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12. Wenn ja, verfügten die Angeschuldigten Arend-Adolf G. und Achim A. insoweit über behördliche Genehmigungen, bzw. konnte die Herkunft dieser Gegenstände vollständig nachvollzogen werden?
Der Angeschuldigte G. ist Inhaber einer Waffenbesitzkarte sowie eines Jagdscheines, der zum Besitz von Waffen berechtigt. Darüber hinaus können Aussagen zum Vorliegen behördlicher Genehmigungen sowie zur Herkunft der Gegenstände mit Blick auf die fortdauernden Ermittlungen derzeit nicht getroffen werden.
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2,145
13. Wird nach Kenntnis der Bundesregierung der Entzug bzw. Widerruf von waffen- bzw. sprengstoffrechtlichen Genehmigungen der Angeschuldigten Arend-Adolf G. und Achim A. geprüft?
Die Prüfung fällt in die Zuständigkeit der Länder Baden-Württemberg und Bayern. Zu Verfahren der Länder nimmt die Bundesregierung aus kompetenzrechtlichen Gründen grundsätzlich keine Stellung.
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2,146
Vorbemerkung der Fragesteller Am Morgen des 23. März 2022 wurde in großen Teilen des Schienennetzes der Güterverkehr eingestellt. Die DB Energie GmbH gab an, dass ein unerwarteter Kraftwerksausfall während Wartungsarbeiten zu einer Unterversorgung des Stromnetzes führte, sodass man sich für einen Lastabwurf entschied (https://www.eurailpress.de/nachrichten/betrieb-services/detail/news/gueterver kehr-zeitweise-eingestellt-nee-fordert-aufklaerung-zum-strommangel-bei-db-n etz.html). Wenn in der Netzleitstelle der DB Energie GmbH ein Frequenzabfall festgestellt wird, muss die DB Energie einem Notfallplan folgen, der ein differenziertes Vorgehen hinsichtlich der Behandlung der Schienengüter- und Schienenpersonenverkehre erfordert (https://www.lok-report.de/news/deutschland/v erkehr/item/31736-nee-unterversorgung-des-stromnetzes-fuehrte-heute-zu-sto pp-des-schienengueterverkehrs.html). Unternehmen der Schienengüterverkehrsbranche fordern nun eine Aufklärung des Vorkommnisses. Hierfür hat sich der Branchenverband Netzwerk Europäischer Eisenbahnen (NEE) an die Bundesnetzagentur gewandt (https://www.lo k-report.de/news/deutschland/verkehr/item/31736-nee-unter versorgung-des-st romnetzes-fuehrte-heute-zu-stopp-des-schienengueter verkehrs.html). 1. Zu welchem Zeitpunkt am 23. März 2022 wurde nach Kenntnis der Bundesregierung in der Netzleitstelle der DB Energie GmbH eine Unterversorgung des Stromnetzes, welches das Schienennetz mit Energie versorgt, festgestellt?
Nach Auskunft der Deutschen Bahn AG (DB AG) kam es am Morgen des 23. März 2022 ab ca. 6:30 Uhr zu einer drohenden Unterversorgung des Bahnstromnetzes.
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2,147
2. Wie hoch war nach Kenntnis der Bundesregierung die im Vergleich zum üblichen Lastverlauf einschließlich der üblichen Reserven prognostizierte Unterversorgung des Bahnstromnetzes (bitte auf halbe Stunden genau in Megawatt angeben)?
Nach Auskunft der DB AG erfolgte ab ca. 6:30 Uhr ein ungewöhnlich starker Lastanstieg um ca. 170 Megawatt über dem üblichen Lastverlauf.
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2,148
3. Auf welcher (etwaigen) rechtlichen oder betriebstechnischen Grundlage wurde nach Kenntnis der Bundesregierung entschieden, welche Bereiche des Schienenverkehrs (z. B. Güterverkehr, Personenfernverkehr, Personennahverkehr) der Lastabwurf vor allem oder ausschließlich treffen soll?
Nach Auskunft der DB AG wurde auf Grundlage des § 62 Absatz 2 Satz 1 des Eisenbahnregulierungsgesetzes bzw. Ziffer 6.3.3 der Nutzungsbedingungen Netz der DB Netz AG (NBN 2022) entschieden.
260359
2,149
4. Wie viele Stunden dauerte nach Kenntnis der Bundesregierung der Lastabwurf, und wie viele Schienenverkehrsunternehmen und Züge welcher Bereiche des Schienenverkehrs waren nach Kenntnis der Bundesregierung von dem Lastabwurf betroffen?
Nach Auskunft der DB AG wurden ab ca. 7:30 Uhr Güterzüge in allen Regionen Deutschlands vorübergehend angehalten. Ab 8:10 Uhr konnten sie gestaffelt vom Norden Deutschlands nach Süden wieder weiterfahren. Ab 8:40 Uhr wurde wieder der normale Eisenbahnbetrieb durchgeführt. Zur Zahl der betroffenen Eisenbahnverkehrsunternehmen und zur Zahl der angehaltenen Züge liegen der DB AG noch keine abschließenden Angaben vor.
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2,150
5. Wurden beim Anhalten von Zügen des Schienengüterverkehrs (SGV) Differenzierungen zwischen verschiedenen Segmenten des SGV vorgenommen, und wenn ja, welcher Art?
Nach Auskunft der DB AG wurden keine Differenzierungen vorgenommen.
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2,151
6. Wie waren nach Kenntnis der Bundesregierung die Stillstände der Güterzüge im deutschen Schienennetz verteilt? Gab es regionale Konzentrationen, und wenn ja, wo, und welche Rolle spielte die Verfügbarkeit von Abstellgleisen?
Nach Auskunft der DB AG gab es keine regionalen Konzentrationen. Güterzüge, die sich auf freier Strecke befanden und für die keine geeigneten Abstellgleise zur Verfügung standen, fuhren weiter.
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2,152
7. Auf welchen Kanälen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung die vom Lastabwurf betroffenen Schienengüterverkehrsunternehmen informiert?
Nach Auskunft der DB AG wurden betroffene Eisenbahnverkehrsunternehmen um 8:28 Uhr zu einer Telefonkonferenz eingeladen, in der sie über die Störung und die getroffenen Maßnahmen informiert wurden.
260359
2,153
8. Gab es nach Kenntnis der Bundesregierung seit dem Lastabwurf eine weitere Kommunikation zwischen der DB Energie GmbH und den Schienengüterverkehrsunternehmen bzw. entsprechenden Verbänden der Branche, und wenn ja, zu welchen Zeitpunkten, und in welcher Weise?
Nach Auskunft der DB AG wurde das Netzwerk Europäischer Eisenbahnen am 25. März 2022 gemeinsam durch DB Energie GmbH und DB Netz AG per E-Mail über den Vorgang informiert.
260359
2,154
9. Konnte nach Kenntnis der Bundesregierung die Ursache für die Stromunterversorgung mittlerweile geklärt werden, und wenn ja, worin bestand diese Ursache?
Die Bundesnetzagentur führt zu dieser Bahnstromunterversorgung Ermittlungen im Hinblick auf die Ursachen der Unterversorgung mit Bahnstrom und die seitens der DB Netz AG ergriffenen Stabilisierungsmaßnahmen durch. Die Ermittlungen dauern noch an.
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10. Wurden nach Kenntnis der Bundesregierung die in der Presse angeführten Wartungsarbeiten an den Kraftwerken mittlerweile abgeschlossen?
Nach Auskunft der DB AG wurden die Wartungsarbeiten abgeschlossen.
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11. Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung seitens betroffener Schienengüterverkehrsunternehmen Schadensersatzforderungen gegenüber der DB Energie GmbH oder anderen Beteiligten, und wenn ja, in welcher Höhe?
Nach Auskunft der DB AG wurden Schadensersatzforderungen an die DB Energie GmbH gerichtet. Diese werden durch die DB AG geprüft.
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12. Hat es seit Beginn des Jahres 2021 bereits ähnliche Vorfälle gegeben, bei denen aufgrund einer Stromunterversorgung Züge im Schienennetz der DB Netz AG angehalten werden mussten? Wenn ja, wann war dies, was war die Ursache, und wie hat man in dieser Situation reagiert?
Nach Auskunft der DB AG hat es seit Beginn des Jahres 2021 keine ähnlichen Vorfälle gegeben.
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Vorbemerkung der Fragesteller Deutschlands Wirtschaftsstärke hängt maßgeblich von gut ausgebildeten Fachkräften ab. Auslandserfahrungen sind für junge Menschen in einer zunehmend international ausgerichteten Arbeitswelt eine Schlüsselqualifikation. Die Enquete-Kommission „Berufliche Bildung in der digitalen Arbeitswelt“ hat vor dem Hintergrund einer wachsenden Bedeutung der Internationalisierung der beruflichen Bildung eine Quote von 20 Prozent von Auszubildenden mit Auslandspraxis bis zum Jahr 2030 vorgeschlagen. Zuletzt lag die Quote bei rund 7 Prozent. 1. Plant die Bundesregierung die Errichtung eines Deutschen Beruflichen Austauschdienstes (DBAD) analog zum Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) im Hochschulbereich? a) Falls ja, was soll gefördert werden? b) Falls ja, wie soll der DBAD organisiert sein? c) Falls ja, welches jährliche Fördervolumen soll der DBAD erhalten? d) Falls ja, wie soll der DBAD im Verhältnis zu laufenden Förderungen wie beispielsweise Erasmus+ ausgestaltet werden? e) Falls nein, warum nicht?
Die Fragen 1 bis 1e werden im Zusammenhang beantwortet. Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, die internationale Ausbildungsmobilität zu erhöhen. Im Zuge dessen werden auch organisatorische Maßnahmen geprüft. Bereits heute erfolgen deutlich über 90 Prozent aller durch öffentliche Programme vergebenen Förderungen durch die Nationale Agentur beim Bundesinstitut für Berufsbildung (NA BIBB). Auch in Bezug auf die gesamte Mobilität in der beruflichen Bildung wird fast zweidrittel durch die NA beim BIBB gefördert. Die NA BIBB erfüllt bereits heute einige wichtige Anforderungen an eine solche Einrichtung. Diese bestehende Struktur soll sich weiterentwickeln.
260360
2,159
2. Strebt die Bundesregierung die Steigerung des Anteils von Auszubildenden mit Auslandspraxis an, und falls ja, mit welchen Zielmarken bis zu den Jahren 2025 und 2030?
Die Bundesregierung strebt eine dauerhafte Steigerung des Anteils von Auszubildenden mit Auslandspraxis an. Allerdings geht die Bundesregierung davon aus, dass frühestens im Jahr 2023 das Mobilitätsniveau des Jahres 2019 wieder erreicht werden kann. Angesichts des weiterhin andauernden, coronabedingten Einbruchs bei der Mobilität in der beruflichen Bildung und wirtschaftlichen Unsicherheiten infolge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine ist derzeit noch nicht erkennbar, welche neuen Zielmarken in nachfolgenden Jahren realistisch erreichbar sein werden.
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2,160
3. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung insgesamt zur Verbesserung der Internationalisierung der beruflichen Bildung und der Förderung einer nachhaltigen Mobilitätskultur von Auszubildenden?
Die Bundesregierung intensiviert die internationale Berufsbildungszusammenarbeit. Die Runden Tische zur internationalen Berufsbildungszusammenarbeit als zentrale Koordinierungs- und Kohärenzinstrumente werden fortgesetzt. Das Instrument der Länderstrategien wurde evaluiert und wird ebenfalls fortgesetzt. Dazu finden an zahlreichen Auslandsvertretungen regelmäßig Runde Tische unter Einbeziehung lokaler Akteure statt. Die Bundesregierung bekennt sich darüber hinaus in der unter deutscher EU-Ratspräsidentschaft in der zweiten Jahreshälfte des Jahres 2020 angenommenen Ratsempfehlung zur beruflichen Aus- und Weiterbildung für nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit, soziale Gerechtigkeit und Resilienz und der Osnabrücker Erklärung zur beruflichen Bildung zu der Vertiefung der europäischen und internationalen Berufsbildungspolitik. Zur nationalen Umsetzung der vereinbarten Ziele und Aktionen wird gegenwärtig ein Implementierungsplan (NIP) erarbeitet. Der Ausbau und die Förderung der internationalen Mobilität von Auszubildenden ist ein Ziel des Koalitionsvertrags. In der neuen Programmgeneration Erasmus+ (2021 bis 2027) stellt die Inklusion von Teilnehmenden mit geringeren Chancen einen Schwerpunkt dar. Zudem hat sich das Budget für die berufliche Bildung verdoppelt. Dadurch wird eine deutlich höhere Anzahl von Auszubildenden gefördert werden können. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) ergänzt im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel die Förderung über Erasmus+ durch die sogenannten Pool-Projekte, um Auszubildenden aus kleineren und mittleren Betrieben einen einfacheren Zugang zu dem Programm zu ermöglichen. Darüber hinaus fördert das BMBF über das nationale Förderprogramm „AusbildungWeltweit“ die internationale Mobilität von Auszubildenden. Mit dem Programm „Betriebliche Beratung zur Erhöhung der grenzüberschreitenden Mobilität von Auszubildenden und jungen Fachkräften“ (Berufsbildung ohne Grenzen/BOG) werden kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sowie deren Auszubildende und junge Fachkräfte für die Möglichkeiten eines Auslandsaufenthaltes während und nach der Ausbildung sensibilisiert und betriebsnah beraten. Um eine aktive Mobilitätskultur nachhaltig zu fördern, braucht es neben Finanzierungsprogrammen den weiteren Aus- und Aufbau von regional verankerten und betriebsnahen Beratungsstrukturen, wie sie derzeit in der Industrie- und Handelskammer-Organisation sowie im Handwerk mit dem Projekt „BOG“ vorhanden sind. Nur mit einer soliden betriebsnahen Beratungs- und Unterstützungsstruktur lässt sich die Zahl der international mobilen Auszubildenden sowie Ausbilderinnen und Ausbilder nachhaltig steigern und die Qualität von Auslandspraktika verbessern. Das Programm „Berufsbildung ohne Grenzen“ soll fortgeführt werden.
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2,161
4. Welche Veränderungen plant die Bundesregierung bei der Umsetzung des EU-Programmes Erasmus+?
Grundsätzlich liegt die Umsetzung des Programms Erasmus+ in der Verantwortung der Europäischen Kommission. Erasmus+ wird in der neuen Programmgeneration inklusiver, innovativer, digitaler und ökologisch nachhaltiger. Dies wird durch neue Elemente unterstützt, wie die Möglichkeit zur virtuellen Mobilität, der Verstetigung der neuen Initiativen Discover EU, den Europäischen Hochschulen und die Zentren für berufliche Exzellenz im Programm sowie einen Fokus auf Inklusion, der sich insbesondere durch bessere Förderbedingungen für benachteiligte Teilnehmende bemerkbar macht. Die Bundesregierung stärkt Erasmus+ zudem indem sie die Stipendien für Studierende erhöht, um die soziale Teilhabe am Programm zu stärken. So erhöht sich das Stipendium auf bis zu 600 Euro pro Monat. Studierende mit Behinderung, Studierende aus einem nichtakademischen Elternhaus oder erwerbstätige Studierende sowie Studierende mit Kindern bei Auslandsaufenthalten erhalten einen zusätzlichen Zuschuss von 250 Euro pro Monat.
260360
2,162
5. Welche Unterstützungsangebote gibt es für Auslandsaufenthalte von Auszubildenden und für Ausbilder (bitte nach Zielländern bzw. Regionen aufschlüsseln)?
Auszubildende können auch während einer Ausbildung im Ausland unter den Voraussetzungen des § 58 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch – Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) erhalten. Generell gibt es unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeiten der Förderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG): Soweit eine schulische Berufsausbildung betrieben wird, kommt Auslands- BAföG für Schülerinnen und Schüler in Betracht bei Besuch von • (Berufs-)Fachschulklassen mit berufsqualifizierendem Abschluss und mindestens zweijähriger Ausbildungsdauer, • Fach(ober)schulklassen, deren Besuch eine abgeschlossene Berufsausbildung voraussetzt. Voraussetzungen für eine Förderung mit BAföG sind: • Die Schule, die im Ausland besucht wird, ist der inländischen Schule gleichwertig. • Die Auslandsausbildung dauert mindestens sechs Monate. Findet sie im Rahmen einer mit der besuchten Ausbildungsstätte vereinbarten Kooperation statt, muss sie mindestens zwölf Wochen dauern. • Die Auslandsausbildung muss der Ausbildung im Inland förderlich sein. Bei einem Praktikum müssen sämtliche der folgenden Voraussetzungen erfüllt sein: • Das Praktikum muss der Ausbildung förderlich sein. • Die Schule oder die zuständige Prüfungsstelle muss bescheinigen, dass das Praktikum den Anforderungen der Prüfungsordnung an die Praktikantenstelle genügt. • Das Praktikum muss mindestens zwölf Wochen dauern. Neben den generellen Förderungen, gibt es für die Mobilität in der beruflichen Bildung spezifischen Fördermöglichkeiten: Weltweit: • AusbildungWeltweit (alle Staaten außer die 33 Erasmus+ Programmländer). Europa: • Erasmus+ (akkreditierte Einrichtungen können maximal 20 Prozent der Mittel auch für Drittländer nutzen), • ProTandem (Frankreich), • Deutsch-Französisches Jugendwerk (DFJW) (Frankreich), • Deutsch-Polnisches Jugendwerk (DPJW) (Polen), • Stiftung Deutsch-Russischer Jugendaustausch gGmbH (Russland), • (deutsch-tschechische) Freiwillige berufliche Praktika. Amerika: • Joachim Herz Stiftung (USA, Kanada), • Parlamentarisches Patenschaftsprogramm. Asien: • Schulpartnerschaftsfonds Deutschland-China. Afrika: • Deutsch-Afrikanisches Jugendwerk (DAJW) bei Engagement Global. Darüber hinaus gibt es Fördermöglichkeiten durch private Akteure wie Unternehmen, die Individualaustausche von Auszubildenden unterstützen.
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2,163
6. Welche Unterstützungsangebote gibt es für Aufenthalte von Auszubildenden im Vereinigten Königreich nach dem Brexit (bitte nach neuen und nach bereits vor dem Brexit etablierten Angeboten unterscheiden)?
Vor dem Brexit war das Vereinigte Königreich (VK) im Programm Erasmus+ das quantitativ stärkste Programmland. Aufgrund des Brexits hat das VK im Programm Erasmus+ nun mit rund 170 Ländern den Status eines Drittstaates. Einrichtungen, die sich im Programm Erasmus+ in der Berufsbildung akkreditiert haben, können seit dem Jahr 2021 bis zu 20 Prozent der Vertragssumme für Aktivitäten mit Drittstaaten aufwenden. Dies kann somit auch Aufenthalte von Auszubildenden im VK umfassen. Seit dem Jahr 2021 sind im Programm „AusbildungWeltweit“ Auslandsaufenthalte für Auszubildende im VK förderfähig. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 5 verwiesen.
260360
2,164
7. Welche Unterstützung bietet der Bund für die Förderung von individuellen Auslandsaufenthalten von Auszubildenden (bitte die konkreten Programme und Unterstützungsleistungen aufzählen)?
Der Bund bietet im Rahmen der folgenden Programme Unterstützung: • Erasmus+: Der Bund finanziert den spezifischen personellen Mehraufwand von Berufsbildungseinrichtungen, wenn sie Erasmus+ Stipendien individuell für Auszubildende zugänglich machen, insbesondere aus KMU (sog. Poolprojekte). • AusbildungWeltweit: Gefördert wird die Mobilität von Auszubildenden und Berufsschülerinnen und Berufsschülern inkl. Kosten für Vor- und Nachbereitung, Fahrtkosten, Aufenthaltskosten, vorbereitende Besuche. • ProTandem: Gefördert werden Gruppenaustausche (mindestens sechs Personen) in der beruflichen Bildung inkl. Kosten für Vorbereitung, Fahrtkosten, Aufenthaltskosten, Sprachbegleitung, Versicherungskosten. • Deutsch-Französisches Jugendwerk (DFJW): Gefördert werden Gruppenaustausche und Individualprogramme, ausbildungsbegleitende Pflichtpraktika für junge Menschen in der beruflichen Bildung und Weiterbildung sowie freiwillige Praktika in Frankreich außerhalb von Ausbildung und Studium. • Deutsch-Polnische Jugendwerk (DPJW): Gefördert werden freiwillige berufliche Praktika von deutschen und polnischen Auszubildenden im jeweiligen anderen Land aus Mitteln des Programms Erasmus+. • Deutsch-Afrikanisches Jugendwerk (DAJW) bei Engagement Global (EG), Programmlinie Team works! Fachkräftebegegnungen für nachhaltige Entwicklung: Organisiert und gefördert werden Praxisaufenthalte von deutschen und afrikanischen Auszubildenden und jungen Fachkräften in einem afrikanischen Land respektive in Deutschland. Alle wesentlichen Kosten, insbesondere Flug, Unterkunft, Verpflegung und Versicherungsschutz werden übernommen. Mit einer Förderung aus dem Kinder- und Jugendplan des Bundes (KJP) unterstützt das Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend derzeit folgende bilaterale Austauschprojekte für Auszubildende: • (Deutsch-tschechische) Freiwillige berufliche Praktika: Das Projekt wird neben Mitteln des Programms Erasmus+ oder des Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds anteilig aus Mitteln des KJP finanziert. Folgende Kosten können im Rahmen des Projektes bezuschusst werden: Aufenthaltskosten, Versicherungskosten, Reisekosten, gegebenenfalls Kosten für eine Begleitperson.
260360
2,165
8. Welche Beratungsangebote gibt es für an Auslandsaufenthalten interessierte Auszubildende? 9. Wie und wann werden Auszubildende aktiv auf die Vorteile und Fördermöglichkeiten eines Auslandsaufenthaltes aufmerksam gemacht?
Die Fragen 8 und 9 werden im Zusammenhang beantwortet. Generell gibt es eine Vielzahl an Quellen und Beratungsangeboten für Auszubildende zum Thema Ausbildungsmobilität. Im Rahmen der neutralen, individuellen Beratung durch die Bundesagentur für Arbeit, insbesondere der Berufsberatung vor dem Erwerbsleben, werden unter anderem die Möglichkeiten und die Vorteile eines Auslandsaufenthalts thematisiert. Besteht seitens der jungen Menschen Interesse, einen Teil ihrer Berufs- ausbildung im Ausland zu absolvieren, werden berufs- bzw. branchenspezifische Wege ins Ausland aufgezeigt, mögliche Ansprechpartnerinnen oder Ansprechpartner benannt, Informationen zu Planung und Organisation zur Verfügung gestellt sowie finanzielle Fördermöglichkeiten aufgezeigt. Die jungen Menschen werden frühzeitig in ihrem Orientierungsprozess von der Bundesagentur für Arbeit unterstützt. In der Regel findet eine erste Ansprache in der Vor-Vorentlassklasse bzw. am Gymnasium ab der Klasse 9 statt. Die Möglichkeiten und Vorteile eines Auslandsaufenthaltes werden in allgemeiner Form in den berufsorientierenden (Gruppen-)Veranstaltungen besprochen. Wenn die Richtung des Berufswunsches feststeht, kann bei Bedarf in der individuellen Beratung auch die Option eines Auslandsaufenthalts aufgegriffen werden. Die damit verbundenen Chancen auf dem Arbeitsmarkt nach der Ausbildung werden ebenso thematisiert wie die verschiedenen Modelle und Fördermöglichkeiten (Entsendung durch deutschen Ausbildungsbetrieb, Erasmus+, etc.). Auch stellt die Bundesagentur für Arbeit sowohl online als auch in den Berufsinformationszentren vor Ort vielfältige Informationsangebote für alle Zielgruppen zur Verfügung. Das Portal Planet-Beruf.de greift das Thema Ausbildung im Ausland auf. Auszubildende werden auch über das Serviceportal meinauslandspraktikum.de und die gleichnamigen Social-Media-Kanäle der NA BIBB adressiert. Individualberatung wird über eine Hotline sowie auf regionalen Ausbildungsmessen ermöglicht. Durch die Zusammenarbeit mit der Bundesagentur für Arbeit erfolgt eine aktive Ansprache auch über alle Berufsinformationszentren. Materialversandaktionen an berufliche Schulen sowie Anzeigenschaltungen ergänzen das Portfolio. Darüber hinaus haben die einzelnen Förderprogramme wie „Erasmus+“ oder „AusbildungWeltweit“ eigene Informations- und Beratungsangebote, mit denen gezielt berufliche Schulen, Unternehmen und Berufsbildungseinrichtungen sowie Auszubildende über Vorteile von Auslandsaufenthalten sowie Fördermöglichkeiten informiert werden. Dazu werden zielgruppenspezifisch Erfahrungsberichte, oder Marketingmaterialien wie Flyer oder Broschüren zur Verfügung gestellt. Mit „Berufsbildung ohne Grenzen“ werden Betriebe, Auszubildende und junge Fachkräfte während und bis ein Jahr nach der Ausbildung durch Mobilitätsberaterinnen und -berater an den Kammern informiert. Dazu gehören beispielsweise eigenorganisierte Info-Veranstaltungen, Besuche und Info-Vorträge in Berufsschulen und Berufsbildungszentren, direkte Ansprache von Ausbildungsbetrieben und Besuche vor Ort, Teilnahme an Messen, Veranstaltungen wie „Unternehmenspreis Berufsbildung ohne Grenzen“ unter Mitwirkung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klima (nächster Preis erstes Quartal 2023), Wettbewerbe wie „Auslandspraktika? Ja klar!“ sowie Öffentlichkeitsarbeit durch regionale und bundesweite Presse und Fachzeitschriften, Social Media, Website, Flyer und Printprodukte. Zusätzlich berät die Mitmachzentrale bei Engagement Global interessierte Auszubildende zu Angeboten entwicklungspolitischer Austauschprogramme.
260360
2,166
10. Welche staatlich geförderten Programme für beruflichen Austausch und berufliche Auslandserfahrung sind der Bundesregierung von anderen, insbesondere europäischen, Ländern bekannt, und ist die Bundesregierung in diesem Zusammenhang offen dafür, sich gegebenenfalls im Sinne von Best Practice an von diesen ausländischen Programmen besonders geeigneten Programmen zu orientieren, und falls ja, welche konkret sind diese?
Das europäische Bildungsprogramm Erasmus+ ist aufgrund der 35 Jahre langen Erfahrung und seines Fördervolumens der Motor für die kontinuierliche Weiterentwicklung von Qualitätsstandards und einer Mobilitätskultur in der Berufsbildung. Nationale Förderprogramme (z. B. der Schweiz) orientieren sich an der Förderung des Erasmus+ Programms. Auch beim britischen Alan-Turing-Programm (seit 2021) und beim walisischen Taith-Programm (seit 2022) sind die Fördersystematik und die Projektformen an Erasmus+ orientiert. Auch die Bundesregierung orientiert sich in der Ausgestaltung nationaler Förderprogramme an Erasmus+.
260360
2,167
11. Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Fragesteller, dass im Ausland – von wenigen Ausnahmen abgesehen – das deutsche Konzept der dualen Ausbildung in der Regel nicht oder nur zum Teil implementiert ist? Wenn ja, wie und in welcher Weise soll der Austausch erfolgen, obwohl äquivalente Strukturen mitunter fehlen? Wo sind solche zu identifizieren? Bestehen hier bereits Kooperationen?
Die Bundesregierung teilt die Einschätzung, dass es mit dem deutschen dualen System äquivalente Strukturen nur in wenigen weiteren europäischen Ländern und Regionen gibt (z. B. Österreich, Schweiz, Dänemark, Elsass, Südtirol). Die an Arbeitsprozessen ausgerichtete Berufsbildung hat auch in anderen Ländern in den letzten Jahren deutlich zugenommen (work based learning). Auch stärker schulisch geprägte Berufsbildungssysteme richten sich zunehmend an Arbeitsprozessen aus und integrieren alternierende Phasen des Lernens in Schule und Arbeitswelt in ihre Systeme. Zusätzlich zum Austausch zwischen deutschem und ausländischem Unternehmen gibt es eine Vielzahl von Kooperationen, in denen deutsche Unternehmen seit vielen Jahren mit beruflichen Schulen oder vergleichbaren Einrichtungen wie Berufsbildungszentren im Ausland kooperieren. Dies erfolgt aber ohne Rückgriff auf Kernelemente des dualen Systems wie die Sozialpartnerschaft oder die Arbeitsmarktorientierung. Im europäischen Kontext können Kompetenzgewinne von Auslandsaufenthalten insbesondere durch den Rückgriff auf die Lernergebnisorientierung, die im Europäischen Qualifikationsrahmen (EQR) verankert ist und auch dem deutschen Qualifikationsrahmen (DQR) zu Grunde liegt, sichergestellt werden. Lernergebnisse ermöglichen eine gemeinsame Sprache zwischen den beteiligten Einrichtungen unabhängig vom Berufsbildungssystem. Sie fließen ein in individuelle Lernvereinbarungen zwischen den Auszubildenden der entsendenden und der aufnehmenden Einrichtung. Individuelle Lernvereinbarungen sind im Programm Erasmus+ verpflichtend.
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2,168
12. Bestehen seitens der Bundesregierung bereits Vereinbarungen mit den Sozialpartnern zum beruflichen Austausch? Wenn ja, welche, mit welchen Akteuren, und mit welchem Inhalt? Wenn nein, wie sollen die am dualen Ausbildungssystem beteiligten Akteure integriert werden?
Die am dualen System beteiligten Akteure sind Mitglieder des nationalen Erasmus+-Begleitausschusses und partizipieren so an der Umsetzung von Erasmus +. Die Möglichkeit von Auslandsaufenthalten in der beruflichen Bildung ist darüber hinaus in Artikel 2 Absatz 3 des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) verankert. Die Steigerung der Attraktivität und Qualität der Ausbildung durch internationale Mobilität ist auch ein Teilziel der Allianz für Aus- und Weiterbildung.
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2,169
13. Plant die Bundesregierung, Auszubildenden aus Partnerländern der deutschen Entwicklungszusammenarbeit einen Praxisaufenthalt in Deutschland zu ermöglichen und somit das deutsche Modell der dualen Berufsausbildung in Entwicklungs- und Schwellenländern zu stärken und eine beidseitige Auslandspraxis zu ermöglichen, und wenn ja, mit welchen Maßnahmen?
Die Stärkung praxisorientierter beruflicher Bildung ist ein Schwerpunkt der deutschen Entwicklungszusammenarbeit. In einzelnen Maßnahmen umfasst dies auch Praxisaufenthalte in Deutschland wie beispielsweise in den Projekten „Unterstützung regulärer Arbeitsmigration und -mobilität zwischen Nordafrika und Europa“ und „Partnerschaftliche Ansätze für entwicklungsorientierte Ausbildung- und Arbeitsmarktmigration“. Die Programmlinie „Team works! Fachkräftebegegnungen für nachhaltige Entwicklung“ des Deutsch-Afrikanischen Jugendwerks bei Engagement Global ermöglicht seit Mitte 2021 einzelnen afrikanischen Auszubildenden und jungen Fachkräften Praxisaufenthalte in einer ihrer Fachlichkeit entsprechenden Einrichtung in Deutschland. Die etwa sechswöchigen Einsätze finden insbesondere in kleinen und mittelständischen Unternehmen sowie sozialen und medizinischen Einrichtungen statt.
260360
2,170
Vorbemerkung der Fragesteller Medienberichten zufolge erwägen mehrere Klimaprotestgruppierungen aufgrund des ihrer Ansicht nach nicht ausreichenden Erfolgs von Klimaschutzmaßnahmen durch die Bundesregierung, ihre bisherigen Proteste auf radikalere Aktionsformen auszuweiten (www.rnd.de/politik/klimaschutz-gruene-raf-a ktivisten-wollen-radikaler-werden.html; www.faz.net/aktuell/politik/inland/wi e-die-klimaschuetzer-immer-militanter-werden-17816558.html). Aktivisten der Gruppe „Aufstand der letzten Generation“ wollen künftig Häfen und Flughäfen blockieren sowie Industrieanlagen und andere Maschinen, die den Klimawandel befördern, sabotieren oder zerstören (www.faz.net/aktue ll/politik/inland/wie-die-klimaschuetzer-immer-militanter-werden-1781655 8.html). Auch eine Sprecherin der Braunkohlegegner „Ende Gelände“, Elia Nejem erklärte, dass ihre Mitstreiter diskutierten, „ihre Aktionsformen zu erweitern“. Elia Nejem versteht darunter, eigenmächtig Anlagen, die den Klimawandel befördern, außer Betrieb zu setzen und so ihre Wirkung zu neutralisieren (www.rnd.de/politik/klimaschutz-gruene-raf-aktivisten-wollen-radikaler-werd en-.html). Dr. Tadzio Müller, einer der Mitgründer der Anti-Braunkohle-Initiative „Ende Gelände“, sprach sich für Sabotageaktionen aus und benutzte dazu Worte wie „Notwehr“ oder „Klima-Notstandsrecht“, um illegale Aktionen zu rechtfertigen. Er sprach in einem Interview von einem „Klima-Notstandsrecht“, was ein fast ins Absolute reichendes Widerstandsrecht begründen würde (www.fa z.net/agenturmeldungen/dpa/klima-initiative-proteste-auf-haefen-und-flughaef en-ausweiten-17819998.html). Wenn die Politik so weitermache, so Dr. Tadzio Müller, werde es „möglicherweise“ eine „grüne RAF“ geben, eine Terrorgruppe also, die Anschläge begehe, um eine strengere Klimapolitik durchzusetzen, auch wenn er selbst gegen Terror und nur für eine „friedliche Sabotage“ sei (www.faz.net/aktuell/politik/inland/wie-die-klimaschuetzer-immer-mil itanter-werden-17816558.html). Nach der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ deutet sich auch bei Fridays for Future (FFF) ein Stimmungswechsel an. Die Zeitung zitiert dazu Carla Reemtsma, die Sprecherin der Bewegung: „Unsere Bewegung hat lange davon gelebt, klassische Proteste zu machen. Wir haben dieses Repertoire durchgespielt und sind trotzdem meilenweit von unseren Zielen entfernt. Die logische Konsequenz ist, dass Leute sich fragen, was sie noch tun sollen. Sie werden verschiedenste Mittel ausprobieren. Wir werden deshalb eine Verbreiterung der Protestformen erleben wie bei der ‚Letzten Generation‘“ (ebd.). 1. Sieht die Bundesregierung Anzeichen für eine Radikalisierung bestimmter Klimaprotestgruppierungen in Deutschland, und wenn ja, hinsichtlich welcher konkreten Gruppierungen, und welche Rolle spielt dabei nach Kenntnis der Bundesregierung jeweils die Bereitschaft zur Ausübung von Gewalt gegen Personen oder Sachen? 2. Hat die Bundesregierung in den letzten zwei Jahren Warnungen ihrer Sicherheitsbehörden im Hinblick auf eine Radikalisierung von Klimaprotestgruppierungen erhalten, und wenn ja, wann, von welcher Behörde, mit welchem Inhalt, und bezüglich welcher konkreten Klimaprotestgruppierung?
Die Fragen 1 und 2 werden im Sachzusammenhang beantwortet. Die bislang im Sinne der Fragestellung polizeilich gemeldeten Sachverhalte bewegen sich im seit Jahren bekannten Aktionsmuster linker Gruppierungen und finden sich in unterschiedlichen thematischen Zusammenhängen. Hierzu zählt auch die Ausübung von Gewalt gegen Personen und Sachen. Diesbezüglich lassen sich einzelne bekannte Gruppierungen nur schwer abgrenzen. Größere Proteste wie etwa im Kontext Hambacher oder Dannenröder Forst dauern nunmehr mehrere Jahre an und beinhalteten sowohl legale Protestformen, eine Vielzahl niederschwelliger Straftaten, aber auch schwere Straftaten unter anderem gegen Polizeibeamte. Im Sinne eines qualitativen Anstiegs der Straftaten lässt sich eine Radikalisierung der diesbezüglichen Klimaproteste anhand vorliegender Daten des Kriminalpolizeilichen Meldedienstes Politisch motivierte Kriminalität (KPMD-PMK) nicht feststellen. Quantitativ ist zu beachten, dass das Thema Umwelt- und Klimapolitik ein wichtiger Teil des gesellschaftlichen und medialen Diskurses ist und Organisationen wie „Aufstand der letzten Generation“ durch ihre jüngsten Protestformen, in Folge derer es zu erheblichen Verkehrsbeeinträchtigungen insbesondere in Berlin kam, über Wochen hinweg in der Presse präsent waren. Die Ausübung unmittelbarer Gewalt gegen Personen oder Sachen wurde dabei nicht bekannt, allerdings kam es aufgrund der Blockaden im rückstauenden Verkehr zu Unfällen. Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) beobachtet im Rahmen seines gesetzlichen Auftrags auch den Einfluss von Linksextremisten auf die Klimabewegung sowie etwaige linksextremistisch motivierte Radikalisierungstendenzen. Linksextremisten aus verschiedenen Teilen der Szene versuchen, demokratische Diskurse zu verschieben, sie um ihre eigenen ideologischen Positionen zu ergänzen, gesellschaftlichen Protest zu radikalisieren und den Staat und seine Institutionen zu delegitimieren. Gewaltorientierte Linksextremisten versuchen auch mithilfe von Aktionsbündnissen, Einfluss auf die Proteste zu nehmen.
260362
2,171
3. Werden die Radikalisierung von Klimaprotestgruppierungen und die damit verbundenen möglichen Folgen für die Innere Sicherheit auf der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder (IMK) durch die Bundesregierung dieses Jahr zeitnah thematisiert, und wenn nein, warum nicht?
Entsprechend der Kompetenzverteilung des Grundgesetzes zwischen Bund und Ländern sind im Bereich der Gefahrenabwehr grundsätzlich die Länder zuständig. Auch die strafrechtliche Verfolgung von im Zusammenhang mit Aktionen der in der Fragestellung genannten Gruppierungen begangenen Straftaten erfolgt grundsätzlich durch die zuständigen Behörden der Länder. Ergänzend wird auf die Antwort zu den Fragen 1 und 2 verwiesen. Vor diesem Hintergrund sieht die Bundesregierung derzeit keinen Bedarf einer Thematisierung auf der Innenministerkonferenz (IMK).
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2,172
4. Wie bewertet die Bundesregierung das potenzielle Schadensausmaß dieser neuen Protestformen durch Klimaaktivisten, und welchen konkreten Szenarien (z. B. Störung des Flugbetriebs, Behinderung von Rettungseinsätzen, Anschläge auf Kraftwerke) werden dabei als realistisches Szenario betrachtet? 5. Kann die Bundesregierung Gewalt gegen Personen oder eine willkürliche Inkaufnahme der Gefährdung von Leib und Leben bei diesen Protestformen ausschließen?
Die Fragen 4 und 5 werden im Sachzusammenhang beantwortet. Die möglichen Szenarien sind vielfältig und lassen sich nicht abschließend benennen. Im Zusammenhang mit Klima- und Umweltschutzprotesten hat sich in der Vergangenheit ein breites Spektrum von Straftaten und Aktionen gezeigt, die eine linke Orientierung oder Motivation erkennen lassen. Das potenzielle Schadensausmaß durch eine Radikalisierung von Klimaprotestgruppen hängt von der Intensität der Protestaktionen und der kriminellen Energie der Aktivistinnen und Aktivisten ab. Auch Linksextremisten versuchen, Einfluss auf die Klimaproteste zu nehmen. Vor dem Hintergrund der aus deren Sicht vermeintlich nicht ausreichenden klimapolitischen Fortschritte ist die Diskussion neuer Protestformen nach Auffassung der Bundesregierung ernst zu nehmen. Im Rahmen der bekannten Aktionsmuster von Linksextremisten sind z. B. Stör- und Sabotageaktionen als realistisch zu betrachten.
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2,173
6. Welche Definition von Terror bzw. Terrorismus jenseits der Einordnung nach dem Strafgesetzbuch legt die Bundesregierung ihrem Handeln ggf. zugrunde, und kann darunter auch die systematisch ausgeübte oder angedrohte Gewalt (möglicherweise unter billigender Inkaufnahme der Gefährdung von Leib und Leben) gegen Sachen im Sinne der Vorbemerkung dieser Anfrage fallen, um eine Regierung oder Bevölkerung politisch gefügig zu machen, und wenn ja, welches Ausmaß müssten solche Gewalthandlungen annehmen, um unter diese Definition zu fallen?
Die Bundesregierung legt ihrem Verständnis die strafrechtlichen Vorschriften über die terroristische Vereinigung (§§ 129a, 129b des Strafgesetzbuches [StGB]) zugrunde. Die Einordnung, welche Taten im Einzelfall den Tatbestand der §§ 129a, 129b StGB erfüllen, obliegt ausschließlich den unabhängigen Gerichten.
260362
2,174
7. Existieren nach Kenntnis der Bundesregierung Personen, die als Gefährder den Klimaprotestgruppierungen zuzuordnen sind, und wenn ja, wie viele, und welcher Gruppierung werden diese zugeordnet?
Nach Kenntnis der Bundesregierung sind insgesamt vier als Gefährder im Bereich der Politisch motivierten Kriminalität (PMK) -links- geführte Personen auch in der Klima- und Umweltschutzprotestbewegung aktiv. Zwei der Personen sind dem weiteren Umfeld der Gruppierung Extinction Rebellion zuzuordnen.
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2,175
8. Wie viele Gefährderansprachen bezüglich Personen welcher Klimaprotestbewegung sind in den letzten drei Jahren nach Kenntnis der Bundesregierung erfolgt?
Die Durchführung von polizeilichen Maßnahmen gegen eingestufte Personen obliegt nach der grundgesetzlichen Kompetenzverteilung des Grundgesetzes zwischen Bund und Ländern den zuständigen Sicherheitsbehörden im jeweiligen Bundesland. Die Bundesregierung nimmt daher hierzu keine Stellung.
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2,176
9. Wie beurteilt das Bundesamt für Verfassungsschutz gegenüber der Bundesregierung die Berufung von Sprechern von Klimaprotestbewegungen auf eine Art Klima-Notstandsrecht (vgl. Vorbemerkung der Fragesteller) unter dem Aspekt der Nichtakzeptanz der demokratischen Willensbildung in den Parlamenten und bei Wahlen, bzw. sieht die Bundesregierung darin eine verfassungsschutzrechtliche Relevanz, und wenn ja, in welcher Form, und bei welchen konkreten Klimaprotestgruppierungen?
Ein spezielles „Klima Notstandsrecht“ ist gesetzlich nicht normiert; vielmehr unterliegen auch im Bereich der Klimaproteste alle Aktivitäten den allgemeinen gesetzlichen Regelungen (insbesondere denen des Strafgesetzbuches). Diese bieten auch den Maßstab für die Beurteilung durch die Bundesregierung bzw. das BfV. Ergänzend wird auf die Antwort der Bundesregierung zu den Fragen 2 und 6 der Kleinen Anfrage der Fraktion der AfD auf Bundestagsdrucksache 19/15300 verwiesen.
260362
2,177
10. Subsumiert die Bundesregierung Straftaten durch Klimaaktivisten in der Regel unter dem Phänomenbereich PMK-links (PMK = Politisch motivierte Kriminalität), und wenn nein, wie begründet sie dies, bzw. wie sieht dann eine Einordnung in der Erfassungspraxis der Polizei- und Sicherheitsbehörden aus (siehe dazu die Antwort der Bundesregierung auf die Schriftliche Frage 16 des Abgeordneten Martin Hess auf Bundestagsdrucksache 20/428, wonach sich entsprechend agierende Gruppierungen und Einzelpersonen bestehenden Phänomenbereichen zuordnen lassen)? 11. Welche Voraussetzungen müssten vorliegen, damit ein neuer Phänomenbereich für derartige Gruppierungen (im Sinne von Frage 10) geschaffen wird, weil es zwar Überschneidungen dieser Gruppierungen mit Linksextremisten geben kann, radikalisierte Klimaschützer nach Auffassung der Fragesteller aber nicht notwendigerweise einem linksextremistischen Milieu zuzurechnen sind?
Die Fragen 10 und 11 werden im Sachzusammenhang beantwortet. Die Einrichtung eines neuen Phänomenbereichs kommt grundsätzlich dann in Betracht, wenn eine Zuordnung von neu auftretenden extremistischen Bestrebungen von maßgeblichen Personenzusammenschlüssen oder Einzelpersonen zu herkömmlichen Klassifizierungen nicht adäquat möglich ist und ein neuer, eigener Sammelbegriff in diesem Zusammenhang als sinnvoll erscheint. Es wird auf die Antwort der Bundesregierung auf die Schriftliche Frage 16 des Abgeordneten Martin Hess auf Bundestagsdrucksache 20/428 verwiesen. Des Weiteren werden im Rahmen des Kriminalpolizeilichen Meldedienstes in Fällen Politisch motivierter Kriminalität (KPMD-PMK) politisch motivierte Straftaten durch die zuständigen Landeskriminalämter an das Bundeskriminalamt (BKA) übermittelt und in einer zentralen Fallzahlendatei „Lagebild Auswertung politisch motivierte Straftaten“ (LAPOS) erfasst. Ausgehend von den Motiven zur Tatbegehung und den Tatumständen werden politisch motivierte Taten durch die Länder sogenannten „Themenfeldern“ zugeordnet sowie die erkennbaren ideologischen Hintergründe und Ursachen der Tatbegehung in einem staatsschutzrelevanten „Phänomenbereich" abgebildet. Ist der Sachverhalt nicht unter den Phänomenbereichen PMK -links-, PMK -rechts-, PMK -ausländische Ideologie- oder PMK -religiöse Ideologie- subsumierbar, ist der Phänomenbereich PMK -nicht zuzuordnen- zu wählen. Für die Einrichtung eines neuen Phänomenbereichs müsste eine aus sich heraus bestimmbare neue Ideologie erkennbar sein, die unter keiner der bestehenden Phänomenbereiche abbildbar wäre. Im KPMD-PMK erfolgt eine mehrdimensionale Abbildung, die nicht auf Phänomenbereiche reduziert werden sollte. Besondere Bedeutung haben hier die Dimensionen „Themenfelder“, „Angriffsziele“ und „verletzte Rechtsnormen“. Eine detailtiefe und trennscharfe Abbildung der PMK ist somit gegeben. Aktueller Handlungsbedarf im Kontext „Ökologie/ Klima“ wird daher für den KPMD-PMK nicht gesehen.
260362
2,178
12. Sieht die Bundesregierung eine Notwendigkeit, wie in dem BKA-Bericht Politisch motivierte Kriminalität im Jahr 2020 – Bundesweite Fallzahlen „6. Straftaten im Kontext der „COVID-19-Pandemie“ (siehe S. 10, www. bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/veroeffentlichungen/2021/05/p mk-2020-bundesweite-fallzahlen.pdf), auch Klimaproteste zukünftig entsprechend gesondert auszuweisen, und wenn nein, warum nicht?
Es handelt sich bei den Straftaten im Kontext der „Covid-19-Pandemie“ um eine politisch aktuelle Thematik, zu der ein entsprechender Bedarf festgestellt wurde. Bislang ist kein entsprechender Bedarf bekannt, der eine vergleichbare Darstellung für die Thematik der Klimaproteste fordert.
260362
2,179
13. Stuft die Bundesregierung die Organisation Ende Gelände und die Gruppe Aufstand der letzten Generation (vgl. Vorbemerkung der Fragesteller) als extremistisch ein, und inwieweit begründet sie ihre Auffassung insbesondere unter Berücksichtigung etwaiger Überschneidungen von Personen aus linksextremistischen oder linksextremistisch beeinflussten Gruppierungen (bitte genauer, z. B. auch bezüglich der Anzahl an Personenüberschneidungen und Nennung aller linksextremistischen oder linksextremistisch beeinflussten Gruppierungen, ausführen)?
Das Bündnis „Ende Gelände“ ist eine von der linksextremistischen „Interventionistischen Linken“ (IL) beeinflusste Gruppierung. Das BfV sammelt im Rahmen seines gesetzlichen Auftrags gemäß § 3 Absatz 1 des Bundesverfassungsschutzgesetzes (BVerfSchG) Informationen und wertet diese aus. Nach einer sorgfältigen Prüfung des parlamentarischen Auskunftsanspruchs mit den Folgen einer Beantwortung für die künftige Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung des BfV kann eine weitergehende Beantwortung der Frage hier nicht erfolgen. Durch die öffentliche Einschätzung oder eine Stel- lungnahme zum Beobachtungsstatus einer Organisation könnte durch die Missachtung einer zugesagten und vorausgesetzten Vertraulichkeit die künftige Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben des Verfassungsschutzes einschließlich der Zusammenarbeit mit anderen Behörden erschwert oder verhindert werden. Zudem könnten Rückschlüsse auf den Aufklärungsbedarf, den Erkenntnisstand sowie die generelle Arbeitsweise des BfV gezogen werden. Dies würde die Funktionsfähigkeit des BfV nachhaltig beeinträchtigen. Aus der Abwägung der verfassungsrechtlich garantierten Informationsrechte des Deutschen Bundestages und seiner Abgeordneten mit den negativen Folgen für die künftige Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung der Verfassungsschutzbehörden sowie den daraus resultierenden Beeinträchtigungen der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland folgt, dass auch eine Beantwortung unter VS-Einstufung, die in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages einsehbar wäre, ausscheidet. Im Hinblick auf den Verfassungsgrundsatz der wehrhaften Demokratie und die Bedeutung der betroffenen Grundrechtspositionen hält die Bundesregierung die Informationen der angefragten Art für so sensibel, dass selbst ein geringfügiges Risiko des Bekanntwerdens unter keinen Umständen hingenommen werden kann. Hierbei würde wegen der großen Anzahl der Geheimnisträger die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass die mitgeteilten Informationen weitergegeben oder ausgespäht werden. Dieses Risiko kann wegen der Gefahren für das Staatswohl nicht in Kauf genommen werden. Es wird darauf hingewiesen, dass aus dieser Beantwortung keine Rückschlüsse auf eine Beobachtung der angefragten Organisation gezogen werden können. Die vorgenommene Abwägung gilt sowohl für den Fall einer ansonsten zu erteilenden positiven wie negativen Auskunft.
260362
2,180
14. Wie viele und welche Straftatbestände stehen nach Kenntnis der Bundesregierung in einem unmittelbaren, kausalen Zusammenhang mit Protesten von Ende Gelände seit 2015 und der Gruppe Aufstand der letzten Generation seit deren Gründung (bitte nach Jahren und jeweiliger Gruppierung aufschlüsseln)?
Durch Gruppierungen wie „Ende Gelände“ oder „Aufstand der letzten Generation“ begangene politisch motivierte Straftaten werden im Rahmen des KPMD- PMK allgemein registriert. Eine automatisierte statistische Auswertung ist in der zentralen Fallzahlendatei LAPOS nicht möglich, da Gruppen und Eigenschaften von Tatverdächtigen/Opfern dort nicht erfasst werden. Das bedeutet, dass entsprechende Fälle in den Fallzahlen PMK insgesamt enthalten sind, jedoch nicht automatisiert trennscharf dargestellt werden können.
260362
2,181
15. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung zum aktuellen Personenpotenzial und jeweiligen extremistischen Personenpotenzial der in der Vorbemerkung der Fragesteller genannten Gruppierungen sowie zu Extinction Rebellion in Deutschland?
Das BKA unterstützt als Zentralstelle die Polizeien des Bundes und der Länder bei der Verhütung und Verfolgung von Straftaten mit länderübergreifender, internationaler oder erheblicher Bedeutung (s. § 2 des BKA-Gesetzes [BKAG]). Entsprechend dieser gesetzlichen Aufgabenzuweisung beschränkt sich die Sammlung und Auswertung von Informationen im Bereich der Politisch motivierten Kriminalität auf polizeiliche Aspekte bei der Strafverfolgung und Gefahrenabwehr nach Maßgaben der Regelungen in § 2 BKAG. Die Sammlung und Auswertung von Mitgliederzahlen von Parteien, Vereinen, Gruppierungen oder Bewegungen sind hiervon grundsätzlich nicht umfasst. Zu Mitgliederzah- len im Sinne der Anfrage liegen dementsprechend keine polizeilichen Zahlen vor. Hinsichtlich der Gruppierung bzw. Schüler-Bewegung „Fridays for Future (FFF)“ liegen der Bundesregierung nach wie vor keine polizeilichen Erkenntnisse hinsichtlich des Engagements linker/linksextremistischer Gruppierungen im Sinne einer strukturierten Beteiligung, Einflussnahme oder Unterwanderung vor. Eine darüber hinausgehende Beobachtung obliegt zuständigkeitshalber den Verfassungsschutzbehörden. Es wird in diesem Zusammenhang auf die Antwort zu Frage 13 verwiesen.
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2,182
16. Welche aktuellen Kenntnisse hat die Bundesregierung hinsichtlich Zusammenarbeit und Kontakten der Fridays-For-Future-Bewegung mit den in der Vorbemerkung der Fragesteller genannten anderen Organisationen (bitte nach Veranstaltung, Datum, jeweiliger Organisation und Art der Zusammenarbeit aufschlüsseln)?
Bei FFF handelt es sich um einen demokratischen Zusammenschluss in der Klimabewegung. Erkenntnisse im Sinne der Fragestellung liegen der Bundesregierung nicht vor. Grundsätzlich gilt, dass Linksextremisten gesellschaftliche Debatten aufgreifen und versuchen, diese im Rahmen ihrer Ideologie zu beeinflussen, zu radikalisieren oder zu instrumentalisieren. Hierbei versuchen sie, sich mit nicht-extremistischen Gruppen zu vernetzen.
260362
2,183
17. Wie oft hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung FFF in Interviews, Pressemeldungen oder auf andere Weise mit Ende Gelände oder der Gruppe Aufstand der letzten Generation solidarisiert oder deren Ansichten geteilt (bitte konkret aufschlüsseln)?
Eine Verpflichtung der Bundesregierung zur Beantwortung parlamentarischer Fragen besteht grundsätzlich nur dann, wenn durch die begehrte Auskunft ein Informationsvorsprung der Bundesregierung gegenüber dem Parlament ausgeglichen werden soll, damit der Deutsche Bundestag und seine Abgeordneten in die Lage versetzt werden, über die zur Erfüllung ihrer Aufgaben notwendigen Sachinformationen zu verfügen. Keine Antwortpflicht der Bundesregierung besteht damit insbesondere dann, wenn sich die erbetenen Informationen unproblematisch aus öffentlich zugänglichen Quellen beschaffen lassen. Es ist nicht Bestandteil der parlamentarischen Kontrollfunktion des Deutschen Bundestages, frei verfügbare Informationen durch die Bundesregierung zusammentragen und anschaulich aufbereiten zu lassen.
260362
2,185
19. Hat die Bundesregierung ein Erkenntnisinteresse in Bezug auf die Fragen 15 bis 18, und wenn ja, welche Priorität misst sie diesem unter der Berücksichtigung bei, dass gerade auch junge Menschen den Einflüssen solcher Klimaprotestbewegungen ausgesetzt und/oder für deren Ziele besonders empfänglich sind (vgl. www.goettinger-tageblatt.de/Nachrichte n/Politik/Deutschland-Welt/Studie-Fridays-for-Future-Bewegung-ist-wei blich-und-jung)?
Das Erkenntnisinteresse der Bundesregierung hängt mit der Zuständigkeit des Bundes zusammen. Das BfV beobachtet im Rahmen seiner Zuständigkeiten Phänomene, Gruppierungen und Einzelpersonen, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte dafürsprechen, dass ihre Verhaltensweisen darauf gerichtet sind, wesentliche Verfassungsgrundsätze außer Geltung zu setzen oder die Funktionsfähigkeit des Staates oder seiner Einrichtungen erheblich zu beeinträchtigen. Im Rahmen seines gesetzlichen Auftrages bearbeitet und prüft das BfV sorgfältig auch Informationen über eventuelle extremistische Einflüsse auf Protestbewegungen im Rahmen des Klimaschutzes. Es wird zudem auf die Antworten zu den Fragen 15 bis 18 verwiesen.
260362
2,186
Vorbemerkung der Fragesteller Am 30. März 2022 veröffentlichte die neonazistische Partei „Der III. Weg“ eine Mitteilung über eine „Materialspende für die Front“. Nach eigenen Angaben soll nach einer kurzen „internen Spendensammlung“ ein Betrag gesammelt worden sein, mit dem „Aktivisten“, die „aus ihrer aktiven Zeit bei der Armee die notwendige Erfahrung und Fachkunde“ mitbringen, Material beschafften. Zusätzlich gab es „eine große Sachspende an Kleidung aus Armeebeständen“. Aufgeführt werden im Einzelnen ca. 200 Kampfwesten der britischen Armee, ca. 800 Bundeswehr-Kälteschutzanzüge (Jacke und Hose), vier Splitterschutzwesten, 24 Funkgeräte mit Ersatzakkus und passendem Zubehör, drei hochwertige Wärmebildkameras, diverses Verbandsmaterial und medizinische Ausrüstung sowie mehrere Säcke mit Hosen, Jacken und Parkas aus britischen Militärbeständen. Aus der Meldung geht weiter hervor, dass Mitglieder der Partei den Transport in die Ukraine selbst organisiert haben wollen. Die Lieferung soll demnach am 22. März 2022 in Kiew eingetroffen sein (https://der-dritte-weg.info/2022/03/nationalisten-helfen-nationalisten-material spende-fuer-die-front-abgeliefert/). 1. Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse darüber vor, ob sich Mitglieder der neonazistischen Partei „Der III. Weg“ im März 2022 in der Ukraine aufgehalten haben? a) Welche Erkenntnisse besitzt die Bundesregierung über Ziel und Zweck der Reise?
Die Fragen 1 und 1a werden aufgrund Sachzusammenhanges gemeinsam beantwortet. Der Bundesregierung liegen Erkenntnisse darüber vor, dass die Partei „Der III. Weg“ im März 2022 eine Materialspende an in der Ukraine „kämpfende Nationalisten“ geliefert hat, welche nach Parteiangaben an der Front in Kiew abgegeben worden sei. Mit der Materialspende will die Partei ihre Solidarität für den Verteidigungskampf der Ukraine, insbesondere für in der Ukraine „kämpfende Nationali- sten“, propagieren und diesen Kampf weiter fördern. Bereits vor Kriegsausbruch in der Ukraine hatte sich „Der III. Weg“ pro-ukrainisch geäußert und Kontakte zu nationalistischen ukrainischen Organisationen gepflegt. Eine darüberhinausgehende Antwort muss trotz der grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Pflicht, Informationsansprüche des Deutschen Bundestages zu erfüllen, aus Gründen des Staatswohls unterbleiben. Eine Beauskunftung auch in eingestufter Form – ermöglicht Rückschlüsse auf den Aufklärungsbedarf, den Erkenntnisstand sowie die generelle Arbeitsweise des Bundesamtes für Verfassungsschutzes (BfV). In der Folge könnten entsprechende Abwehrstrategien entwickelt und dadurch die Erkenntnisgewinnung des BfV erschwert oder in Einzelfällen dem BfV unmöglich gemacht werden. Dies kann die Funktionsfähigkeit des BfV nachhaltig beeinträchtigen und damit einen Nachteil für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland bedeuten. Aus der sorgfältigen Abwägung der verfassungsrechtlich garantierten Informationsrechte des Deutschen Bundestages und seiner Abgeordneten mit den negativen Folgen für die künftige Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung des BfV sowie den daraus resultierenden Beeinträchtigungen der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland folgt, dass auch eine Auskunft nach Maßgabe der Geheimschutzordnung und damit einhergehende Einsichtnahme über die Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages ausscheidet. Hierbei würde wegen der großen Anzahl der Geheimnisträger die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass die mitgeteilten Informationen weitergegeben oder ausgespäht werden. Dieses Risiko kann wegen der Gefahren für das Staatswohl nicht in Kauf genommen werden.
260363
2,187
b) Wie viele Personen waren an der Durchführung der Reise beteiligt? c) Waren unter den reisenden Personen auch solche, die der Bundesregierung als Rechtsextremisten bekannt sind? d) Lagen der Bundesregierung im Vorfeld Informationen über eine ge- plante Reise von Mitgliedern der Partei „Der III. Weg“ in die Ukraine vor?
Die Fragen 1b bis 1d werden aufgrund des Sachzusammenhanges gemeinsam beantwortet. Eine Antwort muss trotz der grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Pflicht, Informationsansprüche des Deutschen Bundestages zu erfüllen, aus Gründen des Staatswohls unterbleiben. Eine Beantwortung der Fragen muss trotz der grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Pflicht, Informationsansprüche des Deutschen Bundestages zu erfüllen, aus Gründen des Staatswohls unterbleiben. Eine Beauskunftung – auch in eingestufter Form – ermöglicht Rückschlüsse auf den Aufklärungsbedarf, den Erkenntnisstand sowie die generelle Arbeitsweise des BfV. In der Folge könnten entsprechende Abwehrstrategien entwickelt und dadurch die Erkenntnisgewinnung des BfV erschwert oder in Einzelfällen dem BfV unmöglich gemacht werden. Dies kann die Funktionsfähigkeit des BfV nachhaltig beeinträchtigen und damit einen Nachteil für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland bedeuten. Aus der sorgfältigen Abwägung der verfassungsrechtlich garantierten Informationsrechte des Deutschen Bundestages und seiner Abgeordneten mit den negativen Folgen für die künftige Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung des BfV sowie den daraus resultierenden Beeinträchtigungen der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland folgt, dass auch eine Auskunft nach Maßgabe der Geheimschutzordnung und damit einhergehende Einsichtnahme über die Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages ausscheidet. Hierbei würde wegen der großen Anzahl der Geheimnisträger die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass die mitgeteilten Informationen weitergegeben oder ausgespäht werden. Dieses Risiko kann wegen der Gefahren für das Staatswohl nicht in Kauf genommen werden.
260363
2,188
e) Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse über die Kontaktpersonen oder Organisationen, Parteien und Gruppierungen vor, die der „III. Weg“ mit der Materiallieferung unterstützt hat?
Dem BfV ist bekannt, dass die Partei „Der III. Weg“ bereits langjährig Kontakte zur ukrainischen nationalistischen Partei „National Korps“ und deren militantem Arm, dem „Asow-Regiment“, pflegt. Darüber hinaus berichtet die Partei seit Kriegsbeginn über die Tätigkeiten des „Asow-Regiments“ in der Ukraine. Die Partei gab zudem am 10. April 2022 bekannt, dass eine zweite Materialspende bereits am 1. April 2022 die ukrainische Front in Kiew erreicht habe. Hierbei wird auch explizit das „Asow-Regiment“ als Begünstigter der Materialspende genannt.
260363
2,189
f) Befanden sich unter den Reisenden Personen, die als Gefährder oder relevante Personen eingestuft sind?
Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse im Sinne der Fragestellung vor.
260363
2,190
2. Liegen der Bundesregierung darüber Erkenntnisse vor, ob Mitglieder der Partei „Der III. Weg“ seit dem 24. Februar 2022 in die Ukraine ausgereist sind oder sich dahin gehend geäußert haben, ausreisen zu wollen?
Auf die Antwort zu Frage 1e wird verwiesen. Eine darüberhinausgehende Antwort muss trotz der grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Pflicht, Informationsansprüche des Deutschen Bundestages zu erfüllen, aus Gründen des Staatswohls unterbleiben. Eine Beauskunftung auch in eingestufter Form – ermöglicht Rückschlüsse auf den Aufklärungsbedarf, den Erkenntnisstand sowie die generelle Arbeitsweise des BfV. In der Folge könnten entsprechende Abwehrstrategien entwickelt und dadurch die Erkenntnisgewinnung des BfV erschwert oder in Einzelfällen dem BfV unmöglich gemacht werden. Dies kann die Funktionsfähigkeit des BfV nachhaltig beeinträchtigen und damit einen Nachteil für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland bedeuten. Aus der sorgfältigen Abwägung der verfassungsrechtlich garantierten Informationsrechte des Deutschen Bundestages und seiner Abgeordneten mit den negativen Folgen für die künftige Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung des BfV sowie den daraus resultierenden Beeinträchtigungen der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland folgt, dass auch eine Auskunft nach Maßgabe der Geheimschutzordnung und damit einhergehende Einsichtnahme über die Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages ausscheidet. Hierbei würde wegen der großen Anzahl der Geheimnisträger die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass die mitgeteilten Informationen weitergegeben oder ausgespäht werden. Dieses Risiko kann wegen der Gefahren für das Staatswohl nicht in Kauf genommen werden.
260363
2,191
3. Wie viele Ausreisen von mutmaßlichen Mitgliedern der Partei „Der III. Weg“ wurden durch die Sicherheitsbehörden des Bundes seit dem 24. Februar 2022 verhindert?
Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse im Sinne der Fragestellung vor.
260363
2,192
4. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über die Herkunft der auf der Webseite des „III. Weges“ aufgeführten Materialspenden vor?
Eine Beantwortung der Frage muss trotz der grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Pflicht, Informationsansprüche des Deutschen Bundestages zu erfüllen, aus Gründen des Staatswohls unterbleiben. Eine Beauskunftung – auch in eingestufter Form – ermöglicht Rückschlüsse auf den Aufklärungsbedarf, den Erkenntnisstand sowie die generelle Arbeitsweise des BfV. In der Folge könnten entsprechende Abwehrstrategien entwickelt und dadurch die Erkenntnisgewinnung des BfV erschwert oder in Einzelfällen dem BfV unmöglich gemacht werden. Dies kann die Funktionsfähigkeit des BfV nachhaltig beeinträchtigen und damit einen Nachteil für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland bedeuten. Aus der sorgfältigen Abwägung der verfassungsrechtlich garantierten Informationsrechte des Deutschen Bundestages und seiner Abgeordneten mit den negativen Folgen für die künftige Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung des BfV sowie den daraus resultierenden Beeinträchtigungen der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland folgt, dass auch eine Auskunft nach Maßgabe der Geheimschutzordnung und damit einhergehende Einsichtnahme über die Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages ausscheidet. Hierbei würde wegen der großen Anzahl der Geheimnisträger die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass die mitgeteilten Informationen weitergegeben oder ausgespäht werden. Dieses Risiko kann wegen der Gefahren für das Staatswohl nicht in Kauf genommen werden.
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2,193
5. Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse darüber vor, ob Mitglieder des „III. Weges“ in der Vergangenheit Angehörige der Bundeswehr waren?
Der Bundesregierung liegen Erkenntnisse zu einem früheren Soldaten vor, der in Form einer Fördermitgliedschaft Bezüge zur Partei „Der III. Weg“ hatte. Der Soldat hat die Bundeswehr im Jahr 2020 verlassen.
260363
2,194
a) Wie viele Rechtsextremismus-Verdachtsfälle gab es seit 2017 in der Bundeswehr, die einen Bezug zur Partei „Der III. Weg“ aufgewiesen haben (bitte nach Laufbahngruppen aufschlüsseln)? b) In wie vielen Fällen sind seit 2017 Ermittlungsverfahren gegen Angehörige der Bundeswehr bekannt, die einen Bezug zur Partei „Der III. Weg“ aufweisen (bitte nach Laufbahngruppen aufschlüsseln)?
Die Fragen 5a und 5b werden aufgrund des Sachzusammenhanges gemeinsam beantwortet. Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse im Sinne der Fragestellung vor.
260363
2,195
Vorbemerkung der Fragesteller In den vergangenen Wochen wurden mehrere Fälle von (versuchten) Abschiebungen politisch aktiver Kurden in die Türkei bekannt. Darunter war der 31-jährige Heybet Sener, der im Juli 2018 in Deutschland einen Asylantrag gestellt hatte. Wegen angeblicher Mitgliedschaft in einer Terrororganisation war er in der Türkei zu mehr als acht Jahren Haft verurteilt worden. Durch weitere noch laufende Verfahren wegen angeblicher Beleidigung des Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan und angeblicher Terrorpropaganda drohen ihm in der Türkei viele weitere Jahre Haft. Dennoch hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) den Asylantrag von Heybet Sener abgelehnt, in der Folge wurde er ausreisepflichtig. Seine für Anfang Februar 2021 angesetzte Abschiebung konnte erst in letzter Minute verhindert werden (https://www.sue ddeutsche.de/muenchen/erding/drama-am-muenchner-flughafen-abschiebung-in-letzter-minute-gestoppt-1.5522177). Auch das HDP-Mitglied Abdulkadir Oguz ist akut von Abschiebung in die Türkei bedroht. Abdulkadir Oguz wurde wie Heybet Sener in der Türkei wegen angeblicher Mitgliedschaft in einer Terrororganisation zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt. Er saß bereits zwischen 2012 und 2014 aus politischen Gründen in Haft; als ihm Anfang 2019 eine erneute Festnahme drohte, floh er nach Deutschland. Berichten zufolge lehnte das BAMF seinen Asylantrag mit der Begründung ab, dass er nicht Opfer politischer Verfolgung, sondern ein „normaler Krimineller“ sei, weil er vor einem Regionalgericht verurteilt wurde und nicht vor einem Anti-Terror-Gericht. Das BAMF gehe außerdem davon aus, dass das Verfahren gegen ihn rechtstaatlichen Prinzipien entsprochen habe. Folter drohe Abdulkadir Oguz der Einschätzung des BAMF zufolge ebenfalls nicht, denn „nur“ in Polizeistationen werde gefoltert, nicht aber im Gefängnis, in das er nach seiner Abschiebung verbracht würde (https://anfdeutsch.com/weltweit/verbrecherisc he-entscheidung-der-abschiebeskandal-abdulkadir-oguz-30875). Weitere Fälle drohender oder bereits durchgesetzter Abschiebungen werden in einem aktuellen offenen Brief des kurdischen Dachverbands KON-MED e. V. an die Bundesministerin des Innern und für Heimat Nancy Faeser beschrieben. Darin wird u. a. gefordert, alle Abschiebungen in die Türkei aufgrund der dortigen politischen Lage auszusetzen (https://kon-med.com/offener-brief-an-die-innenministerin-nancy-faeser-aufforderung-abschiebungen-in-die-tuerkei-aus zusetzen). Die Fragestellerinnen und Fragesteller halten Abschiebungen in die Türkei in Anbetracht der dortigen politischen Verhältnisse für nicht zu verantworten. Nach ihrer Kenntnis geht die türkische Regierung rücksichtslos gegen Oppositionelle vor, insbesondere gegen Kurdinnen und Kurden. Tausende oppositionelle Aktivistinnen und Aktivisten, Politikerinnen und Politiker, Journalisten, Anwältinnen und Intellektuelle sitzen wegen vorgeschobener Vorwürfe in türkischen Gefängnissen ein. In einer Anhörung des Menschenrechtsausschusses des Deutschen Bundestages im Juni 2021 zeigten sich die geladenen Expertinnen und Experten übereinstimmend alarmiert über die zunehmende Unterdrückung von Opposition und Zivilgesellschaft in der Türkei. Sie sprachen u. a. von einem „dramatischen Rückbau des Rechtsstaats“, einer Instrumentalisierung der Justiz durch die Regierung, Rückschlägen im Kampf um Frauenrechte und von schweren Menschenrechtsverletzungen in Haft. Auch das Antifolterkomitee des Europarats hat wiederholt Fälle von Folter und Misshandlungen in türkischen Gefängnissen und Polizeistationen dokumentiert und scharf kritisiert (https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2021/kw25-pa-men schenrechte-tuerkei-847612, https://www.coe.int/de/web/portal/-/anti-torture-committee-publishes-two-reports-on-turkey). 1. Wie viele Asylanträge von Asylsuchenden aus der Türkei wurden 2021 bzw. 2022 registriert (bitte zwischen türkisch- und kurdischstämmigen Asylsuchenden, über und unter 18-Jährigen und Geschlecht differenzieren und nach Monaten auflisten)?
Die Angaben können den nachfolgenden Tabellen entnommen werden. Daten zur Volkszugehörigkeit beruhen auf freiwilligen Angaben der Antragsteller während des Asylverfahrens. Asylanträge von Asylsuchenden aus der Türkei im Jahr 2021 nach Volkzugehörigkeit und Alter Türkei (Zeiträume) Asylanträge gesamt Gesamt davon mit kurdischer Volkszugehörigkeit davon mit türkischer Volkszugehörigkeit / sonstige <18 Jahre 18+ Jahre <18 Jahre 18+ Jahre <18 Jahre 18+ Jahre Gesamt 2021* 7.873 2.124 5.749 790 3.732 1.334 2.017 Januar 441 97 344 36 268 61 76 Februar 388 98 290 41 232 57 58 März 386 91 295 46 231 45 64 April 246 71 175 31 140 40 35 Mai 277 75 202 18 144 57 58 Juni 470 102 368 20 217 82 151 Juli 623 156 467 30 224 126 243 August 939 311 628 61 261 250 367 September 1.028 282 746 80 389 202 357 Oktober 738 201 537 108 351 93 186 November 841 182 659 87 472 95 187 Dezember 803 177 626 87 490 90 136 Asylanträge von Asylsuchenden aus der Türkei im Jahr 2021 nach Volkzugehörigkeit und Geschlecht Türkei (Zeiträume) Asylanträge gesamt Gesamt davon mit kurdischer Volkszugehörigkeit davon mit türkischer Volkszugehörigkeit / sonstige Männlich Weiblich Männlich Weiblich Männlich Weiblich Gesamt 2021* 7.873 5.724 2.149 3.697 825 2.027 1.324 Januar 441 347 94 267 37 80 57 Februar 388 297 91 233 40 64 51 März 386 302 84 233 44 69 40 April 246 192 54 139 32 53 22 Mai 277 210 67 142 20 68 47 Juni 470 346 124 208 29 138 95 Juli 623 449 174 207 47 242 127 August 939 609 330 266 56 343 274 September 1.028 720 308 382 87 338 221 Oktober 738 513 225 343 116 170 109 November 841 632 209 449 110 183 99 Dezember 803 632 171 483 94 149 77 Asylanträge von Asylsuchenden aus der Türkei im Jahr 2022 nach Volkzugehörigkeit und Alter Türkei (Zeiträume) Asylanträge gesamt Gesamt davon mit kurdischer Volkszugehörigkeit davon mit türkischer Volkszugehörigkeit / sonstige <18 Jahre 18+ Jahre <18 Jahre 18+ Jahre <18 Jahre 18+ Jahre Gesamt 2022* 1.925 344 1.581 199 1.319 145 262 Januar 908 180 728 112 595 68 133 Februar 930 136 794 70 671 66 123 Asylanträge von Asylsuchenden aus der Türkei im Jahr 2022 nach Volkzugehörigkeit und Geschlecht Türkei (Zeiträume) Asylanträge gesamt Gesamt davon mit kurdischer Volkszugehörigkeit davon mit türkischer Volkszugehörigkeit / sonstige Männlich Weiblich Männlich Weiblich Männlich Weiblich Gesamt 2022* 1.925 1.567 358 1.292 226 275 132 Januar 908 724 184 581 126 143 58 Februar 930 778 152 655 86 123 66
260364
2,196
2. Wie hat das BAMF 2021 bzw. 2022 über die Asylanträge von türkisch- und kurdischstämmigen Asylsuchenden (bitte differenzieren) entschieden (bitte nach Asylberechtigung, Flüchtlingseigenschaft, subsidiärem Schutz, Abschiebeverbot, Ablehnung, Ablehnung als offensichtlich unbegründet, Ablehnung als unzulässig aufschlüsseln)?
Die Angaben können den nachfolgenden Tabellen entnommen werden:
260364
2,197
3. Wie hoch waren 2021 bzw. 2022 die Gesamtschutzquote und die Gesamtschutzquote ohne Berücksichtigung der formellen Ablehnungen bei Asylantragstellerinnen und Asylantragstellern aus der Türkei insgesamt sowie differenziert nach türkisch- und kurdischstämmigen Antragstellerinnen und Antragstellern (bitte auch nach Quartalen aufschlüsseln)?
Die Angaben können der nachfolgenden Tabelle entnommen werden: Türkei Türkei gesamt davon mit kurdischer Volkszugehörigkeit davon mit türkischer Volkszugehörigkeit / sonstige Gesamtschutzquote Gesamtschutzquote ohne Berücksichtigung der formellen Ablehnungen Gesamtschutzquote Gesamtschutzquote ohne Berücksichtigung der formellen Ablehnungen Gesamtschutzquote Gesamtschutzquote ohne Berücksichtigung der formellen Ablehnungen Gesamt 2021 37,2 % 43,3 % 10,7 % 13,4 % 73,6 % 77,8 % Q1 31,3 % 36,8 % 7,6 % 9,5 % 67,2 % 72,1 % Q2 31,1 % 38,1 % 10,3 % 13,6 % 67,3 % 73,4 % Q3 39,9 % 46,8 % 12,3 % 15,9 % 76,4 % 80,4 % Q4 44,4 % 50,7 % 12,7 % 15,8 % 79,6 % 83,0 % Januar Februar 2022 35,5 % 41,2 % 10,9 % 13,3 % 73,7 % 79,2 %
260364
2,198
4. Wie viele Klagen von Asylsuchenden aus der Türkei gegen Bescheide des BAMF gab es 2021 bzw. 2022 (bitte zwischen kurdisch- und türkischstämmigen Asylsuchenden differenzieren und in absoluten und relativen Zahlen angeben)?
Die Angaben können der folgenden Tabelle entnommen werden: Türkei Gesamt davon mit kurdischer Volkszugehörigkeit davon mit kurdischer Volkszugehörigkeit in Prozent davon mit türkischer Volkszugehörigkeit / sonstige davon mit türkischer Volkszugehörigkeit / sonstige in Prozent 2021 3.780 3.130 82,8 % 650 17,2 % Januar 2022 342 283 82,7 % 59 17,3 %
260364
2,199
5. Wie haben die Gerichte 2020, 2021 und im bisherigen Jahr 2022 über diese Klagen entschieden (bitte nach Jahren aufschlüsseln und so wie zu Frage 2 differenzieren), und wie viele Klagen von Asylsuchenden aus der Türkei sind derzeit bei den Gerichten anhängig (bitte jeweils zwischen kurdisch- und türkischstämmigen Asylsuchenden differenzieren)?
Die Angaben können den nachfolgenden Tabellen entnommen werden:
260364
2,200
6. Wie lange war die durchschnittliche Bearbeitungsdauer bis zu einer Entscheidung des BAMF, und wie lange war die durchschnittliche Bearbeitungsdauer bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung, d. h. inklusive eines Gerichtsverfahrens, bei Asylverfahren von Asylsuchenden aus der Türkei 2021 (bitte nach kurdisch- und türkischstämmigen Asylsuchenden differenzieren)?
Die Angaben können den folgenden Tabellen entnommen werden: Türkei Bearbeitungsdauer bis zu einer behördlichen Entscheidung in Monaten 2021 7,2 Türkei Bearbeitungsdauer bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in Monaten 2021 (1. Halbjahr) 23,9
260364
2,201
7. Wie viele Abschiebungen in die Türkei gab es 2021 und im bisherigen Jahr 2022 (bitte nach Jahren sowie zwischen Linien- und Charterflügen differenzieren)? Wie viele Frauen waren von diesen Abschiebungen betroffen?
Die Anzahl der im Jahr 2021 und von Januar bis Februar 2022 in die Türkei abgeschobenen Personen sind in der nachfolgenden Übersicht enthalten: 2021 2022 (Jan. – Feb.) Gesamt davon Frauen* Gesamt davon Frauen* Gesamt 361 21 68 3 davon Linienflüge 351 21 68 3 davon Charterflüge 10 - - -
260364
2,202
a) Wie verteilen sich die Abschiebungen in die Türkei 2021 und im bisherigen Jahr 2022 auf die Bundesländer?
Die veranlassenden Länder der Abschiebungen (Anzahl Personen) in die Türkei können der nachfolgenden Übersicht entnommen werden: 2021 2022 (Jan. – Feb.) Baden-Württemberg 53 8 Bayern 63 11 Berlin 13 1 Brandenburg 2 - Bremen 4 1 Hamburg 29 1 Hessen 38 9 Mecklenburg-Vorpommern 2 1 Niedersachsen 8 2 Nordrhein-Westfalen 87 16 Rheinland-Pfalz 18 5 Saarland 2 1 Sachsen 6 2 Sachsen-Anhalt 12 1 Schleswig-Holstein 14 4 Thüringen 1 4 Bundespolizei 9 1
260364
2,203
b) Wie viele der Personen, die seit 2017 in die Türkei abgeschoben wurden, hatten nach Kenntnis der Bundesregierung zuvor in Deutschland einen Asylantrag gestellt (bitte nach Jahren aufschlüsseln)? Falls keine genauen Zahlen vorliegen, welche zumindest ungefähren Einschätzungen gibt es hierzu bei der Bundesregierung?
Der Bundesregierung liegen keine statistischen Daten im Sinne der Fragestellung vor. Für aufenthaltsrechtliche Maßnahmen nach dem Aufenthaltsgesetz sind die Länder zuständig. Die Bundesregierung kann hierzu deshalb auch keine Schätzung abgeben.
260364
2,204
c) Zu welchem Anteil waren von den Abschiebungen in die Türkei seit 2017 nach Kenntnis der Bundesregierung je türkisch- und kurdischstämmige Personen betroffen (bitte nach Jahren aufschlüsseln)? Falls keine genauen Zahlen vorliegen, welche zumindest ungefähren Einschätzungen gibt es hierzu bei der Bundesregierung?
Abschiebungen werden in den relevanten Statistiken des Bundes nicht nach Volkszugehörigkeit erfasst. Deshalb kann die Bunderegierung diese Frage nicht beantworten. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 7b verwiesen.
260364
2,205
d) Wie viele der 2021 und im bisherigen Jahr 2022 in die Türkei Abgeschobenen waren nach Kenntnis der Bundesregierung als „Gefährder“ eingestuft?
Nach Kenntnis der Bundesregierung wurden im Jahr 2021 insgesamt vier als Gefährder eingestufte Personen in die Türkei abgeschoben. Im bisherigen Jahr 2022 wurden keine Gefährder in die Türkei abgeschoben.
260364
2,206
e) Wie lange hielten sich Personen, die nach Angaben des Ausländerzentralregisters (AZR) in den Jahren 2020, 2021 bzw. 2022 in die Türkei „ausgereist“ sind (d. h. abgeschoben wurden oder ausgereist sind – soweit möglich, bitte differenzieren) und deren Asylantrag zuvor abgelehnt wurde, zuvor in Deutschland auf?
Erkenntnisse im Sinne der Fragestellung können aus dem Ausländerzentralregister (AZR) nicht ermittelt werden. Der Zielstaat einer Ausreise wird im AZR als Ausnahme nur erfasst, wenn es sich um eine geförderte freiwillige Ausreise handelt (vgl. Tabelle 6a der Anlage zur Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über das AZR – AZRG-DV).
260364
2,207
8. Mit welchen Fluggesellschaften wurden die Abschiebungen in die Türkei in den Jahren 2017 bis 2021 vollzogen (bitte nach Jahren aufschlüsseln)?
Hinsichtlich der Beantwortung nach den Fluggesellschaften verweist die Bundesregierung darauf, dass das verfassungsrechtlich verbürgte Frage- und Informationsrecht des Parlaments zwar auf Beantwortung gestellter Fragen in der Öffentlichkeit hin angelegt ist. Wenn das Informationsinteresse des Parlaments aber auf Auskünfte zielt, die zur Wahrung berechtigter Geheimhaltungsinteressen nicht öffentlich kundgegeben werden können, sind nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Formen der Informationsvermittlung zu suchen, die beiden Interessen Rechnung tragen (vgl. BVerfGE 124, 161 [193]). Im vorliegenden Fall ist die Einstufung der Benennung der Fluggesellschaften als Verschlusssache sowohl zur Wahrung von Staatswohlinteressen, als auch zur Wahrung berechtigter, grundrechtlich geschützter Interessen der betroffenen Fluggesellschaften notwendig. Eine Veröffentlichung der Fluggesellschaften berührt auch durch Artikel 12 des Grundgesetzes geschützte Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse dieser Fluggesellschaften und kann sich gegebenenfalls negativ auf die Wahrnehmung dieser Fluggesellschaften in der Öffentlichkeit auswirken. Eine öffentliche Benennung der Fluggesellschaften, die Rückführungsflüge anbieten, birgt die Gefahr, dass diese Unternehmen unberechtigter öffentlicher Kritik ausgesetzt werden und in der Folge für die Beförderung von ausreisepflichtigen Personen in die Heimatländer nicht mehr zur Verfügung stehen. Damit werden Rückführungen weiter erschwert oder sogar unmöglich gemacht, so dass staatliche Interessen an der Ausführung des Aufenthaltsgesetzes negativ beeinträchtigt werden. Um gleichwohl dem parlamentarischen Informationsanspruch nachzukommen, ist die Antwort mit dem Geheimhaltungsgrad „VS – Nur für den Dienstgebrauch“* gemäß § 3 Nummer 4 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift des Bundesministeriums des Innern und für Heimat (BMI) zum materiellen Geheimschutz eingestuft worden und wird gesondert als Anlage übermittelt, die nicht zur Veröffentlichung bestimmt ist.
260364
2,208
9. Gab es in den letzten Monaten nach Kenntnis der Bundesregierung verstärkte Bemühungen der Bundesländer, ausreisepflichtige Personen in die Türkei abzuschieben, und von welchen diesbezüglichen Treffen, Absprachen oder Initiativen hat sie gegebenenfalls Kenntnis?
Ein Austausch mit den Ländern zu Aspekten, die die Rückführung von ausreisepflichtigen türkischen Staatsangehörigen betreffen, findet in der Regel in den hierfür etablierten allgemeinen Kooperationsplattformen und Gremien statt. Weder aus diesen heraus noch in sonstiger Weise liegen der Bundesregierung Erkenntnisse im Sinne der Fragestellung vor.
260364
2,209
10. Wie viele Abschiebungen in die Türkei sind seit 2017 nach Übergabe an die Bundespolizei gescheitert, und was waren die wichtigsten Gründe dafür (bitte nach Jahren differenzieren)?
Die Anzahl der Abschiebungen, welche in die Türkei erfolgen sollten und nach Übernahme durch die Bundespolizei abgebrochen wurden, sind in der nachfolgenden Übersicht enthalten. Die Erhebung des Ziellandes im Zusammenhang mit abgebrochenen Rückführungen erfolgt seit dem Jahr 2018: 2018 2019 2020 2021 2022 Gesamt 36 47 37 53 25 Gründe, die zum Abbruch der Maßnahme führten Rechtsmittel 12 10 15 9 1 passiver Widerstand 9 15 7 11 6 Übernahmeverweigerung BPOL 2 5 2 14 - Beförderungsverweigerung LVG/Luftfahrzeugführer 9 9 4 4 8 den Flug betreffende Gründe - - 6 6 3 sonstige Gründe - 4 - 2 3 aktiver Widerstand 3 3 1 2 2 aus medizinischen Gründen - 1 2 2 fehlendes/ungültiges Heimreisedokument - 1 1 - Übernahmeverweigerung im Zielstaat - - - 1 - Selbstverletzung bzw. Versuch, Suizid bzw. Suizidversuch - - - 1 - Flucht, Fluchtversuch - 1 - - - fehlende Durchbeförderungsbewilligung 1 - - - -
260364
2,210
11. Wie schätzt die Bundesregierung aktuell die Menschenrechtslage und die Rechtsstaatlichkeit in der Türkei ein, und wie hat sich diese Lage nach ihrer Kenntnis und Einschätzung in den letzten Jahren verändert, insbesondere auch mit Blick auf kurdische Oppositionelle (bitte begründen)? Gab es beim BAMF seit 2018 Neubewertungen der Lage in der Türkei, und worauf stützten sich diese gegebenenfalls jeweils (bitte mit Datum und Änderung und den maßgeblichen Quellen hierzu auflisten)?
Die Bundesregierung sieht die Lage von Menschenrechten und die Rechtsstaatlichkeit in der Türkei, insbesondere mit Blick auf Oppositionelle und regierungskritische Stimmen, weiterhin mit großer Sorge. Schwerwiegende strukturelle Defizite wie die mangelnde Unabhängigkeit der Justiz und die weite Anwendung von Anti-Terror-Gesetzgebung bestehen ebenso fort wie Einschränkungen der Meinungsfreiheit und anderer Grundrechte. Die Bundesregierung teilt die diesbezüglich von der Europäischen Kommission in ihren Fortschrittsberichten zur Türkei dargelegten Bedenken. Die im 14. Bericht der Bundesregierung über ihre Menschenrechtspolitik (www.auswaertiges-amt.de/blob/2422192/f01891c5efa5d6d89df7a5693eab5c9 a/mrb-14-data.pdf) vom Dezember 2020 getroffenen Aussagen gelten fort. Insbesondere der Druck auf die linkskurdische Opposition hat seit 2021 weiter zugenommen, etwa durch den dem türkischen Verfassungsgericht vorliegenden Verbotsantrag gegen die Demokratische Partei der Völker (HDP). Das BAMF wertet zur Erstellung einer für das Asylverfahren umfassenden Erkenntnislage eine Vielzahl an Quellen aus. Dazu gehören aktuelle Lageberichte des Auswärtigen Amts (AA), Erkenntnisse des UNHCR, anderer UN-Behörden, Berichte des Europäischen Asylunterstützungsbüros (EUAA) und weiterer ausländischer Stellen (etwa von Migrationsbehörden anderer Staaten), Informationen von Nichtregierungsorganisationen und die laufende Auswertung der nationalen und internationalen Presseberichterstattung. Die Leitsätze zum Herkunftsland Türkei werden hierbei regelmäßig und anlassbezogen aktualisiert.
260364
2,211
12. Was ist der Bundesregierung über die Situation in türkischen Haftanstalten bekannt, also etwa zur medizinischen Versorgung, Überbelegung, Isolationshaft, zu Beschränkungen des Briefverkehrs oder sonstigen Einschränkungen der Rechte von Gefangenen sowie zu Fällen von Misshandlungen und Folter (bitte ausführen und Quellen benennen)?
Nach Erkenntnissen der Bundesregierung können die Mindeststandards der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) grundsätzlich in den Haftanstalten eingehalten werden. In einzelnen Fällen kann es in wenigen Haftanstalten zu Einschränkungen in der gesundheitlichen Versorgung sowie der Infrastruktur der Haftanstalt kommen. Teilweise ist die Ausstattung der Gefängnisse und die medizinische Versorgung nicht auf die Anzahl der Insassen ausgelegt. Soweit in den letzten Jahren Vorwürfe wegen Menschenrechtsverletzungen in den Gefängnissen, darunter willkürliche Einschränkungen der Rechte der Häftlinge, Verweigerung des Zugangs zu medizinischer Versorgung, die Anwendung von Folter und Misshandlung, die Verhinderung offener Besuche und Isolationshaft erhoben wurden, wertet das BAMF die diesbezüglichen Erkenntnismittel aus und berücksichtigt diese im Rahmen der Asylentscheidungen. Im Übrigen wird auf die Antwort zu den Fragen 14 und 14a verwiesen.
260364
2,212
13. Was ist der Bundesregierung über ungeklärte Todesfälle von Kurdinnen und Kurden in türkischen Gefängnissen bekannt (https://twitter.com/civa n_akbu/status/1494654837748871169), und welche Konsequenzen zieht sie gegebenenfalls aus entsprechenden Berichten?
Belastbare Erkenntnisse im Sinne der Fragestellung liegen der Bundesregierung nicht vor.
260364
2,213
14. Vertreten die Bundesregierung und das BAMF die Auffassung, dass es in der Türkei keine verbreitete Folter gebe und dass Folter lediglich auf Polizeiwachen, nicht aber in Gefängnissen vorkomme, wie es in einem den Fragestellerinnen und Fragestellern vorliegenden aktuellen Asylbescheid heißt (bitte begründen)? a) Worauf stützt sich diese Einschätzung gegebenenfalls, und wie ist sie damit zu vereinbaren, dass lokale Menschenrechtsorganisationen in der Türkei fast täglich über Fälle von Folter – sowohl in Gefängnissen als auch in Polizeistationen oder außerhalb von Haftorten direkt bei Festnahmen – berichten und Amke Dietert, Türkei-Expertin von Amnesty International Deutschland, in einer Anhörung des Menschenrechtsausschusses des Deutschen Bundestages im Juni 2021 die Einschätzung vertrat, dass Folter in der Türkei in den letzten Jahren „sowohl quantitativ also auch in der Brutalität deutlich zugenommen“ habe (https://www.bundestag.de/resource/blob/865484/904206 57e5812a8078129939b75123c4/protokoll-data.pdf)?
Die Fragen 14 und 14a werden gemeinsam beantwortet. Hinweise zu systematischer Folter oder Misshandlungen liegen der Bundesregierung nicht vor. Türkische und internationale Nichtregierungsorganisationen berichten zu Foltervorwürfen oder Misshandlungen in Einzelfällen; diese Vorwürfe können von Seiten der Bundesregierung nicht überprüft werden. Hinsichtlich der Quellen für die Aussagen wird auf die Antwort der Bundesregierung zu den Fragen 25a und 25b der Kleinen Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Bundestagsdrucksache 19/15960 verwiesen. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 12 verwiesen.
260364
2,214
b) Welche internen Weisungsvorgaben oder Leitsätze gibt es hierzu im BAMF (bitte ausführen)?
Die Vorgaben zur Entscheidungspraxis des BAMF zur Türkei ergeben sich aus den sogenannten Herkunftsländer-Leitsätzen zum Herkunftsland Türkei. Für die Herkunftsländer-Leitsätze wertet das BAMF zur Erstellung einer für das Asylverfahren umfassenden Erkenntnislage eine Vielzahl an Quellen aus. Dazu gehören aktuelle Lageberichte des AA, Erkenntnisse des UNHCR, anderer UN-Behörden, Berichte des EUAA und weiterer ausländischer Stellen (etwa von Migrationsbehörden anderer Staaten), Informationen von Nichtregierungsorganisationen und die laufende Auswertung der nationalen und internationalen Presseberichterstattung. Die Leitsätze zum Herkunftsland Türkei werden hierbei regelmäßig und anlassbezogen aktualisiert. Sie berücksichtigen unter anderem den in der Frage aufgeworfenen Aspekt der Folter.
260364
2,215
15. Sind die Bundesregierung und das BAMF der Auffassung, dass politische Oppositionelle sich derzeit in der Türkei „prinzipiell frei und unbehelligt“ am politischen Prozess beteiligen können, wie es in einem den Fragestellerinnen und Fragestellern vorliegenden aktuellen Asylbescheid heißt, und wie wird dies gegebenenfalls begründet, angesichts des laufenden Verbotsverfahrens gegen die Oppositionspartei HDP, der Absetzung von Dutzenden HDP-Bürgermeisterinnen und HDP-Bürgermeistern sowie der massenhaften Verfolgung und Inhaftierung von regierungskritischen Intellektuellen, Journalistinnen, Akademikern, Kurdinnen, Menschenrechtlern und gewählten Politikerinnen und Politikern in der Türkei (https://www.welt.de/debatte/kommentare/article210430469/Erdogan-un d-Menschenrechte-Die-Verfolgung-kritischer-Stimmen-ist-in-der-Tuerke i-Routine.html)? Entspricht oder widerspricht die in dem zitierten Bescheid genannte Einschätzung zu einer prinzipiell freien und unbehelligten Oppositionsarbeit den internen Weisungsvorgaben und Leitsätzen des BAMF, und was sehen diese zu dieser Frage im Detail vor, insbesondere soweit es kurdische Oppositionelle betrifft (bitte ausführen)?
Auf die Antworten zu den Fragen 11 und 14b wird verwiesen. Darüber hinaus verfügt die Bundesregierung über keine weitergehenden Erkenntnisse.
260364
2,216
16. Was ist der Bundesregierung über den Einsatz und die Bedeutung von sogenannten geheimen Zeugen in Strafverfahren in der Türkei bekannt, deren Identität vor den Angeklagten und ihren Verteidigern geheim gehalten wird (https://www.boldapp.de/2020/03/17/tuerkei-geheimer-zeug e-ist-zum-beruf-geworden/, https://www.regio-tv.de/mediathek/video/ge heime-zeugen-sollen-gegen-tolu-aussagen/), und welche Schlussfolgerungen zieht sie daraus, insbesondere mit Blick auf die Rechtsstaatlichkeit in der Türkei?
Grundsätzlich bewertet die Bundesregierung keine Rechtsgrundlagen von Drittstaaten. Die Regelungen des türkischen Strafverfahrensrechts hierzu lauten wie folgt: Artikel 58/2 türkische Strafprozessordnung (tStPO) (Gesetz Nr. 5271 vom 17. Dezember 2004): „Würde das Bekanntwerden der Identität der als Zeuge anzuhörenden Personen eine schwerwiegende Gefahr für diese selbst oder ihre Angehörigen darstellen, so werden die erforderlichen Vorkehrungen getroffen, um ihre Identität geheim zu halten. Der Zeuge, dessen Identität geheim gehalten wird, ist verpflichtet, anzugeben, aus welchem Anlass und wodurch er die Tatsachen, die er bezeugt, in Erfahrung gebracht hat. Zur Geheimhaltung der Identität werden die persönlichen Angaben des Zeugen vom Staatsanwalt, vom Richter oder vom Gericht verwahrt.“ Artikel 58/3 tStPO: „Der Richter kann den Zeugen auch unter Ausschluss der Anwesenheitsberechtigten anhören, wenn die Anhörung in ihrer Gegenwart für den Zeugen eine schwerwiegende Gefahr darstellen würde und dieser Gefahr anderweitig nicht vorgebeugt werden kann oder sie das Herausfinden der materiellen Wahrheit gefährden würde. Die Anhörung des Zeugen wird in Ton und Bild übertragen. Das Fragerecht bleibt unberührt.“ Artikel 58/4 tStPO: „Vorkehrungen, die nach der Erfüllung der Zeugnispflicht zur Geheimhaltung der Identität jener Person oder zur Gewährleistung ihrer Sicherheit getroffen werden, werden in einem entsprechenden Gesetz geregelt.“ Artikel 58/5 tStPO: „Die Bestimmungen des zweiten, dritten und vierten Absatzes dürfen nur bei Straftaten angewendet werden, die im Rahmen der Tätigkeit einer Vereinigung begangen wurden.“ Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat im Jahr 2020 entschieden, dass geheime Zeugenaussagen, die von türkischen Gerichten als Beweismittel akzeptiert wurden, insbesondere in Prozessen gegen politische Dissidenten, nicht als ausreichende Beweise angesehen werden können, um eine Verurteilung zu rechtfertigen (Entscheidung vom 13. Oktober 2020, Bakir v. Turkey, Application no. 2257/11). Weitergehende Erkenntnisse im Sinne der Fragestellung liegen der Bundesregierung nicht vor.
260364
2,217
17. Welche Auffassung hat die Bundesregierung bzw. das BAMF (bitte gegebenenfalls differenziert antworten) zu der Frage eines „Politmalus“ bei der Strafverfolgung in der Türkei gegenüber (tatsächlichen oder mutmaßlichen) Mitgliedern oder Unterstützern der PKK?
Die Einhaltung von rechtsstaatlichen Grundsätzen sowie Verfahrens- und Beschuldigtenrechten bleiben in der Türkei im Bereich Terrorismus/Staatsschutz stark beeinträchtigt. Zügige, faire und rechtsstaatliche Verfahren mit unabhängigen und unvoreingenommenen Gerichten, in denen Grund- und Menschenrechte hinreichend gewahrt werden, können in diesem Deliktsbereich nicht grundsätzlich angenommen werden. Der Bereich der allgemeinen Kriminalität ist hiervon nach Einschätzung der Bundesregierung hingegen nicht unmittelbar betroffen. Eine Abgrenzung zwischen Tatvorwürfen, die zumindest auch einen politischen Hintergrund aufweisen und solchen der bloßen Allgemeinkriminalität kann jeweils nur im Einzelfall erfolgen.
260364
2,219
19. Was ist der Bundesregierung über Fälle von Festnahmen von Personen bekannt, deren Asylantrag in Deutschland rechtskräftig abgelehnt worden war und die in der Folge in die Türkei abgeschoben wurden?
Erkenntnisse im Sinne der Fragestellung liegen der Bundesregierung nicht vor.
260364
2,220
20. Ist der in der Vorbemerkung der Fragesteller erwähnte offene Brief des kurdischen Dachverbands KON-MED e. V. der Bundesinnenministerin Nancy Faeser bzw. dem Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) bekannt, wie wird dieser gegebenenfalls bewertet, und welchen diesbezüglichen Handlungsbedarf sieht die Bundesinnenministerin Nancy Faeser bzw. das BMI gegebenenfalls?
Das BMI hat den Brief zur Kenntnis genommen.
260364
2,221
21. Inwieweit sind die Ausführungen der Bundesregierung zu Frage 24 auf Bundestagsdrucksache 19/31392 von Juli 2021 zutreffend, wonach – sinngemäß – alle von der Festnahme des Vertrauensanwalts der Deutschen Botschaft in der Türkei betroffenen Asylsuchenden zum damaligen Zeitpunkt bereits über sich daraus womöglich ergebenden Gefährdungen informiert worden waren, und wie erklärt die Bundesregierung, dass in einem Fall, zu dem den Fragestellerinnen und Fragestellern Unterlagen vorliegen, das Auswärtige Amt erst nach mehrfacher Nachfrage einer Rechtsanwältin am 8. Oktober 2021 bestätigte, dass türkische Behörden infolge der Festnahme des Vertrauensanwalts Kenntnis von Daten ihrer Mandantin erhalten hatten, nachdem zuvor eine solche Auskunft mit der Begründung verweigert worden war, dass auch das BAMF und Verwaltungsgerichte „grundsätzlich keine Auskunft zur Person des Kooperationsanwalts erhalten“ würden (Schreiben des Auswärtigen Amts vom 5. Oktober 2021)? 22. Wie lautet die vor diesem Hintergrund gegebenenfalls korrigierte bzw. aktualisierte Antwort der Bundesregierung auf die zuletzt auf Bundestagsdrucksache 19/31392 bereits gestellte Frage, inwieweit alle 1 438 Asylsuchenden aus der Türkei, die von der Festnahme des Vertrauensanwalts der Deutschen Botschaft in der Türkei Yilmaz S. betroffen waren, über die sich daraus für sie möglicherweise ergebenden Gefährdungen informiert wurden? Wie viele Betroffene wurden bislang nicht informiert, und warum nicht? In welcher Form wurden die Betroffenen informiert, in wie vielen Fällen gab es z. B. Gefährdetenansprachen oder Sensibilisierungsgespräche durch welche Behörden (bitte genau auflisten), wie viele wurden lediglich schriftlich, wie viele gar nicht informiert? 23. Wie lautet die gegebenenfalls korrigierte bzw. aktualisierte Antwort der Bundesregierung auf die zuletzt auf Bundestagsdrucksache 19/31392 bereits gestellte Frage, in wie vielen Fällen sich herausstellte, dass Betroffene nicht erreichbar waren bzw. nicht mehr in Deutschland lebten, und was wurde in diesen Fällen unternommen bzw. veranlasst, wer hat dies gegebenenfalls mit welcher Begründung entschieden, und inwieweit war hierüber das Bundesinnenministerium bzw. das Auswärtige Amt informiert bzw. mit eingebunden, und wie waren gegebenenfalls deren Reaktionen?
Die Fragen 21 bis 23 werden aufgrund inhaltlichen Zusammenhangs gemeinsam beantwortet. Bezüglich der Ausführungen zu Frage 24 der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 19/31392 liegen der Bundesregierung keine anderweitigen oder neueren Informationen vor. Auf das Auskunftsersuchen nach Artikel 15 Absatz 1 der Datenschutz-Grundverordnung hat das AA bestätigt, dass zum Zweck der Sachverhaltsermittlung ein Kooperationsanwalt eingeschaltet wurde. Eine Weitergabe des Namens und der Anschrift von Kooperationsanwälten erfolgt aus Gründen des Quellen- und Datenschutzes grundsätzlich nicht; dies gilt im Übrigen auch gegenüber den Gerichten und dem BAMF. Zu vertraulicher Kommunikation in justiziellen Angelegenheiten äußert sich die Bundesregierung grundsätzlich nicht.
260364
2,222
24. Wieso hat das BAMF in dem Verfahren, das dem Urteil des VG Magdeburg vom 13. September 2021 (7 A 482/17 MD) zugrunde lag, trotz der sich auch aus der Verhaftung des Vertrauensanwalts für den Betroffenen ergebenden Gefährdungen (so das Gericht, a. a. O., S. 7 f.) keinen Schutzstatus erteilt, obwohl dies z. B. in der Antwort zu den Fragen 5 und 16 auf Bundestagsdrucksache 19/31392 zugesichert worden war (bitte ausführen und begründen), und welche Konsequenzen hat das BAMF gegebenenfalls aus der Auskunft der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 27. April 2021 „Türkei: Gefährdung aufgrund einer Botschaftsabklärung“ (https://www.ecoi.net/en/file/local/2052046/210427_T UR_Gefaehrdung_Botschaftsanfrage_anonym_web.pdf) gezogen, auf das sich auch das VG Magdeburg in dem genannten Urteil bezogen hat (bitte ausführen)?
Diese Informationen können nicht weitergegeben werden, da dies einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung bedeuten würde. Entgegen der Formulierung in der Fragestellung erfolgte keine Zusicherung zur Erteilung eines Schutzstatus. Eine Zusicherung ergibt sich auch nicht aus der Antwort der Bundesregierung zu den Fragen 5 und 16 der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 19/31392. Das bloße Stellen eines Asylantrags in Deutschland führt regelmäßig nicht bereits zur Annahme einer politischen Verfolgung in der Türkei. Während eines Asylverfahrens sind Asylantragstellende aber vor einer Abschiebung in den Herkunftsstaat geschützt. Die Auskunft der Schweizerischen Flüchtlingshilfe wurde zur Kenntnis genommen.
260364
2,223
25. Wie lautet die aktuelle Auswertung zum Verfahrensstand der von der Festnahme des Vertrauensanwalts Betroffenen (bitte ausführen und auflisten wie in der Antwort zu Frage 4 auf Bundestagsdrucksache 19/31392)?
Eine händische Auswertung mit Stand vom 17. März 2022 hat ergeben, dass 823 der Akten unanfechtbar entschieden sind, wobei 92 der Entscheidungen auf Verpflichtungsurteile der Gerichte und 66 auf Abhilfeentscheidungen zurückgingen. Bei 83 Akten waren noch Klagen anhängig. Es wird auf die nachfolgende Tabelle verwiesen: Entscheidungen Akten Personen Unanfechtbarkeit Verpflichtungsentscheidung Abhilfeentscheidung Akten Personen Akten Personen Akten Personen Anerkennung als Asylberechtigte gemäß Art. 16a GG 89 145 89 145 14 17 4 4 Anerkennung als Flüchtling gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 579 959 579 959 70 84 54 85 Gewährung von subsidiärem Schutz gemäß § 4 Abs. 1 AsylG 11 11 9 9 7 7 Feststellung eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 AufenthG 19 27 16 24 1 1 8 12 Ablehnungen unbegründet 142 205 82 102 Ablehnungen offensichtlich unbegründet 45 61 30 44 Ablehnungen (unzulässig) 13 18 9 9 Sonstige Verfahrenserledigungen 9 11 9 11 Noch nicht entschieden 1 1 Gesamt 908 1.438 823 1.303 92 109 66 101
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2,224
26. Ist es zutreffend, dass die „laut AZR 20 Personen“ (von der Festnahme des Vertrauensanwalts betroffene Asylsuchende), die „aus Deutschland ausgereist“ waren (Antwort zu Frage 23 auf Bundestagsdrucksache 19/31392), in die Türkei abgeschoben worden sein können, weil im AZR Abschiebungen als „Ausreisen“ gewertet werden, und welche Nachforschungen hat die Bundesregierung gegebenenfalls unternommen, um herauszufinden, ob diese 20 Personen nach einer Rückkehr oder Abschiebung in die Türkei womöglich infolge der Festnahme des Vertrauensanwalts gefährdet wurden oder Nachteile erleiden mussten?
Die Annahme im ersten Teil der Fragestellung ist insofern zutreffend, als im AZR Angaben zu den Zielländern der Ausreisen ausnahmsweise nur bei frei- willigen und geförderten Ausreisen erfasst werden (vgl. Antwort zu Frage 7e), nicht aber bei allen sonstigen Ausreisen. Daher wird im AZR im Regelfall nicht erfasst, ob eine Ausreise z. B. in die Türkei oder in einen anderen Staat erfolgte. Der Bundesregierung liegen zum zweiten Teil der Fragestellung keine Erkenntnisse vor.
260364
2,225
Vorbemerkung der Fragesteller Bund und Länder haben nach der Flut im Juli 2021 den betroffenen Gebieten großzügige Mittel im Rahmen des Sondervermögens Aufbauhilfe 2021 zur Verfügung gestellt. Allein auf Rheinland-Pfalz entfallen davon bisher 15 Mrd. Euro. Für die Durchführung der Aufbauhilfezahlungen sind die Bundesländer verantwortlich. Gerade im sehr schwer betroffenen Tal der Ahr zeigen sich dabei nun einige Probleme, die auch auf die Besonderheiten des dortigen Schadensbildes zurückzuführen sind. Der Fluss hat auf weiten Strecken seinen Lauf infolge der Flut erheblich geändert, sodass vormals wertvolle Grundstücke jetzt im Flussbett liegen. Der Ursprungszustand ist nicht mehr wiederherstellbar und eine Wiederherstellung ist aus Gründen des künftigen Hochwasserschutzes auch nicht anzustreben. Weitere Grundstücke liegen in der sog. Gelben Zone, in der ein Wiederaufbau ebenfalls aus Gründen des künftigen Hochwasserschutzes nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich ist. Gerade bei der Frage des Wertes und damit der Entschädigung für die betroffenen Grundstücke gibt es vor Ort anhaltende Irritationen. Es wird für die Entschädigung in aller Regel bisher allgemein nur der aktuelle Wert der Grundstücke angesetzt, also der von Brachflächen oder Ähnlichem. Das ist häufig nur ein Zehntel, Zwanzigstel oder sogar noch weniger des Wertes der Grundstücke vor dem Flutereignis. Die Geschädigten werden in diesem Zusammenhang darauf verwiesen, dass ein anderer Wertansatz wegen der Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern zur Abwicklung der Wiederaufbauhilfe nicht möglich sei. Dies wird im Tal der Ahr als Nichterfüllung der versprochenen „großzügigen“ Handhabung bei der Wiederaufbauhilfe empfunden. Es hemmt auch die Abgabe der betroffenen Grundstücke an die Kommunen, die für künftige Hochwasserschutzmaßnahmen dringend benötigt werden, um aufkommende Flutereignisse vorbereitet zu sein. 1. Sind der Bundesregierung die beschriebenen Probleme bei der Abwicklung der Wiederaufbauhilfe speziell im Hinblick auf den Wert von Grundstücken bekannt? 2. Hat die Bundesregierung dazu Gespräche mit den Landesregierungen Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen geführt? 3. Falls ja, was sind die bisherigen Erkenntnisse aus diesen Gesprächen?
Die Fragen 1 bis 3 werden gemeinsam beantwortet. Der Bundesregierung ist aus einer Reihe von Gesprächen vor Ort mit Vertreterinnen und Vertretern der Kommunen, der Landkreise und des Landes Rheinland-Pfalz (u. a. Reise von Bundesministerin Klara Geywitz ins Ahrtal am 4. März 2022) bekannt, dass in Folge des Hochwassers 2021 z. T. Grundstücke drastisch an Wert verloren haben. In diesem Zusammenhang ist der Bundesregierung auch bekannt geworden, dass die Eigentümer zum gegenwärtig niedrigen Verkehrswert die Grundstücke nicht veräußern. So ist auch ein Erwerb durch die Gemeinden, die solche Flächen für ihre zukünftige Entwicklung benötigen (z. B. für Retentionsflächen), nicht möglich.
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2,226
4. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass Wertverluste von Grundstücken infolge der Flutereignisse von der Entschädigung im Rahmen der Wiederaufbauhilfe aktuell umfasst sein müssten?
Bei der Förderung gemäß der „Aufbauhilfe 2021“ handelt es sich um Billigkeitsleistungen des Bundes zur wirksamen Beseitigung der durch den Starkregen und das Hochwasser entstandenen Schäden im Juli 2021 und zum Wiederaufbau zerstörter Infrastruktur. Eine Mittelverwendung für Entschädigungen für aktuelle Wertverluste von Grundstücken wäre gemäß dem Aufbauhilfefonds-Errichtungsgesetz 2021 zweckwidrig. Der Bund und die betroffenen Länder haben sich in der Verwaltungsvereinbarung zur Aufbauhilfe 2021 über die konkrete Verwendung der Mittel geeinigt (Artikel 2 und Anlagen der Verwaltungsvereinbarung zur Aufbauhilfe 2021).
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2,227
5. Hält die Bundesregierung eine Änderung der rechtlichen Regelungen bezüglich der Entschädigung für Grundstückswerte für notwendig? 6. Falls ja, befindet sich die Bundesregierung für solche Änderungen in Gesprächen mit den Ländern? 7. Wann wären entsprechende Änderungen zu erwarten?
Die Fragen 5 bis 7 werden gemeinsam beantwortet. Die Mittelverwendung der „Aufbauhilfe 2021“ ist in Artikel 2 sowie in den Anlagen der Verwaltungsvereinbarung zur Aufbauhilfe 2021 geregelt, auf die sich der Bund und die betroffenen Länder geeinigt haben. Die Bundesregierung hält gesetzliche Änderungen in Bezug auf die Entschädigung für verlorene oder verringerte Grundstückswerte nicht für erforderlich.
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2,228
8. Beabsichtigt die Bundesregierung gemeinsam mit den betroffenen Ländern eine zeitnahe Evaluation der bisherigen Erkenntnisse aus der Abwicklung der Wiederaufbauhilfe?
Gemäß Artikel 5 Absatz 3 der Verwaltungsvereinbarung zur Aufbauhilfe 2021 sind die jeweiligen Programme des Aufbauhilfefonds 2021 programmbegleitend und abschließend von den Ländern zu evaluieren. Das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen, als für die in den Anlagen 3 bis 5 der Verwaltungsvereinbarung zur Aufbauhilfe 2021 genannten Programme zuständiges Ressort, legt gemeinsam mit den weiteren für die Programme zuständigen Ressorts die Ziele, Kriterien und Durchführung der Evaluation in Abstimmung mit den Ländern fest. Das Evauationskonzept wird derzeit erarbeitet.
260366
2,229
9. Falls ja, sind im Rahmen einer solchen Evaluation zeitnahe Anpassungen in den Regelungen zur Wiederaufbauhilfe geplant?
Es sind keine Anpassungen der rechtlichen Grundlagen (Aufbauhilfefonds-Errichtungsgesetz 2021, Aufbauhilfeverordnung 2021 und Verwaltungsvereinbarung zur Aufbauhilfe 2021) geplant. Aus den Evaluationsergebnissen ergeben sich möglicherweise Erkenntnisse für Regelungen nach zukünftigen Katastrophenfällen.
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2,230
Vorbemerkung der Fragesteller Zum ersten Mal in der Geschichte kosten Benzin und Diesel mehr als 2 Euro pro Liter. Seit dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine haben sich die Preise für Kraftstoff noch einmal stark verteuert. Auch der Preis für Rohöl war zunächst vorübergehend angestiegen, ist aber längst wieder gefallen. Am 15. März 2022 unterschritt der Preis für die Nordseeölsorte Brent sogar wieder die Marke von 100 Dollar je Barrel (159 Liter). Am 7. März 2022 hatte der Preis für Rohöl noch fast 140 Dollar betragen (https://m.faz.net/aktuell/finanz en/russland-profitiert-nicht-am-meisten-von-teuren-spritpreisen-17879749.am p.html). Der Autoclub ADAC hat festgestellt, dass sich die Benzinpreise von den Ölpreisen abgekoppelt haben (https://m.faz.net/aktuell/finanzen/russland-profitie rt-nicht-am-meisten-von-teuren-spritpreisen-17879749.amp.html). „Der Rohölpreis steht heute ungefähr wieder da, wo er vor zwei Wochen stand – in dieser Zeit ist der Preis für Superbenzin aber um 38 Cent und der für Diesel sogar um 56 Cent je Liter gestiegen“, sagt ADAC-Kraftstoff-Fachmann Jürgen Albrecht gegenüber der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“: „Den zusätzlichen Betrag müssen Autofahrer heute aufbringen und vor 14 Tagen noch nicht – dieses Geld wird irgendwo im Prozess zwischen Ölförderung und Tankstellen verdient.“ (https://m.faz.net/aktuell/finanzen/russland-profitiert-ni cht-am-meisten-von-teuren-spritpreisen-17879749.amp.html). Russland profitiert hiervon nicht, weil die hiesigen Ölunternehmen bewusst in erheblichem Umfang auf die Lieferungen aus Russland verzichten. Russisches Öl, so die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, werde mit einem Abschlag gehandelt (https://m.faz.net/aktuell/finanzen/russland-profitiert-nicht-am-meiste n-von-teuren-spritpreisen-17879749.amp.html). Der gestiegene Benzinpreis, so Prof. Dr. Monika Schnitzer, Wirtschaftsprofessorin in München und Mitglied im Wirtschaftssachverständigenrat, komme zu einem „erheblichen Teil“ den Mineralölgesellschaften zugute. Aus diesem Grund ist die Ökonomin auch gegenüber dem vom Bundesminister der Finanzen Christian Lindner geplanten „Tankrabatt“ skeptisch. Auch davon würden die Ölkonzerne profitieren, weil sie durch Preiserhöhungen zumindest einen Teil des Rabatts für sich verbuchen könnten, so Prof. Dr. Monika Schnitzer gegenüber der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (https://m.faz.net/aktuell/fi nanzen/russland-profitiert-nicht-am-meisten-von-teuren-spritpreisen-1787974 9.amp.html). Dr. Frank Schallenberger, Ölfachmann der Landesbank Baden-Württemberg, sagt, dass auch der Staat von den hohen Benzinpreisen profitiert, weil die Mehrwertsteuer auf Benzin mit dem höheren Produktpreis erheblich ansteigt (https://m.faz.net/aktuell/finanzen/russland-profitiert-nicht-am-meisten-von-te uren-spritpreisen-17879749.amp.html). Vizebundeskanzler Dr. Robert Habeck bezeichnete gegenüber der Nachrichtenagentur „dpa“ in Berlin die Preisanstiege im gesamten Energiebereich für viele Menschen als erdrückend (https://www.tagesschau.de/inland/energieprei se-habeck-lindner-103.html). 1. Wie erklärt sich die Bundesregierung den sprunghaften Anstieg der Preise für Kraftstoffe, obwohl der Preis für Rohöl seit Ausbruch des Krieges in der Ukraine wieder gesunken ist? 2. Ist die Bundesregierung wie der Autoclub ADAC (https://m.faz.net/aktuel l/finanzen/russland-profitiert-nicht-am-meisten-von-teuren-spritpreisen-17 879749.amp.html) auch der Auffassung, dass sich Benzinpreise von den Ölpreisen abgekoppelt haben?
Die Fragen 1 und 2 werden gemeinsam beantwortet. Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine haben sich die Preise für Rohöl sehr volatil entwickelt: Infolge der Diskussion um ein Ölimportverbot von russischem Öl stieg der Ölpreis (Ölsorte Brent dated) in der Spitze zwischenzeitlich auf über 130 US-Dollar/Barrel und pendelte insgesamt in der Bandbreite von rund 100 US-Dollar/Barrel bis über 130 US-Dollar/Barrel. Auch die Benzin- und Dieselpreise waren entsprechend stark gestiegen. Augenscheinlich haben die Kraftstoffpreise die zeitweiligen Rückgänge bei den Rohölpreisen nur verzögert bzw. nicht in vollem Umfang nachvollzogen. Während es bei Diesel hierfür teilweise Erklärungsansätze gibt (gestiegene Heizöleinkäufe, Ersatzbeschaffung für russische Dieselimporte nach Kriegsbeginn), so ist dies bei Benzin nicht der Fall. Es wird auf die Antwort zu Frage 4 verwiesen.
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2,231
3. Wie bewertet die Bundesregierung die Wirkung des vom Bundesfinanzminister Christian Lindner geplanten „Tankrabatts“ (https://www.sueddeutsc he.de/politik/tankrabatt-spritpreise-lindner-1.5547606) auf die Preisentwicklung der Kraftstoffe und die Gewinnaussichten der Ölkonzerne? 6. Hat die Bundesregierung außer dem vom Bundesfinanzminister Christian Lindner geplanten „Tankrabatt“ (vgl. Frage 3) sonstige Maßnahmen geplant, mit denen die Preise für Kraftstoff für Verbraucher, die Industrie und die Wirtschaft deutlich gesenkt werden könnten? Wenn ja, welche, und wenn nein, warum nicht?
Die Fragen 3 und 6 werden gemeinsam beantwortet. Zur kurzfristigen Milderung der Belastung der Bürgerinnen und Bürger sowie der Wirtschaft hat die Regierungskoalition am 24. März 2022 befristete Entlastungsmaßnahmen beschlossen, die helfen, Härten beim Übergang hin zu einer nachhaltigeren und sparsameren Energienutzung im Mobilitätsbereich abzufedern. Unter anderem ist vorgesehen, die Energiesteuersätze für die an Tankstellen vertriebenen Kraftstoffe Benzin, Diesel, LPG und CNG/LNG befristet für drei Monate auf die europäischen Mindeststeuersätze der EU-Energiesteuer- richtlinie (Richtlinie 2003/96/EG) abzusenken. Die Energiesteuer ist als indirekte Steuer darauf angelegt, dass sie von den Steuerpflichtigen grundsätzlich auf die Verbraucherinnen und Verbraucher abgewälzt wird. Eine temporäre Steuersenkung ermöglicht eine entsprechende Preissenkung und damit Entlastung für die Bürgerinnen und Bürger sowie die Wirtschaft. Zu den der Preisgestellung zugrunde liegenden Kalkulationen, Preisberechnungen oder Gewinnaussichten von Unternehmen liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor.
260367
2,232
4. Beabsichtigt die Bundesregierung, durch das Bundeskartellamt untersuchen zu lassen, ob bei den jüngsten Preisanhebungen an den Tankstellen wettbewerbsrechtliche oder sonstige gesetzliche Verstöße vorliegen, und wenn nein, wieso nicht?
Zur Klärung der Frage, ob Unternehmen aus der jetzigen Situation unangemessene Gewinne erzielen, hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz das Bundeskartellamt gebeten, die Benzin- und Dieselpreise sehr genau zu beobachten und bei jeglichem Hinweis auf missbräuchliches Verhalten tätig zu werden. Es hat zudem geprüft, ob der aktuelle rechtliche Rahmen für die notwendige kontinuierliche Beobachtung aller Wertschöpfungsstufen dem Bundeskartellamt bereits die Erhebung der entsprechenden Daten ermöglicht. Bereits jetzt beobachtet das Bundeskartellamt mit Hilfe der Daten der Markttransparenzstelle für Kraftstoffe kontinuierlich die Preisentwicklung an den Tankstellen in Deutschland. Allerdings ist für eine Beurteilung der Situation auf den Mineralölmärkten unerlässlich, dass das Bundeskartellamt auch die möglichen Gründe für die Preisentwicklung auf der Raffinerie- und Großhandelsebene und ihren möglichen Einfluss auf die Höhe der Preise an den Zapfsäulen in seine Prüfung einbeziehen kann. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz wird daher einen Entwurf zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vorlegen, mit dem die Markttransparenzstelle für Kraftstoffe beim Bundeskartellamt gestärkt wird. Künftig wird sie auch die Herstellung von Kraftstoffen und den Großhandel beobachten. Zudem wird die Datenbasis der Markttransparenzstelle um Mengendaten erweitert, damit das Bundeskartellamt eine bessere Datengrundlage erhält als bislang.
260367
2,233
5. Auf welche Summe belaufen sich nach Kenntnis der Bundesregierung seit Ausbruch des Ukrainekrieges die Steuermehreinnahmen des Bundes aufgrund des hohen Benzinpreises?
Welche Veränderungen der Steuereinnahmen mit Veränderungen des Verbraucherpreisniveaus (bzw. der Inflationsrate) und einzelner Teilkomponenten (wie der Benzinpreise) einhergehen, hängt davon ab, woraus diese Preisveränderungen resultieren (z. B. Angebots- oder Nachfrageschock) und welche Verhaltensanpassungen sich dadurch bei Verbraucherinnen und Verbrauchern sowie Unternehmen ergeben. Eine unmittelbare Betroffenheit durch die Benzinpreissteigerungen ergibt sich bei den Steuern vom Umsatz sowie bei der Energiesteuer. Für sich genommen erhöhen steigende Preise auf einzelne Güter die Umsatzsteuereinnahmen. Für den Effekt auf die Steuern vom Umsatz insgesamt ist jedoch entscheidend, wie die Nachfrage auf diese und auch andere Güter reagiert. Steht dem Preisanstieg ein Rückgang des Konsums des jeweiligen Gutes oder anderer Güter gegenüber, werden dadurch wiederum die Einnahmen aus der Umsatzsteuer für sich genommen gemindert. Das Aufkommen der Energiesteuer ist allerdings nur indirekt über die Verbrauchsmengen an Preise geknüpft. Bei dieser Verbrauchsteuer können Preissteigerungen zu Verhaltensanpassungen der Verbraucherinnen und Verbraucher (Nachfragereduktion) führen und so für sich genommen Einnahmeeinbußen verursachen. Mittelbare Effekte ergeben sich bei anderen Steuerarten, insbesondere bei den Steuern auf Einkommen und Ertrag (z. B. Lohn- bzw. Einkommensteuer sowie Gewerbesteuer und Körperschaftsteuer). Diese hängen – wie oben beschrieben – davon ab, aus welchen ökonomischen Gründen der Preisanstieg erfolgte. Zusammengenommen lässt sich festhalten, dass eine Bezifferung möglicher Mehr- oder Mindereinnahmen bei den Steuereinahmen insgesamt nur bezogen auf den Anstieg des Benzinpreises aufgrund der komplexen und interdependenten Zusammenhänge nicht verlässlich möglich ist. Für den Bundeshaushalt und den geltenden Finanzplan des Bundes ist immer die Entwicklung der Steuereinnahmen insgesamt relevant. Zudem ist zu beachten, dass Angaben zur Höhe der kassenmäßigen Steuereinnahmen grundsätzlich auf monatlicher Basis vorliegen, nicht jedoch auf täglicher Basis. So können die Steuereinnahmen nicht einem Zeitraum ab dem Ausbruch des Ukrainekrieges am 24. Februar 2022 zugeordnet werden. Weiterhin liegen aufgrund der gegenüber dem Steuerentstehungszeitpunkt verzögerten Kassenwirksamkeit – u. a. infolge der gesetzlich geregelten Fälligkeitstermine – für viele Steuerarten zu den im Februar 2022 bzw. März 2022 entstandenen Steuereinnahmen noch keine Informationen vor.
260367
2,234
7. Wie bewertet die Bundesregierung die Auswirkungen des Anstiegs der Kraftstoffpreise auf die Versorgung der Bevölkerung mit Gütern des täglichen Bedarfs, insbesondere mit Lebensmitteln?
Die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln ist gesichert. Die gestiegenen Energie- und Frachtpreise erhöhen jedoch wie auch Preissteigerungen bei Rohstoffen und Verpackung die Produktionskosten entlang der gesamten Lebensmittelkette. In der Folge hat der Lebensmitteleinzelhandel bereits bei einer Vielzahl von Produkten Preiserhöhungen vorgenommen. In Deutschland lag der Anstieg der Lebensmittelpreise schon zu Beginn dieses Jahres auf relativ hohem Niveau (im Februar bei +5,3 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat bezogen auf den Preisindex für Nahrungsmittel auf Verbraucherstufe). Der Preisanstieg ist auf gestiegene Rohstoff- und Energiepreise zurückzuführen, aber auch auf höhere Lohn-, Verpackungs- und Transportkosten.
260367
2,235
Vorbemerkung der Fragesteller Die regierungstragenden Parteien SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP haben in ihrem Koalitionsvertrag beschlossen, das Amt eines „Staatsministers für die neuen Länder“ zu schaffen. Der Staatsminister für die neuen Länder, Carsten Schneider, hat nach Amtsantritt in seiner ersten Rede vor dem Deutschen Bundestag die Schaffung seines Amtes als „ein klares Bekenntnis von Olaf Scholz für die Region, für Ostdeutschland und […] eine klare Verpflichtung der Bundesregierung, dieser Entscheidung etwas folgen zu lassen“ eingeordnet sowie zugesichert, dass die Bürgerinnen und Bürger die Bundesregierung „daran tatsächlich [werden] messen“ können. Ostdeutschland steht erneut vor tiefgreifenden strukturpolitischen Herausforderungen. Das Vorziehen des Ausstieges aus der Kohleverstromung von 2038 auf „idealerweise“ 2030 hat nach Ansicht der Fragesteller nicht nur einen gesellschaftlich breit getragenen Kompromiss aus der Kohlekommission mit einem Federstrich aufgekündigt, sondern vor allem für erhebliche Verunsicherung bei den Bürgerinnen und Bürgern in den betroffenen Regionen gesorgt. Nach Auffassung der Fraktion der CDU/CSU sollte die Bundesregierung unverzüglich für Klarheit sorgen und ihre Entscheidung gemeinsam mit den Menschen und nicht über ihre Köpfe hinweg treffen. Ferner sollte sichergestellt werden, dass die Menschen in den betroffenen Regionen attraktive alternative Erwerbsperspektiven erhalten und alle Hebel dafür in Bewegung gesetzt werden, einen durch die nach Ansicht der Fragesteller schwammigen Verlautbarungen der neuen Bundesregierung drohenden Strukturbruch abzuwenden. In einem ersten Schritt sollten dem Deutschen Bundestag unverzüglich die überarbeiteten Zeitpläne der vom Bund-Länder-Koordinierungsgremium beschlossenen Maßnahmen auf der Grundlage des Strukturstärkungsgesetzes vorgelegt werden. Ferner gilt: Wer aussteigt, muss auch kraftvoll in Neues einsteigen. Die ostdeutschen Länder sollten nach Auffassung der Fragesteller bei der Förderung und Ansiedlung von Zukunftstechnologien weiter gestärkt werden. Staatsminister Carsten Schneider hat in diesem Sinne die Zielstellung wie folgt in seiner ersten Rede im Deutschen Bundestag skizziert: „Jetzt geht es darum, dass wir Innovationen sowie Investitionen in Innovationen voranbringen. Das heißt, wir wollen keine nachsorgende Sozialpolitik, sondern wir wollen, dass in die neusten Trends – ich nenne zum Beispiel die Wasserstofftechnologie, die ganz klar im Mittelpunkt stehen wird – vorneweg in Ostdeutschland inves- tiert wird, dass sie dort gefördert werden. Das kann der Zukunfts-Gamechanger sein.“ Die konkrete Ausgestaltung dieser Ankündigung ist auch aus Sicht der Fraktion der CDU/CSU von großem Interesse. Im 32. Jahr der Deutschen Einheit ist nach Auffassung der Fragesteller sicherzustellen, dass vorhandene Missstände der Unterrepräsentanz von Menschen, die gebürtig aus den ostdeutschen Ländern kommen, behoben werden. Zu Beginn der 20. Legislaturperiode bedarf es nach Ansicht der Fragesteller einer Bestandsaufnahme in der Bundesregierung, um die diesbezüglichen Fortschritte durch die Arbeit der Ampel angemessen bewerten zu können. Für dies und vieles mehr braucht Ostdeutschland nach Ansicht der Fragesteller eine starke Stimme in der Bundesregierung. 1. Welchen zusätzlichen Nutzen für Ostdeutschland erwartet die Bundesregierung durch die Schaffung des neuen Amtes eines Staatsministers für Ostdeutschland? 2. Welches konkrete Aufgabenfeld umfasst das Amt eines Staatsministers für Ostdeutschland? 3. Welche zusätzlichen Aufgaben und Befugnisse werden dem Amt des Staatsministers für Ostdeutschland zugeordnet in Abgrenzung zum bisherigen Beauftragten für Ostdeutschland?
Die Fragen 1 bis 3 werden gemeinsam beantwortet. Die Ernennung eines Staatsministers beim Bundeskanzler als Beauftragten der Bundesregierung für Ostdeutschland soll den besonderen und drängenden Interessen des Ostens eine eigenständige Stimme am Kabinetttisch sichern. Das Amt des Ostbeauftragten gewinnt durch diese Aufwertung noch einmal an Gewicht sowie an operativen Möglichkeiten im Vergleich zu vergangenen Legislaturen. Die Position betont überdies die herausragende Bedeutung, welche die Bundesregierung der Aufgabe der Überwindung struktureller Unterschiede zwischen Ost und West und der Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse, der Festigung der Deutschen Einheit sowie der gezielten Unterstützung Ostdeutschlands bei der Überwindung teilungsbedingter Sonderlasten gibt. Diese sind weiterhin zentrale Ziele der Bundesregierung und des Wirkens des Beauftragten der Bundesregierung für Ostdeutschland. Vieles wurde in den letzten Jahrzehnten beim Zusammenwachsen von Ost- und Westdeutschland bereits erreicht. Aber es gibt im vereinten Deutschland auf dem Weg zu gleichwertigen Lebensverhältnissen und wirtschaftlichen Voraussetzungen noch erhebliche Herausforderungen zu bewältigen. Verändert hat sich in den vergangenen drei Jahrzehnten der Maßstab für die innere Einheit Deutschlands. Es geht heute nicht mehr allein um Aufholen oder Vollenden. Herausforderungen wie die Globalisierung und Migration, die Digitalisierung, der Klimawandel, die unterschiedliche demografische Entwicklung von Stadt und Land und der damit verbundene Bedarf an Fach- und Arbeitskräften stellen sich in Ost- und Westdeutschland grundsätzlich in gleicher Weise. Diese Herausforderungen treffen jedoch überall im Land auch weiterhin auf regional recht unterschiedliche Voraussetzungen. Fortbestehende spezifische Probleme in den ostdeutschen Bundesländern umfassen die Chancen der wirtschaftlichen Entwicklung, den Arbeitsmarkt, Unterschiede bei Löhnen und Gehältern, die besonderen Herausforderungen des Strukturwandels im Energiesektor sowie größere Herausforderungen beim Institutionenvertrauen, geringeres parteipolitisches Engagement und ein geringerer Anteil Ostdeutscher in Führungspositionen und den gesellschaftlichen Eliten in Deutschland sowie ein geringerer Anteil von Bundes- und Forschungseinrichtungen in den ostdeut- schen Ländern. Dies erfordert einen spezifischen Politikansatz für und mit den ostdeutschen Bundesländern. Diesen unterstützt und fördert der Beauftragte durch gezielte eigene Aktivitäten. Mit der Übertragung der Zuständigkeit für die besonderen Aufgaben in Ostdeutschland vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) in das Bundeskanzleramt ist eine finanzielle und personelle Stärkung des Arbeitstabes des Beauftragten verbunden. Das soll ihn in die Lage versetzen, seinen gewachsenen Aufgabenbereich zu bewältigen.
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4. Geht mit der Höhergruppierung des Amtes – vom „Ostbeauftragten der Bundesregierung für die neuen Länder“ zum im Koalitionsvertrag zwischen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP vorgesehenen „Staatsminister für die neuen Länder“ – auch ein Ausbau des dem Staatsminister für Ostdeutschland unmittelbar zur Verfügung stehenden Mitarbeiterstabs einher (bitte tabellarischdie Mitarbeiterstäbe im Vergleich der vorangegangenen Legislaturperiode entlang der jeweiligen Laufbahngruppen auflisten)? 5. In welchem Umfang wird eine Erweiterung des Mitarbeiterstabs des Staatsministers für Ostdeutschland entlang der Laufbahngruppen geplant (bitte tabellarischdie Soll/Ist-Planung für die Legislaturperiode darstellen)? 6. Zu welchem Zeitpunkt soll die Erweiterung des Mitarbeiterstabs des Staatsministers für Ostdeutschland abgeschlossen sein?
Die Fragen 4 bis 6 werden gemeinsam beantwortet. Im Arbeitsstab Neue Bundesländer des BMWK waren am Ende der 19. Legislaturperiode (Stichtag: 26. Oktober 2021) 17 Dienstposten des höheren Dienstes, 4,5 Dienstposten des gehobenen Dienstes sowie 5 Dienstposten des mittleren Dienstes ausgebracht. Für den Stab des Ostbeauftragten im Bundeskanzleramt sind 12 zusätzliche Planstellen (zwei Planstellen der Besoldungsgruppe B3, zwei Planstellen der Besoldungsgruppe A16, sechs Planstellen der Besoldungsgruppe A15 und zwei Planstellen der Besoldungsgruppe A13gZ) ausgebracht.
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7. Gehen mit der Schaffung des Amtes des Staatsministers für Ostdeutschland auch Weisungsbefugnisse gegenüber den Kabinettskollegen der Fachressorts einher? Falls nein, wie gedenkt der Staatsminister für Ostdeutschland die Interessen der ostdeutschen Bürgerinnen und Bürger wirksam zu vertreten?
Der Beauftragte der Bundesregierung für Ostdeutschland hat auch als Staatsminister keine Weisungsbefugnis gegenüber anderen Kabinettmitgliedern. Im Rahmen der Beteiligung an der Facharbeit der Bundesregierung – auch gemäß der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO) (vgl. Antwort zu Frage 8) – wird der Staatsminister argumentativ Einfluss in diesem Sinne ausüben. Zudem wird auf die Antwort zu den Fragen 1 bis 3 verwiesen.
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8. Wie ist die Zusammenarbeit zwischen dem Staatsminister für Ostdeutschland und den Kabinettskollegen aus den Fachressorts in der Geschäftsordnung der Bundesregierung geregelt?
Der Beauftragte der Bundesregierung für Ostdeutschland ist gemäß § 21 Absatz 1 GGO bei allen Vorhaben, die seine Aufgaben berühren, frühzeitig zu beteiligen und hat gemäß § 21 Absatz 2 GGO die Bundesministerien – vorbehaltlich anderweitiger gesetzlicher Bestimmungen – frühzeitig in Angelegenheiten von grundsätzlicher politischer Bedeutung zu informieren, soweit Aufgaben der Bundesministerien betroffen sind. In der Geschäftsordnung der Bundesregierung ist die Zusammenarbeit zwischen dem Beauftragten und den Kabinettkollegen nicht geregelt.
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9. Stehen dem Staatsminister für Ostdeutschland eigene Haushaltsmittel im Einzelplan des Bundeskanzleramtes zur Verfügung, über die er qua Amt frei verfügen kann? Falls ja, wie viele Haushaltsmittel samt Verpflichtungsermächtigungen stehen dem Staatsminister für Ostdeutschland für die laufende Legislaturperiode im Haushalt des Bundeskanzleramtes zur Verfügung (bitte tabellarisch auflisten)?
Die Haushaltsmittel des Beauftragten der Bundesregierung für Ostdeutschland stehen zur Wahrnehmung seiner Aufgaben zur Verfügung und sind im zweiten Regierungsentwurf für den Haushalt 2022 in einem neuen Kapitel 0415 im Etat des Bundeskanzleramtes veranschlagt. Diese umfassen Personalausgaben und Fachausgaben, insbesondere für Zuwendungen sowie Verpflichtungsermächtigungen. Zur Höhe der Ausgaben und Verpflichtungsermächtigungen wird auf die tabellarische Auflistung in der Anlage verwiesen. Diese Ansätze werden im Rahmen der regierungsinternen Finanzplanung im Eckwertebeschluss der Bundesregierung für den Haushalt 2023 und Finanzplan bis 2026 fortgeschrieben und stehen unter Vorbehalt der Beratungen im parlamentarischen Verfahren für den Haushalt 2022 bzw. in den Haushaltsaufstellungsverfahren für die Jahre 2023 ff. Im Zuge der Umsetzung des Organisationserlasses des Bundeskanzlers vom 8. Dezember 2021 werden im Laufe des ersten Halbjahres 2022 Haushaltsmittel vom BMWK gemäß § 50 der Bundeshaushaltsordnung zum Bundeskanzleramt umgesetzt. Das betrifft insbesondere das vom BMWK übergehende Personal.
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10. Werden bei der Auswahl des Mitarbeiterstabes des Staatsministers für Ostdeutschland ostdeutsche Biografien als Auswahlkriterium benannt?
Das Bundeskanzleramt als oberste Bundesbehörde berücksichtigt bei seiner Personalauswahl die nach Artikel 33 Absatz 2 des Grundgesetzes (GG) vorgegebenen Kriterien Eignung, Befähigung und Leistung sowie Artikel 36 Absatz 1 Satz 1 GG angemessen.
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11. Hält es die Bundesregierung für sinnvoll, bei Statistiken und Veröffentlichungen etwa zur sozialen Situation nach Himmelsrichtungen zu unterscheiden, oder sollten nicht besser Regionen und Kommunen mit ähnlichen Strukturdaten miteinander verglichen werden?
Regionale Vergleiche erfolgen nach sachlichen Gesichtspunkten. Dabei werden sowohl gemeinsame und ähnliche Strukturdaten berücksichtigt wie auch die geografische Lage.
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12. Wie bewertet die Bundesregierung den im Jahr 2020 in breitem gesellschaftlichen Konsens geschlossenen Kohlekompromiss?
Die schrittweise Reduzierung der Kohleverstromung ist eine enorme energie- und klimapolitische Herausforderung für die Bundesrepublik Deutschland. Zur erfolgreichen Bewältigung dieser Herausforderung ist ein gesellschaftlich breit verankerter Konsens sehr wichtig. Die Bundesregierung hatte deshalb 2018 die Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ eingesetzt, die aus ganz unterschiedlichen Akteuren aus Politik, Wirtschaft, Umweltverbänden, Gewerkschaften sowie betroffenen Ländern und Regionen bestand. Ihr Ziel war es, die unterschiedlichen Interessen auszugleichen und einen breiten gesellschaftlichen Konsens über die Gestaltung des energie- und klimapolitisch begründeten Kohleausstiegs und des damit verbundenen Strukturwandels in Deutschland herzustellen. Auf Grundlage der Kommissionsempfehlung hat die damalige Bundesregierung am 29. Januar 2020 das Gesetz zur Reduzierung und zur Beendigung der Kohleverstromung und zur Änderung weiterer Gesetze (Kohleausstiegsgesetz) beschlossen. Die Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung (KWSB) hatte empfohlen, bis zum Jahr 2022 auf je 15 Gigawatt Braun- und Steinkohle, bis zum Jahr 2030 auf 8 Gigawatt Steinkohle und 9 Gigawatt Braunkohle und bis spätestens zum Jahr 2038 auf 0 Gigawatt Braun- und Steinkohle zu reduzieren. Dazwischen sollte die Reduzierung möglichst stetig erfolgen. Zur Umsetzung empfahl die Kommission freiwillige Maßnahmen, als einvernehmliche Verhandlungslösung mit den Betreibern für Braunkohlekapazitäten und als freiwillige Stilllegungsprämie für Steinkohlekapazitäten. Daneben empfahl die Kommission flankierende Maßnahmen, wie etwa Entlastungen beim Strompreis und ein Anpassungsgeld. Ergänzend wurde empfohlen, den Kohleausstieg regelmäßig zu evaluieren. Diese Vorgaben wurden mit dem Kohleausstiegsgesetz umgesetzt. Gleichzeitig findet die Energiewende und die damit verbundene Reduktion und Beendigung der Kohleverstromung inmitten eines sehr dynamischen Umfeldes statt. So muss auch den aktuellen Vorgaben des Bundes-Klimaschutzgesetzes Rechnung getragen werden, das als Folge des Klimaschutz-Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom März 2021 im Juni 2021 vom Deutschen Bundestag novelliert worden ist. Zur Einhaltung der Klimaschutzziele ist auch ein beschleunigter Ausstieg aus der Kohleverstromung nötig. Aus diesem Grund sieht der aktuelle Koalitionsvertrag eine Beschleunigung des Kohleausstiegs idealerweise auf das Jahr 2030 vor.
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13. Hält die Bundesregierung einen vorgezogenen Ausstieg aus der Kohleverstromung angesichts der Unsicherheit der Importkapazitäten weiterhin für realistisch?
Angesichts des russischen Angriffs auf die Ukraine hat die Bundesregierung Arbeitsstäbe eingerichtet, die die Energieversorgung zusammen mit den Marktakteuren und der Bundesnetzagentur engmaschig überwachen. Darüber hinaus arbeitet die Bundesregierung zurzeit an vielseitigen Maßnahmen, um die Energieversorgungssicherheit, die aktuell gewährleistet ist, noch robuster zu gestalten. Hierzu gehört die Reduzierung der Abhängigkeit von Importen aus Russland und von fossilen Energien insgesamt. Gleichzeitig gilt, dass angesichts des russischen Angriffs Kohlekraftwerke als Backup zur Verfügung stehen müssen. Aus diesem Grund prüft die Bundesregierung, ob und inwiefern auch zur Stilllegung anstehende Kraftwerke in eine vorübergehende Reserve überführt werden können, damit sie im Notfall zur Verfügung stehen.
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14. Plant die Bundesregierung eine Novellierung des auf Basis des Kohlekompromisses im Jahr 2020 beschlossenen Strukturstärkungsgesetzes? Falls ja, wie sieht der Zeitplan für das Gesetzgebungsverfahren aus, und welche konkreten Maßnahmen wurden bisher für die Novelle ins Auge gefasst? 20. Ist es vorgesehen, bei einem vorgezogenen Kohleausstieg bis zum Jahr 2030 auch im Strukturstärkungsgesetz Kohleregionen vereinbarte Strukturhilfen für die Kohlereviere entsprechend anzupassen, d. h. früher auszuzahlen, und falls ja, bitte tabellarischen Zeitplan vorlegen?
Die Fragen 14 und 20 werden gemeinsam beantwortet. Die Bundesregierung prüft derzeit, wie die Strukturstärkungsmaßnahmen in den Kohleregionen angesichts des „idealerweise“ auf 2030 vorgezogenen Kohleausstiegs vorgezogen bzw. beschleunigt werden können. Zum jetzigen Zeitpunkt kann noch keine Aussage zu konkreten Maßnahmen getroffen werden.
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15. Beabsichtigt die Bundesregierung, über das Ausstiegsdatum aus der Braunkohleverstromung erneut und abschließend zu entscheiden, und wenn ja, wann? 16. Auf der Grundlage welcher Indikatoren beabsichtigt die Bundesregierung, ihre Entscheidung über einen Kohleausstieg „idealerweise“ im Jahr 2030 zu treffen, und wie werden diese im Entscheidungsfindungsprozess jeweils gewichtet, und welche Rolle spielt bei der Entscheidung die neue Situation durch den Einmarsch Russlands in die Ukraine?
Die Fragen 15 und 16 werden gemeinsam beantwortet. Die Bundesregierung wird entsprechend der gesetzlichen Vorgaben eine umfassende Evaluierung des Kohleverstromungsbeendigungsgesetzes durchführen. Ziel der Evaluierung ist eine fachliche Bewertung des Kohleausstiegs auf wissenschaftlicher Grundlage. Dabei werden u. a. die Auswirkungen eines beschleunigten Kohleausstiegs auf die Versorgungssicherheit, die Aufrechterhaltung der Wärmeversorgung, die Strompreise, die Erreichung der Klimaschutzziele sowie die Sozialverträglichkeit analysiert. Auf Grundlage dieser Evaluierung wird die Bundesregierung entscheiden, mit welchen Instrumenten eine Beschleunigung des Kohleausstiegs idealerweise auf das Jahr 2030 umgesetzt werden kann.
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