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arnimb_goethe01_1835
323
ich muß einmal darüber nachdenken; ſchon gar zu oft hab’ ich dieſe Empfindung gehabt als ob die Natur mich jammernd wehmüthig um etwas bäte, daß es mir das Herz durchſchnitt nicht zu verſtehen was ſie verlangte.
Ich muss einmal darüber nachdenken; schon gar zu oft habe ich diese Empfindung gehabt als ob die Natur mich jammernd wehmütig um etwas bäte, dass es mir das Herz durchschnitt nicht zu verstehen was sie verlangte.
arnimb_goethe01_1835
324
Ich muß einmal recht lang’ dran denken, vielleicht entdeck’ ich etwas was über das ganze Erdenleben hinaushebt.
Ich muss einmal recht lang dran denken, vielleicht entdecke ich etwas was über das ganze Erdenleben hinaushebt.
arnimb_goethe01_1835
325
Adieu Fr. Rath, und wenn Sie mich nicht verſteht, ſo denk’ Sie nur wie Ihr noch immer in Ihren jetzigen Tagen ein Poſthorn das Sie in der Ferne hört, einen wunderlichen Eindruck macht, ungefähr ſo iſt mir’s auch heute.
Adieu Fr. Rat, und wenn Sie mich nicht versteht, so denke Sie nur wie Ihr noch immer in Ihren jetzigen Tagen ein Posthorn das Sie in der Ferne hört, einen wunderlichen Eindruck macht, ungefähr so ist mir es auch heute.
arnimb_goethe01_1835
326
Bettine.
Bettine.
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327
An Bettine.
An Bettine.
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328
Frankfurt am 28. Juli.
Frankfurt am 28. Juli.
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329
Geſtern war Feuer am hellen Tag’ hier auf der Hauptwach’, grad’ mir gegenüber, es brannte wie ein Blumenſtrauß aus dem Gaubloch an der Kathrinenpfort’.
Gestern war Feuer am hellen Tage hier auf der Hauptwach, gerade mir gegenüber, es brannte wie ein Blumenstrauß aus dem Gaubloch an der Kathrinenpforte.
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330
Da war mein beſt Plaiſir die Gaſſenbuben mit ihrem Reffs auf dem Buckel, die wollten alle retten helfen, der Hausbeſitzer wollt’ nichts retten laſſen, denn weil das Feuer gleich aus war, da wollten ſie ein Trinkgeld haben, das hat er nicht geben, da tanzten ſie und wurden von der Polizei weggejagt.
Da war mein best Plaisir die Gassenbuben mit ihrem Reffs auf dem Buckel, die wollten alle retten helfen, der Hausbesitzer wollte nichts retten lassen, denn weil das Feuer gleich aus war, da wollten sie ein Trinkgeld haben, das hat er nicht geben, da tanzten sie und wurden von der Polizei weggejagt.
arnimb_goethe01_1835
331
— Es iſt viel Geſellſchaft zu mir kommen, die wollten alle fragen wie ich mich befind’ auf den Schreck, und da mußt’ ich ihnen immer von vorne erzählen, und das iſt jetzt ſchon drei Täg’ daß mich die Leut’ beſuchen und ſehen ob ich nicht ſchwarz geworden bin vom Rauch.
— Es ist viel Gesellschaft zu mir kommen, die wollten alle fragen wie ich mich befind auf den Schreck, und da musste ich ihnen immer von vorne erzählen, und das ist jetzt schon drei Tage dass mich die Leute besuchen und sehen ob ich nicht schwarz geworden bin vom Rauch.
arnimb_goethe01_1835
332
Dein Melinchen war auch da und hat mir ein Brief gebracht von Dir, der iſt ſo klein geſchrieben daß ich ihn hab’ müſſen vorleſen laſſen, rath einmal von wem?
Dein Melinchen war auch da und hat mir ein Brief gebracht von Dir, der ist so klein geschrieben dass ich ihn habe müssen vorlesen lassen, rate einmal von wem?
arnimb_goethe01_1835
333
arnimb_goethe01_1835
334
Die Meline iſt aber einmal ſchön, ich hab’ geſagt die Stadt ſollt’ ſie malen laſſen und ſollt’ ſie auf dem Rathſaal hängen, da könnten die Kaiſer ſehen was ihre gute Stadt für Schönheiten hat.
Die Meline ist aber einmal schön, ich habe gesagt die Stadt sollte sie malen lassen und sollte sie auf dem Ratsaal hängen, da könnten die Kaiser sehen was ihre gute Stadt für Schönheiten hat.
arnimb_goethe01_1835
335
Deine Brüder ſind aber auch ſo ſchön, ich hab’ meiner Lebtag’ keine ſo ſchöne Menſchen geſehen als den George, der ſieht aus wie ein Herzog von Mailand, und alle andern Menſchen müſſen ſich ſchämen mit ihren Fratzengeſichtern neben ihm.
Deine Brüder sind aber auch so schön, ich habe meiner Lebtag keine so schöne Menschen gesehen als den George, der sieht aus wie ein Herzog von Mailand, und alle anderen Menschen müssen sich schämen mit ihren Fratzengesichtern neben ihm.
arnimb_goethe01_1835
336
— Adieu und grüß auch die Geſchwiſter von Deiner Freundin Goethe.
— Adieu und grüße auch die Geschwister von Deiner Freundin Goethe.
arnimb_goethe01_1835
337
An Bettine.
An Bettine.
arnimb_goethe01_1835
338
Da kommt der Fritz Schloſſer aus dem Rheingau und bringt nur drei geſchnittne Federn von Dir und ſagt: er hätt’ geſchworen daß er mir keine Ruh’ laſſen will, ich müßt’ ſchreiben wer’s geweſen iſt der Deine Brief’ geleſen hat.
Da kommt der Fritz Schlosser aus dem Rheingau und bringt nur drei geschnittne Federn von Dir und sagt: Er hätte geschworen dass er mir keine Ruhe lassen will, ich müsste schreiben wer es gewesen ist der Deine Briefe gelesen hat.
arnimb_goethe01_1835
339
— Was hat’s denn für Noth, wer ſollt’s denn geweſen ſein?
— Was hat es denn für Not, wer sollte es denn gewesen sein?
arnimb_goethe01_1835
340
— in Weimar iſt alles ruhig und auf dem alten Fleck.
— in Weimar ist alles ruhig und auf dem alten Fleck.
arnimb_goethe01_1835
341
Das ſchreiben die Zeitungen ſchon allemal voraus, lang eh’ es wahr iſt, wenn mein Sohn zu einer Reiſ’ Anſtalt macht, der kommt einem nicht mit der Thür in’s Haus gefallen.
Das schreiben die Zeitungen schon allemal voraus, lang ehe es wahr ist, wenn mein Sohn zu einer Reise Anstalt macht, der kommt einem nicht mit der Tür ins Haus gefallen.
arnimb_goethe01_1835
342
Da ſieht man aber doch recht daß Dein Herz Deinem Kopf was weiß macht.
Da sieht man aber doch recht dass Dein Herz Deinem Kopf was weismacht.
arnimb_goethe01_1835
343
Herz, was verlangſt du?
Herz, was verlangst du?
arnimb_goethe01_1835
344
— Das iſt ein Sprichwort, und wenn es ſagt was es will, ſo geht’s wie in einem ſchlechten Wirthshaus, da haben ſie alles, nur keine friſche Eier, die man grad’ haben will.
— Das ist ein Sprichwort, und wenn es sagt was es will, so geht es wie in einem schlechten Wirtshaus, da haben sie alles, nur keine frische Eier, die man gerade haben will.
arnimb_goethe01_1835
345
Adien, das hab’ ich bei der Nachtlamp’ geſchrieben.
Adieu, das habe ich bei der Nachtlampe geschrieben.
arnimb_goethe01_1835
346
Ich bin Dir gut.
Ich bin Dir gut.
arnimb_goethe01_1835
347
Catharina Goethe.
Katharina Goethe.
arnimb_goethe01_1835
348
Das hätt’ ich bald vergeſſen zu ſchreiben wer mir Deinen Brief geleſen hat, das war der Pfarrer Hufnagel der wollt’ auch ſehen was ich mach’ nach dem Schreck mit dem Feuer, ich ſagt:
Das hätte ich bald vergessen zu schreiben wer mir Deinen Brief gelesen hat, das war der Pfarrer Hufnagel der wollte auch sehen was ich mache nach dem Schreck mit dem Feuer, ich sagt:
arnimb_goethe01_1835
349
Ei Herr Pfarrer, iſt denn der Katharine Thurm grad ſo groß, daß er mir auf die Naſ’ fällt wenn er umſtürtzt?
Ei Herr Pfarrer, ist denn der Katharinenturm gerade so groß, dass er mir auf die Nase fällt wenn er umstürzt?
arnimb_goethe01_1835
350
— Da hat er geſeſſen mit ſeinem dicken Bauch im ſchwarzen Talar mit dem runden weißen Kragen im doppelten Falten, mit der runden Stuckperück und den Schnallenſchuh auf Deiner Schawell, und hat den Brief geleſen, hätt’s mein Sohn geſehen er hätt’ gelacht.
— Da hat er gesessen mit seinem dicken Bauch im schwarzen Talar mit dem runden weißen Kragen im doppelten Falten, mit der runden Stuckperücke und den Schnallenschuh auf Deiner Schawell, und hat den Brief gelesen, hätte es mein Sohn gesehen er hätte gelacht.
arnimb_goethe01_1835
351
Katharina Goethe.
Katharina Goethe.
arnimb_goethe01_1835
352
Frau Mutter ich danke Ihr für die zwei Brief’ hinter einander das war einmal gepflügt, recht durch ſchweres Erdreich, man ſieht’s, die Schollen liegen neben an, wie dick; gewiß das ſind der Lischen ihre Finger geweſen mit denen Sie die Furchen gezogen hat, die ſind recht krumm, was mich wundert das iſt daß ich Ihr ſo gern ſchreib’, daß ich keine Gelegenheit verſäum’, und alles was mir begegnet, prüf ich, ob es nicht ſchön wär ihr zu ſchreiben, das iſt weil ich doch nicht alles und fortwährend an den Wolfgang ſchreiben kann, ich hab ihn geſagt in Weimar:
Frau Mutter ich danke Ihr für die zwei Briefe hintereinander das war einmal gepflügt, recht durch schweres Erdreich, man sieht es, die Schollen liegen nebenan, wie dick; gewiss das sind der Lieschen ihre Finger gewesen mit denen sie die Furchen gezogen hat, die sind recht krumm, was mich wundert das ist dass ich Ihr so gern schreibe, dass ich keine Gelegenheit versäum, und alles was mir begegnet, prüfe ich, ob es nicht schön wäre ihr zu schreiben, das ist weil ich doch nicht alles und fortwährend an den Wolfgang schreiben kann, ich habe ihn gesagt in Weimar:
arnimb_goethe01_1835
353
Wenn ich dort wohnte, ſo wollt ich als nur die Sonn- und Feiertäg’ zu ihm kommen und nicht alle Tag, das hat ihn gefreut; ſo mein ich, daß ich auch nicht alle Tag’ an ihn ſchreiben darf, aber er hat mir geſagt ſchreib alle Tag’, und wenn’s Folianten wären, es iſt mir nicht zu viel, aber ich ſelbſt bin nicht alle Tag’ in der Stimmung, manchmal denke ich ſo geſchwind, daß ich’s gar nicht ſchreiben kann, und die Gedanken ſind ſo ſüß, daß ich gar nicht abbrechen kann um zu ſchreiben, noch dazu mag ich gern grade Linien und ſchöne Buchſtaben machen und das hält im Denken auf, auch hab’ ich ihm manches zu ſagen was ſchwer auszuſprechen iſt, und manches hab’ ich ihm mitzutheilen was nie ausgeſprochen werden kann; da ſitz’ ich oft Stunden und ſeh in mich hinein und kann’s nicht ſagen was ich ſeh, aber weil ich im Geiſt mich mit ihm zuſammen fühl’, ſo bleib ich gern dabei, und ich komme mir vor wie eine Sonnenuhr die grad’ nur die Zeit angiebt, ſo lang’ die Sonne ſie beſcheint.
Wenn ich dort wohnte, so wollte ich als nur die Sonne- und Feiertage zu ihm kommen und nicht alle Tag, das hat ihn gefreut; so mein ich, dass ich auch nicht alle Tage an ihn schreiben darf, aber er hat mir gesagt schreibe alle Tage, und wenn es Folianten wären, es ist mir nicht zu viel, aber ich selbst bin nicht alle Tage in der Stimmung, manchmal denke ich so geschwind, dass ich es gar nicht schreiben kann, und die Gedanken sind so süß, dass ich gar nicht abbrechen kann um zu schreiben, noch dazu mag ich gern gerade Linien und schöne Buchstaben machen und das hält im Denken auf, auch habe ich ihm manches zu sagen was schwer auszusprechen ist, und manches habe ich ihm mitzuteilen was nie ausgesprochen werden kann; da sitze ich oft Stunden und sehe in mich hinein und kann es nicht sagen was ich sehe, aber weil ich im Geist mich mit ihm zusammen fühle, so bleibe ich gern dabei, und ich komme mir vor wie eine Sonnenuhr die gerade nur die Zeit angibt, solange die Sonne sie bescheint.
arnimb_goethe01_1835
354
Wenn meine Sonne mich nicht mehr anlächelt, dann wird man auch die Zeit nicht mehr an mir erkennen; es ſollte einer ſagen ich leb’, wenn er mich nicht mehr lieb hat; das Leben was ich jetzt führ, davon hat keiner Verſtand, an der Hand führt mich der Geiſt einſame Straßen, er ſetzt ſich mit mir nieder am Waſſersrand, da ruht er mit mir aus, dann führt er mich auf hohe Berge; da iſt es Nacht da ſchauen wir in die Nebel-Thale da ſieht man den Pfad kaum vor den Füßen aber ich geh’ mit, ich fühl, daß er da iſt wenn er auch vor meinen leiblichen Augen verſchwindet, und wo ich geh und ſteh, da ſpühr ich ſein heimlich Wandeln um mich, und in der Nacht iſt er die Decke in die ich mich einhülle, und am Morgen iſt er es vor dem ich mich verhülle wenn ich mich ankleide, niemals mehr bin ich allein, in meiner einſamen Stube fühl ich mich verſtanden und erkannt von dieſem Geiſt; ich kann nicht mit lachen ich kann nicht mit Comoedie ſpielen, die Kunſt und die Wiſſenſchaft die laſſe ich fahren; noch vor einem halben Jahr, da wollt’ ich Geſchichte ſtudieren und Geographie, es war Narrheit.
Wenn meine Sonne mich nicht mehr anlächelt, dann wird man auch die Zeit nicht mehr an mir erkennen; es sollte einer sagen ich lebe, wenn er mich nicht mehr lieb hat; das Leben was ich jetzt führe, davon hat keiner Verstand, an der Hand führt mich der Geist einsame Straßen, er setzt sich mit mir nieder am Wassersrand, da ruht er mit mir aus, dann führt er mich auf hohe Berge; da ist es Nacht da schauen wir in die Nebeltale da sieht man den Pfad kaum vor den Füßen aber ich gehe mit, ich fühle, dass er da ist wenn er auch vor meinen leiblichen Augen verschwindet, und wo ich gehe und stehe, da spür ich sein heimlich Wandeln um mich, und in der Nacht ist er die Decke in die ich mich einhülle, und am Morgen ist er es vor dem ich mich verhülle wenn ich mich ankleide, niemals mehr bin ich allein, in meiner einsamen Stube fühle ich mich verstanden und erkannt von diesem Geist; ich kann nicht mit lachen ich kann nicht mit Komödie spielen, die Kunst und die Wissenschaft die lasse ich fahren; noch vor einem halben Jahr, da wollte ich Geschichte studieren und Geographie, es war Narrheit.
arnimb_goethe01_1835
355
Wenn die Zeit in der Wir leben, erſt recht erfüllt wär mit der Geſchichte, ſo daß einer alle Hände voll zu thun hätt’, um nur der Geſchichte den Willen zu thun ſo hätt’ er keine Zeit um nach den vermoderten Königen zu fragen, ſo geht mir’s, ich hab’ keine Zeit ich muß jeden Augenblick mit meiner Liebe verleben.
Wenn die Zeit in der Wir leben, erst recht erfüllt wäre mit der Geschichte, so dass einer alle Hände voll zu tun hätte, um nur der Geschichte den Willen zu tun so hätte er keine Zeit um nach den vermoderten Königen zu fragen, so geht mir es, ich habe keine Zeit ich muss jeden Augenblick mit meiner Liebe verleben.
arnimb_goethe01_1835
356
Was aber die Geographie anbelangt, ſo hab’ ich einen Strich gemacht mit rother Tinte auf die Landkart.
Was aber die Geographie anbelangt, so habe ich einen Strich gemacht mit roter Tinte auf die Landkart.
arnimb_goethe01_1835
357
Der geht, von wo ich bin bis dahin wo es mich hinzieht, das iſt der rechte Weg alles andre ſind Irr- oder Umwege.
Der geht, von wo ich bin bis dahin wo es mich hinzieht, das ist der rechte Weg alles andere sind Irre- oder Umwege.
arnimb_goethe01_1835
358
Das ganze Firmament mit Sonne, Mond und Sterne gehören blos zur Ausſicht meiner Heimath.
Das ganze Firmament mit Sonne, Mond und Sterne gehören bloß zur Aussicht meiner Heimat.
arnimb_goethe01_1835
359
Dort 1ſt der fruchtbare Boden, indem mein Herz die harte Rinde ſprengt und in’s Licht hinaufblüht.
Dort ist der fruchtbare Boden, in dem mein Herz die harte Rinde sprengt und ins Licht hinaufblüht.
arnimb_goethe01_1835
360
Die Leute ſagen:
Die Leute sagen:
arnimb_goethe01_1835
361
Was biſt du traurig, ſollt ich vergnügt ſein?
Was bist du traurig, sollte ich vergnügt sein?
arnimb_goethe01_1835
362
— oder dies oder jenes?
— Oder dies oder jenes?
arnimb_goethe01_1835
363
— wie paßt das zu meinem innern Leben; ein jedes Betragen hat ſeine Urſache, das Waſſer wird nicht luſtig dahin tanzen und ſingen, wenn ſein Bett nicht dazu gemacht iſt.
— Wie passt das zu meinem inneren Leben; ein jedes Betragen hat seine Ursache, das Wasser wird nicht lustig dahin tanzen und singen, wenn sein Bett nicht dazu gemacht ist.
arnimb_goethe01_1835
364
So werd’ ich nicht lachen, wenn nicht eine geheime Luſt der Grund dazu iſt; ja ich habe Luſt im Herzen, aber ſie iſt ſo groß ſo mächtig, daß ſie ſich nicht in’s Lachen fügen kann; wenn es mich aus dem Bett aufruft vor Tag, und ich zwiſchen den ſchlafenden Pflanzen Bergauf wandle, wenn der Thau meine Füße wäſcht, und ich denk demüthig, daß es der Herr der Welten iſt der meine Füße wäſcht, weil er will ich ſoll rein ſein von Herzen wie er meine Füße vom Staub reinigt; wenn ich dann auf des Berges Spitze komme und überſehe alle Lande im erſten Strahl der Sonne dann fühl’ ich dieſe mächtige Luſt in meiner Bruſt ſich ausdehnen, dann ſeufz’ ich auf und hauch die Sonne an zum Dank, daß ſie mir in einem Bild erleuchte was der Reichthum der Schmuck meines Lebens iſt, denn was ich ſehe was ich verſtehe es iſt alles nur Wiederhall meines Glückes.
So werde ich nicht lachen, wenn nicht eine geheime Lust der Grund dazu ist; ja ich habe Lust im Herzen, aber sie ist so groß so mächtig, dass sie sich nicht ins Lachen fügen kann; wenn es mich aus dem Bett aufruft vor Tag, und ich zwischen den schlafenden Pflanzen Bergauf wandle, wenn der Tau meine Füße wäscht, und ich denke demütig, dass es der Herr der Welten ist der meine Füße wäscht, weil er will ich soll rein sein von Herzen wie er meine Füße vom Staub reinigt; wenn ich dann auf des Berges Spitze komme und übersehe alle Lande im ersten Strahl der Sonne dann fühle ich diese mächtige Lust in meiner Brust sich ausdehnen, dann seufz ich auf und Hauch die Sonne an zum Dank, dass sie mir in einem Bild erleuchte was der Reichtum der Schmuck meines Lebens ist, denn was ich sehe was ich verstehe es ist alles nur Widerhall meines Glückes.
arnimb_goethe01_1835
365
Adieu, läſt ſie ſich den Brief, auch vom Pfarrer vorſtudieren?
Adieu, lässt sie sich den Brief, auch vom Pfarrer vorstudieren?
arnimb_goethe01_1835
366
— ich hab’ ihn doch mit ziemlich großen Buchſtaben geſchrieben.
— Ich habe ihn doch mit ziemlich großen Buchstaben geschrieben.
arnimb_goethe01_1835
367
Hat dann in meinem letzten Brief etwas geſtanden, daß ich ſeinen heißen Durſt hab’, und daß ich mondſüchtig bin, oder ſo was?
Hat dann in meinem letzten Brief etwas gestanden, dass ich seinen heißen Durst habe, und dass ich mondsüchtig bin, oder so was?
arnimb_goethe01_1835
368
— wie kann Sie ihm denn das leſen laſſen?
— Wie kann Sie ihm denn das lesen lassen?
arnimb_goethe01_1835
369
ſie wirft ihm ja ſeinen gepolſterten Betſchemel um, in ſeinem Kopf.
sie wirft ihm ja seinen gepolsterten Betschemel um, in seinem Kopf.
arnimb_goethe01_1835
370
Die Bettine hat Kopfweh ſchon ſeit 3 Tagen und heut liegt ſie im Bett und küßt ihrer Frau Rath die Hand.
Die Bettine hat Kopfweh schon seit 3 Tagen und heute liegt sie im Bett und küsst ihrer Frau Rat die Hand.
arnimb_goethe01_1835
371
An Bettine.
An Bettine.
arnimb_goethe01_1835
372
Werd’ mir nicht krank Mädchen, ſteh auf aus Deinem Bett, und nimm’s, und wandle.
Werde mir nicht krank Mädchen, stehe auf aus Deinem Bett, und nimm es, und wandle.
arnimb_goethe01_1835
373
So hat der Herr Chriſtus geſagt zum Kranken, das ſag’ ich dir auch, dein Bett iſt deine Liebe in der du krank liegſt, nimm ſie zuſammen und erſt am Abend breite ſie aus, und ruhe in ihr wenn du des Tages Laſt und Hitze ausgeſtanden haſt.
So hat der Herr Christus gesagt zum Kranken, das sage ich Dir auch, Dein Bett ist Deine Liebe in der du krank liegst, nimm sie zusammen und erst am Abend breite sie aus, und ruhe in ihr wenn du des Tages Last und Hitze ausgestanden hast.
arnimb_goethe01_1835
374
— Da hat mein Sohn ein paar Zeilen geſchrieben, die ſchenk ich dir, ſie gehören dem Inhalt nach dein.
— Da hat mein Sohn ein paar Zeilen geschrieben, die schenke ich Dir, sie gehören dem Inhalt nach Dein.
arnimb_goethe01_1835
375
Der Prediger hat mir deinen Brief vorgerumpelt wie ein ſchlechter Poſtwagen auf holperichem Weg, das ſchmeißt alles Paſſagiergut durcheinander; du haſt auch deine Gedanken ſo ſchlecht gepackt, ohne Komma ohne Punkt, daß wenn es Paſſagiergut wär’ keiner könnt’ das ſeinige heraus finden; ich hab’ den Schnuppen und bin nicht aufgelegt, hätt’ ich dich nicht ſo lieb ſo hatt’ ich nicht geſchrieben, wahr deine Geſundheit.
Der Prediger hat mir Deinen Brief vorgerumpelt wie ein schlechter Postwagen auf holperigem Weg, das schmeißt alles Passagiergut durcheinander; du hast auch Deine Gedanken so schlecht gepackt, ohne Komma ohne Punkt, dass wenn es Passagiergut wäre keiner könnte das seinige herausfinden; ich habe den Schnuppen und bin nicht aufgelegt, hätte ich Dich nicht so lieb so hatte ich nicht geschrieben, wahr Deine Gesundheit.
arnimb_goethe01_1835
376
Ich ſag’ allemal wenn die Leut fragen was du machſt:
Ich sage allemal wenn die Leut fragen was du machst:
arnimb_goethe01_1835
377
Sie fängt Grillen, und das wird dir auch gar nicht ſauer, bald iſt’s ein Nachtvogel der dir an der Naſ’ vor bei fliegt, dann haſt du um Mitternacht wo alle ehrliche Leute ſchlafen etwas zu bedenken, und marſchierſt durch den Garten an den Rhein in der kalten feuchten Nachtluft, du haſt eine Natur von Eiſen, und eine Einbildung wie eine Rakete, wie die ein Funken berührt, ſo platzt ſie los.
Sie fängt Grillen, und das wird Dir auch gar nicht sauer, bald ist es ein Nachtvogel der Dir an der Nase vorbeifliegt, dann hast du um Mitternacht wo alle ehrliche Leute schlafen etwas zu bedenken, und marschierst durch den Garten an den Rhein in der kalten feuchten Nachtluft, du hast eine Natur von Eisen, und eine Einbildung wie eine Rakete, wie die ein Funken berührt, so platzt sie los.
arnimb_goethe01_1835
378
Mach daß du bald wieder nach Haus kommſt.
Mache dass du bald wieder nach Haus kommst.
arnimb_goethe01_1835
379
Mir iſt nicht heuer wie’s vorige Jahr, manchmal krieg ich Angſt um dich, und an den Wolfgang muß ich Stundenlang denken, immer wie er ein klein Kind war, und mir unter den Füßen ſpielte, und dann wie er mit ſeinem Bruder Jacob ſo ſchön geſpielt hat, und hat ihn Geſchichten gemacht; ich muß einen haben dem ich’s erzähl, die andern hören mir alle nicht ſo zu wie Du; ich wollt’ wirklich wünſchen, die Zeit wär’ vorbei und Du wärſt wieder da.
Mir ist nicht heuer wie es vorige Jahr, manchmal kriege ich Angst um Dich, und an den Wolfgang muss ich stundenlang denken, immer wie er ein Kleinkind war, und mir unter den Füßen spielte, und dann wie er mit seinem Bruder Jacob so schön gespielt hat, und hat ihn Geschichten gemacht; ich muss einen haben dem ich es erzähle, die anderen hören mir alle nicht so zu wie Du; ich wollte wirklich wünschen, die Zeit wäre vorbei und Du wärst wieder da.
arnimb_goethe01_1835
380
Adieu, mach das Du kommſt, ich hab’ alles ſo hell im Gedächtniß als ob’s geſtern paſſiert wär’, jetzt kann ich Dir die ſchönſten Geſchichten vom Wolfgang erzählen, und ich glaub’ Du haſt mich angeſteckt, ich mein immer das wär kein rechter Tag an dem ich nichts von ihm geſprochen hab’.
Adieu, mache das Du kommst, ich habe alles so hell im Gedächtnis als ob es gestern passiert wäre, jetzt kann ich Dir die schönsten Geschichten vom Wolfgang erzählen, und ich glaube Du hast mich angesteckt, ich mein immer das wäre kein rechter Tag an dem ich nichts von ihm gesprochen habe.
arnimb_goethe01_1835
381
Deine Freundin Goethe.
Deine Freundin Goethe.
arnimb_goethe01_1835
382
Liebe Frau Rath.
Liebe Frau Rat.
arnimb_goethe01_1835
383
Ich war in Köln da hab ich den ſchönen Krug gekauft, ſchenk Sie ihn Ihrem Sohn von ſich, das wird Ihr beſſer Freud’ machen, als wenn ich Ihr ihn ſchenkte.
Ich war in Köln da habe ich den schönen Krug gekauft, schenke Sie ihn Ihrem Sohn von sich, das wird Ihr besser Freude machen, als wenn ich Ihr ihn schenkte.
arnimb_goethe01_1835
384
Ich ſelbſt mag ihm nichts ſchenken, ich will nur von ihm nehmen.
Ich selbst mag ihm nichts schenken, ich will nur von ihm nehmen.
arnimb_goethe01_1835
385
Köln iſt recht wunderlich, alle Augenblick hört man eine andre Glocke läuten, das klingt hoch und tief, dumpf und hell von allen Seiten unter einander.
Köln ist recht wunderlich, alle Augenblick hört man eine andere Glocke läuten, das klingt hoch und tief, dumpf und hell von allen Seiten untereinander.
arnimb_goethe01_1835
386
Da ſpazieren Franziskaner, Minoritten, Kapuziner, Dominikaner, Benediktiner an einander vorbei, die einen ſingen, die andern brummen eine Litaney, und wenn ſie aneinander vorbeikommen, da begrüßen ſie ſich mit ihren Fahnen und Heiligthümern und verſchwinden in ihren Klöſtern.
Da spazieren Franziskaner, Minoriten, Kapuziner, Dominikaner, Benediktiner aneinander vorbei, die einen singen, die anderen brummen eine Litanei, und wenn sie aneinander vorbeikommen, da begrüßen sie sich mit ihren Fahnen und Heiligtümern und verschwinden in ihren Klöstern.
arnimb_goethe01_1835
387
Im Dom war ich grade bei Sonnenuntergang, da malten ſich die bunten Fenſterſcheiben durch die Sonne auf dem Boden ab, ich kletterte überall in dem Bauwerk herum, und wiegte mich in den geſprengten Bögen.
Im Dom war ich gerade bei Sonnenuntergang, da malten sich die bunten Fensterscheiben durch die Sonne auf dem Boden ab, ich kletterte überall in dem Bauwerk herum, und wiegte mich in den gesprengten Bögen.
arnimb_goethe01_1835
388
Fr. Rath, das wär’ Ihr recht gefährlich vorgekommen, wenn Sie mich vom Rhein aus in einer ſolchen gothiſchen Roſe hätte ſitzen ſehen; es war auch gar kein Spaß; ein paarmal wollte mich Schwindel antreten, aber ich dachte: ſollte der ſtärker ſein wollen wie ich?
Fr. Rat, das wäre Ihr recht gefährlich vorgekommen, wenn Sie mich vom Rhein aus in einer solchen gotischen Rose hätte sitzen sehen; es war auch gar kein Spaß; ein paarmal wollte mich Schwindel antreten, aber ich dachte: sollte der stärker sein wollen wie ich?
arnimb_goethe01_1835
389
— und expreß wagt ich mich noch weiter.
— und express wagt ich mich noch weiter.
arnimb_goethe01_1835
390
Wie die Dämmerung eintrat da ſah ich in Deutz eine Kirche mit bunten Scheiben von innen illuminirt, da tönte das Geläut herüber, der Mond trat hervor und einzelne Sterne.
Wie die Dämmerung eintrat da sah ich in Deutz eine Kirche mit bunten Scheiben von innen illuminiert, da tönte das Geläut herüber, der Mond trat hervor und einzelne Sterne.
arnimb_goethe01_1835
391
Da war ich ſo allein, rund um mich zwitſcherte es in den Schwalbenneſtern, deren wohl tauſende in den Geſimſen ſind, auf dem Waſſer ſah ich einzelne Seegel ſich blähen.
Da war ich so allein, rund um mich zwitscherte es in den Schwalbennestern, deren wohl Tausende in den Gesimsen sind, auf dem Wasser sah ich einzelne Segel sich blähen.
arnimb_goethe01_1835
392
Die andern hatten unterdeſſen den ganzen Kirchbau examinirt alle Monumente und Merkwürdigkeiten ſich zeigen laſſen.
Die anderen hatten unterdessen den ganzen Kirchbau examiniert alle Monumente und Merkwürdigkeiten sich zeigen lassen.
arnimb_goethe01_1835
393
Ich hatte dafür einen ſtillen Augenblick, in dem meine Seele geſammelt war, und die Natur, auch alles was Menſchenhände gemacht haben und mich mit, in die feierliche Stimmung des im Abendroth glühenden Himmels einſchmolz.
Ich hatte dafür einen stillen Augenblick, in dem meine Seele gesammelt war, und die Natur, auch alles was Menschenhände gemacht haben und mich mit, in die feierliche Stimmung des im Abendrot glühenden Himmels einschmolz.
arnimb_goethe01_1835
394
— Verſteh’ Sie das, oder verſteh’ Sie es nicht, es iſt mir einerlei.
— Verstehe Sie das, oder verstehe Sie es nicht, es ist mir einerlei.
arnimb_goethe01_1835
395
Ich muß Sie freilich mit meinen überſichtigen Grillen behelligen, wem ſollt ich ſie ſonſt mittheilen!
Ich muss Sie freilich mit meinen übersichtigen Grillen behelligen, wem sollte ich sie sonst mitteilen!
arnimb_goethe01_1835
396
Das iſt auch noch eine Merkwürdigkeit von Köln; die Betten die ſo hoch ſind, daß man einen Anlauf nehmen muß, um hinein zu kommen; man kann immer zwei, drei Verſuche machen ehe einer glückt; iſt man erſt drinn, wie ſoll man da wieder herauskommen?
Das ist auch noch eine Merkwürdigkeit von Köln; die Betten die so hoch sind, dass man einen Anlauf nehmen muss, um hineinzukommen; man kann immer zwei, drei Versuche machen ehe einer glückt; ist man erst drin, wie soll man da wieder herauskommen?
arnimb_goethe01_1835
397
ich dachte, hier iſt gut ſein, denn ich war müde, und hatte mich ſchon den ganzen Tag auf meine Träume gefreut, was mir die beſcheeren würden; da kam mir auch, auf ihrem goldnen Strom ein Kahn beladen und geſchmückt mit Blumen aus dem Paradies entgegen, und ein Apfel den mir der Geliebte ſchickte, den hab’ ich auch gleich verzehrt.
Ich dachte, hier ist gut sein, denn ich war müde, und hatte mich schon den ganzen Tag auf meine Träume gefreut, was mir die bescheren würden; da kam mir auch, auf ihrem goldenen Strom ein Kahn beladen und geschmückt mit Blumen aus dem Paradies entgegen, und ein Apfel den mir der Geliebte schickte, den habe ich auch gleich verzehrt.
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Wir haben am Sonntag ſo viel Rumpelkammern durchſucht, Alterthümer, Kunſtſchätze betrachtet, ich hab’ alles mit großem Intereſſe geſehen.
Wir haben am Sonntag so viel Rumpelkammern durchsucht, Altertümer, Kunstschätze betrachtet, ich habe alles mit großem Interesse gesehen.
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Ein Humpen, aus dem die Kurfürſten gezecht, iſt ſchön, mit vier Henkel, auf denen ſitzen Nymphen die ihre Füße im Wein baden, mit goldnen Kronen auf dem Kopf die mit Edelſteinen geziert ſind; um den Fuß windet ſich ein Drache mit vier Köpfen, die die vier Füße bilden, worauf das Ganze ſteht; die Köpfe haben aufgeſperrte Rachen die inwendig vergoldet ſind, auf dem Deckel iſt Bachus von zwei Satyrn getragen, er iſt von Gold und die Satyrn von Silber.
Ein Humpen, aus dem die Kurfürsten gezecht, ist schön, mit vier Henkel, auf denen sitzen Nymphen die ihre Füße im Wein baden, mit goldenen Kronen auf dem Kopf die mit Edelsteinen geziert sind; um den Fuß windet sich ein Drache mit vier Köpfen, die die vier Füße bilden, worauf das Ganze steht; die Köpfe haben aufgesperrte Rachen die inwendig vergoldet sind, auf dem Deckel ist Bacchus von zwei Satyren getragen, er ist von Gold und die Satyren von Silber.
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So haben auch die Nymphen emaillirte Gewande an.
So haben auch die Nymphen emaillierte Gewande an.
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Der Trinkbecher iſt von Rubinglas, und das Laubwerk was zwiſchen den Figuren ſich durchwindet iſt ſehr ſchön von Silber und Gold durcheinander geflochten.
Der Trinkbecher ist von Rubinglas, und das Laubwerk was zwischen den Figuren sich durchwindet ist sehr schön von Silber und Gold durcheinander geflochten.
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402
— Dergleichen Dinge ſind viel, ich wollt’ Ihr blos den einen beſchreiben weil er ſo prächtig iſt, und weil Ihr die Pracht wohlgefällt.
— Dergleichen Dinge sind viel, ich wollte Ihr bloß den einen beschreiben weil er so prächtig ist, und weil Ihr die Pracht wohlgefällt.
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403
Adieu Frau Rath!
Adieu Frau Rat!
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404
— zu Schiff kamen wir herab, und zu Wagen fuhren wir wieder zurück nach Bonn.
— zu Schiff kamen wir herab, und zu Wagen fuhren wir wieder zurück nach Bonn.
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Bettine.
Bettine.
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Frau Rath.
Frau Rat.
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Winckel.
Winckel.
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Ich will nicht lügen: wenn Sie die Mutter nicht wär’ die Sie iſt, ſo würd’ ich auch nicht bei Ihr ſchreiben lernen.
Ich will nicht lügen: wenn sie die Mutter nicht wäre die sie ist, so würde ich auch nicht bei Ihr schreiben lernen.
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Er hat geſagt, ich ſoll ihn vertreten bei Ihr, und ſoll Ihr alles Liebe thun was er nicht kann, und ſoll ſein gegen Sie, als ob mir all’ die Liebe von Ihr angethan wär’ die er nimmer vergißt.
Er hat gesagt, ich soll ihn vertreten bei Ihr, und soll Ihr alles Liebe tun was er nicht kann, und soll sein gegen Sie, als ob mir all die Liebe von Ihr angetan wäre die er nimmer vergisst.
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410
— Wie ich bei ihm war, da war ich ſo dumm und fragte ob er Sie liebhabe, da nahm er mich in ſeinen Arm und drückte mich an’s Herz und ſagte: berühr eine Saite, und ſie klingt, und wenn ſie auch in langer Zeit keinen Ton gegeben hätte.
— Wie ich bei ihm war, da war ich so dumm und fragte ob er Sie liebhabe, da nahm er mich in seinen Arm und drückte mich ans Herz und sagte: Berühr eine Saite, und sie klingt, und wenn sie auch in langer Zeit keinen Ton gegeben hätte.
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411
Da waren wir ſtill und ſprachen nichts mehr hiervon, aber jetzt hab’ ich ſieben Briefe von ihm, und in allen mahnt er mich an Sie; in einem ſagt er:
Da waren wir still und sprachen nichts mehr hiervon, aber jetzt habe ich sieben Briefe von ihm, und in allen mahnt er mich an Sie; in einem sagt er:
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Du biſt immer bei der Mutter, das freut mich; es iſt als ob der Zugwind von daher geblaſen habe, und jetzt fühl ich mich geſichert und warm, wenn ich Deiner und der Mutter gedenke; ich hab’ ihm dagegen erzählt, daß ich Ihr mit der Schere das Wachstuch auf dem Tiſch zerſchnitten hab’, und daß Sie mir auf die Hand geſchlagen hat, und hat geſagt: grad’ wie mein Sohn — auch alle Unarten haſt Du von ihm!
Du bist immer bei der Mutter, das freut mich; es ist als ob der Zugwind von daher geblasen habe, und jetzt fühle ich mich gesichert und warm, wenn ich Deiner und der Mutter gedenke; ich habe ihm dagegen erzählt, dass ich Ihr mit der Schere das Wachstuch auf dem Tisch zerschnitten habe, und dass sie mir auf die Hand geschlagen hat, und hat gesagt: gerade wie mein Sohn — auch alle Unarten hast Du von ihm!
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Von Bonn kann ich nichts erzählen, da war’s wieder einmal ſo, daß man alles empfindet aber nichts dabei denkt; wenn ich mich recht beſinne, ſo waren wir im botaniſchen Garten, grad’ wie die Sonn’ unterging; alle Pflanzen waren ſchon ſchlaftrunken, die Siebenberg waren vom Abendroth angehaucht, es war kühl, ich wickelte mich in den Mantel und ſetzt’ mich auf die Mauer, mein Geſicht war vom letzten Sonnenſtrahl vergoldet, beſinnen macht ich mich nicht, das hätt’ mich traurig gemacht in der gewaltigen verſtummten Natur.
Von Bonn kann ich nichts erzählen, da war es wieder einmal so, dass man alles empfindet aber nichts dabei denkt; wenn ich mich recht besinne, so waren wir im botanischen Garten, gerade wie die Sonne unterging; alle Pflanzen waren schon schlaftrunken, die Siebenberg waren vom Abendrot angehaucht, es war kühl, ich wickelte mich in den Mantel und setzte mich auf die Mauer, mein Gesicht war vom letzten Sonnenstrahl vergoldet, besinnen mochte ich mich nicht, das hätte mich traurig gemacht in der gewaltigen verstummten Natur.
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Da ſchlief ich ein, und da ich erwachte (ein großer Käfer hat mich geweckt) da war’s Nacht und recht kalt.
Da schlief ich ein, und da ich erwachte (ein großer Käfer hat mich geweckt) da war es Nacht und recht kalt.
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Am andern Tag ſind wir wieder hier eingetroffen.
Am anderen Tag sind wir wieder hier eingetroffen.
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Adieu Fr. Rath, es iſt ſchon ſo ſpät in der Nacht, und ich kann gar nicht ſchlafen.
Adieu Fr. Rat, es ist schon so spät in der Nacht, und ich kann gar nicht schlafen.
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Bettine.
Bettine.
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21ſten September.
21. September.
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420
Das kann ich nicht von Dir leiden, daß Du die Nächte verſchreibſt und nicht verſchläfſt, das macht dich melancholiſch und empfindſam, wollt ich drauf antworten, bis mein Brief ankäm’, da iſt ſchon wieder ander Wetter.
Das kann ich nicht von Dir leiden, dass Du die Nächte verschreibst und nicht verschläfst, das macht Dich melancholisch und empfindsam, wollte ich drauf antworten, bis mein Brief ankäme, da ist schon wieder ander Wetter.
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Mein Sohn hat geſagt: was einem drückt, das muß man verarbeiten, und wenn er ein Leid gehabt hat, da hat er ein Gedicht draus gemacht.
Mein Sohn hat gesagt: Was einem drückt, das muss man verarbeiten, und wenn er ein Leid gehabt hat, da hat er ein Gedicht draus gemacht.
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422
— Ich hab’ Dir geſagt, Du ſollſt die Geſchichte von der Günderode aufſchreiben, und ſchick’ ſie nach Weimar, mein Sohn will es gern haben, der hebt ſie auf, dann drückt ſie Dich nicht mehr.
— Ich habe Dir gesagt, Du sollst die Geschichte von der Günderode aufschreiben, und schick sie nach Weimar, mein Sohn will es gern haben, der hebt sie auf, dann drückt sie Dich nicht mehr.