hygiene, Korrespondenz usw. stets vorhanden sein muss und niemals wegen praktischer Schwierigkeiten unterschritten werden darf. V. - Die Prüfung der vom Beschwerdeführer beanstandeten Vorschriften auf ihre Verfassungsmässigkeit - unter Beachtung der Grenzen der Kognitionsbefugnis des Bundesgerichts (Ziff. IV) - führt zu folgenden Ergebnissen: 1) § 23 der Vo statuiert den Grundsatz, dass dem eintretenden BGE 99 Ia 262 S. 273 Gefangenen alle Gegenstände abgenommen werden, "welche nicht zu seiner persönlichen Ausrüstung (§ 25) gehören". Gemäss § 25 gehören stets zur persönlichen Ausrüstung, die in die Zelle genommen werden darf, Kleider, Leibwäsche und Toilettenartikel, sowie für arbeitende Gefangene, soweit nötig, Arbeitshosen, Hemden und Schuhe. "Die Gefängnisverwaltung kann die Mitnahme weiterer Gegenstände der persönlichen Habe in die Zelle gestatten" (§ 25 Abs. 3 Vo). In der Beschwerde wird geltend gemacht, diese Vorschriften könnten vor der Garantie der persönlichen Freiheit keinen Bestand haben; sie beraubten den Gefangenen seines Schreibgerätes sowie anderer Gegenstände, die für ihn persönlich einen grossen Gefühlswert haben (Fotos von Ehegatten, Kindern usw.); mit dem Entzug dieser Objekte werde der Gefangene ohne plausiblen Grund in seiner Menschenwürde getroffen. Nach Auffassung des Beschwerdeführers sollte eine Regelung geschaffen werden, welche die Wegnahme all jener Gegenstände gestattet, deren Besitz im Widerspruch zum Zweck der Haft oder zur Ordnung im Gefängnis steht; die Wegnahme soll möglich sein, wenn der Gefangene einen Anlass für diese Massnahme geschaffen hat. Die Ordnung in einem Gefängnis erfordert eine klare, einfache Vorschrift darüber, was in die Zelle mitgenommen werden darf. Zur Verhinderung unerlaubter Verbindungen mit der Aussenwelt und mit andern Gefangenen und zur Verhinderung von Ausbruchsversuchen, Selbstmordversuchen oder Angriffen auf das Personal ist eine übersichtliche, leicht kontrollierbare Ordnung in der Zelle notwendig. Die vom Beschwerdeführer vorgeschlagene Umkehrung des Prinzips, welche zur Folge hätte, dass die Gefängnisverwaltung nur Gegenstände von der Mitnahme in die Zelle ausschliessen dürfte, deren Gefährlichkeit in irgendeiner Weise schon belegt wäre, würde offensichtlich zu Missbräuchen einladen und hätte erhebliche praktische Schwierigkeiten zur Folge. Mit der Garantie der persönlichen Freiheit ist es vereinbar, dass der Gefangene seine Effekten nicht in die Zelle mitnehmen kann und dass die Gefängnisverwaltung bestimmt, welche Gegenstände ausser Kleidern und Toilettenartikeln noch in die Zelle genommen werden dürfen. Auf diese Weise ist eine flexible, die Besonderheiten des Einzelfalles berücksichtigende Praxis möglich. Die Gefängnisverwaltung darf selbstverständlich nicht in einer schikanösen Weise BGE 99 Ia 262 S. 274 ungefährliche Objekte, die für den Gefangenen einen erheblichen Affektionswert haben (wie Bilder oder Bücher), von der Mitnahme ausschliessen. Die angefochtenen §§ 23 und 25 gestatten jedoch eine verfassungskonforme, die Menschenwürde achtende Auslegung. Sie sind daher nicht verfassungswidrig. 2) In § 32 Vo ist unter anderem vorgesehen, dass der Zeitpunkt des Lichterlöschens von der Justizdirektion festgesetzt wird. - In der Möglichkeit, das Lichterlöschen zu ordnen, sieht der Beschwerdeführer einen Verstoss gegen die Freiheitsgarantie und eine Verletzung der menschlichen Würde, weil diese Massnahme - zumindest bei den Untersuchungsgefangenen - durch den Zweck der Internierung nicht gedeckt sei. Die Erfahrung zeigt, dass überall, wo eine grössere Anzahl Menschen unter einem Dach zusammen leben müssen, eine gewisse Rahmenordnung unerlässlich ist. Wenn in der Vernehmlassung der Justizdirektion ausgeführt wird, in Bezirksgefängnissen würde die Freizeit am Abend oft zu Störungen verschiedenster Art benützt (Lärm, Versuch der Kontaktnahme mit andern Gefangenen), mit dem Lichterlöschen trete aber Ruhe ein, so ist dies glaubhaft; die Schilderung stimmt mit der Erfahrung, die man in andern Lebenskreisen machen kann (Internat, Militärdienst), überein. Das Lichterlöschen ist ein einfaches und in keiner Weise erniedrigendes oder schikanöses Mittel, um im Rahmen eines geregelten Tagesablaufs einen vernünftigen Beginn der Nachtruhe herbeizuführen. Wird der Zeitpunkt des Lichterlöschens nicht zu früh angesetzt, so ist die daraus resultierende Beschränkung der Freiheit gering und lässt sich mit dem Ziel der Aufrechterhaltung einer vernünftigen Gefängnisordnung ohne weiteres rechtfertigen (vgl. auch BGE 97 I 845 ). Unter welchen Voraussetzungen allenfalls eine den durchschnittlichen Lebensgewohnheiten nicht entsprechende Festsetzung des Lichterlöschens als sachlich nicht begründeter, schikanöser und daher verfassungswidriger Eingriff zu qualifizieren wäre, ist hier nicht zu untersuchen. § 32 Vo ermöglicht eine verfassungskonforme Lösung. 3) § 33 Abs. 3 Vo lautet: "Gefangene, die berechtigt sind, sich selber Arbeit zu verschaffen (vgl. Teil III), können dies nur im Rahmen der Gefängnisordnung (Hausordnung, Einschränkung hinsichtlich Besuche und Korrespondenz) tun. Die selbstgewählte Arbeit ist in Einzelhaft zu verrichten. Allfälliger Aufwand wird dem Gefangenen verrechnet." BGE 99 Ia 262 S. 275 Diese Vorschrift wird vom Beschwerdeführer in doppelter Hinsicht beanstandet: Dass selbstgewählte Arbeit in Einzelhaft verrichtet werden müsse, während für den Arbeitsbetrieb des Gefängnisverwalters (§ 7) Gemeinschaftsarbeit vorgesehen sei (§ 35), verstosse gegen den Grundsatz der Rechtsgleichheit. Zudem sei die Beschränkung der mit der selbstgewählten Arbeit zusammenhängenden Besuche und Korrespondenzen verfassungswidrig, da sie gegen die derogatorische Kraft des Bundesrechts ( Art. 39 Ziff. 3 StGB ), die Freiheitsgarantie und das Prinzip der Gesetzmässigkeit der Verwaltung verstosse. Die erste Rüge - Verletzung der Rechtsgleichheit durch Anordnung der Einzelhaft bei selbstgewählter Arbeit - ist offensichtlich unbegründet. Gemeinschaftsarbeit wird in der Regel schon aus praktischen Gründen nur für die von der Gefängnisverwaltung zugeteilte Arbeit in Frage kommen. Wenn § 33 Abs. 3 für die Erledigung selbstgewählter Arbeit die Einzelhaft vorsieht, so handelt es sich dabei eigentlich um eine Selbstverständlichkeit. Wer sich selber Arbeit beschafft (oder nicht arbeitet), kann nicht beanspruchen, dass er sich im Arbeitsraum der Gefängnisverwaltung aufhalten darf. Auf jeden Fall ist die Tatsache, dass ein Gefangener selbstgewählte Arbeit verrichtet, ein hinreichender sachlicher Grund, um ihn in bezug auf die Möglichkeit der Gemeinschaftsarbeit anders zu behandeln, als die Mitgefangenen, welche sich vom Gefängnisverwalter Arbeit zuteilen lassen. Dass Besuche und Korrespondenzen, welche die selbstgewählte Arbeit betreffen, offenbar auf die eher knapp bemessenen Besuchs- und Korrespondenzmöglichkeiten (§§ 50 ff.) angerechnet werden, schränkt unter Umständen die Möglichkeit der Beschaffung von Arbeit ein. Anderseits kann natürlich die Tatsache der Selbstbeschäftigung nicht dazu führen, dass der Gefangene eine die Verwaltung übermässig belastende Vorzugsbehandlung erfährt und dass die Selbstbeschäftigung gewählt wird, um die sonst bestehenden Schranken umgehen zu können. Untersuchungsgefangene haben ein so ausgedehntes Korrespondenzrecht (vgl. § 52 Abs. 2), dass der mit selbstgewählter Arbeit zusammenhängende Briefverkehr in der Regel ohne weiteres erlaubt sein dürfte. Es stellt sich jedoch die Frage, ob nicht sowohl bei Untersuchungsgefangenen als auch bei Strafgefangenen gewisse Besuche, die eindeutig nur wegen der Selbstbeschäftigung notwendig sind, zusätzlich - d.h. ohne Anrechnung BGE 99 Ia 262 S. 276 auf das gemäss § 50 bestehende Besuchsrecht - bewilligt werden sollten. Bei den Strafgefangenen dürfte sich im gleichen Sinn auch eine gewisse Erweiterung des eng beschränkten Korrespondenzrechts (§ 52 Abs. 1) empfehlen, soweit der Briefverkehr wegen der selbst beschafften Arbeit notwendig ist. § 33 Abs. 3 sieht keine derartigen Erleichterungen der Selbstbeschäftigung vor. Art. 39 Ziff. 3 StGB ist dadurch aber nicht verletzt. Diese Bestimmung gewährleistet nur die grundsätzliche Möglichkeit der Selbstbeschäftigung des Haftgefangenen; die Vollzugsorgane werden nicht verpflichtet, für die Erledigung selbstgewählter Arbeit zusätzliche Erleichterungen zu gewähren. Wenn ein Kanton dem Gefangenen, der sich selbst Arbeit beschafft, hiefür keine zusätzlichen Besuchs- und Korrespondenzrechte einräumt, so verstösst er mit dieser strengen Ordnung weder gegen das StGB noch gegen die Verfassung. 4) § 36 Vo sieht vor, dass jedem Gefangenen, der die zugewiesene Arbeit verrichtet, ein Verdienstanteil zusteht, der sich nach Arbeitsleistung und gutem Verhalten bemisst, wobei die Justizdirektion den Maximalansatz festsetzt. Der Beschwerdeführer macht geltend, diese Bestimmung widerspreche der verfassungsmässigen Pflicht zur Respektierung der menschlichen Würde, dem Art. 31 BV (Anspruch auf Erwerb), dem Zweck des Strafvollzuges und dem Sklavereiabkommen; eine verfassungsmässige Gefängnisordnung habe vorzusehen, dass geleistete Arbeit so entschädigt werde, wie das in vergleichbaren Fällen in der freien Wirtschaft geschehe. Aus der in Art. 31 BV gewährleisteten Handels- und Gewerbefreiheit lässt sich kein Anspruch des Gefangenen auf eine bestimmte Entschädigung für seine Arbeitsleistung ableiten. - Welche Art der Entschädigung dem Zweck des Strafvollzuges am besten gerecht wird, braucht hier nicht untersucht zu werden, da sich daraus keinesfalls die verfassungsmässige Gewährleistung eines bestimmten Entlöhnungssystems ergibt und zudem eine kantonale Regelung, welche dem Art. 376 StGB genau entspricht, sicher nicht gegen übergeordnetes Bundesrecht verstösst. Inwiefern § 36 Vo das Sklavereiabkommen verletzen soll, wird in der Beschwerde nicht dargetan; es fehlt in dieser Beziehung eine dem Art. 90 OG entsprechende Begründung. Wie sich aus der Beschwerdebegründung entnehmen lässt, sieht der Beschwerdeführer einen Verstoss gegen die Menschenwürde und damit gegen das Verfassungsrecht der persönlichen BGE 99 Ia 262 S. 277 Freiheit vor allem darin, dass der Verdienstanteil nicht nur nach der Leistung, sondern auch nach dem Verhalten zu bemessen ist. Nachdem aber selbst bei der wissenschaftlichen Arbeitsbewertung in der freien Wirtschaft Komponenten des persönlichen Verhaltens mitberücksichtigt werden, ist es gewiss weder abwegig noch stossend, dass grundsätzlich das Verhalten die Höhe des Verdienstanteils mitbestimmen soll. Im übrigen entspricht dies Art. 376 StGB , und die Verfassungsmässigkeit dieser Vorschrift eines Bundesgesetzes ist vom Bundesgericht gemäss Art. 113 Abs. 3 BV nicht zu prüfen. Die Annahme des Beschwerdeführers, der Verdienstanteil werde zu tief angesetzt und bewirke gewissermassen eine "Ausbeutung" der Gefangenen, ist durch nichts belegt. Wohl lässt sich mit guten Gründen die Auffassung vertreten, man sollte dem Gefangenen einen dem Wert seiner Arbeit entsprechenden Lohn gutschreiben und die Kosten des Aufenthalts belasten, um ein klares Bild von Leistung und Gegenleistung zu geben (vgl. hiezu M. HEISING, Die Entlohnung der Gefangenenarbeit, Basel 1968). Wie in der Vernehmlassung der Justizdirektion mit Recht gesagt wird, würde dieses Vorgehen aber kaum zu einer höhern Auszahlung an den Gefangenen führen; zudem ist das System des Verdienstanteils in einer für das Bundesgericht verbindlichen Weise in Art. 376 StGB vorgeschrieben. § 36 regelt auf jeden Fall nicht eine die Menschenwürde verletzende, ausbeuterische Methode der Berechnung des Verdienstanteils, sondern gibt Richtlinien, die eine verfassungskonforme Entlöhnung der Gefangenenarbeit durchaus ermöglichen. 5) In der Beschwerde wird als Verstoss gegen die Rechtsgleichheit und die Freiheitsgarantie beanstandet, dass gemäss § 37 Vo erst nach einer Haftdauer von einem Monat entschädigungsberechtigte Freizeitarbeit zugeteilt wird. Da die Beschaffung von lohnender Freizeitarbeit mit Schwierigkeiten verbunden ist, erscheint es als vertretbare, jedenfalls gegen keine Verfassungsvorschrift verstossende Lösung, diese zusätzliche Verdienstmöglichkeit jenen Gefangenen zu vermitteln, die längere Zeit interniert bleiben und sich während eines Monats gut verhalten haben. Der Untersuchungsgefangene und der eine Haftstrafe Verbüssende können sich selber Freizeitarbeit beschaffen. Im übrigen besitzt der Gefangene weder einen gesetzlichen noch einen verfassungsmässigen Anspruch darauf, BGE 99 Ia 262 S. 278 dass ihm die Gefängnisverwaltung bezahlte Freizeitarbeit beschafft. Wenn sie dies im Rahmen des Möglichen tut, so verstossen die in § 37 Vo enthaltenen Richtlinien nicht gegen die Verfassung; insbesondere verstösst es nicht gegen Art. 4 BV , die Freizeitarbeit, die sich finden lässt, jenen zuzuteilen, die schon mindestens einen Monat interniert sind. Das ist eine sachlich vertretbare Regel. 6) Gemäss § 40 Vo wird Diätkost und zusätzliche Verpflegung nur auf Anordnung des Gefängnisarztes verabreicht. Die Verfassungsmässigkeit dieser Vorschrift wird in der Beschwerde angefochten, soweit sie sich auf die Untersuchungsgefangenen bezieht und auch diesen die Beschaffung zusätzlicher Verpflegung untersagt. Der Beschwerdeführer ist der Auffassung, von Verfassungs wegen müsse in allen Kantonen die in Art. 48 Abs. 2 BStP enthaltene Regel gelten, dass der Untersuchungshäftling berechtigt sei, sich auf seine Kosten zu verpflegen. § 76 Abs. 2 der Zürcher StPO bestimmt ausdrücklich, dass die Untersuchungsverhafteten bezüglich Nahrung und Kleidung wie die zu Haft Verurteilten gehalten werden. Diese Bestimmung kann als solche mit staatsrechtlicher Beschwerde nicht mehr angefochten werden; die Anfechtungsmöglichkeit beschränkt sich auf den konkreten Anwendungsfall. Wenn die Verordnung über die Bezirksgefängnisse in den §§ 40 und 42 davon ausgeht, dass Untersuchungsgefangene und zu Haft Verurteilte nicht unterschiedlich zu behandeln sind, so entspricht dies der nicht mehr anfechtbaren Gesetzesbestimmung von § 76 Abs. 2 StPO ; an der Rechtslage wird damit gar nichts geändert und um einen konkreten Anwendungsfall von § 76 Abs. 2 StPO handelt es sich auch nicht. Es kann daher auf die Beschwerde nicht eingetreten werden, soweit sie sich gegen die in § 76 Abs. 2 StPO vorgeschriebene Gleichheit der Nahrung für Untersuchungsgefangene und Verurteilte richtet. Die Rüge wäre übrigens unbegründet. Auch wenn Art. 48 Abs. 2 BStP die Selbstverköstigung des Untersuchungsgefangenen gestattet, so ist der Ausschluss dieser Möglichkeit im kantonalen Strafverfahren nicht verfassungswidrig. Die in der Pflicht zur Annahme der Anstaltskost liegende Freiheitsbeschränkung ist nicht fundamentaler Natur. Anderseits bringt die individuelle Beschaffung auswärtiger Nahrung erhebliche Umtriebe mit sich (Aufnahme der Wünsche, Kontrolle der BGE 99 Ia 262 S. 279 Lieferung, Rückgabe des Geschirrs usw.), so dass die Pflicht zur Annahme der Anstaltskost nicht als unverhältnismässig erscheint. Auch die vom Beschwerdeführer zitierten Minimalregeln des Wirtschafts- und Sozialrates der UNO (Règles minima pour le traitement des détenus; im folgenden zitiert: Mindestregeln, publiziert in Revue de la Commission internationale de Juristes, Dez. 1969, Heft 4, S. 51 ff.) empfehlen lediglich, den Untersuchungsgefangenen Selbstverköstigung zu gestatten, soweit dies mit der Ordnung des Betriebs vereinbar sei; der aus praktischen Gründen notwendige Ausschluss der Selbstverköstigung wird keineswegs von vornherein verpönt. Es handelt sich hier um eine Frage, die von den Kantonen nach den konkreten Verhältnissen geordnet werden kann. Aus dem Verfassungsrecht ist keine allgemein verbindliche Lösung abzuleiten. 7) § 42 Vo beschränkt die Gaben Dritter auf ein Geschenk pro Woche, wobei einzig die folgenden Esswaren zulässig sind: "2 Kilogramm Obst 250 Gramm Käse oder Dauerwurst 200 Gramm Schokolade 250 Gramm Stärkungsmittel (Ovomaltine oder dergleichen) oder Zucker oder Konfitüre." Gegen diese Vorschrift erhebt der Beschwerdeführer in erster Linie den Einwand, sie müsste in einem formellen Gesetz eine Grundlage haben. - Dass die Übersendung von Esswaren an Untersuchungsgefangene und Strafgefangene limitiert sein muss, ergibt sich aus den Bedürfnissen der Gefängnisordnung (Kontrolle gegen das Einschmuggeln unerlaubter Objekte, Verhinderung des Tauschhandels im Gefängnis, Ordnung und Sauberkeit in den Zellen). Es handelt sich dabei nicht um eine der Untersuchungshaft und dem Strafvollzug wesensfremde zusätzliche Freiheitsbeschränkung, die im Unterschied zu den übrigen Vollzugsvorschriften einer besondern gesetzlichen Grundlage bedürfte. Der Regelung auf dem Verordnungswege steht nichts entgegen. Die vom Regierungsrat vorgenommene Begrenzung der zulässigen Esswaren erscheint als sehr eng. Die Notwendigkeit einer klaren und leicht anwandbaren Regelung ist zwar offensichtlich; doch dürfte es genügen, wenn die Aufzählung in der Verordnung als Richtlinie beachtet wird mit der Möglichkeit, auf Gesuch an Stelle einer ausdrücklich genannten Ware eine BGE 99 Ia 262 S. 280 entsprechende Quantität eines gleichwertigen andern Produktes zu bewilligen. Allerdings kann nicht gesagt werden, aus der verfassungsrechtlichen Freiheitsgarantie ergebe sich für Untersuchungsgefangene der Anspruch auf die Zulassung von mehr und anderen Verpflegungsgeschenken. Bei wirklich schikanöser Anwendung des § 42 im Einzelfall bleibt die Möglichkeit der staatsrechtlichen Beschwerde gewahrt; als Richtlinie im Sinne einer Minimalvorschrift verstösst § 42 nicht gegen einen verfassungsrechtlichen Grundsatz. 8) Was die körperliche Bewegung anbelangt, so wird in § 44 Vo bestimmt, dass in Gefängnissen mit abgeschlossenem Hof die Gefangenen, die nicht im Freien beschäftigt werden, nach Ablauf einer Woche mindestens dreimal eine halbe Stunde wöchentlich zu spazieren haben. In der Beschwerde wird geltend gemacht, diese Norm verstosse gegen den Gleichheitsgrundsatz, gegen das Verbot der Körperstrafe und gegen die Mindestregeln. a) Dadurch, dass die neu eintretenden Gefangenen während einer Woche vom Spazieren ausgeschlossen sind, ist an sich Art. 4 BV (Gleichheitsgrundsatz) nicht verletzt; denn die ungleiche Behandlung der Neueintretenden, deren Verhaltensweise und Besonderheiten man noch nicht kennt, lässt sich mit sachlichen Gründen vertreten. Für den Strafvollzung sieht auch das Bundesrecht in ganz analoger Weise eine strengere Behandlung in der Anfangsphase vor (vgl. Art. 37 Ziff. 3 StGB ). b) Die Beschränkung der körperlichen Bewegungsfreiheit durch die Internierung in einer Zelle und die strenge Limitierung des Spaziergangs ist nicht eine körperliche Strafe im Sinne von Art. 65 Abs. 2 BV . Diese Verfassungsnorm verbietet die Prügelstrafe und ähnliche direkt auf den Körper einwirkende Sanktionen; hingegen kann sie sich nach ihrem Sinn und Zweck nicht auf die verschiedenen Arten von Freiheitsstrafen beziehen (vgl. BURCKHARDT, Kommentar der schweiz. BV, 3. A., S. 599; FLEINER/GIACOMETTI, Bundesstaatsrecht, S. 869 f). c) Der Berufung auf die Mindestregeln des Wirtschafts- und Sozialrates der UNO kann keine selbständige Bedeutung zukommen, da es sich dabei nicht um für die Schweiz verbindliche Vorschriften handelt. Diese Empfehlungen einer internationalen Organisation können lediglich bei der Bestimmung der Grenzen der Freiheitsgarantie für Untersuchungs- und Strafgefangene BGE 99 Ia 262 S. 281 als gewichtige Meinungsäusserung berücksichtigt werden (vgl. BGE 97 I 54 E. 4, 844, 846 f). d) Die Beschränkung der körperlichen Bewegungsmöglichkeit im Freien auf drei halbstündige Spaziergänge pro Woche ist nicht durch den Zweck von Untersuchungshaft oder Strafvollzug bedingt, sondern wird von der Justizdirektion mit den baulichen und personellen Verhältnissen begründet. Dass die vorhandenen Einrichtungen und der Personalbestand zur Zeit keine andere Regelung erlauben, lässt sich nicht widerlegen. Es stellt sich jedoch hier die Frage, ob eine Lösung, die nicht als Regel mindestens einen halbstündigen Spaziergang pro Tag vorsieht, jenes Minimum an körperlicher Bewegung, auf das auch ein Gefangener Anspruch erheben kann, nicht unterschreitet. Würde man heute aus der verfassungsrechtlichen Garantie der persönlichen Freiheit eine solche Norm ableiten, so hätte dies vermutlich in verschiedenen Kantonen erhebliche praktische Schwierigkeiten zur Folge. Die kantonalen Behörden könnten sich zu ihrer Entlastung darauf berufen, dass bis jetzt noch nie eine solche Richtlinie aufgestellt worden sei. Das Bundesgericht kann sich der Einsicht nicht verschliessen, dass eine sofortige Einführung des täglichen Spaziergangs in allen Untersuchungsgefängnissen praktisch nicht möglich ist. Doch ist hier festzustellen, dass ein Ausbau der Gefängnisse, der ein Minimum an täglicher Bewegung gewährleistet, dringend anzustreben ist. Ist zur Zeit mit Rücksicht auf die praktischen Schwierigkeiten § 44 Vo prinzipiell noch als verfassungsmässig zu bezeichnen, weil er nicht eine schikanöse Einschränkung enthält, sondern die heute praktisch durchführbare Minimalordnung umschreibt, so ist damit nicht ausgeschlossen, dass in Zukunft auf Grund der neuern Auffassung über die Stellung des Gefangenen ohne Rücksicht auf die praktischen Verhältnisse ein verfassungsmässiger Anspruch auf ein gewisses Minimum an täglicher Bewegung anerkannt wird. Was den vorliegenden Fall anbelangt, so ist immerhin darauf hinzuweisen, dass § 44 nach seinem Wortlaut nur eine Minimalregel enthält und die geforderte tägliche Bewegung dort, wo es praktisch durchführbar ist, gewährt werden muss. 9) Die Vorschrift in § 48 Abs. 1 Vo, wonach die Gefängnisverwaltung den Gefangenen wöchentlich Bücher aus der Gefängnisbibliothek zuteilt, wird in der Beschwerde angefochten BGE 99 Ia 262 S. 282 mit der Begründung, ein als "Bibliothekar" amtierender Gefangener könnte durch die "Zuteilungspraxis" von seinen Mitgefangenen Gegenleistungen (Waren, Geld) erwirken. Ausserdem beanstandet der Beschwerdeführer, dass die Bibliothek nur einmal wöchentlich benützt werden dürfe. In der Vernehmlassung der Justizdirektion wird erklärt, § 48 Abs. 1 ermögliche den Gefangenen, einmal wöchentlich so viele Bücher zu beziehen, wie er wünsche; die Erfüllung der entsprechenden Begehren sei nur begrenzt durch den beschränkten Umfang der Bibliothek und deren Mitbenützung durch die anderen Gefangenen. § 48 Abs. 1 Vo verstösst damit gegen keine Verfassungsnorm. Auf den Einwand, ein Mitgefangener könnte als Bibliothekar die Zuteilungsbefugnis missbrauchen, braucht hier nicht eingetreten zu werden. Die Rüge richtet sich nicht gegen den Inhalt der angefochtenen Bestimmung, sondern gegen eine allfällige vorschriftswidrige Praxis, wogegen erst im Anschluss an einen konkreten Anwendungsfall staatsrechtliche Beschwerde geführt werden kann. 10) Der Zeitungsbezug ist in § 48 Vo folgendermassen geregelt: "Nach einer Haftdauer von einer Woche können die Gefangenen von der Gefängnisverwaltung abonnierte Zeitungen oder Zeitschriften beziehen oder vorbehältlich von § 63 auf eigene Kosten eine Zeitung oder Zeitschrift abonnieren. Die Zeitungen und Zeitschriften sind dem Gefangenen vom Verlag oder einer Zeitungsagentur zuzusenden. Sie werden nach Haftende von der Gefängnisverwaltung nicht nachgeschickt." a) Angefochten wird auch bei dieser Bestimmung die unterschiedliche Behandlung der neu eingetretenen Gefangenen während der ersten Woche einerseits und der übrigen Gefangenen anderseits. - Die Unterscheidung lässt sich bei den Verurteilten als eine rudimentäre Form des Stufenstrafvollzugs sachlich begründen. In der ersten Woche soll der Häftling zur Besinnung veranlasst werden. Bei den Untersuchungsgefangenen trifft dieses Argument nicht zu; die Haft darf nicht als psychisches Druckmittel verwendet werden. Die Verteilung der Zeitungen und Zeitschriften - auch der von der Gefängnisverwaltung abonnierten - bringt gewisse Umtriebe mit sich. Es lässt sich zur Not unter diesem Gesichtspunkt noch rechtfertigen, dass Gefangene, welche sich nur eine Woche oder weniger im Gefängnis aufhalten, diesen zusätzlichen Dienst der Zuteilung BGE 99 Ia 262 S. 283 von aktuellem Lesestoff zur Entlastung des Personals nicht sollen beanspruchen können. Die Differenzierung darf mit dieser Begründung als mit Art. 4 BV und der Garantie der persönlichen Freiheit vereinbar bezeichnet werden. Eine "Zeitungssperre" von einer Woche ist kein besonders schwerer Eingriff, sondern eine Massnahme, die sich durch organisatorische Erwägungen rechtfertigen lässt, auch wenn der Internierungszweck an sich diese Einschränkung nicht erfordert. b) Nach einer Haftdauer von einer Woche ist die Lektüre der von der Gefängnisverwaltung abonnierten Zeitungen und Zeitschriften nicht durch formelle Vorschriften, sondern nur durch die praktischen Gegebenheiten beschränkt und zudem besteht die Möglichkeit, eine Zeitung oder Zeitschrift auf eigene Kosten zu abonnieren. Berücksichtigt man noch, dass der Gefangene überdies Radiosendungen hören kann, so erscheint die in der Regelung der Zeitungslektüre liegende Einschränkung der Informationsmöglichkeit als sehr gering. Es wird kaum je ein Gefangener die jetzt getroffene Ordnung dieser Frage als besondern Eingriff in seine persönliche Freiheit empfinden; es kann sich wohl jeder so über das Tagesgeschehen informieren, wie er es in der Freiheit zu tun pflegt. Auch das in der Beschwerde mit Nachdruck hervorgehobene besondere Informationsinteresse des Stimmberechtigten führt zu keiner andern Beurteilung. Mit den zur Verfügung stehenden Mitteln ist eine seriöse politische Meinungsbildung möglich. Dass aus organisatorischen Gründen - vor allem auch zur Wahrung einer kontrollierbaren Ordnung in den Zellen - nicht eine beliebige Anzahl von Zeitungen abonniert werden darf, ist eine im Rahmen des Internierungszweckes liegende, gegen keinen Verfassungsgrundsatz verstossende Beschränkung. Gegenüber der frühern Regelung ist in § 48 Abs. 3 Vo eine dem legitimen Informationsbedürfnis wesentlich besser entsprechende Ordnung geschaffen worden (zur früheren Regelung vgl. BGE 97 I 845 ff, E. 8 a). 11) In § 49 wird das Radiohören auf das von der Gefängnisverwaltung ausgewählte und über die Zellenanschlüsse übertragene Programm beschränkt. Abs. 4 von § 49 verbietet die Mitnahme von Radioapparaten, Tonbandgeräten, Grammophonapparaten und Fernsehgeräten in die Zelle, wobei die Justizdirektion für besondere Verhältnisse Ausnahmen gestatten kann. a) Wie die Anklagekammer in BGE 96 IV 47 ausführte, BGE 99 Ia 262 S. 284 kann die mit solchen Apparaten verbundene Gefahr der Ruhestörung durch die Benützung von Kopfhörern ausgeschaltet werden. In BGE 97 I 847 wurde bestätigt, dass das generelle Verbot solcher Einrichtungen sich nicht einfach mit der Gefährdung der Hausordnung begründen lasse; doch wurde in jenem Entscheid der staatsrechtlichen Abteilung gestützt auf einen Bericht der PTT die Verhältnismässigkeit des Verbots von privaten Radioempfängern bejaht, weil solche Apparate einerseits zum Abhören privater Mitteilungen verwendet werden können und anderseits dem Gefangenen eventuell die Möglichkeit geben, selber Mitteilungen auszustrahlen; eingebaute kleine Sender mit beschränkter Reichweite sind selbst für Fachleute nicht ohne weiteres erkennbar. b) Mit der vorliegenden Beschwerde wird eine neue Überprüfung dieser Frage verlangt. Der Beschwerdeführer bestreitet im Grunde genommen nicht, dass die im Entscheid BGE 97 I 848 erwähnten Gefahren einer missbräuchlichen, unter Umständen den Haftzweck in gravierender Weise durchkreuzenden Verwendung solcher Geräte bestehen; er macht jedoch geltend, es es seien Lösungen möglich, welche diese Gefahr ausschliessen, insbesondere durch die Abgabe plombierter Apparate seitens der Gefängnisverwaltung; bei Plattenspielern und Tonbandgeräten bestehe die Gefahr unerlaubter Kommunikation mit der Aussenwelt ohnehin nicht. c) Jeder komplizierte technische Apparat, der von aussen ins Gefängnis gebracht wird, kann Meldungen oder Instrumente (für Ausbruch oder Angriff) enthalten, die von einem Laien selbst bei gründlicher Kontrolle des Objektes schwer zu entdecken sind. Diese allgemeine Feststellung gilt nicht nur für Radio- und Fernsehempfänger, sondern auch für Plattenspieler und Tonbandgeräte. Die Zulassung solcher Einrichtungen würde die Kontrollaufgabe des Personals wesentlich erschweren. Ein vorbereiteter Sender braucht nicht in einem Empfangsgerät versteckt zu sein, er kann auch in ein Tonbandgerät oder in einen Plattenspieler eingebaut werden. Dazu kommt die herkömmliche Möglichkeit, dem Gefangenen in einem solchen Apparat versteckt Sägen, Messer oder andere Instrumente zukommen zu lassen. Berücksichtigt man die Gesamtheit dieser Gefahren auf der einen Seite und den mit dem Verbot privater Apparate verbundenen relativ geringfügigen Eingriff in die persönliche Freiheit auf der andern Seite, so ist offensichtlich, BGE 99 Ia 262 S. 285 dass dieses Verbot die Grenzen der Verhältnismässigkeit nicht überschreitet. Der Gefangene, der nur das im Gefängnis offiziell vermittelte Radioprogramm hören kann und auf das Fernsehen verzichten muss, ist nicht im Kernbereich seiner persönlichen Freiheit getroffen, sondern es geht in erster Linie um den Verzicht aufeine Annehmlichkeit (freie Wahl der Unterhaltung). Ergibt sich aus der vorstehenden Überlegung, dass das Verbot privater Apparate im Gefängnis nicht unverhältnismässig ist, so ist damit die weitere vom Beschwerdeführer aufgeworfene Frage nicht beantwortet, ob die gewünschte selbständige Wahl von Radio- oder Fernsehprogrammen nicht durch die Abgabe plombierter und kontrollierter Apparate oder durch eine Telefonrundspruchanlage gewährleistet werden könnte, ohne den Internierungszweck bzw. die Sicherheit zu gefährden. Auch wenn diese Frage bejaht werden müsste, so wäre deshalb § 49 Vo nicht verfassungswidrig. Denn aus dem Grundrecht der persönlichen Freiheit ergibt sich keine Verpflichtung des Staates, den Untersuchungs- und Strafgefangenen jede innerhalb des Gefängnisses technisch mögliche Unterhaltung zu vermitteln. Hier hat der Kanton eine gewisse Gestaltungsfreiheit. Es geht bei der vorliegenden Frage nicht um die Gewährleistung des für ein menschenwürdiges Dasein unerlässlichen Mindestmasses an Freiheit (wie etwa bei der Regelung der Bewegungsmöglichkeit, vgl. vorne Ziff. 8), sondern um moderne Lockerungen, die der Staat als Träger des Gefängniswesens nach seinen finanziellen und personellen Möglichkeiten einführen kann. Wenn § 49 das Radiohören auf die Benützung der heute bestehenden Lautsprecheranlagen beschränkt, private Empfangs- und Wiedergabegeräte ausschliesst und Ausnahmen nur für besondere Verhältnisse gestattet, so hält sich diese Regelung im Rahmen des Verfassungsrechts. 12) Die Besuchsmöglichkeit ist in den §§ 50/51 für Untersuchungsgefangene und Strafgefangene gleich geordnet: Gestattet ist ein wöchentlicher Besuch, der in der Regel nicht länger als eine Viertelstunde dauern soll. Der Kreis der Besucher wird beschränkt auf die Angehörigen, den Arbeitgeber und den Vormund. Der Beschwerdeführer rügt in erster Linie die über den Internierungszweck hinausgehende Beschränkung der Besuchsmöglichkeiten, insbesondere auch die Gleichstellung der Untersuchungsgefangenen mit den Strafgefangenen. BGE 99 Ia 262 S. 286 Wie bereits in anderm Zusammenhang ausgeführt wurde, ist die Ordnung des Besuchswesens weitgehend durch die räumlichen und personellen Verhältnisse bedingt. Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung müssen Besuche überwacht werden, so dass die Häufigkeit und Dauer der Besuche auf die zeitliche Belastung des Personals erhebliche Auswirkungen hat. Die in den §§ 50 und 51 getroffene Regelung ist allerdings sehr restriktiv; sie bewegt sich an der Grenze dessen, was von der Garantie der persönlichen Freiheit her für die Dauer der Untersuchungshaft als minimale Verbindung mit der Aussenwelt gefordert werden muss. Da für die Regelung dringender Angelegenheiten ausnahmsweise zusätzliche Besuche erlaubt werden können (§ 50 Abs. 3) und auch in bezug auf die Besuchsdauer und den Kreis der zulässigen Besucher durch die Formulierung "in der Regel" den Vorschriften eine gewisse Flexibilität verliehen wurde, ist eine verfassungskonforme Auslegung möglich. Die strengen Richtlinien, die doch ein Minimum an Besuchsmöglichkeiten gewährleisten, halten somit der verfassungsrechtlichen Überprüfung stand. 13) a) Gemäss § 52 Abs. 1 dürfen Strafgefangene pro Woche zwei Briefe schreiben. Diese Vorschrift bildet einen vernünftigen Kompromiss zwischen dem legitimen Anspruch des im Strafvollzug Befindlichen auf Korrespondenz und dem Interesse der Gefängnisverwaltung an einer Begrenzung des mit der Briefkontrolle verbundenen Arbeitsaufwandes. Die Beschränkung auf zwei Briefe pro Woche ist kein derartiger Eingriff, dass er sich mit organisatorischen Überlegungen nicht rechtfertigen liesse und daher als unverhältnismässig bezeichnet werden müsste. b) Die Regel für den Briefverkehr der Untersuchungs- und Sicherheitsgefangenen in § 52 Abs. 2, wonach eine Beschränkung nur erfolgen kann, wenn der Umfang der Korrespondenz eine genügende Kontrolle verunmöglicht, hält ebenfalls jeder verfassungsrechtlichen Überprüfung stand. Das Recht des Untersuchungsgefangenen auf grösstmögliche Wahrung seiner persönlichen Freiheit, soweit der Untersuchungszweck dies erlaubt, gibt ihm nicht einen verfassungsmässigen Anspruch auf völlig unbeschränkten Korrespondenzverkehr. Eine Beschränkung, die nur dazu dient, den zuständigen Beamten vor einer übermässigen Beanspruchung zu schützen, belässt dem Gefangenen jene Korrespondenzmöglichkeit, deren Schutz sich aus der BGE 99 Ia 262 S. 287 Garantie der persönlichen Freiheit ergibt, und schafft eine verhältnismässige Begrenzung. Wenn der Entscheid der Anklagekammer in BGE 97 IV 71 f gestützt auf Art. 48 Abs. 1 BStP jede Beschränkung des Korrespondenzrechts ablehnt, so handelt es sich dabei auf jeden Fall nicht um einen Grundsatz, der aus dem Verfassungsrecht des Bundes abgeleitet werden könnte und auch für die Kantone verbindlich wäre. c) Weiter macht der Beschwerdeführer geltend, es verstosse gegen rechtsstaatliche Prinzipien und gegen Bundesrecht, dass die Korrespondenz mit dem Verteidiger nicht von der Briefkontrolle ausgenommen sei. In der Beschwerde wird nicht dargetan, inwiefern die Kontrolle der Korrespondenz mit dem Verteidiger gegen eine Verfassungsnorm verstosse. Auch im Gesetzesrecht des Bundes findet sich keine Vorschrift, die dem verhafteten Angeschuldigten den unkontrollierten Briefverkehr mit dem Verteidiger gewährleisten würde. Der in der Beschwerdeschrift zitierte Art. 46 Ziff. 3 StGB gibt zwar dem Rechtsbeistand Anspruch auf freien Verkehr mit Anstaltsinsassen, behält aber eidgenössische und kantonale Verfahrensgesetze ausdrücklich vor. Da aus dem in der Beschwerde noch erwähnten Art. 321 StGB (Anwaltsgeheimnis) ebenfalls keine positive Lösung der aufgeworfenen Frage zu entnehmen ist, fehlt eine bundesrechtliche Regel, welche in bezug auf die Korrespondenz mit dem Anwalt dem angefochtenen § 53 Vo vorgehen würde. § 18 der Zürcher StPO bestimmt, dass dem Angeschuldigten nach einer Haftdauer von 14 Tagen erlaubt werden soll, "sich mit dem Verteidiger frei und unbeaufsichtigt zu beraten", sofern keine "besonderen Gründe, insbesondere Kollusionsgefahr," dem entgegenstehen. Die Annahme, diese Vorschrift gewährleiste nicht auch ein entsprechendes freies Korrespondenzrecht, ist nicht willkürlich, obwohl eine unterschiedliche Regelung für Korrespondenz einerseits und Besprechungen anderseits nicht ohne weiteres überzeugend erscheint. Die Kontrolle der Korrespondenz zwischen dem Gefangenen und seinem Anwalt ist insoweit durchaus gerechtfertigt, als es um die eingehenden Briefe geht, die jedenfalls auf ihre Herkunft hin geprüft werden müssen; der auf dem Briefumschlag angegebene Absender beweist noch nicht, dass das Schreiben wirklich vom Anwalt stammt. Dass nach § 53 Vo auch die an den Verteidiger abgesandten Briefe der Kontrolle unterliegen, mag zwar etwas stossend BGE 99 Ia 262 S. 288 erscheinen. Im Hinblick darauf, dass der Untersuchungsgefangene gemäss § 18 StPO sich jedenfalls mündlich unbeaufsichtigt mit seinem Verteidiger beraten kann, erweist sich die beanstandete Kontrolle der Korrespondenz als verfassungsrechtlich noch haltbar. d) § 53 schreibt unter anderem vor, dass Briefe mit "ungebührlichem Inhalt" sowie Mitteilungen, die sich auf ein hängiges Strafverfahren beziehen, nicht weitergeleitet werden. Ebenso ist die Korrespondenz mit Mitgefangenen und früheren Mitgefangenen untersagt. Keiner inhaltlichen Beschränkung unterliegen Beschwerdeeingaben an die Aufsichtsbehörde sowie Schreiben an den Verteidiger. Der Beschwerdeführer beanstandet, dass das Verbot von Mitteilungen "ungebührlichen" Inhaltes sachlich zu weit gehe und dem Kontrollbeamten ein übergrosses Ermessen einräume. Seiner Auffassung nach müsste sich das Verbot auf Mitteilungen "widerrechtlichen" Inhaltes beschränken. Mit dieser Umbenennung wäre jedoch nicht viel gewonnen, da auch der zweite Begriff im vorliegenden Zusammenhang sehr unbestimmt ist. Dass die Weiterleitung von Briefen gewissen inhaltlichen Beschränkungen unterliegt, wird auch vom Beschwerdeführer nicht in Frage gestellt; hierin liegt der Zweck der Kontrolle. So versteht es sich ohne weiteres, dass Mitteilungen, die der Vorbereitung von Fluchtplänen oder neuer strafbarer Handlungen dienen könnten, oder mit denen eine laufende Strafuntersuchung unzulässig beeinflusst werden soll (Kollusionsgefahr), nicht weitergeleitet werden dürfen. Wenn auch die Aufrechterhaltung des Kontaktes mit der Aussenwelt grundsätzlich wünschbar ist, so muss doch verhindert werden, dass diese Kontakte den Internierungszweck in Frage stellen. Darüber hinaus muss der Kontrollbehörde auch das Recht zugebilligt werden, Mitteilungen zurückzubehalten, welche die Ordnung des Gefängnisses gefährden könnten. Hingegen darf die Weiterleitung anderer Mitteilungen, welche weder den Internierungszweck noch die Anstaltsordnung gefährden und sich quantitativ im Rahmen des Erlaubten halten (§ 52), von der Kontrollbehörde nicht verweigert werden, gleichgültig ob sie den Inhalt dieser Mitteilungen billigt oder nicht (zur Rechtslage in Deutschland vgl. das erwähnte Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 14. März 1972, Bd. 33 Nr. 1). Wie diese Grenze zu ziehen ist, lässt sich nicht allgemein beantworten, sondern hängt von BGE 99 Ia 262 S. 289 den konkreten Umständen des jeweiligen Einzelfalles ab, weshalb sich die in der vorliegenden Verordnung enthaltene Generalklausel verfassungsrechtlich nicht beanstanden lässt, jedenfalls dann nicht, wenn man berücksichtigt, dass die Eingaben an die Aufsichtsbehörde und den Verteidiger von jeder inhaltlichen Beschränkung ausgenommen sind. 14) Unter den auf Gefangene anwendbaren Disziplinarstrafen wird in § 55 Ziff. 4 Vo die "Kostschmälerung bis auf fünf Tage" erwähnt. Der Beschwerdeführer versteht diese Vorschrift so, dass der Gefangene zwar am Leben erhalten, aber durch Hunger bestraft werden soll; er sieht darin eine unzulässige Körperstrafe. In der Vernehmlassung der Justizdirektion wird ausgeführt, die als Disziplinarstrafe vorgesehene Kostschmälerung werde nach den noch zu erlassenden Richtlinien in einer Kostvereinfachung bestehen (Abgabe von Suppe, Brot und Getränk an Stelle der Normalkost). Die Annahme des Beschwerdeführers, Kostschmälerung sei eine das Sattwerden verhindernde Hungerstrafe, ergibt sich nicht aus dem Wortlaut der Bestimmung. Dass der Gefangene durch Kostvereinfachung bestraft werden darf, wird auch in der Beschwerde anerkannt. In der Vernehmlassung sichert die Justizdirektion zu, dass der Begriff der Kostschmälerung durch Richtlinien im Sinne der Kostvereinfachung festgelegt wird. Der strafweise Entzug gewisser Annehmlichkeiten der Verpflegung (Abwechslung) ohne Verursachung von Hunger oder gesundheitlichen Schäden stellt keine unzulässige Körperstrafe dar und sie führt zu keiner Beeinträchtigung in den Grundrechten, die nicht durch einen legitimen Zweck gedeckt wäre. 15) Gemäss § 57 Vo sind alle Disziplinarentscheide von der zuständigen Instanz mit kurzer Begründung zuhanden der Personalakten der Gefängnisverwaltung schriftlich abzufassen. Die Entscheide sind dem Gefangenen mit kurzer Begründung zu eröffnen. Die schwereren Strafen (Beschränkung oder Entzug des Besuchs- oder Korrespondenzrechts, Kostschmälerung, Arrest) müssen schriftlich mitgeteilt werden. Bei den leichteren Strafen (Entzug von besondern Bewilligungen, Entzug der allgemeinen Rechte zum Bücher- und Zeitungsbezug, zum Rauchen und zum Empfang von Geschenken) genügt die mündliche Eröffnung. Der Gefangene ist auf sein Rekursrecht aufmerksam zu machen. BGE 99 Ia 262 S. 290 In der Beschwerde wird die Zulässigkeit einer nur mündlichen Eröffnung beanstandet. Der getroffenen Regelung steht jedoch kein Satz des Verfassungsrechts entgegen. Die schriftliche Mitteilung bietet wohl etwas grössere rechtsstaatliche Garantien; doch lässt sich aus keiner Verfassungsnorm ableiten, dass auch relativ geringfügige Disziplinarstrafen stets schriftlich eröffnet werden müssten. 16) Für den Vollzug der Arreststrafe, die bis zu 20 Tagen dauern kann, bestimmt § 59, dass alle dem Gefangenen sonst zustehenden Rechte auf gewisse Annehmlichkeiten und Erleichterungen (Rauchen, Besuche, Geschenke, Korrespondenz, Lektüre, Radio, Spaziergang usw.) wegfallen und dass er auch keine Arbeit erhält. Die Arreststrafe ist die einschneidendste Disziplinarstrafe; sie wird dann angewendet, wenn der Gefangene sich während des Aufenthaltes im Gefängnis schwerwiegende Verfehlungen zuschulden kommen lässt (§ 56). Damit der Arrest sich negativ vom gewöhnlichen Gefängnisaufenthalt abhebt, greifen gewisse zusätzliche Freiheitsbeschränkungen Platz. In der Beschwerde wird behauptet, diese Disziplinarstrafe sei nicht geeignet, sinnvoll zu wirken, sie baue auf der Furcht auf, nicht auf der Einsicht. Das Bundesgericht hat jedoch nicht die Zweckmässigkeit und Wirksamkeit der als "ultima ratio" vorgesehenen Sanktion zu beurteilen, sondern lediglich deren Verfassungsmässigkeit. Inwiefern die Arreststrafe in der vorgesehenen Form gegen Verfassungsrecht des Bundes verstösst, hat der Beschwerdeführer nicht dargelegt. Die allgemeine Bezugnahme auf die menschliche Würde und die Mindestregeln ist keine dem Art. 90 OG entsprechende Begründung. 17) "Untersuchungs- und Sicherheitsgefangene sind in Einzelhaft zu halten, solange der Untersuchungsbeamte nicht die Gemeinschaftshaft oder die Unterbringung in einer Zelle mit mehr als einem Gefangenen bewilligt." Diese Vorschrift des § 61 Vo wird als Verstoss gegen die Unschuldsvermutung, das Freiheitsprinzip sowie gegen das Prinzip der Verhältnismässigkeit gerügt. Alle diese Rügen lassen sich sinngemäss zusammenfassen in dem Vorwurf, die Einzelhaft als Regel schränke die persönliche Freiheit des Untersuchungsgefangenen stärker ein, als der Internierungszweck dies erfordere, und verstosse daher gegen die Garantie der persönlichen Freiheit. Nach der Auffassung des Beschwerdeführers sollten Untersuchungs- und Sicherheitsgefangene BGE 99 Ia 262 S. 291 in Gemeinschaftshaft untergebracht werden, sofern sie nicht selbst Einzelhaft wünschen oder die Einzelhaft zur Sicherstellung des Haftzweckes im konkreten Fall notwendig ist. Bereits § 76 Abs. 1 StPO schreibt die Einzelhaft der Untersuchungsgefangenen als Regel vor, weshalb § 61 Vo in dieser Beziehung an der Rechtslage, wie sie durch jene längst in Kraft befindliche Gesetzesbestimmung geschaffen worden ist, nichts ändert und die Frage der Zulässigkeit der Einzelhaft für Untersuchungsgefangene nurmehr noch in einem konkreten Anwendungsfall mittels staatsrechtlicher Beschwerde aufgeworfen werden kann (vgl. auch vorne Erw. V, 6). Die getroffene Lösung hielte übrigens einer verfassungsrechtlichen Prüfung stand. Der Zweck der Untersuchungshaft - die Vermeidung von Kollusionsgefahr und Fluchtgefahr - wird durch Einzelhaft am besten erreicht; bei Gemeinschaftshaft ist das Risiko, dass der Haftzweck vereitelt wird, wesentlich grösser. Der Entscheid darüber, ob ein Untersuchungsgefangener nicht mehr in Einzelhaft zu halten ist, muss aus sachlichen Gründen dem Untersuchungsleiter vorbehalten bleiben. Dass die Einzelhaft auf den Betroffenen negative psychische Auswirkungen haben kann, spricht nicht gegen die Verfassungsmässigkeit der dem Internierungszweck entsprechenden Regelung in § 61 Vo. Wer wegen Fluchtgefahr oder Kollusionsgefahr interniert werden muss, hat nicht von Verfassungs wegen Anspruch auf eine Wahlmöglichkeit zwischen Gemeinschaftshaft und Einzelhaft. 18) Für Untersuchungs- und Sicherheitsgefangene bedarf die Beschaffung von Lehrbüchern und das Abonnieren von Zeitungen gemäss § 63 Vo der Zustimmung des Untersuchungsbeamten. Diese Bestimmung für die aus prozessualen Gründen Inhaftierten soll nicht eine zusätzliche Freiheitsbeschränkung zur Folge haben, sondern unterstellt entsprechend dem Internierungszweck jeden Kontakt mit der Aussenwelt der Kontrolle des Verfahrensleiters, der auf Grund seiner genauen Kenntnis über den Stand der Untersuchung beurteilen soll, ob die Vermittlung des verlangten Lesestoffes den Zweck der Haft gefährden könnte. Wie die Justizdirektion in der Vernehmlassung mit Recht feststellt, ist der Untersuchungsbeamte bei seiner Entscheidung an den Grundsatz von § 76 Abs. 3 StPO gebunden und darf die Zustimmung nicht versagen, wenn sich dies nicht aus dem Zweck der Haft begründen lässt. - § 63 Vo steht BGE 99 Ia 262 S. 292 somit einer verfassungskonformen, das Prinzip der Verhältnismässigkeit wahrenden Praxis nicht entgegen, sondern ist eine Folge der sachlich begründeten Regel, dass bei Untersuchungsgefangenen der Verfahrensleiter über alle Kontakte mit der Aussenwelt orientiert sein soll und selber die Verantwortung für derartige Bewilligungen zu tragen hat. 19) § 64 Vo bestimmt, dass der Strafvollzug mit Einzelhaft beginnt, deren Dauer sich nach Richtlinien der Justizdirektion bemisst. "Der Verwalter kann Gefangene in Einzelhaft zurückversetzen, wenn ihr körperlicher oder geistiger Zustand, ihre Beschäftigung oder ihr Verhalten dies erfordern." In der Beschwerde wird beanstandet, diese Bestimmung verstosse gegen die Garantie der persönlichen Freiheit und gegen das Prinzip der Gewaltentrennung. Dass die erste Stufe des Vollzugs einer Gefängnisstrafe (oder einer Zuchthausstrafe) in der Form der Einzelhaft erfolgt, wird in Art. 37 Ziff. 3 StGB bundesrechtlich vorgeschrieben. Dort ist auch ausdrücklich vorgesehen, dass die Anstaltsleitung einen Strafgefangenen später in Einzelhaft zurückversetzen kann, "wenn sein Zustand oder der Zweck des Vollzuges dies erfordert". Für die zu einer Gefängnisstrafe Verurteilten enthält § 64 lediglich das, was gemäss Art. 37 Ziff. 3 StGB ohnehin gelten würde, mit der Ergänzung, dass die Dauer der Einzelhaft nach allgemeinen Richtlinien der Justizdirektion zu bemessen ist. Diese Ergänzung stellt eine vom Bundesgesetzgeber nicht vorgeschriebene rechtsstaatliche Verbesserung dar; einer willkürlichen Bemessung der Dauer der Einzelhaft wird damit vorgebeugt. Dass für den Vollzug von Art. 37 Ziff. 3 StGB auf jeden Fall noch Vorschriften in einem formellen Gesetz über die Dauer der Einzelhaft erforderlich seien, wie der Beschwerdeführer annimmt, lässt sich weder aus allgemeinen Prinzipien noch aus irgendeiner konkreten Norm ableiten. - Nachdem das StGB die Anstaltsleitung für zuständig erklärt, Rückversetzungen in die Einzelhaft anzuordnen, kann die dem Bundesgesetz entsprechende Ausführungsvorschrift des Kantons Zürich nicht als Verstoss gegen das Prinzip der Gewaltentrennung beanstandet werden. Bei der Regelung der Haftstrafe ( Art. 39 StGB ) wird die Einzelhaft nicht erwähnt. Daraus ist nicht der Schluss zu ziehen, im Haftvollzug sei Einzelhaft als erste Stufe nicht zulässig; naheliegender ist die Vermutung, dass der Gesetzgeber mit Rücksicht auf die räumlichen Verhältnisse in den Haftanstalten BGE 99 Ia 262 S. 293 stillschweigend davon ausging, diese kurzen Freiheitsstrafen würden in der Regel als Einzelhaft vollzogen. - § 64 Vo, der die in Art. 37 StGB für längere Freiheitsstrafen vorgesehene Ordnung grundsätzlich auch auf den Vollzug der Haftstrafen anwendet, ist auf jeden Fall nicht bundesrechtswidrig und verstösst gegen keine Verfassungsnorm. 20) Gemäss § 65 Vo hat der eine Haftstrafe verbüssende Gefangene sich beim Strafantritt zu entscheiden, ob er zugewiesene Arbeit verrichten oder gemäss Art. 39 Ziff. 3 StGB sich selbst angemessene Arbeit beschaffen will. Im Ausschluss der Möglichkeit, nachträglich von der zugewiesenen Arbeit auf Selbstbeschäftigung zu wechseln, sieht der Beschwerdeführer einen Verstoss gegen die derogatorische Kraft des Bundesrechts, gegen das Prinzip der Verhältnismässigkeit und das Prinzip der Gesetzmässigkeit der Verwaltung. Art. 39 Ziff. 3 StGB enthält zwar keine ausdrückliche Bestimmung darüber, ob der Haftgefangene im Laufe des höchstens drei Monate dauernden Strafvollzuges von der zugewiesenen Arbeit auf Selbstbeschäftigung wechseln kann; aus dem Wortlaut des Gesetzes lässt sich aber auch nicht entnehmen, dem Gefangenen müsse jederzeit der Wechsel der Beschäftigungsart gestattet sein. § 65 Vo verletzt daher Art. 39 Ziff. 3 StGB nicht. Die Pflicht, sich bei Strafantritt für die eine oder andere Art der Beschäftigung zu entscheiden, bildet keine unverhältnismässige Einschränkung der persönlichen Freiheit: Der vor dem Antritt der Haftstrafe Stehende kann sich rechtzeitig über die Art der zugewiesenen Arbeit erkundigen und die Möglichkeiten der Selbstbeschäftigung abklären. Dass es zu unliebsamen Störungen des Arbeitsbetriebes im Gefängnis führen würde, wenn jeder Haftgefangene im Laufe des Vollzuges nachträglich - eventuell nach Differenzen mit dem Vorgesetzten - sich selber Arbeit beschaffen könnte, ist glaubhaft. Es besteht ein erhebliches, durch den Strafzweck und die Gefängnisordnung begründetes Interesse, ständige Diskussionen darüber, ob ein Gefangener zugewiesene Arbeit annimmt oder sich selber Arbeit beschafft, auszuschliessen. § 65 Vo erlaubt eine verfassungskonforme Praxis. Immerhin ist hier hervorzuheben, dass der Haftgefangene rechtzeitig auf die Möglichkeit der Selbstbeschäftigung aufmerksam zu machen ist (z.B. bei der Aufforderung zum Strafantritt). Art. 39 Ziff. 3 StGB darf nicht dadurch praktisch bedeutungslos gemacht werden, dass die BGE 99 Ia 262 S. 294 Betroffenen erst beim oder nach dem Strafantritt von dieser Möglichkeit erfahren und dann gar nicht mehr in der Lage sind, im Sinne von § 65 Vo rechtzeitig die Selbstbeschäftigung zu verlangen.
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Sachverhalt ab Seite 39 BGE 104 III 38 S. 39 In seinem Beschluss vom 19. April 1978 hielt das Obergericht des Kantons Zürich (II. Zivilkammer) als obere kantonale Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs fest, das Betreibungsamt Zürich 11 habe bei der Lohnpfändung, die es in den von M. X. gegen ihren früheren Ehemann, H. X., für fällige Unterhaltsbeiträge eingeleiteten Betreibungen verfügt hatte, zu Recht auch das unpfändbare Krankengeld berücksichtigt, das der Schuldner bezieht. Es schützte die Pfändungsverfügung andererseits auch insofern, als das Betreibungsamt bei der Ermittlung des Notbedarfs Wohnkosten von Fr. 300.-, und nicht, wie vom Schuldner geltend gemacht, von Fr. 600.-, eingesetzt hatte. H. X. hat in diesen beiden Punkten an das Bundesgericht rekurriert. Er macht einerseits geltend, sein unpfändbares Krankengeld dürfe bei der Ermittlung der pfändbaren Quote seines Einkommens nicht in Betracht gezogen werden, und verlangt andererseits die Berücksichtigung seiner tatsächlichen Mietkosten von Fr. 600.-, die in dieser Höhe ausgewiesen seien. BGE 104 III 38 S. 40 Erwägungen Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung: 1. Wie das Bundesgericht schon mehrmals entschieden hat, darf das Erwerbseinkommen eines Schuldners, der eine unpfändbare Rente bezieht, so weit gepfändet werden, als es den durch die Rente nicht gedeckten Teil des Notbedarfs übersteigt, denn es sei zu berücksichtigen, dass der Schuldner seinen Lebensunterhalt zu einem Teil aus der unpfändbaren Rente bestreiten könne, so dass er zur Deckung des verbleibenden Teils des Notbedarfs unter Umständen nicht mehr den ganzen Arbeitsverdienst benötige (vgl. BGE 97 III 17 f. hinsichtlich der Leistungen der Militärversicherung mit Hinweisen auf Entscheide, die SUVA- bzw. AHV- und IV-Renten sowie Leistungen einer Familienausgleichskasse betrafen). Die Unpfändbarkeit einer Rente hat also lediglich zur Folge, dass die Rente selbst nicht gepfändet werden darf, nicht aber, dass der Schuldner neben dieser noch einen seinem Notbedarf entsprechenden Teil seines übrigen Einkommens beanspruchen könnte. Entgegen der Behauptung des Rekurrenten beruhte das erwähnte Urteil nicht darauf, dass im betreffenden Rekurs keine Gründe genannt worden waren, die - in Abweichung von den früheren Entscheiden - eine bevorzugte Behandlung der Leistungen der Militärversicherung rechtfertigen würden. Das Bundesgericht hat vielmehr unabhängig vom Fehlen solcher Vorbringen festgehalten, es sei nicht einzusehen, weshalb für diese Leistungen etwas anderes gelten sollte als für die Renten der übrigen Sozialversicherungen ( BGE 97 III 18 oben). Die angeführte Rechtsprechung trifft auf alle Leistungen der erwähnten Versicherungen zu, insbesondere auch auf die von diesen entrichteten Krankengelder (vgl. Art. 96 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 72 KUVG ; Art. 47 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 14 MVG ). Was der Rekurrent vorbringt, erlaubt nicht, anzunehmen, das Krankengeld, das er von seinem Arbeitgeber ausbezahlt erhält, unterscheide sich von den - unter Umständen zeitlich ebenfalls beschränkten - Krankengeldern der erwähnten Sozialversicherungen. Namentlich macht der Rekurrent nicht etwa geltend, das ihm entrichtete Krankengeld habe nicht der Bestreitung seines Lebensunterhaltes zu dienen. Das Betreibungsamt hat bei dieser Sachlage das Krankengeld bei der Ermittlung des pfändbaren Einkommens zu Recht berücksichtigt, BGE 104 III 38 S. 41 womit sich der Rekurs in diesem Punkt als unbegründet erweist. 2. Die Vorinstanz hat nicht übersehen, dass bei der Bemessung des Notbedarfs grundsätzlich die tatsächlichen Wohnkosten einzusetzen sind. Indessen erachtet sie den vom Rekurrenten geltend gemachten Mietzins von Fr. 600.- im Monat für weit übersetzt, weshalb nicht der ganze Betrag berücksichtigt werden könne. Diese Betrachtungsweise findet eine Stütze in der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, wonach ein Schuldner, dessen Gläubiger mangels anderer pfändbarer Vermögensstücke seine Einkünfte pfänden lassen müssen, seine Wohnkosten so tief wie möglich zu halten hat ( BGE 87 III 102 ; BGE 57 III 207 ). Wird in einem solchen Fall der effektive Mietzins für zu hoch befunden, so ist bei der Ermittlung des Notbedarfs der ortsübliche Mietzins für eine Wohnung einzusetzen, mit der sich zu begnügen dem Schuldner unter den gegebenen Verhältnissen zuzumuten wäre ( BGE 87 III 102 f. E. 1a). Die obere kantonale Aufsichtsbehörde führt aus, laut Auskunft des Amtes für Wohnungsnachweis der Stadt Zürich betrage die Miete für ein möbliertes Zimmer in einer Wohnung, wie der Rekurrent eines bewohne, bei der heutigen Marktlage im Durchschnitt zwischen Fr. 180.- und Fr. 220.-, für ein Separatzimmer zwischen Fr. 250.- und Fr. 350.- im Monat. Diese Feststellungen sind tatsächlicher Natur und demnach für das Bundesgericht verbindlich. Dass sie unter Verletzung bundesrechtlicher Beweisvorschriften zustande gekommen seien, behauptet der Rekurrent nicht, und es bestehen auch keine Anhaltspunkte für ein offensichtliches Versehen (Art. 63 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 81 OG ). Wenn die Vorinstanz aufgrund der von ihr festgestellten Verhältnisse dafür hält, das Betreibungsamt habe bei der Bemessung des Notbedarfs des Rekurrenten die Wohnkosten zu Recht nur mit Fr. 300.- veranschlagt, hat sie das ihr in diesem Punkt zustehende Ermessen nicht missbraucht. Sie durfte in Anbetracht der gegenwärtigen Marktlage insbesondere davon ausgehen, der Rekurrent könnte in Zürich auch kurzfristig ein Zimmer finden und beziehen, das nicht mehr als Fr. 300.- im Monat kosten würde, zumal nach Gesetz die Miete eines Zimmers unter Einhaltung einer zweiwöchigen Kündigungsfrist auf das Ende der monatlichen Mietsdauer aufgelöst werden kann ( Art. 267 Abs. 2 Ziff. 2 OR ) und für den vorliegenden Fall keine abweichende BGE 104 III 38 S. 42 Regelung behauptet worden war. Der Rekurrent bestreitet übrigens selbst nicht, dass ein Zimmerwechsel ohne weiteres möglich wäre. Seine Behauptung, im Mietzins von Fr. 600.- sei berücksichtigt, dass er die ganze Wohnung seiner Vermieterin benützen dürfe und dass er etwas pflegebedürftig sei, ist neu. Da der Rekurrent Gelegenheit und auch Anlass gehabt hätte, sie schon im kantonalen Verfahren vorzubringen, ist darauf nicht einzutreten (Art. 79 Abs. 1 zweiter Satz OG).
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SR 173.713.162 1 Reglement des Bundesstrafgerichts über die Kosten, Gebühren und Entschädigungen in Bundesstrafverfahren (BStKR) vom 31. August 2010 (Stand am 1. Dezember 2019) Das Bundesstrafgericht (BStGer), gestützt auf die Artikel 53 Absatz 2 Buchstabe a und 73 des Strafbehördenorganisationsgesetzes vom 19. März 20101 (StBOG), auf die Artikel 63–65 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vom 20. Dezember 19682 (VwVG) und auf Artikel 25 Absatz 4 des Bundesgesetzes vom 22. März 19743 über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR), beschliesst: 1. Kapitel: Verfahrenskosten 1. Abschnitt: Allgemeine Bestimmungen Art. 1 Verfahrenskosten 1 Die Verfahrenskosten umfassen die Gebühren und die Auslagen. 2 Die Gebühren sind für die Verfahrenshandlungen geschuldet, die im Vorverfahren von der Bundeskriminalpolizei und von der Bundesanwaltschaft, im erstinstanz- lichen Hauptverfahren von der Strafkammer, im Berufungsverfahren und im Revisi- onsverfahren von der Berufungskammer und in Beschwerdeverfahren gemäss Arti- kel 37 StBOG von der Beschwerdekammer durchgeführt oder angeordnet worden sind.4 3 Die Auslagen umfassen die vom Bund vorausbezahlten Beträge, namentlich die Kosten für die amtliche Verteidigung und die unentgeltliche Verbeiständung, Über- setzungen, Gutachten, Mitwirkung anderer Behörden, Porti, Telefonspesen und andere entsprechende Kosten. 4 Für einfache Fälle können Pauschalgebühren vorgesehen werden, die auch die Auslagen abgelten. AS 2010 5817 1 SR 173.71 2 SR 172.021 3 SR 313.0 4 Fassung gemäss Ziff. I der V des BStGer vom 21. Aug. 2018, in Kraft seit 1. Jan. 2019 (AS 2018 4579). 173.713.162 Eidgenössische richterliche Behörden 2 173.713.162 Art. 2 Aufstellung der Kosten 1 Die Bundeskriminalpolizei und die Bundesanwaltschaft erstellen separate Aufstel- lungen ihrer Kosten. 2 Die Bundeskriminalpolizei übergibt nach Abschluss des polizeilichen Ermittlungs- verfahrens ihre Kostenaufstellung der Bundesanwaltschaft. 3 Die Bundesanwaltschaft fügt die Kostenaufstellungen für das Vorverfahren ein- schliesslich derjenigen für die Anklageerhebung der Anklageschrift bei, die sie der Strafkammer zustellt.5 4 Im Falle einer Übertragung der Strafsache an eine kantonale Strafverfolgungs- behörde gibt die Bundesanwaltschaft die Kostenaufstellungen des Bundesstrafver- fahrens zu den Akten. 5 Erlässt die Bundesanwaltschaft eine Nichtanhandnahmeverfügung (Art. 310 der Strafprozessordnung6, StPO), stellt sie das Verfahren ein (Art. 319 ff. StPO), erlässt sie einen Strafbefehl oder einen Einziehungsbefehl (Art. 352 ff. und 376 ff. StPO) oder fällt sie einen anderen selbstständigen Entscheid (Art. 363 ff. StPO), so legt sie die Kostenfolgen fest. 6 Die Strafkammer und die Berufungskammer fügen nach Abschluss der Parteiver- handlungen ihre eigene Aufstellung der Kosten denjenigen bei, die sie mit der An- klageschrift erhalten haben. Die Bundesanwaltschaft ist gehalten, vor Abschluss der Parteiverhandlungen der Strafkammer bzw. der Berufungskammer ihre Kostenauf- stellung für die Ausübung ihrer Parteirechte im gerichtlichen Verfahren einzu- reichen.7 Art. 3 Kostenvorschuss in den Beschwerdeverfahren 1 Sofern das Gesetz es vorsieht, können die Beschwerdekammern von der Be- schwerdeführerin oder dem Beschwerdeführer einen Kostenvorschuss in der Höhe der mutmasslichen Gerichtskosten erheben. Wenn besondere Gründe vorliegen, kann auf die Erhebung des Kostenvorschusses ganz oder teilweise verzichtet wer- den.8 2 Zur Leistung des Kostenvorschusses wird eine angemessene Frist gesetzt.9 3 Die Kasse des Bundesstrafgerichts ist für die Erhebung der Kostenvorschüsse zuständig. 5 Fassung gemäss Ziff. I der V des BStGer vom 21. Aug. 2018, in Kraft seit 1. Jan. 2019 (AS 2018 4579). 6 SR 312.0 7 Fassung gemäss Ziff. I der V des BStGer vom 21. Aug. 2018, in Kraft seit 1. Jan. 2019 (AS 2018 4579). 8 Fassung gemäss Ziff. I der V des BStGer vom 21. Aug. 2018, in Kraft seit 1. Jan. 2019 (AS 2018 4579). 9 Fassung gemäss Ziff. I der V des BStGer vom 20. Aug. 2019, in Kraft seit 1. Dez. 2019 (AS 2019 3223). Kosten, Gebühren und Entschädigungen in Bundesstrafverfahren. R des BStGer 3 173.713.162 Art. 4 Fälligkeit Die Gebühren und die Auslagen werden mit Eintritt der Rechtskraft des Entscheides fällig. 2. Abschnitt: Gebühren Art. 5 Berechnungsgrundlagen Die Höhe der Gebühr richtet sich nach Bedeutung und Schwierigkeit der Sache, der Vorgehensweise der Parteien, ihrer finanziellen Situation und dem Kanzleiaufwand. Art. 6 Gebühren im Vorverfahren (Art. 73 Abs. 3 Bst. a StBOG) 1 Die Gebühren für die polizeilichen Ermittlungen und für die Untersuchung umfas- sen die Ermittlungs- und Untersuchungskosten, die Kosten der Verfügungen und der anderen Verfahrenshandlungen sowie die Kosten des Endentscheides. 2 Die Gebühr für die Untersuchung umfasst die Kosten der im Rahmen der Untersu- chung ausgeführten polizeilichen Tätigkeiten. 3 Für die polizeilichen Ermittlungen werden die folgenden Beträge als Gebühren erhoben: a. im Falle einer Nichtanhandnahmeverfügung (Art. 310 StPO10): 200–5000 Franken; b. im Falle der Eröffnung einer Untersuchung: 200–50 000 Franken. 4 Für die Untersuchung werden die folgenden Beträge als Gebühren erhoben: a. im Falle eines Strafbefehls (Art. 352 ff. StPO): 200–20 000 Franken; b. bei Einstellung des Verfahrens (Art. 319 ff. StPO): 200–40 000 Franken; c. im Falle einer Anklageerhebung (Art. 324 ff., 358 ff., 374 ff. StPO): 1000– 100 000 Franken; d. bei Abschluss des Verfahrens durch anderweitigen Entscheid (Art. 316, 363 ff., 376 ff. StPO): 200–20 000 Franken. 5 Die Gebühr für die polizeilichen Ermittlungen und die Untersuchung darf den Betrag von 100 000 Franken nicht überschreiten. Art. 7 Gebühren im erstinstanzlichen Hauptverfahren (Art. 73 Abs. 3 Bst. b StBOG) In Fällen, in denen die Strafkammer entscheidet, betragen die Gerichtsgebühren: 10 SR 312.0 Eidgenössische richterliche Behörden 4 173.713.162 a. 200–50 000 Franken vor dem Einzelgericht; b. 1000–100 000 Franken vor der Kammer in der Besetzung mit drei Richte- rinnen oder Richtern. Art. 7bis 11 Gebühren im Berufungsverfahren und im Revisionsverfahren (Art. 73 Abs. 3 Bst. c StBOG) In Fällen, in denen die Berufungskammer entscheidet, betragen die Gerichtsgebüh- ren 200–100 000 Franken. Art. 8 Gebühren in Beschwerdeverfahren (Art. 73 Abs. 3 Bst. c StBOG, Art. 63 Abs. 4bis und 5 VwVG, Art. 25 Abs. 4 VStrR) 1 Für das Beschwerdeverfahren gemäss den Artikeln 393 ff. StPO12 sowie gemäss VStrR können Gebühren von 200 bis 50 000 Franken erhoben werden. 2 Die Gebühren für die anderen Verfahren gemäss StPO betragen zwischen 200 und 20 000 Franken. 3 Die Gebühren für Verfahren gemäss dem VwVG betragen: a. in Fällen, in denen keine Vermögensinteressen auf dem Spiel stehen: 100– 5000 Franken; b. in den übrigen Fällen: 100–50 000 Franken. 3. Abschnitt: Auslagen Art. 9 1 Die Auslagen werden entsprechend den dem Bund verrechneten oder von ihm bezahlten Beträgen festgelegt. 2 Ausgenommen sind die Kosten der Inhaftierung. 2. Kapitel: Entschädigungen 1. Abschnitt: Entschädigungen an Parteien Art. 10 Auf die Berechnung der Entschädigung der ganz oder teilweise freigesprochenen beschuldigten Person, der Wahlverteidigung, der gänzlich oder teilweise obsiegen- den Privatklägerschaft und der Drittperson im Sinne von Artikel 434 StPO13 sind die Bestimmungen über die Entschädigung der amtlichen Verteidigung anwendbar. 11 Eingefügt durch Ziff. I der V des BStGer vom 21. Aug. 2018, in Kraft seit 1. Jan. 2019 (AS 2018 4579). 12 SR 312.0 13 SR 312.0 Kosten, Gebühren und Entschädigungen in Bundesstrafverfahren. R des BStGer 5 173.713.162 2. Abschnitt: Entschädigungen an die amtliche Verteidigung Art. 11 Grundsatz 1 Die Anwaltskosten umfassen das Honorar und die notwendigen Auslagen, nament- lich für Reise, Verpflegung und Unterkunft sowie Porti und Telefonspesen. 2 Dieses Reglement ist nicht anwendbar auf das Verhältnis zwischen der frei ge- wählten Anwältin oder dem frei gewählten Anwalt und der von ihr oder ihm im Strafverfahren vertretenen Partei. Art. 12 Honorar 1 Das Honorar wird nach dem notwendigen und ausgewiesenen Zeitaufwand der Anwältin oder des Anwalts für die Verteidigung bemessen. Der Stundenansatz beträgt mindestens 200 und höchstens 300 Franken. 2 Reicht die Anwältin oder der Anwalt die Kostennote nicht bis zum Abschluss der Parteiverhandlungen oder innerhalb der von der Verfahrensleitung angesetzten Frist oder, im Verfahren vor der Beschwerdekammer, spätestens mit der einzigen oder letzten Eingabe ein, so setzt das Gericht das Honorar nach Ermessen fest. Art. 13 Auslagen 1 Die Spesen werden aufgrund der tatsächlichen Kosten vergütet. 2 Es werden höchstens vergütet: a. für Reisen in der Schweiz: die Kosten eines Halbtax-Bahnbilletts erster Klasse; b. für Flugreisen aus dem Ausland: ein Flugbillett der Economy-Klasse; c. für Mittag- und Nachtessen: die Beträge gemäss Artikel 43 der Verordnung des EFD vom 6. Dezember 200114 zur Bundespersonalverordnung (VBPV); d. für Übernachtungen einschliesslich Frühstück: die Kosten für ein Einzel- zimmer in einem Dreisternhotel am Ort der Verfahrenshandlung; e. für eine Fotokopie: 50 Rappen bzw. bei Massenanfertigungen 20 Rappen. 3 Anstelle einer Entschädigung der Bahnkosten kann ausnahmsweise, insbesondere bei erheblicher Zeitersparnis, für die Benutzung des privaten Motorfahrzeuges eine Entschädigung ausgerichtet werden; der Kilometeransatz richtet sich nach Artikel 46 VBPV. 4 Rechtfertigen es besondere Verhältnisse, so kann anstelle der tatsächlichen Kosten nach Absatz 2 ein Pauschalbetrag vergütet werden. 14 SR 172.220.111.31 Eidgenössische richterliche Behörden 6 173.713.162 Art. 14 Mehrwertsteuer Die Honorare und Auslagen verstehen sich exklusive Mehrwertsteuer. 3. Abschnitt: Entschädigungen an Zeuginnen, Zeugen und Auskunftspersonen Art. 15 Grundsatz 1 Zeuginnen und Zeugen haben Anspruch auf eine angemessene Entschädigung für Erwerbsausfall und Spesen. 2 Zeuginnen und Zeugen aus einem anderen Kanton oder aus dem Ausland kann ein angemessener Vorschuss für die ihnen entstehenden Auslagen zugesprochen wer- den. 3 Von Zeuginnen und Zeugen kann verlangt werden, dass sie Belege vorlegen. Art. 16 Zeugengeld 1 Zeuginnen und Zeugen erhalten je nach Zeitaufwand, einschliesslich der notwen- digen Reisezeit, ein pauschales Zeugengeld von: a. 30–100 Franken, wenn die gesamte Inanspruchnahme nicht länger als einen halben Tag dauert; b. 50–150 Franken pro Tag, wenn die Inanspruchnahme länger dauert. 2 Bei hinreichend nachgewiesenem oder glaubhaft gemachtem Erwerbsausfall be- trägt die Entschädigung in der Regel 25–150 Franken pro Stunde. 3 Rechtfertigen es besondere Verhältnisse, so kann die Verfahrensleitung bestim- men, dass der tatsächliche Erwerbsausfall entschädigt wird. Dies gilt nicht für einen ausserordentlich hohen Erwerbsausfall. Art. 17 Auslagen 1 Die Spesen werden aufgrund der tatsächlichen Kosten vergütet. Es werden höchs- tens vergütet: a. für Reisen in der Schweiz: die Kosten eines Halbtax-Bahnbilletts zweiter Klasse; b. für Flugreisen aus dem Ausland: ein Flugbillett der Economy-Klasse; c. für Mittag- und Nachtessen: die Beträge gemäss Artikel 43 VBPV15; d. für Übernachtungen einschliesslich Frühstück: die Kosten für ein Einzel- zimmer in einem Dreisternhotel am Ort der Verfahrenshandlung. 2 Anstelle einer Entschädigung der Bahnkosten kann ausnahmsweise, insbesondere bei erheblicher Zeitersparnis, für die Benutzung des privaten Motorfahrzeuges eine 15 SR 172.220.111.31 Kosten, Gebühren und Entschädigungen in Bundesstrafverfahren. R des BStGer 7 173.713.162 Entschädigung ausgerichtet werden; der Kilometeransatz richtet sich nach Artikel 46 VBPV. 3 Muss die Zeugin oder der Zeuge wegen Krankheit, Gebrechens, Alters oder aus anderen vergleichbaren Gründen ein besonderes Transportmittel in Anspruch neh- men, so werden die dafür erforderlichen Auslagen ersetzt. Muss die Zeugin oder der Zeuge wegen besonderer Umstände von einer Person begleitet werden, so hat diese Begleitperson Anspruch auf die gleiche Entschädigung wie eine Zeugin oder ein Zeuge. 4 Rechtfertigen es besondere Verhältnisse, so kann anstelle der tatsächlichen Kosten nach Absatz 1 ein Pauschalbetrag vergütet werden. Art. 18 Entschädigung an Auskunftspersonen Auskunftspersonen oder andere Drittpersonen, die von Beweismassnahmen betrof- fen sind, werden wie Zeuginnen und Zeugen entschädigt. 4. Abschnitt: Entschädigung an Sachverständige, Übersetzerinnen, Übersetzer, Dolmetscherinnen und Dolmetscher Art. 19 Entschädigung an Sachverständige 1 Sachverständige werden grundsätzlich nach Aufwand entschädigt. Der Ansatz richtet sich nach den erforderlichen Fachkenntnissen und der Schwierigkeit der Auftragserfüllung, bei freiberuflich tätigen Sachverständigen in der Regel nach den üblichen Ansätzen der jeweiligen Branche oder nach Vereinbarung. Die Entschädi- gung wird in der Regel aufgrund der von der sachverständigen Person eingereichten Honorarnote festgesetzt. 2 Die Verfahrensleitung kann vor Erteilung des Gutachterauftrags einen Kostenvor- anschlag verlangen. 3 Erscheint die Rechnung als übersetzt, so kann die Verfahrensleitung die Entschä- digung herabsetzen. Pflichtversäumnisse der sachverständigen Person werden ge- mäss Artikel 191 StPO16 sanktioniert. 4 Für Reise- und Verpflegungsentschädigung und für weitere Auslagen der Sachver- ständigen gelten sinngemäss die Ansätze gemäss Artikel 13, soweit nichts anderes vereinbart wird. 5 Die Honorare und Auslagen verstehen sich exklusive Mehrwertsteuer. 16 SR 312.0 Eidgenössische richterliche Behörden 8 173.713.162 Art. 20 Entschädigung an Dolmetscherinnen, Dolmetscher, Übersetzerinnen und Übersetzer 1 Dolmetscherinnen und Dolmetscher werden in der Regel mit 80–120 Franken pro Stunde entschädigt; die Entschädigung der Übersetzerinnen und Übersetzern richtet sich nach ihrer Honorarnote, wobei die Ansätze für von der Bundesverwaltung beauftragte Übersetzerinnen und Übersetzer sowie Revisorinnen und Revisoren nicht überschritten werden dürfen17. Der Ansatz richtet sich nach den Sprach- und Fachkenntnissen (namentlich Berufsdiplom, Sprachlizentiat, gleichwertige Ausbil- dung oder vergleichbare berufliche Erfahrung). 2 Erscheint die Rechnung als übersetzt, namentlich wenn der Auftrag nicht korrekt oder nicht rechtzeitig ausgeführt worden ist, so kann die Verfahrensleitung die Entschädigung herabsetzen. 3 Für Reise- und Verpflegungsentschädigung und für weitere Auslagen gelten sinn- gemäss die Ansätze gemäss Artikel 17, soweit nichts anderes vereinbart wird. 4 Die Entschädigungen verstehen sich exklusive Mehrwertsteuer. 3. Kapitel: Schlussbestimmungen Art. 21 Auszahlung und Rückerstattung der Verfahrenskosten 1 Grundsätzlich kommt die Bundesanwaltschaft bzw. in Verwaltungsstrafverfahren die betreffende Verwaltungsbehörde für alle Verfahrenskosten, die Entschädigungen der Parteien und die Entschädigungen für die amtliche Verteidigung auf. 2 Die Bundesstrafgerichtskasse trägt die vom Gericht in den Verfahren vor den Beschwerdekammern oder nach Anklageerhebung verursachten Kosten. 3 Mit dem Entscheid wird bestimmt, inwieweit die beschuldigte Person, die Privat- klägerschaft, die freigesprochene Person oder die verurteilte Person Ersatz zu leisten hat gegenüber dem Bund, der die amtliche Verteidigung entschädigt hat. 4 Bei länger dauernder amtlicher Vertretung können Akontozahlungen ausgerichtet werden; die Verfahrensleitung legt deren Höhe fest. Art. 22 Schluss- und Übergangsbestimmungen 1 Dieses Reglement tritt am 1. Januar 2011 in Kraft. 2 Das Reglement vom 26. September 200618 über die Entschädigungen in Verfahren vor dem Bundesstrafgericht und das Reglement vom 11. Februar 200419 über die Gerichtsgebühren vor dem Bundesstrafgericht werden aufgehoben. 17 Anhang zu den Weisungen der Bundeskanzlei über den Beizug privater Übersetzerinnen und Übersetzer sowie Revisorinnen und Revisoren (www.bk.admin.ch/themen/lang/04919/04933/index.html?lang=de) 18 [AS 2006 4467, 2008 5959] 19 [AS 2004 1585] Kosten, Gebühren und Entschädigungen in Bundesstrafverfahren. R des BStGer 9 173.713.162 3 Dieses Reglement findet auch auf Verfahren Anwendung, die im Zeitpunkt seines Inkrafttretens hängig sind. Art. 22a20 Übergangsbestimmung zur Änderung vom 21. August 2018 Die Änderung vom 21. August 2018 findet auch auf Verfahren Anwendung, die im Zeitpunkt ihres Inkrafttretens hängig sind. 20 Eingefügt durch Ziff. I der V des BStGer vom 21. Aug. 2018, in Kraft seit 1. Jan. 2019 (AS 2018 4579). Eidgenössische richterliche Behörden 10 173.713.162
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Sachverhalt ab Seite 281 BGE 141 III 281 S. 281 A. A.a Die A. AG ist die Revisionsstelle der B. AG. Am 29. April 2002 wurde über die B. AG der Konkurs eröffnet, und es wurde eine ausseramtliche (a.a.) Konkursverwaltung eingesetzt. Am 2. Oktober 2013 erhob die Konkursmasse B. AG in Liquidation gegen die A. AG Klage beim Handelsgericht des Kantons Zürich wegen Verantwortlichkeit (Revisionshaftung) im Umfang von rund 11 Mio. Fr. (mit Nachklagevorbehalt im Umfang von 114 Mio. Fr.). Wegen dieses Prozesses gelangte die A. AG am 28. November/3. Dezember 2013 an die Konkursmasse und verlangte Einsicht in die Konkursakten. Mit Verfügung vom 19. Dezember 2013 wies der a.a. Konkursverwalter das Gesuch um Einsicht ab. BGE 141 III 281 S. 282 A.b Gegen die Verfügung des a.a. Konkursverwalters gelangte die A. AG an das Bezirksgericht Bülach als untere Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen mit dem Antrag um Einsicht in die Konkursakten (Konkursprotokoll, Eingabeverzeichnis mit allen Eingaben, Kollokationsplan einschliesslich Neuauflage mit Nachträgen, Kollokationsverfügungen, Kollokations[quer]klagen und Erledigungen, Inventar mit Nachträgen, Hilfspersonenbericht und damaliger Vermögensstatus, Protokoll der Gläubigerversammlungen mit Beilagen, Gläubigerzirkulare mit Beilagen, Rechenschaftsberichte an das Konkursgericht, [Abschlags-]Verteilungslisten, spezielle Verfügungen und Details 1., 2. und 3. Klasse als Anhänge zu den Verteilungslisten, Unterlagen im Zusammenhang mit dem Abschluss des Vergleichs mit C. plc). A.c Mit Beschluss vom 12. Februar 2014 hiess die untere Aufsichtsbehörde die Beschwerde gut. Der a.a. Konkursverwalter wurde angewiesen, der Gesuchstellerin antragsgemäss Einsicht in die Konkursakten zu gewähren, unter Vorbehalt eines ausgewiesenen Geheimhaltungsinteresses der Konkursmasse oder von Drittpersonen. B. Gegen den Entscheid der unteren Aufsichtsbehörde erhob der a.a. Konkursverwalter für die Konkursmasse Beschwerde, welche das Obergericht des Kantons Zürich als obere kantonale Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs am 25. Juni 2014 guthiess. Der erstinstanzliche Entscheid wurde aufgehoben und die Verfügung des a.a. Konkursverwalters vom 19. Dezember 2013 - d.h. die Verweigerung der Einsicht in die Konkursakten - bestätigt. C. Mit Eingabe vom 7. Juli 2014 ist die A. AG mit Beschwerde in Zivilsachen an das Bundesgericht gelangt. Die Beschwerdeführerin verlangt die Aufhebung des Entscheides der oberen kantonalen Aufsichtsbehörde. In der Sache beantragt sie Einsicht in die Konkursakten wie diese von der unteren Aufsichtsbehörde gewährt wurde. (...) Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. (Auszug) Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Anlass zur vorliegenden Beschwerde gibt das Gesuch der Beschwerdeführerin, Einsicht in die Konkursakten der Konkursmasse zu nehmen. Es steht fest, dass die Beschwerdeführerin keine Gläubigerin im betreffenden Konkurs ist. Sie ist indes Beklagte im BGE 141 III 281 S. 283 hängigen Verantwortlichkeitsprozess der Konkursmasse wegen Revisionshaftung. Grundsätzlich gilt, dass sich die Einsicht in bzw. die Herausgabe von Urkunden des öffentlichen Rechts nicht nach den Vorschriften der ZPO, sondern nach den massgeblichen öffentlichrechtlichen Vorschriften bestimmt (STAEHELIN/STAEHELIN/GROLIMUND, Zivilprozessrecht, 2. Aufl. 2013, § 18 Rz. 109). Streitfrage ist, ob die Beschwerdeführerin wegen dieses Zivilprozesses gestützt auf Art. 8a SchKG Einsicht in die Konkursakten - die Akten der Gegenpartei im hängigen Prozess - beanspruchen kann. 3.1 Gemäss Art. 8a SchKG kann jede Person, die ein Interesse glaubhaft macht, die Protokolle und Register der Betreibungs- und Konkursämter einsehen und sich Auszüge daraus geben lassen (Abs. 1). Das gilt auch gegenüber einer a.a. Konkursverwaltung ( Art. 241 SchKG ). Gegenstand, auf welches sich das Einsichtsgesuch der Beschwerdeführerin bezieht, sind unstrittig Verfahrensakten des Konkurses (vgl. Art. 8 ff. KOV [SR 281.32]; vgl. BGE 126 V 450 E. 2c S. 453). 3.2 Soweit die Beschwerdeführerin vorbringt, die Frage, ob trotz des hängigen Prozesses - neben der zivilprozessualen Editionspflicht - ein Einsichtsrecht gemäss Art. 8a SchKG bestehe, habe sich bereits unter der Herrschaft des kantonalen Zivilprozessrechts gestellt, trifft dies zweifellos zu. Damit ist indessen die Frage, ob bzw. inwieweit sich die beiden - zivilverfahrens- bzw. vollstreckungsrechtlichen - Institute überlagern, nicht beantwortet. Unbehelflich ist jedenfalls, wenn die Beschwerdeführerin meint, die Möglichkeit des Einsichtsrechts gemäss Art. 8a SchKG im hängigen Zivilprozess sei durch eine fehlende ausdrückliche Regelung (d.h. "Anwendungsbeschränkung") entschieden worden und der Gesetzgeber habe die Anwendbarkeit bejaht: Es bestehen keine Anhaltspunkte für ein qualifiziertes Schweigen (vgl. dazu BGE 115 II 97 E. 2b S. 99), d.h. für die Annahme, dass die ZPO die Frage der Anwendbarkeit von Art. 8a SchKG bewusst ungeregelt gelassen (und im Sinne von "Anwendbarkeit" entschieden) habe (vgl. Botschaft vom 28. Juni 2006 zur ZPO, BBl 2006 7221, 7316 Ziff. 5.10.2). Weiter wirft die Beschwerdeführerin der Vorinstanz eine unzulässige, vom Wortlaut von Art. 8a SchKG abweichende und zu restriktive Auslegung (bzw. teleologische Reduktion, vgl. dazu BGE 140 I 305 E. 6.2 S. 311) vor. Richtig an diesen Ausführungen ist jedenfalls der Ausgangspunkt, wonach sich die Gesetzesauslegung vom Gedanken leiten zu lassen hat, dass nicht schon der Wortlaut die Rechtsnorm darstellt, sondern erst BGE 141 III 281 S. 284 das an Sachverhalten verstandene und konkretisierte Gesetz. Gefordert ist die sachlich richtige Entscheidung im normativen Gefüge, ausgerichtet auf ein befriedigendes Ergebnis aus der ratio legis ( BGE 128 I 34 E. 3b S. 40 f.). 3.3 Weder der Wortlaut von Art. 8a SchKG noch von anderen Bestimmungen des SchKG oder der ZPO schliessen die Anwendbarkeit des Rechts auf zwangsvollstreckungsrechtliche Akteneinsicht bei hängigem Prozess aus. Indessen kann nach Abs. 1 von Art. 8a SchKG nur jene Person, die ein Interesse glaubhaft macht, die Protokolle und Register der Betreibungs- und Konkursämter einsehen und sich Auszüge daraus geben lassen. Wer ein schützenswertes besonderes und gegenwärtiges Interesse hat, ist zur Einsicht berechtigt ( BGE 115 III 81 E. 2 S. 83; DALLÈVES, in: Commentaire romand, Poursuite et faillite, 2005, N. 3 zu Art. 8a SchKG ; MÖCKLI, in: SchKG, 2. Aufl. 2014, N. 7 zu Art. 8a SchKG ). Ob und wie weit einem Interessenten Einsicht zu gewähren und welche Auskunft zu erteilen ist, muss von Fall zu Fall aufgrund des Interessennachweises entschieden werden ( BGE 135 III 503 E. 3 S. 504). Mit dem Erfordernis des schützenswerten Interesses hängt untrennbar die Frage zusammen, welchem Zweck das Einsichtsrecht in die Betreibungs- und Konkursakten gemäss Art. 8a SchKG dienen soll. 3.3.1 Das Betreibungsregister wird konsultiert, um u.a. die Kreditwürdigkeit vor Abschluss eines Vertrages zu beurteilen (vgl. Art. 8a Abs. 2 SchKG ; BGE 121 III 81 S. 4a S. 83); die Einsicht in das Betreibungsprotokoll wie betreffend Pfändung soll Schlüsse über die Verheimlichung von Vermögen und die Prüfung eines Konkursbegehrens ohne vorgängige Betreibung ( Art. 190 SchKG ) erlauben ( BGE 135 III 503 E. 3.5.4 S. 508; vgl. MUSTER, Les renseignements [article 8a LP], BlSchK 2014 S. 161). Nach der Praxis - welche die Beschwerdeführerin anruft - genügt die Tatsache, dass zwischen dem Gesuchsteller und der Person, in deren Akten Einsicht verlangt wird, "ein Prozess hängig" ist, um das Interesse darzutun ( BGE 105 III 38 E. 1 S. 39; BGE 115 III 81 E. 2 S. 84; vgl. auch BGE 58 III 118 S. 119 f.). Die massgebenden Urteile beziehen sich indes auf die Einsicht in das Betreibungsregister im Falle eines Prozesses zwischen dem Gesuchsteller und der betreffenden Person ("un poursuivi inscrit dans les registres"; GILLIÉRON, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, Bd. I, 1999, N. 10 zu Art. 8a SchKG , S. 113), währenddem sich hier die Gesuchstellerin (Beschwerdeführerin) und die Konkursmasse - die "Person, in deren Akten Einsicht BGE 141 III 281 S. 285 verlangt wird" - im Zivilprozess gegenüberstehen. Das Obergericht hat diesen Umstand als entscheiderheblich erachtet, weshalb der Zweck des Einsichtsrechts im Konkurs zu erörtern ist. 3.3.2 Ist der Konkurs einmal eröffnet, bezweckt das Einsichtsrecht, dass die Konkursgläubiger die Lage des Schuldners prüfen und im Konkursverfahren ihre Rechte wahrnehmen können ( BGE 93 III 4 E. 1 S. 7, E. 2c S. 10; vgl. PETER, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Bd. I, 2. Aufl. 2010, N. 1 zu Art. 8a SchKG ). Im Falle des Konkurses ist daher grundsätzlich jeder Konkursgläubiger zur Einsicht in die Konkursakten berechtigt ( BGE 93 III 4 E. 1 S. 6/7; BGE 126 V 450 E. 2c S. 453), wobei als Konkursgläubiger auch der Gesuchsteller gilt, der mit Kollokationsklage auf Zulassung klagt ( BGE 91 III 94 E. 2 S. 96). Die Rechtsprechung billigt der Einsicht in die Konkursakten noch eine weitere Funktion zu: Wer unabhängig von seiner Gläubigerstellung im Konkurs zu Schaden gekommen ist und den Ausfall gegenüber einem Dritten einklagen will, kann die Konkursakten einsehen, um Beweise gegen den Dritten zu sammeln ( BGE 93 III 4 E. 1 S. 7, E. 2d S. 10). 3.3.3 Vorliegend steht fest und ist unbestritten, dass die Beschwerdeführerin weder Konkursgläubigerin ist noch einen Schaden gegen einen Dritten einklagen will. Sie fällt unter "andere Dritte", für welche das Einsichtsrecht nicht a priori gegeben ist (vgl. MÖCKLI, a.a.O., N. 9 zu Art. 8a SchKG ). 3.4 Ob nach der Funktion des Einsichtsrechts in die Konkursakten - d.h. Bereitstellung der notwendigen Informationen für viele Beteiligte im Verfahren der Generalexekution - dennoch ein schützenswertes Interesse der Beschwerdeführerin vorliegt, wenn sie mit der Konkursmasse im Zivilprozess steht, ist im Folgenden zu prüfen. 3.4.1 Die erwähnte Rechtsprechung ( BGE 93 III 4 E. 1 S. 7, E. 2d S. 10), wonach ein Gesuchsteller, der unabhängig von der Gläubigerstellung den konkursbedingten Schaden gegenüber einem Dritten einklagen will, in die Konkursakten einsehen darf, um Beweise gegen den Dritten zu sammeln, ist auf Kritik gestossen. Anlass dafür gibt, dass die Beweislage des Klägers durch die Einsicht im Vergleich zu anderen Forderungsprozessen stark erleichtert wird, obschon seine Beweisnot nicht grösser scheint als sonst; die Privilegierung des im Konkurs zu Schaden gekommenen Klägers lasse sich deshalb nur schwer begründen (so HÄUSERMANN, Vertraulichkeit als BGE 141 III 281 S. 286 Schranke von Informationsansprüchen, 2009, S. 328/329; kritisch auch CAMPONOVO/MARENCO, Das Recht auf Akteneinsicht und Auskunft im Konkurs- und Nachlassverfahren, Der Schweizer Treuhänder [ST] 1995 S. 488 ff.). 3.4.2 Ob die Kritik an jener Rechtsprechung berechtigt ist, muss nicht näher erörtert werden. Die Überlegung macht jedoch deutlich, dass im Fall, in dem ein Gesuchsteller - wie hier die Beschwerdeführerin (d.h. ohne Gläubigerstellung und ohne gegen einen Dritten zu klagen) - der klagenden Konkursmasse im Zivilprozess gegenübersteht, die Privilegierung durch das Einsichtsrecht gemäss Art. 8a SchKG offensichtlich und unzumutbar wäre: Während für die Konkursmasse gegenüber der Beklagten (Beschwerdeführerin) die Editionsregeln der ZPO gelten, könnte diese als Gegenpartei ihre Unterlagen einsehen. Dass die Klägerin eine Konkursmasse ist, welche vor Gericht von der a.a. Konkursverwaltung vertreten wird ( Art. 240 SchKG ), ändert nichts daran, dass der gegen die Beschwerdeführerin erhobene Verantwortlichkeitsprozess ein gewöhnlicher Zivilprozess ist, mit welchem die Konkursmasse die Rechte der Schuldnerin geltend macht (vgl. KREN KOSTKIEWICZ, Schuldbetreibungs- und Konkursrecht, 2. Aufl. 2014, Rz. 1186; STOFFEL/CHABLOZ, Voies d'exécution, 2. Aufl. 2010, § 10 Rz. 2, 31). Die Konkursverwaltung wird dabei wie jede andere Partei behandelt (Botschaft zur ZPO, a.a.O., 7315 Ziff. 5.10.1). Darauf hat die Vorinstanz zu Recht hingewiesen. 3.4.3 Weiter ist unbestritten, dass das Institut der prozessualen Edition nicht als Instrument der Informationsbeschaffung dienen kann, sondern nach der ZPO ein Mittel der Beweiserhebung darstellt, was substantiierte Tatsachenbehauptungen voraussetzt (GÄUMANN/MARGHITOLA, Editionspflichten nach der eidgenössischen Zivilprozessordnung, Jusletter 14. November 2011 Rz. 7). Das ist auch der Beschwerdeführerin bewusst, wenn sie mit Bezug auf den hängigen Prozess ausführt, "der Editionsanspruch nach Art. 8a SchKG diene blossen Informationszwecken" bzw. "der Abklärung des Sachverhalts und der Aufstellung eigener Behauptungen". Im Zivilprozess können die Parteien jedoch selber darüber entscheiden, welche Belege und wann sie diese vorlegen und somit der Einsichtnahme der Gegenpartei aussetzen wollen, sofern kein diesbezügliches Editionsbegehren gestellt wird (vgl. allgemein SPÜHLER/DOLGE/GEHRI, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 9. Aufl. 2010, 10. Kap. Rz. 102). Dies hat die obere Aufsichtsbehörde zutreffend festgehalten, und in diesem Sinn lässt sich auch die Lehre verstehen, wonach für BGE 141 III 281 S. 287 Zivilprozesse nach ZPO die Mitwirkungspflicht gemäss Art. 160 ZPO massgebend sein soll (JEANDIN, in: CPC, Code de procédure civile commenté, 2011, N. 5 zu Art. 160 ZPO : "prévaut pour toute procédure à laquelle s'applique le CPC"). Die obere Aufsichtsbehörde hat zu Recht gefolgert, dass in der vorliegenden Konstellation einzig die Regeln der ZPO betreffend die prozessuale Edition anwendbar sind. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern sich die Beschwerdeführerin für das Einsichtsrecht gemäss Art. 8a SchKG auf ein schützenswertes Interesse berufen könnte. Daran ändert nichts, dass die Vorinstanz die Frage des Interesses "dahingestellt" hat. Sie hat mit ihrer Begründung vielmehr zu Recht das schützenswerte Interesse zur Einsicht in die Konkursakten verneint. Die Anwendung von Art. 8a SchKG in der vorliegenden Konstellation würde zur Verwirklichung von Interessen führen, die dieses Institut nicht schützen will, sondern durch die Regeln der ZPO geschützt werden. Das Ergebnis der Vorinstanz ist nicht zu beanstanden und stellt keine Rechtsverletzung dar. 3.5 Was die Beschwerdeführerin ferner vorbringt, vermag an diesem Ergebnis nichts zu ändern. 3.5.1 Im Urteil 5A_83/2010 vom 11. März 2010 (E. 6.3) - auf welches die Beschwerdeführerin hinweist - hat das Bundesgericht das Einsichtsinteresse einer Gesuchstellerin bejaht, gegen welche die Gemeinschuldnerin einen ordentlichen Prozess eingeleitet hatte, der (nach Anerkennung des ausländischen Konkursdekretes der Klägerin) suspendiert war. Die Gewährung des Einsichtsrechts stützte sich allerdings nicht allein auf die Rechtsprechung nach BGE 105 III 38 ff., welche sich - wie erwähnt - auf die Einsicht in das Betreibungsregister im Falle eines Prozesses zwischen dem Gesuchsteller und der betreffenden Person bezieht. Ausgangspunkt der Erwägung im zitierten Urteil 5A_83/2010 ist das Einsichtsrecht der Konkursgläubiger, auf welches sich die Gesuchstellerin zwar nicht als Drittklassgläubigerin im IPRG-Konkurs berufen konnte. Als Gläubigerin im ausländischen Konkurs konnte sie indes grundsätzlich Verfahrensrechte im IPRG-Konkurs haben (vgl. Art. 171 IPRG [SR 291]; KAUFMANN-KOHLER/SCHÖLL, in: Commentaire romand, Poursuite et faillite, 2005, N. 15 a.E. zu Art. 171 IPRG ). Eine weitere Erörterung dieses Urteils ist nicht nötig, da hier die Beschwerdeführerin ohne jede Gläubigereigenschaft ist. 3.5.2 Die kantonale Rechtsprechung verschiedener Aufsichtsbehörden, welche die Beschwerdeführerin zitiert, ist nicht genügend BGE 141 III 281 S. 288 aussagekräftig. Zum einen sind in jenen Fällen die Gesuchsteller auch Konkursgläubiger (wie in BlSchK 1974 S. 171, Ziff. 2 [Basel-Stadt]; BlSchK 1997 S. 147, Ziff. 3b [Bern]; BlSchK 2003 S. 263, Ziff. 1 [Zürich]). Zum anderen geht es um vorprozessuale Abklärungen (wie in BlSchK 2011 S. 53, Ziff. 3.3 [Basel-Landschaft]), über welche im vorliegenden Fall jedoch nicht zu entscheiden ist. Es bleibt anzufügen, dass auch die basel-landschaftliche Praxis davon ausgeht, dass (falls vorprozessual keine Einsicht in die Konkursakten gewährt würde) im Verantwortlichkeitsprozess zwischen dem Verwaltungsrat als Nichtgläubiger und der Konkursmasse die Konkursakten nach Zivilprozessrecht zu edieren sind (BlSchK 2011 S. 53, Ziff. 3.3). 3.6 Nach dem Dargelegten ist nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz das Gesuch der Beschwerdeführerin um Einsicht gemäss Art. 8a SchKG abgewiesen hat.
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df4bf24e-7fe2-45ed-8020-14fd8ede1e4b
SR 235.11 1 Verordnung zum Bundesgesetz über den Datenschutz (VDSG) vom 14. Juni 1993 (Stand am 16. Oktober 2012) Der Schweizerische Bundesrat, gestützt auf die Artikel 6 Absatz 3, 7 Absatz 2, 8, 11a Absatz 6, 16 Absatz 2, 17a und 36 Absätze 1, 4 und 6 des Bundesgesetzes vom 19. Juni 19921 über den Datenschutz (DSG) und auf Artikel 46a des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes vom 21. März 19972,3 verordnet: 1. Kapitel: Bearbeiten von Personendaten durch private Personen 1. Abschnitt: Auskunftsrecht Art. 1 Modalitäten 1 Jede Person, die vom Inhaber einer Datensammlung Auskunft darüber verlangt, ob Daten über sie bearbeitet werden (Art. 8 DSG), muss dies in der Regel in schrift- licher Form beantragen und sich über ihre Identität ausweisen. 2 Das Auskunftsbegehren sowie die Auskunftserteilung können auf elektronischem Weg erfolgen, wenn der Inhaber der Datensammlung dies ausdrücklich vorsieht und angemessene Massnahmen trifft, um: a. die Identifizierung der betroffenen Person sicherzustellen; und b. die persönlichen Daten der betroffenen Person bei der Auskunftserteilung vor dem Zugriff unberechtigter Dritter zu schützen.4 3 Im Einvernehmen mit dem Inhaber der Datensammlung oder auf dessen Vorschlag hin kann die betroffene Person ihre Daten auch an Ort und Stelle einsehen. Die Auskunft kann auch mündlich erteilt werden, wenn die betroffene Person eingewil- ligt hat und vom Inhaber identifiziert worden ist. AS 1993 1962 1 SR 235.1 2 SR 172.010 3 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 28. Sept. 2007, in Kraft seit 1. Jan. 2008 (AS 2007 4993). 4 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 28. Sept. 2007, in Kraft seit 1. Jan. 2008 (AS 2007 4993). 235.11 Datenschutz 2 235.11 4 Die Auskunft oder der begründete Entscheid über die Beschränkung des Aus- kunftsrechts (Art. 9 und 10 DSG) wird innert 30 Tagen seit dem Eingang des Aus- kunftsbegehrens erteilt. Kann die Auskunft nicht innert 30 Tagen erteilt werden, so muss der Inhaber der Datensammlung den Gesuchsteller hierüber benachrichtigen und ihm die Frist mitteilen, in der die Auskunft erfolgen wird. 5 Werden eine oder mehrere Datensammlungen von mehreren Inhabern gemeinsam geführt, kann das Auskunftsrecht bei jedem Inhaber geltend gemacht werden, sofern nicht einer von ihnen für die Behandlung aller Auskunftsbegehren verantwortlich ist. Wenn der Inhaber der Datensammlung zur Auskunftserteilung nicht ermächtigt ist, leitet er das Begehren an den Zuständigen weiter. 6 Betrifft das Auskunftsbegehren Daten, die im Auftrag des Inhabers der Daten- sammlung von einem Dritten bearbeitet werden, so leitet der Auftraggeber das Begehren an den Dritten zur Erledigung weiter, sofern er nicht selbst in der Lage ist, Auskunft zu erteilen.5 7 Wird Auskunft über Daten von verstorbenen Personen verlangt, so ist sie zu ertei- len, wenn der Gesuchsteller ein Interesse an der Auskunft nachweist und keine über- wiegenden Interessen von Angehörigen der verstorbenen Person oder von Dritten entgegenstehen. Nahe Verwandtschaft sowie Ehe mit der verstorbenen Person be- gründen ein Interesse. Art. 2 Ausnahmen von der Kostenlosigkeit 1 Eine angemessene Beteiligung an den Kosten kann ausnahmsweise verlangt wer- den, wenn: a. der antragstellenden Person in den zwölf Monaten vor dem Gesuch die ge- wünschten Auskünfte bereits mitgeteilt wurden und kein schutzwürdiges In- teresse an einer neuen Auskunftserteilung nachgewiesen werden kann. Ein schutzwürdiges Interesse ist insbesondere gegeben, wenn die Personendaten ohne Mitteilung an die betroffene Person verändert wurden; b. die Auskunftserteilung mit einem besonders grossen Arbeitsaufwand ver- bunden ist. 2 Die Beteiligung beträgt maximal 300 Franken. Der Gesuchsteller ist über die Höhe der Beteiligung vor der Auskunftserteilung in Kenntnis zu setzen und kann sein Gesuch innert zehn Tagen zurückziehen. 5 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 28. Sept. 2007, in Kraft seit 1. Jan. 2008 (AS 2007 4993). Bundesgesetz über den Datenschutz. V 3 235.11 2. Abschnitt: Anmeldung der Datensammlungen Art. 3 Anmeldung 1 Datensammlungen (Art. 11a Abs. 3 DSG) sind beim Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten (Beauftragter) anzumelden, bevor die Datensamm- lung eröffnet wird.6 Die Anmeldung enthält folgende Angaben: a. Name und Adresse des Inhabers der Datensammlung; b. Name und vollständige Bezeichnung der Datensammlung; c. Person, bei welcher das Auskunftsrecht geltend gemacht werden kann; d. Zweck der Datensammlung; e. Kategorien der bearbeiteten Personendaten; f. Kategorien der Datenempfänger; g. Kategorien der an der Datensammlung Beteiligten, das heisst Dritte, die in die Datensammlung Daten eingeben und Änderungen an den Daten vorneh- men dürfen. 2 Jeder Inhaber einer Datensammlung aktualisiert diese Angaben laufend. …7 Art. 48 Ausnahmen von der Anmeldepflicht 1 Ausgenommen von der Pflicht zur Anmeldung der Datensammlungen sind die Datensammlungen nach Artikel 11a Absatz 5 Buchstaben a und c–f DSG sowie die folgenden Datensammlungen (Art. 11a Abs. 5 Bst. b DSG): a. Datensammlungen von Lieferanten oder Kunden, soweit sie keine besonders schützenswerten Personendaten oder Persönlichkeitsprofile enthalten; b. Datensammlungen, deren Daten ausschliesslich zu nicht personenbezogenen Zwecken verwendet werden, namentlich in der Forschung, der Planung und der Statistik; c. archivierte Datensammlungen, die nur zu historischen oder wissenschaft- lichen Zwecken aufbewahrt werden; d. Datensammlungen, die ausschliesslich Daten enthalten, die veröffentlicht wurden oder welche die betroffene Person selbst allgemein zugänglich ge- macht und deren Bearbeitung sie nicht ausdrücklich untersagt hat; e. Daten, die ausschliesslich der Erfüllung der Anforderungen nach Artikel 10 dienen; 6 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 28. Sept. 2007, in Kraft seit 1. Jan. 2008 (AS 2007 4993). 7 Satz aufgehoben durch Ziff. I der V vom 28. Sept. 2007, mit Wirkung seit 1. Jan. 2008 (AS 2007 4993). 8 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 28. Sept. 2007, in Kraft seit 1. Jan. 2008 (AS 2007 4993). Datenschutz 4 235.11 f. Buchhaltungsunterlagen; g. Hilfsdatensammlungen für die Personalverwaltung des Inhabers der Daten- sammlung, soweit sie keine besonders schützenswerten Personendaten oder Persönlichkeitsprofile enthalten. 2 Der Inhaber der Datensammlungen trifft die erforderlichen Massnahmen, um die Angaben (Art. 3 Abs. 1) zu den nicht der Anmeldepflicht unterliegenden Daten- sammlungen auf Gesuch hin dem Beauftragten oder den betroffenen Personen mitteilen zu können. 3. Abschnitt: Bekanntgabe ins Ausland Art. 59 Veröffentlichung in elektronischer Form Werden Personendaten mittels automatisierter Informations- und Kommunikations- dienste zwecks Information der Öffentlichkeit allgemein zugänglich gemacht, so gilt dies nicht als Übermittlung ins Ausland. Art. 610 Informationspflicht 1 Der Inhaber der Datensammlung informiert den Beauftragten vor der Bekanntgabe ins Ausland über die Garantien und Datenschutzregeln nach Artikel 6 Absatz 2 Buchstaben a und g DSG. Ist die vorgängige Information nicht möglich, so hat sie unmittelbar nach der Bekanntgabe zu erfolgen. 2 Wurde der Beauftragte über die Garantien und die Datenschutzregeln informiert, so gilt die Informationspflicht für alle weiteren Bekanntgaben als erfüllt, die: a. unter denselben Garantien erfolgen, soweit die Kategorien der Empfänger, der Zweck der Bearbeitung und die Datenkategorien im Wesentlichen un- verändert bleiben; oder b. innerhalb derselben juristischen Person oder Gesellschaft oder zwischen ju- ristischen Personen oder Gesellschaften, die einer einheitlichen Leitung un- terstehen, stattfinden, soweit die Datenschutzregeln weiterhin einen ange- messenen Schutz gewährleisten. 3 Die Informationspflicht gilt ebenfalls als erfüllt, wenn Daten gestützt auf Muster- verträge oder Standardvertragsklauseln übermittelt werden, die vom Beauftragten erstellt oder anerkannt wurden, und der Beauftragte vom Inhaber der Datensamm- lung in allgemeiner Form über die Verwendung dieser Musterverträge oder Stan- dardvertragsklauseln informiert wurde. Der Beauftragte veröffentlicht eine Liste der von ihm erstellten oder anerkannten Musterverträge und Standardvertragsklauseln. 9 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 28. Sept. 2007, in Kraft seit 1. Jan. 2008 (AS 2007 4993). 10 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 28. Sept. 2007, in Kraft seit 1. Jan. 2008 (AS 2007 4993). Bundesgesetz über den Datenschutz. V 5 235.11 4 Der Inhaber der Datensammlung trifft angemessene Massnahmen um sicherzustel- len, dass der Empfänger die Garantien und die Datenschutzregeln beachtet. 5 Der Beauftragte prüft die Garantien und die Datenschutzregeln, die ihm mitgeteilt werden (Art. 31 Abs. 1 Bst. e DSG) und teilt dem Inhaber der Datensammlung das Ergebnis seiner Prüfung innert 30 Tagen ab dem Empfang der Information mit. Art. 711 Liste der Staaten mit angemessener Datenschutzgesetzgebung Der Beauftragte veröffentlicht eine Liste der Staaten, deren Gesetzgebung einen angemessenen Datenschutz gewährleistet. 4. Abschnitt: Technische und organisatorische Massnahmen Art. 8 Allgemeine Massnahmen 1 Wer als Privatperson Personendaten bearbeitet oder ein Datenkommunikationsnetz zur Verfügung stellt, sorgt für die Vertraulichkeit, die Verfügbarkeit und die Integri- tät der Daten, um einen angemessenen Datenschutz zu gewährleisten.12 Insbeson- dere schützt er die Systeme gegen folgende Risiken: a. unbefugte oder zufällige Vernichtung; b. zufälligen Verlust; c. technische Fehler; d. Fälschung, Diebstahl oder widerrechtliche Verwendung; e. unbefugtes Ändern, Kopieren, Zugreifen oder andere unbefugte Bearbeitun- gen. 2 Die technischen und organisatorischen Massnahmen müssen angemessen sein. Insbesondere tragen sie folgenden Kriterien Rechnung: a. Zweck der Datenbearbeitung; b. Art und Umfang der Datenbearbeitung; c. Einschätzung der möglichen Risiken für die betroffenen Personen; d. gegenwärtiger Stand der Technik. 3 Diese Massnahmen sind periodisch zu überprüfen. 4 …13 11 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 28. Sept. 2007, in Kraft seit 1. Jan. 2008 (AS 2007 4993). 12 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 28. Sept. 2007, in Kraft seit 1. Jan. 2008 (AS 2007 4993). 13 Aufgehoben durch Ziff. I der V vom 28. Sept. 2007, mit Wirkung seit 1. Jan. 2008 (AS 2007 4993). Datenschutz 6 235.11 Art. 9 Besondere Massnahmen 1 Der Inhaber der Datensammlung trifft insbesondere bei der automatisierten Bear- beitung von Personendaten die technischen und organisatorischen Massnahmen, die geeignet sind, namentlich folgenden Zielen gerecht zu werden: a. Zugangskontrolle: unbefugten Personen ist der Zugang zu den Einrichtun- gen, in denen Personendaten bearbeitet werden, zu verwehren; b. Personendatenträgerkontrolle: unbefugten Personen ist das Lesen, Kopieren, Verändern oder Entfernen von Datenträgern zu verunmöglichen; c. Transportkontrolle: bei der Bekanntgabe von Personendaten sowie beim Transport von Datenträgern ist zu verhindern, dass die Daten unbefugt gele- sen, kopiert, verändert oder gelöscht werden können; d. Bekanntgabekontrolle: Datenempfänger, denen Personendaten mittels Ein- richtungen zur Datenübertragung bekannt gegeben werden, müssen identifi- ziert werden können; e. Speicherkontrolle: unbefugte Eingabe in den Speicher sowie unbefugte Ein- sichtnahme, Veränderung oder Löschung gespeicherter Personendaten sind zu verhindern; f. Benutzerkontrolle: die Benutzung von automatisierten Datenverarbeitungs- systemen mittels Einrichtungen zur Datenübertragung durch unbefugte Per- sonen ist zu verhindern; g. Zugriffskontrolle: der Zugriff der berechtigten Personen ist auf diejenigen Personendaten zu beschränken, die sie für die Erfüllung ihrer Aufgabe benö- tigen; h. Eingabekontrolle: in automatisierten Systemen muss nachträglich überprüft werden können, welche Personendaten zu welcher Zeit und von welcher Per- son eingegeben wurden. 2 Die Datensammlungen sind so zu gestalten, dass die betroffenen Personen ihr Aus- kunftsrecht und ihr Recht auf Berichtigung wahrnehmen können. Art. 1014 Protokollierung 1 Der Inhaber der Datensammlung protokolliert die automatisierte Bearbeitung von besonders schützenswerten Personendaten oder Persönlichkeitsprofilen, wenn die präventiven Massnahmen den Datenschutz nicht gewährleisten können. Eine Proto- kollierung hat insbesondere dann zu erfolgen, wenn sonst nicht nachträglich fest- gestellt werden kann, ob die Daten für diejenigen Zwecke bearbeitet wurden, für die sie erhoben oder bekannt gegeben wurden. Der Beauftragte15 kann die Protokollie- rung auch für andere Bearbeitungen empfehlen. 14 Die Berichtigung vom 16. Okt. 2012 betrifft nur den italienischen Text (AS 2012 5521). 15 Ausdruck gemäss Anhang 2 Ziff. 3 der Öffentlichkeitsverordnung vom 24. Mai 2006, in Kraft seit 1. Juli 2006 (AS 2006 2331). Diese Änd. ist im ganzen Erlass berücksichtigt. Bundesgesetz über den Datenschutz. V 7 235.11 2 Die Protokolle sind während eines Jahres revisionsgerecht festzuhalten. Sie sind ausschliesslich den Organen oder privaten Personen zugänglich, denen die Über- wachung der Datenschutzvorschriften obliegt, und dürfen nur für diesen Zweck ver- wendet werden. Art. 1116 Bearbeitungsreglement 1 Der Inhaber einer meldepflichtigen automatisierten Datensammlung (Art. 11a Abs. 3 DSG), die nicht aufgrund von Artikel 11a Absatz 5 Buchstaben b–d DSG von der Meldepflicht ausgenommen ist, erstellt ein Bearbeitungsreglement, das insbe- sondere die interne Organisation sowie das Datenbearbeitungs- und Kontrollverfah- ren umschreibt und die Unterlagen über die Planung, die Realisierung und den Betrieb der Datensammlung und der Informatikmittel enthält. 2 Der Inhaber der Datensammlung aktualisiert das Reglement regelmässig. Er stellt es dem Beauftragten oder dem Datenschutzverantwortlichen nach Artikel 11a Ab- satz 5 Buchstabe e DSG auf Anfrage in einer für sie verständlichen Form zur Verfü- gung. Art. 12 Bekanntgabe der Daten Der Inhaber der Datensammlung meldet dem Datenempfänger die Aktualität und die Zuverlässigkeit der von ihm bekannt gegebenen Personendaten, soweit diese Infor- mationen nicht aus den Daten selbst oder aus den Umständen ersichtlich sind. 5. Abschnitt:17 Datenschutzverantwortlicher Art. 12a Bezeichnung des Datenschutzverantwortlichen und Mitteilung an den Beauftragten 1 Will der Inhaber der Datensammlung nach Artikel 11a Absatz 5 Buchstabe e DSG von der Pflicht zur Anmeldung der Datensammlung befreit werden, so muss er: a. einen betrieblichen Datenschutzverantwortlichen bezeichnen, der die Anfor- derungen von Absatz 2 und von Artikel 12b erfüllt; und b. den Beauftragten über die Bezeichnung des Datenschutzverantwortlichen informieren. 2 Der Inhaber der Datensammlung kann einen Mitarbeiter oder einen Dritten als Datenschutzverantwortlichen bezeichnen. Dieser darf keine anderen Tätigkeiten ausüben, die mit seinen Aufgaben als Datenschutzverantwortlicher unvereinbar sind, und muss über die erforderliche Fachkenntnis verfügen. 16 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 28. Sept. 2007, in Kraft seit 1. Jan. 2008 (AS 2007 4993). 17 Eingefügt durch Ziff. I der V vom 28. Sept. 2007, in Kraft seit 1. Jan. 2008 (AS 2007 4993). Datenschutz 8 235.11 Art. 12b Aufgaben und Stellung des Datenschutzverantwortlichen 1 Der Datenschutzverantwortliche hat namentlich folgende Aufgaben: a. Er prüft die Bearbeitung von Personendaten und empfiehlt Korrekturmass- nahmen, wenn er feststellt, dass Datenschutzvorschriften verletzt wurden. b. Er führt eine Liste der Datensammlungen nach Artikel 11a Absatz 3 DSG, die vom Inhaber der Datensammlungen geführt werden; diese Liste ist dem Beauftragten oder betroffenen Personen, die ein entsprechendes Gesuch stel- len, zur Verfügung zu stellen. 2 Der Datenschutzverantwortliche: a. übt seine Funktion fachlich unabhängig aus, ohne diesbezüglich Weisungen des Inhabers der Datensammlung zu unterliegen; b. verfügt über die zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlichen Ressourcen; c. hat Zugang zu allen Datensammlungen und Datenbearbeitungen sowie zu allen Informationen, die er zur Erfüllung seiner Aufgabe benötigt. 2. Kapitel: Bearbeiten von Personendaten durch Bundesorgane 1. Abschnitt: Auskunftsrecht Art. 13 Modalitäten Artikel 1 und 2 sind auf die an Bundesorgane gerichteten Auskunftsbegehren sinn- gemäss anwendbar. Art. 14 Auskunftsbegehren an die diplomatischen Vertretungen der Schweiz im Ausland 1 Die Vertretungen der Schweiz im Ausland sowie die Missionen bei den Europäi- schen Gemeinschaften und bei internationalen Organisationen übermitteln Aus- kunftsgesuche, die bei ihnen gestellt werden, der zuständigen Stelle im eidgenös- sischen Departement für auswärtige Angelegenheiten. Das Departement regelt die Zuständigkeiten.18 2 Im Übrigen gelten für die Auskunftsbegehren über die Militärkontrolle im Ausland die Bestimmungen der Verordnung vom 10. Dezember 200419 über das militärische Kontrollwesen.20 18 Fassung gemäss Anhang 2 Ziff. 3 der Öffentlichkeitsverordnung vom 24. Mai 2006, in Kraft seit 1. Juli 2006 (AS 2006 2331). 19 SR 511.22 20 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 28. Sept. 2007, in Kraft seit 1. Jan. 2008 (AS 2007 4993). Bundesgesetz über den Datenschutz. V 9 235.11 Art. 1521 2. Abschnitt: Anmeldung der Datensammlungen Art. 16 Anmeldung22 1 Die verantwortlichen Bundesorgane (Art. 16 DSG) melden alle von ihnen geführ- ten Datensammlungen vor deren Eröffnung beim Beauftragten an. Die Anmeldung enthält folgende Angaben: a. Name und Adresse des verantwortlichen Bundesorgans; b. Name und vollständige Bezeichnung der Datensammlung; c. das Organ, bei dem das Auskunftsrecht geltend gemacht werden kann; d. Rechtsgrundlage und Zweck der Datensammlung; e. Kategorien der bearbeiteten Personendaten; f. Kategorien der Empfänger der Daten; g. Kategorien der an der Datensammlung Beteiligten, das heisst Dritte, die Da- ten in eine Datensammlung eingeben und verändern dürfen. h. …23 2 Das verantwortliche Bundesorgan aktualisiert diese Angaben laufend.24 Art. 1725 Art. 1826 Ausnahmen von der Anmeldepflicht 1 Folgende Datensammlungen unterliegen nicht der Anmeldepflicht, sofern die Bundesorgane sie ausschliesslich für verwaltungsinterne Zwecke verwenden: a. Korrespondenzregistraturen; b. Datensammlungen von Lieferanten oder Kunden, soweit sie keine besonders schützenswerten Personendaten oder Persönlichkeitsprofile enthalten; 21 Aufgehoben gemäss Art. 26 Abs. 2 der Archivierungsverordnung vom 8. Sept. 1999 (AS 1999 2424). 22 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 28. Sept. 2007, in Kraft seit 1. Jan. 2008 (AS 2007 4993). 23 Aufgehoben durch Ziff. I der V vom 28. Sept. 2007, mit Wirkung seit 1. Jan. 2008 (AS 2007 4993). 24 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 28. Sept. 2007, in Kraft seit 1. Jan. 2008 (AS 2007 4993). 25 Aufgehoben durch Ziff. I der V vom 28. Sept. 2007, mit Wirkung seit 1. Jan. 2008 (AS 2007 4993). 26 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 28. Sept. 2007, in Kraft seit 1. Jan. 2008 (AS 2007 4993). Datenschutz 10 235.11 c. Adressensammlungen, die einzig der Adressierung dienen, soweit sie keine besonders schützenswerten Personendaten oder Persönlichkeitsprofile ent- halten; d. Listen für Entschädigungszahlungen; e. Buchhaltungsunterlagen; f. Hilfsdatensammlungen für die Personalverwaltung des Bundes, soweit sie keine besonders schützenswerten Personendaten oder Persönlichkeitsprofile enthalten; g. Bibliothekdatensammlungen (Autorenkataloge, Ausleiher- und Benutzerver- zeichnisse). 2 Ebenfalls nicht der Anmeldepflicht unterliegen: a. Datensammlungen, die beim Bundesarchiv archiviert sind; b. Datensammlungen, die der Öffentlichkeit in Form von Verzeichnissen zu- gänglich gemacht werden; c. Datensammlungen, deren Daten ausschliesslich zu nicht personenbezogenen Zwecken verwendet werden, namentlich in der Forschung, der Planung und der Statistik. 3 Das verantwortliche Bundesorgan trifft die erforderlichen Massnahmen, um die Angaben (Art. 16 Abs. 1) zu den nicht der Anmeldepflicht unterliegenden Daten- sammlungen auf Gesuch hin dem Beauftragten oder den betroffenen Personen mitteilen zu können. 3. Abschnitt: Bekanntgabe ins Ausland Art. 1927 Gibt ein Bundesorgan gestützt auf Artikel 6 Absatz 2 Buchstabe a DSG Personen- daten ins Ausland bekannt, so gilt Artikel 6. 4. Abschnitt: Technische und organisatorische Massnahmen Art. 2028 Grundsätze 1 Die verantwortlichen Bundesorgane treffen die nach den Artikeln 8–10 erforder- lichen technischen und organisatorischen Massnahmen zum Schutz der Persönlich- keit und der Grundrechte der Personen, über die Daten bearbeitet werden. Bei der 27 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 28. Sept. 2007, in Kraft seit 1. Jan. 2008 (AS 2007 4993, 2008 189). 28 Fassung gemäss Anhang Ziff. II 7 der Bundesinformatikverordnung vom 23. Febr. 2000 (AS 2000 1227). Bundesgesetz über den Datenschutz. V 11 235.11 automatisierten Datenbearbeitung arbeiten die Bundesorgane mit dem Informatik- strategieorgan Bund (ISB) zusammen. 2 Die verantwortlichen Bundesorgane melden dem Datenschutzverantwortlichen nach Artikel 11a Absatz 5 Buchstabe e DSG oder, falls kein solcher besteht, dem Beauftragten unverzüglich alle Projekte zur automatisierten Bearbeitung von Per- sonendaten, damit die Erfordernisse des Datenschutzes sogleich berücksichtigt werden. Die Meldung an den Beauftragten erfolgt über das ISB, wenn das Projekt auch bei diesem angemeldet werden muss.29 3 Der Beauftragte und das ISB arbeiten im Rahmen ihrer Aktivitäten betreffend die technischen Massnahmen zusammen. Der Beauftragte holt die Stellungnahme des ISB ein, bevor er solche Massnahmen empfiehlt. 4 Im Übrigen sind die Weisungen anwendbar, die von den verantwortlichen Bundes- organen gestützt auf die Bundesinformatikverordnung vom 26. September 200330 erlassen wurden.31 Art. 21 Bearbeitungsreglement 1 Die verantwortlichen Bundesorgane erstellen ein Bearbeitungsreglement für auto- matisierte Datensammlungen, die: a. besonders schützenswerte Daten oder Persönlichkeitsprofile beinhalten; b. durch mehrere Bundesorgane benutzt werden; c. Kantonen, ausländischen Behörden, internationalen Organisationen oder pri- vaten Personen zugänglich gemacht werden; oder d. mit anderen Datensammlungen verknüpft sind. 2 Das verantwortliche Bundesorgan legt seine interne Organisation in dem Bearbei- tungsreglement fest. Dieses umschreibt insbesondere die Datenbearbeitungs- und Kontrollverfahren und enthält alle Unterlagen über die Planung, Realisierung und den Betrieb der Datensammlung. Das Reglement enthält die für die Meldepflicht erforderlichen Angaben (Art. 16) sowie Angaben über: a. das für den Datenschutz und die Datensicherheit der Daten verantwortliche Organ; b. die Herkunft der Daten; c. die Zwecke, für welche die Daten regelmässig bekannt gegeben werden; d. die Kontrollverfahren und insbesondere die technischen und organisatori- schen Massnahmen nach Artikel 20; 29 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 28. Sept. 2007, in Kraft seit 1. Jan. 2008 (AS 2007 4993). 30 SR 172.010.58 31 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 28. Sept. 2007, in Kraft seit 1. Jan. 2008 (AS 2007 4993). Datenschutz 12 235.11 e. die Beschreibung der Datenfelder und die Organisationseinheiten, die darauf Zugriff haben; f. Art und Umfang des Zugriffs der Benutzer der Datensammlung; g. die Datenbearbeitungsverfahren, insbesondere die Verfahren bei der Berich- tigung, Sperrung, Anonymisierung, Speicherung, Aufbewahrung, Archivie- rung oder Vernichtung der Daten; h. die Konfiguration der Informatikmittel; i. das Verfahren zur Ausübung des Auskunftsrechts. 3 Das Reglement wird regelmässig aktualisiert. Es wird den zuständigen Kontroll- organen in einer für diese verständlichen Form zur Verfügung gestellt. Art. 22 Datenbearbeitung im Auftrag 1 …32 2 Das Bundesorgan, das Personendaten durch Dritte bearbeiten lässt, bleibt für den Datenschutz verantwortlich. Es sorgt dafür, dass die Daten auftragsgemäss bearbei- tet werden, insbesondere was deren Verwendung und Bekanntgabe betrifft. 3 Untersteht der Dritte dem DSG nicht, vergewissert sich das verantwortliche Organ, dass andere gesetzliche Bestimmungen einen gleichwertigen Datenschutz gewähr- leisten, andernfalls stellt es diesen auf vertraglichem Wege sicher. Art. 2333 Berater für den Datenschutz 1 Die Bundeskanzlei und die Departemente bezeichnen jeweils mindestens einen Berater für den Datenschutz. Dieser Berater hat folgende Aufgaben: a. Unterstützung der verantwortlichen Organe und Benützer; b. Förderung der Information und der Ausbildung der Mitarbeiter; c. Mitwirkung beim Vollzug der Datenschutzvorschriften. 2 Wollen Bundesorgane nach Artikel 11a Absatz 5 Buchstabe e DSG von der Pflicht zur Anmeldung ihrer Datensammlungen befreit werden, so sind die Artikel 12a und 12b anwendbar. 3 Die Bundesorgane verkehren mit dem Beauftragten über den Berater. 32 Aufgehoben durch Ziff. I der V vom 28. Sept. 2007, mit Wirkung seit 1. Jan. 2008 (AS 2007 4993). 33 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 28. Sept. 2007, in Kraft seit 1. Jan. 2008 (AS 2007 4993). Bundesgesetz über den Datenschutz. V 13 235.11 5. Abschnitt: Besondere Bestimmungen Art. 2434 Beschaffung von Personendaten Ist die befragte Person nicht zur Auskunftserteilung verpflichtet, so muss sie vom Bundesorgan, das die Personendaten systematisch mittels Fragebogen beschafft, auf die Freiwilligkeit der Auskunftserteilung hingewiesen werden. Art. 25 Persönliche Identifikationsnummer 1 Das Bundesorgan, welches für die Verwaltung seiner Datensammlung eine per- sönliche Identifikationsnummer einführt, schafft eine nichtsprechende Nummer, die im eigenen Aufgabenbereich verwendet wird. Eine nichtsprechende Nummer ist jede eindeutige oder umkehrbar eindeutige Summe von Zeichen, die jeder Person, die in einer Datensammlung registriert ist, zugeteilt wird, und aus der keine Rückschlüsse auf die Person gezogen werden können. 2 Die Verwendung der persönlichen Identifikationsnummer durch andere Organe des Bundes oder der Kantone sowie durch private Personen muss vom betroffenen Bun- desorgan genehmigt werden. 3 Die Genehmigung kann erteilt werden, wenn ein enger Zusammenhang zwischen der vorgesehenen und derjenigen Datenbearbeitung besteht, für welche die persön- liche Identifikationsnummer geschaffen wurde. 4 Im Übrigen wird die Verwendung der AHV-Nummer von der AHV-Gesetzgebung geregelt. Art. 26 Bekanntgabe der Daten Das verantwortliche Bundesorgan meldet dem Datenempfänger die Aktualität und die Zuverlässigkeit der von ihm bekannt gegebenen Personendaten, soweit diese Informationen nicht aus den Daten selbst oder aus den Umständen ersichtlich sind. Art. 2735 Verfahren bei der Bewilligung von Pilotversuchen 1 Vor der Konsultation der interessierten Verwaltungseinheiten legt das für den Pilotversuch zuständige Bundesorgan zu Handen des Beauftragten dar, wie die Einhaltung der Anforderungen nach Artikel 17a DSG gewährleistet werden soll, und lädt ihn zur Stellungnahme ein. 2 Der Beauftragte nimmt zur Frage Stellung, ob die Bewilligungsvoraussetzungen nach Artikel 17a Absätze 1 und 2 DSG erfüllt sind. Das zuständige Bundesorgan stellt ihm alle dazu notwendigen Unterlagen zur Verfügung, insbesondere: a. eine allgemeine Beschreibung des Pilotversuches; 34 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 4. Juni 2010, in Kraft seit 1. Dez. 2010 (AS 2010 3399). 35 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 28. Sept. 2007, in Kraft seit 1. Jan. 2008 (AS 2007 4993). Datenschutz 14 235.11 b. einen Bericht, der nachweist, dass die Erfüllung der gesetzlich vorgesehenen Aufgaben die Bearbeitung von besonders schützenswerten Personendaten oder Persönlichkeitsprofilen erfordert und dass eine Testphase vor dem In- krafttreten des Gesetzes im formellen Sinn zwingend erforderlich ist (Art. 17a Abs. 1 Bst. c DSG); c. eine Beschreibung der internen Organisation sowie der Datenbearbeitungs- und Kontrollverfahren (Art. 21); d. eine Beschreibung der Sicherheits- und Datenschutzmassnahmen; e. den Entwurf oder das Konzept einer Verordnung, welche die Einzelheiten der Bearbeitung regelt; f. die Informationen betreffend die Planung der verschiedenen Phasen des Pi- lotversuches. 3 Der Beauftragte kann weitere Dokumente anfordern und zusätzliche Abklärungen vornehmen. 4 Das zuständige Bundesorgan informiert den Beauftragten über jede wichtige Änderung, welche die Einhaltung der Anforderungen von Artikel 17a DSG betrifft. Der Beauftragte nimmt, falls erforderlich, erneut Stellung. 5 Die Stellungnahme des Beauftragten ist dem Antrag an den Bundesrat beizufügen. Art. 27a36 Evaluationsbericht bei Pilotversuchen Das zuständige Bundesorgan legt dem Beauftragten den Entwurf des Evaluations- berichts an den Bundesrat (Art. 17a Abs. 4 DSG) zur Stellungnahme vor. Die Stel- lungnahme des Beauftragten ist dem Bundesrat zur Kenntnis zu bringen. 3. Kapitel: Register der Datensammlungen, Eidgenössischer Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragter37 und Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht38 1. Abschnitt: Register und Registrierung von Datensammlungen Art. 2839 Register der Datensammlungen 1 Das vom Beauftragten geführte Register enthält die Informationen nach den Arti- keln 3 und 16. 36 Eingefügt durch Ziff. I der V vom 28. Sept. 2007, in Kraft seit 1. Jan. 2008 (AS 2007 4993). 37 Ausdruck gemäss Anhang 2 Ziff. 3 der Öffentlichkeitsverordnung vom 24. Mai 2006, in Kraft seit 1. Juli 2006 (AS 2006 2331). 38 Ausdruck gemäss Ziff. II 24 der V vom 8. Nov. 2006 über die Anpassung von Bundes- ratsverordnungen an die Totalrevision der Bundesrechtspflege, in Kraft seit 1. Jan. 2007 (AS 2006 4705). Diese Änd. ist im ganzen Erlass berücksichtigt. 39 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 28. Sept. 2007, in Kraft seit 1. Jan. 2008 (AS 2007 4993). Bundesgesetz über den Datenschutz. V 15 235.11 2 Das Register ist für die Öffentlichkeit online zugänglich. Der Beauftragte erstellt auf Gesuch hin kostenlos Auszüge. 3 Der Beauftragte führt ein Verzeichnis der Inhaber von Datensammlungen, die ihrer Pflicht zur Anmeldung der Datensammlungen nach Artikel 11a Absatz 5 Buch- staben e und f DSG enthoben sind. Dieses Verzeichnis ist für die Öffentlichkeit online zugänglich. 4 Wenn der Inhaber der Datensammlung seine Datensammlung nicht oder nicht vollständig anmeldet, setzt ihm der Beauftragte eine Frist, um seinen Verpflichtun- gen nachzukommen. Nach Ablauf der Frist kann er gestützt auf die Angaben, die ihm zur Verfügung stehen, von Amtes wegen die Datensammlung registrieren oder die Einstellung der Bearbeitung empfehlen. Art. 2940 2. Abschnitt: Eidgenössischer Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragter Art. 30 Sitz und Rechtsstellung 1 Sitz und Sekretariat des Beauftragten befinden sich in Bern. 2 Das Arbeitsverhältnis des Sekretariats des Beauftragten bestimmt sich nach dem Bundespersonalgesetz vom 24. März 200041 sowie nach dessen Vollzugsbestim- mungen.42 3 Das Budget des Beauftragten wird in einem besonderen Abschnitt des Budgets der Bundeskanzlei aufgeführt.43 Art. 31 Beziehungen zu anderen Behörden und privaten Personen 1 Der Beauftragte verkehrt mit dem Bundesrat über den Bundeskanzler.44 Dieser übermittelt dem Bundesrat alle Empfehlungen und Berichte des Beauftragten, selbst wenn er diesen nicht zustimmen kann. 1bis Der Beauftragte übermittelt die für die Bundesversammlung bestimmten Be- richte direkt den Parlamentsdiensten.45 40 Aufgehoben durch Ziff. I der V vom 28. Sept. 2007, mit Wirkung seit 1. Jan. 2008 (AS 2007 4993). 41 SR 172.220.1 42 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 28. Sept. 2007, in Kraft seit 1. Jan. 2008 (AS 2007 4993). 43 Eingefügt durch Ziff. I der V vom 28. Sept. 2007, in Kraft seit 1. Jan. 2008 (AS 2007 4993). 44 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 28. Sept. 2007, in Kraft seit 1. Jan. 2008 (AS 2007 4993). 45 Eingefügt durch Ziff. I der V vom 4. Juni 2010, in Kraft seit 1. Dez. 2010 (AS 2010 3399). Datenschutz 16 235.11 2 Der Beauftragte verkehrt direkt mit den anderen Verwaltungseinheiten, den eid- genössischen Gerichten, den ausländischen Datenschutzbehörden und mit allen anderen Behörden und privaten Personen, die der Datenschutzgesetzgebung des Bundes oder der Gesetzgebung über das Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung unterstehen.46 Art. 32 Dokumentation 1 Die Bundesorgane legen dem Beauftragten alle Rechtsetzungsentwürfe vor, welche die Bearbeitung von Personendaten, den Datenschutz sowie den Zugang zu amt- lichen Dokumenten betreffen.47 Im Bereich des Datenschutzes teilen ihm die Depar- temente und die Bundeskanzlei ihre Entscheide in anonymisierter Form sowie ihre Richtlinien mit.48 2 Der Beauftragte muss über eine für seine Tätigkeit ausreichende Dokumentation verfügen. Er betreibt ein unabhängiges Informations- und Dokumentationssystem für die Verwaltung, Indexierung und Kontrolle der Korrespondenz und der Dossiers sowie für die Publikation von Informationen von allgemeinem Interesse und des Registers der Datensammlungen im Internet.49 3 Das Bundesverwaltungsgericht hat Zugriff auf die wissenschaftliche Dokumenta- tion des Beauftragten.50 Art. 33 Gebühren 1 Für die Gutachten (Art. 28 DSG) des Beauftragten wird eine Gebühr erhoben. Die Bestimmungen der Allgemeinen Gebührenverordnung vom 8. September 200451 sind anwendbar.52 2 Gegenüber Verwaltungseinheiten des Bundes, Behörden und der Kantone wird keine Gebühr erhoben. Art. 34 Prüfung der Datenbearbeitung von Personendaten 1 Für die Abklärung des Sachverhalts nach den Artikeln 27 und 29 DSG, insbeson- dere bei der Prüfung der Rechtmässigkeit der Datenbearbeitung, kann der Beauftrag- te vom Inhaber der Datensammlung insbesondere folgende Auskünfte verlangen: 46 Fassung gemäss Ziff. II 24 der V vom 8. Nov. 2006 über die Anpassung von Bundesrats- verordnungen an die Totalrevision der Bundesrechtspflege, in Kraft seit 1. Jan. 2007 (AS 2006 4705). 47 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 28. Sept. 2007, in Kraft seit 1. Jan. 2008 (AS 2007 4993). 48 Fassung gemäss Anhang 2 Ziff. 3 der Öffentlichkeitsverordnung vom 24. Mai 2006, in Kraft seit 1. Juli 2006 (AS 2006 2331). 49 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 28. Sept. 2007, in Kraft seit 1. Jan. 2008 (AS 2007 4993). 50 Fassung gemäss Ziff. II 24 der V vom 8. Nov. 2006 über die Anpassung von Bundesrats- verordnungen an die Totalrevision der Bundesrechtspflege, in Kraft seit 1. Jan. 2007 (AS 2006 4705). 51 SR 172.041.1 52 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 28. Sept. 2007, in Kraft seit 1. Jan. 2008 (AS 2007 4993). Bundesgesetz über den Datenschutz. V 17 235.11 a. technische und organisatorische Massnahmen (Art. 8–10, 20), die getroffen wurden oder geplant sind; b. die Regelungen betreffend Berichtigung, Sperrung, Anonymisierung, Spei- cherung, Aufbewahrung und Vernichtung von Personendaten; c. die Konfiguration der Informatikmittel; d. die Verknüpfungen mit anderen Datensammlungen; e. die Art der Bekanntgabe der Daten; f. die Beschreibung der Datenfelder und die Organisationseinheiten, die darauf Zugriff haben; g. Art und Umfang des Zugriffs der Benutzer auf die Daten der Datensamm- lung. 2 Bei Bekanntgaben ins Ausland kann der Beauftragte zusätzliche Angaben verlan- gen, insbesondere über die Bearbeitungsmöglichkeiten des Datenempfängers oder über die zum Datenschutz getroffenen Massnahmen. 3. Abschnitt: Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht Art. 3553 1 Das Bundesverwaltungsgericht kann verlangen, dass ihm Datenbearbeitungen vorgelegt werden. 2 Es gibt dem Beauftragten seine Entscheide bekannt. 4. Kapitel: Schlussbestimmungen Art. 36 Änderung des bisherigen Rechts 1. und 2. …54 3.–8. …55 Art. 37 Übergangsbestimmungen 1 Die Datensammlungen, die bei Inkrafttreten des Datenschutzgesetzes und dieser Verordnung in Bearbeitung stehen, sind beim Beauftragten bis zum 30. Juni 1994 anzumelden. 53 Fassung gemäss Ziff. II 24 der V vom 8. Nov. 2006 über die Anpassung von Bundesrats- verordnungen an die Totalrevision der Bundesrechtspflege, in Kraft seit 1. Jan. 2007 (AS 2006 4705). 54 Aufgehoben durch Anhang Ziff. II 7 der Bundesinformatikverordnung vom 23. Febr. 2000 (AS 2000 1227). 55 Die Änderungen können unter AS 1993 1962 konsultiert werden. Datenschutz 18 235.11 2 Die technischen und organisatorischen Massnahmen (Artikel 8–11, 20 und 21) sind innerhalb von fünf Jahren nach Inkrafttreten der vorliegenden Verordnung für sämt- liche automatisierten Bearbeitungen und Datensammlungen zu verwirklichen. Art. 38 Inkrafttreten Diese Verordnung tritt am 1. Juli 1993 in Kraft.
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Sachverhalt ab Seite 170 BGE 128 III 169 S. 170 E. war Eigentümer des Grundstücks Nr. 3575, auf dem eine Gastwirtschaft betrieben wurde und wird. F. gehörte das benachbarte Grundstück Nr. 634. Mit Abtretungs- und Dienstbarkeitsvertrag vom 26. August 1960 trat E. einen Teil seines Grundstücks an F. ab, wobei der abgetretene Teil mit dem Grundstück Nr. 634 vereinigt wurde. Gleichzeitig räumten sich die Parteien gegenseitig ein Grenzbaurecht ein. Für das Grenzbaurecht zu Gunsten des Grundstücks Nr. 3575 vereinbarten die Parteien, der jeweilige Eigentümer des Grundstücks Nr. 634 räume dem jeweiligen Eigentümer von Nr. 3575 das Recht ein, den Wirtschaftsanbau und das Kegelbahngebäude an die neue, zwischen den beiden Parzellen entstandene Grenze zu stellen und beizubehalten. Für die Lage und Dimensionen dieses Anbaus und des Kegelbahngebäudes verwiesen die Parteien auf die von ihnen unterzeichneten Pläne, die zum Vertragsbestandteil erklärt wurden. Des Weiteren vereinbarten sie, am Anbau und am Kegelbahngebäude dürften gegen die Liegenschaft Nr. 634 keine Fenster, Türen oder sonstigen Öffnungen angebracht werden und dem Eigentümer des Grundstücks Nr. 3575 werde dauernd untersagt, auf der Terrasse der Kegelbahn zu wirten. Abschliessend bestimmten die Parteien, dieses Rechtsverhältnis erhalte die Form einer Grunddienstbarkeit und sei im Grundbuch als Grenzbaurecht zu Lasten des Grundstücks Nr. 634 und zu Gunsten von Nr. 3575 einzutragen. Die Dienstbarkeit wurde im Grundbuch mit der Bezeichnung "Grenzbaurecht" so eingetragen und in der Folge wurde die Kegelbahn erstellt. BGE 128 III 169 S. 171 1990 gingen die damaligen Eigentümer dazu über, auf der Dachterrasse des Kegelbahngebäudes Gäste zu bewirten. Am 1. Juli 1996 erwarben A.X. und B.X. den Gastwirtschaftsbetrieb. Im Frühling 1997 überdachten sie die Terrasse auf der Kegelbahn. Mit Klage vom 19. Juli 1999 verlangten C.Y. und D.Y. als heutige Eigentümer des Grundstücks Nr. 634, A.X. und B.X. seien unter Androhung der Ungehorsamsstrafe nach Art. 292 StGB zu verpflichten, auf der Terrasse der Kegelbahn des Grundstücks Nr. 3575 den Wirtsbetrieb einzustellen. Die Beklagten beantragten die Abweisung der Klage. In teilweiser Gutheissung der Klage untersagte das Obergericht als zweite Instanz den Beklagten mit Urteil vom 31. August 2001, auf dem Dach des Kegelbahngebäudes zu wirten. Es erwog, entgegen der Auffassung des Bezirksgerichts lasse sich dem Grundbuch der genaue Inhalt der Dienstbarkeit nicht entnehmen, weshalb auf den Begründungsbeleg abzustellen sei. Daraus ergebe sich, dass das Wirteverbot als funktionelle Beschränkung des Grenzbaurechts anzusehen sei und als Nebenbestimmung zum Grenzbaurecht ohne eigenen Eintrag im Grundbuch habe begründet werden können. Es habe deshalb nicht bloss zwischen den Vertragsparteien Wirkung entfaltet, vielmehr binde es auch die Rechtsnachfolger. Gegen dieses Urteil haben die Beklagten Berufung eingelegt, mit der sie die vollumfängliche Abweisung der Klage verlangen. Das Bundesgericht weist die Berufung ab und bestätigt das Urteil des Obergerichts. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Nach Auffassung der Beklagten sind Wortlaut und Bedeutung des Grundbucheintrages klar und deutlich. Es handle sich um das Recht, an die Grenze zu bauen. Auf den Begründungsakt dürfe folglich nicht abgestellt werden oder jedenfalls nur für Lage und Ausmass der Baute. Wegen des klaren Wortlautes ("Grenzbaurecht") hätten sie auch keine Veranlassung gehabt, die Grundbuchbelege nach einem Wirteverbot abzusuchen. Bei diesem gehe es nicht um eine funktionelle Beschränkung der Dienstbarkeit, sondern um eine damit verbundene nebensächliche Unterlassungspflicht, die der Eintragung in das Grundbuch bedürfe, um gegenüber Dritten wirksam zu werden. Die Kläger stellen sich demgegenüber auf den Standpunkt, der Grundbucheintrag sei keineswegs klar und deutlich. Aus ihm sei nicht ersichtlich, wo genau an die Grenze gebaut werden BGE 128 III 169 S. 172 dürfe, in welcher Dimension und zu welchem Zweck. Folglich müsse auf den Erwerbsgrund zurückgegriffen werden und die Beklagten könnten sich nicht auf ihren guten Glauben berufen. Im Übrigen gehe es nicht darum, dass deren Grundstück mit einem Wirteverbot belastet sei, vielmehr gehe es um ein Grenzbaurecht, das im Dienstbarkeitsvertrag inhaltlich näher umschrieben sei. Zu dieser Umschreibung gehöre nicht nur die bauliche Beschaffenheit, sondern auch die Nutzungsart der Grenzbaute. 3. a) Soweit sich Rechte und Pflichten aus dem Eintrag deutlich ergeben, ist dieser für den Inhalt der Dienstbarkeit massgebend ( Art. 738 Abs. 1 ZGB ). Im Rahmen des Eintrages kann sich der Inhalt der Dienstbarkeit aus ihrem Erwerbsgrund oder aus der Art ergeben, wie sie während längerer Zeit unangefochten und in gutem Glauben ausgeübt worden ist ( Art. 738 Abs. 2 ZGB ). Nach konstanter bundesgerichtlicher Rechtsprechung schliesst der klare Wortlaut des Grundbucheintrages ein Vorgehen gemäss Art. 738 Abs. 2 ZGB aus (letztmals BGE 123 III 461 E. 2b S. 464). Ist der Wortlaut hingegen unklar, ist auf den Begründungsakt zurückzugreifen, der als Beleg beim Grundbuchamt aufbewahrt wird ( Art. 948 Abs. 2 ZGB ) und einen Bestandteil des Grundbuches bildet ( Art. 942 Abs. 2 ZGB ). In der Praxis kommt es durchaus vor, dass der Grundbucheintrag die Dienstbarkeit näher beschreibt (vgl. Beispiele in: BGE 123 III 462 ; BGE 113 II 507 ; BGE 86 II 245 ). Eine präzise Beschreibung ist indes selten, weil die Dienstbarkeit bei der Eintragung im Hauptbuchblatt nach den Vorgaben in der Grundbuchverordnung nur mit einem Stichwort bezeichnet wird (vgl. Art. 35 Abs. 2 lit. c der Verordnung vom 22. Februar 1910 betreffend das Grundbuch [GBV; SR 211.432.1]), das der Grundbuchverwalter festlegt ( Art. 35 Abs. 3 GBV ). Aus diesem Grund erscheinen funktionelle Beschränkungen einer Dienstbarkeit nur ausnahmsweise im Wortlaut des Grundbuches. Enthält der Grundbucheintrag lediglich ein Stichwort wie z.B. Quellen-, Weg- oder eben Grenzbaurecht, ist er in der Regel zu rudimentär, als dass sich Rechte und Pflichten aus ihm deutlich ergäben (LIVER, Zürcher Kommentar, N. 31 und 32 zu Art. 738 ZGB ; PETITPIERRE, Basler Kommentar, N. 3 zu Art. 738 ZGB ). b) Im vorliegenden Fall enthält das Interimsregister nur das Stichwort "Grenzbaurecht". Für die Bestimmung des Umfangs der Dienstbarkeit muss deshalb auf den Dienstbarkeitsvertrag zurückgegriffen werden, denn erst dieser gibt den nötigen Aufschluss über die Lage, das Ausmass und die Funktion der Grenzbaute. Der Vertragstext beantwortet all diese Fragen schlüssig: Für die Lage BGE 128 III 169 S. 173 und das Ausmass der Baute wird auf die zum Vertragsbestandteil erklärten Pläne verwiesen und die zulässige Nutzung ist detailliert beschrieben. Nach Auffassung der Beklagten bedeutet die Klausel, wonach auf der Terrasse der Kegelbahn nicht gewirtet werden darf, ein Wirteverbot, das ins Grundbuch hätte eingetragen werden müssen. Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden: Ein Wirteverbot im Rechtssinn stellt eine Gewerbebeschränkung dar, die selbstständig als Dienstbarkeit ins Grundbuch eingetragen werden kann (vgl. LIVER, a.a.O., N. 193 zu Art. 730 ZGB ). Als Dienstbarkeit lastet sie auf dem Grundstück als solchem mit der Folge, dass Wirten auf der betreffenden Parzelle ausgeschlossen oder im vereinbarten Umfang eingeschränkt ist. Demgegenüber geht es im vorliegenden Fall darum, dass auf der Terrasse des Kegelbahngebäudes, das auf Grund der Grenzdienstbarkeit errichtet worden ist, nicht gewirtet werden darf. Sollte die Grenzbaute einmal nicht mehr bestehen, wären die Beklagten im Unterschied zum eigentlichen Wirteverbot unter Vorbehalt der nachbarrechtlichen Bestimmungen frei, auf dem entsprechenden Teil ihrer Parzelle zu wirten. Der direkte Zusammenhang zwischen dem Verbot und der Grenzbaute zeigt sich weiter in folgender Hinsicht: Wie das Verbot, auf dem Kegelbahngebäude zu wirten, zeigt, sind die Parteien stillschweigend davon ausgegangen, dass in der Kegelbahn das Wirten erlaubt ist. Sie wollten jedoch die Konsumationsmöglichkeit auf das Innere der Grenzbaute beschränkt wissen. Vor diesem Hintergrund steht die Präzisierung bzw. Einschränkung des sich aus dem Grenzbaurecht für ein Kegelbahngebäude selbstredend ergebenden Bewirtungsrechts auf die fragliche Lokalität in unmittelbarem funktionellem Zusammenhang mit der Einräumung der Dienstbarkeit. Der Dienstbarkeitsvertrag enthält ausführliche Bestimmungen und legt im Anschluss an diese fest, das Rechtsverhältnis erhalte die Form einer Grunddienstbarkeit und sei im Grundbuch als "Grenzdienstbarkeit" einzutragen. Dies zeigt klar, dass die Parteien nicht eine nebensächliche Unterlassungspflicht zur eingeräumten Dienstbarkeit stipulieren, sondern deren Umfang festlegen wollten, und dass sie deshalb sämtliche Modalitäten als funktionelle Beschränkung der Grenzdienstbarkeit angesehen haben.
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Sachverhalt ab Seite 293 BGE 138 V 292 S. 293 A. Die bei ihrer Mutter wohnhafte T. begann im Jahre 2009 die dreijährige Ausbildung zur Tourismusfachfrau HF an der Schule X. Das Amt für Zusatzleistungen zur AHV/IV der Stadt Zürich richtete ihr ab diesem Monat Ergänzungsleistungen (EL) zur Kinderrente der Invalidenversicherung aus (Verfügungen vom 9. November und BGE 138 V 292 S. 294 1. Dezember 2009). Nach dem Wegzug ihres Vaters nach Dietikon war ab Mai 2010 neu die dortige Durchführungsstelle für Zusatzleistungen zur AHV/IV zuständig für die Berechnung der Ergänzungsleistungen. Nachdem die Amtsstelle mit unangefochten gebliebener Verfügung vom 25. Juni 2010 die Leistungen ab 1. Juli 2010 eingestellt hatte, lehnte sie mit Verfügung vom 20. Dezember 2011 die Ausrichtung von Leistungen ab. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 24. Januar 2012 fest. B. Auf die hiegegen erhobene Beschwerde der T. trat das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 12. März 2012 nicht ein. C. T. führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Rechtsbegehren, der Entscheid vom 12. März 2012 sei aufzuheben und die Vorinstanz sei zu verpflichten, auf die Beschwerde gegen den Einspracheentscheid vom 24. Januar 2012 einzutreten, unter Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege. Die Durchführungsstelle für Zusatzleistungen zur AHV/IV der Stadt Dietikon verzichtet auf eine Stellungnahme. Das kantonale Sozialversicherungsgericht und das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) verzichten auf eine Vernehmlassung. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Die Vorinstanz hat ihr Nichteintreten auf die Beschwerde gegen den Einspracheentscheid vom 24. Januar 2012 damit begründet, eine Drittauszahlung von Ergänzungsleistungen an das mündige Kind sei gesetzlich nicht vorgesehen. Wie die IV-Kinderrente sollen die Zusatzleistungen dem invaliden Elternteil ermöglichen, seiner zivilrechtlichen Unterhaltspflicht nachzukommen. Der Anspruch stehe somit dem Rentenempfänger zu, ohne die Rechtsstellung des unterhaltsberechtigten mündigen Kindes zu präjudizieren. Es bestehe daher kein hinreichendes "Berührtsein" der Beschwerdeführerin im Sinne von Art. 59 ATSG (SR 830.1), um die Verfügung anzufechten, mit der über den laufenden Ergänzungsleistungsanspruch ihres Vaters entschieden worden sei. 3. Nach Art. 59 ATSG ist zur Beschwerde berechtigt, wer durch die angefochtene Verfügung oder den Einspracheentscheid berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder BGE 138 V 292 S. 295 Änderung hat. Der Begriff des schutzwürdigen Interesses für das Verfahren vor dem kantonalen Versicherungsgericht ist gleich auszulegen wie derjenige nach Art. 89 Abs. 1 lit. c BGG für das Verfahren der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vor dem Bundesgericht. Ein schutzwürdiges Interesse liegt somit vor, wenn die tatsächliche oder rechtliche Situation des oder der Rechtsuchenden durch den Ausgang des Verfahrens beeinflusst werden kann. Dabei wird verlangt, dass die Beschwerde führende Person durch den angefochtenen Verwaltungsakt (Verfügung oder Einspracheentscheid) stärker als jedermann betroffen ist und in einer besonderen, beachtenswerten, nahen Beziehung zur Streitsache steht ( BGE 136 V 7 E. 2.1 S. 9 mit Hinweisen; Urteil 9C_822/2011 vom 3. Februar 2012 E. 3.1). 3.1 Anspruch auf Ergänzungsleistungen haben u.a. Personen (mit Wohnsitz und gewöhnlichem Aufenthalt [ Art. 13 ATSG ] in der Schweiz), wenn sie Anspruch auf eine Rente der Invalidenversicherung haben ( Art. 4 Abs. 1 lit. c ELG [SR 831.30]). Die Berechnung der jährlichen Ergänzungsleistung ist in den Art. 9 ff. ELG und Art. 1 ff. ELV (SR 831.301) geregelt. Hat die EL-ansprechende oder -beziehende Person Kinder, die einen Anspruch auf eine Kinderrente der IV begründen, gilt insbesondere Folgendes: Lebt das Kind nicht bei den Eltern oder lebt es bei einem Elternteil, der nicht rentenberechtigt ist und für den auch kein Anspruch auf eine Zusatzrente besteht, so ist die Ergänzungsleistung gesondert zu berechnen. Dabei ist das Einkommen der Eltern soweit zu berücksichtigen, als es deren eigenen Unterhalt und den der übrigen unterhaltsberechtigten Familienangehörigen übersteigt ( Art. 7 Abs. 1 lit. c und Abs. 2 ELV in Verbindung mit Art. 9 Abs. 5 lit. a ELG ). Vorliegend geht es um einen Anwendungsfall gesonderter Berechnung der Ergänzungsleistung im Sinne dieser Verordnungsregelung. 3.2 Anrecht auf Ergänzungsleistungen haben, sofern die übrigen Voraussetzungen gegeben sind, nur Personen, die einen selbständigen (originären) Anspruch auf eine IV-Rente haben. Kinder, für die ein Anspruch auf eine Kinderrente nach Art. 35 Abs. 1 IVG besteht, können keinen eigenen Anspruch auf Ergänzungsleistungen begründen. Das gilt auch bei gesonderter Berechnung der Ergänzungsleistung gestützt auf Art. 7 Abs. 1 lit. c und Abs. 2 ELV . Die betreffenden Kinder können auch nicht, etwa aufgrund einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise, als Destinatäre eines Teils der Ergänzungsleistungen angesehen werden mit der Folge, dass ihnen BGE 138 V 292 S. 296 ein separat ausgeschiedener Teil davon auszurichten wäre (SVR 2012 EL Nr. 2 S. 4, 9C_371/2011 E. 2.3 und 2.4.2; FamPra.ch 2010 S. 135, 8C_624/2007 E. 5.2). Mangels Anspruchs aus eigenem Recht kann die Beschwerdeführerin nicht direkt, sondern nur als Dritter "pro Adressat" beschwerdeberechtigt sein. 4. Im Interesse einer anderen Person ein Rechtsmittel zu ergreifen, erfordert ein - wie auch immer geartetes - besonderes eigenes Berührtsein ( BGE 137 III 67 E. 3.5 S. 74). Der Dritte muss ein selbständiges, eigenes Rechtsschutzinteresse an der Beschwerdeführung haben, was voraussetzt, dass ihm aus dem streitigen Verwaltungsakt ein unmittelbarer Nachteil erwächst; bloss mittelbare, faktische Interessen an dessen Aufhebung oder Änderung reichen nicht aus (SVR 2010 BVG Nr. 22 S. 86, 9C_918/2009 E. 4.3.1 mit Hinweisen). 4.1 Nach Auffassung der Beschwerdeführerin ist sie von der Verfügung und vom Einspracheentscheid der Beschwerdegegnerin besonders berührt, weil es um die gesonderte Berechnung ihres Bedarfs gehe und die Ergänzungsleistung bisher - letztmals für Juni 2010 - ihr und nicht dem nicht in häuslicher Gemeinschaft lebenden rentenberechtigten Vater ausbezahlt worden sei. 4.2 4.2.1 ELG und ELV enthalten keine Vorschriften über die Drittauszahlung. Der kraft Art. 1 Abs. 1 ELG anwendbare Art. 20 ATSG regelt unter dem Titel "Gewährleistung zweckgemässer Verwendung" die Auszahlung an einen Dritten oder eine Behörde, der oder die der berechtigten Person gegenüber gesetzlich oder sittlich unterstützungspflichtig ist oder diese dauernd fürsorgerisch betreut. Um einen solchen Tatbestand geht es hier jedoch nicht. Gemäss der Wegleitung des BSV über die Ergänzungsleistungen zur AHV und IV (WEL, in der ab 1. April 2011 gültigen Fassung www.bsv.admin.ch/vollzug/documents/index/category:59 ) wird der gesondert berechnete EL-Anteil für das Kind [ Art. 7 Abs. 1 lit. c und Abs. 2 ELV ] grundsätzlich an dieselbe Person oder Zahlstelle ausgerichtet wie die Kinderrente (Rz. 4240.01). Mündige Kinder können [analog Art. 71 ter Abs. 3 AHVV ; SR 831.101] die Auszahlung ihres gesondert berechneten EL-Anteils an sich verlangen (Rz. 4240.02). Art. 71 ter Abs. 3 AHVV , in Kraft seit 1. Januar 2011, lautet wie folgt: Wird das Kind volljährig, so ändert sich an der vorher praktizierten Auszahlung [der Kinderrente an den rentenberechtigten oder BGE 138 V 292 S. 297 an den nicht rentenberechtigten Elternteil nach Abs. 1] nichts, es sei denn, das volljährige Kind verlange die Auszahlung an sich selber. Abweichende vormundschaftliche oder zivilrichterliche Anordnungen bleiben vorbehalten. Diese Vorschrift ist nach Art. 82 IVV (SR 831.201; in Verbindung mit Art. 35 Abs. 4 Satz 3 IVG ) sinngemäss auf Kinderrenten der Invalidenversicherung anwendbar. Sie wurde als Folge von BGE 134 V 15 erlassen (vgl. SVR 2010 IV Nr. 22 S. 26, 9C_326/2009 E. 3.5). 4.2.2 Es kann offenbleiben, ob Art. 71 ter Abs. 3 AHVV sinngemäss auch im EL-Bereich anwendbar ist und Rz. 4240.01 und 4240.02 WEL gesetzmässig sind oder ob von einem qualifizierten Schweigen des Gesetz- und Verordnungsgebers auszugehen ist in dem Sinne, dass eine Auszahlung der für das mündige Kind nach Art. 7 Abs. 1 lit. c und Abs. 2 ELV gesondert berechneten Ergänzungsleistung unzulässig ist, was keinen Raum für eine richterliche Lückenfüllung liesse ( BGE 138 II 1 E. 4.2 S. 3). Selbst wenn die Beschwerdeführerin - anders lautende vormundschaftliche oder zivilrichterliche Anordnungen vorbehalten - Anspruch darauf hätte, dass die für sie berechnete Ergänzungsleistung ihr und nicht ihrem Vater oder ihrer Mutter ausgerichtet wird, ergäbe sich daraus nicht ohne weiteres die den grundsätzlichen und umfangmässigen Leistungsanspruch als solchen betreffende Beschwerdebefugnis (Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts I 226/04 vom 11. Oktober 2004 E. 4.2). 4.3 4.3.1 Die Berechtigung, einen bundessozialversicherungsrechtlichen Anspruch auf dem Rechtsmittelweg geltend zu machen, steht in einem engen Zusammenhang mit der Befugnis, die versicherte Person zum Bezug der entsprechenden Leistung anzumelden. Nach dem Grundsatz der Einheit des Prozesses vermittelt das dafür erforderliche Rechtsschutzinteresse bereits den Anspruch auf Erlass einer Verfügung. Ist eine Person berechtigt, die Anmeldung vorzunehmen, kommt ihr deshalb regelmässig auch die Legitimation zu, den streitigen Anspruch im Verwaltungsprozess selbständig zu verfolgen ( BGE 130 V 560 E. 4.3 S. 568 mit Hinweis). 4.3.2 Gemäss Art. 20 Abs. 1 ELV wird der Anspruch auf eine jährliche Ergänzungsleistung durch eine schriftliche Anmeldung geltend gemacht. Artikel 67 Absatz 1 AHVV ist sinngemäss anwendbar. Nach Satz 2 dieser Bestimmung sind zur Geltendmachung des Anspruchs auf eine Rente oder Hilflosenentschädigung der AHV u.a. auch die Kinder des Berechtigten befugt. Die Beschwerdeführerin BGE 138 V 292 S. 298 ist somit berechtigt, ihren Vater zum EL-Bezug anzumelden. Daraus ergibt sich unmittelbar ihre Legitimation zur Einsprache gegen die Verfügung vom 20. Dezember 2011 und zur Beschwerde gegen den Einspracheentscheid vom 24. Januar 2012. Der vorinstanzliche Nichteintretensentscheid verletzt somit Bundesrecht ( Art. 95 lit. a BGG ).
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Sachverhalt ab Seite 159 BGE 128 V 159 S. 159 A.- Am 29. Januar 1999 stellte die Firma Knoll AG das Gesuch um Aufnahme des von ihr vertriebenen, von der Interkantonalen Kontrollstelle für Heilmittel (IKS, seit 1. Januar 2002: Schweizerisches Heilmittelinstitut) als Anorexikum unter dem Index Therapeuticus (IT) 01.11 registrierten REDUCTIL mit dem Wirkstoff Sibutramin für die Indikation "Adipositas mit BMI >= 30" in die Spezialitätenliste (SL) zum Preis von Fr. 138.-/186.30 für 30caps.10mg/15mg. Mit Verfügung vom 28. Juli 1999 lehnte das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) das Begehren u.a. wegen fehlender Zweckmässigkeit des Präparates ab. B.- Die von der Knoll AG hiegegen erhobene Beschwerde wies die Eidgenössische Rekurskommission für die Spezialitätenliste mit Entscheid vom 28. September 2000 ab, dies im Wesentlichen mit der gleichen Begründung, mit welcher sie am gleichen Tag das auf zwei Jahre befristete und u.a. mit der Auflage "Erstellung einer Evaluation, die beweist, dass der erzielte Gewichtsverlust von Dauer ist" aufgenommene XENICAL der Roche Pharma (Schweiz) AG von der Spezialitätenliste gestrichen hatte. C.- Die Knoll AG lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und zur Hauptsache die Aufhebung des Entscheides der Rekurskommission sowie die Aufnahme von REDUCTIL in die Spezialitätenliste, eventuell mit der gleichen Limitation wie für XENICAL beantragen. BGE 128 V 159 S. 160 Das BSV schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. (...) Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. a) Nach Art. 25 KVG übernimmt die obligatorische Krankenpflegeversicherung die Kosten für die Leistungen, die der Diagnose oder Behandlung einer Krankheit und ihrer Folgen dienen (Abs. 1). Diese Leistungen umfassen u.a. die ärztlich oder unter den vom Bundesrat bestimmten Voraussetzungen von Chiropraktoren oder Chiropraktorinnen verordneten Arzneimittel (Abs. 2 lit. b). Die Leistungen nach Art. 25 KVG müssen laut Art. 32 Abs. 1 KVG wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sein (Satz 1). Die Wirksamkeit muss nach wissenschaftlichen Methoden nachgewiesen sein (Satz 2). Gemäss Art. 33 KVG kann der Bundesrat die von Ärzten und Ärztinnen oder von Chiropraktoren und Chiropraktorinnen erbrachten Leistungen bezeichnen, deren Kosten von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen übernommen werden (Abs. 1). Er bezeichnet u.a. die nicht von Ärzten und Ärztinnen oder von Chiropraktoren und Chiropraktorinnen erbrachten Leistungen nach Artikel 25 Absatz 2 (Abs. 2). Er bestimmt, in welchem Umfang die obligatorische Krankenpflegeversicherung die Kosten einer neuen oder umstrittenen Leistung übernimmt, deren Wirksamkeit, Zweckmässigkeit oder Wirtschaftlichkeit sich noch in Abklärung befindet (Abs. 3). Der Bundesrat setzt Kommissionen ein, die ihn bei der Bezeichnung der Leistungen beraten (Abs. 4 Satz 1; vgl. Art. 37a ff. KVV ). Die Kompetenzen gemäss Art. 33 Abs. 1-3 KVG hat die Exekutive gestützt auf Art. 33 Abs. 5 KVG auf das Departement übertragen (vgl. Art. 33 KVV sowie Art. 1 ff. KLV ; ferner Art. 48 Abs. 1 RVOG und BGE 124 V 261 Erw. 6b zur Subdelegationskompetenz des Bundesrates). b) Gemäss Art. 52 Abs. 1 lit. b KVG (in Verbindung mit Art. 34 und Art. 37e Abs. 1 KVV ) erstellt das Bundesamt nach Anhören der Eidgenössischen Arzneimittelkommission (EAK) eine Liste der pharmazeutischen Spezialitäten und konfektionierten Arzneimittel mit Preisen (Spezialitätenliste; Satz 1). Diese hat auch die mit den Originalpräparaten austauschbaren preisgünstigeren Generika zu enthalten (Satz 2). BGE 128 V 159 S. 161 aa) Der Bundesrat hat in den Art. 64 ff. KVV , das Eidgenössische Departement des Innern in den Art. 30 ff. KLV gestützt auf Art. 96 KVG (vgl. BGE 126 III 39 oben) resp. Art. 65 Abs. 3 und Art. 75 KVV (formelle und materielle) Ausführungsbestimmungen im Zusammenhang mit der Spezialitätenliste erlassen. Zu erwähnen sind insbesondere die Aufnahmebedingungen gemäss Art. 65 Abs. 1 und 2 KVV sowie Art. 30 Abs. 1 KLV . Danach muss das in Frage stehende Arzneimittel wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sein. Sodann darf eine pharmazeutische Spezialität in die Liste nur aufgenommen werden, wenn die Registrierung oder ein Attest der zuständigen schweizerischen Prüfstelle resp. seit 1. Januar 2002 die Zulassung des Schweizerischen Heilmittelinstituts vorliegt. Die Zweckmässigkeit des Arzneimittels in Bezug auf seine Wirkung und Zusammensetzung im Besonderen werden laut Art. 33 Abs. 1 KLV u.a. nach unerwünschten Wirkungen sowie nach der Gefahr missbräuchlicher Verwendung beurteilt. In der bis 31. Dezember 2000 gültig gewesenen Fassung sahen die erwähnten Vorschriften der KLV als weitere Aufnahmekriterien vor, dass das Arzneimittel nachgewiesen einem medizinischen Bedürfnis entspricht und zuverlässig ist. Im Weitern kann die Aufnahme in die Liste unter der Bedingung einer Limitierung erfolgen. Die Limitierung kann sich insbesondere auf die Menge oder die medizinischen Indikationen beziehen ( Art. 73 KVV ). bb) Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit eines Arzneimittels waren schon unter dem früheren Recht Voraussetzungen für die Aufnahme in die Spezialitätenliste. Diese Begriffe haben inhaltlich keine wesentliche Änderung erfahren, was auch der gesetzgeberischen Absicht entspricht, an der im Bereich der Spezialitätenliste geltenden Ordnung grundsätzlich nichts zu ändern ( BGE 127 V 278 Erw. 2a mit Hinweis auf die Materialien; vgl. zum Ganzen GEBHARD EUGSTER, Krankenversicherung, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Soziale Sicherheit, Rz 204 ff.). Neu ist im Wesentlichen einzig, dass die Spezialitätenliste in Bezug auf die Vergütung der Kosten der darin aufgeführten Arzneimittel durch die Krankenversicherer im Unterschied zu früher verpflichtenden und nicht bloss empfehlenden Charakter hat (vgl. Art. 12 Abs. 6 Satz 2 KUVG , Art. 22 Abs. 3 Vo III und Art. 3 Abs. 1 Vo VIII sowie BGE 127 V 87 Erw. 3c/cc). cc) Die Eidgenössische Arzneimittelkommission (EAK) als zuständige Kommission im Sinne von Art. 52 Abs. 1 KVG ist nach Zusammensetzung und Arbeitsweise eine verwaltungsunabhängige, BGE 128 V 159 S. 162 der Funktion nach aber eine verwaltungsinterne beratende Fachkommission des Bundesrates bzw. des Bundesamtes ( BGE 119 V 464 Erw. 4a mit Hinweisen). Ihre Meinungsäusserungen und Empfehlungen, denen nicht die Qualität von Sachverständigengutachten im Sinne von Art. 12 lit. e VwVG und Art. 57 ff. BZP eignet ( BGE 108 V 130 ), sind für das BSV zwar nicht verbindlich (RKUV 2000 Nr. KV 120 S. 164 f. Erw. 3c/aa). Wenn und soweit indessen die Streitpunkte medizinische und pharmazeutische Fragen betreffen, deren Beantwortung besondere Fachkenntnis und Erfahrung verlangt, was vorliegend in Bezug auf die in erster Linie umstrittene Wirksamkeit und Zweckmässigkeit von REDUCTIL unter allfälligen Limitierungen zutrifft, ist bei der gerichtlichen Überprüfung der darauf beruhenden Entscheide praxisgemäss eine gewisse Zurückhaltung am Platze. Dies gilt, solange nicht ernsthafte Gründe ein Abweichen von der Expertenmeinung rechtfertigen ( BGE 118 V 57 Erw. 5b mit Hinweis). Umgekehrt ergibt sich aus der Stellung und der Funktion der EAK, dass das Bundesamt nachvollziehbar zu begründen hat, wenn es im Einzelfall der klaren Meinungsäusserung des Fachgremiums nicht folgt. c) Im konkreten Fall haben sich die Experten der EAK resp. des schulmedizinischen Ausschusses dieses Fachgremiums zusammengefasst in folgendem Sinne zum Gesuch um Aufnahme von REDUCTIL in die Spezialitätenliste geäussert: Bei REDUCTIL mit dem Wirkstoff Sibutramin handle es sich um eine zentral angreifende Substanz. Der Wirkmechanismus bestehe darin, dass der Hunger durch Impulse vom Hirn unterdrückt werde mit der Folge, dass die Person weniger esse, was auf die Dauer zu einer Reduktion der Nahrungszufuhr und damit zur gewünschten Gewichtsabnahme führe. Die gleiche Wirkung habe XENICAL, dessen Substanz Orlistat im oberen Dünndarm ansetze und die Fettresorption hemme. Trotz unterschiedlichem Wirkmechanismus seien REDUCTIL und XENICAL in ihrer Wirkung vergleichbar, indem bei beiden Präparaten eine Änderung des Essverhaltens im Sinne einer Reduzierung der Nahrungszufuhr eintrete, woraus sich der angestrebte Gewichtsverlust ergebe. Die dem Gesuch beigelegten Studien hätten im Übrigen eine vergleichbare Wirksamkeit gezeigt. Auf die Stellungnahme der EAK aus dem Jahre 1975, die zur Bemerkung "Anorexika. Keine Zugelassen" in der Spezialitätenliste geführt habe, könne zurückgekommen werden. Diese Eintragung habe sich auf die Gruppe der Phenfluramine bezogen, wozu REDUCTIL nicht gehöre. Sibutramin wirke als Serotonin-Stoffwechselhemmer und BGE 128 V 159 S. 163 führe keinesfalls zu Suchtproblemen. REDUCTIL sei eindeutig kein Amphetamin. Zu bedenken sei allerdings, dass die Abgabe von Appetitzüglern sprunghaft zugenommen habe. Im Ergebnis befürworten die Experten grundsätzlich die Aufnahme von REDUCTIL in die Spezialitätenliste mit denselben Limitationen wie XENICAL, insbesondere befristet auf zwei Jahre mit der Auflage "Erstellung einer Evaluation, die beweist, dass der erzielte Gewichtsverlust von Dauer ist" (vgl. RKUV 2000 Nr. KV 120 S. 158 unten), sofern der Auslandspreisvergleich stimmt (Protokolle der Sitzungen vom 19. November und 15. Dezember 1999). Anlässlich der Sitzung vom 27. Juni 2001 beantragten die Experten der EAK aufgrund der in diesem Verfahren von der Knoll AG nachgereichten Unterlagen, REDUCTIL auf Diabetes zu limitieren und einen weniger hohen BMI als 35 zu verlangen. 5. a) aa) Die Rekurskommission hat zur streitigen Nichtaufnahme von REDUCTIL unter bestimmten Limitationen in die Spezialitätenliste erwogen, das medizinische Bedürfnis nach Medikamenten zur wirksamen Bekämpfung der Adipositas sei aufgrund der mit dieser Erkrankung verbundenen metabolischen und statisch bedingten Komplikationen und zahlreichen negativen Folgen (Hypertonie, Angina pectoris, zerebrovaskuläre Insulte, Diabetes Typ 2, Gicht, Gallensteine und verschiedene Krebsarten) unbestrittenermassen klar gegeben. Die Aufnahme von gewichtsreduzierenden Präparaten in die Spezialitätenliste setze indessen deren Wirksamkeit in dem Sinne voraus, dass die Gewichtsabnahme von Dauer ist, mithin einigermassen stabil bleibt, und ein Ausmass erreicht, welches das Risiko der entsprechenden Folgeerkrankungen auch tatsächlich zu senken vermag. Mit anderen Worten könne es nicht auf den mit der medikamentösen Therapie erzielten unmittelbaren "Gewichtserfolg" ankommen. Vielmehr müsse sich die Behandlung langfristig vorteilhaft auf klinisch relevante Endpunkte (Herzkrankheiten, Diabetes, Tod) auswirken, damit ein Adipositas-Präparat als wirksam beurteilt werden könne. Eine solche Langzeitwirkung sei in Bezug auf REDUCTIL ebenso wenig wie für XENICAL datenmässig belegt resp. durch klinische Studien nachgewiesen, insbesondere nicht für Patienten mit einem BMI >= 35. Dies ergebe sich schon daraus, dass die Experten der EAK die Aufnahme von REDUCTIL in die Spezialitätenliste befristet auf zwei Jahre vorschlugen mit der Auflage zur Erstellung einer Evaluation, die beweist, dass der erzielte Gewichtsverlust von Dauer ist. Die aufgelegten Studien zeigten denn auch, dass bei einer einjährigen BGE 128 V 159 S. 164 Behandlungsdauer mit REDUCTIL nach drei bzw. sechs Monaten keine nennenswerte Gewichtsabnahme mehr zu verzeichnen gewesen sei, der erreichte Zustand aber relativ stabil blieb. Wie es sich mit der Wirkung dieses Präparates im zweiten Behandlungsjahr oder nach dessen Absetzen verhalte, werde nicht dokumentiert. Bei dieser Sachlage, so die Rekurskommission, erstaune, dass die EAK die Evaluation der Dauerhaftigkeit des mit REDUCTIL erzielten Gewichtsverlustes nicht vor dessen Aufnahme in die Spezialitätenliste durchgeführt haben wolle, beschlage deren Ergebnis doch ganz zentral die Frage der eigentlichen Wirksamkeit des Präparates gemäss Art. 32 Abs. 1 KVG und Art. 65 Abs. 2 KVV . Angesichts dessen, dass das Risiko (kostenrelevanter) adipositasbedingter Folgeerkrankungen nur wirksam, mithin dauerhaft reduziert werde, wenn die erlangte Gewichtsreduktion auch dauerhaft und damit stabil bleibe, bedürfe diese Frage unbedingt der klinischen Überprüfung. Eine auf zwei Jahre befristete Aufnahme eines Präparates in die Spezialitätenliste unter der Bedingung, dass eine noch durchzuführende klinische Studie den Nachweis ihrer tatsächlichen Wirksamkeit erbringe, ergäbe sich weder aus Gesetz noch Verordnung. Insbesondere könne hiefür nicht Art. 73 KVV dienstbar gemacht werden. Vielmehr sei den einschlägigen Bestimmungen zweifelsfrei zu entnehmen, dass ein Arzneimittel nur aufgenommen werden darf, wenn von den drei Kriterien der Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit kumulativ alle drei gegeben seien. bb) In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird (...) in materieller Hinsicht vorgebracht, die vorinstanzliche Argumentation lasse den für die klinische Prüfung von Medikamenten, die für den Langzeiteinsatz bestimmt seien, massgeblichen wissenschaftlichen Standard, an den sich auch die Schweiz halte, ausser Acht. Dieser "State of the Art" ergebe sich aus zwei EU-Richtlinien, von denen diejenige, übertitelt mit "Note for Guidance on Clinical Investigation of Drugs used in Weight Control", spezifisch die klinische Prüfung von Medikamenten für die Gewichtskontrolle betreffe. Sinngemäss sei danach zu unterscheiden zwischen den positiven medizinischen Auswirkungen, die mit der Gewichtsabnahme bereits kurzfristig verbunden seien, nämlich Reduktion von kardiovaskulären Risiken und Bluthochdruck, Verbesserung der Lipid-Profile und bessere Kontrolle des Blutzuckers, sowie dem erst auf längere Dauer beobachtbaren Einfluss auf Morbidität und Mortalität. Während für BGE 128 V 159 S. 165 den Nachweis der positiven kurzfristigen Wirkungen Studien über einen Zeitraum von wenigstens einem Jahr notwendig und hinreichend seien, ergebe sich schon von der Natur der Sache her in Bezug auf die Endpunkte Morbidität und Mortalität die Notwendigkeit umfangreicherer und auf längere Dauer angelegter statistischer Untersuchungen. Nach der Registrierung (durch die IKS resp. ab 1. Januar 2002 das Schweizerische Heilmittelinstitut) sei unter dem Gesichtspunkt der Wirksamkeit für die Aufnahme von "Adipositas-Medikamenten" in die Spezialitätenliste grundsätzlich der auf wissenschaftlichen Methoden beruhende Nachweis hinreichend, dass die Gewichtsabnahme die erwähnten positiven Effekte auf den Bluthochdruck, das Lipid-Profil sowie die kardiovaskulären Risiken habe. Dieser Nachweis sei für REDUCTIL erbracht. Dagegen sei nicht Aufnahmebedingung, dass der positive Einfluss auf die Endpunkte Morbidität und insbesondere Mortalität noch nicht "schwarz auf weiss" bewiesen, sondern aufgrund der bisherigen Untersuchungen lediglich mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen sei. Im Übrigen stehe die im Aufnahmegesuch vom 29. Januar 1999 beantragte medizinische Indikation "BMI >= 30" im Einklang mit der einschlägigen EU-Richtlinie und entspreche der Registrierung durch die IKS. Die Festlegung eines Body Mass Index von mindestens 35 sei sachlich nicht gerechtfertigt, da die Grösse des BMI nachgewiesenermassen für die Wirksamkeit des Präparates nicht von Bedeutung sei. c) aa) Wirksamkeit einer Leistung im Sinne von Art. 32 Abs. 1 KVG ist gegeben, wenn die betreffende Behandlung geeignet ist, das angestrebte diagnostische oder therapeutische Ziel zu erreichen (EUGSTER, a.a.O., Rz 184 ff., insbesondere Rz 185; vgl. auch BGE 123 V 63 Erw. 2c/bb). Ob ein Arzneimittel im Besonderen wirksam ist, hängt somit entscheidend davon ab, welcher medizinische Erfolg damit erzielt werden soll. Vorliegend ergibt sich aus den Limitierungen für XENICAL, welche gemäss EAK bei einer allfälligen Aufnahme in die Spezialitätenliste im Wesentlichen auch für REDUCTIL zu gelten hätten, dass die Wirksamkeit zu bejahen ist, wenn der Gewichtsverlust nach sechs Monaten mindestens 10% des Körpergewichts zu Beginn der Therapie beträgt und nach Absetzen der Medikation spätestens nach zwei Jahren von Dauer ist (Erw. 3c). Diese Umschreibung des mit der Einnahme von REDUCTIL angestrebten therapeutischen Ziels, bei welcher unzweifelhaft schon Überlegungen der Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit eine Rolle gespielt haben - welche Aufnahmebedingungen allgemein BGE 128 V 159 S. 166 u.a. an der indizierten Heilwirkung des in Frage stehenden Arzneimittels gemessen werden (vgl. Art. 33 Abs. 1 und Art. 34 Abs. 1 KLV ) - steht ausser Frage. Insbesondere wird nicht geltend gemacht, das Bundesamt gehe mit dem Erfordernis einer langfristig stabil bleibenden Gewichtsreduktion, dies als Folge der Änderung des Essverhaltens, von einem realitätsfremden oder sogar gesetzwidrigen Begriff der Wirksamkeit aus. Insofern gehen die Ausführungen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde zum Standard in der Europäischen Union betreffend die Zulassung von der Gewichtskontrolle dienenden Medikamenten an der Sache vorbei, und es ist darauf nicht weiter einzugehen. Dass in Bezug auf REDUCTIL der Nachweis der Dauerhaftigkeit des Gewichtsverlustes nach einer Behandlungsdauer von zwei Jahren resp. nach Absetzen des Medikamentes nicht erbracht ist, steht ausser Diskussion. bb) Es bleibt die von der Rekurskommission grundsätzlich verneinte, von der Beschwerdeführerin im Eventualstandpunkt sinngemäss in Bezug auf REDUCTIL bejahte Frage zu prüfen, ob die Aufnahme von Arzneimitteln in die Spezialitätenliste, deren Wirksamkeit noch nicht hinreichend nachgewiesen ist, zulässig ist. aaa) Art. 52 Abs. 1 KVG hält in seinem Ingress fest, dass das Bundesamt beim Erstellen der Spezialitätenliste die Grundsätze nach Art. 32 Abs. 1 KVG und dem hier nicht unmittelbar interessierenden Art. 43 Abs. 6 KVG zu berücksichtigen hat. Will ein Arzneimittel in die Spezialitätenliste aufgenommen werden, hat es also, wie in Art. 65 Abs. 2 KVV nochmals ausdrücklich erwähnt, u.a. wirksam zu sein, wobei die Wirksamkeit nach wissenschaftlichen Methoden nachgewiesen sein muss ( Art. 32 Abs. 1 Satz 2 KVG ). Ausnahmen von diesem Erfordernis sieht Art. 52 KVG nicht vor. Insbesondere fehlt ein Bezug auf Art. 33 Abs. 3 KVG oder zumindest der Hinweis, dass die dort getroffene Regelung, wonach der Bundesrat den Umfang der Vergütungspflicht bei neuen oder umstrittenen Leistungen bestimmt, deren Wirksamkeit, Zweckmässigkeit oder Wirtschaftlichkeit sich noch in Abklärung befindet (Erw. 3a), sinngemäss auch im SL-Bereich gelten soll. Umgekehrt ist in Art. 33 KVG nur vom Bundesrat und nicht von der vom Gesetz für zuständig erklärten Behörde die Rede, was ebenfalls gegen die Annahme spricht, unter den Begriff der Leistungen im Sinne dieser Bestimmung fielen auch die Arzneimittel der Spezialitätenliste. bbb) Den Gesetzesmaterialien lässt sich weder in diesem noch in jenem Sinne etwas zur Zulässigkeit der Aufnahme von Arzneimitteln in die Spezialitätenliste entnehmen, deren Wirksamkeit sich noch in BGE 128 V 159 S. 167 Abklärung befindet, mithin nicht hinreichend (nach wissenschaftlichen Methoden [ Art. 32 Abs. 1 Satz 2 KVG ]) nachgewiesen ist. Immerhin wollte der Gesetzgeber, wie in Erw. 3b/bb hievor dargelegt, abgesehen vom nunmehr im Unterschied zu früher verpflichtenden Charakter der Liste, in diesem Leistungsbereich der obligatorischen Krankenpflegeversicherung grundsätzlich nichts ändern. Im Zusammenhang mit der Entstehungsgeschichte von Bedeutung und hier im Besonderen zu beachten ist, dass schon unter dem alten Recht die Aufnahme in die Spezialitätenliste die Wirksamkeit des Arzneimittels verlangte. Seine Heilwirkung musste nachgewiesen sein. Bei Originalpräparaten war der klinische Nachweis der therapeutischen Wirksamkeit erforderlich (vgl. Art. 4 Abs. 1 und 2 Vo 10, welche wörtlich mit Art. 32 Abs. 1 und 2 KLV in der bis 31. Dezember 2000 gültig gewesenen Fassung übereinstimmen). Demgegenüber war für den Pflichtleistungscharakter der von einem Arzt vorgenommenen diagnostischen oder therapeutischen Massnahme resp. einer auf ärztliche Anordnung durch medizinische Hilfspersonen durchgeführten Heilanwendung deren wissenschaftliche Anerkennung entscheidend (vgl. BGE 123 V 58 Erw. 2b/aa mit Hinweisen). Das Eidgenössische Versicherungsgericht hatte unter der Herrschaft des alten Rechts, soweit ersichtlich, lediglich einmal Gelegenheit, sich zur Zulässigkeit der Aufnahme von Arzneimitteln in die Spezialitätenliste zu äussern, deren Wirksamkeit noch nicht hinreichend nachgewiesen ist. Im Urteil P. AG vom 12. März 1982, auszugsweise wiedergegeben in RSKV 1982 Nr. 508 S. 220 ff., hatte es zu entscheiden, ob ein Präparat, welches mangels eines hinreichenden Wirkungsnachweises vom Bundesamt nicht in die Liste aufgenommen worden war, "unter der Auflage der Einreichung weiterer therapeutischer-klinischer Nachweise seiner Wirksamkeit innert einer angemessenen Frist von z.B. fünf Jahren" zuzulassen sei. Das Eidgenössische Versicherungsgericht entsprach diesem Antrag der Gesuch stellenden Firma nicht, "da sowohl nach dem Wortlaut der anwendbaren Bestimmungen wie auch nach dem Sinn des Prüfungsverfahrens sowie der SL die therapeutische Wirksamkeit eines Heilmittels vorgängig der Aufnahme nachgewiesen sein muss. Andernfalls wäre die Möglichkeit nicht auszuschliessen, dass unwirksame Medikamente in die SL aufgenommen würden und von den Krankenkassen zu bezahlen wären" (RSKV 1982 Nr. 508 S. 225 f. Erw. 4). ccc) Gesetzeswortlaut und -systematik sowie die Materialien unter Berücksichtigung der früheren Rechtslage sprechen gegen die BGE 128 V 159 S. 168 Zulässigkeit der Aufnahme von Arzneimitteln in die Spezialitätenliste, deren Wirksamkeit nach Massgabe der diagnostischen und therapeutischen Zielsetzung nicht rechtsgenüglich nachgewiesen ist. Für eine (vorläufige) Aufnahme unter der Auflage, innerhalb eines bestimmten Zeitraumes eine Evaluation zu erstellen, welche die Wirksamkeit, hier von REDUCTIL, belegt, fehlt es an einer genügenden gesetzlichen Grundlage. Art. 73 KVV kann, wie die Rekurskommission richtig erkannt hat, nicht angerufen werden, und zwar schon deshalb nicht, weil Limitierungen im Sinne dieser Bestimmung andere Zwecke verfolgen (vgl. RKUV 2001 Nr. KV 158 S. 158 Erw. 2d; ferner BGE 118 V 279 Erw. 2b).
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Erwägungen ab Seite 11 BGE 121 V 11 S. 11 Aus den Erwägungen: 1. Aktenmässig belegt und überdies unbestritten ist, dass der Beschwerdeführer an einem frühkindlichen psychoorganischen Syndrom (POS; Geburtsgebrechen Nr. 404) leidet, deswegen behandlungsbedürftig ist und hiefür grundsätzlich Leistungen der Invalidenversicherung beanspruchen BGE 121 V 11 S. 12 kann. Mit Sekretariatsbeschluss vom 3. Juni 1992 wurden ihm die notwendigen medizinischen Massnahmen zur Behandlung des Geburtsgebrechens Nr. 404, inklusive die psychomotorische Therapie für zwei Jahre, zugesprochen. Als Durchführungsstellen wurden die Kinderklinik des Kantonsspitals X und Dr. med. D., Kantonsspital X, bezeichnet. Die Eltern des Beschwerdeführers liessen die psychomotorische Therapie durch P. durchführen. Da diese unbestrittenermassen nicht im Besitze einer kantonalen Berufsausübungsbewilligung ist, verweigerte die Ausgleichskasse des Kantons Solothurn die Übernahme der Kosten im Betrage von Fr. 880.-- (Verfügung vom 15. September 1993). 2. b) Zur Sonderschulung gehören neben der eigentlichen Schulausbildung Massnahmen pädagogisch-therapeutischer Art (Art. 19 Abs. 1 und Abs. 2 lit. c IVG). Darunter fallen auch Massnahmen, die zur Ermöglichung der Teilnahme am Volksschulunterricht notwendig sind (Art. 8 Abs. 1 lit. c in Verbindung mit Art. 10bis IVV ). aa) Institutionen und Einzelpersonen, die im Rahmen der Invalidenversicherung invalide Minderjährige unterrichten oder auf den Volks- oder Sonderschulunterricht vorbereiten, gelten als Sonderschulen und bedürfen einer Zulassung (Art. 1 der Verordnung über die Zulassung von Sonderschulen in der Invalidenversicherung vom 11. September 1972 [SZV]) der zuständigen Behörde ( Art. 10 SZV ). Personen, die mit der Schulung, Erziehung sowie der Durchführung pädagogisch-therapeutischer Massnahmen betraut sind, sowie medizinische Hilfspersonen müssen über die für ihre Tätigkeit erforderliche Ausbildung verfügen ( Art. 3 Abs. 1 SZV ), wobei das Bundesamt für Sozialversicherung befugt ist, nach Anhören der Kantone und der zuständigen Organisationen Mindestanforderungen für die Ausbildung festzulegen ( Art. 3 Abs. 2 SZV ). bb) Im Kanton Solothurn steht das gesamte Gesundheitswesen unter der Leitung des Regierungsrates (§ 1 des Gesetzes über die Organisation des Sanitätswesens vom 30. Mai 1857; GS 811.11), welcher mit der Vollziehung und dem Erlass der nötigen Verordnungen beauftragt ist (§ 19 Abs. 1 des Gesetzes). Gestützt u.a. auf diese Delegationsnorm erliess er am 19. Dezember 1938 die Verordnung über die Organisation des Sanitätswesens (Sanitäts-Verordnung; SanV; GS 811.12). Der erste Abschnitt dieser Verordnung befasst sich mit den Behörden und Beamten. Der zweite Abschnitt ist den Medizinalpersonen, der dritte deren Assistenten und Stellvertretern BGE 121 V 11 S. 13 gewidmet. Der vierte Abschnitt (§§ 33-42 SanV) enthält die Bestimmungen über das medizinische Hilfspersonal. Als medizinische Hilfspersonen im Sinne dieser Verordnung gelten solche Personen, die gewerbsmässig einzelne krankhafte oder störende Erscheinungen im menschlichen Organismus durch Anwendung äusserlicher Heilmethoden, zu denen eine allgemeine medizinische Ausbildung nicht erforderlich ist, zu beseitigen suchen (§ 33 SanV). Zu diesen Heilmethoden gehören insbesondere die Fusspflege, Massage, Schröpfen, Heilgymnastik, Anordnung von Heilbädern, Anwendung medizinischer Apparate und ähnliche Betätigungen (§ 34 Abs. 1 SanV), wobei der Regierungsrat befugt ist, neue Arten äusserlicher Heilmethoden den Vorschriften der Verordnung zu unterwerfen (§ 34 Abs. 2 SanV). Sodann wird angeordnet, dass die Ausübung des Berufs einer medizinischen Hilfsperson einer Bewilligung des Sanitätsdepartementes bedarf (§ 35 SanV). 3. Zu prüfen ist zunächst, ob die von Frau P. durchgeführte Therapie, wovon Kasse und Vorinstanz ausgehen, eine medizinische Eingliederungs- oder aber eine pädagogisch-therapeutische Massnahme ist. a) Im Rahmen der nach Art. 12 oder 13 IVG zuzusprechenden Massnahmen machte die psychomotorische Therapie in der Verwaltungspraxis eine gewisse Wandlung durch. Sie galt anfänglich als eine pädagogisch-therapeutische Massnahme (Sondergymnastik), die ausnahmsweise in Ergänzung anderer medizinischer Massnahmen zur Behandlung gewisser Geburtsgebrechen auch als medizinische Massnahme zugesprochen werden konnte (Rz. 191.1 des ab 1. September 1981 gültigen Nachtrages 3 zum Kreisschreiben über die medizinischen Eingliederungsmassnahmen [KSME] vom 1. Januar 1979). Das überarbeitete KSME in der Fassung vom 1. Juni 1986 bestätigte noch deren grundsätzlich pädagogisch-therapeutischen Charakter (Rz. 1043.1, 2. Absatz), präzisierte jedoch unter Berücksichtigung von BGE 110 V 158 deren ausnahmsweise Anerkennung als medizinische Eingliederungsmassnahme bei gewissen Geburtsgebrechen, namentlich Ziff. 404 GgV (Rz. 1043.5). Die Kostenübernahme durch die Invalidenversicherung blieb aber auf jene Fälle beschränkt, in denen sie Bestandteil eines umfassenden Behandlungsplanes war (Rz. 404.11). Mit Urteil M. vom 9. März 1988 (ZAK 1988 S. 609) erklärte das Eidg. Versicherungsgericht diese Einschränkung, insoweit sie einen umfassenden Plan verlangte, als verordnungswidrig. In Rz. 1043.1 KSME vom 1. Januar 1994 fehlt nunmehr der bisherige Hinweis BGE 121 V 11 S. 14 auf den pädagogisch-therapeutischen Charakter, und es wird die psychomotorische Therapie ausschliesslich als medizinische Massnahme dargestellt. Weiter wird festgehalten, dass bei kongenitalen Hirnstörungen im Sinne von Ziff. 404 GgV die Kosten dann übernommen werden können, wenn die Therapie Teil eines Behandlungsplanes sei sowie Indikationsstellung, Behandlungsplanung und Überwachung durch einen Kinderpsychiater oder Neuropädiater erfolgten (Rz. 404.11). b) Psychomotorische Therapie ist daneben indessen stets auch als Behandlung pädagogisch-therapeutischer Art verstanden worden. Der Begriff "therapeutisch" verdeutlicht, dass die Behandlung des Leidens im Vordergrund steht; mit der zusätzlichen Beschreibung als "pädagogisch" wird die Abgrenzung gegenüber den medizinischen Massnahmen vorgenommen ( BGE 114 V 27 Erw. 3a mit zahlreichen Hinweisen). Als pädagogisch-therapeutische Massnahmen gelten sämtliche Vorkehren, die nicht unmittelbar der Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten in schulischen Belangen dienen. Sie sind hauptsächlich darauf ausgerichtet, die die Schulung beeinträchtigenden Auswirkungen der Invalidität zu mildern oder zu beseitigen. Es geht vornehmlich darum, gewisse körperliche oder psychische Funktionen im Hinblick auf die Schulung zu verbessern. Gegenüber dem Sonderschulunterricht erfolgt die Abgrenzung darin, dass die Vorkehr eine pädagogisch-therapeutische "Extraleistung" ist (ZAK 1980 S. 502 Erw. 4). Die Aufzählung in Art. 8 Abs. 1 lit. c IVV hat beispielhaften, nicht abschliessenden Charakter. Die psychomotorische Therapie wird in der Praxis zu Art. 19 IVG zu den pädagogisch-therapeutischen Massnahmen, als Sondergymnastik im Sinne von Rz. 2.3 des Kreisschreibens über die pädagogisch-therapeutischen Massnahmen in der Invalidenversicherung vom 1. März 1975, gezählt (unveröffentlichtes Urteil H. vom 23. April 1982). c) Nach dem Gesagten kann die psychomotorische Therapie somit eine medizinische oder eine pädagogisch-therapeutische Massnahme darstellen. Welcher Gesichtspunkt überwiegt, beurteilt sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls ( BGE 114 V 27 Erw. 3a mit zahlreichen Hinweisen). 4. In seinem Arztbericht vom 27. April 1992 weist Dr. med. D. auf verschiedene, vor allem auch neurologische Defizite hin. Aufgrund seiner Befunde erachtet er eine psychomotorische Therapie als indiziert, verlangt jedoch, dass daneben weiterhin auch ärztliche Kontrollen durchzuführen sind. Dieser Behandlungsplan verdeutlicht, dass mit der Therapie vorwiegend wohl pädagogisch-verhaltensorientierte Ziele erreicht werden sollen. Die BGE 121 V 11 S. 15 gewählte behandelnde Therapeutin ferner ist in organisch-rhythmischer Gymnastik nach Meldau ausgebildet. Diese Methode will ausgeprägt pädagogisch wirken, was sich darin zeigt, dass sie als Ziel eine harmonisierende und tonisierende Einwirkung auf das Zusammenspiel der menschlichen Funktionssysteme anstrebt. Gesamthaft betrachtet überwiegen damit unter den Gesichtspunkten von Indikation und Therapie die pädagogischen Elemente der Behandlung. Es ist deshalb davon auszugehen, dass die im Streite liegende psychomotorische Therapie als pädagogisch-therapeutische, also als nicht-medizinische Massnahme im invalidenversicherungsrechtlichen Sinne zu qualifizieren ist. 5. a) Handelt es sich in casu somit um eine pädagogisch-therapeutische Massnahme der Sonderschulung im invalidenversicherungsrechtlichen Sinne, sind hiefür, was die Frage des Leistungserbringers anbelangt, die dargelegten Vorschriften (Erw. 2b/aa, bb) beachtlich. Allerdings bieten diese über die Zulassung von Sonderschulen keine taugliche rechtliche Grundlage, da diese nur den eigentlichen Sonderschulunterricht und die unterrichtsmässige Vorbereitung auf den Volks- oder Sonderschulunterricht beschlagen; alle übrigen Arten von Sonderschulmassnahmen, insbesondere pädagogisch-therapeutische Vorkehren, unterliegen hingegen dem bundesrechtlichen Zulassungserfordernis nicht (unveröffentlichte Urteile H. vom 12. September 1994 und A. vom 12. November 1993; MEYER-BLASER, Die Bedeutung der Sonderschulzulassung für den Leistungsanspruch gegenüber der Invalidenversicherung, in SZS 1986 S. 65 ff., insbesondere S. 74). Bezüglich der übrigen Sonderschulmassnahmen, namentlich derjenigen therapeutisch-pädagogischer Art, kann das Erfordernis einer Berufsausübungsbewilligung für die beigezogene Durchführungsstelle oder -person nicht auf Bundesrecht abgestützt werden. Vorbehalten bleibt lediglich eine - allfällige - Bewilligungspflicht nach kantonalem Recht, was hier vorfrageweise zu prüfen ist (unveröffentlichtes Urteil H. vom 12. September 1994). b) Das dargelegte Recht des Kantons Solothurn (Erw. 2b/bb in fine) wählt für medizinische Hilfspersonen eine sehr umfassende Definition. Die in § 34 SanV aufgezählten Heilmethoden machen deutlich, dass auch Tätigkeiten wie jene der Frau P. unter die Bewilligungspflicht fallen. Ferner ist ein förmlich normiertes Zulassungsverfahren für medizinische Hilfspersonen vorgesehen. Der Regierungsrat hat daher die Kompetenz, eine Berufsausübungsbewilligung auch für die Tätigkeit einer Psychomotorik-Therapeutin vorzusehen. Eine solche ist der von den Eltern BGE 121 V 11 S. 16 des Beschwerdeführers gewählten Frau P. nicht erteilt worden, weshalb die Invalidenversicherung an die von ihr erteilte psychomotorische Therapie nicht beitragspflichtig ist.
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Sachverhalt ab Seite 361 BGE 103 Ia 360 S. 361 Gestützt auf das Bundesgesetz betreffend die Lotterien und die gewerbsmässigen Wetten vom 8. Juni 1923 (Lotteriegesetz, LG) und § 18 des kantonalen Einführungsgesetzes zum OR vom 27. Dezember 1911 erliess der aargauische Regierungsrat am 27. September 1976 eine Verordnung über Lotterien, Prämienanleihen und gewerbsmässige Wetten (Lotterieverordnung). Diese regelt u.a. die Voraussetzungen, unter denen die gemäss Art. 2 LG dem kantonalen Recht unterstellten Lotterien durchgeführt werden dürfen. Nach § 5 Abs. 1 lit. a ist die Erteilung einer Bewilligung u.a. dann ausgeschlossen, "wenn der Gesuchsteller mit Organisation oder Durchführung der Lotterie Personen beauftragt, welche diese Tätigkeit berufs- oder gewerbsmässig ausüben". Die neue Verordnung wurde im kantonalen Amtsblatt vom 23. Oktober 1976 publiziert. Der in Küssnacht (SZ) wohnhafte Walter Bienz, der im Auftrag von Vereinen berufsmässig Lottos durchführt, stellte am 3. November 1976 beim Verwaltungsgericht des Kantons Aargau den Antrag, § 5 Abs. 1 lit. a der Lotterieverordnung wegen Verletzung von BGE 103 Ia 360 S. 362 Art. 4 und 31 BV aufzuheben. Das Verwaltungsgericht betrachtete Walter Bienz als zur Einleitung eines abstrakten Normenkontrollverfahrens legitimiert, wies jedoch den gestellten Antrag aufgrund einer materiellen Prüfung mit Urteil vom 9. Februar 1977 ab. Walter Bienz führt im Anschluss an dieses Urteil staatsrechtliche Beschwerde mit dem Antrag, es seien der verwaltungsgerichtliche Entscheid sowie § 5 Abs. 1 lit. a der Lotterieverordnung aufzuheben. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. a) Nach § 68 des aargauischen Verwaltungsrechtspflegegesetzes vom 9. Juli 1968 (VRPG) können "Vorschriften verwaltungsrechtlicher Natur in Dekreten und Verordnungen des Kantons und in Erlassen der Gemeinden, öffentlich-rechtlichen Körperschaften und Anstalten" jederzeit dem Verwaltungsgericht zur Prüfung auf ihre Verfassungs- und Gesetzmässigkeit unterbreitet werden. Zur Einleitung eines derartigen abstrakten Normenkontrollverfahrens ist nach § 69 VRPG jedermann legitimiert, der durch die Anwendung der Vorschriften in absehbarer Zeit in seinen schutzwürdigen Interessen verletzt werden könnte. Erweisen sich die angefochtenen Vorschriften als verfassungs- oder gesetzwidrig, so hebt sie das Verwaltungsgericht auf (§ 71 VRPG). Das Verwaltungsgericht vertritt unter Hinweis auf Art. 89 OG die Auffassung, dass die vom Regierungsrat erlassene Lotterieverordnung innert dreissig Tagen seit ihrer Veröffentlichung direkt beim Bundesgericht hätte angefochten werden müssen. Das Normenkontrollverfahren nach §§ 68 ff. VRPG sei ein subsidiäres, an keine Frist gebundenes Verfahren, dessen Durchführung zur Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges nicht notwendig sei. Auf die erst im Anschluss gegen einen Normenkontrollentscheid des Verwaltungsgerichtes erhobene staatsrechtliche Beschwerde könne nicht eingetreten werden. Dieser Betrachtungsweise ist nicht beizupflichten. Zunächst ist festzuhalten, dass der in Art. 86 Abs. 2 OG enthaltene Grundsatz, wonach vor Einreichung einer staatsrechtlichen Beschwerde von den kantonalen Rechtsmitteln Gebrauch zu machen ist, auch dann gilt, wenn es sich beim angefochtenen kantonalen Hoheitsakt nicht um eine Verfügung (Entscheid), BGE 103 Ia 360 S. 363 sondern um einen Erlass handelt. Art. 89 OG regelt nur Beginn und Dauer der Beschwerdefrist, die bei der Anfechtung kantonaler Hoheitsakte einzuhalten ist. Hingegen sagt Art. 89 OG nichts darüber, welche Hoheitsakte unmittelbar und welche erst nach Durchlaufen des kantonalen Instanzenzuges angefochten werden können. Massgebend hiefür ist vielmehr Art. 86 OG , der bezüglich des Erfordernisses der Erschöpfung des Instanzenzuges nicht auf die Art des Hoheitsaktes, sondern auf die Art der hiegegen erhobenen Rügen abstellt. Wenn in der einschlägigen Judikatur und Literatur hinsichtlich der Anfechtung von kantonalen Gesetzen und Verordnungen vom Erfordernis der Erschöpfung des Instanzenzuges in der Regel nicht die Rede ist, so deshalb, weil solche kantonale Rechtsmittel im allgemeinen gar nicht bestehen. Doch ist klar, dass nicht nur kommunale ( BGE 102 Ia 50 ; BGE 101 Ia 484 ; BGE 99 Ia 504 , 581; BGE 98 Ia 395 ), sondern auch kantonale Erlasse ( BGE 102 Ia 201 , BGE 89 I 27 ) erst dann mit staatsrechtlicher Beschwerde anfechtbar sind, wenn von den allenfalls zur Verfügung stehenden kantonalen Rechtsmitteln, die zur Aufhebung der angefochtenen Normen führen können, Gebrauch gemacht worden ist. Eine Ausnahme gilt nur für die in Art. 86 Abs. 2 Satz 2 OG genannten Verfassungsrügen sowie dann, wenn das Durchlaufen der kantonalen Instanzen eine leere, zwecklose Formalität wäre oder wenn an der Zulässigkeit eines in Betracht fallenden Rechtsmittels ernstliche Zweifel bestehen ( BGE 96 I 644 mit Hinweisen), ferner in den Fällen nach Art. 84 Abs. 1 lit. b-d OG . Da keine der soeben erwähnten Ausnahmen hier zutrifft, musste der Beschwerdeführer zuerst die zur Verfügung stehenden kantonalen Rechtsmittel ergreifen, bevor er die beanstandeten Vorschriften der Lotterieverordnung mit staatsrechtlicher Beschwerde anfocht. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtes ist das aargauische Normenkontrollverfahren nach §§ 68 ff. VRPG einem Rechtsmittelverfahren im Sinne von Art. 86 Abs. 2 OG gleichzustellen. Wohl ist die Möglichkeit der Einleitung eines solchen Verfahrens unbefristet, doch besitzt jeder legitimierte Antragsteller - anders als etwa bei einer blossen Aufsichtsbeschwerde - einen Rechtsanspruch auf materielle Überprüfung und gegebenenfalls auf Aufhebung der angefochtenen Vorschriften. Es handelt sich um einen durchaus zumutbaren kantonalen Rechtsbehelf, der BGE 103 Ia 360 S. 364 geeignet ist, den als verfassungswidrig beanstandeten Hoheitsakt zu beseitigen, der daher vor Einreichung einer staatsrechtlichen Beschwerde ergriffen werden darf und, soweit das Erfordernis der Erschöpfung des Instanzenzuges gilt, auch ergriffen werden muss. Auf die rechtzeitig im Anschluss an den Normenkontrollentscheid des Verwaltungsgerichtes erhobene staatsrechtliche Beschwerde ist daher einzutreten, und zwar auch insoweit, als damit nicht bloss die Aufhebung des verwaltungsgerichtlichen Urteils, sondern auch der angefochtenen Vorschrift selber verlangt wird ( BGE 101 Ia 491 E. 9; BGE 98 Ia 405 Nr. 64). Wieweit ein kantonaler Erlass in dieser Weise auch dann noch unmittelbar mit staatsrechtlicher Beschwerde angefochten werden kann, wenn das vorgängig durchzuführende kantonale Normenkontrollverfahren nicht sofort nach Erlass der Norm, sondern erst Monate oder Jahre später eingeleitet worden ist, braucht hier nicht weiter erörtert zu werden. Im vorliegenden Falle wurde das Normenkontrollbegehren beim Verwaltungsgericht elf Tage nach der Publikation des Erlasses im Amtsblatt gestellt, d.h. innerhalb einer Frist, die sich im Rahmen der üblichen Rechtsmittelfristen hält. Es besteht kein Grund, die vorliegende staatsrechtliche Beschwerde anders zu behandeln als eine solche, die rechtzeitig im Anschluss an ein gewöhnliches, befristetes kantonales Rechtsmittel eingelegt worden ist. b) Dass der Beschwerdeführer, wiewohl er nicht im Kanton Aargau wohnt, legitimiert ist, den ihn in seiner Berufs- oder Erwerbstätigkeit treffenden Erlass mit staatsrechtlicher Beschwerde anzufechten, steht ausser Zweifel ( BGE 102 Ia 205 /6 mit Hinweisen). 2. Materiell erweist sich die Beschwerde als unbegründet. Nach dem eidgenössischen Lotteriegesetz sind "Lotterien, die bei einem Unterhaltungsanlass veranstaltet werden, deren Gewinne nicht in Geldbeträgen bestehen und bei denen die Ausgabe der Lose, die Losziehung und die Ausrichtung der Gewinne im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Unterhaltungsanlass erfolgen (Tombola)" ausschliesslich dem kantonalen Recht unterstellt; die Kantone können diese Lotterien zulassen, beschränken oder untersagen ( Art. 2 LG ). Der beanstandete § 5 Abs. 1 lit. a der neuen aargauischen Lotterieverordnung bezieht sich auf diese dem kantonalen Recht unterworfenen BGE 103 Ia 360 S. 365 Lotterieveranstaltungen. Nach Art. 2 Abs. 2 LG hätte der Kanton derartige Veranstaltungen gänzlich untersagen können. Der Regierungsrat hat sich statt dessen darauf beschränkt, die Bewilligung solcher Lotterieveranstaltungen an Bedingungen zu knüpfen, welche den reinen Unterhaltungscharakter des Anlasses bewahren und die Spielleidenschaft fördernde Auswüchse verhindern sollen. So bleibt die Bewilligung jenen Organisationen versagt, deren Zweck ausschliesslich kommerzieller Natur ist oder allein in der Durchführung von Lotterien besteht (§ 2 Abs. 2 der Lotterieverordnung). Die Erteilung der Bewilligung ist sodann nach § 5 Abs. 1 lit. a dann ausgeschlossen, "wenn der Gesuchsteller mit Organisation oder Durchführung der Lotterie Personen beauftragt, welche diese Tätigkeit berufs- oder gewerbsmässig ausüben". Gegen diese Vorschrift richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer behauptet nicht, dass der Regierungsrat zum Erlass der Verordnung bzw. einer solchen Vorschrift nicht zuständig gewesen sei. Er ficht die Vorschrift nur inhaltlich an, wobei er sich auf Art. 4 und 31 BV beruft. Dazu ist vorab zu bemerken, dass Art. 2 Abs. 2 LG , der die Kantone ermächtigt, Lotterieveranstaltungen der fraglichen Art zuzulassen, zu beschränken oder zu untersagen, für das Bundesgericht verbindlich ist ( Art. 113 Abs. 3 BV ). Gestützt auf die bundesgesetzliche Ermächtigung könnte der Kanton die betreffenden Lotterieveranstaltungen überhaupt untersagen, ohne dass sich jemand gegenüber einem solchen Verbot mit Erfolg auf Art. 4 oder Art. 31 BV zu berufen vermöchte. Auch dann, wenn ein Kanton - wie hier - statt einem vollständigen Verbot lediglich einschränkende Bestimmungen erlässt, kann die Zulässigkeit einer derartigen Einschränkung im Hinblick auf die in Art. 2 Abs. 2 LG enthaltene Ermächtigung dem Grundsatz nach nicht in Frage gestellt werden. Für eine verfassungsrichterliche Kontrolle bleibt somit wenig Raum. Es müssen hier ähnliche Grundsätze gelten wie bei der Überprüfung von auf Gesetzesdelegation beruhenden bundesrätlichen Verordnungen (vgl. dazu BGE 101 Ib 144 ff., insbesondere 151; BGE 99 Ib 165 ; betreffend Überprüfung von auf bundesgesetzlicher Delegation beruhenden kantonalen Erlassen vgl. BGE 95 I 332 ff.). Ist der durch die angefochtene kantonale Vorschrift verfolgte Zweck durch Art. 2 LG gedeckt, BGE 103 Ia 360 S. 366 so bleibt nur noch zu prüfen, ob das zur Erreichung dieses Zweckes gewählte Mittel tauglich und verhältnismässig ist und ob die Vorschrift vor dem Grundsatz der Rechtsgleichheit und dem Willkürverbot standhält. Das Verwaltungsgericht führt zur Rechtfertigung der angefochtenen Vorschrift aus, der Berufslottier habe ein Interesse daran, von möglichst vielen Vereinen mit der Durchführung von Lottos beauftragt zu werden. Es sei sodann bekannt, dass die Lottiers an die von ihnen durchgeführten Lottos immer ihre "Stammkunden" mitbrächten, welche, vom Lottier über den jeweiligen Durchführungsort auf dem Laufenden gehalten, zu ihrem Freizeitvergnügen von Lotto zu Lotto zögen und auch vor beträchtlichen Anfahrtswegen nicht zurückschreckten. Es sei nicht übertrieben, von einem "praktisch als Dauerlotto aufgezogenen Lotterieunternehmen" zu sprechen, wobei sich die Rolle des veranstaltenden Vereins darauf beschränke, als Vehikel für die Tombolabewilligung zu dienen. Mit dem Tätigwerden von professionellen Lottiers sei ein Element hochgekommen, welches den Lottoveranstaltungen den Charakter eines blossen Unterhaltungsanlasses nehme. Es werde aus purem Erwerbsstreben die Spielsucht der Leute angefacht und gefördert. Der Beschwerdeführer wendet ein, ein "Unterhaltungsanlass" liege auch dann vor, wenn ein Verein, der ein Lotto veranstalten wolle, mit der Organisation und Durchführung desselben eine Person beauftrage, die diese Tätigkeit berufs- oder gewerbsmässig ausübe. Die Gewerbsmässigkeit der Darbietung schliesse den Unterhaltungscharakter des Anlasses nicht aus. Das mag zutreffen, hindert den Kanton aber nicht, Unterhaltungszwecken dienende Lotterieveranstaltungen im Sinne von Art. 2 LG nur zuzulassen, wenn sie nicht durch Personen organisiert oder durchgeführt werden, die diese Tätigkeit berufs- oder gewerbsmässig ausüben. Eine derartige Einschränkung dient einem legitimen, durch Art. 2 Abs. 2 LG gedeckten Zweck. Es liegt auf der Hand, dass die Zulassung von Lottospielen unter der Leitung berufsmässiger Lottiers, gerade weil diese das Lotto "besser und attraktiver gestalten", zu einer Häufung solcher Veranstaltungen führen würde und damit eine Förderung der Spielleidenschaft zur Folge hätte. Was der Beschwerdeführer vorbringt, ist nicht geeignet, die Ausführungen BGE 103 Ia 360 S. 367 des Verwaltungsgerichtes, denen sich das Bundesgericht im wesentlichen anschliesst, zu widerlegen, und die Rüge der Verletzung von Art. 4 oder 31 BV dringt nicht durch.
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Sachverhalt ab Seite 646 BGE 143 III 646 S. 646 Bei einer Auffahrkollision wurden die im Pferdeanhänger mitfahrende A.E. (Beschwerdeführerin) sowie die Stute X. verletzt. Die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann, die über keinen eigenen Stall verfügten, hatten die Stute in einem sechs Kilometer von ihrem Wohnhaus entfernten Reitstall untergebracht, der mit dem Auto in wenigen Fahrminuten erreichbar war. Die tägliche Pflege wurde nicht von den Stallbetreibern (wie bei Pensionsställen teilweise üblich), sondern von der Beschwerdeführerin selber übernommen, welche das Tier bis zum Unfall auch selbst geritten hatte. BGE 143 III 646 S. 647 Mit ihrer Teilklage machte die Beschwerdeführerin Heilungskosten, eine Affektionsentschädigung sowie den Minderwert der Stute geltend. Sie berief sich darauf, bei der Stute handle es sich um ein Tier, das "im häuslichen Bereich und nicht zu Vermögens- oder Erwerbszwecken gehalten" werde im Sinn von Art. 42 Abs. 3 und Art. 43 Abs. 1 bis OR . (Zusammenfassung) Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Bei Tieren, die "im häuslichen Bereich und nicht zu Vermögens- oder Erwerbszwecken gehalten" werden, können die Heilungskosten auch dann angemessen als Schaden geltend gemacht werden, wenn sie den Wert des Tieres übersteigen ( Art. 42 Abs. 3 OR ). Im Falle der Verletzung oder Tötung eines solchen Tieres kann das Gericht sodann bei der Bestimmung des Schadenersatzes dem Affektionswert angemessen Rechnung tragen, den dieses Tier für seinen Halter und dessen Angehörige hatte ( Art. 43 Abs. 1 bis OR ). Art. 42 Abs. 3 und Art. 43 Abs. 1 bis OR wurden 2003 zusammen mit dem neuen Art. 641a ZGB erlassen, wonach Tiere keine Sachen sind. Der gleiche Begriff der Tiere "im häuslichen Bereich" wurde auch in andern im Rahmen dieser Revision angepassten Bestimmungen verwendet, nämlich in Art. 651a Abs. 1 ZGB (richterliche Zusprechung von Tieren), Art. 722 Abs. 1 bis ZGB (Eigentumserwerb bei Fund), Art. 728 Abs. 1 bis ZGB (Ersitzung) und Art. 92 Abs. 1 Ziff. 1a SchKG (unpfändbare Vermögenswerte). Es ist unbestritten, dass die Stute X. von der Beschwerdeführerin nicht zu Vermögens- oder Erwerbszwecken gehalten wurde. Zu prüfen ist, ob sie ein "im häuslichen Bereich" gehaltenes Tier ist. Das Bundesgericht musste bislang noch nie zu diesem Begriff Stellung nehmen. 2. Während das Bezirksgericht unabhängig davon, dass die Stute in einiger räumlicher Distanz zum Wohnort der Kläger untergebracht worden war, den Begriff "im häuslichen Bereich" als erfüllt betrachtete, da es aufgrund der mit der Revision verfolgten Zwecke massgeblich darauf ankomme, dass die Eigentümer das Pferd selber pflegten und eine entsprechende Bindung zu ihm unterhielten, stellte die Vorinstanz massgeblich auf den Wortlaut ab. Dieser lasse zwar eine Tierhaltung in der unmittelbaren Umgebung noch zu, jedoch könne bei einer Entfernung von sechs Kilometern nicht mehr vom häuslichen Bereich die Rede sein. BGE 143 III 646 S. 648 Die kantonalen Gerichte konnten sich auf je unterschiedliche Auffassungen in der Lehre stützen. Zwar wird allgemein angenommen, ein Tier müsse nach dem Wortlaut des Gesetzes nicht im Haus selber gehalten werden; zum häuslichen Bereich könne auch ein separater Stall gezählt werden (ohne nähere Eingrenzung: INGEBORG SCHWENZER, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, 7. Aufl. 2016, S. 122 Rz. 18.04). Jedoch unterscheiden sich die Lehrmeinungen hinsichtlich der Frage, bis zu welcher Distanz dies möglich ist. Ein Teil will den "häuslichen Bereich" auf die unmittelbare Wohnumgebung beschränkt wissen (ROLAND BREHM, Berner Kommentar, 4. Aufl. 2013, N. 70 zu Art. 42 OR , "einige Schritte vom Haus entfernten Stall"; CHRISTOPH MÜLLER, in: Handkommentar zum Schweizer Privatrecht, 3. Aufl. 2016, N. 18 zu Art. 42 OR ; GEORGES VONDER MÜHLL, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Bd. I, 2. Aufl. 2016, N. 11a zu Art. 92 SchKG , "heimhaltungstaugliche Haustiere [...], welche nach ihrer Wesensart und Beschaffenheit zu einem häuslichen oder sonst engen räumlichen Zusammenleben mit dem Menschen geeignet sind". Wohl auch FRANZ WERRO, La responsabilité civile, 2. Aufl. 2011, § 1 Rz. 186 und derselbe , in: Commentaire romand, Code des obligations, Bd. I, 2. Aufl. 2012, N. 33 zu Art. 42 OR , "l'écurie voisine"). Nach anderer Auffassung ist der entscheidende Gesichtspunkt die besonders enge Beziehung; dies bedinge eine gewisse Häufigkeit der Kontakte, so dass es mehr auf die zeitliche Intensität als die örtliche Nähe ankomme (PETER KREPPER, Affektionswert-Ersatz bei Haustieren, AJP 2008 S. 710; BERNHARD ISENRING, Das Haustier in der Zwangsvollstreckung, BlSchKG 2004 S. 44; OMBLINE DE PORET, Le statut de l'animal en droit civil, 2006, S. 291 Rz. 943; EVELINE SCHNEIDER KAYASSEH, Haftung bei Verletzung oder Tötung eines Tieres - unter besonderer Berücksichtigung des Schweizerischen und U.S.-Amerikanischen Rechts, 2009, S. 58, "in einer nahegelegenen Ortschaft in einem Stall"; BRUNNER/WICHTERMANN, in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, Bd. II, 5. Aufl. 2015, N. 3 zu Art. 651a ZGB . Wohl auch: MICHEL OCHSNER, in: Commentaire romand, Poursuite et faillite, 2005, N. 80 zu Art. 92 SchKG , "tous les animaux de compagnie"). Zwei Autoren nennen Pferde ausdrücklich und verstehen sie ohne Differenzierung (falls nicht zu Vermögens- oder Erwerbszwecken gehalten) als Tiere im "häuslichen Bereich" (CHRISTINE CHAPPUIS, Les nouvelles dispositions de responsabilité civile sur les animaux, in: Le préjudice, Journée de la BGE 143 III 646 S. 649 responsabilité civile 2004, Chappuis/Winiger [Hrsg.], 2005, S. 19 f.; ISENRING, a.a.O., S. 45). 3. Das Gesetz muss in erster Linie aus sich selbst heraus, das heisst nach dem Wortlaut, Sinn und Zweck und den ihm zugrunde liegenden Wertungen auf der Basis einer teleologischen Verständnismethode ausgelegt werden. Die Gesetzesauslegung hat sich vom Gedanken leiten zu lassen, dass nicht schon der Wortlaut die Norm darstellt, sondern erst das an Sachverhalten verstandene und konkretisierte Gesetz. Gefordert ist die sachlich richtige Entscheidung im normativen Gefüge, ausgerichtet auf ein befriedigendes Ergebnis der ratio legis . Dabei befolgt das Bundesgericht einen pragmatischen Methodenpluralismus und lehnt es namentlich ab, die einzelnen Auslegungselemente einer hierarchischen Prioritätsordnung zu unterstellen ( BGE 140 III 616 E. 3.3 S. 620 f., BGE 140 IV 206 E. 3.5.4 S. 214; BGE 140 IV 1 E. 3.1 S. 5, BGE 140 IV 28 E. 4.3.1 S. 34; BGE 140 V 8 E. 2.2.1 S. 11; je mit Hinweisen). Ausgangspunkt jeder Auslegung ist der Wortlaut. Vom klaren, d.h. eindeutigen und unmissverständlichen Wortlaut darf nur ausnahmsweise abgewichen werden, unter anderem, wenn triftige Gründe dafür vorliegen, dass der Wortlaut nicht den wahren Sinn der Norm wiedergibt. Solche Gründe können sich aus der Entstehungsgeschichte der Bestimmung, aus ihrem Sinn und Zweck oder aus dem Zusammenhang mit anderen Vorschriften ergeben ( BGE 140 II 129 E. 3.2 S. 131; BGE 140 IV 108 E. 6.4 S. 111; BGE 140 V 213 E. 4.1 S. 216 f.; je mit Hinweisen). Eine historisch orientierte Auslegung ist für sich allein nicht entscheidend; anderseits vermag aber nur sie die Regelungsabsicht des Gesetzgebers (die sich insbesondere aus den Materialien ergibt) aufzuzeigen, welche wiederum zusammen mit den zu ihrer Verfolgung getroffenen Wertentscheidungen verbindliche Richtschnur des Gerichts bleibt, auch wenn es das Gesetz mittels teleologischer Auslegung oder Rechtsfortbildung veränderten, vom Gesetzgeber nicht vorausgesehenen Umständen anpasst oder es ergänzt ( BGE 140 III 616 E. 3.3 S. 621; BGE 138 III 359 E. 6.2 S. 361; BGE 137 V 13 E. 5.1 S. 17; vgl. auch BGE 140 III 206 E. 3.5.3 S. 213 f.). 3.1 Der deutsche ("im häuslichen Bereich") und der französische Text ("milieu domestique") stimmen überein und gehen von einer räumlichen Einschränkung aus. Der - für das schweizerische Recht ungewohnte - Begriff "im häuslichen Bereich" wurde aus § 811c Abs. 1 der deutschen ZPO übernommen und erfasst dort Tiere im räumlichen Machtbereich des Tierhalters (GOETSCHEL/BOLLIGER, Das BGE 143 III 646 S. 650 Tier im Recht, 2003, S. 147; DE PORET, a.a.O., S. 289 f. Rz. 937 ff.). Wegen dieser vorausgesetzten räumlichen Nähe schliesst die deutsche Lehre überwiegend ein Reitpferd, das ausserhalb des Wohngrundstücks des Halters zum Beispiel in einem gemieteten Reitstall gehalten wird, aus (URS PETER GRUBER, in: Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung, Bd. 2, 4. Aufl. 2012, N. 3 zu § 811c ZPO mit Hinweisen). Demgegenüber ist der italienische Ausdruck "animali domestici" weiter. Ein Haustier ist ein Tier, das vom Menschen versorgt wird und in seiner Umgebung lebt; es ist der Gegenbegriff zum Wildtier (so auch die Gegenüberstellung in Art. 12 i.V.m. Art. 35 Abs. 1 der bei Erlass dieser Bestimmungen in Kraft gewesenen Tierschutzverordnung vom 27. Mai 1981 [aTSchV; AS 1981 575 und 580]; ähnlich nunmehr Art. 2 Abs. 1 der Tierschutzverordnung vom 23. April 2008 [TSchV; SR 455.1]; vgl. auch Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 1983, S. 551 "nicht frei lebendes, an den Menschen gewöhntes Tier"). Innerhalb des so abgegrenzten Begriffs der Haustiere wird unterschieden zwischen den Nutztieren und den Tieren, die der Mensch aus emotionalen Gründen hält (GOETSCHEL/BOLLIGER, a.a.O., S. 83; DE PORET, a.a.O., S. 288 Rz. 932). Ausgehend von dieser Abgrenzung würde das (domestizierte) Freizeitpferd tel quel unter den italienischen Text "animali domestici" fallen. Stellt man aber auf den deutschen und französischen Wortlaut ab, kommt es darauf an, wie gross die räumliche Distanz zur Wohnung des Tierhalters ist. Eine Distanz von sechs Kilometern wie vorliegend wäre nicht mehr der häusliche Bereich. 3.2 Sinn und Zweck der Gesetzesrevision sprechen für eine Auslegung, die überhaupt nicht auf ein räumliches Kriterium abstellt. Es ging darum, der affektiven Beziehung eines Menschen zu einem Tier Rechnung zu tragen und es insofern nicht mehr wie eine Sache zu betrachten ( Art. 641a Abs. 1 ZGB ). Dass gerade zu einem Pferd diese Beziehung eine sehr enge sein kann, ist notorisch. Damit eine enge Beziehung entstehen kann, muss ein genügender Umgang in zeitlicher Hinsicht bestehen. Die örtliche Nähe spielt dann nur insofern eine (indirekte) Rolle, als bei zu grosser Distanz häufige Kontakte nicht oder weniger möglich sind (i.d.S. zutreffend KREPPER, a.a.O., S. 710). 3.3 Aus der Entstehungsgeschichte der verschiedenen gesetzlichen Bestimmungen ergeben sich keine eindeutigen Hinweise. BGE 143 III 646 S. 651 Einerseits war im Rahmen der allgemeinen Ausführungen immer wieder statt von Tieren "im häuslichen Bereich" bzw. im "milieu domestique" vom Haustier (animal domestique) die Rede, welches dem von diesen Bestimmungen nicht erfassten Nutztier gegenübergestellt wurde (Kommissionssprecher Epiney, AB 2002 S 65; Kommissionssprecher Siegrist, AB 2002 N 1252 und 1257). Da das Freizeitpferd zweifellos kein Nutztier ist, spricht die hier verwendete Abgrenzung für ein weites Verständnis des strittigen Begriffs. Im Hinblick auf nach Art. 42 Abs. 3 OR zu deckende Heilungskosten wurde mit dem nicht zu Vermögens- oder Erwerbszwecken gehaltenen Pferd als Beispiel begründet, dass solche Kosten verhältnismässig zu sein hätten (Kommissionssprecher Epiney, a.a.O., 65). Auch damit wurde das Pferd undifferenziert als Tier "im häuslichen Bereich" verstanden. Andererseits wurden im Rahmen der Kommissionsberichte Bemerkungen zu einzelnen Bestimmungen gemacht, die Pferde ausschliessen. So heisst es im Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrats zur parlamentarischen Initiative "Tier ist keine Sache" und zur parlamentarischen Initiative "Wirbeltiere. Gesetzliche Bestimmungen" vom 18. Mai 1999 zum neuen Art. 722 Abs. 1 bis ZGB (Eigentumserwerb bei Fund), mit den Tieren im häuslichen Bereich seien "Tiere gemeint, zu denen der Besitzer eine besonders enge Beziehung hat, unabhängig davon, ob sie im Haus, im Garten oder im Stall gehalten werden. Eingeschränkt wird der Geltungsbereich durch die Bedingung, dass diese Tiere nicht zu Vermögens- oder Erwerbszwecken gehalten werden. In die Interessenabwägung einzubeziehen ist aber auch der wirtschaftliche Wert eines Tieres. Wer beispielsweise ein Pferd findet, kann sich nicht oder nur ausnahmsweise auf diese Bestimmung berufen, selbst dann nicht, wenn er eine enge Beziehung zum Tier entwickelt hat" (BBl 1999 8942 f. Ziff. 332.1. Wörtlich gleich: Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Ständerats zur parlamentarischen Initiative "Die Tiere in der schweizerischen Rechtsordnung" vom 25. Januar 2002, BBl 2002 4170 Ziff. 3.3.2.1). Schliesslich bemerkte der Bundesrat in seiner Stellungnahme vom 27. Februar 2002 zu diesem Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Ständerats (BBl 2002 5808 Ziff. 2.2), der neu vorgeschlagene Art. 92 [Abs. 1] Ziff. 1a SchKG werde wohlkeine praktischen Wirkungen zeitigen, denn es könne davon ausgegangen werden, dass bei Tieren, die im häuslichen Bereich und BGE 143 III 646 S. 652 nicht zu Vermögens- oder Erwerbszwecken gehalten werden, kaum Aussichten auf einen Verwertungserlös bestünde. Gerade bei einem Freizeitpferd dürfte diese Aussage aber in aller Regel nicht zutreffen. Auch vorliegend hatte das Pferd X. nach den Feststellungen der Vorinstanz einen Vorunfallwert von Fr. 17'500.-. Den Ausführungen in den Räten selber ist höheres Gewicht beizumessen als solchen in vorbereitenden Berichten. Daher sprechen die Materialien insgesamt eher für ein weites Verständnis des strittigen Begriffs, das nicht entscheidend auf die räumliche Distanz abstellt. 3.4 Das Ergebnis einer Auslegung muss in sich stimmig sein und darf nicht an einem unhaltbaren Wertungswiderspruch leiden. Eine Auslegung, nach welcher ein Pferd, das in einem Stall in näherer Umgebung der Wohnung gehalten wird, als Tier "im häuslichen Bereich" qualifiziert würde, ein Pferd in einem einige Kilometer entfernten Stall aber nicht, obwohl ihm die Pferdehalter den gleichen Aufwand an Pflege und Kontakt zukommen lassen und sich so ihre (zumindest) vergleichbare Affektion manifestiert, lässt sich im Hinblick auf den Gesetzeszweck nicht rechtfertigen. Wenn überhaupt, müsste die räumliche Abgrenzung dann eine engere sein in dem Sinn, dass nur Tiere, die mit ihren Haltern in deren Heim gleichsam als Hausgenossen zusammenleben, den geschützten Begriff erfüllen. Pferde würden die Qualifizierung dann nie erfüllen, egal ob sie in der näheren Umgebung oder weiter weg gehalten werden. Da im Gesetzgebungsprozess aber ausdrücklich auch auf die Haltung in einem separaten Stall hingewiesen wurde, verbietet sich eine derart enge Auslegung. Angesichts der erwähnten Hinweise im Gesetzgebungsprozess namentlich zu Art. 92 Abs. 1 Ziff. 1a SchKG lässt sich fragen, ob Pferde - sie bereiten ja vor allem Mühe bei der Abgrenzung - wegen ihres Wertes nicht erfasst sein sollten. Mit andern Worten, ob der Gesetzgeber davon ausging, Pferde würden nicht in die geschützte Kategorie fallen, andernfalls er nicht hätte ausführen können, die Verwertung der von Art. 92 Abs. 1 Ziff. 1a SchKG erfassten unpfändbaren Tiere würde ohnehin kaum zu einem Erlös führen. Ob und inwiefern ein hoher Verkehrswert eines Tieres bei der Auslegung zu berücksichtigen ist, betrifft allerdings primär, wenn nicht gar ausschliesslich, diese betreibungsrechtliche Norm, denn dort stehen den Interessen des Tierhalters die Gläubigerinteressen entgegen, die wiederum in Relation zum Wert des Tieres stehen. Ob dieser BGE 143 III 646 S. 653 Interessenkonflikt allenfalls ein restriktiveres Verständnis von "im häuslichen Bereich" bei Art. 92 Abs. 1 Ziff. 1a SchKG oder womöglich eine spezifisch auf die Bedürfnisse des Betreibungsrechts zugeschnittene, weitere Interpretation des Haltens zu "Vermögenszwecken" rechtfertigen könnte, braucht hier nicht behandelt zu werden - für die zivilrechtlichen Bestimmungen und insbesondere für Art. 42 Abs. 3 und Art. 43 Abs. 1 bis OR ist solches jedenfalls nicht angezeigt. 3.5 Zusammenfassend ist davon auszugehen, dass jedenfalls auch ein Pferd, das zwar in einiger Distanz zum Wohnort seines Halters gehalten wird, von seinem Halter oder dessen Familie aber selber gepflegt wird, so wie diese ein im Haus (oder unmittelbar daneben) lebendes Haustier täglich selber versorgen würden, als "im häuslichen Bereich" gehaltenes Tier im Sinne von Art. 42 Abs. 3 und Art. 43 Abs. 1 bis OR zu qualifizieren ist. Nachdem diese Voraussetzung gemäss den unbestrittenen tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz hier erfüllt ist, ist der angefochtene Entscheid aufzuheben und die Sache im Sinn des sinngemäss eventualiter gestellten Rechtsbegehrens Ziffer 3 zur Beurteilung des Quantitativen an das Bezirksgericht zurückzuweisen.
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Sachverhalt ab Seite 143 BGE 120 Ib 142 S. 143 Die "Obersee Nachrichten" sind eine wöchentlich erscheinende "Gratiszeitung" mit einer Auflage von rund 41'000 Exemplaren, die zu etwa 75 Prozent privat und zu 25 Prozent auf dem Postweg verteilt werden, wobei die Schweizerischen PTT-Betriebe für die 800 abonnierten Exemplare die Zeitungstaxe, für die restliche Auflage den weniger günstigen Tarif für "Sendungen ohne Adresse" anwenden. Am 16. Juli 1991 beantragte die Obersee Nachrichten AG, auf allen durch die PTT-Betriebe transportierten Exemplaren nur mehr die Zeitungstaxe zu erheben, was die Kreispostdirektion Zürich mit Schreiben vom 23. Juli 1991 gestützt auf Art. 39 Abs. 2 lit. a der Verordnung (1) zum Postverkehrsgesetz vom 1. September 1967 (PVV, SR 783.01) ablehnte. Die Sektion Tarifwesen Inland und Kundendienst bestätigte diesen Entscheid am 10. Dezember 1991; am 22. April 1992 wies die Generaldirektion der Schweizerischen PTT-Betriebe eine hiergegen gerichtete Beschwerde ab. Sie ging davon aus, dass nur solche Publikationen in den Genuss der Zeitungstaxe kämen, deren Empfang der Bezüger wünsche. Den entsprechenden Willen bekunde er durch den Abschluss eines entgeltlichen Abonnementsvertrags, woran es bei einer Gratispublikation definitionsgemäss fehle. Die Obersee Nachrichten AG hat am 25. Mai 1992 beim Bundesgericht hiergegen Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereicht. Sie macht geltend, es sei verfassungs- ( Art. 31 und Art. 55 BV ) und konventionswidrig (Art. 10 in BGE 120 Ib 142 S. 144 Verbindung mit Art. 14 EMRK ), wenn nur "abonnierte" Publikationen von der Zeitungstaxe profitierten. Die Handels- und Gewerbefreiheit verpflichte den Staat zu wettbewerbsneutralem Verhalten; es verstosse gegen dieses Gebot, wenn die Dienstleistungen der PTT-Betriebe und die Höhe des Entgelts an sachlich unhaltbare Unterscheidungen geknüpft würden, wie dies beim Zeitungstransport mit dem Erfordernis des Abonnementsvertrags der Fall sei. Ähnliches gelte für Art. 55 BV : Zwar verbiete die Pressefreiheit in erster Linie jegliche staatliche Zensur, doch habe sich der Staat nach dieser Bestimmung auch ganz allgemein nicht in die Verhältnisse der Presse einzumischen. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab Erwägungen aus folgenden Erwägungen: 3. a) Art. 55 BV garantiert die Pressefreiheit und gewährt dem Bürger das Recht, seine Meinung mit den Mitteln der Druckerpresse in der Öffentlichkeit zu verbreiten ( BGE 113 Ia 309 E. 4b S. 316 mit Hinweisen). Als Presseerzeugnisse, die in den Anwendungsbereich von Art. 55 BV fallen, gelten Publikationen - auch Lithographien, Photographien, Heliographien oder Vervielfältigungen -, die zur Veröffentlichung bestimmt sind und mit denen ideelle Zwecke verfolgt werden ( BGE 108 Ib 142 E. 2e S. 146; JÖRG PAUL MÜLLER in Kommentar BV, Art. 55, Rz. 15). Durch die staatspolitisch motivierte indirekte Presseförderung über nicht kostendeckende PTT-Taxen wird in dieses Recht - soweit die Publikation der Beschwerdeführerin ideellen Gehalt aufweist - nicht eingegriffen. Die beanstandete Regelung hindert die Beschwerdeführerin nicht, ihre Meinung mit den Mitteln der Druckerpresse zu verbreiten, denn sie beschlägt nicht den Inhalt ihres Produkts, sondern lediglich und in untergeordnetem Masse dessen kommerziellen Vertrieb; die aufgeworfene Frage ist demnach in erster Linie unter dem Gesichtswinkel der Handels- und Gewerbefreiheit zu prüfen. b) Nach Art. 31 BV hat sich der Staat grundsätzlich wettbewerbsneutral zu verhalten; Massnahmen der Wirtschaftsförderung dürfen in der Regel die Handels- und Gewerbefreiheit nicht verletzen. Die Bundesverfassung schliesst aber nicht schlechterdings jede wirtschaftsbezogene staatliche Regelung aus (vgl. Art. 31bis Abs. 2 BV ). Staatliche Förderungsmassnahmen, die der Wahrung oder Wiederherstellung des Wettbewerbs im Interesse der Information und pluralistischen Meinungsbildung dienen, sind unabhängig BGE 120 Ib 142 S. 145 davon, ob Art. 31 oder 55 BV auch ein entsprechendes Handlungsgebot enthält, nicht als solche bereits systemwidrig (vgl. RENÉ A. RHINOW in Kommentar BV, Art. 31, Rz. 186 ff.). Sie verstossen jedoch gegen die Handels- und Gewerbefreiheit, wenn sie den Wettbewerb unter direkten Konkurrenten verzerren. Bei der staatlichen Förderung der abonnierten Presse gegenüber Gratispublikationen ist dies nicht der Fall, selbst wenn sich aus Art. 31 BV ein weitergehender Schutz ergeben sollte als aus Art. 4 BV (vgl. BGE 112 Ia 30 E. 3a S. 34): Gratiszeitungen und -anzeiger wenden sich grundsätzlich nicht mit dem gleichen Produkt an das gleiche Zielpublikum wie die abonnierte Presse. Sie sind in erster Linie auf die Bedürfnisse und Interessen der Inserenten ausgerichtet; ihre redaktionellen Anreicherungen dienen vorab dazu, im Interesse der Werbung die Leserbeachtung zu steigern; ihr Inhalt lässt staatspolitische und ideelle Anliegen nur selten in einem Mass erkennen, das den Leser zum Abschluss eines Abonnements veranlassen würde. Besteht ein entgeltlicher Abonnementsvertrag, profitieren sie ebenfalls von der Zeitungstaxe, wie die 800 abonnierten Exemplare der "Obersee Nachrichten" belegen. c) aa) Staatliche Förderung lässt sich nicht ohne Rücksicht auf ein entsprechendes Bedürfnis postulieren und rechtfertigen; sie setzt regelmässig einen Dienst an der Allgemeinheit oder die Wahrnehmung einer wichtigen Funktion in der Gesellschaft und im demokratischen Staat voraus (unveröffentlichtes Urteil des Bundesgerichts vom 13. Juni 1985 i.S. D.C. AG c. GD PTT, E. 3b). Ein Verstoss gegen das staatliche Neutralitätsgebot liegt nicht schon dann vor, wenn nicht unterschiedslos sämtliche unter die Pressefreiheit fallenden Druckerzeugnisse von Förderungsmassnahmen profitieren. Der Staat geniesst bei der Förderung verfassungsmässiger Rechte einen weiteren Handlungsspielraum als bei deren Beschränkung: Die Meinungsäusserungs- bzw. die Pressefreiheit verbietet ihm, an Meinungen oder Tendenzen von Presseerzeugnissen anzuknüpfen und sich auf diese Weise Einfluss auf den gesellschaftlichen Meinungs- und Willensbildungsprozess zu verschaffen; es steht ihm indessen frei, meinungsneutrale Presseförderung zu betreiben, solange die gewählten Kriterien sachbezogen und nicht diskriminatorisch sind, was beim Erfordernis eines "entgeltlichen Abonnementsvertrags" der Fall ist. bb) Abonnierte Zeitungen und Zeitschriften nehmen die spezifische Aufgabe der Presse im pluralistischen Staat (vgl. hierzu BGE 109 II 353 E. 3 S. 358) gerade auch wegen ihres Vertriebssystems besser wahr als BGE 120 Ib 142 S. 146 Gratispublikationen. Die zahlende Leserschaft sichert der Presse eine gewisse - heute zusehends von Inserenten bedrohte (vgl. CHRISTIAN WYSS, Inserentendruck auf die Meinungspresse - ein Beispiel struktureller Zensur, in: Wem dient die Medienfreiheit?, Bern 1981, S. 99 ff.; JÖRG PAUL MÜLLER, a.a.O., Art. 55, Rz. 94; Erhebung der Kartellkommission über die Anzeigensperre von Automobilimporteuren gegenüber dem "Tages-Anzeiger", in: VKK 1/1981 S. 41 ff.) - publizistische Unabhängigkeit; der verbilligte Zeitungstransport soll die Abonnierung und die regelmässige Lektüre von Zeitungen und Zeitschriften und damit den Fortbestand einer vielfältigen vom Leser gewünschten und mitgetragenen Presse erleichtern. Sinn der gesetzlichen Ordnung ist es, der Presse die Erfüllung ihrer im allgemeinen Interesse liegenden Aufgabe zu ermöglichen. Blätter, die vornehmlich Propaganda für geschäftliche oder sonstige Zwecke machen und daher gratis abgegeben werden, haben nicht als Zeitungen oder Zeitschriften im Sinne des Gesetzes zu gelten, auch "wenn sie äusserlich wie solche aufgemacht" sind (unveröffentlichtes Urteil des Bundesgerichts vom 7. Oktober 1960 i.S. X. c. GD PTT, S. 8 f.; vgl. auch unveröffentlichtes Urteil des Bundesgerichts vom 29. Mai 1975 i.S. Aktion zum Schutze der Steuerzahler c. GD PTT, S. 8). Besteht kein Abonnement und wird eine Zeitung oder Zeitschrift dank ihren Werbeeinnahmen gratis verteilt, würde über die indirekte staatliche Förderung ausschliesslich der unternehmerische Gewinn und die bereits bestehende, staatspolitisch fragwürdige Inserentenabhängigkeit vergrössert. Auch wenn abonnierte Zeitungen heute zu 60 bis 80 Prozent aus Werbeeinnahmen finanziert werden (LEO SCHÜRMANN/PETER NOBEL, Medienrecht, Bern 1993, S. 324 N. 4; ERNST BOLLINGER, La presse suisse, Les faits et les opinions, Lausanne 1986, S. 21 - 25), führt das entgeltliche Abonnementssystem doch zu einer stärkeren Leserbindung und - dank einer, wenn auch relativen, Inserentenunabhängigkeit - zu grösserer Freiheit. cc) Das Vorliegen eines entgeltlichen Abonnementsvetrags stellt ein formales, durch die PTT-Betriebe einfach zu kontrollierendes Erfordernis dar, das eine verpönte staatliche Inhaltskontrolle weitgehend erübrigt und stattdessen an den bekundeten Willen des Abonnenten, das heisst an dessen inhaltliche Beurteilung des Presseprodukts, anknüpft. Zwar erfüllte auch eine einfache schriftliche Erklärung des Lesers diesen Zweck, das Ziel der indirekten Förderungsmassnahme würde damit aber unterlaufen. Die vergünstigten Transporttaxen sollen den Abonnements- bzw. den Verkaufspreis BGE 120 Ib 142 S. 147 senken und dem Käufer damit ermöglichen, "für die breite öffentliche Diskussion und die Durchsetzung der 'richtigen' Auffassung (...) möglichst viele Presseerzeugnisse" zu lesen (vgl. Amtl.Bull. S 1976 578 Votum Dreyer zur authentischen Gesetzesauslegung). Das Bundesgericht hat für die sogenannte Mitgliedschaftspresse zwar erklärt, es komme nicht auf das Vorliegen einer geldwerten Gegenleistung, sondern einzig darauf an, ob der Empfänger die Publikation regelmässig erhalten wolle ( BGE 101 Ib 178 ). Eine jedem Haushalt gratis abgegebene Veröffentlichung kann jedoch nicht einem Titel der Mitgliedschaftspresse gleichgestellt werden, deren relative Unabhängigkeit sich aus der Zahl der Mitglieder beziehungsweise ihrer indirekten Beteiligung an den Finanzen des Verlegers (vgl. etwa Art. 71 Abs. 2 ZGB ) ergibt. dd) Gratisanzeiger werden als eine der Ursachen für die Pressekonzentration bezeichnet (vgl. Bericht der Expertenkommission vom 1. Mai 1975 für die Revision von Art. 55 der Bundesverfassung, S. 25; KURT NUSPLIGER, Pressefreiheit und Pressevielfalt, Diss. BE 1980, S. 132); neuere Publikationen verweisen zwar darauf, dass sich eine Schädigung der Presse durch Gratisanzeiger gesamthaft nicht nachweisen lasse, bestreiten aber nicht, dass es in einzelnen Fällen immer wieder vorkommen wird, dass die Konkurrenz eines Gratisanzeigers tatsächlich zur Einstellung einer Zeitung führt (Christoph Schmid, Gratisanzeiger und Pressewettbewerb, Diss. ZH 1983, S. 50 mit Hinweisen). Gratispublikationen lassen sich von anderen Zeitungen nur über ihr Vertriebssystem verlässlich abgrenzen (vgl. CHRISTOPH SCHMID, a.a.O., S. 35), weshalb auch vor diesem Hintergrund die Anknüpfung an einen entgeltlichen Abonnementsvertrag verfassungsrechtlich haltbar erscheint. ee) Die Konstruktion der Beschwerdeführerin, wonach bei einer Gratiszeitung der Inserent über höhere Insertionskosten ein entgeltliches Abonnement zugunsten jedes Empfängers im Einzugsgebiet bezahle, überzeugt nicht. Der Inserent will über den Insertionsvertrag eine Werbebotschaft verbreiten lassen; einen allenfalls höheren Insertionspreis bezahlt er wegen der breiteren Streuung des Werbeträgers, nicht aber um jedem einzelnen Haushalt im Einzugsgebiet ein Forderungsrecht auf die Gratispublikation einzuräumen. Von einem Geschenkabonnement zugunsten eines Dritten kann nicht Rede sein. Die Beschwerdeführerin behauptet schliesslich auch vergeblich, ihr Produkt werde grundlos schlechter behandelt als die Amtsanzeiger; bei diesen handelt es sich mit Blick auf ihren Mindestanteil von 15 Prozent an amtlichen Mitteilungen um Titel, die der Mitgliedschaftspresse zugerechnet BGE 120 Ib 142 S. 148 oder doch analog dieser behandelt werden können. 4. a) Art. 10 EMRK sichert die Pressefreiheit auch insofern, als er "die Freiheit zum Empfang und zur Mitteilung von Nachrichten oder Ideen ohne Eingriffe öffentlicher Behörden" gewährleistet; Werbebotschaften können unter den Schutz von Art. 10 EMRK fallen (Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 24. Februar 1994 i.S. Casado Coca c. Spanien, Ziff. 35). Im Entscheid Autronic gegen die Schweiz vom 22. Mai 1990 hielt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte fest, auf Art. 10 EMRK könne sich nicht nur berufen, wer ideelle, sondern auch wer wirtschaftliche Interessen verfolge. Diese Bestimmung schütze nicht nur den Inhalt der Information, sondern auch Übermittlungs- und Empfangsvorrichtungen, weil deren Beschränkung das Recht berühre, Informationen zu empfangen und zu verbreiten (Serie A, vol. 178, Ziff. 47). b) aa) Die im Fall Autronic vom Gerichtshof zum Satellitenfernsehen angestellten Überlegungen können nicht unbesehen auf die vorliegende Problematik übertragen werden. In jenem Entscheid stand ein Empfangsverbot zur Diskussion, vorliegend geht es um eine indirekte staatliche Förderungsmassnahme, von der die Beschwerdeführerin nur soweit profitiert, als sie die entsprechenden Voraussetzungen nach dem nationalen Gesetzesrecht erfüllt. Sie wird nicht behindert, ihre Informationen zu verbreiten; die beanstandete Ungleichbehandlung stellt lediglich sicher, dass dies auch noch andere tun können, die - auch wegen des gewählten Vertriebssystems (Abonnement) - die besondere Funktion der Presse in der demokratischen Gesellschaft besser wahrnehmen (Leserbindung, verlegerische Unabhängigkeit über diversifizierte Finanzierung) als eine über einen redaktionellen Teil verfügende, in erster Linie aber auf Inserentenbedürfnisse ausgerichtete Gratispublikation. Kann sich auf Art. 10 EMRK auch berufen, wer kommerzielle Zwecke verfolgt, schützt diese Bestimmung doch nicht hauptsächlich solche Interessen; die Konventionsgarantie selber kann vielmehr gerade gebieten, übermässige Pressekonzentrationen zu verhindern (vgl. Bericht der Europäischen Menschenrechtskommission und Resolution des Ministerrates i.S. De Geillustreerde Pers N.V. gegen Niederlande, DR 8/1977 S. 25 Ziff. 88 bzw. S. 29; MARTIN BULLINGER, "Liberté d'expression et d'information: élément essentiel de la démocratie", in: Actes du Sixième colloque international sur la Convention européenne des droits de l'homme, Dordrecht/Boston/London BGE 120 Ib 142 S. 149 1988, S. 79 - 83), was regelmässig nicht möglich sein wird, ohne wirtschaftliche Interessen zu tangieren. bb) Art. 10 in Verbindung mit Art. 14 EMRK verpflichtet die Vertragsstaaten nicht, alle berechtigten Personen unterschiedslos gleich zu behandeln. Eine Massnahme oder Regelung ist nur dann diskriminatorisch, wenn sie hinsichtlich der Gewährleistung des Genusses eines Konventionsrechts zwischen Personen oder Personengruppen unterscheidet, die sich in vergleichbarer Situation befinden, die Unterscheidung eines objektiven und angemessenen Rechtfertigungsgrunds entbehrt oder wenn zwischen den eingesetzten Mitteln und dem angestrebten Ziel kein angemessenes Verhältnis besteht. Art. 14 EMRK geht somit nicht über das allgemeine Rechtsgleichheitsgebot in Art. 4 Abs. 1 BV hinaus ( BGE 118 Ia 341 E. 4a S. 351). Gratispublikationen und die vom Gesetzgeber als förderungswürdig bezeichnete Presse unterscheiden sich - wie dargelegt - im Vertriebssystem; es erscheint deshalb bereits zweifelhaft, ob sich die Beschwerdeführerin überhaupt in der von der Rechtsprechung zu Art. 14 EMRK geforderten "vergleichbaren Situation" mit jenen Publikationen befindet, deren indirekte Förderung sie beanstandet (vgl. FROWEIN/PEUKERT, EMRK-Kommentar, S. 315 Rz. 19 ff.; die Kommission verneinte das Vorliegen einer vergleichbaren Situation bei einem Wochenblatt, das detaillierte Fernsehprogramme zu veröffentlichen suchte, gegenüber der Tagespresse, die summarische Programmangaben enthielt, und gegenüber im Ausland erscheinenden Publikationen; DR 8/1977 S. 27/28). Auf jeden Fall ist die Ungleichbehandlung sachlich gerechtfertigt und verhältnismässig: Die indirekte Presseförderung soll dazu beitragen, eine möglichst vielfältige Presse zu erhalten ( Art. 10 Abs. 1 Satz 2 PVG , Postverkehrsgesetz, SR 783.0). Es kann dabei darauf abgestellt werden, ob und wie eine bestimmte Publikation die spezifische Aufgabe der Presse für die Allgemeinheit wahrnimmt; das Erfordernis eines entgeltlichen Abonnementsvertrags stellt hierfür ein geeignetes Kriterium dar; von einer Diskriminierung im Sinn von Art. 14 in Verbindung mit Art. 10 EMRK kann nicht die Rede sein.
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8b0f4f8f-75df-4c17-92e0-fcaa169f11ea
Erwägungen ab Seite 124 BGE 114 IV 124 S. 124 Aus den Erwägungen: 3. b) Der Beschwerdeführer hat unstrittig weniger geleistet, als er gemäss Vergleich und Urteil hätte leisten müssen. Bestraft werden kann er nur, wenn es ihm möglich gewesen wäre, mehr zu leisten, und wenn er überdies seiner Pflicht trotz dieser Möglichkeit aus bösem Willen nicht nachgekommen ist. aa) Für die Periode von August 1985 bis Ende 1986 geht die Vorinstanz davon aus, der Beschwerdeführer habe nicht einmal für sich selbst genügend verdient. Sie nimmt jedoch an, er sei verpflichtet gewesen, neben seiner künstlerischen Tätigkeit eine Stelle anzunehmen, die ihm ein ständiges Einkommen in der Höhe gesichert hätte, dass er seinen familienrechtlichen Verpflichtungen hätte nachkommen können. Sie bejaht überdies die Möglichkeit, eine derartige Stelle anzunehmen. Der Unterhaltspflichtige muss in einem Umfang einer entgeltlichen Tätigkeit nachgehen, dass er seine Unterhaltspflichten erfüllen kann. Gegebenenfalls muss er sogar seine Stelle oder seinen Beruf wechseln, wobei diese Pflicht durch den generellen Gesichtspunkt der Zumutbarkeit begrenzt ist. So wird man etwa bei einem Feinmechaniker oder einem Pianisten kaum verlangen können, BGE 114 IV 124 S. 125 dass er eine berufsfremde Tätigkeit mit schwerer körperlicher Belastung übernimmt, wenn dadurch etwa das Feingefühl seiner Hände und damit die Möglichkeit, später wieder im angestammten Beruf zu arbeiten, beeinträchtigt würde. Das Recht auf freie berufliche Tätigkeit, auf welches der Beschwerdeführer hinweist, wird beschränkt durch die Pflicht des Unterhaltspflichtigen, für seine Familie aufzukommen (vgl. DIPPEL, Leipziger Kommentar, 10. Aufl., N 45 und SCHÖNKE/SCHRÖDER/LENCKNER, Strafgesetzbuch Kommentar, 22. Aufl., N 21, je zu § 170b dStGB). Dem Beschwerdeführer gelingt es offensichtlich mit seiner künstlerischen Tätigkeit nicht, ein Einkommen zu erzielen, das ihm die Erfüllung seiner familienrechtlichen Pflichten ermöglichen würde. Zu Unrecht beruft er sich deshalb auf seine Freiheit, den Beruf zu wählen und auszuüben, der ihm gefällt. Die Pflicht, für die geschiedene Frau und die Kinder in angemessenem Masse aufzukommen, geht jedenfalls dann, wenn diesen keine anderen ausreichenden Mittel zur Verfügung stehen, der Betätigungsfreiheit des Beschwerdeführers vor. Dies muss insbesondere dann gelten, wenn, wie auch die Vorinstanz annimmt, bereits durch die Übernahme einer regelmässigen Nebenbeschäftigung die Bezahlung der Unterhaltsbeiträge gesichert werden könnte. Nicht nur Künstler, sondern viele Bürger müssen, um sich und ihren Angehörigen den Lebensunterhalt zu verdienen, einer Betätigung nachgehen, die ihnen nicht oder nicht durchwegs behagt und die es ihnen verunmöglicht oder erschwert, sich gemäss ihren Neigungen zu betätigen. Ob jemand, der seit Jahren ausschliesslich einer künstlerischen Tätigkeit nachgegangen ist, verhalten werden könnte, diese völlig aufzugeben, was im Hinblick auf das ihm zustehende Grundrecht der persönlichen Freiheit problematisch sein könnte, braucht hier nicht weiter diskutiert zu werden, da der Beschwerdeführer selbst nicht geltend macht, dass die Übernahme einer zur Erfüllung seiner familienrechtlichen Pflichten ausreichenden Tätigkeit eine Weiterführung seiner künstlerischen Betätigung ausschliessen würde. Ausstellungen im Ausland sind jedenfalls kein ausreichender Grund, von der Übernahme einer regelmässigen Tätigkeit in der Schweiz abzusehen.
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Sachverhalt ab Seite 254 BGE 143 III 254 S. 254 A. B. (Kläger) war als Inhaber einer Garage selbständig erwerbstätig. Er war an insgesamt vier Verkehrsunfällen beteiligt, für die er nicht verantwortlich war. BGE 143 III 254 S. 255 Am 20. November 1991 schlief eine Krankenschwester nach durchwachter Nacht am Steuer ein und geriet auf die Gegenfahrbahn, wo sie mit dem korrekt entgegenkommenden Kläger kollidierte. Beide Fahrzeuge erlitten Totalschaden. Die Fahrzeughalterin war bei der C. AG versichert. Am 17. März 1994 hielt der Kläger sein Fahrzeug korrekt vor einem Fussgängerstreifen an. Der Lenker des nachfolgenden Personenwagens vermochte nicht mehr rechtzeitig anzuhalten und prallte ins Heck des vom Kläger gelenkten Fahrzeugs, wodurch dieses stark beschädigt wurde. Der Halter des nachfolgenden Personenwagens war bei der A. AG (Beklagte) haftpflichtversichert. Am 2. März 1995 fuhr wiederum ein anderer Fahrzeuglenker ins Heck des vom Kläger gelenkten Fahrzeugs. Der Halter war bei der D. AG haftpflichtversichert. Am 2. Februar 1998 kollidierte ein Fahrzeug seitlich mit dem vom Kläger auf der Gegenfahrbahn gelenkten Personenwagen. Der Halter des den Unfall verursachenden Personenwagens war bei der D. AG versichert. B. B.a Am 17. Juli 2006 erhoben der Kläger sowie seine Ehefrau und seine zwei Kinder Klage beim Handelsgericht des Kantons Zürich gegen die C. AG mit den Rechtsbegehren, diese sei zu verpflichten, ihm Fr. 6'892'309.- Schadenersatz und Genugtuung zu bezahlen, nebst 5 % Zins ab dem 1. Juli 2006, unter Vorbehalt der Nachklage. Ausserdem sei die Beklagte zu verpflichten, der Ehefrau des Klägers eine Genugtuung von Fr. 50'000.- und den beiden Kindern je eine Genugtuung von Fr. 15'000.- zu bezahlen, samt Zins. Die C. AG verkündete der A. AG und der D. AG den Streit. B.b Am 23. Dezember 2006 erhoben der Kläger sowie seine Ehefrau beim Bezirksgericht Zürich Klage gegen die A. AG mit den folgenden Rechtsbegehren: "1. Die Beklagte [...] sei zu verpflichten, dem Kläger [...] aus dem Unfall vom 17. März 1994 CHF 500'000.- unter dem Titel Schadenersatz und Genugtuung zu bezahlen, samt 5 % Zins ab 23. Dezember 2006, unter ausdrücklichem Vorbehalt der Nachklage. 2. Die Beklagte [...] sei zu verpflichten, CHF 20'000.- als Genugtuung für die Klägerin [...] zu bezahlen, samt 5 % Zins ab Unfalldatum." BGE 143 III 254 S. 256 Am 9. Oktober 2007 gingen sodann Weisung und Klageschrift des Klägers sowie seiner Ehefrau gegen die D. AG beim Bezirksgericht Zürich ein. B.c Am 23. März 2009 überwies das Bezirksgericht die Verfahren an das Handelsgericht. Dieses vereinigte die überwiesenen Verfahren mit Beschluss vom 29. April 2009 mit dem bereits rechtshängigen Verfahren gegen die C. AG. Nachdem die Klage gegen die D. AG zurückgezogen worden war, schrieb das Handelsgericht das Verfahren gegen diese Partei mit Verfügung vom 16. Juli 2010 ab. B.d Mit Urteil vom 23. November 2016 verpflichtete das Handelsgericht des Kantons Zürich die C. AG, dem Kläger Fr. 423'241.- nebst Zins zu 5 % seit dem 10. August 2016 zu bezahlen und wies diese Klage im Mehrbetrag ab (Ziffer 1); die Klage von Ehefrau und Kinder des Klägers wies das Handelsgericht - wegen Verjährung - ab (Ziffer 2). Das Handelsgericht verpflichtete die Beklagte, dem Kläger Fr. 500'000.- nebst Zins zu 5 % seit 23. Dezember 2006 zu bezahlen (Ziffer 3), die Klage der Ehefrau wies es ab (Ziffer 4). C.
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Sachverhalt ab Seite 164 BGE 116 II 164 S. 164 A.- S. ist Eigentümer einer landwirtschaftlichen Liegenschaft. Am 31. Dezember 1986 verkaufte er an drei seiner Kinder zu je 1/3 Miteigentum zwei Parzellen im Halte von 470 und 282 Aren zum Preis von Fr. 1'500'000.--. Dieser Kaufvertrag wurde am 5. März 1987 ins Tagebuch eingeschrieben und am 29. Juni 1987 ins Grundbuch eingetragen. Den Rest der Liegenschaft mit Haus und Scheune behielt S. in seinem Eigentum. B.- Am 27. März 1987 machte G., eines der drei weiteren Kinder von S., beim Grundbuchamt das bäuerliche Vorkaufsrecht zum Ertragswert geltend. (...) Der Amtsgerichtspräsident setzte ihm in der Folge Frist zur Klageerhebung an. Mit Klage vom 2. September 1987 beantragte G. im wesentlichen, die beiden Kaufsparzellen seien ihm zum landwirtschaftlichen Ertragswert zu Eigentum zuzusprechen. BGE 116 II 164 S. 165 a) Am 5. September 1988 hiess das Amtsgericht die Klage gut und sprach G. das Eigentum an den beiden Kaufsgrundstücken zum Ertragswert von Fr. 35'000.-- zu. Zur Begründung hielt das Amtsgericht insbesondere fest, dass die Liegenschaft mit ca. 11 ha ein landwirtschaftliches Gewerbe bilde, das durch den Wegfall der beiden Kaufsgrundstücke die wirtschaftliche Existenzfähigkeit und Selbständigkeit weitgehend verliere. Da der Verkauf der beiden Grundstücke keine vorweggenommene Erbfolge, sondern einen gewöhnlichen Kaufvertrag darstelle, stehe G. trotz Gleichrangigkeit mit den Käufern ein Vorkaufsrecht nach Art. 6 EGG zu. Der Wille zur Selbstbewirtschaftung sei als ernstlich zu betrachten und die Eignung dazu gegeben. b) Gegen dieses Urteil appellierten zwei der drei Käufer an das Obergericht des Kantons Luzern. In der schriftlichen Begründung der Appellation führten sie insbesondere an, gegenüber gleichrangigen Vorkaufsberechtigten könne das Vorkaufsrecht nach Art. 6 Abs. 1 EGG nicht ausgeübt werden. Mit Urteil vom 11. September 1989 hiess das Obergericht des Kantons Luzern die Appellation gut und wies die Klage ab. C. - Gegen dieses Urteil hat G. Berufung an das Bundesgericht erhoben. Er beantragt u.a. die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Zusprechung des Eigentums an den beiden Kaufsgrundstücken. Die Beklagten beantragen die Abweisung der Berufung; das angefochtene Urteil sei zu bestätigen. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Wird ein landwirtschaftliches Gewerbe oder werden wesentliche Teile davon verkauft, so steht den Nachkommen, dem Ehegatten und den Eltern des Verkäufers ein Vorkaufsrecht zu ( Art. 6 Abs. 1 EGG ). Dass die verkauften Parzellen Nr. 222 und Nr. 849 einen wesentlichen Teil eines landwirtschaftlichen Gewerbes darstellen, ist unbestritten. Strittig ist hingegen, ob der Kläger sein Vorkaufsrecht auch bei einem Verkauf an seine Geschwister ausüben könne. a) Art. 11 Abs. 1 EGG regelt die Reihenfolge der Verwandten in der Ausübung des Vorkaufsrechts wie folgt: Kinder, Enkel, Ehegatte, Eltern und - sofern kantonalrechtlich vorgesehen - Geschwister und Nachkommen der Geschwister. Damit die in dieser Bestimmung verankerte Besserstellung bestimmter BGE 116 II 164 S. 166 Verwandter nicht vereitelt wird, dringt das Vorkaufsrecht nach der jüngsten Rechtsprechung des Bundesgerichts je nach dem Rangverhältnis des Ansprechers gegenüber dem Käufer durch; der Verkauf eines landwirtschaftlichen Gewerbes oder eines wesentlichen Teiles an einen im letzten Glied Vorkaufsberechtigten darf den besser Berechtigten nicht um sein Recht bringen ( BGE 115 II 178 , mit zahlreichen Hinweisen). Im vorliegenden Fall stehen die Käufer und der Kläger, der sein gesetzliches Vorkaufsrecht ausüben will, indessen im gleichen Rang. Was diesfalls gelten soll, lässt sich Art. 11 Abs. 1 EGG nicht entnehmen. b) Auch Art. 11 Abs. 2 EGG hilft diesbezüglich nicht weiter. Diese Gesetzesbestimmung räumt zwar dem Selbstbewirtschafter, der dazu geeignet ist, den Vorrang ein, wenn mehrere Personen im gleichen Rang ein Vorkaufsrecht geltend machen und sich diese nicht zu einer Gemeinschaft zusammenschliessen. Die Bestimmung regelt jedoch nur das Verhältnis unter mehreren gleichrangigen Vorkaufsberechtigten, die je ihr Recht gegen einen Drittkäufer ausüben wollen. Sie sagt nichts darüber aus, was gelten soll, wenn das Vorkaufsrecht gegenüber einem Käufer geltend gemacht wird, der selber im gleichen Rang vorkaufsberechtigt ist. Gestützt auf diesen Umstand hat das Bundesgericht in BGE 82 II 468 f. entschieden, ein Vorkaufsberechtigter könne sein Recht nicht geltend machen, wenn der Erwerber im gleichen Rang vorkaufsberechtigt sei. Mit dem Verwandtenvorkaufsrecht wolle das Gesetz einzig das zwischen der Familie und dem betreffenden Heimwesen bestehende Band festigen ( Art. 1 EGG ). Dieses Ziel sei aber bereits erreicht, wenn der Eigentümer sein landwirtschaftliches Heimwesen einem Verwandten verkaufe, dem das Gesetz den gleichen Rang zugestehe wie dem Ansprecher. Mangels einer entsprechenden Gesetzesvorschrift stehe dem Ansprecher in solchen Fällen auch dann kein Vorrecht zu, wenn er das Heimwesen selber bewirtschaften wolle und dazu geeignet erscheine. Da das schweizerische Recht auf dem Prinzip der Vertragsfreiheit beruhe, dürften restriktive Bestimmungen auch im Bereiche des bäuerlichen Bodenrechts nicht extensiv ausgelegt werden. An dieser Rechtsprechung ist seither festgehalten worden (BGE BGE 87 II 268 unten; vgl. auch BGE 115 II 177 f. E. 3). In der Lehre ist diese Rechtsprechung für das geltende Recht im wesentlichen auf Zustimmung gestossen. Dem Gesetzgeber sei es darum gegangen, Bindungen der Familie zu schützen; der agrarpolitisch wichtige Grundsatz des Vorranges des Selbstbewirtschafters BGE 116 II 164 S. 167 sei von ihm bewusst hintangestellt worden (HOTZ, Bäuerliches Grundeigentum, ZSR 98/1979, II. Halbbd., S. 126 f.; LIVER, Landwirtschaftliches Bodenrecht, ZBJV 94/1958, S. 60 f.; vgl. ferner BGE 109 II 54 ; BINZ-GEHRING, Das gesetzliche Vorkaufsrecht in der Schweiz, Diss. Bern 1975, S. 114 f.; DINO DEGIORGI, Verfügungsbeschränkungen im bäuerlichen Bodenrecht, Diss. Basel 1988, S. 157 und 209; MEIER-HAYOZ, Vom Vorkaufsrecht, ZBJV 92/1956, S. 322 f.). Die unerwünschten Auswirkungen des Familienschutzes auf die agrarpolitischen Zielsetzungen sind zwar längst erkannt worden (LIVER, Fragen des neuen landwirtschaftlichen Bodenrechts, ZSR 68/1949, S. 68-70; MEIER-HAYOZ, a.a.O.). Sie sind jedoch gesetzlich begründet und sollen nun in einem neuen Bundesgesetz über das bäuerliche Bodenrecht ausgemerzt werden, indem inskünftig der Selbstbewirtschafter den Vorrang erhalten soll (Botschaft des Bundesrates vom 19. Oktober 1988, BBl 1988, Bd. III, S. 961 f., 971 f. und 1023). Unter diesen Umständen kann es nicht Sache der Rechtsprechung sein, eine entsprechende Änderung herbeizuführen. Der Kläger vermag folglich daraus, dass er vorbringt, die Kaufsparzellen im Gegensatz zu den Käufern selber bewirtschaften zu wollen, nichts für sich abzuleiten. Ob sein Wille und die Eignung zur Selbstbewirtschaftung aufgrund der vorinstanzlichen Feststellungen als erstellt gelten könnten, kann unter diesen Umständen offenbleiben.
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Sachverhalt ab Seite 142 BGE 80 III 141 S. 142 A.- Die Eheleute Derungs-Rungger kauften im Jahre 1944 die Bäckereiablage mit Tea-Room "Quader" in Chur zum Preise von Fr. 145 000.-- und bauten sie in den folgenden Jahren mit einem Kostenaufwand von rund Fr. 60 000.-- zu einer Bäckerei aus. Wegen ehelicher Differenzen beauftragte Frau Derungs im Januar 1950 ihren Anwalt, zwecks Sicherstellung ihres Frauengutes die notwendigen Schritte zur Durchführung der Gütertrennung einzuleiten. Angesichts dieses Begehrens verkaufte der Ehemann am 3. Mai 1950 die Liegenschaft ohne Wissen der Ehefrau an seinen Schwager Schläpfer-Derungs zum Preise von Fr. 158 000.--, nachdem er sie ihm noch kurz vorher für Fr. 200 000.-- angeboten hatte. Am 17. Oktober 1950 kam zwischen den Eheleuten Derungs-Rungger ein Ehevertrag auf Gütertrennung zustande, mit dem der Ehemann eine Frauengutsforderung von Fr. 40 881.-- anerkannte. An diese verrechnete er eine Gegenforderung von Fr. 4 000.-- und zedierte an das Restguthaben der Ehefrau eine Forderung an den Liegenschaftskäufer Schläpfer von Fr. 9 000.--. Für ihren Forderungssaldo von Fr. 27 881.-- leitete Frau Derungs am 10. Januar 1951 gegen den Ehemann die Betreibung ein. Das Betreibungsamt Disentis stellte ihr am 18. Juli 1951 für den ganzen Betrag zuzüglich Zins und Kosten, zusammen Fr. 28 743.70, einen Verlustschein aus. B.- Gestützt darauf reichte Frau Derungs zwei Tage später (20. Juli 1951) gegen den Liegenschaftskäufer Schläpfer die vorliegende Anfechtungsklage gemäss Art. 285 ff. SchKG ein mit dem Begehren auf Ungültigerklärung des Kaufvertrages vom 3. Mai 1950 und grundpfändliche Sicherstellung ihrer Forderung auf der Liegenschaft "Quader" oder betreibungsamtliche Pfändung und Verwertung derselben. Sie begründete die Klage damit, der BGE 80 III 141 S. 143 Ehemann habe die Liegenschaft dem Beklagten in der diesem erkennbaren Absicht verkauft, sie, die Ehefrau, als Frauengutsgläubigerin zu benachteiligen. Während des Anfechtungsprozesses wurden die Eheleute geschieden. C.- Das Kantonsgericht Zug bejahte die Benachteiligungsabsicht und deren Erkennbarkeit gemäss Art. 288 SchKG und hiess die Klage gut. Auf Appellation des Beklagten hat jedoch das Obergericht mit Urteil vom 29. Juni 1954 diesen Entscheid aufgehoben und die Anfechtungsklage abgewiesen, weil der dieser zu Grunde liegende Verlustschein, da aus einer gemäss Art. 173 ZGB verbotenen Betreibung zwischen Eheleuten hervorgegangen, nichtig sei und daher keine gültige Legitimation zur Anfechtungsklage gemäss Art. 285 Ziff. 1 SchKG bilden könne. D.- Gegen dieses Urteil richtet sich die vorliegende Berufung der Klägerin mit dem Antrag, es sei der Kaufvertrag vom 3. Mai 1950 ungültig zu erklären und der Beklagte zu verpflichten, die betreibungsamtliche Pfändung und Verwertung der Kaufliegenschaft seitens der Klägerin im Umfang ihrer Forderung von Fr. 28 743.70 zu dulden, wobei a) der Beklagte berechtigt sei, sich im Umfange seiner ausgewiesenen wertvermehrenden Investitionen bis zum 20. Juli 1951, dem Tage der Klageeinleitung, vorgängig der Klägerin am Pfändungserlös zu beteiligen, b) ein eventueller Verwertungsüberschuss dem Beklagten zufalle; event. sei die Sache zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückzuweisen. Zur Begründung wird ausgeführt, nach Art. 173 ZGB hätte allerdings die Betreibung der Klägerin gegen ihren Ehemann nicht durchgeführt werden dürfen. Dies sei nun aber trotzdem geschehen, und das mit dem Verlustschein vom 18. Juli 1951 abgeschlossene Betreibungsverfahren sei bis heute nie angefochten worden; da die Betreibung erledigt sei, sei eine Beschwerde auf Rückgängigmachung BGE 80 III 141 S. 144 bezw. Aufhebung der Betreibung oder eines einzelnen Betreibungsaktes, so des Verlustscheins, nach der Rechtsprechung nicht mehr zulässig. Somit dürfe auch in einem Anfechtungsprozess der die Aktivlegitimation begründende Verlustschein nicht mehr in Frage gestellt werden ( BGE 70 IV 76 ). Wenn sich der Beklagte aber formell noch auf die Ungültigkeit des Verlustscheins berufen könnte, wäre diese Einrede rechtsmissbräuchlich. Der Beklagte habe offensichtlich eine Benachteiligungshandlung im Sinne von Art. 288 SchKG vorgenommen, aber bis zum Urteil der 1. Instanz geglaubt, man könne ihm dies nicht nachweisen; erst als er sich überführt gesehen habe, sei er auf den Ausweg der Anfechtung des Verlustscheins verfallen. Auch der betriebene Ehemann habe die Betreibung ohne Widerspruch geduldet. Der Anfechtungsbeklagte sei, als an der Betreibung nicht beteiligt, zur Geltendmachung der Ungültigkeit des Verlustscheins überhaupt nicht legitimiert. Wollte man dies aber noch bejahen, so wäre die Einrede unbegründet. Das Gesetz - Art. 176 Abs. 1 ZGB - weise eine Lücke auf, indem der hier vorliegende Fall, wo die Sicherstellung des Frauengutes vom Ehemann zwar verweigert, jedoch eine vertragliche Gütertrennung durchgeführt worden sei, bezüglich der Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung nicht geregelt sei. Wollte man diese der Frau nach dem Wortlaut von Art. 176 Abs. 1 versagen, so stände sie schutzlos da. Es müsse daher kraft Art. 1 ZGB eine Ausnahme vom Verbot der Zwangsvollstreckung gemacht werden. E.- Der Berufungsbeklagte beantragt Abweisung der Berufung, event. Nichteintreten auf den Berufungsantrag 2 betr. Gutheissung der Klage. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Durch die Vorweisung eines Verlustscheins wird grundsätzlich die Legitimation des Titulars desselben zur Anfechtungsklage gemäss Art. 285 SchKG ohne weiteres erstellt, und es können dagegen vor dem Zivilrichter BGE 80 III 141 S. 145 keine Einwendungen hinsichtlich der betreibungsrechtlichen Rechtmässigkeit des Titels vorgebracht werden, ausser wenn es sich geradezu um Nichtigkeit des Verlustscheins handelt (JAEGER, zu Art. 285 N. 3 A). Über diese Frage kann der Zivilrichter, als über einen Präjudizialpunkt im Anfechtungsprozess, selbständig befinden. Er kann die Nichtigkeit des Verlustscheins bejahen, ohne dass dieser oder die ganze ihm zu Grunde liegende Betreibung durch die Aufsichtsbehörden, sei es auf Beschwerde oder von Amtes wegen, nichtig erklärt oder aufgehoben worden ist. Anderseits kann der Zivilrichter einen Verlustschein nicht formell nichtig erklären oder kassieren, sondern lediglich als nichtig, also rechtlich gar nicht existierend und wirkungslos, behandeln, und zwar auch dann, wenn die Aufsichtsbehörden selbst - nach der Praxis - weder die nichtige Betreibung als Ganzes noch den mit demselben Mangel behafteten Verlustschein mehr aufheben könnten, weil jene abgeschlossen ist ( BGE 44 III 196 , BGE 70 IV 76 ). Der Anfechtungsbeklagte, obwohl an der Betreibung nicht beteiligt, ist legitimiert, die Nichtigkeit des Verlustscheins geltend zu machen, da es sich hiebei um eine absolute, gegenüber jedermann geltende und von Amtes wegen zu berücksichtigende Einredetatsache handelt. 2. Im vorliegenden Falle ist unbestritten, dass die Betreibung der Klägerin gegen ihren Ehemann während bestehender Ehe stattgefunden hat. Sie war also gemäss Art. 173 ZGB nur zulässig, wenn es sich um einen der vom Gesetze bezeichneten Ausnahmefälle handelt. In Betracht kommt einzig Art. 176 Abs. 1, wonach "zur Durchführung der durch Gesetz oder Urteil angeordneten Gütertrennung" die Zwangsvollstreckung ohne Beschränkung zulässig ist. Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung fällt die Betreibung der Klägerin gegen ihren Ehemann, die in Durchführung der durch Ehevertrag vereinbarten Gütertrennung erfolgte, nicht darunter. Betreibung zu diesem Zwecke ist nur unter den besonderen Voraussetzungen BGE 80 III 141 S. 146 von Art. 174/75 ZGB zulässig. Das Bundesgericht hat Art. 176 Abs. 1 immer dahin ausgelegt, dass die Beschränkung der Ausnahme vom Betreibungsverbot auf die Durchführung der gesetzlichen oder richterlichen Gütertrennung bewusst gewollt ist, also die Betreibung zufolge ehevertraglicher Gütertrennung unter das Verbot des Art. 173 fällt ( BGE 42 III 382 f. [II. Zivilabteilung]; BGE 42 III 351 [SchKK]). Es hat die Frage neuerdings, mit Bezug auf Art. 176 Abs. 1 und 2, auch unter dem Gesichtspunkt der Möglichkeit eines Versehens der Gesetzesredaktion geprüft, diese Annahme jedoch mit aller Entschiedenheit und einlässlicher Begründung abgelehnt ( BGE 77 III 51 ). Ist mithin die Unterscheidung vom Gesetze gewollt, so kann, entgegen der Behauptung der Klägerin, von einer Gesetzeslücke keine Rede sein. Zu Unrecht beruft sich jene hiefür auf BGE 40 III 9 , wo das Bundesgericht die Einbeziehung der Betreibung auf Sicherstellung des Frauengutes in die Ausnahmefälle der Art. 174-176 ZGB allenfalls dann zulässig erklärte, "wenn das Gesetz an die Verweigerung der Sicherheitsleistung durch den Mann überhaupt keine Rechtsfolgen knüpfte, die Frau also ohne Betreibung auf Sicherstellung überhaupt kein Mittel hätte, um sich Schutz für ihre Ansprüche zu verschaffen", was aber nicht der Fall sei. Im vorliegenden Falle hätte die Klägerin, nachdem der Ehemann ihrem Verlangen nach Sicherheitsleistung für das Frauengut nicht nachkam, das vom Gesetze für diese Situation vorgesehene Mittel ergreifen, nämlich gemäss Art. 183 Ziff. 2 die richterliche Gütertrennung verlangen sollen, für deren Durchführung ihr dann gemäss Art. 176 Abs. 1 die Betreibung zu Gebote stand. Dieses Zwangsmittels begab sie sich allerdings, indem sie sich mit vertraglicher Gütertrennung begnügte. Der Umstand, dass die Ehefrau in dieser Situation auf die Handhaben gemäss Art. 174/75 beschränkt ist, rechtfertigt es nicht, sie im Sinne des zit. Entscheides als schutzlos zu bezeichnen und Art. 176 Abs. 1 abweichend von seinem Wortlaut auszulegen. BGE 80 III 141 S. 147 3. Das Verbot der Betreibung unter Ehegatten gemäss Art. 173 ZGB ist im öffentlichen Interesse erlassen worden (vergl. ZbJV 90, S. 458; LEMP, Komm., N. 1 und 17 zu Art. 173), eine in Verletzung desselben erfolgte Betreibung daher schlechthin nichtig ( BGE 40 III 8 , BGE 42 III 352 , BGE 44 III 114 Erw. 1), ebenso jeder einzelne in derselben ergangene Betreibungsakt, auch der ausgestellte Verlustschein. Wenn in dem von der Berufungsklägerin angerufenen Entscheide ( BGE 70 IV 76 ) der Kassationshof den in einer nichtigen, also rechtlich gar nicht existierenden Betreibung ausgestellten Verlustschein als trotzdem "heute zu Recht bestehend" bezeichnete, so geschah dies unter Hinweis auf BGE 44 III 196 , wo die Aufsichtsbehörde die Aufhebung eines Verlustscheins aus nichtiger Betreibung ablehnte, weil diese erledigt sei, und mit der Bemerkung, dass der weiterbestehende Verlustschein an der Nichtigkeit der Betreibung nichts ändere. Es kann daraus keineswegs abgeleitet werden, dass einem solchen Verlustschein noch irgendwelche Rechtswirkungen zukommen könnten. Zudem handelte es sich bei den beiden Präjudizien um Nichtigkeit der Betreibung wegen Verletzung von Art. 47 bezw. 40 Abs. 2 SchKG, nicht von Art. 173 ZGB . In einem Falle von Nichtigkeit der Betreibung aus letzterem Grunde hat jedenfalls die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer den Entscheid einer kantonalen Aufsichtsbehörde bestätigt, welche die abgeschlossene Betreibung als Ganzes (dans son ensemble) einschliesslich des in ihrem Verlaufe erfolgten Freihandverkaufs des Pfändungsgutes annullierte (Entscheid der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 28. Juni 1935 i.S. Hari, n. p.). Hinderte der Umstand, dass die Betreibung abgeschlossen war, die Aufsichtsbehörde nicht, diese Konsequenz aus deren Nichtigkeit zu ziehen, so erscheint übrigens fraglich, ob es gemäss der vom Kassationshof zit. Praxis richtig ist, mit Bezug auf einen Verlustschein die Annullierung abzulehnen, da doch nicht zweifelhaft ist, dass ihm keinerlei rechtliche Wirkungen mehr zukommen dürfen; und BGE 80 III 141 S. 148 wäre es auch nur, um seiner Benutzung als untauglichen Legitimationstitels zur Anfechtungsklage vorzubeugen. Jedenfalls könnten die Aufsichtsbehörden trotz abgeschlossenem Betreibungsverfahren eine nachträgliche Korrektur in dem Sinne nicht ablehnen, dass der Eintrag im Betreibungsbuch über die Erledigung der Betreibung durch Verlustschein beseitigt werden muss; denn der Betriebene darf dort nicht als erfolglos betrieben figurieren, wenn die Betreibung nichtig war. Der Umstand, dass die Eheleute Derungs schon vor dem Urteil der 1. Instanz geschieden worden sind und daher nunmehr Art. 173 ZGB einer Betreibung nicht mehr entgegenstand, mag diesen Ausgang des Anfechtungsprozesses unbefriedigend erscheinen lassen, ändert aber nichts daran, dass der der Klage zu Grunde gelegte Verlustschein vom 18. Juli 1951 nichtig und daher als Legitimationstitel nach Art. 285 SchKG untauglich ist ( BGE 77 III 55 i. f.). Die Klägerin kann jetzt die Betreibung wiederholen und, falls sie wieder mit einem Verlustschein endet, gestützt auf diesen eine neue Anfechtungsklage anheben. Darin endlich, dass der Beklagte die Einwendung der Nichtigkeit des Verlustscheins erst vor 2. Instanz erhoben habe, kann entgegen der Behauptung der Berufung keinesfalls ein Rechtsmissbrauch erblickt werden. Der Beklagte ist berechtigt, im Prozess alle seiner Sache dienlichen Rechtsstandpunkte zu vertreten. Die Aktivlegitimation ist eine Klagevoraussetzung; die Klägerin muss sie nachweisen und der Beklagte kann sie bestreiten. Bis zu welchem Prozessstadium letzteres noch gültig geschehen kann, bestimmt das kantonale Prozessrecht. Die Nichtigkeit des Verlustscheins ist übrigens eine vom Richter von Amtes wegen zu beachtende, rein rechtliche Tatsache, die auch das Bundesgericht noch zu berücksichtigen hätte, wenn sie der Anfechtungsbeklagte und die Vorinstanzen übersehen hätten. BGE 80 III 141 S. 149
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Erwägungen ab Seite 86 BGE 120 III 86 S. 86 Aus den Erwägungen: 3. b) Stellt sich nach der Verwertung der gepfändeten Vermögenswerte heraus, dass ihr Erlös entgegen der Schätzung des Betreibungsamtes den Betrag der Forderungen nicht deckt, ist von Amtes wegen eine Nachpfändung vorzunehmen ( Art. 145 SchKG ; BGE 114 III 98 E. 1c S. 101; AMONN, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 5.A. 1993, S. 211 N. 19; GILLIÉRON, Poursuite pour dettes, faillite et concordat, 3.A. 1993, S. 197; FRITZSCHE/WALDER, Schuldbetreibung und Konkurs nach schweizerischem Recht, 1984, Band I, S. 458 N. 9). c) Werden Vermögenswerte des Schuldners entgegen Art. 91 SchKG nicht in die Pfändung einbezogen oder vom Betreibungsamt nicht in die Pfändungsurkunde aufgenommen, obwohl sie zur Zeit der Pfändung schon vorhanden waren, so sind diese nicht von Amtes wegen, sondern nur auf ausdrücklichen Antrag eines Gläubigers nachzupfänden (JAEGER, Das Bundesgesetz betreffend Schuldbetreibung und Konkurs, 3.A. 1911, Band I, Art. 145 N. 1). d) Entgegen der Darstellung des Rekurrenten liegt der Grund für die vom Bezirksgericht angeordnete Nachpfändung nicht in der irrtümlichen BGE 120 III 86 S. 87 Ausstellung von Pfandausfallscheinen statt von Verlustscheinen. Ausschlaggebend ist vielmehr, dass die von den Strafverfolgungsbehörden beschlagnahmte, für die Gruppe Nr. 489 zuvor gepfändete Waffensammlung durch Verfügung des Statthalteramtes dem Betreibungsamt herausgegeben und alsdann durch das Obergericht gemäss Art. 58 StGB wieder eingezogen worden war. Der mit der Ausfällung vollstreckbare obergerichtliche Entscheid wurde indessen vom Kassationsgericht später aufgehoben; die dagegen eingereichte staatsrechtliche Beschwerde wurde vom Bundesgericht abgewiesen. Hat der Schuldner unerlaubterweise über gepfändete Gegenstände verfügt oder ist er unter Mitnahme derselben mit unbekanntem Ziel weggezogen, so ist nach bisheriger Rechtsprechung des Bundesgerichtes in analoger Anwendung von Art. 145 SchKG von Amtes wegen zur Nachpfändung zu schreiten. Der Sinn dieser Regelung erfordert nämlich nicht nur im Falle eines ungenügenden Verwertungserlöses eine Nachpfändung, sondern auch dann, wenn die Verwertung des Pfandgutes - aus welchen Gründen auch immer - nicht mehr möglich ist ( BGE 58 III 164 E. 2; 48 III 87 /88 E. 2). Diese Auffassung wird denn auch von der Lehre befürwortet (AMONN, a.a.O., S. 211 N. 19; FRITZSCHE/WALDER, a.a.O., S. 458 N. 10 Fn. 17). Auch im vorliegenden Fall ist die Verwertung der zuvor gepfändeten Gegenstände unmöglich geworden. Da es auf die Gründe, die dazu geführt haben, nach der Rechtsprechung gerade nicht ankommen kann, sind die Voraussetzungen einer Nachpfändung auch hier erfüllt. Sie war vorzunehmen, da die ursprüngliche Pfändung durch den Wegfall der strafrechtlichen Beschlagnahme nicht wieder auflebt.
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Sachverhalt ab Seite 60 BGE 119 Ia 59 S. 60 In der Volksabstimmung vom 8. Dezember 1991 nahmen die Stimmberechtigten des Kantons Zürich eine vom Kantonsrat beschlossene Änderung des Einführungsgesetzes zum Zivilgesetzbuch an, mit welcher das Darlehenswesen neu geregelt wird. Die neuen Bestimmungen sehen unter anderem einen Höchstzinssatz für Konsumkredite von 15% vor, während für die übrigen Kredite weiterhin der bisherige Höchstzinssatz von 18% gelten soll. Wörtlich lautet die entsprechende Bestimmung wie folgt: § 213. Kreditgeber dürfen an Kreditkosten höchstens 18% jährlich beziehen. Als Kreditkosten gelten, ungeachtet ihrer Bezeichnung, die Beträge, die der Kreditnehmer zusätzlich zum beanspruchten Kredit schuldet. Für Konsumkredite beträgt der Höchstsatz 15%. Unter das Konsumkreditgeschäft fallen sämtliche Rechtsgeschäfte, welche die Finanzierung von Waren und Dienstleistungen sowie die Gewährung von Geldkrediten umfassen, soweit sie für private Zwecke des Konsumenten bestimmt sind. Kreditkosten dürfen für Konsumkredite nicht im voraus bezogen werden. Mit Eingabe vom 24. Februar 1992 haben der Verband Schweizerischer Kreditbanken und Finanzierungsinstitute sowie die im Rubrum erwähnten Banken staatsrechtliche Beschwerde an das Bundesgericht erhoben. Sie beantragen, § 213 Abs. 2 Satz 1 EG ZGB (Reduktion der Höchstsatzes der Kreditkosten für Konsumkredite auf 15% p.a.) sei für ungültig zu erklären und aufzuheben. Die Beschwerdeführer machen geltend, kantonale Höchstzinsvorschriften verstiessen gegen die derogatorische Kraft des Bundesrechts (Art. 2 ÜbBest. BV), weil sie zivilrechtlicher Natur seien und infolgedessen nur vom Bundesgesetzgeber erlassen werden dürften. Selbst wenn es sich aber um öffentlichrechtliche Bestimmungen handle, liege ein Verstoss gegen Art. 2 ÜbBest. BV vor, weil im Bundeszivilrecht ein gewohnheitsrechtlicher Höchstzinssatz von 18% gelte. Damit bleibe kein Raum für kantonales Recht, auch wenn Art. 73 Abs. 2 OR eine öffentlichrechtliche Gesetzgebungsbefugnis gegen Missbräuche im Zinswesen vorbehalte. Missbräuche lägen überdies nur vor, wenn überhöhte Profite erzielt würden, was für Konsumkredite auch bei einem Zinssatz von 18% nicht der Fall sei. Der angefochtene Erlass verstosse weiter gegen die Handels- und Gewerbefreiheit, weil er prohibitiven Charakter habe und wirtschaftspolitischer Natur sei. Die Reduktion des Höchstzinssatzes sei weder geeignet noch erforderlich, um dem Schutz des Publikums vor übermässiger Kreditaufnahme zu dienen. Sie treffe die Konsumkreditinstitute in existentieller Weise und sei darum unzumutbar. BGE 119 Ia 59 S. 61 Schliesslich werde die Rechtsgleichheit verletzt, wenn für die Konsumkredite ein Höchstzinssatz von 15% gelte, für Kreditgeschäfte im allgemeinen aber 18%. Das Bundesgericht weist die staatsrechtliche Beschwerde ab Erwägungen aus folgenden Erwägungen: 2. a) Bundesrecht geht kantonalem Recht vor. Nach dem von den Beschwerdeführern angerufenen und in Art. 2 ÜbBest. BV enthaltenen Grundsatz der derogatorischen Kraft des Bundesrechts dürfen die Kantone kein Recht erlassen, das im Widerspruch zu Bundesrecht steht. In Sachgebieten, welche die Bundesgesetzgebung abschliessend geregelt hat, sind sie zur Rechtsetzung nicht befugt ( BGE 117 Ia 473 ; BGE 115 Ia 272 E. 12a; BGE 113 Ia 311 ). b) Gemäss Art. 64 BV steht dem Bund die Gesetzgebung auf dem Gebiete des Zivilrechts zu. Es handelt sich hiebei um eine ausschliessliche Zuständigkeit umfassender Art. Die Kantone dürfen nur soweit zivilrechtliche Bestimmungen erlassen, als das Bundesrecht ausdrücklich oder dem Sinne nach die Geltung kantonalen Rechts vorbehält ( BGE 117 Ia 331 E. 2b; BGE 113 Ia 311 ; BGE 85 I 20 ). Hingegen werden gemäss Art. 6 ZGB die öffentlichrechtlichen Befugnisse der Kantone durch das Bundeszivilrecht nicht beschränkt. Die Kantone können im öffentlichen Interesse Vorschriften aufstellen, welche die zivilrechtliche Ordnung ergänzen. Wo die Schranken der expansiven Kraft des öffentlichen Rechts liegen und welche zivilrechtlichen Vorschriften eine abschliessende Ordnung darstellen und Modifikationen durch Bestimmungen des kantonalen öffentlichen Rechts ausschliessen, lässt sich nicht in allgemeiner Form umschreiben. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist der Erlass öffentlichrechtlicher kantonaler Vorschriften in einem vom Bundeszivilrecht geregelten Bereich gestützt auf Art. 6 ZGB zulässig, sofern der Bundesgesetzgeber nicht eine abschliessende Ordnung geschaffen hat, die kantonalen Bestimmungen einem schutzwürdigen öffentlichen Interesse entsprechen und nicht gegen Sinn und Geist des Bundeszivilrechts verstossen ( BGE 114 Ia 355 E. 4a; BGE 113 Ia 141 E. 9a, 311 E. 3b; BGE 110 Ia 113 E. 3b). c) Neben dem allgemeinen Vorbehalt von Art. 6 ZGB zugunsten des kantonalen öffentlichen Rechts fällt vorliegend auch der besondere Vorbehalt von Art. 73 Abs. 2 OR in Betracht. Danach bleibt es dem öffentlichen Recht vorbehalten, Bestimmungen BGE 119 Ia 59 S. 62 gegen Missbräuche im Zinswesen aufzustellen. Die Bedeutung von Art. 73 Abs. 2 OR erschöpft sich - wie diejenige von Art. 6 Abs. 1 ZGB - nicht darin, bloss unechter Vorbehalt, d.h. deklaratorische Selbstverständlichkeit zu sein. Vielmehr gesteht die Bestimmung im Bereich der Zinsvorschriften dem kantonalen öffentlichen Recht bundesrechtlich eine expansive Kraft (HUBER, Berner Kommentar, N. 70 und 98 zu Art. 6 ZGB ), eine Unabhängigkeit vom Bundeszivilrecht (EGGER, Zürcher Kommentar, N. 16 zu Art. 6 ZGB ) zu. 3. Die Beschwerdeführer vertreten die Auffassung, Höchstzinsvorschriften seien zivilrechtlicher Natur und dürften schon aus diesem Grund vom kantonalen Gesetzgeber nicht erlassen werden. Die in der Rechtstheorie schillernde Abgrenzung des privaten vom öffentlichen Recht bricht sich indessen an der normativen Abgrenzung des positiven Rechts. Soweit der Bundesgesetzgeber eine Materie dem privaten oder dem öffentlichen Recht zuordnet, ist diese Zuordnung auch für den Rechtsanwender verbindlich und bleibt der Theorienstreit bedeutungslos (vgl. BGE 42 I 351 ; HUBER, a.a.O., N. 118 zu Art. 6 ZGB ). Art. 73 Abs. 2 OR weist die Gesetzgebung gegen die Missbräuche im Zinswesen ausdrücklich dem öffentlichen Recht zu. Insoweit bleibt kein Raum für die Annahme der Beschwerdeführer, es handle sich dennoch um Zivilrecht. 4. a) Nach Meinung der Beschwerdeführer ist im Bundesrecht abschliessend definiert, was im Zinswesen missbräuchlich sei. Es habe sich nämlich im Laufe der Jahrzehnte gewohnheitsrechtlich ein Maximalzinsfuss von 18% als diejenige Grenze herausgebildet, bis zu welcher Zinsen gefordert werden dürften und jenseits welcher der Missbrauch beginne (so auch GIGER, Kompetenzausscheidung zwischen Bund und Kantonen auf dem Gebiet der Gesetzgebung unter besonderer Berücksichtigung des Konsumkreditwesens, Zürich 1989, S. 67 f.). b) Gewohnheitsrecht ist ungeschriebenes, objektives Recht. Seine Entstehung setzt eine längere Zeit andauernde, ununterbrochene Übung voraus, welche auf der Rechtsüberzeugung sowohl der rechtsanwendenden Behörden als auch der vom angewendeten Grundsatz Betroffenen (opinio iuris et necessitatis) beruht. Erforderlich ist zudem, dass eine Lücke des geschriebenen Rechts vorliegt und ein unabweisliches Bedürfnis besteht, sie zu füllen ( BGE 105 Ia 5 , 84, je mit Hinweisen; RIEMER, Die Einleitungsartikel des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, Bern 1987, S. 58, § 4 N. 99; MEIER-HAYOZ, Berner Kommentar, N. 233 zu Art. 1 ZGB ). BGE 119 Ia 59 S. 63 c) Hat der Bundesgesetzgeber in Art. 73 Abs. 2 OR die Bekämpfung der Zinsmissbräuche dem öffentlichen Recht (des Bundes oder der Kantone) vorbehalten, so kann sich darüber kein bundesprivates Gewohnheitsrecht bilden. Eine Lücke, die es zu füllen gälte, besteht gerade nicht. Hat das Bundesprivatrecht bewusst auf eine Regelung verzichtet, enthält es ein qualifiziertes Schweigen, eine negative Norm, welche der Bildung von Gewohnheitsrecht Schranken setzt, da derogierendes Gewohnheitsrecht grundsätzlich unzulässig ist (MEIER-HAYOZ, a.a.O., N. 247 zu Art. 1 ZGB ; offengelassen in BGE 115 II 411 ). Bereits aus diesem Grund lässt sich die namentlich von GIGER (a.a.O.) vertretene Auffassung nicht halten, der Maximalzinsfuss sei bundesprivatrechtlich durch Gewohnheitsrecht auf 18% bestimmt. Entgegen der von diesem Autor gegebenen Begründung wird diese Meinung denn auch weder in der herrschenden wissenschaftlichen Lehre noch in der bundesgerichtlichen Rechtsprechung vertreten. Der von GIGER zitierte WEBER (Berner Kommentar, N. 133 zu Art. 73 OR ) hält ausdrücklich fest, das Bundeszivilrecht sehe keinen Höchstzinsfuss vor, führt aber an, im Rahmen der seinerzeitigen Vorlage für ein Konsumkreditgesetz habe der Bundesrat die Absicht bekundet, sich an die "gewohnheitsrechtliche Grenze von 18%" halten zu wollen (a.a.O., N. 134). Die Botschaft des Bundesrates spricht allerdings bloss von einer "beinahe zu Gewohnheitsrecht gediehenen Höchstgrenze von 18 Jahresprozenten" (BBl 1978 II 567), wobei sie sich auf BGE 93 II 189 beruft, welchem Entscheid eine solche Auffassung aber nicht zu entnehmen ist. Das Bundesgericht hatte damals einzig zu beurteilen, ab welchem Mass ein Kreditzins gegen die guten Sitten ( Art. 20 OR ) verstosse. Es erachtete es dabei als bundesrechtskonform, zum Vergleich das Interkantonale Konkordat vom 8. Oktober 1957 über Massnahmen zur Bekämpfung von Missbräuchen im Zinswesen (SR 221.121.1) beizuziehen, welches einen entsprechenden Höchstzinssatz kennt. Das heisst indessen nicht, dass Bundesgericht habe diesem Satz gewohnheitsrechtliche Verbindlichkeit beigemessen. d) Besteht aber mangels zu füllender Lücke im Obligationenrecht kein Raum für bundesprivates Gewohnheitsrecht, könnte sich solches höchstens als öffentliches, kantonales oder eidgenössisches Gewohnheitsrecht bilden. Indessen liegt auch hier eine Lücke nicht vor. Zahlreiche Kantone haben, sei es autonom oder konkordatsrechtlich, entsprechende gesetzliche Vorschriften erlassen (WEBER, a.a.O., N. 137 ff. zu Art. 73 OR ; SCHRANER, Zürcher Kommentar, BGE 119 Ia 59 S. 64 N. 100 ff. zu Art. 73 OR ), so namentlich der Kanton Zürich in § 213 EG ZGB in der Fassung vom 22. November 1942. Unter solchen Umständen kann Gewohnheitsrecht, welches zwingend subsidiär ist, nicht entstehen (vgl. BGE 105 Ia 6 ; 115 IV 266 ). Die primäre Rechtsquelle des Gesetzes bleibt ausschliesslich anwendbar. Sie wird auch nicht etwa einer durch ihren Rechtsbestand bewirkten langjährigen Rechtsüberzeugung wegen gewohnheitsrechtlich zementiert und damit unabänderlich. Die gegenteilige Auffassung würde von vornherein jeder Praxisänderung zu einer langjährigen Gesetzesauslegung entgegenstehen, was indessen nicht zu vertreten ist (RIEMER, a.a.O., S. 59, § 4 N. 102). Wo gesetztes Recht besteht, bleibt Raum weder für abweichendes noch für bestätigendes Gewohnheitsrecht. e) Entgegen der Meinung der Beschwerdeführer ändert auch das Preisüberwachungsgesetz vom 20. Dezember 1985 (PüG; SR 942.20) nichts daran, dass die Kantone zur Missbrauchsgesetzgebung im Zinswesen befugt bleiben. Das Preisüberwachungsgesetz ist wettbewerbspolitisch ausgerichtet. Es erfasst Missbräuche, welche auf Marktmacht von Kartellen oder kartellähnlichen Organisationen zurückgehen (vgl. Art. 2 und 12 PüG ). Damit wird aber die Spannweite möglicher Missbräuche nicht abgedeckt. Wie es sich bei einem allfälligen Inkrafttreten eines Bundesgesetzes über den Konsumkredit (Botschaft des Bundesrates, BBl 1993 I 915 ff.) verhält, ist hier nicht zu beurteilen. 5. a) Besteht im Bundesrecht keine abschliessende Regelung, so stellt sich weiter die Frage, ob die Festsetzung eines Höchstzinsfusses auf 15% einem schutzwürdigen öffentlichen Interesse entspricht und mit Sinn und Geist des Bundeszivilrechts vereinbar sei. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen für die expansive Kraft des kantonalen öffentlichen Rechts ist durch das Bundeszivilrecht selbst anerkannt, soweit der Rahmen des besonderen Vorbehalts von Art. 73 Abs. 2 OR , welcher sich auf den Missbrauch im Zinswesen bezieht, gewahrt bleibt (HUBER, a.a.O., N. 211 zu Art. 6 ZGB ). b) Die Beschwerdeführer sind der Meinung, Missbrauch im Zinswesen könne nur vorliegen, wenn der Darleiher überhöhte Profite erwirtschafte. Das sei aber im Konsumkreditwesen auch bei einem Zinssatz von 18% nicht der Fall. Sie verweisen auf ein Gutachten des Instituts für Bankwirtschaft an der Hochschule St. Gallen, wonach die Gewinnschwelle des durchschnittlichen Konsumkreditanbieters im Jahre 1988 bei Refinanzierungskosten von damals 3,3% bei 10,4% gelegen habe. Da die Refinanzierungskosten seit 1988 um 4-5% gestiegen seien, liege heute (Zeitpunkt der Beschwerdeeinreichung: BGE 119 Ia 59 S. 65 Februar 1992) die Gewinnschwelle bei 15%. (In der Zwischenzeit dürften die Kosten, die behauptete Steigerung unterstellt, wieder gesunken sein.) Der Regierungsrat hält diesen Angaben entgegen, die Konsumkreditinstitute würden sich vorwiegend über Sparhefte und Kassenobligationen refinanzieren. Die Zinsen für Sparhefte lägen (Stand September 1992, d.h. noch vor der jüngsten Zinsentspannung) zwischen 5 und 6,5%, diejenigen für Kassenobligationen zwischen 6,75 und 7,75%. Das erlaube auch bei einer Höchstkostengrenze von 15% eine gewinnbringende Ausübung des Konsumkreditgewerbes. c) Es stellt sich allerdings die Frage, ob sich der Vorbehalt zugunsten des öffentlichen Rechts auf die Verhinderung von überhöhten Profiten beschränkt. Das Bundesgericht hatte in BGE 69 I 171 zu beurteilen, ob der damalige Höchstzinssatz von 18% im Kanton Zürich mit der derogatorischen Kraft des Bundesrechts vereinbar sei. Es hat dabei unter Missbräuchen im Zinswesen die Ausbedingung wucherischer oder offensichtlich übermässiger Zinsen verstanden, wobei allerdings zwischen einem älteren und einem moderneren Wucherbegriff unterschieden werden müsse. Während der letztere auf die wirtschaftliche Angemessenheit abstelle, habe historisch als wucherisch schon die Ausbedingung von Zinsen überhaupt oder aber die Überschreitung eines gesetzlich festgelegten Zinsmaximums gegolten. Die aufgrund des Vorbehalts von Art. 73 Abs. 2 OR statuierten Zinsmaxima basierten auf diesem älteren Wucherbegriff, was den Vorteil der Einfachheit habe und die Bekämpfung des Wuchers erleichtere. Damit würden zwar zwangsläufig auch Geschäfte getroffen, welche wirtschaftlich betrachtet - etwa bei kleineren Krediten mit vergleichsweise hohen Unkosten - nicht zu beanstanden wären. Weil das aber unvermeidlich sei, wenn die festgelegte Schranke nicht wirkungslos bleiben solle, könne ein vom kantonalen Gesetzgeber statuiertes Zinsmaximum erst dann als zu niedrig und mit Art. 73 Abs. 2 OR unvereinbar erscheinen, wenn damit unnötigerweise auch Darlehensgeschäfte mit normalen einwandfreien Vergütungen getroffen würden. d) Wird auf die Kostenberechnungen der Beschwerdeführer abgestellt, so könnte zweifelhaft erscheinen, ob der vom Gesetzgeber des Kantons Zürich neu festgelegte Höchstzinssatz von 15% nicht im Übermass Geschäfte trifft, welche wirtschaftlich betrachtet nicht beanstandet werden könnten. Indessen ist zu beachten, dass die Höhe des Gewinns im Konsumkreditgeschäft von verschiedenen Faktoren abhängig ist, unter anderem von den Inkassokosten und den BGE 119 Ia 59 S. 66 Debitorenverlusten, welche grundsätzlich der Steuerung durch die Praxis der Kreditgewährung zugänglich sind. Was im Zinswesen missbräuchlich ist, kann daher nicht allein von den konkreten Kostenstrukturen des jeweiligen Darlehensgebers abhängig sein und auch nicht von den Kostenstrukturen der Branche insgesamt. Der Zürcher Gesetzgeber reduzierte den Höchstzinssatz aber nicht nur deshalb, weil er Kreditkosten, welche 15% übersteigen, als unangemessen und aus diesem Grund als missbräuchlich erachtete. Es ging ihm auch darum, Konsumkreditnehmer vor übermässiger Verschuldung zu schützen. In der Vernehmlassung an das Bundesgericht führt der Regierungsrat dazu aus, der Konsumkredit ermögliche es breiten Schichten, jederzeit sofort in den Genuss von Gütern und Dienstleistungen zu gelangen, ohne gleichzeitig den vollen Gegenwert aufbringen zu müssen. Die Möglichkeit, über die vorhandene Kaufkraft hinaus zu konsumieren, könne den Verbraucher verleiten, sich zunehmend mit Schulden zu belasten und so in Abhängigkeit von fremden Mitteln zu geraten. Die Verschuldung könne für den einzelnen zu Schwierigkeiten führen, die sich auf Familie und Gesellschaft nachteilig auswirken würden. In dieser Perspektive war für den Gesetzgeber, wie den parlamentarischen Voten entnommen werden kann, die Überzeugung wegleitend, dass bei tieferen Höchstzinssätzen die Bonität der Kreditnehmer sorgfältiger geprüft und so verhindert werde, dass diese sich über ihre Möglichkeiten hinaus belasten und verschulden würden. Als missbräuchlich wird damit ein 15% übersteigender Zins nicht allein wegen Inadäquanz von Leistung und Gegenleistung betrachtet, sondern auch deshalb, weil die Einräumung eines Kredites, welcher die Verzinsungs- und Amortisationsmöglichkeiten übersteigt, sozial schädliche Folgen hat. e) Die Problematik der Überschuldung in die Beurteilung einzubeziehen, ist mit Art. 73 Abs. 2 OR vereinbar. Werden Darlehen nur gewährt, wenn die Bonität ausser Zweifel steht, so erscheint ein Zins von 15% selbst bei hohen Refinanzierungskosten (wie sie in den letzten Jahren aufgetreten sind, heute aber nicht mehr bestehen) als genügend. Ein höherer Zinssatz kann insoweit als missbräuchlich erklärt werden. Es ist bezeichnend, dass die Beschwerdeführer selbst auf die im Konsumkreditgeschäft hohen Aufwendungen im Bereich des Inkassowesens hinweisen. Diese muss der Gesetzgeber, genau gleich wie auch den hohen Werbeaufwand der Branche, nicht als unabänderlich hinnehmen. Er darf bei Festsetzung des Maximalzinses davon ausgehen, dass die finanziellen Möglichkeiten beim Darlehensnehmer mit grösster Sorgfalt geprüft und Kredite mit Zurückhaltung BGE 119 Ia 59 S. 67 gewährt werden. Damit wird auch verhindert, dass Darlehensnehmer, die in der Lage und bereit sind, Zins und Amortisation fristgerecht zu leisten, an die Kosten beitragen müssen, welche durch den Abschluss von zweifelhaften Geschäften verursacht werden. Natürlich könnte - von einem rein wirtschaftlichen Standpunkt aus - der Abschluss eines Geschäftes mit hohem Bonitätsrisiko einen 15% weit übersteigenden Zins rechtfertigen. Der Gesetzgeber kann aber gerade solche Geschäfte als missbräuchlich betrachten, weil sie beim Darlehensnehmer zur Überschuldung führen und die Gewährung von Krediten verteuern. Schliesslich bleibt anzuführen, dass Art. 73 Abs. 2 OR den Kantonen für die Festsetzung des Maximalzinsfusses Spielraum lässt und nicht schon von Bundesrechts wegen bestimmt ist, ob die Missbrauchsgrenze bei 15 oder 18% anzusetzen ist. Der Grundsatz der derogatorischen Kraft des Bundesrechts ist aus diesen Gründen nicht verletzt. f) Daran würde sich auch nichts ändern, wenn man der Auffassung wäre, Art. 73 Abs. 2 OR verstehe als missbräuchlich einzig die Inadäquanz von Leistung und Gegenleistung zulasten des Darlehensnehmers, während die Zielsetzung, der Überschuldung entgegenzuwirken, über den Rahmen dieses besonderen Vorbehalts für das öffentliche Recht hinausgehe. Diesfalls wäre im Lichte von Art. 6 ZGB zu entscheiden, ob eine Verletzung der derogatorischen Kraft des Bundesrechts vorliegt. Bedeutung käme dabei der Frage zu, ob es sich bei der getroffenen Regelung um öffentliches Recht handelt. Das ist - anders als beim besonderen Vorbehalt von Art. 73 Abs. 2 OR - nicht schon vom Bundesgesetzgeber selbst entschieden. Es ist indessen gerade dann unproblematisch, die Regelung von § 213 EG ZGB als öffentliches Recht und nicht als Privatrecht zu qualifizieren, wenn damit nicht ein Ausgleich der Interessen von Kreditgeber und -nehmer (Adäquanz des Leistungsverhältnisses) angestrebt, sondern der Überschuldung breiter Kreise der Bevölkerung entgegengewirkt werden soll. Ebenso sind die weiteren Voraussetzungen für die expansive Kraft des kantonalen öffentlichen Rechts ohne weiteres gegeben. 6. a) Die Beschwerdeführer machen weiter geltend, die Herabsetzung des Maximalzinsfusses verstosse gegen die Handels- und Gewerbefreiheit. Auf dieses Grundrecht können sie sich berufen, denn die Ausübung einer Tätigkeit zum Zweck, einen Gewinn zu erzielen, fällt grundsätzlich in dessen Schutzbereich. Die Kantone dürfen die Handels- und Gewerbefreiheit indessen beschränken, denn Art. 31 Abs. 2 BV behält kantonale Bestimmungen über die BGE 119 Ia 59 S. 68 Ausübung von Handel und Gewerben vor. Zulässig sind neben polizeilich motivierten Massnahmen namentlich auch sozialpolitisch begründete Einschränkungen. Sie bedürfen einer gesetzlichen Grundlage, müssen durch ein überwiegendes öffentliches Interesse gerechtfertigt sein und die Grundsätze der Verhältnismässigkeit sowie der Rechtsgleichheit (namentlich im Sinne der Wettbewerbsneutralität) achten ( BGE 118 Ia 167 E. 1 mit Hinweisen). b) Die gesetzliche Grundlage steht vorliegend nicht in Frage, wird diese doch mit dem angefochtenen Erlass gerade geschaffen. Bei der Herabsetzung des Höchstzinssatzes auf 15% handelt es sich - wie bereits dargestellt - um eine vorwiegend sozialpolitisch motivierte Massnahme. Diese liegt ohne weiteres im öffentlichen Interesse, soweit sie darauf abzielt, eine übermässige Verschuldung der Darlehensnehmer zu vermeiden. Eine andere Frage ist es, ob die getroffene Massnahme geeignet und erforderlich ist, das angestrebte Ziel zu erreichen, das heisst, ob sie mit dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit vereinbar sei. c) Die Beschwerdeführer machen geltend, die Zielsetzung des Gesetzgebers, nämlich eine verbesserte Prüfung der Bonität und eine zurückhaltendere Praxis bei der Gewährung von Darlehen, lasse sich mit der getroffenen Massnahme nicht erreichen. Ganz im Gegenteil hätten tiefere Zinsmaxima zur Folge, dass die Kreditwürdigkeit gar nicht mehr geprüft würde, um die damit zusammenhängenden Kosten zu vermeiden. Bei tieferen Zinssätzen sei überdies der Anreiz zur Verschuldung des Konsumenten grösser. Für die Annahme des Gesetzgebers, dass bei tieferen Maximalzinssätzen die finanziellen Möglichkeiten beim Darlehensnehmer sorgfältiger geprüft und Bonitätsrisiken zurückhaltender eingegangen würden, bestehen allerdings gute Gründe, denn damit können die Debitorenverluste und insbesondere auch die Inkassokosten gesenkt werden. Insoweit erscheinen die getroffenen Massnahmen zur Erreichung des gesetzlichen Ziels, nämlich der Überschuldung entgegenzuwirken, als geeignet. Es ist allerdings grundsätzlich festzuhalten, dass sich künftiges Verhalten der Wirtschaftssubjekte nicht mit Sicherheit vorherbestimmen lässt; daher ist auch nicht gänzlich auszuschliessen, dass die Herabsetzung des Maximalzinsfusses die von den Beschwerdeführern prognostizierte Wirkung haben könnte. Es liegt aber am Gesetzgeber, gegebenenfalls die nötigen Anpassungen vorzunehmen. Die blosse Möglichkeit, dass getroffene Massnahmen nicht die erwünschte Wirkung zeitigen werden, reicht nicht aus, ein Gesetz als verfassungswidrig zu erklären. BGE 119 Ia 59 S. 69 Soweit die Beschwerdeführer geltend machen, die Herabsetzung des Höchstzinses sei zur Erreichung des gesetzgeberischen Ziels nicht erforderlich, legen sie nicht dar, welche milderen Mittel dem Gesetzgeber zur Verfügung stünden. d) Schliesslich tragen die Beschwerdeführer unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismässigkeit vor, ein Maximalzins von 15% treffe die Konsumkreditinstitute in existentieller Weise und sei deshalb unzumutbar. Sie vermögen das aber nicht nachzuweisen. Soweit sie geltend machen, ein Gewinn könne erst ab einem Zinssatz von 15% erzielt werden, basieren diese Vorbringen auf den gegenwärtigen Kostenstrukturen der Branche, welche - wie bereits dargelegt - nicht als unabänderlich zugrundegelegt werden können. Es liegt in der Verantwortung der Unternehmen, bei veränderten Rahmenbedingungen, wie dies eine Neufestlegung des Höchstzinssatzes ist, die nötigen Anpassungen bei der Gewährung von Krediten vorzunehmen und die Geschäftspraxis entsprechend zu ändern. Wirtschaftspolitischer Natur ist die Änderung des Höchstzinssatzes deshalb nicht. Sie betrifft die Konsumkredite insgesamt und ist wettbewerbsneutral. Nicht auszuschliessen ist freilich, dass der Höchstsatz von 15% verfassungsrechtliche Probleme aufwerfen könnte, wenn das allgemeine Zinsniveau steigen würde und die Refinanzierungskosten deshalb erheblich höher veranschlagt werden müssten, als dies bisher der Fall war. Diese Problematik ist aber nicht eine solche des von den Beschwerdeführern beanstandeten Satzmasses, sondern des fixen Maximalsatzes schlechthin. Rechtspolitisch mag deshalb eine flexiblere Lösung vorzuziehen sein. So könnte die Festlegung des jeweils massgebenden Maximalsatzes beispielsweise an die Exekutive delegiert werden, welche ihren Entscheid an einem Leitsatz auszurichten hätte. Indessen sind die Kantone auf ein solches Vorgehen verfassungsrechtlich nicht verpflichtet; mit starren Sätzen laufen sie lediglich Gefahr, dass ihre Regelung verfassungswidrig und damit unbeachtlich werden könnte, sofern sie nicht in der Lage sind, bei erheblich verändertem Zinsgefüge ihre Gesetzgebung anzupassen. 7. Die Beschwerdeführer rügen schliesslich eine Verletzung des Gebots der Rechtsgleichheit, weil für kommerzielle Kredite weiterhin ein Höchstsatz von 18% gilt und weil dieser Satz in anderen Kantonen weiterhin auch für Konsumkredite massgebend sei. Indessen führt der Regierungsrat mit Recht aus, dass bei kommerziellen Krediten das Bedürfnis des Sozialschutzes nicht gegeben ist; das rechtfertigt die vorgenommene Differenzierung. Kantonal BGE 119 Ia 59 S. 70 unterschiedliche Lösungen sind sodann die Folge davon, dass im Bundesrecht bisher eine Regelung der Problematik unterblieben ist. Gesetze, die im Rahmen der kantonalen Kompetenzen erlassen werden, sind nicht deshalb verfassungswidrig, weil andere Kantone anders oder gar nicht legiferiert haben.
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Sachverhalt ab Seite 29 BGE 86 IV 29 S. 29 A.- Am 31. Dezember 1958 fuhr Schwager mit einem Lastwagen über das Areal des Güterbahnhofes Zürich. Als er sein Fahrzeug wendete, um rückwärts gegen die Güterhalle zu fahren und dort Waren zum Transport abzuliefern, stiess er mit dem Rollerfahrer Wiesmann zusammen. Das Areal des Güterbahnhofes ist teils durch einen Zaun, teils durch die an der Hohlstrasse liegenden Gebäude eingeschlossen. Die Zufahrt wird durch zwei an jedem Ende des Areals liegende Tore ermöglicht, an denen Tafeln mit der Aufschrift: "Bahnpolizeilich Durchgangsverkehr verboten" angebracht sind. B.- Der Polizeirichter der Stadt Zürich büsste Schwager am 12. März 1959 wegen Übertretung von Art. 48 Abs. 3 MFV mit Fr. 25.-. Schwager verlangte gerichtliche Beurteilung. Der Einzelrichter des Bezirksgerichts Zürich sprach mit Urteil vom 9. Oktober 1959 Schwager von der ihm zur Last gelegten Übertretung frei mit der Begründung, das Areal des Güterbahnhofes Zürich sei keine "dem Motorfahrzeug oder dem Fahrrad geöffnete Strasse" im Sinne von Art. 1 Abs. 1 zweiter Halbsatz MFG. Die Verkehrsvorschriften BGE 86 IV 29 S. 30 des MFG seien daher auf diesem Areal nicht anwendbar, weshalb Schwager nicht wegen Verletzung von Art. 48 MFV bestraft werden könne. C.- Gegen diesen Entscheid führt der Polizeirichter der Stadt Zürich Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil sei aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Schwager beantragt unter Hinweis auf die Erwägungen des angefochtenen Urteils, die Beschwerde sei abzuweisen. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: 1. Das MFG regelt nach Art. 1 Abs. 1 die Verwendung von Motorfahrzeugen und Fahrrädern im öffentlichen Verkehr (vgl. die Art. 5 bis 16 MFG und 7 bis 36 MFV), und es stellt Verkehrsvorschriften auf für die Benützer der dem Motorfahrzeug oder dem Fahrrad geöffneten Strassen (Art. 17 bis 36 MFG und 37 bis 76 MFV). Die beiden Ausdrücke "im öffentlichen Verkehr" ("sur la voie publique") und "dem Motorfahrzeug oder dem Fahrrad geöffnete Strassen" ("routes ouvertes aux véhicules automobiles ou aux cycles") besagen das gleiche: Die Bestimmungen des MFG gelten nur für den Verkehr auf öffentlichen Strassen. Das Verhalten des Beschwerdegegners ist daher nach dem MFG (bzw. der MFV) zu beurteilen, wenn das Areal des Güterbahnhofes Zürich als öffentliche Strasse im Sinne von Art. 1 Abs. 1 MFG zu betrachten ist. 2. Rechtsprechung und Literatur stimmen darin überein, dass der Begriff der öffentlichen Strasse im Sinne des MFG weit ausgelegt werden muss, wenn die Sicherheitsvorschriften des Gesetzes ihren Zweck erfüllen sollen ( BGE 63 II 212 lit. a; STREBEL, Note 15 zu Art. 1 MFG). Auch Plätze, Brücken, Unterführungen usw. sind daher als Strassen anzuerkennen. Gleichgültig ist ferner, ob die Strasse in öffentlichem oder privatem Eigentum steht. Entscheidend ist die Art und Weise ihres Gebrauches: Dem MFG unterstehen alle Strassen, die tatsächlich der BGE 86 IV 29 S. 31 Allgemeinheit zum Verkehr mit Motorfahrzeugen oder Fahrrädern geöffnet sind. Den öffentlichen Charakter verliert eine Strasse selbst dann nicht, wenn sie nur unter gewissen Einschränkungen (z.B. nur als Fahrradweg) oder nur für bestimmte Zwecke (Kirch- oder Schulweg), zu diesem beschränkten Gebrauche aber von jedermann benützt werden darf. In allen diesen Fällen ist der Kreis der Benützer unbestimmbar und damit das Schutzbedürfnis der Öffentlichkeit gegeben. Von diesem weitgefassten Begriff der öffentlichen Strasse abzugehen, rechtfertigt sich umso weniger, als er auch dem neuen Strassenverkehrsgesetz zu Grunde gelegt worden ist. So führte der Bundesrat in seiner Botschaft zum Gesetzesentwurfe aus, öffentlich sei eine Strasse, die von jedermann benützt werden könne, selbst wenn sie nicht allen Verkehrsarten offen stehe; auch der Fahrradweg sei öffentlich, sofern jeder beliebige Radfahrer ihn benützen dürfe (Bundesblatt 1955 II S. 8/9). Und bei den Gesetzesberatungen im Nationalrat erklärte der deutsche Berichterstatter, entscheidend für den öffentlichen Charakter einer Strasse sei die Tatsache des allgemeinen Gebrauches, "die faktische Benützungsmöglichkeit durch jedermann unter für alle gültigen Voraussetzungen". Im Interesse des Publikums dürfe Art. 1 Abs. 1 StrV nicht einschränkend interpretiert werden. Im gleichen Sinne äusserte sich der französische Berichterstatter (StenBull NatR 1956 S. 322). Entsprechend legen auch die deutsche Lehre und Rechtsprechung den Begriff des "öffentlichen Weges" aus. Sie erklären das StVG anwendbar auf jede Strasse, die "von einem nicht durch persönliche Beziehungen untereinander zusammenhängenden Personenkreis... ohne weiteres oder auch nach Erfüllung gewisser Bedingungen (Gebühr), wenn auch nur beschränkt, benützt wird" (vgl. MÜLLER, Strassenverkehrsrecht, 21. Aufl., S. 138). 3. Aus diesen Überlegungen folgt, dass das Areal des Güterbahnhofes Zürich unter den Begriff der öffentlichen BGE 86 IV 29 S. 32 Strassen im Sinne des MFG fällt. Zwar ist es eingezäunt, der Durchgangsverkehr ist verboten, und der Zutritt ist allen Fahrzeugen verwehrt, die nicht Waren abzuholen oder zum Transport aufzugeben haben. Zu diesem beschränkten Zwecke aber darf jeder Kunde der SBB - also ein unbestimmmbarer Personenkreis - das Areal des Güterbahnhofes benützen. Das genügt, um aus dieser Verkehrsfläche eine öffentliche Strasse im Sinne des MFG zu machen. Ob nach den gleichen Grundsätzen die Vorschriften des MFG auch Anwendung zu finden haben auf private Parkplätze von Gaststätten, auf Fabrikareale und dergl., braucht hier nicht entschieden zu werden. Hat sich die Kollision, an der Schwager beteiligt ist, auf einer öffentlichen Strasse ereignet, so hat es die Vorinstanz zu Unrecht abgelehnt, sein Verhalten nach den Bestimmungen des MFG zu überprüfen. Das Urteil ist daher aufzuheben und die Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Sachverhalt ab Seite 379 BGE 140 II 378 S. 379 Am 21. Juni 1962 erteilte die Gemeinde St. Moritz die Bewilligung zur Erstellung eines viergeschossigen Mehrfamilienhauses auf Parzelle Nr. x an der Via N. Das Dachgeschoss wurde als Estrich bewilligt. Am 6. Februar 2013 ersuchte A. die Gemeinde um die Bewilligung für den Umbau des bestehenden Aufenthaltsraumes im Dachgeschoss als Studio. Mit Baubescheid vom 15. April 2013 wies der Gemeindevorstand das Baugesuch ab, weil es im Widerspruch zu Art. 75b BV stehe. Dagegen erhob A. am 16. Mai 2013 Beschwerde an das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden. Dieses hiess die Beschwerde am 26. November 2013 gut, hob den Baubescheid auf und wies die Angelegenheit zur Weiterführung des Baubewilligungsverfahrens im Sinne der Erwägungen und zum Erlass eines neuen Baubescheids an die Gemeinde zurück. BGE 140 II 378 S. 380 Gegen den verwaltungsgerichtlichen Entscheid hat die Gemeinde St. Moritz am 4. Februar 2014 Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beim Bundesgericht erhoben. Das Bundesamt für Raumentwicklung (ARE) kommt in seiner Vernehmlassung zum Ergebnis, dass die geplante Erweiterung der bestehenden Zweitwohnung in den Bereich des bewilligten Estrichs die Bruttogeschossfläche vergrössere und damit den bundesrechtlichen Bestimmungen über Zweitwohnungen widerspreche. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut, hebt den angefochtenen Entscheid auf und bestätigt den Baubescheid der Gemeinde St. Moritz vom 15. April 2013. (Zusammenfassung) Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. (...) 1.2 Die Gemeinde ist durch den angefochtenen Entscheid als Baubewilligungsbehörde und damit als Trägerin hoheitlicher Gewalt berührt; sie ist daher befugt, mit Beschwerde eine Verletzung ihrer Gemeindeautonomie geltend zu machen ( Art. 89 Abs. 2 lit. c BGG ). Ob ihr im fraglichen Bereich Autonomie zusteht, ist eine Frage der Begründetheit der Beschwerde (vgl. nicht publ. E. 2). Die Gemeinde ist aber auch legitimiert, gestützt auf Art. 89 Abs. 1 BGG Beschwerde zu erheben. Denn Art. 197 Ziff. 9 Abs. 2 BV sieht vor, dass Baubewilligungen für Zweitwohnungen, die zwischen dem 1. Januar des auf die Annahme von Artikel 75b BV folgenden Jahres und dem Inkrafttreten der Ausführungsbestimmungen erteilt werden, nicht nur anfechtbar, sondern sogar nichtig sind. Es wäre der Autorität der Gemeinde als Bau- und Planungsbehörde abträglich, wenn sie gezwungen wäre, Verfügungen zu erlassen, die ihrer Ansicht nach nichtig sind, d.h. denen jede Verbindlichkeit und Rechtswirksamkeit abgeht und deren Nichtigkeit jederzeit und vor sämtlichen staatlichen Instanzen geltend gemacht werden könnte. Sie ist daher befugt, geltend zu machen, dass die streitige Baubewilligung wegen Verletzung von Art. 75b BV i.V.m. Art. 197 Ziff. 9 Abs. 2 BV und Art. 8 Abs. 2 der Verordnung vom 22. August 2012 über Zweitwohnungen (SR 702; im Folgenden: ZweitwohnungsV) nichtig wäre. (...) 4. Art. 75b Abs. 1 BV bestimmt, dass der Anteil von Zweitwohnungen am Gesamtbestand der Wohneinheiten und der für Wohnzwecke genutzten Bruttogeschossfläche einer Gemeinde auf höchstens BGE 140 II 378 S. 381 20 Prozent beschränkt ist. Baubewilligungen für Zweitwohnungen, die zwischen dem 1. Januar des auf die Annahme von Art. 75b BV folgenden Jahres und dem Inkrafttreten der Ausführungsbestimmungen erteilt werden, sind nichtig ( Art. 197 Ziff. 9 Abs. 2 BV ). 4.1 Der Bundesrat hat am 22. August 2012 die ZweitwohnungsV erlassen. Im Erläuternden Bericht des ARE vom 17. August 2012 wird ausgeführt, dass es aufgrund der sehr einscheidenden Nichtigkeitsfolge ein legitimes Bedürfnis gebe, für die Zeit bis zum Erlass des Ausführungsgesetzes einheitlich durch den Bund zu klären, welche Fälle von Baubewilligungen überhaupt von Art. 75b BV und damit auch von der Nichtigkeitsfolge gemäss Art. 197 Ziff. 9 Abs. 2 BV erfasst seien und welche nicht. Der Bund stützte sich hierfür auf seine Befugnis zum "Vollzug der Gesetzgebung" nach Art. 182 Abs. 2 BV . In der Literatur ist umstritten, ob der Bundesrat schon vor Ablauf der zweijährigen Übergangsfrist gemäss Art. 197 Ziff. 9 Abs. 1 BV zur Vollziehung der neuen Verfassungsbestimmung befugt war (contra ALAIN GRIFFEL, Die Umsetzung der Zweitwohnungsinitiative, eine Zwischenbilanz, ZBl 115/2014 S. 69 ff. mit Hinweisen; pro BERNHARD WALDMANN, Die Zweitwohnungsverordnung, Jusletter 10. Dezember 2012 N. 5 f; derselbe , Zweitwohnungen - vom Umgang mit einer sperrigen Verfassungsnorm, in: Schweizerische Baurechtstagung 2013, S. 123 ff., 129). Inzwischen ist die in Art. 197 Ziff. 9 Abs. 1 BV statuierte Übergangsfrist abgelaufen, ohne dass ein Ausführungsgesetz in Kraft getreten ist. Der Bundesrat ist nunmehr befugt, die nötigen Ausführungsbestimmungen über Erstellung, Verkauf und Registrierung im Grundbuch durch Verordnung zu regeln. Am 19. Februar 2014 hat der Bundesrat den Entwurf eines Zweitwohnungsgesetzes (E-ZWG) und die dazugehörige Botschaft beschlossen (Botschaft vom 19. Februar 2014 zum Bundesgesetz über Zweitwohnungen, BBl 2014 2287 ff.). Bis zum Inkrafttreten des Gesetzes soll die geltende Zweitwohnungsverordnung vom 22. August 2012 in Kraft bleiben (Botschaft, S. 2290 Ziff. 1.1; Art. 9 Abs. 2 ZweitwohnungsV). Verfügt der Bundesrat seit dem 12. März 2014 über eine verfassungsrechtliche Ermächtigung zum Erlass von Ausführungsbestimmungen in Form einer Verordnung, so bestehen aus kompetenzrechtlicher Sicht keine Bedenken mehr gegen die ZweitwohnungsV. Es wäre überspitzt formalistisch, vom Bundesrat zu verlangen, die ZweitwohnungsV ein zweites Mal zu erlassen, diesmal gestützt auf BGE 140 II 378 S. 382 Art. 197 Ziff. 9 Abs. 1 BV . Die geltende Verordnung ist daher bis zum Inkrafttreten des Zweitwohnungsgesetzes anzuwenden, sofern sie den Anwendungsbereich von Art. 75b BV in zulässiger Weise präzisiert. 4.2 Art. 3 ZweitwohnungsV trägt die Überschrift "Bestehende Wohnungen und Hotels". Diese Bestimmung regelt jedoch lediglich die Umnutzung von am 11. März 2012 bereits bestehenden oder rechtskräftig bewilligten Wohnungen, von Erst- zu Zweitwohnungen und umgekehrt, in der Grenze der vorbestandenen, anrechenbaren Bruttogeschossfläche. Nicht geregelt ist der vorliegend streitige Fall des Um- bzw. Ausbaus einer Zweitwohnung, die weiterhin als Zweitwohnung genutzt werden soll. Insoweit bleibt es daher bei der Übergangsregelung gemäss Art. 197 Ziff. 9 Abs. 2 BV . 5. Art. 197 Ziff. 9 Abs. 2 BV enthält ein vorsorgliches Baubewilligungsverbot, das im Ergebnis (wenn auch nicht in der Rechtsfolge, vgl. Urteil 1C_88/2014 E. 4.2) einer Planungszone gleichkommt. Es ist weit auszulegen, um eine Präjudizierung der künftigen Ausführungsgesetzgebung zu vermeiden ( BGE 139 II 243 E. 10.5 S. 257). Darunter fallen alle baubewilligungspflichtigen Tatbestände, deren Vereinbarkeit mit Art. 75b Abs. 1 BV zweifelhaft erscheint und daher vom Gesetzgeber geregelt werden müssen. 5.1 Art. 75b BV beschränkt nicht nur den Zweitwohnungsanteil am Gesamtbestand der Wohneinheiten, sondern auch an der für Wohnzwecke genutzten Bruttogeschossfläche einer Gemeinde. Wie das ARE zutreffend darlegt, ist davon auszugehen, dass dieser Begriff künftig bundeseinheitlich geregelt wird und sich nicht zwangsläufig mit der nach dem kantonalen bzw. kommunalen Recht anrechenbaren Bruttogeschossfläche decken wird. 5.2 Die Auslegung des ARE, wonach auf die Hauptnutzungsflächen gemäss SIA-Norm 416 abzustellen sei, d.h. auf die Flächen eines Geschosses, die der Wohnnutzung im engeren Sinne dienen, ist eine mögliche, mit Art. 75b BV vereinbare Auslegung, die auch der Botschaft des Bundesrats vom 19. Februar 2014 zugrunde liegt (BBl 2014 S. 2307 zu Art. 9 und S. 2310 zu Art. 12 E-ZWG). Nach dieser Definition stellt die Umwandlung von Nebennutzflächen in Hauptnutzflächen eine Erweiterung einer bestehenden Zweitwohnung dar. Ob und wenn ja inwieweit das künftige Gesetz eine derartige Erweiterung zulassen wird, ist noch ungewiss. Im Vernehmlassungsverfahren schlug der Bundesrat zwei Varianten vor: Nach der einen sollten altrechtliche Wohnungen weitgehend frei umgenutzt und BGE 140 II 378 S. 383 auch geringfügig erweitert werden dürfen; nach der anderen durften sie nur im Rahmen der bestehenden Hauptnutzfläche geändert werden. Der vom Bundesrat beschlossene Gesetzesentwurf sieht nunmehr in Art. 12 Abs. 3 vor, dass die Erweiterung der Hauptnutzflächen einer altrechtlichen Wohnung nur zulässig ist, wenn diese als Erstwohnung oder als touristisch bewirtschaftete Wohnung deklariert wird (Botschaft, S. 2292 f. Ziff. 1.3 und S. 2310 zu Art. 12 E-ZWG). 5.3 Der Umbau des Estrichs (als Nebennutzfläche gemäss SIA-Norm 416) zu einem Studio vergrössert die Hauptnutzfläche. Die vom Beschwerdegegner geltend gemachte frühere Nutzung des Dachgeschosses als Aufenthaltsraum wurde nie bewilligt. Wie bereits das Verwaltungsgericht festgehalten hat, erfolgte die Bewilligung des Dachfensters 1966 ausdrücklich zur besseren Belichtung des Estrichs. Es liegen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass eine Wohnnutzung des Dachgeschosses in der Folgezeit - ausdrücklich oder stillschweigend - von der Gemeinde bewilligt oder geduldet worden wäre. Es handelt sich somit um einen baubewilligungspflichtigen Tatbestand, dessen Vereinbarkeit mit Art. 75b Abs. 1 BV zweifelhaft erscheint und bis zur Klärung durch den Gesetzgeber nicht bewilligt werden kann; eine entsprechende Bewilligung wäre gemäss Art. 197 Ziff. 9 Abs. 2 BV nichtig.
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Sachverhalt ab Seite 9 BGE 103 III 8 S. 9 In dem vom Konkursamt Thalwil verwalteten Konkurs über X. reichten die Erben des Kurt Fleischmann am 18. Dezember 1975 eine Abrechnung ein, worin sie geltend machten, ihre Konkursforderung übersteige das Guthaben des Gemeinschuldners ihnen gegenüber um Fr. 4'884.30. Mit Verfügung vom 20. Juli 1976 kollozierte die Konkursverwaltung einen Betrag von Fr. 1'304.75. In der Folge leitete die Tapeten Spörri AG beim Einzelrichter im beschleunigten Verfahren des Bezirkes Horgen gegen die Erben Fleischmann eine Kollokationsklage ein mit dem Antrag, dieser Betrag sei aus dem Kollokationsplan zu streichen. Das Begehren wurde von den Beklagten - aus prozessökonomischen Gründen - anerkannt. Den von der Klägerin erhobenen Rekurs gegen die Abschreibungsverfügung des Einzelrichters wies die III. Zivilkammer des Obergerichts des Kantons Zürich am 27. Dezember 1976 ab. Mit Schreiben vom 2. Oktober 1976 hatte die Tapeten Spörri AG inzwischen beim Konkursamt Thalwil gestützt auf Art. 260 SchKG die Abtretung der Ansprüche verlangt, denen die Erben Fleischmann ihre eigene Forderung gegenübergestellt hatten. Die Konkursverwaltung hatte ihr hierauf mitgeteilt, BGE 103 III 8 S. 10 eine Abtretung sei nicht möglich, da der Anspruch der Masse durch Verrechnung untergegangen und der Kollokationsplan rechtskräftig geworden sei. Eine von der Tapeten Spörri AG hiegegen erhobene Beschwerde wies das Bezirksgericht Horgen als untere kantonale Aufsichtsbehörde am 3. Januar 1977 ab. Das Obergericht des Kantons Zürich (II. Zivilkammer) hiess den Rekurs der Beschwerdeführerin gegen diesen Entscheid mit Beschluss vom 16. März 1977 in dem Sinne gut, dass es die Konkursverwaltung anwies, von der Gläubigergesamtheit einen Entscheid über das Vorgehen hinsichtlich der Ansprüche gegen die Erben Fleischmann zu erwirken. Diese und das Konkursamt Thalwil haben den Beschluss der oberen kantonalen Aufsichtsbehörde beim Bundesgericht angefochten. Erwägungen Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung: 1. Die Konkursverwaltung ist zum Rekurs nur insoweit befugt, als sie die Interessen der Konkursmasse wahren möchte (vgl. BGE 100 III 65 E. 1 mit Hinweisen). Davon kann hier keine Rede sein. Das Konkursamt Thalwil will mit seinem Rekurs die von ihm in der vorliegenden Angelegenheit vertretene Ansicht verteidigen, eine Abtretung nach Art. 260 SchKG sei ausgeschlossen. Das Interesse der Gläubigermehrheit ist dagegen darauf gerichtet, dass auf die Geltendmachung des Anspruches des Gemeinschuldners gegen die Erben Fleischmann nicht verzichtet bzw. dass das Guthaben den Gläubigern zur Abtretung angeboten werde. Es steht dem Konkursamt nicht zu, mit einem Rekurs den gegenteiligen Standpunkt und damit die ausschliesslichen Interessen der Erben Fleischmann zu vertreten. Auf seinen Rekurs ist daher nicht einzutreten. 2. Die Rekurslegitimation der Erben Fleischmann (im folgenden Rekurrenten genannt) ist dagegen zu bejahen. Ob sie es zulassen müssen, dass ein Zivilprozess gegen sie geführt werde, oder ob sie sich darauf berufen können, die fragliche Forderung könne aus konkursrechtlichen Gründen nicht mehr geltend gemacht und somit auch nicht zur Realisierung einem Gläubiger abgetreten werden, ist für sie von grosser Wichtigkeit. BGE 103 III 8 S. 11 Sie sind demnach durch den angefochtenen Entscheid, in welchem die obere kantonale Aufsichtsbehörde das Begehren der Tapeten Spörri AG grundsätzlich schützte, beschwert. 3. Die Rekurrenten sind der Ansicht, die Konkursverwaltung habe ihre Forderung mit Gegenansprüchen der Masse verrechnet; da diese dadurch untergegangen seien, könne das Guthaben nicht mehr an Gläubiger abgetreten werden. Demgegenüber hält die Vorinstanz dafür, das Konkursamt habe lediglich von der Verrechnungserklärung Vormerk genommen, die von den Rekurrenten ausgegangen sei. a) Bei der Beurteilung der sich vorab stellenden Frage, welche Seite die Verrechnung erklärt habe, ist von Bedeutung, dass es nicht der Konkursverwaltung zusteht, auf die Geltendmachung eines Aktivums zu verzichten, sondern einzig der zweiten Gläubigerversammlung ( Art. 253 Abs. 2 SchKG ). Die Konkursverwaltung wird sich daher in dieser Hinsicht Zurückhaltung auferlegen, weshalb nicht leichthin angenommen werden darf, die Verrechnung, die in einer Kollokationsverfügung zum Ausdruck kommt, sei von ihr ausgegangen. Die hier vorliegenden Akten lassen einen solchen Schluss jedenfalls nicht zu. Aus der Konkurseingabe der Rekurrenten vom 18. Dezember 1975, in der nicht nur beide Forderungen gegeneinander aufgerechnet werden und einzig ein Saldo von Fr. 4'884.30 geltend gemacht wird, sondern verschiedentlich ausdrücklich die Verrechnung erklärt wird, ergibt sich - wie die Vorinstanz zutreffend feststellt - vielmehr das Gegenteil. Im Kollokationsplan ist denn auch unter Ordnungs-Nr. 17 zu lesen, die Gläubiger machten Tilgung durch Direktbezahlung an Drittgläubiger geltend bzw. verlangten Verrechnung mit dem Guthaben des Gemeinschuldners. Freilich wurde als angemeldete Forderung der volle von den Rekurrenten geforderte Betrag vermerkt und nicht etwa nur der Verrechnungssaldo. Auch wurde in der den Rekurrenten zugestellten Kollokationsverfügung ausgeführt, von der eingegebenen Forderung würden zufolge Verrechnung mit dem Guthaben des Gemeinschuldners Fr. 148'579.55 abgewiesen und nur der Mehrbetrag von Fr. 1'304.75 zugelassen, der in der fünften Klasse kolloziert werde. Aus diesen Äusserungen darf jedoch nicht abgeleitet werden, es sei die Konkursverwaltung gewesen, welche die Verrechnung erklärt habe. Lag nämlich die Verrechnungserklärung (der Rekurrenten) nach dem Ausgeführten BGE 103 III 8 S. 12 bereits in der Forderungsanmeldung vom 18. Dezember 1975, blieb der Konkursverwaltung rechtlich gar keine andere Wahl, als entweder die geltend gemachte Verrechnung ausdrücklich abzulehnen oder von ihr Kenntnis zu nehmen und einen entsprechend reduzierten Betrag zu kollozieren. Gewiss wäre die Aktiv-Forderung allenfalls auch bei einer ausdrücklichen Anerkennung der Verrechnungserklärung durch die Konkursverwaltung untergegangen. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, von der abzuweichen kein Anlass besteht, darf eine solche Zustimmung indessen nicht schon allein auf Grund der Tatsache angenommen werden, dass nur die Restforderung des Gläubigers kolloziert wurde ( BGE 45 III 245 E. 2). Weitere Anhaltspunkte, die auf eine Zustimmung der Konkursverwaltung zur Verrechnung der Rekurrenten schliessen liessen, sind aber nicht vorhanden und waren insbesondere für die übrigen Konkursgläubiger nicht ersichtlich. b) Unbehelflich ist der Hinweis der Rekurrenten auf das Konkursinventar. Wohl wird darin unter Nr. 58, wo das gegen sie gerichtete Guthaben festgehalten wurde, auf den Kollokationsplan und die dort vorgemerkte Verrechnung hingewiesen. Allein daraus einen Verzicht der Konkursverwaltung auf die Geltendmachung des streitigen Anspruchs ableiten zu wollen, geht jedoch nicht an. Immerhin wurde das Guthaben als selbständige Position in das Inventar aufgenommen; dass ein Schätzungswert fehlt, ist nicht von ausschlaggebender Bedeutung. Mit dem Verweis auf den Kollokationsplan wollte offenbar lediglich ein Widerspruch zwischen den beiden Urkunden vermieden werden. Kann somit auch aus dem Eintrag im Konkursinventar nicht auf einen Verzicht auf die Forderung gegen die Rekurrenten geschlossen werden (der allenfalls mangels Anfechtung durch Beschwerde rechtskräftig geworden wäre), traten die kantonalen Aufsichtsbehörden - entgegen der Auffassung der Rekurrenten - zu Recht auf die gegen die Verweigerung der Abtretung nach Art. 260 SchKG gerichtete Beschwerde der Tapeten Spörri AG ein. BGE 103 III 8 S. 13
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Sachverhalt ab Seite 280 BGE 123 V 280 S. 280 A.- Am 12. Dezember 1972 genehmigte der Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft mit Wirkung ab 1. Januar 1973 den von der Ärztegesellschaft BGE 123 V 280 S. 281 Baselland und dem Verband Basellandschaftlicher Krankenkassen am 18. November 1971 abgeschlossenen "Kollektivvertrag Ärzte/Krankenkassen" und den dazugehörigen "Vertragstarif Ärzte/Krankenkassen" (SGS BL 921.11 und 12). Das Tarifvertragswerk regelt unter anderem die Honorierung der Vertragsärzte für die ärztliche Behandlung der im Kanton wohnenden Patienten zu Lasten der dem Krankenkassenverband angehörenden Krankenkassen nach Massgabe des vereinbarten Punktetarifs (Art. 3 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 des Kollektivvertrages). Dazu halten Ziff. 2 und 3 des Vertragstarifs folgendes fest: "Ein Punktwert von 75 Rp. entspricht dem Stande 110 des Landesindex der Konsumentenpreise. Sofern der Landesindex der Konsumentenpreise um 7,33 Indexpunkte gestiegen oder gefallen ist, tritt automatisch ab nachfolgendem Kalendermonat auf dem Punktwert ein Zuschlag oder Abbau von 5 Rp. ein. (Beispiel: Index August 132.0, Punktwert September 90 Rp.). Bei Änderungen des Punktwertes dürfen die laufenden Behandlungen auf den Stichtag abgerechnet werden." Nachdem auf den 14. Dezember 1991 der (erste) Dringliche Bundesbeschluss über befristete Massnahmen gegen die Kostensteigerung in der Krankenversicherung in Kraft getreten und der Taxpunktwert auf den 1. Januar 1992 aufgrund des Indexstandes Oktober 1991 von Fr. 1.70 auf Fr. 1.80 erhöht worden war, trafen die Ärztegesellschaft und der Krankenkassenverband am 16. Juni 1992 eine Zusatzvereinbarung zu Ziff. 2 und 3 des Vertragstarifs. Danach wird der Taxpunktwert alljährlich per 1. Januar automatisch entsprechend der Entwicklung des Landesindexes der Konsumentenpreise (Basis Dezember 1982 = 100) der Teuerung angepasst. Massgebend ist jeweils der November-Index des Vorjahres. Basis der Indexierung bildet ein Taxpunktwert von Fr. 1.60, entsprechend einem Indexstand von 115,5 Punkten. Diese Vereinbarung ist vom Regierungsrat nicht genehmigt worden. B.- Mit Schreiben vom 29. November 1995 wies die Ärztegesellschaft den Krankenkassenverband darauf hin, dass mit dem Inkrafttreten des neuen KVG auf den 1. Januar 1996 der mit dem Dringlichkeitsrecht angeordnete Tarifstopp wegfalle. Gemäss geltender tarifvertraglicher Vereinbarung würde sich aktuell (anhand des Oktober-Indexstandes von 142,4 Punkten) ein Taxpunktwert von Fr. 1.95 (= 142.4 x Fr. 1.60/115,5) ergeben. Da sich der Krankenkassenverband in der Folge selbst mit einer auf Fr. 1.90 (ab 1. April 1996) reduzierten Erhöhung des Taxpunktwertes nicht einverstanden BGE 123 V 280 S. 282 erklärte, erhob die Ärztegesellschaft am 29. März 1996 beim Schiedsgericht nach KVG des Kantons Basel-Landschaft Klage mit dem hauptsächlichen Rechtsbegehren, der Beklagte sei zu verpflichten, die ihm angeschlossenen Mitglieder zur Vergütung eines Taxpunktwertes von Fr. 1.95 ab 1. Januar 1996 anzuhalten. Der Krankenkassenverband bestritt in seiner Eingabe vom 7. Mai 1996 unter anderem die sachliche Zuständigkeit das Schiedsgerichts zur Beurteilung der anhängig gemachten Tarifstreitigkeit. Die vertragliche Anpassung des Indexes stelle eine Änderung des Tarifvertrages dar und bedürfe daher (zunächst) der Genehmigung des Regierungsrates, welcher zwingend vorgängig den Preisüberwacher anzuhören habe. Anschliessend könne gegebenenfalls Verwaltungsbeschwerde beim Bundesrat erhoben werden. In den weiteren Rechtsschriften hielten die Parteien an ihren Anträgen und im wesentlichen an deren Begründung fest, wobei der Rechtsvertreter der Klägerin in seiner ergänzenden Klagebegründung vom 3. Juli 1996 die sachliche Zuständigkeit des angerufenen Schiedsgerichtes "aufgrund des einschlägigen Präjudizfalles BGE 119 V 317 ff." bejahte. Das kantonale Schiedsgericht nach KVG trat auf die Klage ein und wies sie mit Entscheid vom 6. September 1996 ab. C.- Die Ärztegesellschaft Baselland lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit den folgenden Rechtsbegehren: "1. Das Urteil des Schiedsgerichts des Kantons Basel-Landschaft vom 6.9.1996 (...) sei aufzuheben. 2.1 Es sei in Gutheissung der Klage vom 29. März 1996 festzustellen, dass der Taxpunktwert (...) ab 1.1.1996 Fr. 1.95 beträgt. 2.2 Eventualiter sei festzustellen, dass der erwähnte Taxpunktwert ab 1.1.1996 Fr. 1.90 beträgt. 2.3 Dementsprechend sei der Beklagte zu verpflichten, die ihm angeschlossenen Verbandsmitglieder zur Vergütung eines Taxpunktwertes von Fr. 1.95, eventuell Fr. 1.90, rückwirkend ab 1.1.1996 anzuhalten. 3. (Partei- und Prozesskosten)" Krankenkassenverband und Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) beantragen je Aufhebung des schiedsrichterlichen Entscheides mangels sachlicher Zuständigkeit, eventualiter Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. D.- Nach Abschluss des Schriftenwechsels hat der Rechtsvertreter des Krankenkassenverbandes unter Hinweis auf eine beim Bundesrat eingereichte Beschwerde gegen den Entscheid des Regierungsrates des Kantons Basel-Landschaft vom 22. April 1997, BGE 123 V 280 S. 283 womit dieser unter anderem das Begehren auf Festsetzung des Taxpunktwertes auf Fr. 1.80 abgewiesen hatte, um Durchführung eines Meinungsaustausches mit dem Bundesrat über die Frage der Sachzuständigkeit zur Beurteilung der streitigen Taxpunktwerterhöhung ersucht (Eingabe vom 11. Juni 1997). Die Ärztegesellschaft hat sich in ihrer Antwort vom 2. Juli 1997 ablehnend zu diesem Verfahrensantrag geäussert und ihrerseits die Durchführung eines zweiten Schriftenwechsels, eventuell die Anordnung einer mündlichen Hauptverhandlung beantragt. Mit Schreiben vom 27. Juli 1997 hat sich das Bundesamt für Justiz als Instruktionsbehörde im hängigen Verwaltungsbeschwerdeverfahren vor dem Bundesrat zur Frage eines Meinungsaustausches geäussert. Erwägungen Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 1. Nach ständiger Rechtsprechung prüft das Eidg. Versicherungsgericht von Amtes wegen die formellen Gültigkeitserfordernisse des Verfahrens ( BGE 120 V 29 Erw. 1, BGE 111 V 346 Erw. 1a, je mit Hinweisen). Dies gilt auch hinsichtlich des Verfahrens vor den kantonalen Schiedsgerichten nach Art. 89 KVG (vgl. BGE 119 V 324 Erw. 3 zu Art. 25 Abs. 1 KUVG ). Hat die Vorinstanz übersehen, dass es an einer Prozessvoraussetzung fehlte, und hat sie materiell entschieden, ist dies im Rechtsmittelverfahren von Amtes wegen zu berücksichtigen mit der Folge, dass der angefochtene Entscheid aufzuheben ist ( BGE 120 V 29 Erw. 1, BGE 119 V 312 Erw. 1b, 324 f. Erw. 3). Dem steht die allfällige sachliche Unzuständigkeit des Eidg. Versicherungsgerichts nicht entgegen (vgl. BGE 107 V 46 oben; ferner BGE 96 V 126 ). 2. Im vorliegenden Fall ist vorab streitig, ob das kantonale Schiedsgericht nach Art. 89 KVG zur Beurteilung der Klage der Ärztegesellschaft gegen den Krankenkassenverband betreffend die Erhöhung des Taxpunktwertes von Fr. 1.80 auf Fr. 1.95 ab 1. Januar 1996 gestützt auf die Indexklausel in Ziff. 3 des vom Regierungsrat am 12. Dezember 1972 genehmigten Vertragstarifes vom 18. November 1971 und die Zusatzvereinbarung vom 16. Juni 1992 sachlich zuständig war. Während Vorinstanz und Beschwerdeführerin diese Frage unter Hinweis auf BGE 119 V 317 bejahen, sind Beschwerdegegner und Bundesamt für Sozialversicherung der Auffassung, dass nach neuem Recht die Kantonsregierung und zweitinstanzlich der Bundesrat aufgrund von Art. 46 Abs. 4 und BGE 123 V 280 S. 284 Art. 53 KVG zur Beurteilung von Tarifstreitigkeiten wie der vorliegenden zuständig sind. In gleichem Sinne habe sich auch der Bundesrat im Entscheid vom 15. Januar 1997 in Sachen Ärztegesellschaft Schaffhausen und noch unter altem Recht in dem auch in BGE 119 V 327 Erw. 5 erwähnten Entscheid vom 12. Mai 1993 in Sachen Aargauischer Krankenkassenverband geäussert. 3. Im erwähnten BGE 119 V 317 hatte das Eidg. Versicherungsgericht zu prüfen, ob das Schiedsgericht nach Art. 25 KUVG des Kantons Schaffhausen sachlich zuständig war zur Prüfung der Frage, ob der Dringliche Bundesbeschluss vom 13. Dezember 1991 über befristete Massnahmen gegen die Kostensteigerung in der Krankenversicherung auf den Schaffhauser Tarifvertrag anwendbar war mit der Folge, dass der in Art. 6 des Tarifes vorgesehene automatische hälftige Teuerungsausgleich bei einer Erhöhung des Landesindexes der Konsumentenpreise um 5% nicht zum Zuge kam. Das Gericht hat diese Frage bejaht, "da es vorliegend um eine Tarifvertragsstreitigkeit nach Art. 16 und Art. 22 Abs. 1 KUVG geht, welche unter die Schiedsgerichtsbarkeit gemäss Art. 25 KUVG fällt. Anders verhielte es sich nur, wenn eine genehmigungspflichtige Abänderung eines Tarifvertrages zur Debatte stünde, welche nach Art. 22 Abs. 3 und Art. 22quinquies KUVG in die Zuständigkeit der Kantonsregierungen und des Bundesrates fallen würde. Von einer solchen genehmigungspflichtigen Abänderung des Tarifvertrages (...) kann nicht die Rede sein. Dass der Bundesrat anscheinend die gegenteilige Auffassung vertreten hat (vgl. den erwähnten, vom BSV auszugsweise zu den Akten gegebenen Beschwerdeentscheid vom 12. Mai 1993), ist für das Eidg. Versicherungsgericht nicht verbindlich. Was der Krankenkassenverband bestreitet, ist vielmehr die Rechtsfolge, welche sich aus der früher vereinbarten, längst genehmigten Indexklausel des Tarifvertrages ergibt. Nur (geänderte) tarifvertragliche Bestimmungen unterliegen jedoch der Genehmigungspflicht, nicht die aus Vertragsbestimmungen sich ergebenden Rechtsfolgen - eine Selbstverständlichkeit, von welcher der beschwerdeführende Kassenverband während Jahren selber ausging, wie die Beschwerdegegnerin zutreffend einwendet" (Erw. 5). Im Lichte dieser Rechtsprechung stellt sich die Frage, ob Streitigkeiten über die Anwendung einer noch unter altem Recht vereinbarten und regierungsrätlich genehmigten tarifvertraglichen Indexklausel, welche die Höhe des Taxpunktwertes bestimmt, in den Zuständigkeitsbereich der Schiedsgerichte nach Art. 89 KVG fallen. BGE 123 V 280 S. 285 4. Gemäss Art. 104 Abs. 1 Satz 1 KVG werden mit dem Inkrafttreten des Gesetzes bestehende Tarifverträge nicht aufgehoben. Diese sind laut Art. 8 Abs. 1 der Verordnung vom 12. April 1995 über die Inkraftsetzung und Einführung des Bundesgesetzes vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung, erlassen durch den Bundesrat gestützt auf Satz 2 der genannten Übergangsbestimmung, bis zum 31. Dezember 1997 an das neue Recht anzupassen. Im Rahmen dieser Übergangsregelung beurteilen sich tarifvertragliche Streitigkeiten materiell nach altem Recht (vgl. Art. 102 Abs. 2 Satz 2 KVG ), wobei gemäss Art. 8 Abs. 3 der genannten Verordnung Tariferhöhungen auch ohne Anpassung der übrigen Bestimmungen an das neue Recht möglich sind. Zuständigkeit und Verfahren richten sich hingegen nach neuem Recht (vgl. BGE 111 V 47 Erw. 4 und RKUV 1997 Nr. K 14 S. 311 Erw. 1a, je mit Hinweisen). 5. Nach Art. 89 KVG entscheidet ein Schiedsgericht Streitigkeiten zwischen Versicherern und Leistungserbringern (Abs. 1). Zuständig ist das Schiedsgericht desjenigen Kantons, dessen Tarif zur Anwendung gelangt, oder desjenigen Kantons, in dem die ständige Einrichtung des Leistungserbringers liegt (Art. 2). Gegen Entscheide der Schiedsgerichte kann laut Art. 91 KVG Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Eidg. Versicherungsgericht geführt werden. Gesetz (KVG) und Verordnung (KVV) umschreiben nicht näher, was unter Streitigkeiten im Sinne von Art. 89 KVG zu verstehen ist. Rechtsprechung und Lehre zum altrechtlichen Art. 25 Abs. 1 KUVG gehen von einer weiten Begriffsumschreibung aus ( BGE 111 V 346 Erw. 1b mit Hinweisen). Danach setzt die sachliche Zuständigkeit des Schiedsgerichts voraus, dass die Streitigkeit Rechtsbeziehungen zum Gegenstand hat, die sich aus dem KUVG ergeben oder die aufgrund des KUVG eingegangen worden sind ( BGE 116 V 126 Erw. 2a, BGE 112 V 311 Erw. 3b mit Hinweisen). So verhält es sich unter anderem, wenn die Auseinandersetzung einen Tarifvertrag im Sinne von Art. 22 Abs. 1 KUVG betrifft, nach welcher Bestimmung die Taxen für die Leistungen der Ärzte in Verträgen zwischen den Kassen und den Ärzten festgesetzt werden, es sei denn, es gehe um eine genehmigungspflichtige Abänderung eines solchen Vertrages, welche nach Art. 22 Abs. 3 und Art. 22quater Abs. 5 KUVG in die Zuständigkeit der Kantonsregierungen und letztinstanzlich des Bundesrates ( Art. 22quinquies KUVG ) fallen würde ( BGE 119 V 326 f. Erw. 5). BGE 123 V 280 S. 286 6. Gemäss Art. 43 Abs. 4 Satz 1 KVG werden Tarife (als eine Grundlage für die Berechnung der Vergütung von Leistungen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung) in Verträgen zwischen Versicherern und Leistungserbringern (Tarifvertrag) vereinbart oder in den vom Gesetz bestimmten Fällen von der zuständigen Behörde festgesetzt. Der Tarifvertrag bedarf der Genehmigung durch die zuständige Kantonsregierung oder, wenn er in der ganzen Schweiz gelten soll, durch den Bundesrat ( Art. 46 Abs. 4 Satz 1 KVG ). Gegen den Genehmigungsbeschluss der Kantonsregierung kann Beschwerde an den Bundesrat erhoben werden ( Art. 53 Abs. 1 KVG ). a) Die Regelung der Genehmigung von Tarifvereinbarungen zwischen Leistungserbringern und Versicherern durch die zuständigen Verwaltungsbehörden gemäss KVG entspricht im wesentlichen der altrechtlichen Ordnung gemäss Art. 22, 22quater und 22quinquies KUVG . Wie diese geht sie aus von der Freiheit der Tarifpartner, im gesetzlichen Rahmen die Tarifordnung weitgehend selber festzulegen (Botschaft vom 6. November 1991 über die Revision der Krankenversicherung, BBl 1992 I 93 ff., 179; Amtl.Bull. 1992 S 1310, 1993 N 1726 f.; MAURER, Das neue Krankenversicherungsrecht, Basel 1996, S. 83). Dessen ungeachtet hat die Gesetzesnovelle vom 18. März 1994 neben Änderungen bloss formeller Natur (Terminologie, Systematik) inhaltlich zu einer Neuausgestaltung des Tarifvertragswesens geführt. Dies kommt vorab darin zum Ausdruck, dass der Gesetzgeber in Art. 43 Abs. 6 KVG ausdrücklich die Hauptzielsetzung der Tarifierung formuliert hat, nämlich eine qualitativ hochstehende und zweckmässige gesundheitliche Versorgung zu möglichst günstigen Kosten (BBl 1992 I 174). Wie bei der Umschreibung der obligatorisch krankenpflegeversicherten Leistungen ( Art. 32 Abs. 1 KVG ) und im Rahmen der Leistungserbringung ( Art. 56 Abs. 1 KVG ) gilt somit auch im Tarifbereich der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit. Dementsprechend hat die Genehmigungsbehörde einen Tarifvertrag nicht mehr bloss auf seine Übereinstimmung mit dem Gesetz und der Billigkeit zu prüfen, wie dies noch unter altem Recht der Fall war (vgl. Art. 22 Abs. 3, Art. 22quater Abs. 5 KUVG ); vielmehr hat sie und hat im Beschwerdefall der Bundesrat auch danach zu fragen, ob die Vereinbarung mit dem Gebot der Wirtschaftlichkeit im Einklang steht (BBl 1992 I 188). "Sie darf und soll dabei durchaus einen strengen Massstab anlegen, geht es doch darum (...), dass eine qualitativ hochstehende und zweckmässige Versorgung zu möglichst günstigen Kosten erreicht wird." (BBl 1992 I 180). BGE 123 V 280 S. 287 b) Die in der Botschaft zum Revisionsentwurf vorgezeichnete verstärkte Kontrolle im Tarifbereich durch die zuständigen Behörden ist in den parlamentarischen Beratungen unbestritten geblieben (Amtl.Bull. 1992 S 1310, 1993 N 1726 f.) und hat neben den bereits erwähnten Gesetzesbestimmungen insbesondere auch in der dem Bundesrat in Art. 43 Abs. 6 KVG eingeräumten Kompetenz, Grundsätze für eine wirtschaftliche Bemessung und eine sachgerechte Struktur sowie für die Anpassung der Tarife aufzustellen, seinen Niederschlag gefunden (Amtl.Bull. S 1992 310 f., 1993 N 1726 und 1859). Ebenfalls auf eine möglichst kostengünstige Leistungserbringung, insbesondere im ambulanten ärztlichen Bereich, zielt Art. 43 Abs. 5 KVG , wonach Einzelleistungstarife auf einer gesamtschweizerisch vereinbarten, einheitlichen Tarifstruktur beruhen müssen (BBl 1992 I 173 f.; Amtl.Bull. 1992 S 1284). Im weitern wird schon in der Botschaft (BBl 1992 I 180 und 182) die Anwendung des Preisüberwachungsgesetzes (PüG; Art. 14) auf Tarife, die nach dem KVG festgesetzt werden, entsprechend der früheren Praxis (vgl. die Hinweise in Erw. II/3 des in RKUV 1997 S. 122 wiedergegebenen Entscheides des Bundesrates vom 15. Januar 1997 i.S. Kantonale Ärztegesellschaft Schaffhausen gegen Regierungsrat des Kantons Schaffhausen [RKUV 1997 Nr. KV 5 S. 136]) bestätigt. Die Genehmigungsbehörde hat somit den Preisüberwacher anzuhören, bevor sie ihren Entscheid fällt (MAURER, a.a.O., S. 84 unten; Amtl.Bull. 1992 S 1317). Sie führt seine Stellungnahme im Entscheid an. Folgt sie ihr nicht, begründet sie dies ( Art. 14 Abs. 2 PüG ). Damit "sollte es möglich sein, bei Bedarf auf ein massvolles Tarifgebaren der Tarifpartner hinzuwirken" (BBl 1992 I 180), dies nicht zuletzt auch im Interesse der an der Ausgestaltung der Tarifordnung nicht (direkt) beteiligten Versicherten und Prämienzahler (Amtl.Bull. 1993 N 1727, 1993 S 1075, 1994 S 91 f.). Mit dem Einbezug des Preisüberwachers in das Genehmigungsverfahren wird sichergestellt, dass bei der Prüfung des Tarifvertrages auf seine Übereinstimmung mit dem Gebot der Wirtschaftlichkeit und Billigkeit ( Art. 46 Abs. 4 KVG ) auch "allfällige übergeordnete öffentliche Interessen" berücksichtigt werden ( Art. 14 Abs. 3 PüG ), insbesondere die sozialpolitischen Rahmenbedingungen für die Festsetzung oder Anpassung von Tarifen (vgl. Erw. II/9 und 10 des bundesrätlichen Entscheides vom 15. Januar 1997 [RKUV 1997 Nr. KV 5 S. 140 f.]). c) Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, dass nach dem klaren Willen des Gesetzgebers die Tarifgestaltung nach wie vor in BGE 123 V 280 S. 288 erster Linie Sache der Leistungserbringer und der Versicherer ist, dass aber unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit alle kostenrelevanten Bestandteile eines Tarifvertrages, bei Einzelleistungstarifierung somit Tarifstruktur und Taxpunktwert, einer verstärkten Kontrolle durch die zuständigen Behörden unterliegen sollen. Dieser Zielsetzung widerspräche, das Instrument der Genehmigung lediglich beim (erstmaligen) Abschluss eines Tarifvertrages, jedoch nicht bei einer späteren Änderung der Vereinbarung einzusetzen, dies jedenfalls wenn und soweit die Änderung unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit und Billigkeit als wesentlich bezeichnet werden muss. Dabei kann es nicht darauf ankommen, ob es sich um eine bloss formelle, nicht das Ergebnis konkreter Verhandlungen bildende Vertragsanpassung handelt, wie dies etwa bei der (automatischen) Erhöhung des Taxpunktwertes aufgrund einer Indexklausel der Fall ist. Vielmehr ist entscheidend, ob nach Sinn und Zweck der Tarifordnung des KVG eine Genehmigung erforderlich ist bzw. ob mit dem Verzicht auf eine Genehmigung diese Ordnung grundsätzlich in Frage gestellt würde. Ausgehend von dieser Fragestellung hat der Bundesrat im schon erwähnten, noch unter altem Recht gefällten Entscheid vom 12. Mai 1993 eine Erhöhung des Taxpunktwertes gestützt auf eine Indexklausel als eine materielle genehmigungsbedürftige Vertragsänderung qualifiziert. d) Wenn das Eidg. Versicherungsgericht in BGE 119 V 327 Erw. 5 die Anpassung des Taxpunktwertes an einen Index nicht als eine genehmigungspflichtige Vertragsänderung qualifizierte, sondern lediglich als "Rechtsfolge, welche sich aus der früher vereinbarten, längst genehmigten Indexklausel des Tarifvertrages ergibt", kann an dieser Betrachtungsweise im Lichte der neuen Tarifordnung des KVG nicht mehr festgehalten werden. Die Genehmigung einer Indexklausel kann nicht als vorgezogene Genehmigung für alle gestützt darauf erfolgenden zukünftigen Erhöhungen des Taxpunktwertes gelten. Eine von der zuständigen Behörde (einmal) genehmigte Indexierung des Taxpunktwertes besagt einzig, dass der Einzelleistungstarif dem Teuerungsausgleich untersteht. Die effektive Anpassung im Sinne einer Anwendung der tarifvertraglichen Indexklausel jedoch ist, wie die Änderung des Taxpunktwertes als solche, genehmigungsbedürftig und hat unter den Aspekten der Wirtschaftlichkeit und Billigkeit zu erfolgen. Nur so kann entsprechend der Zielsetzung des KVG ("Sicherstellung hoher Qualität und Wirtschaftlichkeit" [BBl 1992 I 174 unten]) verstärkt auf das BGE 123 V 280 S. 289 Tarifgeschehen eingewirkt und auf die Kostenentwicklung Einfluss genommen werden. e) Fallen nach dem Gesagten Streitigkeiten über die Anwendung einer tarifvertraglichen Indexklausel, welche die Höhe des Taxpunktwertes bestimmt, nicht in den Zuständigkeitsbereich der Schiedsgerichte nach Art. 89 KVG , hätte die Vorinstanz mit dieser Feststellung auf Nichteintreten erkennen müssen (vgl. GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl., S. 110 oben) und nicht das Begehren der Klägerin und jetzigen Beschwerdeführerin auf Erhöhung des Taxpunktwertes materiell behandeln und abweisen dürfen. Der angefochtene Entscheid ist daher aufzuheben. Im übrigen ist auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht einzutreten ( Art. 129 Abs. 1 lit. b OG ). 7. Die Beschwerdeführerin hat die Durchführung eines Meinungsaustausches mit dem Bundesrat über die Frage der sachlichen Zuständigkeit zur Beurteilung der Auswirkungen der tarifvertraglichen Indexklausel auf die Höhe des Taxpunktwertes beantragt. Diesem Begehren ist nicht stattzugeben, nachdem das instruierende Bundesamt für Justiz im Schreiben vom 27. Juli 1997 sinngemäss und in Übereinstimmung mit der vom Bundesrat schon im Entscheid vom 12. Mai 1993 vertretenen Rechtsauffassung erklärt hat, dass, sollte das Eidg. Versicherungsgericht im Lichte des KVG an der Rechtsprechung gemäss BGE 119 V 326 Erw. 5 nicht mehr festhalten, der Bundesrat für die Prüfung dieser Tarifstreitigkeit im Rahmen des hängigen Verwaltungsbeschwerdeverfahrens zuständig ist (vgl. BGE 108 Ib 543 f. Erw. 2a/aa). Im weitern besteht kein Anlass für einen zweiten Schriftenwechsel ( BGE 119 V 323 Erw. 1) oder eine - erst nach Abschluss des Schriftenwechsels von der Beschwerdegegnerin beantragte - mündliche Hauptverhandlung (vgl. BGE 122 V 55 f. Erw. 3a und b/bb). 8. (Kostenfolge) 9. (Parteientschädigung)
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Erwägungen ab Seite 50 BGE 105 V 50 S. 50 Aus der Erwägungen: 2. ... a) Nach Art. 39 Abs. 1 AHVG können Personen, die Anspruch auf eine ordentliche Altersrente haben, den Rentenbezug mindestens ein Jahr und höchstens fünf Jahre aufschieben und innerhalb dieses Zeitraums die Rente nach freier Wahl im voraus von einem bestimmten Monat an abrufen. Gemäss Art. 55quater Abs. 1 AHVV beginnt die Aufschubsdauer bei Männern vom ersten Tag des der Vollendung des 65. Altersjahres folgenden Monats an zu laufen. Der Aufschub ist innert eines Jahres vom Beginn der Aufschubsdauer an schriftlich zu erklären. b) Im vorliegenden Fall ist zu prüfen, ob dem Versicherten, als er in seiner Beschwerde an die Vorinstanz erstmals förmlich um Rentenaufschub nachsuchte, das Wahlrecht noch offenstand. BGE 105 V 50 S. 51 Während nach Auffassung der Vorinstanz - und entgegen der Rz 49 des Kreisschreibens des Bundesamtes für Sozialversicherung über den Aufschub der Altersrenten, gültig ab 1. November 1969 - das Aufschubsbegehren auch nach erfolgter Anmeldung binnen der Jahresfrist des Art. 55quater Abs. 1 gestellt werden kann, geht das Bundesamt für Sozialversicherung anscheinend davon aus, dass die Wahlerklärung spätestens mit der Anmeldung zum Rentenbezug abzugeben ist. Damit stellt sich das Bundesamt allerdings seinerseits in Gegensatz zum erwähnten Kreisschreiben, nach dessen Rz 52 erst der Eintritt der Rechtskraft der Rentenverfügung einem nachträglichen Aufschubsbegehren entgegenstehen würde. Wie es sich damit verhält, braucht indessen im vorliegenden Fall nicht näher geprüft zu werden, da das Verhalten des Versicherten von der Anmeldung weg darauf schliessen liess, dass er von der Möglichkeit eines Rentenaufschubs keinen Gebrauch machen wollte und er sein Wahlrecht jedenfalls dadurch verwirkt hat, dass er während längerer Zeit und unwidersprochen die Rentenzahlungen entgegennahm. In seiner Anmeldung vom 9. Februar 1977 hat der Versicherte die unter Ziff. 14 gestellte Frage, ob ein Rentenaufschub verlangt werde, zwar offengelassen, unter Ziff. 15 aber angegeben, auf welches Postcheckkonto er die Überweisung der Rente wünscht. Bei dieser Sachlage durfte die Kasse davon ausgehen, dass der Versicherte die Frage des Rentenaufschubes versehentlich offengelassen hatte und, wie der grösste Teil der Rentner, von der Aufschubsmöglichkeit keinen Gebrauch machen wollte. Armin Eggenberger macht allerdings geltend, er sei durch eine behördliche Auskunft zu diesem Vorgehen veranlasst worden und der Meinung gewesen, das Begehren noch später stellen zu können. Sollte er tatsächlich falsch informiert worden sein, so hätte er spätestens im Zeitpunkt der ersten Rentenauszahlung auf den Irrtum aufmerksam werden und die Annahme der Rente konsequenterweise verweigern müssen. Das hat er indessen nicht getan und das Bundesamt für Sozialversicherung sieht darin zu Recht ein konkludentes Verhalten, welches einer Willensäusserung in der Frage des Rentenaufschubs gleichkommt. Es stünde im Widerspruch zu Sinn und Zweck der gesetzlichen Aufschubsregelung, wenn ein Versicherter die Möglichkeit hätte, einerseits eine Rente zu beziehen und sich andrerseits BGE 105 V 50 S. 52 das Wahlrecht vorzubehalten. Wie das Eidg. Versicherungsgericht in BGE 98 V 257 festgehalten hat, beinhaltet die bei Rentenaufschub eintretende Erhöhung der Rente ( Art. 39 Abs. 2 AHVG ) nicht nur den Gegenwert der Leistungen, auf die ein einzelner Rentner vorher verzichtet hat, sondern auch einen durchschnittlichen Anteil an den Beträgen, die infolge Hinschieds anderer Rentenbezüger innerhalb der Aufschubsdauer nicht ausbezahlt worden sind. Aus diesem Grunde wurde die Wahlmöglichkeit zwischen Nachzahlung einer aufgeschobenen Rente und Zuschlag ausgeschlossen. Die gleichen versicherungstechnischen Überlegungen führen dazu, dass mit Beginn des Rentenbezugs das Aufschubsrecht dahinfallen muss. Andernfalls hätte es nämlich ein Rentenbezüger in der Hand, mit der Ausübung seines Wahlrechts bis kurz vor Ablauf der 1jährigen Frist gemäss Art. 55quater Abs. 1 zuzuwarten, um, falls er diesen Zeitpunkt erlebt, gegen Anbietung der bisher bezogenen Leistungen in den Genuss einer aufgeschobenen, höheren Rente zu gelangen. Gerade dies will aber der Versicherte, wie seinem Schreiben vom 28. Januar 1978 an die Ausgleichskasse entnommen werden kann.
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Sachverhalt ab Seite 29 BGE 109 Ib 26 S. 29 Durch Verleihung entsprechender Konzessionen räumten die Gemeinden Rothenbrunnen, Tomils und Rhäzüns der Kieswerk Rothenbrunnen AG auf ihren Territorien das unbeschränkte Recht zur Ausbeutung von Kies und Sand aus dem Rheinbett ein, und zwar für eine Mindestdauer von 30 Jahren und eine Höchstdauer von 50 Jahren. Nach unbestrittener Darstellung sollten die Konzessionen spätestens am 11. Mai 2005 dahinfallen. Zugunsten der Kieswerk Rothenbrunnen AG wurden zudem von den gleichen politischen Gemeinden sowie von den Bürgergemeinden Rothenbrunnen und Tomils Bau- und Wegrechte errichtet, welche die Erstellung und den Betrieb eines Kieswerkes ermöglichten. Die Konzessionsgebühren betrugen anfänglich Fr. 0.50 pro Kubikmeter geförderten und verladenen Materials und waren alle zehn Jahre dem Landesindex der Lebenshaltungskosten anzupassen, was die Gebühren bis 1975 - dem Zeitpunkt der letzten Anpassung - auf Fr. 1.03/m3 ansteigen liess. Die abgelieferten Beträge kamen zu 58% der Gemeinde Rothenbrunnen, zu 32% der Gemeinde Tomils und zu 10% der Gemeinde Rhäzüns zu. Für die Bau- und Wegrechte hatte die Kieswerk Rothenbrunnen AG den Politischen und Bürgergemeinden Rothenbrunnen und Tomils eine jährliche Entschädigung von je Fr. 300.--, insgesamt Fr. 600.--, zu bezahlen. Die Kieswerk Rothenbrunnen AG betrieb die Schrapper- und Aufbereitungsanlage, die sie aufgrund der ihr eingeräumten Rechte auf der Parzelle "Hinterrhein" der Politischen Gemeinde Rothenbrunnen erstellt hatte, bis zum Frühjahr 1971 selbst. Hierauf verpachtete sie das Kieswerk, d.h. die ihr verliehenen Ausbeutungs-, Bau- und Wegrechte sowie ihre Anlagen und Maschinen mit Vertrag vom 21. April 1971 an die Arbeitsgemeinschaft Kieswerk Domleschg. Der im Grundbuch vorgemerkte Vertrag wurde fest auf die Dauer bis 31. Dezember 1980 abgeschlossen und sollte ohne Kündigung einer Partei jeweils für ein Jahr weitergelten. Gleichzeitig sah indessen Vertragsbestimmung Ziffer 7 folgendes vor: "Die Stillegung des Betriebes infolge öffentlicher Bauten, Expropriation oder anderer öffentlichrechtlicher Anordnungen hat die entschädigungslose Aufhebung dieses Vertrages zur Folge." Ausserdem wurde die Kündigung vor Ablauf der festen Vertragsdauer als möglich erklärt für den Fall, dass der Abs. während zwei Kalenderjahren als Folge einer allgemeinen Wirtschaftskrise, insbesondere wegen Anordnung eines behördlich angeordneten Baustoppes, unter 20'000 m3 pro Jahr sinken würde. BGE 109 Ib 26 S. 30 Mit einem weiteren Vertrag, der ebenfalls am 21. April 1971 geschlossen wurde, räumte Ulrich Maduz als Alleinaktionär der Kieswerk Rothenbrunnen AG unter Hinweis auf den Pachtvertrag und für die Dauer dieses Vertrages der Arbeitsgemeinschaft Kieswerk Domleschg ein Vorkaufsrecht an seinen Aktien ein. Nach Ziffer 5 dieses Vertrages erlischt das Vorkaufsrecht u.a. infolge Betriebsstillegung wegen öffentlicher Bauten, Expropriation oder anderer öffentlichrechtlicher Anordnungen. Für den Bau der Nationalstrasse N 13, Teilstück Thusis-Reichenau, benötigt der Kanton Graubünden Teile der auf dem rechten Rheinufer gelegenen Parzellen "Hinterrhein" und "Ravetg" der Politischen Gemeinde und der Waldkorporation Rothenbrunnen. Nach den Projektplänen wird die Nationalstrasse zwischen dem Rhein und den Kieswerk-Bauten erstellt und dadurch der Betrieb der Kabelbaggeranlage - somit die Ausbeutung von Sand und Kies - verunmöglicht werden. Da die Verhandlungen über einen Erwerb der benötigten Rechte auf privatrechtlicher Grundlage scheiterten, leitete der Präsident der Eidg. Schätzungskommission, Kreis 12, auf Ersuchen des Kantons ein Enteignungsverfahren ein. In der Folge wurden die Entschädigungsbegehren der Enteigneten für die teilweise vorübergehende, teilweise endgültige Beanspruchung von Boden aus dem Enteignungsverfahren ausgeschieden, nachdem die fraglichen Grundstücke nachträglich noch ins Beizugsgebiet der nationalstrassenbedingten Landumlegung Rothenbrunnen aufgenommen worden waren. Mit Entscheid vom 24. Januar/25. Juni 1979 sprach die Schätzungskommission folgende Enteignungsentschädigungen zu: der Kieswerk Rothenbrunnen AG Fr. 1'090'194.--; der Arbeitsgemeinschaft Kieswerk Domleschg Fr. 412'244.--; der Politischen und der Bürgergemeinde Rothenbrunnen Fr. 97'271.--; der Politischen und der Bürgergemeinde Tomils Fr. 54'649.-- und der Politischen Gemeinde Rhäzüns Fr. 16'393.--. Gegen diesen Entscheid haben alle Enteigneten Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereicht und die Erhöhung der Entschädigung verlangt. Das Bundesgericht weist die Beschwerden der Gemeinden ab und setzt die Grundsätze der Entschädigungsberechnung, die im Verfahren gegen die Kieswerk Rothenbrunnen AG und die Arbeitsgemeinschaft Kieswerk Domleschg anzuwenden sind, durch Teilurteil fest. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. a) Da die Beschwerden der Enteigneten auf dem selben BGE 109 Ib 26 S. 31 Sachverhalt beruhen und gleiche Rechtsfragen berühren, rechtfertigt es sich, sie - soweit möglich - gemeinsam zu behandeln. b) Gemäss Art. 115 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege (OG) richtet sich das Verfahren nach den Art. 104-109 OG und den Art. 77-78 des Bundesgesetzes über die Enteignung (EntG). Dem Bundesgericht steht volle Prüfungsbefugnis zu, und zwar auch im Hinblick auf den Sachverhalt, da die Schätzungskommissionen nicht Rekurskommissionen, sondern "andere eidgenössische Kommissionen" im Sinne von Art. 98 lit. f OG sind (vgl. Art. 105 Abs. 2 OG ). Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann nicht nur Verletzung von Bundesrecht und unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhaltes, sondern auch Unangemessenheit des Entscheides gerügt werden ( Art. 104 lit. c Ziff. 1 OG ). Neue Begehren sind ausgeschlossen, soweit sie schon vor der Schätzungskommission gestellt werden konnten ( Art. 77 Abs. 3 EntG ). Obschon Art. 114 Abs. 1 OG nicht ausdrücklich auf das Enteignungsverfahren anwendbar erklärt wird, ist das Bundesgericht, im Gegensatz zur Schätzungskommission ( Art. 72 Abs. 2 EntG ), an die Anträge der Parteien gebunden und kann daher dem Enteigneten nicht mehr zusprechen, als er verlangt, und nicht weniger, als der Enteigner offeriert ( BGE 102 Ib 89 ). Das Gericht ist indessen nur an die für ein Enteignungsobjekt als Ganzes gestellten Begehren gebunden, kann aber die einzelnen Entschädigungsposten unabhängig von den hiezu vorgebrachten Begründungen und ungeachtet bereits abgeschlossener Teilvergleiche korrigieren, solange der von den Parteien gesteckte Rahmen insgesamt nicht über- oder unterschritten wird ( BGE 106 Ib 225 f. E. 1, 97 I 766, BGE 94 I 582 ; s.a. BGE 105 Ib 327 ). c) Der Entscheid der Schätzungskommission ist nur von den Enteigneten angefochten worden; der Kanton Graubünden hat weder Haupt- noch Anschlussbeschwerde eingereicht und stellt in seiner Vernehmlassung auch ausdrücklich den Antrag, die von der Vorinstanz festgelegten Enteignungsentschädigungen seien als angemessen und richtig zu bestätigen. Zu prüfen ist daher einzig, ob die Entschädigungen zu erhöhen seien. Unter diesen Umständen ist zunächst zu untersuchen, ob die Schätzungskommission methodisch richtig vorgegangen sei. Erweist sich der angefochtene Entscheid in dieser Hinsicht als fehlerhaft, stellt sich die Frage, ob überhaupt bei korrekter Anwendung der Entschädigungsgrundsätze die Möglichkeit bestehe, dass die BGE 109 Ib 26 S. 32 den Enteigneten zugesprochene Entschädigung erhöht werden müsse. Kann dies ausgeschlossen werden, so sind die Beschwerden ohne weiteres abzuweisen. Fällt dagegen eine Erhöhung der Entschädigungen grundsätzlich in Betracht, muss das Instruktionsverfahren fortgesetzt und insbesondere geprüft werden, ob dem Antrag der Enteigneten auf Beizug eines Oberexperten stattzugeben sei. In diesem Falle ist zweckmässigerweise vorweg in einem Teilentscheid festzuhalten, welche Prinzipien bei der Entschädigungsberechnung zu befolgen sind (vgl. BGE 108 Ib 242 und 103 Ib 91, je nicht publ. E. 1). d) Die Stellung der beschwerdeführenden Gemeinden unterscheidet sich grundsätzlich von jener der beiden anderen Enteigneten. Es erscheint daher angebracht, zunächst die Beschwerde der Gemeinden zu behandeln und im folgenden auf die Vorbringen der Kieswerk Rothenbrunnen AG sowie schliesslich der Arbeitsgemeinschaft Kieswerk Domleschg einzutreten. Gemeinden Rothenbrunnen, Tomils und Rhäzüns 2. Die Schätzungskommission hat sich in ihrem Entscheid darauf beschränkt, festzuhalten, dass die Konzessionsverleihungsrechte der Gemeinden Rothenbrunnen, Tomils und Rhäzüns sowie die Einnahmen der Gemeinden Rothenbrunnen und Tomils aus den Bau- und Wegrechten enteignet würden, und hiefür den Betroffenen eine Entschädigung zugesprochen, die durch Kapitalisierung der bis zum Konzessions- und Vertragsablauf im Jahre 1985 möglichen Erträge bestimmt worden ist. Diesem Vorgehen kann indessen nicht beigepflichtet werden. a) Gegenstand der Enteignung bilden - abgesehen von den persönlichen Rechten der Mieter und Pächter - die dinglichen Rechte an Grundstücken ( Art. 5 EntG ). Werden Gemeinden gleich wie Private durch die Enteignung in ihren dinglichen Rechten betroffen, so sind auch sie als Enteignete zu betrachten und steht ihnen ein Anspruch auf Entschädigung gemäss Art. 16 und 19 EntG zu. Dies traf zweifellos zu Beginn des Verfahrens für die Politische und die Bürgergemeinde Rothenbrunnen zu, als der Kanton als Enteigner von diesen die teils vorübergehende, teils endgültige Abtretung grösserer Flächen der Parzellen "Hinterrhein" und "Ravetg" verlangte. In der Folge wurde jedoch der Perimeter der nationalstrassenbedingten Landumlegung Rothenbrunnen erweitert und sind die fraglichen Grundstücke in das BGE 109 Ib 26 S. 33 Beizugsgebiet aufgenommen worden. Das heisst, wie beide Parteien anerkennen, dass der Erwerb des beanspruchten Bodens nicht im Enteignungs-, sondern im Landumlegungsverfahren erfolgt und die Bewertungs-, Realersatz- und Entschädigungsfragen letzterem vorbehalten sind ( BGE 105 Ib 334 ff.). Ist aber im vorliegenden Verfahren der Wert des für das Werk benötigten Bodens nicht zu vergüten, so hätte die Schätzungskommission davon absehen müssen, den Gemeinden den Verlust der Bau- und Wegrechtsentschädigungen zu ersetzen, handelt es sich doch bei diesen um nichts anderes als um die Erträge aus den fraglichen Grundstücksflächen, anhand derer sich der Ertrags- bzw. der Verkehrswert bestimmt. Übrigens hat die Schätzungskommission den Ertragsausfall in Anwendung der für Miet- und Pachtverträge geltenden Regeln, die nicht ohne weiteres auf Dienstbarkeitsverhältnisse übertragbar sind, nur bis zum Ablauf der Vertragsdauer in Rechnung gesetzt; sie hätte aber - wenn eine Ertragswertbestimmung überhaupt vorzunehmen wäre - untersuchen müssen, welche Einnahmen die Gemeinden auch später noch aus ihren Grundstücken (durch Verpachtung oder anderweitige Verwendung) mutmasslich hätten erzielen können, und auch diese Einkünfte kapitalisieren sollen. Wie erwähnt, schliesst jedoch der Einbezug der fraglichen Parzellen in das Landumlegungsverfahren eine Vergütung des Ertrags- bzw. Verkehrswertes aus, da nicht einerseits Geldleistung im Enteignungsverfahren und andererseits Realersatz im Landumlegungsverfahren verlangt werden kann. Dementsprechend sind die Begehren abzuweisen, mit denen die Gemeinden um Ersatz der wegfallenden Bau- und Wegrechtseinnahmen in Form einer kapitalisierten (indexierten) ewigen Rente, m.a.W. um eine Verkehrswert-Entschädigung ersuchen. Da der Enteigner keine Beschwerde führt, erübrigen sich weitere Äusserungen zu diesem Punkte. Ebenso braucht sich das Bundesgericht mit der Frage, ob in Anwendung von Art. 23 der Verordnung über die Nationalstrassen ein zusätzliches Enteignungsverfahren einzuleiten wäre, falls das Landumlegungsverfahren den Ersatzansprüchen der Gemeinden nicht zu genügen vermag, hier nicht zu befassen. b) Nach bündnerischem Recht stellt die gewerbsmässige Sand- und Kiesgewinnung aus öffentlichen Gewässern unbestrittenermassen eine Sondernutzung dar, die einer Konzession der Territorialgemeinde bedarf (Entscheid des Kleinen Rates vom 24. Februar 1964 i.S. Kieswerk Albula AG, Auszug in Rekurspraxis der BGE 109 Ib 26 S. 34 Regierung und des Grossen Rates von Graubünden, Bd. VIII, S. 147 Nr. 6595; DOSCH, Die Rechtsbeziehungen zu den öffentlichen Sachen in Graubünden, Diss. Freiburg 1948, S. 40, 93 ff. und 144 ff.). Konzessionsgebühren sind keine Gegenleistungen des privaten Rechts, sondern öffentliche Abgaben, und zwar Kausalabgaben, auch wenn sie sich wie hier nach dem wirtschaftlichen Interesse der Beliehenen am Sondernutzungsrecht, bzw. nach der Menge des ausgebeuteten Materials bemessen. Wie schon erwähnt, fallen aber als Gegenstand der Expropriation nur die abschliessend in Art. 5 EntG aufgezählten privaten Rechte in Betracht ( BGE 99 Ib 483 f.). Aufgrund des Bundesgesetzes über die Enteignung steht daher dem Gemeinwesen als verleihender Behörde für den Verlust von Konzessionsgebühren, selbst wenn dieser mittelbar auf den Bau eines öffentlichen Werkes zurückzuführen ist, kein Anspruch auf Entschädigung zu, so wenig wie es sich allfällige Mindereinnahmen an Jagdregalgebühren ( BGE 101 Ib 59 ff. E. 3) oder - wie die Schätzungskommission selbst feststellt - an Steuern vergüten lassen kann. Das Problem der Entschädigung der Gemeinwesen, die durch ein Werk in der Ausübung ihrer Hoheitsrechte direkt oder indirekt beeinträchtigt werden, sprengt den Rahmen des Enteignungsgesetzes. Demzufolge muss die Beschwerde der Gemeinden auch insoweit, als eine volle Vergütung der ausfallenden Konzessionsgebühren verlangt wird, abgewiesen werden. Eine andere Frage ist, ob die Gemeinden zwar nicht in ihrer Eigenschaft als Hoheitsträgerinnen, jedoch als Eigentümerinnen von Rheinbett und Ufer geltend machen könnten, die vom Kieswerk belegten Fluss- und Uferparzellen hätten wirtschaftlich eine Einheit gebildet, die durch die werkbedingte Einstellung des Ausbeutungsbetriebes als Ganzes entwertet worden sei. Ob sich eine solche Forderung tatsächlich begründen liesse, ob sie im Anschluss an das Landumlegungsverfahren erhoben werden könnte (s. oben lit. a), und wie allenfalls der Minderwert des Flussgrundstückes zu berechnen wäre, ist allerdings in diesem Verfahren nicht zu entscheiden. 3. Die Gemeinden beanstanden schliesslich, dass die ihnen von der Schätzungskommission zuerkannte Parteientschädigung von Fr. 26'000.-- den Normen des Bündner Anwaltstarifes bei weitem nicht entspreche, und weisen darauf hin, dass allein an Gutachterkosten rund Fr. 5'000.-- auf die Gemeinden entfielen. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerinnen bemisst BGE 109 Ib 26 S. 35 sich jedoch die Parteientschädigung für ein bundesrechtliches Enteignungsverfahren nicht nach dem kantonalen Anwaltstarif. Nach Art. 115 EntG hat der Enteigner für die notwendigen aussergerichtlichen Kosten des Enteigneten im Einsprache-, Einigungs- und Schätzungsverfahren eine angemessene Entschädigung zu bezahlen (Abs. 1). Werden die Begehren des Enteigneten ganz oder zum grössten Teil abgewiesen, so kann von der Zusprechung einer Parteientschädigung ganz oder teilweise abgesehen werden (Abs. 2); bei offensichtlich missbräuchlichen Begehren oder bei offensichtlich übersetzten Forderungen kann der Enteignete zur Bezahlung einer Parteientschädigung an den Enteigner verhalten werden (Abs. 3). Mit dieser Regelung, welche die Pflicht zur Ausrichtung einer Parteientschädigung und deren Höhe nicht allein vom Prozessausgang abhängig macht, hat der Gesetzgeber einerseits dem Umstand Rechnung getragen, dass das Enteignungsverfahren ausschliesslich den Bedürfnissen des Enteigners dient und - von wenigen Ausnahmen abgesehen - stets auf dessen Initiative hin eröffnet wird; andererseits soll diese Regelung aber auch - wie das Enteignungsrecht überhaupt - den Enteigner vor der Willkür der Grundeigentümer schützen und es ihm ermöglichen, die für öffentliche Zwecke benötigten Rechte zu angemessenen Bedingungen zu erwerben (vgl. DUBACH, Die Berücksichtigung der besseren Verwendungsmöglichkeit und der werkbedingten Vor- und Nachteile bei der Festsetzung der Enteignungsentschädigung, ZBl 79/1978 S. 1). Bei der Überprüfung der von der Schätzungskommission festgesetzten Parteientschädigung übt das Bundesgericht eine gewisse Zurückhaltung, weil die Schätzungskommission besser in der Lage ist, die Bemühungen und Leistungen des Anwaltes zu beurteilen. Das Gericht ändert deshalb den zugesprochenen Betrag nur dann, wenn dieser als offensichtlich ungenügend oder unverhältnismässig hoch erscheint ( BGE 106 Ib 19 nicht publ. E. 9; nicht publ. Entscheid i.S. Hänni vom 27. November 1979 E. 4, nicht publ. Entscheid i.S. SBB/Bergomi u. Kons. vom 21. Dezember 1982 E. 10c). Dies trifft im vorliegenden Fall nicht zu, so dass kein Anlass besteht, die Parteientschädigung für das Verfahren vor der Schätzungskommission zu erhöhen. An diesem Ergebnis vermag der Umstand, dass die Gemeinden teilweise für die Kosten des Privatgutachtens aufzukommen haben, nichts zu ändern. Für Privatexpertisen sind in der Regel keine Vergütungen zuzusprechen, da in den Schätzungskommissionen BGE 109 Ib 26 S. 36 selbst die benötigten Fachleute vertreten sind oder solche, falls notwendig, zusätzlich beigezogen werden können (vgl. Art. 40 und 49 der Verordnung für die eidgenössischen Schätzungskommissionen). Entschädigungen für Privatgutachten werden nur ausnahmsweise gewährt, wenn sich ein Enteignungsverfahren als schwierig und die Arbeit des von den Enteigneten beigezogenen Fachmannes im Schätzungsverfahren als nützlich erweist ( BGE 102 Ib 353 , nicht publ. E. 12; zit. Entscheid i.S. Hänni E. 4b). Ob sich eine solche Ausnahme hier rechtfertige, kann offenbleiben, da die Schätzungskommission bei der Festsetzung der Parteientschädigung den Kosten des Privatgutachtens ebenfalls Rechnung getragen hat und die zugesprochene Entschädigung auch unter diesem Gesichtswinkel nicht als unhaltbar erscheint. Kieswerk Rothenbrunnen AG 4. Die Kieswerk Rothenbrunnen AG (im folgenden: KRAG) war vor der Enteignung einerseits Inhaberin der ihr konzedierten Nutzungsrechte und der für den Betrieb notwendigen Bau- und Wegrechte, andererseits Eigentümerin der Anlagen zur Materialgewinnung und -aufbereitung. Der Betrieb ist indessen ab 1971 nicht mehr von der KRAG selbst geführt, sondern an Dritte verpachtet worden. Dass die Enteignete bei der nächsten Kündigungsmöglichkeit den Betrieb wieder hätte übernehmen wollen, wird von niemandem behauptet. Es darf deshalb davon ausgegangen werden, dass die KRAG ihre Rechte und Anlagen - die insgesamt das Enteignungsobjekt bilden - weiterhin verpachtet hätte, und sich ihr Interesse darauf beschränkte, aus dem Betrieb auch inskünftig, bis zum Ablauf der Konzessionsdauer, Pachtzinse zu ziehen. a) Wird ein Grundstück enteignet, auf welchem der Eigentümer ein Unternehmen betreibt, stösst der Enteignungsrichter auf die Schwierigkeit, dass durch Vergütung des Verkehrswertes der Betriebsgebäude und -anlagen (aufgrund des Real- oder Ertragswertes) der entstandene Schaden nicht immer voll gedeckt wird. Der zusätzlich zu ersetzende indirekte Schaden - die sog. Inkonvenienzen - ist aber meist schwer zu bestimmen. Dessen Höhe hängt etwa davon ab, ob der Betrieb verlegbar sei oder, aus objektiven oder in der Person des Enteigneten liegenden Gründen, nicht mehr an anderer Stelle errichtet werden könne. Eine Entschädigung für den Erwerbs- oder Gewinnausfall fällt allerdings, BGE 109 Ib 26 S. 37 von Ausnahmen abgesehen, nur für einen beschränkten Zeitraum, eine Übergangszeit, in Betracht (ZIMMERLI, Die neueste Rechtsprechung des Bundesgerichts auf dem Gebiet des Enteignungsrechts, ZBl 74/1973 S. 188; WIEDERKEHR, Die Expropriationsentschädigung, Diss. Zürich 1966, S. 105 f.; MERKER, Der Grundsatz der vollen Entschädigung im Enteignungsrecht, Diss. Zürich 1966, S. 37; s.a. BGE 103 Ib 294 f.). Diese Einschränkung findet ihren Grund darin, dass bloss die - ersetzbaren - Produktionsmittel von der Enteignung betroffen werden, dagegen die Arbeitskraft und der Unternehmergeist des Enteigneten in der Regel unberührt bleiben. Zu vergüten sind ja nur jene Nachteile, die sich nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge als Folge der Enteignung voraussehen lassen ( Art. 19 lit. c EntG ). So klar indessen diese Bestimmung erscheint, so schwierig ist es im Einzelfall, die betreffenden Nachteile abzustecken. b) Weniger Probleme stellen sich, wenn der Betrieb auf dem zu enteignenden Grundstück nicht vom Eigentümer selbst geführt, sondern an Dritte verpachtet wird und somit der Pachtzins an die Stelle des Unternehmensgewinns tritt. In diesem Falle wird die Wertermittlung mit Vorteil anhand einer Ertragswertberechnung erfolgen, vor allem dann, wenn wie hier der Betrieb auf einem Grundstück ausgeübt wird, das sich seiner Beschaffenheit wegen hiefür besonders eignet (vgl. GELZER/BUSSE, Der Umfang des Entschädigungsanspruchs aus Enteignung und enteignungsgleichem Eingriff, 2. A. München 1980, S. 135 N. 466). Die Ertragswertmethode drängt sich im vorliegenden Fall geradezu auf, da nicht nur die Nutzungsrechte einer zeitlichen Beschränkung unterworfen sind, sondern auch die Gebäude und Einrichtungen bloss auf Zeit bestehen, weil sie bei Ablauf der Baurechtsverträge abgerissen werden müssen, so dass nicht einmal ein auf jenen Zeitpunkt hin diskontierter Restwert der Anlagen mitberücksichtigt werden muss (vgl. HÄGI, Die Bewertung von Liegenschaften, 6. A. 1971, S. 130 ff.). Unter solchen Umständen kann eine Realwert-Schätzung höchstens Kontrollzwecken dienen. Allgemein darf wohl gesagt werden, dass der Produktion dienende Bauten und Maschinen, die keinen Ertrag abwerfen, praktisch wertlos sind. Werden im weiteren blosse Rechte wie die hier konzedierten Ausbeutungsrechte enteignet, so lässt sich auch deren Wert nur anhand des Ertrages bemessen. c) Schon aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass das Vorgehen der Schätzungskommission nicht richtig sein kann. Die Kommission BGE 109 Ib 26 S. 38 hat der KRAG einerseits den Verkehrswert der Gebäude, Anlagen und Maschinen vergütet, wobei sie den massgeblichen Wert der Bauten aus dem Real- und dem Ertragswert ermittelt hat; andererseits ist der Enteigneten auch eine Entschädigung für den entgangenen Gewinn zugesprochen worden, wenn auch nur für fünfzehn Jahre, innert welcher die Enteignete ihre Verhältnisse konsolidieren könne. Dabei ist offensichtlich übersehen worden, dass die Einkünfte der KRAG nicht unternehmerischer Tätigkeit entstammen, sondern im wesentlichen aus den Zinseinnahmen für das verpachtete Werk bestehen, den Pachtzinsen also, denen bei der Festsetzung des Ertragswertes der Gebäulichkeiten bereits Rechnung getragen worden ist. Die Kommission hat somit ein Schadenselement - zumindest teilweise - zweimal berücksichtigt und hiefür der Enteigneten unzulässigerweise eine doppelte Entschädigung zuerkannt (vgl. BGE 106 Ib 228 ). Im weiteren ist bei der Schätzung des Ertragswertes der Gebäulichkeiten unbeachtet geblieben, dass deren Lebensdauer beschränkt ist: falls sie nicht schon vorher veralten, werden sie spätestens bei Ablauf der Konzessionsdauer abgebrochen werden müssen. Die Kommission hätte daher den Ertrag nicht als ewige Rente kapitalisieren dürfen (vgl. HÄGI, a.a.O. S. 122). Und schliesslich hat die Schätzungskommission unerklärlicherweise zwei unterschiedliche Kapitalisierungszinssätze - 5% bzw. 8,5% - gewählt. Der angefochtene Entscheid erweist sich daher schon aus methodologischer Sicht als fehlerhaft. d) Der Enteigneten ist grundsätzlich darin beizupflichten, dass bei der Ertragswertberechnung von den Pachtzinseinnahmen auszugehen ist, die bis zum Ablauf der Konzessionsdauer während 27 Jahren und vier Monaten hätten erzielt werden können. Klarzustellen ist allerdings, dass der derart (ohne Abzüge für Amortisationen) bestimmte Ertragswert den Gesamtwert ausnahmslos aller enteigneten Rechte, Gebäude und Maschinen - d.h. des ganzen verpachteten Kieswerkes - widerspiegelt, werden doch der Enteigneten im Jahre 2005 weder Grundstücke noch Bauten bleiben und die Maschinen blossen Schrottwert aufweisen. Entgegen der Meinung der KRAG bleibt daher kein Raum für irgendeine zusätzliche Entschädigung, weder für Gebäulichkeiten noch für maschinelle Einrichtungen noch für die von der Enteigneten angelegten Werkstrassen und -plätze. Wollte man unter allen Umständen neben dem Ertragswert auch den Realwert der Bauten und Maschinen in die Schätzung BGE 109 Ib 26 S. 39 miteinbeziehen, so könnten die beiden Werte nicht einfach addiert, sondern müsste unter angemessener Gewichtung ein Mittelwert festgelegt werden. Eine solche Berechnung erübrigt sich jedoch, da der Ertragswert den Realwert klarerweise übersteigt und daher entsprechend stärker zu gewichten wäre; zudem würde sie dem Umstand nicht gerecht, dass die Pachtzinse nicht nur Entgelt für die Inanspruchnahme der baulichen und maschinellen Anlagen sondern auch der konzedierten Rechte sind, welchen ihrer Natur nach nur ein Ertragswert, nicht aber ein Sachwert zugemessen werden kann. e) Die Prognose über die Pachtzins-Einnahmen ist nicht leicht zu stellen. Abgesehen vom Problem allfälliger flussbaupolizeilicher Einschränkungen des Ausbeutungsbetriebes stellt sich zunächst die Frage, inwieweit mit Ertragsschwankungen infolge wechselnder Nachfrage zu rechnen sei. Da sich die Prognose über einen Zeitraum von 27 Jahren erstrecken muss, kann ihr nicht ohne weiteres der durchschnittliche Ertrag der sieben der Enteignung vorangegangenen Jahre (1971-1977) zugrundegelegt werden; ebensowenig kann einfach auf den vertraglich festgelegten Minimal-Pachtzins abgestellt werden, da der Pachtvertrag unter den damaligen konkreten Umständen für eine feste Dauer von zehn Jahren abgeschlossen wurde, vermutlich mit Blick darauf, dass in der Nähe grössere Bauarbeiten im Gange waren oder in Angriff genommen werden sollten und der Abs. gesichert schien. Der Vertrag selbst enthält übrigens eine Klausel, die die vorzeitige Kündigung für den Fall eines Umsatzrückganges gestattet. Dass ein solcher nicht eintrat, ist in diesem Zusammenhang unerheblich; von Bedeutung ist nur, dass die Vertragsparteien die Möglichkeit von Absatzschwierigkeiten überhaupt ins Auge gefasst haben. Übrigens hat die Enteignete bzw. ihr Eigentümer selbst eingeräumt, der auffallende Umsatzrückgang in den Jahren 1967-1970 sei zum grossen Teil darauf zurückzuführen, dass keine Baustellen in der Nähe zu beliefern waren. ... Ist nun eine Prognose über die Ertragsentwicklung während 27 Jahren zu stellen, muss vorerst durch ein betriebswirtschaftlich-technisches Gutachten abgeklärt werden, welche Restlebensdauer der beiden Anlagen - Kabelbagger- und Aufbereitungsanlage - im Zeitpunkt der Enteignung noch angenommen werden durfte. War damals die voraussichtliche Restnutzungsdauer der Aufbereitungsanlage, BGE 109 Ib 26 S. 40 wie zu vermuten ist, kürzer als die Konzessionsdauer, so hätte die KRAG, um die Pachterträge nicht zu verlieren, mittelfristig weiteres Kapital für die Erneuerung der Anlage investieren müssen, Kapital, das seinerseits vor Ablauf der Konzessionsdauer wieder hätte verzinst und amortisiert werden müssen. Dem kann nicht entgegengehalten werden, nach Pachtvertrag gingen Unterhalt, Reparaturen und Verschleiss der maschinellen Einrichtungen zu Lasten der Pächterin: zum einen muss die normale Abnützung von der Verpächterin getragen werden; zum anderen darf nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass der Pachtvertrag trotz fortschreitender Abnützung der Anlagen stets unverändert erneuert worden wäre. Bei der Kapitalisierung der mutmasslichen zukünftigen Pachtzinserträge kommt sodann der Wahl des Zinssatzes bzw. des entsprechenden Kapitalisierungsfaktors erhebliche Bedeutung zu. Es ist zumindest zweifelhaft, ob der von der Schätzungskommission angewandte Satz von 5% angemessen sei, selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass die Risikofaktoren ihren Niederschlag nicht im Zinsfuss, sondern in prozentualen Abzügen von den zukünftigen Erträgnissen finden sollen (vgl. RUMMEL/SCHLAGER, Enteignungsentschädigung insbesondere für gewerbliche Objekte, Wien 1981, S. 248 f.). ... (Ausführungen über die konkreten Auswirkungen bei Wahl unterschiedlicher Zinssätze.) Arbeitsgemeinschaft Kieswerk Domleschg 6. Nach Art. 23 Abs. 2 EntG hat die Arbeitsgemeinschaft Kieswerk Domleschg als Pächterin Anspruch auf Ersatz allen Schadens, der ihr aus der vorzeitigen Aufhebung des Pachtvertrages entsteht. Die Frage stellt sich, wie weit, insbesondere auf welchen Zeitraum sich dieser Ersatzanspruch erstrecke. a) Der Enteigner macht wie schon vor der Vorinstanz unter anderem geltend, der Pächterin stehe überhaupt kein Entschädigungsanspruch zu, da im Vertrag selbst die entschädigungslose Aufhebung der Pacht bei Stillegung des Betriebs infolge Expropriation vorgesehen sei. Im angefochtenen Entscheid wird diese Frage nicht behandelt; die Schätzungskommission scheint stillschweigend der Meinung der KRAG gefolgt zu sein, wonach die fragliche Klausel lediglich bestätige, dass die Verpächterin im Falle der Enteignung gegenüber der Pächterin nicht schadenersatzpflichtig werde, dagegen nicht bezwecke, die Pächterin in ihren Rechten gegenüber dem Enteigner zu verkürzen. BGE 109 Ib 26 S. 41 Der Einwand des Enteigners ist jedoch nicht ohne weiteres als unbegründet zu betrachten. Eine Vertragsbestimmung wie die hier umstrittene braucht sich ihrem Sinne nach nicht darauf zu beschränken, eine - bereits vom Gesetz geregelte (vgl. Art. 259 Abs. 3 bzw. Art. 281, Abs. 3 OR ; BECKER, N. 17 zu Art. 259 OR , SCHMID, N. 46 zu Art. 259 OG ) - Frage der zivilrechtlichen Verantwortlichkeit zu lösen; vielmehr kann ihr auch im Rahmen des Enteignungsrechtes Bedeutung zukommen, schreibt doch Art. 21 Abs. 1 EntG vor, dass bei der Schätzung des Verkehrswertes die im Grundbuch vorgemerkten Miet- und Pachtrechte in Anschlag zu bringen sind. Es kann daher nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass die KRAG mit dieser Klausel der Gefahr begegnen wollte, dass die ihr zuzusprechende Entschädigung in Anwendung von Art. 21 Abs. 1 EntG gekürzt würde. Diese Vermutung liegt um so näher, als nach Vertrag auch das der Arbeitsgemeinschaft eingeräumte Vorkaufsrecht im Enteignungsfall erlischt, ein Vorkaufsrecht, für das der Berechtigten gemäss Art. 23 EntG eine Entschädigung zustünde, welche nach Art. 21 Abs. 2 EntG von der Verkehrswertvergütung abgezogen werden müsste. Indessen kann eine derart weitgehende Interpretation der Klausel - die zur Verneinung jeglichen Entschädigungsanspruchs der Arbeitsgemeinschaft führen würde - aufgrund der Akten nicht aufrechterhalten werden. Der Enteigner selbst hat seine These nicht ernsthaft verfochten, hat er doch auf Beschwerdeführung verzichtet und auch nicht behauptet, durch Aufnahme der fraglichen Vertragsbestimmung habe die Verpächterin nur ihre eigene Stellung im Enteignungsverfahren, möglicherweise zu Ungunsten der Pächterin, verbessern wollen. - Für die Beurteilung der Ersatzansprüche der Beschwerdeführerin ist daher grundsätzlich auf den Pachtvertrag vom 21. April 1971 abzustellen und über die genannte Auflösungs-Klausel hinwegzusehen. b) Entgegen der Meinung der Enteigneten darf allerdings bei Bemessung der Entschädigung nur der Zeitraum zwischen vorzeitiger Besitzeinweisung (1. Januar 1978) und dem nächsten Kündigungstermin (31. Dezember 1980) in Betracht gezogen werden. Wie in der jüngsten bundesgerichtlichen Rechtsprechung in Übereinstimmung mit der herrschenden Lehre erneut bestätigt worden ist, können Gegenstand der Enteignung von Mietern und Pächtern nur deren vertragliche Rechte sein und kann eine Entschädigung einzig für vorzeitige Vertragsauflösung oder für Beeinträchtigung des vertragsgemässen Gebrauches der Sache bis zum Vertragsablauf BGE 109 Ib 26 S. 42 oder zum nächsten Kündigungstermin zuerkannt werden ( BGE 106 Ib 226 ff. E. 2, 245 ff. E. 4; BGE 95 I 309 ff.; nicht publ. Entscheid vom 8. Juli 1970 i.S. AET c. Bontà; HESS, a.a.O., N. 12 zu Art. 23 EntG , MERKER, a.a.O., S. 195 f., a.M.: WIEDERKEHR, a.a.O., S. 61). Es besteht kein Anlass, hier von dieser Praxis abzuweichen. Auch stellt sich die im Entscheid Bonomo ( BGE 106 Ib 227 f.) aufgeworfene Frage, ob die übereinstimmenden Interessen der mietenden und der vermietenden Firma, die beiden den selben Aktionären mit gleicher Aktienverteilung gehörten, eine einseitige Auflösung des Vertragsverhältnisses ausschlössen, im vorliegenden Verfahren nicht. Die blosse - wenn auch begründete - Aussicht auf Vertragsverlängerung verleiht der Pächterin kein Recht, das Gegenstand der Enteignung im Sinne von Art. 5 EntG sein könnte. Auch der Hinweis der Enteigneten auf BGE 51 I 359 und auf ihr Vorkaufsrecht an den Aktien der KRAG vermag an diesem Ergebnis nichts zu ändern: abgesehen davon, dass jener Entscheid noch unter dem alten Recht gefällt wurde, das keine Art. 23 Abs. 2 EntG entsprechende Vorschrift kannte (vgl. hiezu BGE 106 Ib 245 f. E. 4a), ist der Enteigneten damals in erster Linie eine Vergütung für den Verlust ihres Vorkaufsrechtes und nicht für die Aufhebung des Mietvertrages gewährt worden. Eine solche hat die Arbeitsgemeinschaft aber nie verlangt. c) Steht der für die Entschädigung relevante Zeitraum fest, berechnet sich der "volle Schaden" im Sinne von Art. 23 Abs. 2 EntG nach obligationenrechtlichen Grundsätzen; die Höhe der Entschädigung bemisst sich somit, im für die Enteignete günstigsten Fall, nach dem Interesse der Pächterin an der Erfüllung des Vertrages ( BGE 95 I 310 f.; MERKER, a.a.O., S. 196 f.; vgl. für die viel einschränkendere Entschädigungsregelung im deutschen Recht: AUST/JACOBS, Die Enteignungsentschädigung, S. 77 ff., GELZER/BUSSE, a.a.O. S. 181 ff.; NJW 1967 S. 1085). aa) Die Arbeitsgemeinschaft hat demnach Anspruch auf Ersatz des Gewinnes, den sie bei Weiterführung des Vertrages bis zum nächsten Kündigungstermin hätte erzielen können. Da dieser Zeitraum relativ kurz ist (3 Jahre), rechtfertigt es sich nicht, die Entschädigung mit Rücksicht auf mögliche anderweitige Betätigung der Enteigneten zu reduzieren. Dagegen muss bei der Festsetzung des mutmasslichen Ertrages - gleich wie gegenüber der KRAG (vgl. E. 4e) - den Risiken eines solchen Unternehmens gebührend Rechnung getragen werden; tatsächlich kann - ganz abgesehen von allfälligen flussbaupolizeilichen Verboten - nicht BGE 109 Ib 26 S. 43 ausgeschlossen werden, dass mangels Absatzmöglichkeiten in der Region der Ausbeutungsbetrieb von einem Jahr auf das andere stark hätte eingeschränkt werden müssen. Ferner wird zu prüfen sein, ob der von der Schätzungskommission für die Kapitalisierung gewählte Zinssatz von 5% nicht zu erhöhen sei, was das Ergebnis, wenn auch nicht im gleichen Masse wie oben für die KRAG aufgezeigt, so doch spürbar beeinflussen würde. bb) Die Schätzungskommission hat der Arbeitsgemeinschaft neben dem entgangenen Gewinn auch den Verkehrswert (Zeitwert) ihrer maschinellen Einrichtungen vergütet, die durch die Enteignung nutzlos geworden sind. Nach dem Gesagten ist klar, dass dieses Vorgehen falsch ist. Zwar kann die Enteignete eine Entschädigung für die (diskontierten) Beträge verlangen, welche sie in den drei Jahren bis zum Kündigungstermin der Abschreibung ihrer Maschinen gewidmet hätte. Sind dann die Maschinen noch nicht vollständig amortisiert, so ist hiefür kein Ersatz zu leisten; ein solcher Schaden ist nicht durch die Enteignung bedingt und würde auch eintreten, wenn der Vertrag gekündigt worden wäre ( BGE 106 Ib 227 , 247). Vollständig ausser Betracht fällt schliesslich eine Entschädigung für den auf den Zeitpunkt der Betriebseinstellung geschätzten Verkehrswert der Anlagen, ohne die der Gewinn, welcher der Arbeitsgemeinschaft vergütet wird, nicht hätte erzielt werden können.
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Sachverhalt ab Seite 233 BGE 112 Ia 233 S. 233 Gemäss § 1 Abs. 5 des basel-städtischen Gesetzes betreffend Wahl und Organisation der Gerichte und der richterlichen Beamtungen vom 27. Juni 1895 (Gerichtsorganisationsgesetz, GOG) besteht das Strafgericht aus acht Präsidenten und dreizehn Richtern. Diese werden auf eine Amtsdauer von sechs Jahren gewählt, wobei für die Hälfte der Richter alle drei Jahre Erneuerungswahlen stattfinden (§ 2 Abs. 1 GOG). Die Wahl erfolgt im Majorzsystem durch die stimmberechtigte Bevölkerung des Kantons in einem BGE 112 Ia 233 S. 234 Wahlkreis und richtet sich nach den Vorschriften des kantonalen Gesetzes betreffend Wahlen und Abstimmungen vom 29. April 1976 (Wahlgesetz, WG), welches in § 40 u.a. für solche Richterämter die Möglichkeit der stillen Wahl vorsieht. ("Ist bei Wahlen die Zahl der Vorgeschlagenen gleich gross wie die Zahl der zu Wählenden, so findet keine Wahlhandlung statt. Der Regierungsrat widerruft den angesetzten Wahlgang und erklärt die Vorgeschlagenen als gewählt.") Am 31. Dezember 1985 lief für die Hälfte der acht Strafgerichtspräsidenten die sechsjährige Amtsdauer ab. Zwei dieser vier Präsidenten erklärten schon Ende 1984 ihren Rücktritt auf diesen Termin, d.h. den Verzicht auf die Wiederwahl für eine neue Amtsdauer. Am 10. und 11. Mai 1985 erklärten zwei weitere Strafgerichtspräsidenten, deren Amtsdauer noch bis zum 31. Dezember 1988 lief, ihren (vorzeitigen) Rücktritt auf den 31. Dezember 1985. Der Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt ging davon aus, dass die Erneuerungswahl für die vier Präsidentenämter mit ablaufender Amtsdauer und die Ersatzwahl für die beiden weiteren, durch vorzeitigen Rücktritt auf den gleichen Zeitpunkt hin frei werdenden Präsidentenämter in getrennten Verfahren durchzuführen seien. Er liess im Kantonsblatt vom 5. Juni 1985 die erstgenannten vier Ämter im Rahmen der Bekanntmachung der allgemeinen "Erneuerungswahlen in die Gerichte (Ablauf der Amtsperiode 1985)" ausschreiben und anschliessend gesondert auf die "Ersatzwahl von zwei Präsidenten des Strafgerichtes (Ablauf der Amtsperiode 1988)" hinweisen, wobei sowohl die allgemeine Erneuerungswahl für die Gerichte wie auch die erwähnte Ersatzwahl auf das Wochenende vom 20.-22. September 1985 und ein allfälliger zweiter Wahlgang auf den 18.-20. Oktober 1985 festgesetzt wurden. Mit Beschluss vom 20. August 1985, publiziert im Kantonsblatt vom 24. August 1985, stellte der Regierungsrat fest, dass für die Erneuerungswahl von vier Präsidenten des Strafgerichtes lediglich vier Kandidaten vorgeschlagen und diese damit (wie auch noch weitere Gruppen von Richtern) gemäss § 40 des Wahlgesetzes als in stiller Wahl gewählt zu erklären seien; der für diese Ämter auf den 20.-22. September 1985 angesetzte Wahlgang wurde dementsprechend widerrufen. Für die zur Ersatzwahl in zwei Strafgerichtspräsidien vorgeschlagenen drei Kandidaten blieb es dagegen bei der angesetzten Urnenwahl. BGE 112 Ia 233 S. 235 Hansueli Moser-Ehinger, stimmberechtigter Einwohner des Kantons Basel-Stadt, erhob am 29. August 1985 gegen diesen Beschluss über die stille Wahl von vier Strafgerichtspräsidenten Einsprache beim Regierungsrat mit dem Begehren, die Strafgerichtspräsidentenwahlen so anzusetzen, dass die Stimmbürger in einem einzigen Wahlverfahren ohne Einschränkung über die Besetzung aller sechs Stellen entscheiden könnten. Nachdem er auf dieses Begehren bis dahin noch keine Antwort erhalten hatte, reichte Hansueli Moser-Ehinger am 19. September 1985 beim Bundesgericht eine Stimmrechtsbeschwerde ein. Gegen die am 20.-22. September 1985 durchgeführten Ersatzwahlen, in welchen zwei Kandidaten im ersten Wahlgang gewählt wurden und der dritte ausschied, erhob Hansueli Moser-Ehinger am 30. September 1985 erneut Einsprache beim Regierungsrat, u.a. mit dem zusätzlichen Begehren, die Wahl vom 20.-22. September 1985 aufzuheben. Mit Beschluss vom 21. November 1985 wies der Grosse Rat des Kantons Basel-Stadt die beiden Einsprachen des Beschwerdeführers ab und validierte gleichzeitig alle erfolgten Wahlen (Kantonsblatt vom 23. November 1985). Im Anschluss an diesen Beschluss des Grossen Rates erhob Hansueli Moser-Ehinger am 11. Dezember 1985 eine zweite Stimmrechtsbeschwerde. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. a) Bei Stimmrechtsbeschwerden prüft das Bundesgericht nicht nur die Auslegung von Bundesrecht und kantonalem Verfassungsrecht frei, sondern auch diejenige anderer kantonaler Vorschriften, die den Inhalt des Stimm- und Wahlrechts regeln oder mit diesem eng zusammenhängen. In ausgesprochenen Zweifelsfällen schliesst es sich der von den obersten kantonalen Organen vertretenen Auslegung an; als solche gelten das Parlament und das Volk ( BGE 111 Ia 117 /118 E. 2a; 194 E. 4a; 197 E. 2a; 202 E. 2, je mit Hinweisen). b) Nach Auffassung des Beschwerdeführers beeinträchtigt das angewandte Wahlverfahren das Wahlrecht und die Wahlfreiheit des Bürgers, indem für vier der zu vergebenden sechs Präsidentenämter keine Volkswahl, sondern eine stille Wahl stattgefunden habe, obwohl die Zahl der vorgeschlagenen Kandidaten höher gewesen sei als jene der zu besetzenden Ämter. Durch eine solche Teilung der Strafgerichtspräsidentenwahl in zwei Pakete werde dem Stimmbürger die Möglichkeit genommen, wiederkandidierende BGE 112 Ia 233 S. 236 bisherige Strafgerichtspräsidenten abzuwählen, indem er für einen der andern Kandidaten stimme; der Stimmbürger verliere auch die Möglichkeit, statt der vier vom Regierungsrat als in stiller Wahl gewählt erklärten neuen Präsidenten andere, für dasselbe Amt kandidierende Bewerber zu wählen; die Wahl aus sieben Bewerbern für sechs Präsidien werde auf eine Wahl aus drei Bewerbern für zwei Präsidien reduziert; den politischen Parteien werde ermöglicht, durch abgesprochene Plazierung in den richtigen Wahlkomplex einzelne Kandidaten zu bevorzugen, d.h. ihnen ein Präsidium ohne Wahlverfahren zuzuhalten, andere Kandidaten aber in ein echtes Wahlverfahren zu verweisen. c) Der Beschwerdeführer schildert die Auswirkungen des hier angewandten Wahlverfahrens an sich zutreffend. Die Frage ist, ob dieses Verfahren auf einer richtigen Auslegung der massgebenden Vorschriften beruht. Dass die in § 40 des basel-städtischen Wahlgesetzes vorgesehene Einrichtung der stillen Wahl, welche in gleicher oder ähnlicher Form auch in andern Kantonen und im Bund existiert (vgl. Z. GIACOMETTI, Das Staatsrecht der schweizerischen Kantone, Zürich 1941, S. 282; KASPAR LAELY, Die stille Wahl in der Demokratie, Diss. Bern 1951, S. 17-27), schon an sich gegen übergeordnetes kantonales oder eidgenössisches Recht verstosse, wird vom Beschwerdeführer nicht geltend gemacht; zu prüfen ist lediglich die Handhabung der angerufenen Vorschriften des kantonalen Wahlgesetzes und des kantonalen Gerichtsorganisationsgesetzes. d) Die hier in Frage stehenden Richterwahlen finden nach dem in §§ 32 ff. des Wahlgesetzes vorgesehenen Majorzverfahren statt. Danach können für die zu besetzenden Ämter innert bestimmter Frist Wahlvorschläge eingereicht werden, welche von mindestens zehn Stimmberechtigten unterzeichnet sein müssen, wobei ein Stimmberechtigter nur einen Wahlvorschlag unterzeichnen darf ( § 34 Abs. 1 und 2 WG ). Gleichzeitig mit dem Wahlvorschlag muss die schriftliche Zustimmung der vorgeschlagenen Kandidaten eingereicht werden ( § 34 Abs. 3 WG ). § 40 Abs. 1 WG bestimmt alsdann: "Ist bei Wahlen die Zahl der Vorgeschlagenen gleich gross wie die Zahl der zu Wählenden, so findet keine Wahlhandlung statt. Der Regierungsrat widerruft den angesetzten Wahlgang und erklärt die Vorgeschlagenen als gewählt." Sind diese Voraussetzungen einer stillen Wahl nicht erfüllt, so findet ein Urnengang statt, bei dem der Stimmbürger an die erfolgten, auf gedruckten Wahlzetteln erscheinenden Wahlvorschläge nicht gebunden ist, BGE 112 Ia 233 S. 237 sondern auf den mitverteilten leeren Wahlzetteln seine Stimme auch anderen wählbaren Kandidaten geben kann ( § § 32 und 38 WG ). Nötigenfalls findet ein zweiter Wahlgang statt, wobei neue Wahlvorschläge eingereicht werden können und wiederum die Möglichkeit der stillen Wahl besteht ( § 46 WG ). e) Nach Meinung des Beschwerdeführers hätten im vorliegenden Fall die sechs vakanten Stellen von Strafgerichtspräsidenten unter dem Gesichtswinkel der Regelung über die stille Wahl als eine einzige Ämtergruppe behandelt werden müssen, womit die Voraussetzungen einer stillen Wahl wegen der Überzahl von Wahlvorschlägen (sieben Kandidaten für sechs Ämter) nicht gegeben gewesen wären. Diese Betrachtungsweise wäre dann zulässig und richtig, wenn es lediglich auf die Funktion des zu vergebenden Amtes ankäme und nicht auch auf den Zeitraum, für den die Wahl erfolgen soll. In bezug auf dieses zeitliche Element waren die zu vergebenden Präsidentenämter nicht identisch. Bei vier Ämtern ging es um eine Wiederwahl für die volle Amtsdauer von sechs Jahren (1986-1991), während die beiden weiteren, durch vorzeitigen Rücktritt freigewordenen Ämter lediglich für den Rest der für sie noch laufenden Amtsdauer (1986-1988) zu besetzen waren. Diesen Unterschied verkennt auch der Beschwerdeführer nicht. Er nimmt jedoch an, der basel-städtische Gesetzgeber habe eine Gleichsetzung von Erneuerungswahlen und Ersatzwahlen gewollt, indem er in § 6 des Gerichtsorganisationsgesetzes für die Verteilung von Richterämtern mit ungleicher Amtsdauer auf gewählte Kandidaten ein besonderes Verfahren vorsehe. Unter der Überschrift "Ersatzwahl" bestimmt § 6 des GOG zunächst, dass bei Ausscheiden eines Richters vor Ablauf der Amtsdauer eine "Ersatzwahl" für den Rest seiner Amtsdauer stattzufinden hat (Abs. 1), wobei Ersatzwahlen für Gerichtspräsidenten und für Statthalter "ohne Verzug" und für ausscheidende Richter wenigstens einmal jährlich erfolgen müssen (Abs. 2). Abs. 4 lautet: "Sind gleichzeitig mehrere Stellen von Präsidenten oder Richtern zu ersetzen, deren Amtsdauer nicht zu gleicher Zeit abläuft, so wird in einer Plenarsitzung des Gerichts durch das Los bestimmt, welche Amtsdauer für jeden der Neugewählten gelte." Diese Bestimmung bezieht sich, worauf schon die erwähnte Überschrift des ganzen Paragraphen hindeutet, ausschliesslich auf Fälle von Ersatzwahlen. Der Einwand des Beschwerdeführers, letztlich sei jede Wahl eine Ersatzwahl, soweit es nicht um die Besetzung eines neugeschaffenen Amtes gehe, und die vom Regierungsrat im Verfahren BGE 112 Ia 233 S. 238 der stillen Wahl vergebenen vier Präsidialämter seien insofern Ersatzwahlen gewesen, als zwei der bisherigen Amtsinhaber nicht mehr kandidiert hätten, überzeugt nicht. Das Gerichtsorganisationsgesetz verwendet den Begriff der Ersatzwahl, wie aus der Umschreibung von § 6 Abs. 1 GOG hervorgeht, durchaus in einem technischen Sinn; es unterscheidet zwischen den allgemeinen, periodischen "Erneuerungswahlen" für eine ganze neue Amtsdauer (§ 2) und den "Ersatzwahlen" für den Rest der laufenden Amtsdauer bei vorzeitigem Austritt eines Gerichtsmitgliedes (§ 6 Abs. 1). Der Randtitel zu § 6 GOG sowie die ersten drei Absätze dieses Paragraphen, welche nur von der Ersatzwahl handeln, sprechen dafür, dass auch der anschliessende Abs. 4 lediglich den Fall der Kumulierung gleichzeitiger Ersatzwahlen für unterschiedlich lange Restperioden regeln will. Auch der Wortlaut von Abs. 4 stützt diese Annahme, indem von zu "ersetzenden" Stellen die Rede ist, deren "Amtsdauer nicht zur gleichen Zeit abläuft", was auf Ersatzwahlen hindeutet. Die dargelegte naheliegende Auslegung ergibt einen vernünftigen Sinn: Sind infolge vorzeitigen Rücktrittes von Richtern, die nicht alle der gleichen sechsjährigen Amtsperiode gemäss § 2 GOG zugehören (und deren Amtsdauer deshalb nicht zur gleichen Zeit abläuft), mehrere Ersatzwahlen vorzunehmen, so können die betreffenden Stellen für das Wahlverfahren als gleichwertig betrachtet und damit zu einer Gruppe zusammengefasst werden, was das Prozedere (insbesondere hinsichtlich der Wahlvorschläge durch die Parteien) vereinfacht; die Zuteilung der unterschiedlich langen Restperioden an die einzelnen Gewählten findet erst nach der Wahl auf dem Weg der Verlosung statt. Es wäre an sich denkbar, dieses Verfahren auch dann anzuwenden, wenn, wie im vorliegenden Fall, Ersatzwahlen und Erneuerungswahlen zeitlich zusammenfallen. Hierin läge allerdings eine Abweichung vom System der sechsjährigen Amtsdauer, wie es in § 2 GOG verankert ist. Zwar müssten nach Auffassung des Beschwerdeführers, da § 6 Abs. 4 GOG von einer Verlosung unter den "Neugewählten" spricht, nur die in einer Erneuerungswahl neu auftretenden Kandidaten und nicht auch die sich zur Wiederwahl stellenden bisherigen Richter dem Verfahren nach § 6 Abs. 4 GOG und damit dem Risiko der Zuteilung einer verkürzten Amtsdauer unterworfen werden. Selbst ein solches Vorgehen stünde jedoch im Widerspruch zu § 2 Abs. 1 Satz 1 GOG, wonach alle Richter, bisherige und neu einzusetzende, anlässlich der Erneuerungswahlen auf die Dauer von sechs Jahren gewählt werden. Das BGE 112 Ia 233 S. 239 vom Beschwerdeführer vorgeschlagene Vorgehen liefe auf eine Privilegierung bisheriger Amtsinhaber hinaus, die in § 2 GOG keine Grundlage findet. Der Beschwerdeführer kann schliesslich auch nicht behaupten, dass die von ihm postulierte Auslegung von § 6 Abs. 4 des Gerichtsorganisationsgesetzes einer bisherigen kantonalen Praxis entspreche. Es besteht damit für das Bundesgericht kein Grund, von der sich an Wortlaut und Systematik des Gesetzes anlehnenden Auslegung, wie sie der Regierungsrat und der Grosse Rat vertreten, abzuweichen. Eine solche Regelung führt zwar insoweit zu einer Einschränkung der Wahlfreiheit des Stimmbürgers, als sie das Zustandekommen stiller Wahlen, wie der vorliegende Fall zeigt, erleichtert. Jeder Stimmbürger hat es jedoch in der Hand, durch Einreichung eines eigenen, zu einer Überzahl von Kandidaten führenden Wahlvorschlages eine Volkswahl zu erzwingen, wenn er mit den von anderer Seite vorgeschlagenen Kandidaten nicht einverstanden ist oder weiteren Kandidaten eine Wahlchance verschaffen will; es ist dazu kein übermässiger Aufwand erforderlich (Sammlung von zehn Unterschriften, Einwilligung eines wählbaren Kandidaten). Wichtig ist, dass in der amtlichen Wahlausschreibung auf die Möglichkeit der stillen Wahl, das Vorschlagsrecht der Stimmbürger und auf die weiteren Regeln über die Durchführung der Wahl in genügender Weise hingewiesen wird (KASPAR LAELY, a.a.O., S. 29). Auch in dieser Hinsicht lässt sich das Vorgehen der basel-städtischen Behörden nicht beanstanden. Die im Kantonsblatt vom 5. Juni 1985 publizierte Wahlanordnung enthielt alle erforderlichen Angaben, und es war daraus ersehbar, dass die Ersatzwahlen für zwei Strafgerichtspräsidien zwar gleichzeitig mit den allgemeinen Erneuerungswahlen für die Gerichte, aber in einem gesonderten Verfahren durchgeführt wurden und mithin auch bezüglich der Wahlvorschläge und einer allfälligen stillen Wahl als gesonderter Vorgang zu behandeln waren. Dementsprechend haben alle politischen Parteien bei ihren Wahlvorschlägen für das Amt eines Strafgerichtspräsidenten zwischen den der Erneuerungswahl und den der Ersatzwahl unterliegenden Stellen differenziert. Es hätte am Beschwerdeführer gelegen, sich rechtzeitig über die geltenden Regeln ins Bild zu setzen, wenn er von den ihm als Stimmbürger in der Vorphase dieser Wahlen zustehenden Rechten Gebrauch machen wollte. Dass der Regierungsrat das im vorliegenden Fall durchgeführte Verfahren im nachhinein selber nicht für befriedigend hält, ändert an der Rechtmässigkeit der angefochtenen Wahlen nichts; der BGE 112 Ia 233 S. 240 Regierungsrat ist nicht der Meinung, dass die Erneuerungs- und Ersatzwahlen für die Strafgerichtspräsidien in der vom Beschwerdeführer verlangten Weise hätten vereinigt werden müssen, sondern er will in Zukunft in derartigen Fällen die Erneuerungs- und Ersatzwahlen auf verschiedene Termine festlegen, um für die Stimmbürger noch klarere Verhältnisse zu schaffen und um Kandidaten, welche bei den Erneuerungswahlen nicht gewählt werden, eine nochmalige Beteiligung an der später anzusetzenden Ersatzwahl zu ermöglichen (vgl. Antwort des Regierungsrates an den Grossen Rat auf die Interpellation Stark vom 24. September 1985). Auf die Einwände, welche der Beschwerdeführer gegen diese angekündigte neue Praxis erhebt, ist hier nicht einzutreten. Die Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildenden Wahlen wurden jedenfalls korrekt durchgeführt.
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13afeccb-32e2-4bc8-92dc-67905d6f96c6
Sachverhalt ab Seite 289 BGE 98 Ib 289 S. 289 A.- Bei der Gesamterneuerung des Nationalrates Ende Oktober 1971 waren im Kanton Schwyz wie bisher drei Ratsmitglieder zu wählen. Die bis anhin im Rat vertretenen politischen Parteien des Kantons liessen im gegenseitigen Einvernehmen je einen Einervorschlag einreichen. Um die damit beabsichtigte "stille Wahl" zu verhindern, reichte ein Aktionskomitee "Wir wollen wählen" einen eigenen, diese Bezeichnung tragenden Dreiervorschlag - Liste Nr. 4 - ein. An erster Stelle unterzeichnete diesen Vorschlag Jean-Albert Fontana, Sprachlehrer in Ibach; weitere Unterzeichner waren Karl Kümin, Gerichtsschreiber des Bezirkes Höfe in Wollerau, Richard-André Schindler, Rechtsanwalt in Schwyz, und Dr. Xaver Schnüriger, Land- und Gerichtsschreiber des Bezirkes Schwyz in Schwyz. Parteipolitiker ersuchten die Staatskanzlei des Kantons Schwyz, ihnen die Unterzeichner der Liste Nr. 4 bekanntzugeben. BGE 98 Ib 289 S. 290 Der Regierungsrat, dem das Begehren vorgelegt wurde, beschloss am 27. September 1971, die Staatskanzlei zu beauftragen, "allfälligen Interessenten Einblick in die Wahlvorschläge und die Namen ihrer Unterzeichner zu gewähren". Zwei Kantonsräte nahmen darauf Einsicht in die Liste der Unterzeichner des Wahlvorschlags Nr. 4. Mit Eingabe vom 29. September 1971 beantragte Jean-Albert Fontana im Namen des genannten Komitees dem Regierungsrat, "alle geeigneten Massnahmen zu treffen, damit das Wahlgeheimnis gewahrt bleibt, und jene Personen, die in die Liste 'Wir wollen wählen' Einsicht genommen haben, aufzufordern, von ihrer Kenntnis keinen Gebrauch zu machen". Der Regierungsrat lehnte das Begehren am 4. Oktober 1971 ab. B.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 26. Oktober 1971 beantragen die vier erwähnten Unterzeichner der Liste Nr. 4, die genannten Beschlüsse des Regierungsrates seien aufzuheben, und dieser sei anzuweisen, "die Listen mit den Namen der Unterzeichner von Wahlvorschlägen betreffend die Nationalratswahlen nicht öffentlich aufzulegen und Personen, die in die Liste Nr. 4 Einsicht genommen haben, aufzufordern, von ihrer Kenntnis keinen Gebrauch zu machen". Die Beschwerdeführer machen geltend, die angefochtenen Beschlüsse verletzten das im Gesetz gewährleistete Wahlgeheimnis. Das Gesuch der Beschwerdeführer, dem Regierungsrat sei durch vorsorgliche Verfügung eine Weisung im Sinne des Beschwerdebegehrens zu erteilen, ist vom Präsidenten der verwaltungsrechtlichen Kammer am 27. Oktober 1971 abgewiesen worden. C.- Der Regierungsrat des Kantons Schwyz und die Schweizerische Bundeskanzlei beantragen die Abweisung der Beschwerde. Das Bundesgericht folgt diesem Antrag. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Die angefochtenen Beschlüsse des Regierungsrates betreffen das Vorverfahren im Sinne des Art. 12 des Bundesgesetzes vom 14. Februar 1919 über die Wahl des Nationalrates (NWG). Sie stellen Verfügungen gemäss Art. 5 VwG dar, und zwar solche einer letzten kantonalen Instanz, wie sich aus Art. 12 NWG ergibt. Daher ist hier nach Art. 97 und Art. 98 BGE 98 Ib 289 S. 291 lit. g OG die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig, wenn sie nicht durch eine Ausnahmebestimmung ausgeschlossen ist. Eine solche Vorschrift besteht jedoch nicht. Zwar hatte der Bundesrat in dem der Bundesversammlung mit Botschaft vom 24. September 1965 (BBl 1965 II 1265 ff.) unterbreiteten Entwurf für ein Bundesgesetz über die Änderung des OG vorgeschlagen, die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen "Verfügungen auf Grund von Bestimmungen über die eidgenössischen Wahlen, Volksbegehren und Abstimmungen" unzulässig zu erklären (Art. 99 lit. d Entw.); doch hat die Kommission des Nationalrates diese Ausnahme abgelehnt, und dabei ist es geblieben. Art. 12 NWG behält indessen die "Befugnisse des Nationalrates" vor. Dieser Vorbehalt ist durch die letzte Revision des OG nicht beseitigt worden. Er bezieht sich auf die Zuständigkeit des Nationalrates zur letztinstanzlichen Beurteilung von Anständen über die Gültigkeit einer "zu Ende geführten" Nationalratswahl (vgl. Art. 10, 11, 25 und 29 des Bundesgesetzes vom 19. Juli 1872 betreffend die eidgenössischen Wahlen und Abstimmungen [WAG]; Art. 4 des Geschäftsreglements des Nationalrates vom 2. Oktober 1962). Hier liegt aber nicht eine solche Streitigkeit vor. Vielmehr handelt es sich um einen Anstand, der nach der früheren Ordnung (Art. 125 Abs. 1 lit. b alt OG) an den Bundesrat als letzte Instanz hätte gezogen werden können. Nach dem neuen Recht tritt in einem solchen Fall das Bundesgericht als Beschwerdeinstanz an die Stelle des Bundesrates. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die angefochtenen Verfügungen des Regierungsrates des Kantons Schwyz wäre allerdings nicht unmittelbar zulässig, wenn nach dem Bundesrecht zunächst Beschwerde bei einer Vorinstanz im Sinne von Art. 98 lit. b-f OG hätte geführt werden können ( Art. 98 lit. g OG ; vgl. auch Art. 102 lit. d ebenda). Eine solche vorgängige Beschwerde ist jedoch im Bundesrecht für den hier gegebenen Fall nicht vorgesehen. Insbesondere konnten die Verfügungen der Schwyzer Regierung nicht an eine eidgenössische Mittelinstanz - in Betracht käme die Bundeskanzlei - weitergezogen werden. Die automatische Kompetenzdelegation an eine Mittelinstanz nach Art. 23 Abs. 2 und 4 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesverwaltung ist auf Materien beschränkt, in denen der Bundesrat bisher als erste BGE 98 Ib 289 S. 292 und einzige Instanz verfügte. Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt. Die vorliegende Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist daher zulässig, wie im Meinungsaustausch zwischen dem Bundesgericht und der Bundeskanzlei festgestellt worden ist. 2./3. - (Weitere prozessuale Fragen). 4. Bei den Wahlen für den Nationalrat ist nach der Gesetzgebung des Bundes das Abstimmungsgeheimnis zu beachten. Die grundlegende Vorschrift findet sich in Art. 8 Abs. 1 WAG , wonach diese Wahlen "mittels schriftlicher und geheimer Stimmabgabe" stattfinden. Das Geheimnis wird nochmals im NWG erwähnt, welches in Ausführung des in der Volksabstimmung vom 13. Oktober 1918 angenommenen Art. 73 BV das Verfahren der Nationalratswahl nach dem Grundsatz der Proportionalität ordnet. Art. 11 NWG enthält in Abs. 1 und 2 Vorschriften über die Ausgestaltung der Wahlzettel und deren Verteilung an die Stimmberechtigten und fügt in Abs. 3 bei: "Das Geheimnis der Abstimmung ist unter allen Umständen zu wahren." Es ist klar, dass nach Art. 8 Abs. 1 WAG und Art. 11 Abs. 3 NWG auf jeden Fall nicht bekanntgegeben werden darf, wem der einzelne Wähler in der Wahlverhandlung - dem eigentlichen Wahlakt - seine Stimme gibt. Streitig ist, ob nach der gesetzlichen Ordnung auch die Liste der Unterzeichner eines Wahlvorschlages geheimzuhalten sei. Die Beschwerdeführer bejahen dies mit der Begründung: Nur Stimmberechtigte seien befugt, einen Wahlvorschlag zu unterzeichnen. Einzig die von den Unterzeichnern nominierten Kandidaten könnten schliesslich vom Volk gewählt werden, und unter bestimmten Voraussetzungen würden sie sogar ohne weiteres als gewählt erklärt. "Weil die Unterzeichner in Ausübung ihres Stimmrechtes handeln, müssen sie auch den Schutz des Abstimmungsgeheimnisses geniessen." Ohne diesen Schutz müssten sie vielfach mit "Pressionen" oder "Vergeltungsschlägen" politischer Gegner rechnen. Sie seien in einer ähnlichen Lage wie die Unterzeichner von Initiativ- oder Referendumsbegehren, deren Namen denn auch geheimzuhalten seien. Die Beschwerdeführer meinen, ihre Auffassung entspreche dem "klaren Wortlaut" des Art. 11 Abs. 3 NWG und sei "nach herrschender Lehre unbestritten". a) In Art. 8 Abs. 1 WAG ist von der "Stimmabgabe" die Rede; im französischen Text steht dafür "scrutin", im italienischen BGE 98 Ib 289 S. 293 "voto". Diese Ausdrücke passen für die Willenskundgebung des Wählervolkes im eigentlichen Wahlakt, dagegen kaum auch für die Unterzeichnung und Einreichung eines Wahlvorschlages in dem erst durch das NWG eingeführten, der Verwirklichung des Grundsatzes der Proportionalität dienenden Vorverfahren. Das in Art. 11 Abs. 3 NWG verwendete Wort "Abstimmung" hat dem Anschein nach die gleiche Bedeutung wie der Ausdruck "Stimmabgabe"; werden doch in den romanischen Texten dieser Bestimmung wiederum die Ausdrücke "scrutin" und "voto" gebraucht. Die Ausdrucksweise der beiden Bestimmungen lässt eher darauf schliessen, dass nur die Wahlverhandlung - die Abstimmung durch das Volk - und nicht auch schon das Vorschlagsverfahren unter dem Schutze des Geheimnisses steht. Indessen ist noch zu prüfen, ob diese wörtliche Auslegung dem wahren Sinn der gesetzlichen Ordnung entspricht. b) Aus den Gesetzesmaterialien ergeben sich keine Anhaltspunkte für die Beurteilung der streitigen Auslegungsfrage. Insbesondere spricht sich die Botschaft des Bundesrates zum NWG über die Tragweite des Art. 11 Abs. 3 Entw. (= Art. 11 Abs. 3 NWG) nicht näher aus (BBl 1918 V S. 132 Abs. 4). c) Die Beschwerdeführer berufen sich auf Ausführungen von FLEINER/GIACOMETTI (Schweiz. Bundesstaatsrecht S. 500), B. M. SCHNEWLIN (Das Verfahren zur Wahl des schweiz. Nationalrates, Berner Diss. 1946, S. 28 und 122 f.), K. LAELY (Die stille Wahl in der Demokratie, Berner Diss. 1951, S. 144) und M. USTERI (Ausübung des Stimm- und Wahlrechtes nach freiheitsstaatlichen Prinzipien, ZSR 1959 Bd. II S. 424 a, Ziff. 45). Diese Hinweise helfen jedoch den Beschwerdeführern nicht. FLEINER/GIACOMETTI bemerken a.a.O. (in § 50, "Der Nationalrat"): "Das ganze Wahlverfahren steht unter dem besonderen Schutz des schweizerischen Strafgesetzbuches." Darauf lässt sich der Standpunkt der Beschwerdeführer nicht stützen. Namentlich kann nichts zu ihren Gunsten daraus abgeleitet werden, dass nach Art. 283 StGB ("Verletzung des Abstimmungs- und Wahlgeheimnisses") bestraft wird, "wer sich durch unrechtmässiges Vorgehen Kenntnis davon verschafft, wie einzelne Berechtigte stimmen oder wählen". Gewiss wird durch diese Strafbestimmung auch das in Art. 8 Abs. 1 WAG und Art. 11 Abs. 3 NWG verankerte Geheimnis der Nationalratswahl geschützt. Ob sich dieses Geheimnis auch auf die Unterzeichnung BGE 98 Ib 289 S. 294 der Wahlvorschläge beziehe, ist aber gerade die hier zu entscheidende Frage. Die Lösung muss sich aus der Auslegung des WAG und des NWG ergeben. FLEINER/GIACOMETTI äussern sich zu der Frage, die zu beurteilen ist, gar nicht, auch nicht etwa auf S. 451, wo sie vom Geheimnis der Stimmabgabe gemäss Art. 8 Abs. 1 WAG sprechen. SCHNEWLIN sagt auf S. 28 lediglich, dass die Unterschriften zwar einen wesentlichen Bestandteil des Wahlvorschlages bilden, aber nicht zur bereinigten Liste gehören und deshalb nicht veröffentlicht werden. Damit erklärt er keineswegs, die Namen der Unterzeichner dürften überhaupt nicht, auch nicht auf Anfrage hin, bekanntgegeben werden. Im gleichen Sinne sind seine Ausführungen auf S. 123 zu verstehen. LAELY äussert sich ähnlich wie SCHNEWLIN; auch er nimmt zur Frage, ob die Namen der Unterzeichner auf Anfrage bekanntgegeben werden dürfen, nicht Stellung. USTERI erklärt a.a.O. nur, dass das Prinzip der geheimen Stimmabgabe auch für Initiativ- und Referendumsbegehren gelte, d.h. dass die Namen der Unterzeichner solcher Begehren nicht veröffentlicht werden dürften (dazu lit. h hiernach); vom Wahlvorschlagsrecht gemäss NWG ist dort nicht die Rede. Dagegen berührt A. RUDOLF (Das eidg. Proportionalwahlrecht, 1922) die hier streitige Frage. Er neigt aber offenbar der Auffassung zu, dass die Namen der Unterzeichner eines Wahlvorschlages anderen "Vorschlagsgruppen" auf Verlangen bekanntzugeben seien (S. 46, 62). d) Nach Art. 5 NWG muss jeder Wahlvorschlag von mindestens 15 im Wahlkreis wohnhaften Stimmberechtigten eigenhändig unterzeichnet sein (Abs. 1); ein Stimmberechtigter darf nicht mehr als einen Wahlvorschlag unterzeichnen (Abs. 2). Die Kantonsregierung oder die von ihr bezeichnete Amtsstelle hat die eingereichten Wahlvorschläge von Amtes wegen zu prüfen (Art. 9 NWG) und dabei auch zu untersuchen, ob diese Vorschriften eingehalten sind. Gegen Verfügungen unterer Instanzen hierüber kann nach Art. 12 NWG Beschwerde bei der Kantonsregierung geführt werden. Das NWG sagt nicht, wer zu dieser Beschwerde befugt ist. A. RUDOLF hält dafür, dass in der Regel jeder stimmberechtigte Bürger dazu legitimiert sei (a.a.O. S. 85 ff.). Das ist offenbar auch die Auffassung des Regierungsrates des Kantons Schwyz. Wie es scheint, nimmt er an, dass die Einsicht in die Liste der Unterzeichner eines BGE 98 Ib 289 S. 295 Wahlvorschlags den anderen Stimmberechtigten schon deshalb gestattet werden müsse, weil diese sonst nicht imstande wären, wegen Verletzung der genannten Bestimmungen des Art. 5 NWG Beschwerde bei der Kantonsregierung zu erheben. Wie es sich damit verhalte, kann indessen offen gelassen werden, weil die Verwaltungsgerichtsbeschwerde auf jeden Fall aus anderen Gründen - auch nach Ansicht der Vorinstanz und der Bundeskanzlei - nicht gutgeheissen werden kann. e) Nach Art. 8 NWG kann ein Vorgeschlagener bis am 30. Tage vor dem Wahltag die Erklärung abgeben, dass er eine Wahl ablehne. Für seinen Entschluss kann entscheidend sein, von wem er vorgeschlagen worden ist. Er muss daher verlangen können, dass ihm die Liste der Unterzeichner des Wahlvorschlages zugänglich gemacht wird, wenn ihm die Identität der Vorschlagenden nicht ohnedies schon bekannt ist. f) Im Proportionalwahlverfahren gemäss NWG ist den Unterzeichnern von Wahlvorschlägen eine wichtige Rolle zugewiesen. Die zur Teilnahme an der Wahlverhandlung aufgerufenen Wähler können in diesem Verfahren nur für Personen stimmen, die in einem Wahlvorschlag als Kandidaten nominiert worden sind, und dementsprechend auch nur für politische Parteien oder Gruppen, welche Urheber eines solchen Vorschlags sind. Der Ausgang der Wahl kann ferner dadurch beeinflusst werden, dass die Unterzeichner zweier oder mehrerer Vorschläge diese miteinander verbinden (Art. 7 NWG). Von besonderer Bedeutung ist sodann die Möglichkeit der "stillen Wahl": Ist nur eine einzige Liste vorhanden oder überschreitet die Gesamtzahl der Kandidaten aller Listen nicht die Zahl der zu wählenden Vertreter, so werden alle Kandidaten einfach von der Kantonsregierung als gewählt erklärt und findet nur für die allenfalls unbesetzt gebliebenen Sitze eine Wahlverhandlung statt (Art. 22 Abs. 1 und 2 NWG). Bemerkenswert ist auch, dass für Ergänzungswahlen zunächst ausschliesslich die Unterzeichner derjenigen Liste, zu welcher die ausgeschiedenen Mitglieder des Nationalrates gehörten, das Recht auf Einreichung eines Vorschlags haben (Art. 25 Abs. 2 NWG). Wie schon diese Hinweise zeigen, kann es der Allgemeinheit nicht gleichgültig sein, wer die Personen sind, welche vom Recht auf Einreichung von Wahlvorschlägen Gebrauch machen und die damit verbundenen weitreichenden Kompetenzen erhalten. Da die Funktionen, die das Gesetz den Unterzeichnern von BGE 98 Ib 289 S. 296 Wahlvorschlägen zuweist, die Rechte der gesamten Aktivbürgerschaft berühren, drängt sich die Annahme auf, dass nicht nur den zur Wahl Vorgeschlagenen, sondern jedem Stimmberechtigten auf Verlangen die Liste der Unterzeichner bekanntgegeben werden muss. g) Zu beachten ist insbesondere, wozu das Geheimnis der Stimmabgabe bestimmt ist. Es soll Gewähr dafür bieten, dass jeder stimmberechtigte Bürger frei und unabhängig stimmen oder wählen kann (FLEINER/GIACOMETTI a.a.O. S. 451; J. CASTELLA, L'exercice du droit de vote, ZSR 1959 Bd. II S. 572 a). Diesem Zweck der Geheimhaltungspflicht widerspräche es aber, wenn sie so weit ausgedehnt würde, dass die Freiheit der Stimmabgabe beeinträchtigt würde. Darauf ist bei der Auslegung des Art. 8 Abs. 1 WAG und des Art. 11 Abs. 3 NWG Bedacht zu nehmen. Wie gesagt, können im Proportionalwahlverfahren gemäss NWG die an der Wahlverhandlung teilnehmenden Bürger nur für Personen stimmen, die in einem Wahlvorschlag als Kandidaten nominiert worden sind, und auch nur für politische Parteien oder Gruppen, die hinter einem Wahlvorschlag stehen. Es kommt indessen vor, dass einem Wähler die politische Einstellung eines Kandidaten und der Gruppe, die diesen Kandidaten vorgeschlagen hat, zunächst nicht bekannt oder nicht klar ist. Die Bezeichnungen der Wahlvorschläge geben darüber nicht immer Aufschluss. Sie sind im allgemeinen kurz und oft recht unbestimmt. Sie können nach Belieben gefasst werden, vorausgesetzt, dass sie eine genügende Unterscheidung der Vorschläge erlauben (Art. 5 Abs. 1, Art. 9 Abs. 1 NWG); Phantasiebezeichnungen sind nicht ausgeschlossen. Um das Stimmrecht in voller Freiheit und Unabhängigkeit ausüben zu können, muss aber jeder Wähler die Möglichkeit haben, sich Klarheit über die politischen Absichten der Vorgeschlagenen und der Vorschlagenden zu verschaffen. Ein dafür geeignetes Mittel ist die Einsicht in die Liste der Vorschlagenden. Wäre deren Identität geheimzuhalten, so wäre mancher Wähler unter Umständen ausserstande, sich über die politische Einstellung der einen oder anderen Gruppe von Unterzeichnern zu vergewissern, und wäre daher die Abstimmungsfreiheit beeinträchtigt. Das ist ein gewichtiger Grund für die Annahme, dass die Namen der Unterzeichner jedem Stimmberechtigten auf Verlangen bekanntzugeben sind. BGE 98 Ib 289 S. 297 h) Die Beschwerdeführer weisen darauf hin, dass die Namen der Unterzeichner von Initiativ- und Referendumsbegehren geheimzuhalten seien. Das scheint in der Tat ein in der Schweiz allgemein anerkannter Grundsatz zu sein (vgl. Art. 4 Abs. 5 BG vom 23. März 1962 über das Verfahren bei Volksbegehren auf Revision der Bundesverfassung; ZBl 60/1959 S. 58 und 140; M. USTERI a.a.O.). Es ist jedoch zu bedenken, dass der Geheimhaltung der Namen der Unterzeichner eines Initiativ- oder eines Referendumsbegehrens keine schutzwürdigen Interessen der Gesamtheit der Stimmberechtigten entgegenstehen. Insbesondere kann die Abstimmungsfreiheit dadurch, dass diese Namen nicht bekanntgegeben werden, unter keinen Umständen beeinträchtigt werden. Hinsichtlich der Unterzeichner der im NWG vorgesehenen Wahlvorschläge verhält es sich anders, wie oben ausgeführt ist. i) Die Beschwerdeführer machen geltend, dass die Personen, welche einen Wahlvorschlag unterzeichnen und von den daraus sich ergebenden Befugnissen Gebrauch machen, damit ihr Stimmrecht ausüben, was sich namentlich im Fall der "stillen Wahl" zeige, und dass sie "Pressionen" zu gewärtigen hätten, wenn die Unterzeichnerliste nicht geheimgehalten werden müsste. Es trifft allerdings zu, dass die Funktionen der Unterzeichner in ihrem Stimmrecht begründet sind, und es ist auch nicht ausgeschlossen, dass die Unterzeichner ab und zu gewissen Unannehmlichkeiten ausgesetzt sein könnten, wenn ihre Namen auf Verlangen bekanntzugeben sind. Weit mehr Gewicht als das Interesse der Unterzeichner an der Geheimhaltung der Listen hat aber das Interesse der Allgemeinheit an deren Zugänglichkeit; insbesondere erfordert der Grundsatz der Abstimmungsfreiheit, dass die Listen allen Stimmberechtigten offenstehen. Wer einen Wahlvorschlag unterzeichnet und damit bedeutsame öffentlich-rechtliche Funktionen übernimmt, muss sich der Öffentlichkeit stellen, auch wenn ihm dies schwer fällt. Kommt es zu einer Wahlverhandlung - was die Regel ist -, so geniessen die Unterzeichner wie alle anderen Stimmberechtigten den Schutz des Geheimnisses, dem dieser Akt unterworfen ist. k) Zusammenfassend ist festzustellen, dass sich das in Art. 8 Abs. 1 WAG und Art. 11 Abs. 3 NWG vorgeschriebene Geheimnis der Stimmabgabe (Abstimmung) nach dem Wortlaut und Sinne dieser Bestimmungen nicht auch auf die Listen der Unterzeichner von Wahlvorschlägen bezieht.
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811.21 1 Bundesgesetz über die Gesundheitsberufe (Gesundheitsberufegesetz, GesBG) vom 30. September 2016 (Stand am 1. Januar 2022) Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf Artikel 117a Absatz 2 Buchstabe a der Bundesverfassung1, nach Einsicht in die Botschaft des Bundesrates vom 18. November 20152, beschliesst: 1. Kapitel: Allgemeine Bestimmungen Art. 1 Zweck Dieses Gesetz fördert im Interesse der öffentlichen Gesundheit die Qualität: a. der Ausbildung an Hochschulen und anderen Institutionen des Hochschul- bereichs gemäss dem Hochschulförderungs- und -koordinationsgesetz vom 30. September 20113 (HFKG) in den Gesundheitsberufen; b. der Ausübung der Gesundheitsberufe nach Buchstabe a in eigener fachlicher Verantwortung. Art. 2 Gegenstand 1 Als Gesundheitsberufe nach diesem Gesetz (Gesundheitsberufe) gelten: a. Pflegefachfrau und Pflegefachmann; b. Physiotherapeutin und Physiotherapeut; c. Ergotherapeutin und Ergotherapeut; d. Hebamme; e. Ernährungsberaterin und Ernährungsberater; f. Optometristin und Optometrist; g. Osteopathin und Osteopath. 2 Dazu regelt das Gesetz namentlich: a. die Kompetenzen von Absolventinnen und Absolventen folgender Studien- gänge: 1. Bachelorstudiengang in Pflege, AS 2020 57 1 SR 101 2 BBl 2015 8715 3 SR 414.20 811.21 Medizinalberufe 2 811.21 2. Bachelorstudiengang in Physiotherapie, 3. Bachelorstudiengang in Ergotherapie, 4. Bachelorstudiengang in Hebamme, 5. Bachelorstudiengang in Ernährung und Diätetik, 6. Bachelorstudiengang in Optometrie, 7. Bachelorstudiengang in Osteopathie, 8. Masterstudiengang in Osteopathie; b. die Akkreditierung dieser Studiengänge; c. die Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse; d. die Berufsausübung in eigener fachlicher Verantwortung; e. das Gesundheitsberuferegister (Register). 2. Kapitel: Kompetenzen von Absolventinnen und Absolventen von Studiengängen Art. 3 Allgemeine Kompetenzen 1 Die Studiengänge nach Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe a bezwecken prioritär eine praxisbezogene und patientenorientierte Ausbildung. 2 Die Absolventinnen und Absolventen eines Studiengangs nach Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe a müssen insbesondere folgende Kenntnisse, Fertigkeiten und Fähig- keiten aufweisen: a. Sie sind fähig, in eigener fachlicher Verantwortung und in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der guten Berufsausübung qualitativ hochstehende Dienstleistungen im Gesundheitsbereich zu erbringen. b. Sie sind fähig, bei der Berufsausübung neue wissenschaftliche Erkenntnisse umzusetzen, ihre Fertigkeiten und Fähigkeiten laufend zu reflektieren und im Sinne des lebenslangen Lernens fortlaufend zu aktualisieren. c. Sie sind fähig, die Wirksamkeit, die Zweckmässigkeit und die Wirtschaft- lichkeit ihrer Leistungen zu beurteilen und sich danach zu verhalten. d. Sie kennen die Faktoren, die bei Individuum und Bevölkerungsgruppen zur Erhaltung und zur Förderung der Gesundheit beitragen, und sind fähig, Mas- snahmen zur Verbesserung der Lebensqualität einzuleiten. e. Sie verfügen über die Kenntnisse, die für präventive, diagnostische, thera- peutische, rehabilitative und palliative Massnahmen erforderlich sind. f. Sie kennen die Denk-, Entscheidungs- und Handlungsprozesse im Gesund- heitsbereich sowie das Zusammenspiel der verschiedenen Gesundheitsberufe und anderer Akteure des Versorgungssystems und sind fähig, ihre Mass- nahmen optimal darauf abzustimmen. Gesundheitsberufegesetz 3 811.21 g. Sie kennen die gesetzlichen Grundlagen des schweizerischen Systems der sozialen Sicherheit und des Gesundheitswesens und können diese Kennt- nisse in der beruflichen Tätigkeit umsetzen. h. Sie können das eigene Handeln aussagekräftig darstellen und nachvoll- ziehbar dokumentieren. i. Sie sind mit den Methoden der Forschung im Gesundheitsbereich und der wissenschaftlich abgestützten Praxis vertraut und sie sind fähig, an For- schungsvorhaben mitzuwirken. j. Sie verstehen es, das Potenzial digitaler Arbeitsinstrumente im Gesundheits- wesen zu nutzen. Art. 4 Soziale und persönliche Kompetenzen 1 Die Studiengänge nach Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe a unterstützen die Entwick- lung der sozialen und persönlichen Kompetenzen der Studierenden im Hinblick auf die künftigen Anforderungen ihres Berufs. 2 Insbesondere sollen die Absolventinnen und Absolventen eines Studiengangs fähig sein, bei der Berufsausübung: a. ihre Verantwortung gegenüber Individuum, Gesellschaft und Umwelt wahr- zunehmen und dabei anerkannte ethische Prinzipien zu beachten; b. die eigenen Stärken und Schwächen zu erkennen und die Grenzen ihrer Tä- tigkeit zu respektieren; c. das Selbstbestimmungsrecht der zu behandelnden Personen zu wahren; und d. zu den zu behandelnden Personen und zu deren Angehörigen eine profes- sionelle und den Umständen angemessene Beziehung aufzubauen. Art. 5 Berufsspezifische Kompetenzen 1 Der Bundesrat regelt unter Mitwirkung der betroffenen Hochschulen, der betroffe- nen anderen Institutionen des Hochschulbereichs und der betroffenen Organisatio- nen der Arbeitswelt die berufsspezifischen Kompetenzen, über die die Absolventin- nen und Absolventen eines Studiengangs nach Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe a verfügen müssen. Er hört den Hochschulrat gemäss HFKG4 vorgängig an. 2 Der Bundesrat passt die berufsspezifischen Kompetenzen periodisch an die Ent- wicklung in den Gesundheitsberufen an. 4 SR 414.20 Medizinalberufe 4 811.21 3. Kapitel: Akkreditierung der Studiengänge Art. 6 Akkreditierungspflicht 1 Studiengänge nach Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe a müssen nach diesem Gesetz akkreditiert sein. 2 Wird ein solcher Studiengang von einer noch nicht institutionell akkreditierten Institution neu angeboten, so muss dieser innerhalb eines Jahres nach der institutio- nellen Akkreditierung der anbietenden Institution akkreditiert sein. Art. 7 Voraussetzungen für die Akkreditierung Ein Studiengang nach Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe a wird akkreditiert, sofern: a. die Hochschule oder die andere Institution des Hochschulbereichs, die den Studiengang anbietet, nach Artikel 30 HFKG5 institutionell akkreditiert ist; b. seine inhaltliche und seine strukturelle Gestaltung den Voraussetzungen von Artikel 31 HFKG entsprechen; und c. er den Studierenden die Kompetenzen nach diesem Gesetz vermittelt und vorsieht, dass der Erwerb dieser Kompetenzen überprüft wird. Art. 8 Verfahren, Geltungsdauer und Gebühren Das Akkreditierungsverfahren sowie die Geltungsdauer und die Gebühren der Ak- kreditierung richten sich nach den Artikeln 32–35 HFKG6. Art. 9 Massnahmen bei Nichteinhalten der Akkreditierungspflicht 1 Bietet eine Hochschule oder eine andere Institution des Hochschulbereichs gemäss HFKG7 einen Studiengang nach Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe a an, obwohl dieser nicht akkreditiert wurde, so trifft der Sitzkanton der Hochschule oder der anderen Institution des Hochschulbereichs die erforderlichen Verwaltungsmassnahmen. 2 Als Verwaltungsmassnahme fallen insbesondere in Betracht: a. eine Mahnung; b. ein Verbot, den Studiengang anzubieten und durchzuführen; c. eine Verwaltungssanktion, die eine Belastung mit einem Betrag bis 30 000 Franken vorsieht. 5 SR 414.20 6 SR 414.20 7 SR 414.20 Gesundheitsberufegesetz 5 811.21 4. Kapitel: Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse Art. 10 1 Ein ausländischer Bildungsabschluss wird anerkannt, wenn seine Gleichwertigkeit mit einem inländischen Bildungsabschluss nach Artikel 12 Absatz 2: a. in einem Vertrag über die gegenseitige Anerkennung mit dem betreffenden Staat oder einer überstaatlichen Organisation festgelegt ist; oder b. im Einzelfall nachgewiesen wird anhand von Bildungsstufe, -inhalt, -dauer und im Bildungsgang enthaltenen praktischen Qualifikationen. 2 Ein anerkannter ausländischer Bildungsabschluss hat für die Berufsausübung in der Schweiz die gleichen Wirkungen wie der entsprechende inländische Bildungs- abschluss. 3 Der Bundesrat regelt die Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse im Geltungsbereich dieses Gesetzes. Er kann diese Aufgabe an Dritte delegieren. Diese können für ihre Leistungen Gebühren erheben. Der Bundesrat regelt die Gebühren. 4 Der Bundesrat kann die Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse von Ausgleichsmassnahmen abhängig machen. 5. Kapitel: Berufsausübung in eigener fachlicher Verantwortung 1. Abschnitt: Berufsausübung Art. 11 Bewilligungspflicht Für die Ausübung eines Gesundheitsberufs in eigener fachlicher Verantwortung bedarf es einer Bewilligung des Kantons, auf dessen Gebiet der Beruf ausgeübt wird. Art. 12 Bewilligungsvoraussetzungen 1 Die Bewilligung für die Berufsausübung in eigener fachlicher Verantwortung wird erteilt, wenn die gesuchstellende Person: a. über den entsprechenden Bildungsabschluss nach Absatz 2 oder einen aner- kannten ausländischen Abschluss verfügt; b. vertrauenswürdig ist sowie physisch und psychisch Gewähr für eine ein- wandfreie Berufsausübung bietet; und c. eine Amtssprache des Kantons beherrscht, für den die Bewilligung beantragt wird. 2 Erforderlich sind folgende Bildungsabschlüsse für: a. Pflegefachfrau und Pflegefachmann: Bachelor of Science in Pflege FH/UH oder dipl. Pflegefachfrau HF und dipl. Pflegefachmann HF; Medizinalberufe 6 811.21 b. Physiotherapeutin und Physiotherapeut: Bachelor of Science in Physio- therapie FH; c. Ergotherapeutin und Ergotherapeut: Bachelor of Science in Ergotherapie FH; d. Hebamme: Bachelor of Science in Hebamme FH; e. Ernährungsberaterin und Ernährungsberater: Bachelor of Science in Ernäh- rung und Diätetik FH; f. Optometristin und Optometrist: Bachelor of Science in Optometrie FH; g. Osteopathin und Osteopath: Master of Science in Osteopathie FH. 3 Wer über eine Berufsausübungsbewilligung nach diesem Gesetz verfügt, erfüllt grundsätzlich die Bewilligungsvoraussetzungen in einem anderen Kanton. Art. 13 Einschränkung der Bewilligung und Auflagen Die Kantone können vorsehen, dass die Berufsausübungsbewilligung mit bestimm- ten Einschränkungen fachlicher, zeitlicher und räumlicher Art oder mit Auflagen verbunden wird, soweit dies für die Sicherung einer qualitativ hochstehenden Ge- sundheitsversorgung erforderlich ist. Art. 14 Entzug der Bewilligung 1 Die Bewilligung wird entzogen, wenn die Voraussetzungen für ihre Erteilung nicht mehr erfüllt sind oder nachträglich Tatsachen festgestellt werden, aufgrund derer sie hätte verweigert werden müssen. 2 Wenn eine Person in einem weiteren Kanton eine Berufsausübungsbewilligung besitzt, so informiert die entziehende Behörde die Aufsichtsbehörde des anderen Kantons. Art. 15 Meldepflicht 1 Personen mit im Ausland erworbenen Berufsqualifikationen, die sich auf Anhang III des Abkommens vom 21. Juni 19998 zwischen der Schweizerischen Eidge- nossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitglied- staaten andererseits über die Freizügigkeit oder auf Anhang K des Übereinkommens vom 4. Januar 19609 zur Errichtung der Europäischen Freihandelsassoziation beru- fen können, dürfen ihren Gesundheitsberuf ohne Bewilligung in eigener fachlicher Verantwortung als Dienstleistungserbringerinnen oder Dienstleistungserbringer aus- üben. Sie müssen sich gemäss dem Verfahren melden, das im Bundesgesetz vom 14. Dezember 201210 über die Meldepflicht und die Nachprüfung der Berufs- qualifikationen von Dienstleistungserbringerinnen und -erbringern in reglementier- ten Berufen festgelegt ist. Die zuständige kantonale Behörde trägt die Meldung ins Register ein. 8 SR 0.142.112.681 9 SR 0.632.31 10 SR 935.01 Gesundheitsberufegesetz 7 811.21 2 Inhaberinnen und Inhaber einer kantonalen Bewilligung dürfen ihren Gesund- heitsberuf während längstens 90 Tagen pro Kalenderjahr in einem anderen Kanton in eigener fachlicher Verantwortung ausüben, ohne eine Bewilligung dieses Kantons einzuholen. Einschränkungen und Auflagen ihrer Bewilligung gelten auch für diese Tätigkeit. Diese Personen müssen sich bei der zuständigen kantonalen Behörde melden. Diese trägt die Meldung ins Register ein. Art. 16 Berufspflichten Personen, die einen Gesundheitsberuf in eigener fachlicher Verantwortung ausüben, beachten die folgenden Berufspflichten: a. Sie üben ihren Beruf sorgfältig und gewissenhaft aus. b. Sie vertiefen und erweitern ihre Kompetenzen kontinuierlich durch lebens- langes Lernen. c. Sie halten sich an die Grenzen der Kompetenzen, die sie im Rahmen der Studiengänge erworben haben und die sie sich nach Buchstabe b konti- nuierlich aneignen. d. Sie wahren die Rechte der zu behandelnden Personen. e. Sie machen nur Werbung, die objektiv ist, dem öffentlichen Bedürfnis ent- spricht und weder irreführend noch aufdringlich ist. f. Sie wahren das Berufsgeheimnis nach Massgabe der einschlägigen Vor- schriften. g. Sie schliessen eine Berufshaftpflichtversicherung nach Massgabe der Art und des Umfangs der Risiken, die mit ihrer Tätigkeit verbunden sind, ab o- der weisen eine solche Versicherung auf, es sei denn, die Ausübung ihrer Tätigkeit unterliegt dem Staatshaftungsrecht. h. Sie wahren bei der Zusammenarbeit mit Angehörigen anderer Gesund- heitsberufe ausschliesslich die Interessen der zu behandelnden Personen und handeln unabhängig von finanziellen Vorteilen. Art. 17 Kantonale Aufsichtsbehörde 1 Jeder Kanton bezeichnet eine Behörde, welche die Personen beaufsichtigt, die auf seinem Gebiet Gesundheitsberufe in eigener fachlicher Verantwortung ausüben (Aufsichtsbehörde). 2 Die Aufsichtsbehörde trifft die für die Einhaltung der Berufspflichten nötigen Massnahmen. Art. 18 Amtshilfe Die kantonalen Gerichts- und Verwaltungsbehörden sowie die eidgenössischen Behörden melden der zuständigen Aufsichtsbehörde unverzüglich Vorfälle, welche die Berufspflichten verletzen könnten. Medizinalberufe 8 811.21 2. Abschnitt: Disziplinarmassnahmen Art. 19 Disziplinarmassnahmen 1 Bei Verletzung der Vorschriften dieses Gesetzes oder von Ausführungsbestimmun- gen zu diesem Gesetz kann die kantonale Aufsichtsbehörde folgende Disziplinar- massnahmen anordnen: a. eine Verwarnung; b. einen Verweis; c. eine Busse bis zu 20 000 Franken; d. ein auf längstens sechs Jahre befristetes Verbot der Berufsausübung in eige- ner fachlicher Verantwortung; e. ein definitives Verbot der Berufsausübung in eigener fachlicher Verantwor- tung für das ganze oder einen Teil des Tätigkeitsspektrums. 2 Für die Verletzung der Berufspflichten nach Artikel 16 Buchstaben b und e können nur Disziplinarmassnahmen nach Absatz 1 Buchstaben a–c verhängt werden. 3 Zu einem Verbot der Berufsausübung in eigener fachlicher Verantwortung kann zusätzlich eine Busse auferlegt werden. 4 Die Aufsichtsbehörde kann die Bewilligung zur Berufsausübung während des Disziplinarverfahrens einschränken, mit Auflagen versehen oder entziehen. Art. 20 Disziplinarverfahren in einem anderen Kanton 1 Eröffnet die Aufsichtsbehörde ein Disziplinarverfahren gegen die Inhaberin oder den Inhaber einer Bewilligung eines anderen Kantons, so informiert sie die Auf- sichtsbehörde dieses Kantons. 2 Beabsichtigt sie, der Inhaberin oder dem Inhaber der Bewilligung eines anderen Kantons die Berufsausübung in eigener fachlicher Verantwortung zu verbieten, so hört sie die Aufsichtsbehörde des anderen Kantons an. Art. 21 Wirkung des Berufsausübungsverbots 1 Ein Berufsausübungsverbot gilt auf dem gesamten Gebiet der Schweiz. 2 Es setzt jede Bewilligung zur Berufsausübung in eigener fachlicher Verantwortung ausser Kraft. Art. 22 Verjährung 1 Die disziplinarische Verfolgung verjährt zwei Jahre, nachdem die Aufsichtsbehör- de vom beanstandeten Vorfall Kenntnis erhalten hat. 2 Die Frist wird durch jede Untersuchungs- oder Prozesshandlung über den bean- standeten Vorfall unterbrochen, welche die Aufsichtsbehörde, eine Strafverfolgungs- behörde oder ein Gericht vornimmt. Gesundheitsberufegesetz 9 811.21 3 Die disziplinarische Verfolgung verjährt in jedem Fall zehn Jahre nach dem zu beanstandenden Vorfall. 4 Stellt die Pflichtverletzung eine strafbare Handlung dar, so gilt die vom Strafrecht vorgesehene längere Verjährungsfrist. 5 Wird gegen eine Person ein Disziplinarverfahren durchgeführt, so kann die Auf- sichtsbehörde zur Beurteilung der von dieser Person ausgehenden Gefährdung der öffentlichen Gesundheit auch Sachverhalte berücksichtigen, die verjährt sind. 6. Kapitel: Register Art. 23 Zuständigkeit und Zweck 1 Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) führt das Gesundheitsberuferegister (Regis- ter). 2 Das Register dient: a. der Information und dem Schutz der zu behandelnden Personen; b. der Qualitätssicherung; c. statistischen Zwecken; d. der Information in- und ausländischer Stellen; e. der Vereinfachung der Abläufe bei der Erteilung der Berufsausübungs- bewilligung; und f. dem interkantonalen Austausch von Informationen über das Vorhandensein von Disziplinarmassnahmen. 3 Der Bundesrat kann Dritte mit der Führung des Registers beauftragen. Diese können für ihre Leistungen Gebühren erheben. Art. 24 Inhalt 1 Registriert werden müssen: a. die Inhaberinnen und Inhaber von Bildungsabschlüssen nach Artikel 12 Ab- satz 2 und Inhaberinnen und Inhaber von anerkannten ausländischen Ab- schlüssen; b. die Inhaberinnen und Inhaber einer Berufsausübungsbewilligung nach Arti- kel 11; c. die Personen, die sich nach Artikel 15 gemeldet haben. 2 Das Register enthält die Daten, die zur Erreichung des Zwecks nach Artikel 23 Absatz 2 benötigt werden. Dazu gehören auch besonders schützenswerte Personen- daten im Sinne von Artikel 3 Buchstabe c des Bundesgesetzes vom 19. Juni 199211 über den Datenschutz. 11 SR 235.1 Medizinalberufe 10 811.21 3 Im Register wird die AHV-Nummer zur eindeutigen Identifizierung der im Regis- ter aufgeführten Personen sowie zur Aktualisierung der Personendaten systematisch verwendet.12 4 Der Bundesrat erlässt nähere Bestimmungen über die im Register enthaltenen Personendaten sowie über deren Bearbeitungsmodalitäten. Art. 25 Mitteilungspflicht 1 Die zuständigen kantonalen Behörden teilen dem BAG ohne Verzug die Erteilung, die Verweigerung, den Entzug und jede Änderung einer Berufsausübungsbe- willigung mit, namentlich jede Einschränkung der Berufsausübung sowie jede Disziplinarmassnahme, die sie gestützt auf Artikel 19 oder gestützt auf kantonales Recht gegen die dem vorliegenden Gesetz unterstehenden Gesundheitsfachpersonen anordnen. 2 Die Hochschulen oder anderen Institutionen des Hochschulbereichs und die höhe- ren Fachschulen melden dem BAG jeden Bildungsabschluss nach Artikel 12 Ab- satz 2. 3 Die für die Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse zuständige Behörde meldet dem BAG die anerkannten Bildungsabschlüsse. Art. 26 Datenbekanntgabe 1 Die Daten zu Disziplinarmassnahmen sowie die Gründe für die Verweigerung der Bewilligung oder für deren Entzug nach Artikel 14 stehen nur den Behörden zur Verfügung, die für die Erteilung der Berufsausübungsbewilligung und die Aufsicht zuständig sind. 2 Das BAG gibt den für ein hängiges Disziplinarverfahren zuständigen Behörden auf Antrag die Daten zu aufgehobenen Einschränkungen sowie zu befristeten Berufsaus- übungsverboten, die mit dem Vermerk «gelöscht» versehen sind, bekannt. 3 Die AHV-Nummer ist nicht öffentlich zugänglich und steht einzig der registerfüh- renden Stelle sowie den für die Erteilung der Berufsausübungsbewilligung zuständi- gen kantonalen Behörden zur Verfügung.13 4 Alle anderen Daten sind über das Internet öffentlich zugänglich. 5 Der Bundesrat kann vorsehen, dass bestimmte Daten nur auf Anfrage zugänglich sind, wenn im Interesse der öffentlichen Gesundheit nicht erforderlich ist, dass sie im Internet öffentlich zugänglich sind. 12 Fassung gemäss Anhang Ziff. 24 des BG vom 18. Dez. 2020 (Systematische Verwendung der AHV-Nummer durch Behörden), in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2021 758; BBl 2019 7359). 13 Fassung gemäss Anhang Ziff. 24 des BG vom 18. Dez. 2020 (Systematische Verwendung der AHV-Nummer durch Behörden), in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2021 758; BBl 2019 7359). Gesundheitsberufegesetz 11 811.21 Art. 27 Löschung und Entfernung von Registereinträgen 1 Der Eintrag von Einschränkungen wird fünf Jahre nach deren Aufhebung aus dem Register entfernt. 2 Der Eintrag von Verwarnungen, Verweisen und Bussen wird fünf Jahre nach deren Anordnung aus dem Register entfernt. 3 Bei einem befristeten Berufsausübungsverbot wird zehn Jahre nach dessen Aufhe- bung im Register der Vermerk «gelöscht» angebracht. 4 Die Löschung und die Entfernung von Einträgen zum Vorhandensein von kanto- nalen Disziplinarmassnahmen nach Artikel 25 Absatz 1 erfolgen analog den Absät- zen 1–3. 5 Alle Einträge zu einer Person werden aus dem Register entfernt, sobald eine Be- hörde deren Ableben meldet. Die Daten können danach in anonymisierter Form für statistische oder wissenschaftliche Zwecke verwendet werden. Art. 28 Gebührenpflicht und Finanzierung 1 Für die Registrierung wird von der zu registrierenden Person eine einmalige Ge- bühr erhoben. 2 Der Bundesrat regelt die Gebühren, namentlich deren Höhe; er beachtet dabei das Äquivalenzprinzip und das Kostendeckungsprinzip. 3 Decken die Gebühreneinnahmen die tatsächlichen Kosten der Registerführung nicht, so kommen für den Rest Bund und Kantone je zur Hälfte auf. Die von den Kantonen zu tragende Kostenhälfte wird auf diese nach Massgabe der Einwohner- zahl verteilt. 7. Kapitel: Finanzhilfen Art. 29 und 3014 8. Kapitel: Schlussbestimmungen Art. 31 Aufsicht Der Bundesrat beaufsichtigt den Vollzug dieses Gesetzes. Art. 32 Vollzug Der Bundesrat erlässt die Ausführungsbestimmungen. 14 Noch nicht in Kraft (AS 2020 57). Medizinalberufe 12 811.21 Art. 33 Änderung anderer Erlasse Die Änderung anderer Erlasse ist im Anhang geregelt. Art. 34 Übergangsbestimmungen 1 Die in Übereinstimmung mit dem kantonalen Recht vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes erteilten Bewilligungen für die Berufsausübung in eigener fachlicher Verantwortung behalten ihre Gültigkeit im entsprechenden Kanton. 2 Personen, die vor Inkrafttreten dieses Gesetzes für die Ausübung ihres Gesund- heitsberufes in eigener fachlicher Verantwortung nach kantonalem Recht keine Bewilligung brauchten, müssen spätestens fünf Jahre nach dessen Inkrafttreten über eine Bewilligung nach Artikel 11 verfügen. 3 Inländische Abschlüsse nach bisherigem Recht sowie mit diesen als gleichwertig anerkannte ausländische Abschlüsse sind für die Erteilung der Berufsausübungs- bewilligung den Abschlüssen nach Artikel 12 Absatz 2 gleichgestellt. Die Einzel- heiten regelt der Bundesrat. Er kann interkantonale Diplome in Osteopathie, die die Schweizerische Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren bis längstens 2023 ausgestellt hat, als mit Bildungsabschlüssen nach Artikel 12 Absatz 2 Buchstabe g gleichwertig erklären. 4 Die Studiengänge nach Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe a, die schon bei Inkrafttreten dieses Gesetzes durchgeführt werden, müssen spätestens sieben Jahre nach Inkraft- treten dieses Gesetzes akkreditiert sein. 5 Hochschulen, die nach dem Universitätsförderungsgesetz vom 8. Oktober 199915 oder nach dem Fachhochschulgesetz vom 6. Oktober 199516 als beitragsberechtigt anerkannt waren, können ihre Studiengänge bis zum 31. Dezember 2022 akkredi- tieren lassen, auch wenn sie die Voraussetzungen nach Artikel 7 Buchstabe a nicht erfüllen. 6 ...17 Art. 35 Koordinationsbestimmungen Die Koordinationsbestimmungen zur Änderung zum Medizinalberufegesetz vom 20. März 201518 finden sich im Anhang Ziff. 4. 15 [AS 2000 948; 2003 187 Anhang Ziff. II 3; 2004 2013; 2007 5779 Ziff. II 5; 2008 307, 3437 Ziff. II 18; 2011 5871; 2012 3655 Ziff. I 10; 2014 4103 Anhang Ziff. I 1] 16 [AS 1996 2588; 2002 953; 2005 4635; 2006 2197 Anhang Ziff. 37; 2012 3655 Ziff. I 11; 2014 4103 Anhang Ziff. I 2] 17 Noch nicht in Kraft (AS 2020 57). 18 AS 2015 5081 Gesundheitsberufegesetz 13 811.21 Art. 36 Referendum und Inkrafttreten 1 Dieses Gesetz untersteht dem fakultativen Referendum. 2 Der Bundesrat bestimmt das Inkrafttreten. 3 Die Artikel 29 und 30 gelten während vier Jahren nach Inkrafttreten dieses Geset- zes. Inkrafttreten19: 1. Februar 2020, Artikel 29, 30 und 34 Absatz 6 zu einem späteren Zeitpunkt. 19 BRB vom 13. Dez. 2019 Medizinalberufe 14 811.21 Anhang (Art. 33) Änderung anderer Erlasse Die nachstehenden Erlasse werden wie folgt geändert: ...20 20 Die Änderungen können unter AS 2020 57 konsultiert werden. 1. Kapitel: Allgemeine Bestimmungen Art. 1 Zweck Art. 2 Gegenstand 2. Kapitel: Kompetenzen von Absolventinnen und Absolventen von Studiengängen Art. 3 Allgemeine Kompetenzen Art. 4 Soziale und persönliche Kompetenzen Art. 5 Berufsspezifische Kompetenzen 3. Kapitel: Akkreditierung der Studiengänge Art. 6 Akkreditierungspflicht Art. 7 Voraussetzungen für die Akkreditierung Art. 8 Verfahren, Geltungsdauer und Gebühren Art. 9 Massnahmen bei Nichteinhalten der Akkreditierungspflicht 4. Kapitel: Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse Art. 10 5. Kapitel: Berufsausübung in eigener fachlicher Verantwortung 1. Abschnitt: Berufsausübung Art. 11 Bewilligungspflicht Art. 12 Bewilligungsvoraussetzungen Art. 13 Einschränkung der Bewilligung und Auflagen Art. 14 Entzug der Bewilligung Art. 15 Meldepflicht Art. 16 Berufspflichten Art. 17 Kantonale Aufsichtsbehörde Art. 18 Amtshilfe 2. Abschnitt: Disziplinarmassnahmen Art. 19 Disziplinarmassnahmen Art. 20 Disziplinarverfahren in einem anderen Kanton Art. 21 Wirkung des Berufsausübungsverbots Art. 22 Verjährung 6. Kapitel: Register Art. 23 Zuständigkeit und Zweck Art. 24 Inhalt Art. 25 Mitteilungspflicht Art. 26 Datenbekanntgabe Art. 27 Löschung und Entfernung von Registereinträgen Art. 28 Gebührenpflicht und Finanzierung 7. Kapitel: Finanzhilfen Art. 29 und 30 8. Kapitel: Schlussbestimmungen Art. 31 Aufsicht Art. 32 Vollzug Art. 33 Änderung anderer Erlasse Art. 34 Übergangsbestimmungen Art. 35 Koordinationsbestimmungen Art. 36 Referendum und Inkrafttreten Anhang Änderung anderer Erlasse
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