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1,300 |
81 IV 145
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Sachverhalt ab Seite 145
Berger vollzog im September 1953 mit der am 15. März 1938 geborenen M. S. den Beischlaf, und im Oktober 1953 wiederholte er die Tat. Im Strafverfahren wegen Unzucht mit einem Kinde gab er seine Verbrechen vor dem Untersuchungsrichter zu, und M. S. sagte in der Untersuchung ihrerseits als Zeuge wahrheitsgemäss aus. In der Folge ersuchte Berger sie erfolglos, alles abzuleugnen. Das Obergericht des Kantons Bern verurteilte ihn daher am 30. November 1954 ausser wegen Unzucht mit einem Kinde auch wegen Versuchs der Anstiftung zu falscher Zeugenaussage. Berger führte Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag auf Freisprechung von der Anschuldigung des Versuchs der Anstiftung zu falschem Zeugnis. Sie wurde abgewiesen.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe gegenüber M. S. keinen strafbaren Versuch der Anstiftung zu falschem Zeugnis begangen, weil das Mädchen, wenn es als Zeuge falsch ausgesagt hätte, nicht zu Zuchthaus, sondern lediglich zu einer Massnahme gemäss Art. 89 ff.
StGB hätte verurteilt werden können, also nicht ein Verbrechen im Sinne des Art. 9 StGB verübt hätte.
Er verkennt, dass die Würdigung einer Tat als Verbrechen oder Vergehen nicht von der Strafe abhängt, die gegen den konkreten Täter ausgesprochen wird oder werden kann, sondern von der Strafe, die auf Handlungen dieser Art ohne Rücksicht auf besondere persönliche Verhältnisse, Eigenschaften und Umstände, die die Strafbarkeit des konkreten Täters mindern, erhöhen oder ausschliessen, angedroht ist (vgl. Art. 9 StGB; BGE 72 IV 51, BGE 74 IV 16). Einzig von der für Erwachsene angedrohten Strafe hängt die Würdigung der Tat als Verbrechen oder Vergehen insbesondere auch dann ab, wenn sie von einem Jugendlichen begangen wird. Würde auf die gegenüber Jugendlichen anwendbaren Massnahmen abgestellt, so wären die Handlungen dieser Personen weder Verbrechen noch Vergehen, könnten also z.B. auch Art. 24 Abs. 1 und Art. 25 StGB nicht angewendet werden. Wer einen Jugendlichen anstiftet oder ihm Hülfe leistet, wäre also straflos. Das kann das Gesetz nicht wollen. Dass die von Jugendlichen begangenen Handlungen Verbrechen oder Vergehen sein können, obschon der Täter nicht zu Zuchthaus bezw. Gefängnis verurteilt werden kann, ergibt sich auch aus Art. 95 Abs. 1 StGB, der die beiden Begriffe verwendet, ferner daraus, dass Art. 9 in einem Titel steht, der überwiegend (Ausnahmen siehe BGE 76 IV 274) Bestimmungen enthält, die für Handlungen von Jugendlichen so gut gelten wie für solche von Erwachsenen.
Wären demnach falsche Aussagen des Mädchens Verbrechen gewesen, so fällt der Versuch des Beschwerdeführers, es zu solchen zu bestimmen, unter Art. 24 Abs. 2 StGB.
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de
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Art. 9, 24 al. 2 CP. Le faux témoignage (art. 307 CP) est un crime même s'il est commis par un adolescent.
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criminal law and criminal procedure
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81 IV 145
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Sachverhalt ab Seite 145
Berger vollzog im September 1953 mit der am 15. März 1938 geborenen M. S. den Beischlaf, und im Oktober 1953 wiederholte er die Tat. Im Strafverfahren wegen Unzucht mit einem Kinde gab er seine Verbrechen vor dem Untersuchungsrichter zu, und M. S. sagte in der Untersuchung ihrerseits als Zeuge wahrheitsgemäss aus. In der Folge ersuchte Berger sie erfolglos, alles abzuleugnen. Das Obergericht des Kantons Bern verurteilte ihn daher am 30. November 1954 ausser wegen Unzucht mit einem Kinde auch wegen Versuchs der Anstiftung zu falscher Zeugenaussage. Berger führte Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag auf Freisprechung von der Anschuldigung des Versuchs der Anstiftung zu falschem Zeugnis. Sie wurde abgewiesen.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe gegenüber M. S. keinen strafbaren Versuch der Anstiftung zu falschem Zeugnis begangen, weil das Mädchen, wenn es als Zeuge falsch ausgesagt hätte, nicht zu Zuchthaus, sondern lediglich zu einer Massnahme gemäss Art. 89 ff.
StGB hätte verurteilt werden können, also nicht ein Verbrechen im Sinne des Art. 9 StGB verübt hätte.
Er verkennt, dass die Würdigung einer Tat als Verbrechen oder Vergehen nicht von der Strafe abhängt, die gegen den konkreten Täter ausgesprochen wird oder werden kann, sondern von der Strafe, die auf Handlungen dieser Art ohne Rücksicht auf besondere persönliche Verhältnisse, Eigenschaften und Umstände, die die Strafbarkeit des konkreten Täters mindern, erhöhen oder ausschliessen, angedroht ist (vgl. Art. 9 StGB; BGE 72 IV 51, BGE 74 IV 16). Einzig von der für Erwachsene angedrohten Strafe hängt die Würdigung der Tat als Verbrechen oder Vergehen insbesondere auch dann ab, wenn sie von einem Jugendlichen begangen wird. Würde auf die gegenüber Jugendlichen anwendbaren Massnahmen abgestellt, so wären die Handlungen dieser Personen weder Verbrechen noch Vergehen, könnten also z.B. auch Art. 24 Abs. 1 und Art. 25 StGB nicht angewendet werden. Wer einen Jugendlichen anstiftet oder ihm Hülfe leistet, wäre also straflos. Das kann das Gesetz nicht wollen. Dass die von Jugendlichen begangenen Handlungen Verbrechen oder Vergehen sein können, obschon der Täter nicht zu Zuchthaus bezw. Gefängnis verurteilt werden kann, ergibt sich auch aus Art. 95 Abs. 1 StGB, der die beiden Begriffe verwendet, ferner daraus, dass Art. 9 in einem Titel steht, der überwiegend (Ausnahmen siehe BGE 76 IV 274) Bestimmungen enthält, die für Handlungen von Jugendlichen so gut gelten wie für solche von Erwachsenen.
Wären demnach falsche Aussagen des Mädchens Verbrechen gewesen, so fällt der Versuch des Beschwerdeführers, es zu solchen zu bestimmen, unter Art. 24 Abs. 2 StGB.
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Art. 9, 24 cp. 2 CP. Costituisce un crimine anche la falsa testimonianza (art. 307 CP) fatta da un adolescente.
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81 IV 147
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Sachverhalt ab Seite 147
A.- Alois Kaufmann und seine Schwester Hedwig Studhalter waren Gesamteigentümer in Horw gelegener Grundstücke. Sie beschlossen, sie zu verkaufen. Am 15. März 1947 beauftragte Kaufmann den Hans Frank, einen Käufer zu suchen. Frank fand einen solchen in der Person des Robert Wegmann, der bereit war, für eine Parzelle von 30 Aren Fr. 75'000.-- zu bezahlen, und diesen Betrag am 6. November 1947 durch seinen Beauftragten Ernst Truninger dem Frank tatsächlich leistete. Im Kaufvertrag vom 14. November 1947 wurde indessen nur ein Preis von Fr. 51'000.-- (Fr. 17.- je m2) verurkundet. Frank lieferte dem Kaufmann nur Fr. 51'000.-- ab. Letzterer wusste nicht, dass Wegmann mehr bezahlt hatte.
In einem Strafverfahren gegen Kaufmann, das auf Anzeige der Hedwig Studhalter angehoben worden war, wurden die Eheleute Wegmann vom Amtstatthalter von Luzern-Land am 27. April 1950 als Zeugen abgehört. Beide erklärten wider besseres Wissen, Wegmann habe für die Parzelle nur Fr. 51'000.-- bezahlt. Truninger, der von Frank erfahren hatte, dass sie vorgeladen seien, hatte sie unmittelbar vorher aufgesucht und sie dazu bestimmt, einen Preis von Fr. 17.- je m2 anzugeben, falls sie als Zeugen verhört würden.
B.- Am 24. Dezember 1954 verurteilte das Obergericht des Kantons Luzern Truninger wegen Anstiftung zu falschem Zeugnis.
Truninger führt Nichtigkeitsbeschwerde mit den Anträgen, das Urteil sei aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an das Obergericht zurückzuweisen.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
4. Das Obergericht stellt fest, Frank habe am Tage vor den Verhören vom 27. April 1950 Frau Wegmann am Telephon ersucht, sie und ihr Ehemann sollten "nichts sagen", d.h. den wirklichen Kaufpreis verheimlichen. Daraus leitet der Beschwerdeführer ab, es hätte feststellen sollen, ob die Eheleute Wegmann nicht schon nach der Beeinflussung durch Frank zu falschem Zeugnis entschlossen gewesen seien; denn wenn das zugetroffen haben sollte, hätte der Beschwerdeführer sie nicht mehr anstiften, sondern zu ihrem Verbrechen nur noch Gehilfenschaft leisten können.
Diese Rüge hält nicht stand. Abgesehen davon, dass Frank lediglich mit Frau Wegmann telephonisch gesprochen hat und nicht feststeht, dass sie unter dem Einflusse dieses Gesprächs auf falsche Aussagen ihres Ehemannes hingewirkt habe - Frank ist denn auch nur wegen Anstiftung der Hulda Wegmann, nicht auch wegen Anstiftung ihres Ehemannes verurteilt worden -, und abgesehen davon, dass auch nicht feststeht, die telephonische Unterredung zwischen Frank und Frau Wegmann habe vor dem Besuche des Beschwerdeführers bei ihr und ihrem Ehemanne stattgefunden, verkennt der Beschwerdeführer, dass seine eigene Tat nicht deshalb keine Anstiftung sein könnte, weil ihr die Anstiftung durch Frank vorausgegangen wäre. Richtig ist zwar, dass nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung nicht angestiftet werden kann, wer schon zur Tat entschlossen ist (BGE 69 IV 205,BGE 72 IV 100), sondern dass diesfalls die Beeinflussung lediglich die Natur einer psychischen Gehilfenschaft haben kann (BGE 70 IV 19). Allein diese Rechtsprechung betrifft den Fall, in dem der Beeinflusste den Entschluss zur Tat aus freien Stücken schon von sich aus gefasst hatte, nicht auch den Fall der Hervorrufung des Entschlusses durch mehrere. Das versteht sich ohne weiteres, wenn mehrere in gemeinsamem Einvernehmen jemanden beeinflussen oder auch nur einer es tut und ein anderer am Zustandekommen des Anstiftungsplanes so massgebend beteiligt ist, dass er für dessen Ausführung als Mittäter einzustehen hat, wie wenn er an der Ausführung selber mitbeteiligt wäre; denn nach der vom Bundesgericht anerkannten subjektiven Theorie der Mittäterschaft hat hier jeder auch für das einzustehen, was der andere getan hat (BGE 69 IV 97,BGE 70 IV 34, 101,BGE 71 IV 60,BGE 76 IV 106, BGE 80 IV 266, BGE 81 IV 62). Umsomehr muss jeder für sein eigenes Tun einstehen, wenn mehrere unabhängig voneinander jemanden so unter Druck setzen, dass die Beeinflussung durch den einen allein schon genügen würde, den Täter zur Tat zu bestimmen (vgl. SCHÖNKE/SCHRÖDER §BGE 48 III 4). So verhielt es sich im vorliegenden Falle. Indem das Obergericht ausführt, die Anstiftung des Beschwerdeführers sei für das falsche Zeugnis der Eheleute Wegmann bestimmend gewesen, stellt es fest, dass diese Personen, insbesondere auch Hulda Wegmann, durch die Aufforderung seitens des Beschwerdeführers selbst dann zu falschem Zeugnis veranlasst worden wären, wenn Frank untätig geblieben wäre. Dass Frank seinerseits mit gleichem Erfolge auf Hulda Wegmann eingewirkt hat, steht daher der Würdigung der Tat des Beschwerdeführers als Anstiftung nicht im Wege. Solche wird auch nicht ausgeschlossen, weil der Beschwerdeführer gewusst haben will, dass vor ihm schon Frank Frau Wegmann bearbeitet habe. Das Wissen um eine Tatsache, die objektiv bedeutungslos ist, schliesst den subjektiven Tatbestand des Verbrechens nicht aus.
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de
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Art. 24 StGB. Wenn mehrere unabhängig voneinander jemanden zu einer strafbaren Handlung bestimmen, ist jeder als Anstifter strafbar.
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criminal law and criminal procedure
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IV
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81 IV 147
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Sachverhalt ab Seite 147
A.- Alois Kaufmann und seine Schwester Hedwig Studhalter waren Gesamteigentümer in Horw gelegener Grundstücke. Sie beschlossen, sie zu verkaufen. Am 15. März 1947 beauftragte Kaufmann den Hans Frank, einen Käufer zu suchen. Frank fand einen solchen in der Person des Robert Wegmann, der bereit war, für eine Parzelle von 30 Aren Fr. 75'000.-- zu bezahlen, und diesen Betrag am 6. November 1947 durch seinen Beauftragten Ernst Truninger dem Frank tatsächlich leistete. Im Kaufvertrag vom 14. November 1947 wurde indessen nur ein Preis von Fr. 51'000.-- (Fr. 17.- je m2) verurkundet. Frank lieferte dem Kaufmann nur Fr. 51'000.-- ab. Letzterer wusste nicht, dass Wegmann mehr bezahlt hatte.
In einem Strafverfahren gegen Kaufmann, das auf Anzeige der Hedwig Studhalter angehoben worden war, wurden die Eheleute Wegmann vom Amtstatthalter von Luzern-Land am 27. April 1950 als Zeugen abgehört. Beide erklärten wider besseres Wissen, Wegmann habe für die Parzelle nur Fr. 51'000.-- bezahlt. Truninger, der von Frank erfahren hatte, dass sie vorgeladen seien, hatte sie unmittelbar vorher aufgesucht und sie dazu bestimmt, einen Preis von Fr. 17.- je m2 anzugeben, falls sie als Zeugen verhört würden.
B.- Am 24. Dezember 1954 verurteilte das Obergericht des Kantons Luzern Truninger wegen Anstiftung zu falschem Zeugnis.
Truninger führt Nichtigkeitsbeschwerde mit den Anträgen, das Urteil sei aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an das Obergericht zurückzuweisen.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
4. Das Obergericht stellt fest, Frank habe am Tage vor den Verhören vom 27. April 1950 Frau Wegmann am Telephon ersucht, sie und ihr Ehemann sollten "nichts sagen", d.h. den wirklichen Kaufpreis verheimlichen. Daraus leitet der Beschwerdeführer ab, es hätte feststellen sollen, ob die Eheleute Wegmann nicht schon nach der Beeinflussung durch Frank zu falschem Zeugnis entschlossen gewesen seien; denn wenn das zugetroffen haben sollte, hätte der Beschwerdeführer sie nicht mehr anstiften, sondern zu ihrem Verbrechen nur noch Gehilfenschaft leisten können.
Diese Rüge hält nicht stand. Abgesehen davon, dass Frank lediglich mit Frau Wegmann telephonisch gesprochen hat und nicht feststeht, dass sie unter dem Einflusse dieses Gesprächs auf falsche Aussagen ihres Ehemannes hingewirkt habe - Frank ist denn auch nur wegen Anstiftung der Hulda Wegmann, nicht auch wegen Anstiftung ihres Ehemannes verurteilt worden -, und abgesehen davon, dass auch nicht feststeht, die telephonische Unterredung zwischen Frank und Frau Wegmann habe vor dem Besuche des Beschwerdeführers bei ihr und ihrem Ehemanne stattgefunden, verkennt der Beschwerdeführer, dass seine eigene Tat nicht deshalb keine Anstiftung sein könnte, weil ihr die Anstiftung durch Frank vorausgegangen wäre. Richtig ist zwar, dass nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung nicht angestiftet werden kann, wer schon zur Tat entschlossen ist (BGE 69 IV 205,BGE 72 IV 100), sondern dass diesfalls die Beeinflussung lediglich die Natur einer psychischen Gehilfenschaft haben kann (BGE 70 IV 19). Allein diese Rechtsprechung betrifft den Fall, in dem der Beeinflusste den Entschluss zur Tat aus freien Stücken schon von sich aus gefasst hatte, nicht auch den Fall der Hervorrufung des Entschlusses durch mehrere. Das versteht sich ohne weiteres, wenn mehrere in gemeinsamem Einvernehmen jemanden beeinflussen oder auch nur einer es tut und ein anderer am Zustandekommen des Anstiftungsplanes so massgebend beteiligt ist, dass er für dessen Ausführung als Mittäter einzustehen hat, wie wenn er an der Ausführung selber mitbeteiligt wäre; denn nach der vom Bundesgericht anerkannten subjektiven Theorie der Mittäterschaft hat hier jeder auch für das einzustehen, was der andere getan hat (BGE 69 IV 97,BGE 70 IV 34, 101,BGE 71 IV 60,BGE 76 IV 106, BGE 80 IV 266, BGE 81 IV 62). Umsomehr muss jeder für sein eigenes Tun einstehen, wenn mehrere unabhängig voneinander jemanden so unter Druck setzen, dass die Beeinflussung durch den einen allein schon genügen würde, den Täter zur Tat zu bestimmen (vgl. SCHÖNKE/SCHRÖDER §BGE 48 III 4). So verhielt es sich im vorliegenden Falle. Indem das Obergericht ausführt, die Anstiftung des Beschwerdeführers sei für das falsche Zeugnis der Eheleute Wegmann bestimmend gewesen, stellt es fest, dass diese Personen, insbesondere auch Hulda Wegmann, durch die Aufforderung seitens des Beschwerdeführers selbst dann zu falschem Zeugnis veranlasst worden wären, wenn Frank untätig geblieben wäre. Dass Frank seinerseits mit gleichem Erfolge auf Hulda Wegmann eingewirkt hat, steht daher der Würdigung der Tat des Beschwerdeführers als Anstiftung nicht im Wege. Solche wird auch nicht ausgeschlossen, weil der Beschwerdeführer gewusst haben will, dass vor ihm schon Frank Frau Wegmann bearbeitet habe. Das Wissen um eine Tatsache, die objektiv bedeutungslos ist, schliesst den subjektiven Tatbestand des Verbrechens nicht aus.
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de
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Art. 24 CP. Lorsque plusieurs personnes indépendamment les unes des autres décident quelqu'un à commettre une infraction, elles sont punissables chacune pour instigation.
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IV
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https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F81-IV-147%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document
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81 IV 147
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Sachverhalt ab Seite 147
A.- Alois Kaufmann und seine Schwester Hedwig Studhalter waren Gesamteigentümer in Horw gelegener Grundstücke. Sie beschlossen, sie zu verkaufen. Am 15. März 1947 beauftragte Kaufmann den Hans Frank, einen Käufer zu suchen. Frank fand einen solchen in der Person des Robert Wegmann, der bereit war, für eine Parzelle von 30 Aren Fr. 75'000.-- zu bezahlen, und diesen Betrag am 6. November 1947 durch seinen Beauftragten Ernst Truninger dem Frank tatsächlich leistete. Im Kaufvertrag vom 14. November 1947 wurde indessen nur ein Preis von Fr. 51'000.-- (Fr. 17.- je m2) verurkundet. Frank lieferte dem Kaufmann nur Fr. 51'000.-- ab. Letzterer wusste nicht, dass Wegmann mehr bezahlt hatte.
In einem Strafverfahren gegen Kaufmann, das auf Anzeige der Hedwig Studhalter angehoben worden war, wurden die Eheleute Wegmann vom Amtstatthalter von Luzern-Land am 27. April 1950 als Zeugen abgehört. Beide erklärten wider besseres Wissen, Wegmann habe für die Parzelle nur Fr. 51'000.-- bezahlt. Truninger, der von Frank erfahren hatte, dass sie vorgeladen seien, hatte sie unmittelbar vorher aufgesucht und sie dazu bestimmt, einen Preis von Fr. 17.- je m2 anzugeben, falls sie als Zeugen verhört würden.
B.- Am 24. Dezember 1954 verurteilte das Obergericht des Kantons Luzern Truninger wegen Anstiftung zu falschem Zeugnis.
Truninger führt Nichtigkeitsbeschwerde mit den Anträgen, das Urteil sei aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an das Obergericht zurückzuweisen.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
4. Das Obergericht stellt fest, Frank habe am Tage vor den Verhören vom 27. April 1950 Frau Wegmann am Telephon ersucht, sie und ihr Ehemann sollten "nichts sagen", d.h. den wirklichen Kaufpreis verheimlichen. Daraus leitet der Beschwerdeführer ab, es hätte feststellen sollen, ob die Eheleute Wegmann nicht schon nach der Beeinflussung durch Frank zu falschem Zeugnis entschlossen gewesen seien; denn wenn das zugetroffen haben sollte, hätte der Beschwerdeführer sie nicht mehr anstiften, sondern zu ihrem Verbrechen nur noch Gehilfenschaft leisten können.
Diese Rüge hält nicht stand. Abgesehen davon, dass Frank lediglich mit Frau Wegmann telephonisch gesprochen hat und nicht feststeht, dass sie unter dem Einflusse dieses Gesprächs auf falsche Aussagen ihres Ehemannes hingewirkt habe - Frank ist denn auch nur wegen Anstiftung der Hulda Wegmann, nicht auch wegen Anstiftung ihres Ehemannes verurteilt worden -, und abgesehen davon, dass auch nicht feststeht, die telephonische Unterredung zwischen Frank und Frau Wegmann habe vor dem Besuche des Beschwerdeführers bei ihr und ihrem Ehemanne stattgefunden, verkennt der Beschwerdeführer, dass seine eigene Tat nicht deshalb keine Anstiftung sein könnte, weil ihr die Anstiftung durch Frank vorausgegangen wäre. Richtig ist zwar, dass nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung nicht angestiftet werden kann, wer schon zur Tat entschlossen ist (BGE 69 IV 205,BGE 72 IV 100), sondern dass diesfalls die Beeinflussung lediglich die Natur einer psychischen Gehilfenschaft haben kann (BGE 70 IV 19). Allein diese Rechtsprechung betrifft den Fall, in dem der Beeinflusste den Entschluss zur Tat aus freien Stücken schon von sich aus gefasst hatte, nicht auch den Fall der Hervorrufung des Entschlusses durch mehrere. Das versteht sich ohne weiteres, wenn mehrere in gemeinsamem Einvernehmen jemanden beeinflussen oder auch nur einer es tut und ein anderer am Zustandekommen des Anstiftungsplanes so massgebend beteiligt ist, dass er für dessen Ausführung als Mittäter einzustehen hat, wie wenn er an der Ausführung selber mitbeteiligt wäre; denn nach der vom Bundesgericht anerkannten subjektiven Theorie der Mittäterschaft hat hier jeder auch für das einzustehen, was der andere getan hat (BGE 69 IV 97,BGE 70 IV 34, 101,BGE 71 IV 60,BGE 76 IV 106, BGE 80 IV 266, BGE 81 IV 62). Umsomehr muss jeder für sein eigenes Tun einstehen, wenn mehrere unabhängig voneinander jemanden so unter Druck setzen, dass die Beeinflussung durch den einen allein schon genügen würde, den Täter zur Tat zu bestimmen (vgl. SCHÖNKE/SCHRÖDER §BGE 48 III 4). So verhielt es sich im vorliegenden Falle. Indem das Obergericht ausführt, die Anstiftung des Beschwerdeführers sei für das falsche Zeugnis der Eheleute Wegmann bestimmend gewesen, stellt es fest, dass diese Personen, insbesondere auch Hulda Wegmann, durch die Aufforderung seitens des Beschwerdeführers selbst dann zu falschem Zeugnis veranlasst worden wären, wenn Frank untätig geblieben wäre. Dass Frank seinerseits mit gleichem Erfolge auf Hulda Wegmann eingewirkt hat, steht daher der Würdigung der Tat des Beschwerdeführers als Anstiftung nicht im Wege. Solche wird auch nicht ausgeschlossen, weil der Beschwerdeführer gewusst haben will, dass vor ihm schon Frank Frau Wegmann bearbeitet habe. Das Wissen um eine Tatsache, die objektiv bedeutungslos ist, schliesst den subjektiven Tatbestand des Verbrechens nicht aus.
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de
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Art. 24 CP. Quando due persone, l'una indipendentemente dall'altra, determinano un terzo a commettere un reato, ciascuna di loro è punibile per istigazione.
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criminal law and criminal procedure
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https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F81-IV-147%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document
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81 IV 150
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Sachverhalt ab Seite 150
A.- Fritz Christen, geb. 1899, ist deutlich, aber nicht hochgradig debil. Die Schule beendete er nach der sechsten Klasse, da er dreimal wiederholen musste. Beruf erlernte er keinen. Wie schon durch die Mitschüler, wurde er auch durch seine Nebenarbeiter oft ausgelacht. Niemand liebte ihn. Beziehungen zum Weibe vermochte er keine anzuknüpfen. Er überwertete eine Missbildung seines Geschlechtsteils so sehr, dass er sich nur als halber Mensch vorkam. Die chronische Verdrängung seiner agressiven und sexuellen Triebe führte zu einem neurotischen Charakter. Christen entwickelte sich zu einem wortkargen, verschlossenen und misstrauischen Manne, den andere, auch ohne näher mit ihm zu verkehren, als guten Kerl beurteilten. Er war gut beleumdet und hatte sich nie vor dem Strafrichter zu verantworten. Wahrscheinlich wurde schliesslich noch durch den Beginn einer Arteriosklerose sein Hirn verändert.
Am 10. September 1953 gegen 7 Uhr trat Christen von seiner Wohnung an der Dättnauerstrasse in Winterthur-Töss aus den Weg nach dem Kantonsspital an, wo er wegen eines Oberarmbruches eine Nachbehandlung durchmachte. Unterwegs, in der Nähe der Stelle, wo der Kronenrainweg in den Ebnet-Wald führt, traf er die im Jahre 1941 geborene Ursula Weishaupt, die auf dem Wege zur Schule war. Nachdem er mit dem Mädchen ungefähr fünfzig Meter weit gegangen war, trat es zu einer Sandkiste in der Nähe des Weges und urinierte. Der Anblick des entkleideten Unterleibes des Kindes gab Christen einen solchen Schock, dass seine chronisch gestauten Triebe ausbrachen. Er stürzte sich auf das Mädchen und warf es nieder, um es am Geschlechtsteil ausgreifen zu können. Indem er ihm mit einer Hand den Mund zuhielt und ihm Schürze und Rock über den Kopf stülpte, hinderte er es am Schreien. Mit dem linken Arm den Nacken des Mädchens umfassend und dessen Gesicht gegen seinen Körper pressend, würgte er das Opfer, schleppte es in ein kleines ausgetrocknetes Bachtobel und liess es dort zu Boden fallen. Hierauf schnitt er dem bewusstlosen Kinde mit einem Taschenmesser vorn auf beiden Seiten die Hosen auf, griff ihm mit dem rechten Mittelfinger in die Scheide und tötete es, indem er ihm mit dem Messer fünf Stiche in den Hals und einen Stich in die linke Schulter versetzte und es würgte. Er deckte die Leiche mit Ästen zu, reinigte sich und ging seines Weges nach dem Kantonsspital, führte unterwegs im Autobus mit einem Dritten ein belangloses Gespräch und bewahrte auch im Spital seine Ruhe. Nachher besuchte er eine Wirtschaft, ass und kehrte auf dem Heimweg noch zwei weitere Male ein.
B.- Am 17. Februar 1955 verurteilte das Obergericht des Kantons Zürich Christen wegen Mordes (Art. 112 StGB) zu zwölf Jahren Zuchthaus, abzüglich 491 Tage Untersuchungs- und Sicherheitshaft, und stellte ihn für sieben Jahre in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit ein.
Das Gericht nahm übereinstimmend mit dem Sachverständigen an, der.Angeklagte habe in einem Affektdämmerzustande gehandelt, wobei seine Fähigkeit zur Einsicht in das Unrecht der Tat nicht wesentlich beeinträchtigt, jedoch die Fähigkeit, sich gemäss seiner Einsicht zu verhalten, wegen der sensitiven Debilität und der Störungen im Hirn mindestens mittelstark vermindert gewesen sei (Art. 11 StGB). Es führte weiter aus, die Begehung der Tat im erwähnten Zustande schliesse den Vorwurf aus, Christen habe mit einer Überlegung getötet, die seine besonders verwerfliche Gesinnung oder seine Gefährlichkeit im Sinne des Art. 112 StGB offenbaren könnte. Ob dagegen die Umstände der Tat eine besonders verwerfliche Gesinnung oder Gefährlichkeit des Täters verrieten, beurteile sich unabhängig von dessen Geisteszustand. Zu diesen Umständen gehörten auch die Beweggründe. Christen erinnere sich nicht mehr an die Einzelheiten seines Verbrechens und wisse auch nicht, warum er Ursula Weishaupt getötet habe. Die Tat sei nach ihrem Verlaufe ein typischer Lustmord. Es müsse angenommen werden, Christen habe entweder in sexueller Ekstase und zur Befriedigung seines plötzlich hervorbrechenden Geschlechtstriebes gehandelt, oder um die Entdeckung seines Sittlichkeitsdeliktes zu verhindern, oder aus beiden Motiven zugleich. Der eine wie der andere Beweggrund offenbare eine besonders verwerfliche Gesinnung. Auch durch das Verhalten nach der Tat, das von einer grossen Kaltblütigkeit und vom Mangel jeder echten Reue zeuge, habe Christen solche Gesinnung bekundet. Die Umstände der Tat zeigten auch seine Gefährlichkeit, nämlich dass er fähig sei, unter den gleichen oder anderen Umständen ein ähnliches Verbrechen zu begehen. Das psychiatrische Gutachten komme überzeugend zum Schluss, das sei möglich. Dass Christen in heftiger Gemütsbewegung getötet habe, führe nicht zur Anwendung der Bestimmung über Totschlag (Art. 113 StGB). Wenn eine Tat die Merkmale des Mordes aufweise, der gegenüber der vorsätzlichen Tötung (Art. 111) qualifizierter Tatbestand sei, könnte sie nicht zugleich den privilegierten Tatbestand des Totschlages erfüllen. Eine Tötung in sexueller Erregung sei zudem nicht entschuldbar.
C.- Christen führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, er sei statt des Mordes des Totschlages, eventuell der vorsätzlichen Tötung, schuldig zu erklären und entsprechend milder zu bestrafen.
D.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Der Entwurf des Bundesrates zum Strafgesetzbuch sah im Täter einen Mörder, wenn er "aus Mordlust, aus Habgier, um die Begehung eines anderen Vergehens zu verdecken oder zu erleichtern, mit besonderer Grausamkeit, heimtückisch, durch Feuer, Sprengstoffe oder andere Mittel, die geeignet sind, Leib und Leben vieler Menschen zu gefährden", vorsätzlich einen Menschen töte (Art. 99). Nach Art. 112 StGB dagegen begeht einen Mord, wer "unter Umständen oder mit einer Überlegung tötet, die seine besonders verwerfliche Gesinnung oder seine Gefährlichkeit offenbaren".
Über diese Abweichung vom Entwurfe darf nicht hinweggesehen werden. Sie wurde von den eidgenössischen Räten beschlossen, weil die kasuistische Aufzählung nicht befriedigte, insbesondere weil befürchtet wurde, sie könnte Lücken aufweisen (Sten Bull, Sonderausgabe, NatR 251, 252, 266, StR 137). Daher geht es nicht an, mit dem Beschwerdeführer den Tatbestand des Mordes nur zu bejahen, wenn die besonders verwerfliche Gesinnung oder die Gefährlichkeit des Täters sich in einer der in Art. 99 des Entwurfes aufgezählten Tatsachen (Mordlust, Habgier, besondere Grausamkeit usw.) äussert. Sie kann sich auch aus anderen Umständen oder Überlegungen des Täters ergeben, wie anderseits die in Art. 99 des Entwurfes aufgezählten Beweggründe und Arten des Vorgehens die Tat nicht notwendigerweise zum Morde machen.
2. Der deutsche Text des Art. 112 StGB verlangt nicht, dass die Gefährlichkeit des Täters einen besonderen Grad erreiche; denn das Wort "besonders" bezieht sich grammatikalisch nur auf "verwerfliche Gesinnung", nicht auch auf "Gefährlichkeit". Der französische Text, lautend: "Si le délinquant a tué dans des circonstances ou avec une préméditation dénotant qu'il est particulièrement pervers ou dangereux...", lässt eine andere Auslegung zu. Der italienische Text mit der Wendung "particolare pericolosità o perversità" sodann verlangt ausdrücklich die besondere Gefährlichkeit.
Welche Fassung den Sinn richtig wiedergibt, kann dahingestellt bleiben; denn der Beschwerdeführer hat unter Umständen getötet, die nicht nur seine Gefährlichkeit, sondern seine besondere Gefährlichkeit offenbaren. Sie ergibt sich daraus, dass er über ein zufällig des Weges kommendes zwölfjähriges Mädchen aus dem einzigen Grunde, weil es ahnungslos zur Verrichtung der Notdurft vor ihm die unteren Teile des Körpers entblösste, in einem Affektdämmerzustand einherfiel und es hierauf entweder im Sinnenrausch, oder damit es ihn nicht als Täter der an ihm begangenen Unzucht verraten könne, durch Messerstiche und Würgen tötete. Nach der verbindlichen Feststellung des Obergerichts befindet er sich in einem Geisteszustand, der befürchten lässt, dass seine chronisch gestauten Affekte unter gleichen oder anderen Umständen erneut ausbrechen und ihn zu einer ähnlichen Tat treiben werden. Der Beschwerdeführer verkennt den Sinn des Art. 112, wenn er glaubt, die besondere Gefährlichkeit sei zu verneinen, weil er seinen Zustand nicht verschuldet habe. Ob verschuldet oder nicht, hat diese Geistesverfassung sich in der vom Beschwerdeführer schuldhaft begangenen Tat offenbart. Das genügt, die besondere Gefährlichkeit als (alternatives) Merkmal des Mordes zu bejahen. Dass sie ihre Ursache in der Gesinnung habe, setzt Art. 112 nicht voraus.
Ob die Umstände der Tat ausserdem eine besonders verwerfliche Gesinnung verraten, oder ob diese zu verneinen wäre, weil der Beschwerdeführer im Affektdämmerzustande gehandelt hat, kann dahingestellt bleiben.
3. Art. 113 StGB droht dem Täter mildere Strafe an, wenn er in einer nach den Umständen entschuldbaren heftigen Gemütsbewegung tötet.
Das Obergericht verkennt den Sinn dieser Bestimmung, wenn es ihren Tatbestand verneint, weil die Entschuldbarkeit davon abhange, was der Täter in der Gemütsbewegung getan hat, eine in geschlechtlicher Erregung begangene Tötung aber nicht entschuldbar sei. Art. 113 setzt nach seinem klaren Wortlaut lediglich voraus, dass die heftige Gemütsbewegung, nicht auch, dass die in ihr begangene Tat entschuldigt werden könne.
Ob der Affektdämmerzustand, in dem die heftige, den Beschwerdeführer zur Tötung treibende Gemütsbewegung bestand, entschuldbar war, da das Mädchen seine den Beschwerdeführer so unerwartet beeindruckenden Körperteile unaufgefordert entblösst hatte, kann jedoch dahingestellt bleiben. Denn selbst wenn die Tat ausser den Tatbestandsmerkmalen des Art. 112 auch jene des Art. 113 aufweisen sollte, wäre der Beschwerdeführer zu Recht nach ersterer Bestimmung verurteilt worden. Der Grundtatbestand der vorsätzlichen Verbrechen und Vergehen gegen das Leben ist in Art. 111 (vorsätzliche Tötung) normiert (Botschaft des Bundesrates zum Entwurf S. 30; Sten Bull, Sonderausgabe, NatR 266). Nur im Verhältnis zu diesem ist Totschlag privilegierter Tatbestand, nicht auch im Verhältnis zum Mord (Art. 112), der qualifizierter Fall ist. Es kann nicht der Sinn des Gesetzes sein, dem privilegierenden Merkmal den Vorrang vor dem qualifizierenden zu geben. Im Volke gilt sowohl der Lustmörder, der sein Opfer im Sinnenrausch umbringt, als auch der Sittlichkeitsverbrecher, der es lediglich tötet, damit es ihn nicht verraten kann, auch dann als ein mit der vollen Strenge des Gesetzes zu züchtigender Mörder, wenn er in heftiger Gemütsbewegung, möge sie entschuldbar sein oder nicht, gehandelt hat. Hierauf hat in Bezug auf den Lustmord und andere Fälle schon Zürcher in der zweiten Expertenkommission hingewiesen (Prot. 2148). Er hat auch, ohne dass ihm widersprochen worden wäre, betont, dass die Merkmale des Mordes die Annahme eines blossen Totschlages ausschliessen (Prot. 2162). Ein anderes Mitglied der Kommission hat der Bestimmung über Mord wenigstens in dem Sinne den Vorrang gegeben, dass es für die Fälle des Mordes die entschuldbare Gemütsbewegung überhaupt verneint hat (Prot. 8 221).
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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Art. 112 StGB, Mord. a) Umstände, die eine besondere Gefährlichkeit des Täters offenbaren.
b) Art. 112 geht dem Art. 113 StGB vor.
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81 IV 150
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Sachverhalt ab Seite 150
A.- Fritz Christen, geb. 1899, ist deutlich, aber nicht hochgradig debil. Die Schule beendete er nach der sechsten Klasse, da er dreimal wiederholen musste. Beruf erlernte er keinen. Wie schon durch die Mitschüler, wurde er auch durch seine Nebenarbeiter oft ausgelacht. Niemand liebte ihn. Beziehungen zum Weibe vermochte er keine anzuknüpfen. Er überwertete eine Missbildung seines Geschlechtsteils so sehr, dass er sich nur als halber Mensch vorkam. Die chronische Verdrängung seiner agressiven und sexuellen Triebe führte zu einem neurotischen Charakter. Christen entwickelte sich zu einem wortkargen, verschlossenen und misstrauischen Manne, den andere, auch ohne näher mit ihm zu verkehren, als guten Kerl beurteilten. Er war gut beleumdet und hatte sich nie vor dem Strafrichter zu verantworten. Wahrscheinlich wurde schliesslich noch durch den Beginn einer Arteriosklerose sein Hirn verändert.
Am 10. September 1953 gegen 7 Uhr trat Christen von seiner Wohnung an der Dättnauerstrasse in Winterthur-Töss aus den Weg nach dem Kantonsspital an, wo er wegen eines Oberarmbruches eine Nachbehandlung durchmachte. Unterwegs, in der Nähe der Stelle, wo der Kronenrainweg in den Ebnet-Wald führt, traf er die im Jahre 1941 geborene Ursula Weishaupt, die auf dem Wege zur Schule war. Nachdem er mit dem Mädchen ungefähr fünfzig Meter weit gegangen war, trat es zu einer Sandkiste in der Nähe des Weges und urinierte. Der Anblick des entkleideten Unterleibes des Kindes gab Christen einen solchen Schock, dass seine chronisch gestauten Triebe ausbrachen. Er stürzte sich auf das Mädchen und warf es nieder, um es am Geschlechtsteil ausgreifen zu können. Indem er ihm mit einer Hand den Mund zuhielt und ihm Schürze und Rock über den Kopf stülpte, hinderte er es am Schreien. Mit dem linken Arm den Nacken des Mädchens umfassend und dessen Gesicht gegen seinen Körper pressend, würgte er das Opfer, schleppte es in ein kleines ausgetrocknetes Bachtobel und liess es dort zu Boden fallen. Hierauf schnitt er dem bewusstlosen Kinde mit einem Taschenmesser vorn auf beiden Seiten die Hosen auf, griff ihm mit dem rechten Mittelfinger in die Scheide und tötete es, indem er ihm mit dem Messer fünf Stiche in den Hals und einen Stich in die linke Schulter versetzte und es würgte. Er deckte die Leiche mit Ästen zu, reinigte sich und ging seines Weges nach dem Kantonsspital, führte unterwegs im Autobus mit einem Dritten ein belangloses Gespräch und bewahrte auch im Spital seine Ruhe. Nachher besuchte er eine Wirtschaft, ass und kehrte auf dem Heimweg noch zwei weitere Male ein.
B.- Am 17. Februar 1955 verurteilte das Obergericht des Kantons Zürich Christen wegen Mordes (Art. 112 StGB) zu zwölf Jahren Zuchthaus, abzüglich 491 Tage Untersuchungs- und Sicherheitshaft, und stellte ihn für sieben Jahre in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit ein.
Das Gericht nahm übereinstimmend mit dem Sachverständigen an, der.Angeklagte habe in einem Affektdämmerzustande gehandelt, wobei seine Fähigkeit zur Einsicht in das Unrecht der Tat nicht wesentlich beeinträchtigt, jedoch die Fähigkeit, sich gemäss seiner Einsicht zu verhalten, wegen der sensitiven Debilität und der Störungen im Hirn mindestens mittelstark vermindert gewesen sei (Art. 11 StGB). Es führte weiter aus, die Begehung der Tat im erwähnten Zustande schliesse den Vorwurf aus, Christen habe mit einer Überlegung getötet, die seine besonders verwerfliche Gesinnung oder seine Gefährlichkeit im Sinne des Art. 112 StGB offenbaren könnte. Ob dagegen die Umstände der Tat eine besonders verwerfliche Gesinnung oder Gefährlichkeit des Täters verrieten, beurteile sich unabhängig von dessen Geisteszustand. Zu diesen Umständen gehörten auch die Beweggründe. Christen erinnere sich nicht mehr an die Einzelheiten seines Verbrechens und wisse auch nicht, warum er Ursula Weishaupt getötet habe. Die Tat sei nach ihrem Verlaufe ein typischer Lustmord. Es müsse angenommen werden, Christen habe entweder in sexueller Ekstase und zur Befriedigung seines plötzlich hervorbrechenden Geschlechtstriebes gehandelt, oder um die Entdeckung seines Sittlichkeitsdeliktes zu verhindern, oder aus beiden Motiven zugleich. Der eine wie der andere Beweggrund offenbare eine besonders verwerfliche Gesinnung. Auch durch das Verhalten nach der Tat, das von einer grossen Kaltblütigkeit und vom Mangel jeder echten Reue zeuge, habe Christen solche Gesinnung bekundet. Die Umstände der Tat zeigten auch seine Gefährlichkeit, nämlich dass er fähig sei, unter den gleichen oder anderen Umständen ein ähnliches Verbrechen zu begehen. Das psychiatrische Gutachten komme überzeugend zum Schluss, das sei möglich. Dass Christen in heftiger Gemütsbewegung getötet habe, führe nicht zur Anwendung der Bestimmung über Totschlag (Art. 113 StGB). Wenn eine Tat die Merkmale des Mordes aufweise, der gegenüber der vorsätzlichen Tötung (Art. 111) qualifizierter Tatbestand sei, könnte sie nicht zugleich den privilegierten Tatbestand des Totschlages erfüllen. Eine Tötung in sexueller Erregung sei zudem nicht entschuldbar.
C.- Christen führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, er sei statt des Mordes des Totschlages, eventuell der vorsätzlichen Tötung, schuldig zu erklären und entsprechend milder zu bestrafen.
D.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Der Entwurf des Bundesrates zum Strafgesetzbuch sah im Täter einen Mörder, wenn er "aus Mordlust, aus Habgier, um die Begehung eines anderen Vergehens zu verdecken oder zu erleichtern, mit besonderer Grausamkeit, heimtückisch, durch Feuer, Sprengstoffe oder andere Mittel, die geeignet sind, Leib und Leben vieler Menschen zu gefährden", vorsätzlich einen Menschen töte (Art. 99). Nach Art. 112 StGB dagegen begeht einen Mord, wer "unter Umständen oder mit einer Überlegung tötet, die seine besonders verwerfliche Gesinnung oder seine Gefährlichkeit offenbaren".
Über diese Abweichung vom Entwurfe darf nicht hinweggesehen werden. Sie wurde von den eidgenössischen Räten beschlossen, weil die kasuistische Aufzählung nicht befriedigte, insbesondere weil befürchtet wurde, sie könnte Lücken aufweisen (Sten Bull, Sonderausgabe, NatR 251, 252, 266, StR 137). Daher geht es nicht an, mit dem Beschwerdeführer den Tatbestand des Mordes nur zu bejahen, wenn die besonders verwerfliche Gesinnung oder die Gefährlichkeit des Täters sich in einer der in Art. 99 des Entwurfes aufgezählten Tatsachen (Mordlust, Habgier, besondere Grausamkeit usw.) äussert. Sie kann sich auch aus anderen Umständen oder Überlegungen des Täters ergeben, wie anderseits die in Art. 99 des Entwurfes aufgezählten Beweggründe und Arten des Vorgehens die Tat nicht notwendigerweise zum Morde machen.
2. Der deutsche Text des Art. 112 StGB verlangt nicht, dass die Gefährlichkeit des Täters einen besonderen Grad erreiche; denn das Wort "besonders" bezieht sich grammatikalisch nur auf "verwerfliche Gesinnung", nicht auch auf "Gefährlichkeit". Der französische Text, lautend: "Si le délinquant a tué dans des circonstances ou avec une préméditation dénotant qu'il est particulièrement pervers ou dangereux...", lässt eine andere Auslegung zu. Der italienische Text mit der Wendung "particolare pericolosità o perversità" sodann verlangt ausdrücklich die besondere Gefährlichkeit.
Welche Fassung den Sinn richtig wiedergibt, kann dahingestellt bleiben; denn der Beschwerdeführer hat unter Umständen getötet, die nicht nur seine Gefährlichkeit, sondern seine besondere Gefährlichkeit offenbaren. Sie ergibt sich daraus, dass er über ein zufällig des Weges kommendes zwölfjähriges Mädchen aus dem einzigen Grunde, weil es ahnungslos zur Verrichtung der Notdurft vor ihm die unteren Teile des Körpers entblösste, in einem Affektdämmerzustand einherfiel und es hierauf entweder im Sinnenrausch, oder damit es ihn nicht als Täter der an ihm begangenen Unzucht verraten könne, durch Messerstiche und Würgen tötete. Nach der verbindlichen Feststellung des Obergerichts befindet er sich in einem Geisteszustand, der befürchten lässt, dass seine chronisch gestauten Affekte unter gleichen oder anderen Umständen erneut ausbrechen und ihn zu einer ähnlichen Tat treiben werden. Der Beschwerdeführer verkennt den Sinn des Art. 112, wenn er glaubt, die besondere Gefährlichkeit sei zu verneinen, weil er seinen Zustand nicht verschuldet habe. Ob verschuldet oder nicht, hat diese Geistesverfassung sich in der vom Beschwerdeführer schuldhaft begangenen Tat offenbart. Das genügt, die besondere Gefährlichkeit als (alternatives) Merkmal des Mordes zu bejahen. Dass sie ihre Ursache in der Gesinnung habe, setzt Art. 112 nicht voraus.
Ob die Umstände der Tat ausserdem eine besonders verwerfliche Gesinnung verraten, oder ob diese zu verneinen wäre, weil der Beschwerdeführer im Affektdämmerzustande gehandelt hat, kann dahingestellt bleiben.
3. Art. 113 StGB droht dem Täter mildere Strafe an, wenn er in einer nach den Umständen entschuldbaren heftigen Gemütsbewegung tötet.
Das Obergericht verkennt den Sinn dieser Bestimmung, wenn es ihren Tatbestand verneint, weil die Entschuldbarkeit davon abhange, was der Täter in der Gemütsbewegung getan hat, eine in geschlechtlicher Erregung begangene Tötung aber nicht entschuldbar sei. Art. 113 setzt nach seinem klaren Wortlaut lediglich voraus, dass die heftige Gemütsbewegung, nicht auch, dass die in ihr begangene Tat entschuldigt werden könne.
Ob der Affektdämmerzustand, in dem die heftige, den Beschwerdeführer zur Tötung treibende Gemütsbewegung bestand, entschuldbar war, da das Mädchen seine den Beschwerdeführer so unerwartet beeindruckenden Körperteile unaufgefordert entblösst hatte, kann jedoch dahingestellt bleiben. Denn selbst wenn die Tat ausser den Tatbestandsmerkmalen des Art. 112 auch jene des Art. 113 aufweisen sollte, wäre der Beschwerdeführer zu Recht nach ersterer Bestimmung verurteilt worden. Der Grundtatbestand der vorsätzlichen Verbrechen und Vergehen gegen das Leben ist in Art. 111 (vorsätzliche Tötung) normiert (Botschaft des Bundesrates zum Entwurf S. 30; Sten Bull, Sonderausgabe, NatR 266). Nur im Verhältnis zu diesem ist Totschlag privilegierter Tatbestand, nicht auch im Verhältnis zum Mord (Art. 112), der qualifizierter Fall ist. Es kann nicht der Sinn des Gesetzes sein, dem privilegierenden Merkmal den Vorrang vor dem qualifizierenden zu geben. Im Volke gilt sowohl der Lustmörder, der sein Opfer im Sinnenrausch umbringt, als auch der Sittlichkeitsverbrecher, der es lediglich tötet, damit es ihn nicht verraten kann, auch dann als ein mit der vollen Strenge des Gesetzes zu züchtigender Mörder, wenn er in heftiger Gemütsbewegung, möge sie entschuldbar sein oder nicht, gehandelt hat. Hierauf hat in Bezug auf den Lustmord und andere Fälle schon Zürcher in der zweiten Expertenkommission hingewiesen (Prot. 2148). Er hat auch, ohne dass ihm widersprochen worden wäre, betont, dass die Merkmale des Mordes die Annahme eines blossen Totschlages ausschliessen (Prot. 2162). Ein anderes Mitglied der Kommission hat der Bestimmung über Mord wenigstens in dem Sinne den Vorrang gegeben, dass es für die Fälle des Mordes die entschuldbare Gemütsbewegung überhaupt verneint hat (Prot. 8 221).
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Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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Art. 112 CP. Assassinat. a) Circonstances qui manifestent que l'auteur est particulièrement dangereux.
b) L'art. 112 prime l'art. 113 CP.
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Sachverhalt ab Seite 150
A.- Fritz Christen, geb. 1899, ist deutlich, aber nicht hochgradig debil. Die Schule beendete er nach der sechsten Klasse, da er dreimal wiederholen musste. Beruf erlernte er keinen. Wie schon durch die Mitschüler, wurde er auch durch seine Nebenarbeiter oft ausgelacht. Niemand liebte ihn. Beziehungen zum Weibe vermochte er keine anzuknüpfen. Er überwertete eine Missbildung seines Geschlechtsteils so sehr, dass er sich nur als halber Mensch vorkam. Die chronische Verdrängung seiner agressiven und sexuellen Triebe führte zu einem neurotischen Charakter. Christen entwickelte sich zu einem wortkargen, verschlossenen und misstrauischen Manne, den andere, auch ohne näher mit ihm zu verkehren, als guten Kerl beurteilten. Er war gut beleumdet und hatte sich nie vor dem Strafrichter zu verantworten. Wahrscheinlich wurde schliesslich noch durch den Beginn einer Arteriosklerose sein Hirn verändert.
Am 10. September 1953 gegen 7 Uhr trat Christen von seiner Wohnung an der Dättnauerstrasse in Winterthur-Töss aus den Weg nach dem Kantonsspital an, wo er wegen eines Oberarmbruches eine Nachbehandlung durchmachte. Unterwegs, in der Nähe der Stelle, wo der Kronenrainweg in den Ebnet-Wald führt, traf er die im Jahre 1941 geborene Ursula Weishaupt, die auf dem Wege zur Schule war. Nachdem er mit dem Mädchen ungefähr fünfzig Meter weit gegangen war, trat es zu einer Sandkiste in der Nähe des Weges und urinierte. Der Anblick des entkleideten Unterleibes des Kindes gab Christen einen solchen Schock, dass seine chronisch gestauten Triebe ausbrachen. Er stürzte sich auf das Mädchen und warf es nieder, um es am Geschlechtsteil ausgreifen zu können. Indem er ihm mit einer Hand den Mund zuhielt und ihm Schürze und Rock über den Kopf stülpte, hinderte er es am Schreien. Mit dem linken Arm den Nacken des Mädchens umfassend und dessen Gesicht gegen seinen Körper pressend, würgte er das Opfer, schleppte es in ein kleines ausgetrocknetes Bachtobel und liess es dort zu Boden fallen. Hierauf schnitt er dem bewusstlosen Kinde mit einem Taschenmesser vorn auf beiden Seiten die Hosen auf, griff ihm mit dem rechten Mittelfinger in die Scheide und tötete es, indem er ihm mit dem Messer fünf Stiche in den Hals und einen Stich in die linke Schulter versetzte und es würgte. Er deckte die Leiche mit Ästen zu, reinigte sich und ging seines Weges nach dem Kantonsspital, führte unterwegs im Autobus mit einem Dritten ein belangloses Gespräch und bewahrte auch im Spital seine Ruhe. Nachher besuchte er eine Wirtschaft, ass und kehrte auf dem Heimweg noch zwei weitere Male ein.
B.- Am 17. Februar 1955 verurteilte das Obergericht des Kantons Zürich Christen wegen Mordes (Art. 112 StGB) zu zwölf Jahren Zuchthaus, abzüglich 491 Tage Untersuchungs- und Sicherheitshaft, und stellte ihn für sieben Jahre in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit ein.
Das Gericht nahm übereinstimmend mit dem Sachverständigen an, der.Angeklagte habe in einem Affektdämmerzustande gehandelt, wobei seine Fähigkeit zur Einsicht in das Unrecht der Tat nicht wesentlich beeinträchtigt, jedoch die Fähigkeit, sich gemäss seiner Einsicht zu verhalten, wegen der sensitiven Debilität und der Störungen im Hirn mindestens mittelstark vermindert gewesen sei (Art. 11 StGB). Es führte weiter aus, die Begehung der Tat im erwähnten Zustande schliesse den Vorwurf aus, Christen habe mit einer Überlegung getötet, die seine besonders verwerfliche Gesinnung oder seine Gefährlichkeit im Sinne des Art. 112 StGB offenbaren könnte. Ob dagegen die Umstände der Tat eine besonders verwerfliche Gesinnung oder Gefährlichkeit des Täters verrieten, beurteile sich unabhängig von dessen Geisteszustand. Zu diesen Umständen gehörten auch die Beweggründe. Christen erinnere sich nicht mehr an die Einzelheiten seines Verbrechens und wisse auch nicht, warum er Ursula Weishaupt getötet habe. Die Tat sei nach ihrem Verlaufe ein typischer Lustmord. Es müsse angenommen werden, Christen habe entweder in sexueller Ekstase und zur Befriedigung seines plötzlich hervorbrechenden Geschlechtstriebes gehandelt, oder um die Entdeckung seines Sittlichkeitsdeliktes zu verhindern, oder aus beiden Motiven zugleich. Der eine wie der andere Beweggrund offenbare eine besonders verwerfliche Gesinnung. Auch durch das Verhalten nach der Tat, das von einer grossen Kaltblütigkeit und vom Mangel jeder echten Reue zeuge, habe Christen solche Gesinnung bekundet. Die Umstände der Tat zeigten auch seine Gefährlichkeit, nämlich dass er fähig sei, unter den gleichen oder anderen Umständen ein ähnliches Verbrechen zu begehen. Das psychiatrische Gutachten komme überzeugend zum Schluss, das sei möglich. Dass Christen in heftiger Gemütsbewegung getötet habe, führe nicht zur Anwendung der Bestimmung über Totschlag (Art. 113 StGB). Wenn eine Tat die Merkmale des Mordes aufweise, der gegenüber der vorsätzlichen Tötung (Art. 111) qualifizierter Tatbestand sei, könnte sie nicht zugleich den privilegierten Tatbestand des Totschlages erfüllen. Eine Tötung in sexueller Erregung sei zudem nicht entschuldbar.
C.- Christen führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, er sei statt des Mordes des Totschlages, eventuell der vorsätzlichen Tötung, schuldig zu erklären und entsprechend milder zu bestrafen.
D.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Der Entwurf des Bundesrates zum Strafgesetzbuch sah im Täter einen Mörder, wenn er "aus Mordlust, aus Habgier, um die Begehung eines anderen Vergehens zu verdecken oder zu erleichtern, mit besonderer Grausamkeit, heimtückisch, durch Feuer, Sprengstoffe oder andere Mittel, die geeignet sind, Leib und Leben vieler Menschen zu gefährden", vorsätzlich einen Menschen töte (Art. 99). Nach Art. 112 StGB dagegen begeht einen Mord, wer "unter Umständen oder mit einer Überlegung tötet, die seine besonders verwerfliche Gesinnung oder seine Gefährlichkeit offenbaren".
Über diese Abweichung vom Entwurfe darf nicht hinweggesehen werden. Sie wurde von den eidgenössischen Räten beschlossen, weil die kasuistische Aufzählung nicht befriedigte, insbesondere weil befürchtet wurde, sie könnte Lücken aufweisen (Sten Bull, Sonderausgabe, NatR 251, 252, 266, StR 137). Daher geht es nicht an, mit dem Beschwerdeführer den Tatbestand des Mordes nur zu bejahen, wenn die besonders verwerfliche Gesinnung oder die Gefährlichkeit des Täters sich in einer der in Art. 99 des Entwurfes aufgezählten Tatsachen (Mordlust, Habgier, besondere Grausamkeit usw.) äussert. Sie kann sich auch aus anderen Umständen oder Überlegungen des Täters ergeben, wie anderseits die in Art. 99 des Entwurfes aufgezählten Beweggründe und Arten des Vorgehens die Tat nicht notwendigerweise zum Morde machen.
2. Der deutsche Text des Art. 112 StGB verlangt nicht, dass die Gefährlichkeit des Täters einen besonderen Grad erreiche; denn das Wort "besonders" bezieht sich grammatikalisch nur auf "verwerfliche Gesinnung", nicht auch auf "Gefährlichkeit". Der französische Text, lautend: "Si le délinquant a tué dans des circonstances ou avec une préméditation dénotant qu'il est particulièrement pervers ou dangereux...", lässt eine andere Auslegung zu. Der italienische Text mit der Wendung "particolare pericolosità o perversità" sodann verlangt ausdrücklich die besondere Gefährlichkeit.
Welche Fassung den Sinn richtig wiedergibt, kann dahingestellt bleiben; denn der Beschwerdeführer hat unter Umständen getötet, die nicht nur seine Gefährlichkeit, sondern seine besondere Gefährlichkeit offenbaren. Sie ergibt sich daraus, dass er über ein zufällig des Weges kommendes zwölfjähriges Mädchen aus dem einzigen Grunde, weil es ahnungslos zur Verrichtung der Notdurft vor ihm die unteren Teile des Körpers entblösste, in einem Affektdämmerzustand einherfiel und es hierauf entweder im Sinnenrausch, oder damit es ihn nicht als Täter der an ihm begangenen Unzucht verraten könne, durch Messerstiche und Würgen tötete. Nach der verbindlichen Feststellung des Obergerichts befindet er sich in einem Geisteszustand, der befürchten lässt, dass seine chronisch gestauten Affekte unter gleichen oder anderen Umständen erneut ausbrechen und ihn zu einer ähnlichen Tat treiben werden. Der Beschwerdeführer verkennt den Sinn des Art. 112, wenn er glaubt, die besondere Gefährlichkeit sei zu verneinen, weil er seinen Zustand nicht verschuldet habe. Ob verschuldet oder nicht, hat diese Geistesverfassung sich in der vom Beschwerdeführer schuldhaft begangenen Tat offenbart. Das genügt, die besondere Gefährlichkeit als (alternatives) Merkmal des Mordes zu bejahen. Dass sie ihre Ursache in der Gesinnung habe, setzt Art. 112 nicht voraus.
Ob die Umstände der Tat ausserdem eine besonders verwerfliche Gesinnung verraten, oder ob diese zu verneinen wäre, weil der Beschwerdeführer im Affektdämmerzustande gehandelt hat, kann dahingestellt bleiben.
3. Art. 113 StGB droht dem Täter mildere Strafe an, wenn er in einer nach den Umständen entschuldbaren heftigen Gemütsbewegung tötet.
Das Obergericht verkennt den Sinn dieser Bestimmung, wenn es ihren Tatbestand verneint, weil die Entschuldbarkeit davon abhange, was der Täter in der Gemütsbewegung getan hat, eine in geschlechtlicher Erregung begangene Tötung aber nicht entschuldbar sei. Art. 113 setzt nach seinem klaren Wortlaut lediglich voraus, dass die heftige Gemütsbewegung, nicht auch, dass die in ihr begangene Tat entschuldigt werden könne.
Ob der Affektdämmerzustand, in dem die heftige, den Beschwerdeführer zur Tötung treibende Gemütsbewegung bestand, entschuldbar war, da das Mädchen seine den Beschwerdeführer so unerwartet beeindruckenden Körperteile unaufgefordert entblösst hatte, kann jedoch dahingestellt bleiben. Denn selbst wenn die Tat ausser den Tatbestandsmerkmalen des Art. 112 auch jene des Art. 113 aufweisen sollte, wäre der Beschwerdeführer zu Recht nach ersterer Bestimmung verurteilt worden. Der Grundtatbestand der vorsätzlichen Verbrechen und Vergehen gegen das Leben ist in Art. 111 (vorsätzliche Tötung) normiert (Botschaft des Bundesrates zum Entwurf S. 30; Sten Bull, Sonderausgabe, NatR 266). Nur im Verhältnis zu diesem ist Totschlag privilegierter Tatbestand, nicht auch im Verhältnis zum Mord (Art. 112), der qualifizierter Fall ist. Es kann nicht der Sinn des Gesetzes sein, dem privilegierenden Merkmal den Vorrang vor dem qualifizierenden zu geben. Im Volke gilt sowohl der Lustmörder, der sein Opfer im Sinnenrausch umbringt, als auch der Sittlichkeitsverbrecher, der es lediglich tötet, damit es ihn nicht verraten kann, auch dann als ein mit der vollen Strenge des Gesetzes zu züchtigender Mörder, wenn er in heftiger Gemütsbewegung, möge sie entschuldbar sein oder nicht, gehandelt hat. Hierauf hat in Bezug auf den Lustmord und andere Fälle schon Zürcher in der zweiten Expertenkommission hingewiesen (Prot. 2148). Er hat auch, ohne dass ihm widersprochen worden wäre, betont, dass die Merkmale des Mordes die Annahme eines blossen Totschlages ausschliessen (Prot. 2162). Ein anderes Mitglied der Kommission hat der Bestimmung über Mord wenigstens in dem Sinne den Vorrang gegeben, dass es für die Fälle des Mordes die entschuldbare Gemütsbewegung überhaupt verneint hat (Prot. 8 221).
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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b) Prevalenza dell'art. 112 sull'art. 113 CP.
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Sachverhalt ab Seite 156
A.- Anselm Schmuki hatte bei der Bank AG Leu & Co. in Zürich ein Konto, über das ausser ihm auch Sergio Walter zu verfügen berechtigt war. Am 4. Juni 1954 teilte letzterer ihm mit, er, Walter, habe durch Betrug etwa eine halbe Million Franken vom Postscheckkonto des schweizerischen Fernsehdienstes an unberechtigte Dritte überwiesen und davon auch Fr. 69'016.10 auf das erwähnte Bankkonto Schmukis gutschreiben lassen. Schmuki entschloss sich, von diesem Konto, das vorher kein Guthaben aufgewiesen hatte, Fr. 69'000.-- abzuheben und damit gemeinsam mit Walter und dessen Bruder in das Ausland zu fliehen. Er sprach am gleichen Tage im Auftrage Walters auf der Bank vor und verlangte die Auszahlung des Betrages. Da der Bankbeamte Widmer seinem Begehren nicht entsprechen wollte, gab Schmuki ihm wider besseres Wissen an, er sei Mitarbeiter des Fernsehdienstes und habe für die bevorstehenden Fussballweltmeisterschaften die Unterkunft der ausländischen Fernsehleute zu organisieren. Er wollte damit die rechtmässige Herkunft und Zweckbestimmung des gutgeschriebenen Betrages vorspiegeln, um die Auszahlung zu erwirken. Widmer vertröstete ihn indessen auf den folgenden Tag. Schmuki begab sich daher am 5. Juni 1954 nochmals zur Bank und verlangte das Geld mit der Lüge, er müsse es nun unbedingt haben, da der Wagen zur Abreise schon bereit stehe. Da auch dieser Versuch scheiterte, wies Schmuki den Bankbeamten noch am gleichen Tage telephonisch an, den Betrag an Walter auszuzahlen. Es kam indessen nicht dazu, da Walter verhaftet wurde, als er bei der Bank vorsprach.
B.- Das Obergericht des Kantons Zürich sah mit Urteil vom 7. Januar 1955 im erwähnten Verhalten Schmukis fortgesetzten vollendeten Versuch der Hehlerei (Art. 144 Abs. 1, Art. 22 Abs. 1 StGB). Es warf ihm vor, er habe versucht, eine durch strafbare Handlung erlangte Sache, nämlich das durch Walter ertrogene Bankguthaben, zu verheimlichen und absetzen zu helfen. Es verurteilte ihn deswegen sowie wegen anderer strafbarer Handlungen (wiederholten Diebstahls und wiederholter Veruntreuung) zu achtzehn Monaten Gefängnis, auf die es ihm 230 Tage Untersuchungs- und Sicherheitshaft anrechnete.
C.- Schmuki führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil sei aufzuheben und die Sache zur Freisprechung des Beschwerdeführers von der Anklage des Versuchs der Hehlerei an das Obergericht zurückzuweisen.
D.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Hehler im Sinne des Art. 144 Abs. 1 StGB ist, wer eine Sache, von der er weiss oder annehmen muss, dass sie durch eine strafbare Handlung erlangt worden ist, erwirbt, sich schenken lässt, zum Pfande nimmt, verheimlicht oder absetzen hilft.
Dem Beschwerdeführer kann schon deshalb nicht vorgeworfen werden, er habe den Tatbestand dieser Bestimmung zu erfüllen versucht, weil weder das Geld, dessen Auszahlung er verlangte, noch die Forderung, die er an die Bank stellte, durch strafbare Handlung erlangte Sachen waren. Niemand hatte sich durch strafbare Handlung in den Besitz des Geldes gesetzt, insbesondere auch nicht Walter, der es ja eben mit Hilfe des Beschwerdeführers und durch persönliche Vorsprache bei der Bank erst zu erlangen versuchte. Der von Walter begangene Betrug hatte erst zur Folge gehabt, dass das Postscheckamt Fr. 69'016.10 zulasten des Kontos des Fernsehdienstes und zugunsten der Bank AG Leu & Co. verbucht und dass letztere ihrerseits den Betrag dem Konto des Beschwerdeführers gutgeschrieben hatte. Damit konnte der Beschwerdeführer lediglich eine Forderung erworben haben, der zudem die Einreden der Bank entgegenstanden. Eine Forderung aber war keine Sache im Sinne des Art. 144 und kann ihr auch nicht gleichgestellt werden. Diese Bestimmung versteht darunter nicht jeden Vermögenswert, sondern nur körperliche Sachen im Sinne des Zivilgesetzbuches, inbegriffen die Wertpapiere, in denen ein Recht derart verkörpert ist, dass es ohne die Urkunde weder geltend gemacht noch übertragen werden kann. Das ergibt sich nicht nur aus dem allgemeinen Sprachgebrauch, der in einem Recht nicht eine Sache (chose, cosa) sieht, sondern auch aus dem Zusammenhang des Art. 144 mit den Art. 137-143, in denen Verbrechen und Vergehen umschrieben sind, die ausschliesslich die Aneignung von (beweglichen) "Sachen" betreffen. Unter solchen versteht das Gesetz hier offensichtlich nur körperliche Gegenstände, nicht auch Rechte. Folglich kann das Wort Sache auch in Art. 144 keinen anderen Sinn haben. So wird diese Bestimmung übrigens auch in der Literatur ausgelegt (z.B. von WAIBLINGER, ZStrR 61 263).
Eine Ausnahme ist auch dann nicht zu machen, wenn die Forderung gegen eine zahlungsfähige Bank gerichtet und fällig ist und daher wirtschaftlich den gleichen Wert hat wie das bare Geld, auf das sie geht. Indem das Obergericht die Anwendung des Art. 144 auf Forderungen, die durch strafbare Handlungen erlangt wurden, mit der "wirtschaftlichen Betrachtungsweise" rechtfertigt, wendet es die Bestimmung entsprechend an auf einen Tatbestand, den sie nach Wortlaut und Sinn nicht erfasst. Art. 1 StGB verbietet das. Ob Hehlerei, wie das Obergericht annimmt, auch an Geldstücken möglich ist, die durch Vermischung in das Eigentum eines anderen übergegangen oder durch Wechseln an die Stelle auf strafbare Weise erlangter Geldstücke getreten sind, ist unerheblich. Selbst wenn die Frage, die entgegen WAIBLINGER, ZStrR 61 265, in BGE 69 IV 71 nicht entschieden worden ist, zu bejahen wäre, ergäbe sich daraus nicht, dass auch ein Kontoguthaben, das an Stelle strafbarerweise erlangten Geldes tritt, Gegenstand der Hehlerei sein könne. Die Analogie müsste daran scheitern, dass ein Kontoguthaben eine Forderung, also ein nach dem Wortlaut und Sinn des Art. 144 zur Hehlerei nicht geeigneter Vermögenswert ist, wogegen ein Geldstück, sei es selbst oder seien nur die zu seiner Einwechselung aufgewendeten Stücke durch strafbare Handlung erlangt worden, seiner Beschaffenheit nach taugliches Objekt ist.
2. Der Beschwerdeführer hat dadurch, dass er Auszahlung des gutgeschriebenen Betrages verlangte, auch nicht im Sinne des Art. 144 versucht, die Forderung zu erwerben, sich schenken zu lassen, zu Pfand zu nehmen, zu verheimlichen oder absetzen zu helfen. Er hatte sie ohne sein Zutun durch das betrügerische Vorgehen Walters erlangt und versuchte lediglich, sie für sich nutzbringend zu verwenden. Das war insbesondere auch kein Versuch des Verheimlichens der Forderung, wie das Obergericht ihn bejaht. Dass der Beschwerdeführer dem Bankbeamten Widmer falsche Angaben über die Zweckbestimmung des verlangten Geldes machte, um damit eine rechtmässige Herkunft des Guthabens vorzuspiegeln, ändert nichts. Damit verbarg er nur den Entstehungsgrund der Forderung, nicht diese selbst, berief er sich doch dem Bankbeamten gegenüber gerade auf sie. Die Auffassung des Obergerichts, er habe durch die falschen Angaben die Forderung für Nachforschungen unerreichbar zu machen versucht, taugt also nicht; die falschen Angaben dienten lediglich dazu, die Auszahlung zu erwirken und den Beschwerdeführer sowie Walter bis zur Flucht ins Ausland vor Strafverfolgung zu schützen. Ebensowenig versuchte der Beschwerdeführer, die Forderung absetzen zu helfen, d.h. sie auf einen anderen zu übertragen (abzutreten). Abgesetzt oder absetzen geholfen hätte er das Geld, nach dem er trachtete; aber dieses war nicht Gegenstand der Hehlerei.
3. Das angefochtene Urteil ist deshalb aufzuheben. Das Obergericht hat den Beschwerdeführer von der Anklage der Hehlerei freizusprechen. Der Anhebung eines neuen Strafverfahrens wegen Betrugsversuches steht damit bundesrechtlich nichts im Wege. Nur unter diesem Gesichtspunkt kann der Beschwerdeführer sich allenfalls strafbar gemacht haben, und zwar, weil er durch arglistige Verschweigung des von Walter begangenen Betruges, ja sogar durch arglistig falsche Angaben über die beabsichtigte Verwendung des Geldes, eine Auszahlung zu erwirken versuchte, die ihm die Bank mit Recht verweigerte.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil der II. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich vom 7. Januar 1955 aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
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de
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Art. 144, 148 StGB. Das erfolglose Bemühen, auf Grund einer durch Betrug seitens eines Dritten zustande gekommenen Gutschrift einer Bank die Auszahlung eines Geldbetrages zu erwirken, ist kein Versuch der Hehlerei, sondern allenfalls ein Betrugsversuch.
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de
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criminal law and criminal procedure
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IV
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https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F81-IV-156%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document
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1,309 |
81 IV 156
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Sachverhalt ab Seite 156
A.- Anselm Schmuki hatte bei der Bank AG Leu & Co. in Zürich ein Konto, über das ausser ihm auch Sergio Walter zu verfügen berechtigt war. Am 4. Juni 1954 teilte letzterer ihm mit, er, Walter, habe durch Betrug etwa eine halbe Million Franken vom Postscheckkonto des schweizerischen Fernsehdienstes an unberechtigte Dritte überwiesen und davon auch Fr. 69'016.10 auf das erwähnte Bankkonto Schmukis gutschreiben lassen. Schmuki entschloss sich, von diesem Konto, das vorher kein Guthaben aufgewiesen hatte, Fr. 69'000.-- abzuheben und damit gemeinsam mit Walter und dessen Bruder in das Ausland zu fliehen. Er sprach am gleichen Tage im Auftrage Walters auf der Bank vor und verlangte die Auszahlung des Betrages. Da der Bankbeamte Widmer seinem Begehren nicht entsprechen wollte, gab Schmuki ihm wider besseres Wissen an, er sei Mitarbeiter des Fernsehdienstes und habe für die bevorstehenden Fussballweltmeisterschaften die Unterkunft der ausländischen Fernsehleute zu organisieren. Er wollte damit die rechtmässige Herkunft und Zweckbestimmung des gutgeschriebenen Betrages vorspiegeln, um die Auszahlung zu erwirken. Widmer vertröstete ihn indessen auf den folgenden Tag. Schmuki begab sich daher am 5. Juni 1954 nochmals zur Bank und verlangte das Geld mit der Lüge, er müsse es nun unbedingt haben, da der Wagen zur Abreise schon bereit stehe. Da auch dieser Versuch scheiterte, wies Schmuki den Bankbeamten noch am gleichen Tage telephonisch an, den Betrag an Walter auszuzahlen. Es kam indessen nicht dazu, da Walter verhaftet wurde, als er bei der Bank vorsprach.
B.- Das Obergericht des Kantons Zürich sah mit Urteil vom 7. Januar 1955 im erwähnten Verhalten Schmukis fortgesetzten vollendeten Versuch der Hehlerei (Art. 144 Abs. 1, Art. 22 Abs. 1 StGB). Es warf ihm vor, er habe versucht, eine durch strafbare Handlung erlangte Sache, nämlich das durch Walter ertrogene Bankguthaben, zu verheimlichen und absetzen zu helfen. Es verurteilte ihn deswegen sowie wegen anderer strafbarer Handlungen (wiederholten Diebstahls und wiederholter Veruntreuung) zu achtzehn Monaten Gefängnis, auf die es ihm 230 Tage Untersuchungs- und Sicherheitshaft anrechnete.
C.- Schmuki führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil sei aufzuheben und die Sache zur Freisprechung des Beschwerdeführers von der Anklage des Versuchs der Hehlerei an das Obergericht zurückzuweisen.
D.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Hehler im Sinne des Art. 144 Abs. 1 StGB ist, wer eine Sache, von der er weiss oder annehmen muss, dass sie durch eine strafbare Handlung erlangt worden ist, erwirbt, sich schenken lässt, zum Pfande nimmt, verheimlicht oder absetzen hilft.
Dem Beschwerdeführer kann schon deshalb nicht vorgeworfen werden, er habe den Tatbestand dieser Bestimmung zu erfüllen versucht, weil weder das Geld, dessen Auszahlung er verlangte, noch die Forderung, die er an die Bank stellte, durch strafbare Handlung erlangte Sachen waren. Niemand hatte sich durch strafbare Handlung in den Besitz des Geldes gesetzt, insbesondere auch nicht Walter, der es ja eben mit Hilfe des Beschwerdeführers und durch persönliche Vorsprache bei der Bank erst zu erlangen versuchte. Der von Walter begangene Betrug hatte erst zur Folge gehabt, dass das Postscheckamt Fr. 69'016.10 zulasten des Kontos des Fernsehdienstes und zugunsten der Bank AG Leu & Co. verbucht und dass letztere ihrerseits den Betrag dem Konto des Beschwerdeführers gutgeschrieben hatte. Damit konnte der Beschwerdeführer lediglich eine Forderung erworben haben, der zudem die Einreden der Bank entgegenstanden. Eine Forderung aber war keine Sache im Sinne des Art. 144 und kann ihr auch nicht gleichgestellt werden. Diese Bestimmung versteht darunter nicht jeden Vermögenswert, sondern nur körperliche Sachen im Sinne des Zivilgesetzbuches, inbegriffen die Wertpapiere, in denen ein Recht derart verkörpert ist, dass es ohne die Urkunde weder geltend gemacht noch übertragen werden kann. Das ergibt sich nicht nur aus dem allgemeinen Sprachgebrauch, der in einem Recht nicht eine Sache (chose, cosa) sieht, sondern auch aus dem Zusammenhang des Art. 144 mit den Art. 137-143, in denen Verbrechen und Vergehen umschrieben sind, die ausschliesslich die Aneignung von (beweglichen) "Sachen" betreffen. Unter solchen versteht das Gesetz hier offensichtlich nur körperliche Gegenstände, nicht auch Rechte. Folglich kann das Wort Sache auch in Art. 144 keinen anderen Sinn haben. So wird diese Bestimmung übrigens auch in der Literatur ausgelegt (z.B. von WAIBLINGER, ZStrR 61 263).
Eine Ausnahme ist auch dann nicht zu machen, wenn die Forderung gegen eine zahlungsfähige Bank gerichtet und fällig ist und daher wirtschaftlich den gleichen Wert hat wie das bare Geld, auf das sie geht. Indem das Obergericht die Anwendung des Art. 144 auf Forderungen, die durch strafbare Handlungen erlangt wurden, mit der "wirtschaftlichen Betrachtungsweise" rechtfertigt, wendet es die Bestimmung entsprechend an auf einen Tatbestand, den sie nach Wortlaut und Sinn nicht erfasst. Art. 1 StGB verbietet das. Ob Hehlerei, wie das Obergericht annimmt, auch an Geldstücken möglich ist, die durch Vermischung in das Eigentum eines anderen übergegangen oder durch Wechseln an die Stelle auf strafbare Weise erlangter Geldstücke getreten sind, ist unerheblich. Selbst wenn die Frage, die entgegen WAIBLINGER, ZStrR 61 265, in BGE 69 IV 71 nicht entschieden worden ist, zu bejahen wäre, ergäbe sich daraus nicht, dass auch ein Kontoguthaben, das an Stelle strafbarerweise erlangten Geldes tritt, Gegenstand der Hehlerei sein könne. Die Analogie müsste daran scheitern, dass ein Kontoguthaben eine Forderung, also ein nach dem Wortlaut und Sinn des Art. 144 zur Hehlerei nicht geeigneter Vermögenswert ist, wogegen ein Geldstück, sei es selbst oder seien nur die zu seiner Einwechselung aufgewendeten Stücke durch strafbare Handlung erlangt worden, seiner Beschaffenheit nach taugliches Objekt ist.
2. Der Beschwerdeführer hat dadurch, dass er Auszahlung des gutgeschriebenen Betrages verlangte, auch nicht im Sinne des Art. 144 versucht, die Forderung zu erwerben, sich schenken zu lassen, zu Pfand zu nehmen, zu verheimlichen oder absetzen zu helfen. Er hatte sie ohne sein Zutun durch das betrügerische Vorgehen Walters erlangt und versuchte lediglich, sie für sich nutzbringend zu verwenden. Das war insbesondere auch kein Versuch des Verheimlichens der Forderung, wie das Obergericht ihn bejaht. Dass der Beschwerdeführer dem Bankbeamten Widmer falsche Angaben über die Zweckbestimmung des verlangten Geldes machte, um damit eine rechtmässige Herkunft des Guthabens vorzuspiegeln, ändert nichts. Damit verbarg er nur den Entstehungsgrund der Forderung, nicht diese selbst, berief er sich doch dem Bankbeamten gegenüber gerade auf sie. Die Auffassung des Obergerichts, er habe durch die falschen Angaben die Forderung für Nachforschungen unerreichbar zu machen versucht, taugt also nicht; die falschen Angaben dienten lediglich dazu, die Auszahlung zu erwirken und den Beschwerdeführer sowie Walter bis zur Flucht ins Ausland vor Strafverfolgung zu schützen. Ebensowenig versuchte der Beschwerdeführer, die Forderung absetzen zu helfen, d.h. sie auf einen anderen zu übertragen (abzutreten). Abgesetzt oder absetzen geholfen hätte er das Geld, nach dem er trachtete; aber dieses war nicht Gegenstand der Hehlerei.
3. Das angefochtene Urteil ist deshalb aufzuheben. Das Obergericht hat den Beschwerdeführer von der Anklage der Hehlerei freizusprechen. Der Anhebung eines neuen Strafverfahrens wegen Betrugsversuches steht damit bundesrechtlich nichts im Wege. Nur unter diesem Gesichtspunkt kann der Beschwerdeführer sich allenfalls strafbar gemacht haben, und zwar, weil er durch arglistige Verschweigung des von Walter begangenen Betruges, ja sogar durch arglistig falsche Angaben über die beabsichtigte Verwendung des Geldes, eine Auszahlung zu erwirken versuchte, die ihm die Bank mit Recht verweigerte.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil der II. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich vom 7. Januar 1955 aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
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Art. 144, 148 CP. Celui qui cherche en vain à se faire payer par une banque une somme d'argent au moyen d'un compte constitué par un tiers grâce à une escroquerie, se rend coupable non d'une tentative de recel mais d'une tentative d'escroquerie.
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criminal law and criminal procedure
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81 IV 156
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Sachverhalt ab Seite 156
A.- Anselm Schmuki hatte bei der Bank AG Leu & Co. in Zürich ein Konto, über das ausser ihm auch Sergio Walter zu verfügen berechtigt war. Am 4. Juni 1954 teilte letzterer ihm mit, er, Walter, habe durch Betrug etwa eine halbe Million Franken vom Postscheckkonto des schweizerischen Fernsehdienstes an unberechtigte Dritte überwiesen und davon auch Fr. 69'016.10 auf das erwähnte Bankkonto Schmukis gutschreiben lassen. Schmuki entschloss sich, von diesem Konto, das vorher kein Guthaben aufgewiesen hatte, Fr. 69'000.-- abzuheben und damit gemeinsam mit Walter und dessen Bruder in das Ausland zu fliehen. Er sprach am gleichen Tage im Auftrage Walters auf der Bank vor und verlangte die Auszahlung des Betrages. Da der Bankbeamte Widmer seinem Begehren nicht entsprechen wollte, gab Schmuki ihm wider besseres Wissen an, er sei Mitarbeiter des Fernsehdienstes und habe für die bevorstehenden Fussballweltmeisterschaften die Unterkunft der ausländischen Fernsehleute zu organisieren. Er wollte damit die rechtmässige Herkunft und Zweckbestimmung des gutgeschriebenen Betrages vorspiegeln, um die Auszahlung zu erwirken. Widmer vertröstete ihn indessen auf den folgenden Tag. Schmuki begab sich daher am 5. Juni 1954 nochmals zur Bank und verlangte das Geld mit der Lüge, er müsse es nun unbedingt haben, da der Wagen zur Abreise schon bereit stehe. Da auch dieser Versuch scheiterte, wies Schmuki den Bankbeamten noch am gleichen Tage telephonisch an, den Betrag an Walter auszuzahlen. Es kam indessen nicht dazu, da Walter verhaftet wurde, als er bei der Bank vorsprach.
B.- Das Obergericht des Kantons Zürich sah mit Urteil vom 7. Januar 1955 im erwähnten Verhalten Schmukis fortgesetzten vollendeten Versuch der Hehlerei (Art. 144 Abs. 1, Art. 22 Abs. 1 StGB). Es warf ihm vor, er habe versucht, eine durch strafbare Handlung erlangte Sache, nämlich das durch Walter ertrogene Bankguthaben, zu verheimlichen und absetzen zu helfen. Es verurteilte ihn deswegen sowie wegen anderer strafbarer Handlungen (wiederholten Diebstahls und wiederholter Veruntreuung) zu achtzehn Monaten Gefängnis, auf die es ihm 230 Tage Untersuchungs- und Sicherheitshaft anrechnete.
C.- Schmuki führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil sei aufzuheben und die Sache zur Freisprechung des Beschwerdeführers von der Anklage des Versuchs der Hehlerei an das Obergericht zurückzuweisen.
D.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Hehler im Sinne des Art. 144 Abs. 1 StGB ist, wer eine Sache, von der er weiss oder annehmen muss, dass sie durch eine strafbare Handlung erlangt worden ist, erwirbt, sich schenken lässt, zum Pfande nimmt, verheimlicht oder absetzen hilft.
Dem Beschwerdeführer kann schon deshalb nicht vorgeworfen werden, er habe den Tatbestand dieser Bestimmung zu erfüllen versucht, weil weder das Geld, dessen Auszahlung er verlangte, noch die Forderung, die er an die Bank stellte, durch strafbare Handlung erlangte Sachen waren. Niemand hatte sich durch strafbare Handlung in den Besitz des Geldes gesetzt, insbesondere auch nicht Walter, der es ja eben mit Hilfe des Beschwerdeführers und durch persönliche Vorsprache bei der Bank erst zu erlangen versuchte. Der von Walter begangene Betrug hatte erst zur Folge gehabt, dass das Postscheckamt Fr. 69'016.10 zulasten des Kontos des Fernsehdienstes und zugunsten der Bank AG Leu & Co. verbucht und dass letztere ihrerseits den Betrag dem Konto des Beschwerdeführers gutgeschrieben hatte. Damit konnte der Beschwerdeführer lediglich eine Forderung erworben haben, der zudem die Einreden der Bank entgegenstanden. Eine Forderung aber war keine Sache im Sinne des Art. 144 und kann ihr auch nicht gleichgestellt werden. Diese Bestimmung versteht darunter nicht jeden Vermögenswert, sondern nur körperliche Sachen im Sinne des Zivilgesetzbuches, inbegriffen die Wertpapiere, in denen ein Recht derart verkörpert ist, dass es ohne die Urkunde weder geltend gemacht noch übertragen werden kann. Das ergibt sich nicht nur aus dem allgemeinen Sprachgebrauch, der in einem Recht nicht eine Sache (chose, cosa) sieht, sondern auch aus dem Zusammenhang des Art. 144 mit den Art. 137-143, in denen Verbrechen und Vergehen umschrieben sind, die ausschliesslich die Aneignung von (beweglichen) "Sachen" betreffen. Unter solchen versteht das Gesetz hier offensichtlich nur körperliche Gegenstände, nicht auch Rechte. Folglich kann das Wort Sache auch in Art. 144 keinen anderen Sinn haben. So wird diese Bestimmung übrigens auch in der Literatur ausgelegt (z.B. von WAIBLINGER, ZStrR 61 263).
Eine Ausnahme ist auch dann nicht zu machen, wenn die Forderung gegen eine zahlungsfähige Bank gerichtet und fällig ist und daher wirtschaftlich den gleichen Wert hat wie das bare Geld, auf das sie geht. Indem das Obergericht die Anwendung des Art. 144 auf Forderungen, die durch strafbare Handlungen erlangt wurden, mit der "wirtschaftlichen Betrachtungsweise" rechtfertigt, wendet es die Bestimmung entsprechend an auf einen Tatbestand, den sie nach Wortlaut und Sinn nicht erfasst. Art. 1 StGB verbietet das. Ob Hehlerei, wie das Obergericht annimmt, auch an Geldstücken möglich ist, die durch Vermischung in das Eigentum eines anderen übergegangen oder durch Wechseln an die Stelle auf strafbare Weise erlangter Geldstücke getreten sind, ist unerheblich. Selbst wenn die Frage, die entgegen WAIBLINGER, ZStrR 61 265, in BGE 69 IV 71 nicht entschieden worden ist, zu bejahen wäre, ergäbe sich daraus nicht, dass auch ein Kontoguthaben, das an Stelle strafbarerweise erlangten Geldes tritt, Gegenstand der Hehlerei sein könne. Die Analogie müsste daran scheitern, dass ein Kontoguthaben eine Forderung, also ein nach dem Wortlaut und Sinn des Art. 144 zur Hehlerei nicht geeigneter Vermögenswert ist, wogegen ein Geldstück, sei es selbst oder seien nur die zu seiner Einwechselung aufgewendeten Stücke durch strafbare Handlung erlangt worden, seiner Beschaffenheit nach taugliches Objekt ist.
2. Der Beschwerdeführer hat dadurch, dass er Auszahlung des gutgeschriebenen Betrages verlangte, auch nicht im Sinne des Art. 144 versucht, die Forderung zu erwerben, sich schenken zu lassen, zu Pfand zu nehmen, zu verheimlichen oder absetzen zu helfen. Er hatte sie ohne sein Zutun durch das betrügerische Vorgehen Walters erlangt und versuchte lediglich, sie für sich nutzbringend zu verwenden. Das war insbesondere auch kein Versuch des Verheimlichens der Forderung, wie das Obergericht ihn bejaht. Dass der Beschwerdeführer dem Bankbeamten Widmer falsche Angaben über die Zweckbestimmung des verlangten Geldes machte, um damit eine rechtmässige Herkunft des Guthabens vorzuspiegeln, ändert nichts. Damit verbarg er nur den Entstehungsgrund der Forderung, nicht diese selbst, berief er sich doch dem Bankbeamten gegenüber gerade auf sie. Die Auffassung des Obergerichts, er habe durch die falschen Angaben die Forderung für Nachforschungen unerreichbar zu machen versucht, taugt also nicht; die falschen Angaben dienten lediglich dazu, die Auszahlung zu erwirken und den Beschwerdeführer sowie Walter bis zur Flucht ins Ausland vor Strafverfolgung zu schützen. Ebensowenig versuchte der Beschwerdeführer, die Forderung absetzen zu helfen, d.h. sie auf einen anderen zu übertragen (abzutreten). Abgesetzt oder absetzen geholfen hätte er das Geld, nach dem er trachtete; aber dieses war nicht Gegenstand der Hehlerei.
3. Das angefochtene Urteil ist deshalb aufzuheben. Das Obergericht hat den Beschwerdeführer von der Anklage der Hehlerei freizusprechen. Der Anhebung eines neuen Strafverfahrens wegen Betrugsversuches steht damit bundesrechtlich nichts im Wege. Nur unter diesem Gesichtspunkt kann der Beschwerdeführer sich allenfalls strafbar gemacht haben, und zwar, weil er durch arglistige Verschweigung des von Walter begangenen Betruges, ja sogar durch arglistig falsche Angaben über die beabsichtigte Verwendung des Geldes, eine Auszahlung zu erwirken versuchte, die ihm die Bank mit Recht verweigerte.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil der II. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich vom 7. Januar 1955 aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
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Art. 114, 148 CP. Chi cerca senza successo di farsi versare da una banca una somma depositata su un conto costituito da un terzo con denaro truffato non si rende colpevole d'un tentativo di ricettazione, ma d'un tentativo di truffa.
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criminal law and criminal procedure
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IV
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1,311 |
81 IV 161
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Erwägungen ab Seite 161
Aus den Erwägungen:
In BGE 69 IV 112 wurde daraus, dass der an Stelle des Art. 37 LMG getretene Art. 154 StGB eine schärfere Strafandrohung enthält als Art. 38 Abs. 2 und 3 LMG, der im Verhältnis zu Art. 37 LMG Sondernorm für qualifizierte Fälle gewesen sei, geschlossen, Art. 38 Abs. 2 gelte, in Verbindung mit Abs. 4, nur noch für fahrlässiges Inverkehrbringen gesundheitsschädlicher oder lebensgefährlicher Lebensmittel oder Gebrauchs- oder Verbrauchsgegenstände, während die vorsätzliche Tat fortan unter Art. 154 Ziff. 1 StGB falle; denn es könne nicht der Sinn des Gesetzes sein, dass das Merkmal, das die Fälle unter altem Recht als strafwürdiger erscheinen liess (Gesundheitsschädlichkeit, Lebensgefährlichkeit), sie heute privilegiere.
An dieser Rechtsprechung kann nicht festgehalten werden. Sie verkennt, dass Art. 154 StGB und Art. 38 Abs. 2 und 3 LMG nicht das gleiche Rechtsgut schützen. Erstere Bestimmung dient dem Schutz des Vermögens (vgl. Überschrift zum zweiten Titel, Art. 137 ff.). Sie umschreibt einen betrugsähnlichen Tatbestand, indem sie sinngemäss wie Art. 153 StGB Täuschungsabsicht verlangt (BGE 71 IV 12). Sie soll Gewähr bieten, dass der Erwerber nicht eine Ware erhalte, die er nur zu geringerem Preise oder überhaupt nicht erstehen würde, wenn sie so zusammengesetzt wäre, wie ihr Aussehen, ihre Bezeichnung oder ihre Aufmachung vortäuschen. Ob die Ware Mängel aufweise, die der Gesundheit oder dem Wohlbefinden von Menschen abträglich sein könnten, lässt Art. 154 (wie Art. 153 StGB) ausser Betracht (81 IV 100). Art. 38 Abs. 2 und 3 LMG dagegen erfasst das Inverkehrbringen der Ware gerade unter diesem Gesichtspunkt, schützt dagegen das Vermögen nicht. Diese Bestimmung dient dem Schutze der Gesundheit und des Lebens und gilt daher neben Art. 154 StGB auch für vorsätzliche Begehung weiter. Dass man sie nicht aufzuheben gedachte, ergibt sich ausser aus Art. 398 Abs. 2 lit. f StGB auch daraus, dass der Entwurf des Bundesrates zum Strafgesetzbuch sie durch eine in dieses Gesetz aufzunehmende besondere Bestimmung (Art. 201 des Entwurfes) ersetzen lassen wollte (vgl. Art. 422 Abs. 2 lit. k des Entwurfes), die eidgenössischen Räte dies jedoch ablehnten - und auch den dem Art. 38 Abs. 1 LMG entsprechenden Art. 200 betreffend das Herstellen gesundheitsschädlicher Waren strichen -, mit der Begründung, die Ordnung dieser Fälle werden dem Bundesgesetz betreffend den Verkehr mit Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen als dem Sondergesetze überlassen, das nötigenfalls dem Strafgesetzbuche angepasst werden könne (vgl. StenBull, Sonderausgabe, NRat 438 f., StR 203 f.). Dass diese Anpassung unterblieb, ändert nichts daran, dass Art. 38 Abs. 2 und 3 LMG neben Art. 154 Ziff. 1 StGB Platz hat. Wer beide Bestimmungen verletzt, ist nach den Grundsätzen über das Zusammentreffen strafbarer Handlungen (Art. 68 StGB) nach beiden zu bestrafen, da keine das Unrecht der Tat nach allen Seiten abgilt. Das ist auch nicht unbillig. Wer ein Lebensmittel, einen Gebrauchs- oder einen Verbrauchsgegenstand in Verkehr bringt, der nicht nur gefälscht, sondern ausserdem gesundheitsschädlich oder sogar lebensgefährlich ist, verdient strengere Strafe, als wer eine Ware in Verkehr bringt, die nur nach der einen oder nach der andern Richtung zu beanstanden ist.
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Art. 154 StGB, Art. 38 LMG. Wer den Tatbestand beider Bestimmungen erfüllt, ist unter Anwendung des Art. 68 StGB nach beiden zu bestrafen, und zwar auch bei vorsätzlicher Begehung (Änderung der Rechtsprechung).
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Erwägungen ab Seite 161
Aus den Erwägungen:
In BGE 69 IV 112 wurde daraus, dass der an Stelle des Art. 37 LMG getretene Art. 154 StGB eine schärfere Strafandrohung enthält als Art. 38 Abs. 2 und 3 LMG, der im Verhältnis zu Art. 37 LMG Sondernorm für qualifizierte Fälle gewesen sei, geschlossen, Art. 38 Abs. 2 gelte, in Verbindung mit Abs. 4, nur noch für fahrlässiges Inverkehrbringen gesundheitsschädlicher oder lebensgefährlicher Lebensmittel oder Gebrauchs- oder Verbrauchsgegenstände, während die vorsätzliche Tat fortan unter Art. 154 Ziff. 1 StGB falle; denn es könne nicht der Sinn des Gesetzes sein, dass das Merkmal, das die Fälle unter altem Recht als strafwürdiger erscheinen liess (Gesundheitsschädlichkeit, Lebensgefährlichkeit), sie heute privilegiere.
An dieser Rechtsprechung kann nicht festgehalten werden. Sie verkennt, dass Art. 154 StGB und Art. 38 Abs. 2 und 3 LMG nicht das gleiche Rechtsgut schützen. Erstere Bestimmung dient dem Schutz des Vermögens (vgl. Überschrift zum zweiten Titel, Art. 137 ff.). Sie umschreibt einen betrugsähnlichen Tatbestand, indem sie sinngemäss wie Art. 153 StGB Täuschungsabsicht verlangt (BGE 71 IV 12). Sie soll Gewähr bieten, dass der Erwerber nicht eine Ware erhalte, die er nur zu geringerem Preise oder überhaupt nicht erstehen würde, wenn sie so zusammengesetzt wäre, wie ihr Aussehen, ihre Bezeichnung oder ihre Aufmachung vortäuschen. Ob die Ware Mängel aufweise, die der Gesundheit oder dem Wohlbefinden von Menschen abträglich sein könnten, lässt Art. 154 (wie Art. 153 StGB) ausser Betracht (81 IV 100). Art. 38 Abs. 2 und 3 LMG dagegen erfasst das Inverkehrbringen der Ware gerade unter diesem Gesichtspunkt, schützt dagegen das Vermögen nicht. Diese Bestimmung dient dem Schutze der Gesundheit und des Lebens und gilt daher neben Art. 154 StGB auch für vorsätzliche Begehung weiter. Dass man sie nicht aufzuheben gedachte, ergibt sich ausser aus Art. 398 Abs. 2 lit. f StGB auch daraus, dass der Entwurf des Bundesrates zum Strafgesetzbuch sie durch eine in dieses Gesetz aufzunehmende besondere Bestimmung (Art. 201 des Entwurfes) ersetzen lassen wollte (vgl. Art. 422 Abs. 2 lit. k des Entwurfes), die eidgenössischen Räte dies jedoch ablehnten - und auch den dem Art. 38 Abs. 1 LMG entsprechenden Art. 200 betreffend das Herstellen gesundheitsschädlicher Waren strichen -, mit der Begründung, die Ordnung dieser Fälle werden dem Bundesgesetz betreffend den Verkehr mit Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen als dem Sondergesetze überlassen, das nötigenfalls dem Strafgesetzbuche angepasst werden könne (vgl. StenBull, Sonderausgabe, NRat 438 f., StR 203 f.). Dass diese Anpassung unterblieb, ändert nichts daran, dass Art. 38 Abs. 2 und 3 LMG neben Art. 154 Ziff. 1 StGB Platz hat. Wer beide Bestimmungen verletzt, ist nach den Grundsätzen über das Zusammentreffen strafbarer Handlungen (Art. 68 StGB) nach beiden zu bestrafen, da keine das Unrecht der Tat nach allen Seiten abgilt. Das ist auch nicht unbillig. Wer ein Lebensmittel, einen Gebrauchs- oder einen Verbrauchsgegenstand in Verkehr bringt, der nicht nur gefälscht, sondern ausserdem gesundheitsschädlich oder sogar lebensgefährlich ist, verdient strengere Strafe, als wer eine Ware in Verkehr bringt, die nur nach der einen oder nach der andern Richtung zu beanstanden ist.
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Art. 154 CP, 38 LCDA. Celui qui réalise les éléments constitutifs des deux infractions doit être puni en application des deux dispositions conformément à l'art. 68 CP, et ce également s'il s'agit du délit intentionnel (changement de jurisprudence).
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1,313 |
81 IV 161
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Erwägungen ab Seite 161
Aus den Erwägungen:
In BGE 69 IV 112 wurde daraus, dass der an Stelle des Art. 37 LMG getretene Art. 154 StGB eine schärfere Strafandrohung enthält als Art. 38 Abs. 2 und 3 LMG, der im Verhältnis zu Art. 37 LMG Sondernorm für qualifizierte Fälle gewesen sei, geschlossen, Art. 38 Abs. 2 gelte, in Verbindung mit Abs. 4, nur noch für fahrlässiges Inverkehrbringen gesundheitsschädlicher oder lebensgefährlicher Lebensmittel oder Gebrauchs- oder Verbrauchsgegenstände, während die vorsätzliche Tat fortan unter Art. 154 Ziff. 1 StGB falle; denn es könne nicht der Sinn des Gesetzes sein, dass das Merkmal, das die Fälle unter altem Recht als strafwürdiger erscheinen liess (Gesundheitsschädlichkeit, Lebensgefährlichkeit), sie heute privilegiere.
An dieser Rechtsprechung kann nicht festgehalten werden. Sie verkennt, dass Art. 154 StGB und Art. 38 Abs. 2 und 3 LMG nicht das gleiche Rechtsgut schützen. Erstere Bestimmung dient dem Schutz des Vermögens (vgl. Überschrift zum zweiten Titel, Art. 137 ff.). Sie umschreibt einen betrugsähnlichen Tatbestand, indem sie sinngemäss wie Art. 153 StGB Täuschungsabsicht verlangt (BGE 71 IV 12). Sie soll Gewähr bieten, dass der Erwerber nicht eine Ware erhalte, die er nur zu geringerem Preise oder überhaupt nicht erstehen würde, wenn sie so zusammengesetzt wäre, wie ihr Aussehen, ihre Bezeichnung oder ihre Aufmachung vortäuschen. Ob die Ware Mängel aufweise, die der Gesundheit oder dem Wohlbefinden von Menschen abträglich sein könnten, lässt Art. 154 (wie Art. 153 StGB) ausser Betracht (81 IV 100). Art. 38 Abs. 2 und 3 LMG dagegen erfasst das Inverkehrbringen der Ware gerade unter diesem Gesichtspunkt, schützt dagegen das Vermögen nicht. Diese Bestimmung dient dem Schutze der Gesundheit und des Lebens und gilt daher neben Art. 154 StGB auch für vorsätzliche Begehung weiter. Dass man sie nicht aufzuheben gedachte, ergibt sich ausser aus Art. 398 Abs. 2 lit. f StGB auch daraus, dass der Entwurf des Bundesrates zum Strafgesetzbuch sie durch eine in dieses Gesetz aufzunehmende besondere Bestimmung (Art. 201 des Entwurfes) ersetzen lassen wollte (vgl. Art. 422 Abs. 2 lit. k des Entwurfes), die eidgenössischen Räte dies jedoch ablehnten - und auch den dem Art. 38 Abs. 1 LMG entsprechenden Art. 200 betreffend das Herstellen gesundheitsschädlicher Waren strichen -, mit der Begründung, die Ordnung dieser Fälle werden dem Bundesgesetz betreffend den Verkehr mit Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen als dem Sondergesetze überlassen, das nötigenfalls dem Strafgesetzbuche angepasst werden könne (vgl. StenBull, Sonderausgabe, NRat 438 f., StR 203 f.). Dass diese Anpassung unterblieb, ändert nichts daran, dass Art. 38 Abs. 2 und 3 LMG neben Art. 154 Ziff. 1 StGB Platz hat. Wer beide Bestimmungen verletzt, ist nach den Grundsätzen über das Zusammentreffen strafbarer Handlungen (Art. 68 StGB) nach beiden zu bestrafen, da keine das Unrecht der Tat nach allen Seiten abgilt. Das ist auch nicht unbillig. Wer ein Lebensmittel, einen Gebrauchs- oder einen Verbrauchsgegenstand in Verkehr bringt, der nicht nur gefälscht, sondern ausserdem gesundheitsschädlich oder sogar lebensgefährlich ist, verdient strengere Strafe, als wer eine Ware in Verkehr bringt, die nur nach der einen oder nach der andern Richtung zu beanstanden ist.
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Art. 154 CP, art. 38 legge federale sul commercio delle derrate alimentari. Chi adempie gli estremi dei reati contemplati da queste due disposizioni dev'essere punito in applicazione di ambedue le disposizioni conformemente all'art. 68 CP, e ciò anche quando si tratti di reati commessi intenzionalmente (cambiamento di giurisprudenza).
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criminal law and criminal procedure
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IV
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81 IV 163
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Sachverhalt ab Seite 163
A.- Karl Marti verliess am Morgen des 15. Juli 1954 am Steuer eines Personenwagens das Wallis, um über Lausanne nach Derendingen zug elangen. Unterwegs trank er wiederholt Alkohol, letztmals zwischen 20 und 22 Uhr in einem Gasthof in Dotzigen. Da an letzterem Orte die 2,1 Volumenpromille Alkohol, die er schliesslich im Blute hatte, sich in seinem Verhalten offenbarten, benachrichtigten die Wirtsleute die Polizei. Als er kurz vor 22 Uhr schwankenden Schrittes den Gasthof verliess, verbot ihm Landjäger Läderach, den Wagen zu führen. Marti antwortete, von einem "Tschugger" lasse er sich nichts befehlen. Während der Landjäger den Bezirkschef telephonisch um Weisungen ersuchen wollte, setzte Marti sich an das Steuer und fuhr weg. In Büren a.A. wurde er angehalten.
B.- Am 11. Februar 1955 verurteilte das Obergericht des Kantons Bern Marti wegen Führens in angetrunkenem Zustande (Art. 59 Abs. 2 MFG) zu dreissig Tagen Gefängnis und wegen unanständigen Benehmens (Art. 15 bern. EG zum StGB) und Erschwerung der Aufgabe der Polizei (§§ 44, 52 bern. Vo. über die Strassenpolizei und Strassensignalisation vom 31. Dezember 1940/15. Juli 1949) zu Fr. 40.- Busse.
C.- Marti führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil sei aufzuheben. Er macht geltend, die angewendeten Bestimmungen der bernischen Verordnung über die Strassenpolizei und Strassensignalisation verletzten Bundesrecht. Statt nach dieser Verordnung hätte sein Verhalten nach Art. 285 und 286 StGB beurteilt werden sollen, deren Tatbestandsmerkmale jedoch nicht erfüllt seien.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
2. Der Beschwerdeführer behauptet mit Recht nicht, dass er sich durch sein Verhalten gegenüber Landjäger Läderach gegen Art. 285 oder 286 StGB vergangen habe. Beide Bestimmungen setzen voraus, dass der Täter einen Beamten an einer Handlung hindere, die innerhalb seiner Amtsbefugnisse liegt. Nach Art. 285 geschieht es mit Gewalt oder Drohung, nach Art. 286 ohne diese Mittel. Die innerhalb der Amtsbefugnisse liegende Handlung des Landjägers bestand indessen lediglich darin, dem Beschwerdeführer die Weiterfahrt zu verbieten. An der Aussprechung dieses Verbotes hinderte der Beschwerdeführer den Landjäger nicht, weder gewaltsam, noch durch Drohung, noch sonstwie. Er gab lediglich seinem Willen Ausdruck, dem Verbot nicht zu gehorchen, und missachtete es denn auch, indem er während einer kurzen Abwesenheit des Landjägers wegfuhr. Das war nur Ungehorsam, und solcher erfüllt die erwähnten Bestimmungen nicht (BGE 69 IV 1).
Auch Art. 292 StGB, der den Ungehorsam gegen amtliche Verfügungen mit Strafe bedroht, trifft nicht zu, da der Landjäger sein Verbot nicht mit dem Hinweis auf die Strafdrohung dieses Artikels begleitet hat und übrigens auch nicht feststeht, dass er das hätte tun dürfen.
3. Art. 335 Ziff. 1 StGB behält den Kantonen die Gesetzgebung über das Übertretungsstrafrecht soweit vor, als es nicht Gegenstand der Bundesgesetzgebung ist (Abs. 1), und erklärt sie ausserdem befugt, die Übertretung kantonaler Verwaltungs- und Prozessvorschriften mit Strafe zu bedrohen (Abs. 2).
Nach der Rechtsprechung des Kassationshofes (BGE 68 IV 41, 110, BGE 70 IV 85, 132, BGE 71 IV 47) dürfen die Kantone nicht schon dann eine Handlung zur Übertretung erheben, wenn sie nicht vom eidgenössischen Recht mit Strafe bedroht ist. Die Nichtaufnahme eines Tatbestandes in das Strafgesetzbuch kann bedeuten, dass er überhaupt straflos bleibe, also auch nicht als kantonale Übertretung zu ahnden sei. Diesen Sinn hat das Schweigen des Strafgesetzbuches dann, wenn dieses Gesetz die Angriffe auf ein Rechtsgut durch ein geschlossenes System von Normen regelt. Behandelt es dagegen ein bestimmtes strafrechtliches Gebiet überhaupt nicht, oder stellt es nur einige wenige Tatbestände daraus unter Strafe, um den von Kanton zu Kanton wechselnden Ansichten über die Strafwürdigkeit oder Straflosigkeit einer Handlung Rechnung zu tragen, so bleibt Raum für kantonales Übertretungsstrafrecht.
Die eidgenössische Ordnung betreffend die strafbaren Handlungen gegen die öffentliche Gewalt (Art. 285 ff. StGB) ist nicht abschliessend. Der Entwurf des Bundesrates sah ausser den "Vergehen gegen die Staatsgewalt" (Art. 255 ff. = StGB Art. 285 ff.) sieben "Übertretungen gegen die Staatsgewalt" vor (Art. 337-343). Sie waren in Bestimmungen umschrieben, die als blosse Aushilfsnormen allfälligen in anderen kantonalen oder eidgenössischen Gesetzen enthaltenen Strafbestimmungen über die Nichtbefolgung amtlicher Anordnungen nachgehen sollten (Botschaft des Bundesrates zum Entwurf S. 74). Die Bundesversammlung erhob drei dieser Tatbestände (Art. 337, 338, 343) zu Vergehen (Art. 286, 292, 293 StGB) und strich die anderen vier zusammen mit weiteren Übertretungsnormen "in der Meinung, dass es Sache des kantonalen Polizeistrafrechts sei, hier zum Rechten zu sehen" (StenBull, Sonderausgabe, NatR 506 ff.; vgl. BGE 71 IV 105 f.). Der Wille des eidgenössischen Gesetzgebers, das Feld für kantonales Übertretungsstrafrecht zum Schutze der öffentlichen Gewalt freizugeben, kam damit klar zum Ausdruck. Das gilt insbesondere auch in bezug auf den Tatbestand des Ungehorsams gegen die Polizei, der in Art. 339 des Entwurfes wie folgt umschrieben war: "Wer der Anordnung oder Aufforderung nicht nachkommt, die ein Polizeibeamter innerhalb seiner Befugnisse erlässt, wird mit Haft bis zu acht Tagen oder mit Busse bestraft." Hatte diese Bestimmung im Entwurf neben Art. 337 betreffend die Hinderung einer Amtshandlung und neben Art. 338 betreffend den Ungehorsam gegen amtliche Verfügungen Platz, so verstösst eine entsprechende kantonale Übertretungsnorm weder gegen Art. 286 noch gegen Art. 292 StGB. Der Kassationshof hat übrigens in BGE 69 IV 208 schon entschieden, dass letztere Bestimmung auch in anderer Hinsicht nicht ausschliessliche Geltung beansprucht.
Indem das Obergericht den Beschwerdeführer wegen seines Ungehorsams gegenüber Landjäger Läderach in Anwendung der §§ 44 und 52 der bernischen Verordnung über die Strassenpolizei und Strassensignalisation vom 31. Dezember 1940/15. Juli 1949 verurteilte, verletzte es daher das eidgenössische Recht nicht.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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1. Art. 285, 286 StGB. Blosser Ungehorsam gegenüber einem Landjäger erfüllt diese Bestimmungen nicht (Erw. 2). 2. Art. 335 Ziff. 1 StGB. Kantonale Bestimmungen, die den Ungehorsam gegenüber der Polizei mit Übertretungsstrafe bedrohen, sind zulässig (Erw. 3).
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criminal law and criminal procedure
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A.- Karl Marti verliess am Morgen des 15. Juli 1954 am Steuer eines Personenwagens das Wallis, um über Lausanne nach Derendingen zug elangen. Unterwegs trank er wiederholt Alkohol, letztmals zwischen 20 und 22 Uhr in einem Gasthof in Dotzigen. Da an letzterem Orte die 2,1 Volumenpromille Alkohol, die er schliesslich im Blute hatte, sich in seinem Verhalten offenbarten, benachrichtigten die Wirtsleute die Polizei. Als er kurz vor 22 Uhr schwankenden Schrittes den Gasthof verliess, verbot ihm Landjäger Läderach, den Wagen zu führen. Marti antwortete, von einem "Tschugger" lasse er sich nichts befehlen. Während der Landjäger den Bezirkschef telephonisch um Weisungen ersuchen wollte, setzte Marti sich an das Steuer und fuhr weg. In Büren a.A. wurde er angehalten.
B.- Am 11. Februar 1955 verurteilte das Obergericht des Kantons Bern Marti wegen Führens in angetrunkenem Zustande (Art. 59 Abs. 2 MFG) zu dreissig Tagen Gefängnis und wegen unanständigen Benehmens (Art. 15 bern. EG zum StGB) und Erschwerung der Aufgabe der Polizei (§§ 44, 52 bern. Vo. über die Strassenpolizei und Strassensignalisation vom 31. Dezember 1940/15. Juli 1949) zu Fr. 40.- Busse.
C.- Marti führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil sei aufzuheben. Er macht geltend, die angewendeten Bestimmungen der bernischen Verordnung über die Strassenpolizei und Strassensignalisation verletzten Bundesrecht. Statt nach dieser Verordnung hätte sein Verhalten nach Art. 285 und 286 StGB beurteilt werden sollen, deren Tatbestandsmerkmale jedoch nicht erfüllt seien.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
2. Der Beschwerdeführer behauptet mit Recht nicht, dass er sich durch sein Verhalten gegenüber Landjäger Läderach gegen Art. 285 oder 286 StGB vergangen habe. Beide Bestimmungen setzen voraus, dass der Täter einen Beamten an einer Handlung hindere, die innerhalb seiner Amtsbefugnisse liegt. Nach Art. 285 geschieht es mit Gewalt oder Drohung, nach Art. 286 ohne diese Mittel. Die innerhalb der Amtsbefugnisse liegende Handlung des Landjägers bestand indessen lediglich darin, dem Beschwerdeführer die Weiterfahrt zu verbieten. An der Aussprechung dieses Verbotes hinderte der Beschwerdeführer den Landjäger nicht, weder gewaltsam, noch durch Drohung, noch sonstwie. Er gab lediglich seinem Willen Ausdruck, dem Verbot nicht zu gehorchen, und missachtete es denn auch, indem er während einer kurzen Abwesenheit des Landjägers wegfuhr. Das war nur Ungehorsam, und solcher erfüllt die erwähnten Bestimmungen nicht (BGE 69 IV 1).
Auch Art. 292 StGB, der den Ungehorsam gegen amtliche Verfügungen mit Strafe bedroht, trifft nicht zu, da der Landjäger sein Verbot nicht mit dem Hinweis auf die Strafdrohung dieses Artikels begleitet hat und übrigens auch nicht feststeht, dass er das hätte tun dürfen.
3. Art. 335 Ziff. 1 StGB behält den Kantonen die Gesetzgebung über das Übertretungsstrafrecht soweit vor, als es nicht Gegenstand der Bundesgesetzgebung ist (Abs. 1), und erklärt sie ausserdem befugt, die Übertretung kantonaler Verwaltungs- und Prozessvorschriften mit Strafe zu bedrohen (Abs. 2).
Nach der Rechtsprechung des Kassationshofes (BGE 68 IV 41, 110, BGE 70 IV 85, 132, BGE 71 IV 47) dürfen die Kantone nicht schon dann eine Handlung zur Übertretung erheben, wenn sie nicht vom eidgenössischen Recht mit Strafe bedroht ist. Die Nichtaufnahme eines Tatbestandes in das Strafgesetzbuch kann bedeuten, dass er überhaupt straflos bleibe, also auch nicht als kantonale Übertretung zu ahnden sei. Diesen Sinn hat das Schweigen des Strafgesetzbuches dann, wenn dieses Gesetz die Angriffe auf ein Rechtsgut durch ein geschlossenes System von Normen regelt. Behandelt es dagegen ein bestimmtes strafrechtliches Gebiet überhaupt nicht, oder stellt es nur einige wenige Tatbestände daraus unter Strafe, um den von Kanton zu Kanton wechselnden Ansichten über die Strafwürdigkeit oder Straflosigkeit einer Handlung Rechnung zu tragen, so bleibt Raum für kantonales Übertretungsstrafrecht.
Die eidgenössische Ordnung betreffend die strafbaren Handlungen gegen die öffentliche Gewalt (Art. 285 ff. StGB) ist nicht abschliessend. Der Entwurf des Bundesrates sah ausser den "Vergehen gegen die Staatsgewalt" (Art. 255 ff. = StGB Art. 285 ff.) sieben "Übertretungen gegen die Staatsgewalt" vor (Art. 337-343). Sie waren in Bestimmungen umschrieben, die als blosse Aushilfsnormen allfälligen in anderen kantonalen oder eidgenössischen Gesetzen enthaltenen Strafbestimmungen über die Nichtbefolgung amtlicher Anordnungen nachgehen sollten (Botschaft des Bundesrates zum Entwurf S. 74). Die Bundesversammlung erhob drei dieser Tatbestände (Art. 337, 338, 343) zu Vergehen (Art. 286, 292, 293 StGB) und strich die anderen vier zusammen mit weiteren Übertretungsnormen "in der Meinung, dass es Sache des kantonalen Polizeistrafrechts sei, hier zum Rechten zu sehen" (StenBull, Sonderausgabe, NatR 506 ff.; vgl. BGE 71 IV 105 f.). Der Wille des eidgenössischen Gesetzgebers, das Feld für kantonales Übertretungsstrafrecht zum Schutze der öffentlichen Gewalt freizugeben, kam damit klar zum Ausdruck. Das gilt insbesondere auch in bezug auf den Tatbestand des Ungehorsams gegen die Polizei, der in Art. 339 des Entwurfes wie folgt umschrieben war: "Wer der Anordnung oder Aufforderung nicht nachkommt, die ein Polizeibeamter innerhalb seiner Befugnisse erlässt, wird mit Haft bis zu acht Tagen oder mit Busse bestraft." Hatte diese Bestimmung im Entwurf neben Art. 337 betreffend die Hinderung einer Amtshandlung und neben Art. 338 betreffend den Ungehorsam gegen amtliche Verfügungen Platz, so verstösst eine entsprechende kantonale Übertretungsnorm weder gegen Art. 286 noch gegen Art. 292 StGB. Der Kassationshof hat übrigens in BGE 69 IV 208 schon entschieden, dass letztere Bestimmung auch in anderer Hinsicht nicht ausschliessliche Geltung beansprucht.
Indem das Obergericht den Beschwerdeführer wegen seines Ungehorsams gegenüber Landjäger Läderach in Anwendung der §§ 44 und 52 der bernischen Verordnung über die Strassenpolizei und Strassensignalisation vom 31. Dezember 1940/15. Juli 1949 verurteilte, verletzte es daher das eidgenössische Recht nicht.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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1. Art. 285 et 286 CP. La simple insoumission envers un gendarme ne tombe pas sous le coup de ces dispositions (consid. 2). 2. Art. 335 ch. 1 CP. Les cantons ont le pouvoir de punir comme contravention l'insoumission envers la police (consid. 3).
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criminal law and criminal procedure
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A.- Karl Marti verliess am Morgen des 15. Juli 1954 am Steuer eines Personenwagens das Wallis, um über Lausanne nach Derendingen zug elangen. Unterwegs trank er wiederholt Alkohol, letztmals zwischen 20 und 22 Uhr in einem Gasthof in Dotzigen. Da an letzterem Orte die 2,1 Volumenpromille Alkohol, die er schliesslich im Blute hatte, sich in seinem Verhalten offenbarten, benachrichtigten die Wirtsleute die Polizei. Als er kurz vor 22 Uhr schwankenden Schrittes den Gasthof verliess, verbot ihm Landjäger Läderach, den Wagen zu führen. Marti antwortete, von einem "Tschugger" lasse er sich nichts befehlen. Während der Landjäger den Bezirkschef telephonisch um Weisungen ersuchen wollte, setzte Marti sich an das Steuer und fuhr weg. In Büren a.A. wurde er angehalten.
B.- Am 11. Februar 1955 verurteilte das Obergericht des Kantons Bern Marti wegen Führens in angetrunkenem Zustande (Art. 59 Abs. 2 MFG) zu dreissig Tagen Gefängnis und wegen unanständigen Benehmens (Art. 15 bern. EG zum StGB) und Erschwerung der Aufgabe der Polizei (§§ 44, 52 bern. Vo. über die Strassenpolizei und Strassensignalisation vom 31. Dezember 1940/15. Juli 1949) zu Fr. 40.- Busse.
C.- Marti führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil sei aufzuheben. Er macht geltend, die angewendeten Bestimmungen der bernischen Verordnung über die Strassenpolizei und Strassensignalisation verletzten Bundesrecht. Statt nach dieser Verordnung hätte sein Verhalten nach Art. 285 und 286 StGB beurteilt werden sollen, deren Tatbestandsmerkmale jedoch nicht erfüllt seien.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
2. Der Beschwerdeführer behauptet mit Recht nicht, dass er sich durch sein Verhalten gegenüber Landjäger Läderach gegen Art. 285 oder 286 StGB vergangen habe. Beide Bestimmungen setzen voraus, dass der Täter einen Beamten an einer Handlung hindere, die innerhalb seiner Amtsbefugnisse liegt. Nach Art. 285 geschieht es mit Gewalt oder Drohung, nach Art. 286 ohne diese Mittel. Die innerhalb der Amtsbefugnisse liegende Handlung des Landjägers bestand indessen lediglich darin, dem Beschwerdeführer die Weiterfahrt zu verbieten. An der Aussprechung dieses Verbotes hinderte der Beschwerdeführer den Landjäger nicht, weder gewaltsam, noch durch Drohung, noch sonstwie. Er gab lediglich seinem Willen Ausdruck, dem Verbot nicht zu gehorchen, und missachtete es denn auch, indem er während einer kurzen Abwesenheit des Landjägers wegfuhr. Das war nur Ungehorsam, und solcher erfüllt die erwähnten Bestimmungen nicht (BGE 69 IV 1).
Auch Art. 292 StGB, der den Ungehorsam gegen amtliche Verfügungen mit Strafe bedroht, trifft nicht zu, da der Landjäger sein Verbot nicht mit dem Hinweis auf die Strafdrohung dieses Artikels begleitet hat und übrigens auch nicht feststeht, dass er das hätte tun dürfen.
3. Art. 335 Ziff. 1 StGB behält den Kantonen die Gesetzgebung über das Übertretungsstrafrecht soweit vor, als es nicht Gegenstand der Bundesgesetzgebung ist (Abs. 1), und erklärt sie ausserdem befugt, die Übertretung kantonaler Verwaltungs- und Prozessvorschriften mit Strafe zu bedrohen (Abs. 2).
Nach der Rechtsprechung des Kassationshofes (BGE 68 IV 41, 110, BGE 70 IV 85, 132, BGE 71 IV 47) dürfen die Kantone nicht schon dann eine Handlung zur Übertretung erheben, wenn sie nicht vom eidgenössischen Recht mit Strafe bedroht ist. Die Nichtaufnahme eines Tatbestandes in das Strafgesetzbuch kann bedeuten, dass er überhaupt straflos bleibe, also auch nicht als kantonale Übertretung zu ahnden sei. Diesen Sinn hat das Schweigen des Strafgesetzbuches dann, wenn dieses Gesetz die Angriffe auf ein Rechtsgut durch ein geschlossenes System von Normen regelt. Behandelt es dagegen ein bestimmtes strafrechtliches Gebiet überhaupt nicht, oder stellt es nur einige wenige Tatbestände daraus unter Strafe, um den von Kanton zu Kanton wechselnden Ansichten über die Strafwürdigkeit oder Straflosigkeit einer Handlung Rechnung zu tragen, so bleibt Raum für kantonales Übertretungsstrafrecht.
Die eidgenössische Ordnung betreffend die strafbaren Handlungen gegen die öffentliche Gewalt (Art. 285 ff. StGB) ist nicht abschliessend. Der Entwurf des Bundesrates sah ausser den "Vergehen gegen die Staatsgewalt" (Art. 255 ff. = StGB Art. 285 ff.) sieben "Übertretungen gegen die Staatsgewalt" vor (Art. 337-343). Sie waren in Bestimmungen umschrieben, die als blosse Aushilfsnormen allfälligen in anderen kantonalen oder eidgenössischen Gesetzen enthaltenen Strafbestimmungen über die Nichtbefolgung amtlicher Anordnungen nachgehen sollten (Botschaft des Bundesrates zum Entwurf S. 74). Die Bundesversammlung erhob drei dieser Tatbestände (Art. 337, 338, 343) zu Vergehen (Art. 286, 292, 293 StGB) und strich die anderen vier zusammen mit weiteren Übertretungsnormen "in der Meinung, dass es Sache des kantonalen Polizeistrafrechts sei, hier zum Rechten zu sehen" (StenBull, Sonderausgabe, NatR 506 ff.; vgl. BGE 71 IV 105 f.). Der Wille des eidgenössischen Gesetzgebers, das Feld für kantonales Übertretungsstrafrecht zum Schutze der öffentlichen Gewalt freizugeben, kam damit klar zum Ausdruck. Das gilt insbesondere auch in bezug auf den Tatbestand des Ungehorsams gegen die Polizei, der in Art. 339 des Entwurfes wie folgt umschrieben war: "Wer der Anordnung oder Aufforderung nicht nachkommt, die ein Polizeibeamter innerhalb seiner Befugnisse erlässt, wird mit Haft bis zu acht Tagen oder mit Busse bestraft." Hatte diese Bestimmung im Entwurf neben Art. 337 betreffend die Hinderung einer Amtshandlung und neben Art. 338 betreffend den Ungehorsam gegen amtliche Verfügungen Platz, so verstösst eine entsprechende kantonale Übertretungsnorm weder gegen Art. 286 noch gegen Art. 292 StGB. Der Kassationshof hat übrigens in BGE 69 IV 208 schon entschieden, dass letztere Bestimmung auch in anderer Hinsicht nicht ausschliessliche Geltung beansprucht.
Indem das Obergericht den Beschwerdeführer wegen seines Ungehorsams gegenüber Landjäger Läderach in Anwendung der §§ 44 und 52 der bernischen Verordnung über die Strassenpolizei und Strassensignalisation vom 31. Dezember 1940/15. Juli 1949 verurteilte, verletzte es daher das eidgenössische Recht nicht.
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Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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1. Art. 285, 286 CP. La semplice disobbedienza all'ordine di un gendarme non è punibile a norma di questi disposti (consid. 2). 2. Art. 335 cifra 1 CP. I cantoni hanno la facoltà di punire come contravvenzione la disobbedienza agli ordini della polizia (consid. 3).
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Sachverhalt ab Seite 167
A.- Küffer a exploité un atelier de fabrication de fournitures d'horlogerie sans être au bénéfice d'une autorisation du Département fédéral de l'économie publique et a vendu la majeure partie de sa production pour l'exportation sans avoir obtenu les permis nécessaires à cet effet. Il a cherché à tenir cachée son activité illégale en prenant diverses mesures: il a notamment déterminé son employée de bureau à ne pas indiquer tout son gain dans sa déclaration d'impôts et lui a remis, le 11 mars 1949 et le 22 février 1951, des attestations mentionnant un salaire inférieur à celui qu'elle avait touché.
Par jugement du 12 mars 1954, le Président du Tribunal II de Bienne a reconnu Küffer coupable de faux dans les titres au sens de l'art. 251 CP et l'a condamné à dix jours d'emprisonnement avec sursis pendant deux ans.
B.- Saisi d'un appel interjeté par Küffer, la Ie Chambre pénale de la Cour suprême du canton de Berne a confirmé ce jugement, par arrêt du 16 septembre 1954.
C.- Küffer s'est pourvu en nullité au Tribunal fédéral contre cet arrêt et a conclu à son acquittement. Il fait valoir que la décision attaquée viole l'art. 251 CP en ce qu'elle admet qu'une attestation de salaire est un titre.
Le Procureur général du canton de Berne a conclu au rejet du pourvoi.
Erwägungen
Considérant en droit:
Contrairement à ce que soutient le recourant, une attestation de salaire est un titre. Elle est, conformément aux exigences fixées par la jurisprudence (RO 72 IV 71, 139; 73 IV 50, 109; 75 IV 168; 79 IV 163), un écrit destiné ou propre à prouver un fait ayant une portée juridique, savoir le montant du salaire qu'a touché le contribuable et qui servira au calcul de l'impôt par l'autorité de taxation.
Il ne suffit cependant pas que la qualité de titre soit reconnue à l'attestation de salaire pour que l'on puisse condamner pour faux dans les titres au sens de l'art. 251 CP la personne qui indique dans un tel certificat un montant inférieur à celui qu'elle a en réalité versé à son employé. Il faut encore examiner si les dispositions du droit pénal fiscal n'excluent pas l'application du droit commun à l'égard de celui qui fait une attestation de salaire inexacte.
En vertu de l'art. 335 ch. 2 CP, les cantons ont le pouvoir d'édicter les dispositions pénales nécessaires pour assurer l'observation du droit cantonal en matière fiscale. Ces normes spéciales priment le droit commun (HAFTER, Partie spéciale, vol. 2 p. 613). Le canton de Berne a fait usage de ce droit et, dans les art. 173 ss de la loi sur les impôts directs de l'Etat et des communes, défini les infractions à cette loi et fixé les peines qui les frappent. Le législateur bernois ne punit pas comme tel le faux en matière fiscale, mais fait de l'usage d'un faux un élément constitutif de la soustraction d'impôt qualifiée prévue par l'art. 174 de la loi. Il n'y a cependant pas place, à côté du système de répression du faux dans les titres dans le domaine fiscal institué par la loi bernoise, pour l'application du droit pénal fédéral commun aux actes qui ne tombent pas sous le coup des dispositions spéciales du droit cantonal. Contrairement à l'opinion exprimée par la Cour cantonale, l'art. 251 CP n'est pas applicable à la création de documents faux, qui n'est pas prévue pour elle- même par les art. 173 ss de la loi sur les impôts. L'établissement de faux est, pour toute la matière régie par cette loi, soustrait au droit pénal ordinaire et n'est soumis qu'aux normes du droit fiscal.
Dans le domaine du droit fédéral, il est au surplus admis que les lois fiscales peuvent soustraire au droit pénal ordinaire les faux commis en matière d'impôts (RO 76 IV 90). Pour l'impôt fédéral de défense nationale, ce sont les art. 129 ss AIN qui sont applicables à la production de documents faux, falsifiés ou inexacts opérée pour se soustraire à cet impôt ou obtenir une taxation moins élevée, à l'exclusion du droit pénal commun. A l'instar de la loi bernoise sur les impôts directs de l'Etat et des communes, ces dispositions ne punissent pas le faux comme tel, mais font de l'usage d'un faux un élément constitutif de certaines infractions (art. 129 al. 2, 131 al. 2 AIN). Il n'y a cependant pas là une lacune de la législation spéciale qui devrait être comblée par l'application de l'art. 251 CP. Le faux dans les titres en matière d'impôt pour la défense nationale est régi uniquement par les dispositions de l'arrêté du Conseil fédéral du 9 décembre 1940 concernant la perception de cet impôt et seuls les actes qui sont réprimés par elles sont punissables. Le législateur qui n'a statué que des peines pécuniaires contre les personnes qui produisent des titres faux, falsifiés ou inexacts pour se soustraire à l'impôt n'a en effet pas pu vouloir que celui qui établit le faux soit passible de la réclusion ou de l'emprisonnement prévu par l'art. 251 CP. Celui qui n'est que l'auteur du faux est punissable, en vertu de l'art. 129 al. 3 AIN, seulement comme participant aux infractions réprimées par cet article et l'art. 131, et si celles-ci ont été commises en produisant le faux.
Le recourant ne peut dès lors être condamné pour faux dans les titres en vertu de l'art. 251 CP pour avoir établi deux attestations de salaire inexactes, mentionnant des montants inférieurs à ceux qu'a touchés son employé, à l'intention des seules autorités fiscales. Il n'est passible pour ces faits que des sanctions prévues par les dispositions pénales de la loi bernoise sur les impôts. En déterminant dame Ida Courvoisier à déclarer au fisc un gain moins élevé que celui qu'elle avait réalisé à son service et en faisant des certificats de salaire inexacts, Küffer s'est rendu uniquement coupable d'actes de participation - au sens de l'art. 177 de la loi bernoise sur les impôts - à l'infraction de soustraction d'impôt commise par son employée et qui tombe sous le coup de l'art. 174 de cette loi. Les motifs qui ont poussé le recourant à agir ainsi sont sans effet sur la qualification juridique de son comportement. Les attestations de salaire établies par Küffer n'ont été faites que pour être remises aux autorités fiscales et les faux qu'il a commis se situent strictement dans le domaine des impôts, alors même qu'en indiquant des salaires inférieurs à ceux qu'il avait versés à dame Ida Courvoisier, il voulait éviter que son activité illégale dans la fabrication de fournitures d'horlogerie fût découverte.
L'arrêt attaqué doit dès lors être annulé et la cause renvoyée à la juridiction cantonale pour qu'elle statue à nouveau.
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Auf den Arbeitgeber, der in einem für die Steuerbehörde bestimmten Ausweis einen niedrigeren als den ausbezahlten Lohn angibt, ist das Fiskalstrafrecht, nicht Art. 251 StGB anzuwenden (Art. 251, 335 StGB, Art. 173 ff. bernisches Gesetz über die direkten Staats- und Gemeindesteuern, Art. 129 Abs. 2, 131 Abs. 2 WStB).
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Sachverhalt ab Seite 167
A.- Küffer a exploité un atelier de fabrication de fournitures d'horlogerie sans être au bénéfice d'une autorisation du Département fédéral de l'économie publique et a vendu la majeure partie de sa production pour l'exportation sans avoir obtenu les permis nécessaires à cet effet. Il a cherché à tenir cachée son activité illégale en prenant diverses mesures: il a notamment déterminé son employée de bureau à ne pas indiquer tout son gain dans sa déclaration d'impôts et lui a remis, le 11 mars 1949 et le 22 février 1951, des attestations mentionnant un salaire inférieur à celui qu'elle avait touché.
Par jugement du 12 mars 1954, le Président du Tribunal II de Bienne a reconnu Küffer coupable de faux dans les titres au sens de l'art. 251 CP et l'a condamné à dix jours d'emprisonnement avec sursis pendant deux ans.
B.- Saisi d'un appel interjeté par Küffer, la Ie Chambre pénale de la Cour suprême du canton de Berne a confirmé ce jugement, par arrêt du 16 septembre 1954.
C.- Küffer s'est pourvu en nullité au Tribunal fédéral contre cet arrêt et a conclu à son acquittement. Il fait valoir que la décision attaquée viole l'art. 251 CP en ce qu'elle admet qu'une attestation de salaire est un titre.
Le Procureur général du canton de Berne a conclu au rejet du pourvoi.
Erwägungen
Considérant en droit:
Contrairement à ce que soutient le recourant, une attestation de salaire est un titre. Elle est, conformément aux exigences fixées par la jurisprudence (RO 72 IV 71, 139; 73 IV 50, 109; 75 IV 168; 79 IV 163), un écrit destiné ou propre à prouver un fait ayant une portée juridique, savoir le montant du salaire qu'a touché le contribuable et qui servira au calcul de l'impôt par l'autorité de taxation.
Il ne suffit cependant pas que la qualité de titre soit reconnue à l'attestation de salaire pour que l'on puisse condamner pour faux dans les titres au sens de l'art. 251 CP la personne qui indique dans un tel certificat un montant inférieur à celui qu'elle a en réalité versé à son employé. Il faut encore examiner si les dispositions du droit pénal fiscal n'excluent pas l'application du droit commun à l'égard de celui qui fait une attestation de salaire inexacte.
En vertu de l'art. 335 ch. 2 CP, les cantons ont le pouvoir d'édicter les dispositions pénales nécessaires pour assurer l'observation du droit cantonal en matière fiscale. Ces normes spéciales priment le droit commun (HAFTER, Partie spéciale, vol. 2 p. 613). Le canton de Berne a fait usage de ce droit et, dans les art. 173 ss de la loi sur les impôts directs de l'Etat et des communes, défini les infractions à cette loi et fixé les peines qui les frappent. Le législateur bernois ne punit pas comme tel le faux en matière fiscale, mais fait de l'usage d'un faux un élément constitutif de la soustraction d'impôt qualifiée prévue par l'art. 174 de la loi. Il n'y a cependant pas place, à côté du système de répression du faux dans les titres dans le domaine fiscal institué par la loi bernoise, pour l'application du droit pénal fédéral commun aux actes qui ne tombent pas sous le coup des dispositions spéciales du droit cantonal. Contrairement à l'opinion exprimée par la Cour cantonale, l'art. 251 CP n'est pas applicable à la création de documents faux, qui n'est pas prévue pour elle- même par les art. 173 ss de la loi sur les impôts. L'établissement de faux est, pour toute la matière régie par cette loi, soustrait au droit pénal ordinaire et n'est soumis qu'aux normes du droit fiscal.
Dans le domaine du droit fédéral, il est au surplus admis que les lois fiscales peuvent soustraire au droit pénal ordinaire les faux commis en matière d'impôts (RO 76 IV 90). Pour l'impôt fédéral de défense nationale, ce sont les art. 129 ss AIN qui sont applicables à la production de documents faux, falsifiés ou inexacts opérée pour se soustraire à cet impôt ou obtenir une taxation moins élevée, à l'exclusion du droit pénal commun. A l'instar de la loi bernoise sur les impôts directs de l'Etat et des communes, ces dispositions ne punissent pas le faux comme tel, mais font de l'usage d'un faux un élément constitutif de certaines infractions (art. 129 al. 2, 131 al. 2 AIN). Il n'y a cependant pas là une lacune de la législation spéciale qui devrait être comblée par l'application de l'art. 251 CP. Le faux dans les titres en matière d'impôt pour la défense nationale est régi uniquement par les dispositions de l'arrêté du Conseil fédéral du 9 décembre 1940 concernant la perception de cet impôt et seuls les actes qui sont réprimés par elles sont punissables. Le législateur qui n'a statué que des peines pécuniaires contre les personnes qui produisent des titres faux, falsifiés ou inexacts pour se soustraire à l'impôt n'a en effet pas pu vouloir que celui qui établit le faux soit passible de la réclusion ou de l'emprisonnement prévu par l'art. 251 CP. Celui qui n'est que l'auteur du faux est punissable, en vertu de l'art. 129 al. 3 AIN, seulement comme participant aux infractions réprimées par cet article et l'art. 131, et si celles-ci ont été commises en produisant le faux.
Le recourant ne peut dès lors être condamné pour faux dans les titres en vertu de l'art. 251 CP pour avoir établi deux attestations de salaire inexactes, mentionnant des montants inférieurs à ceux qu'a touchés son employé, à l'intention des seules autorités fiscales. Il n'est passible pour ces faits que des sanctions prévues par les dispositions pénales de la loi bernoise sur les impôts. En déterminant dame Ida Courvoisier à déclarer au fisc un gain moins élevé que celui qu'elle avait réalisé à son service et en faisant des certificats de salaire inexacts, Küffer s'est rendu uniquement coupable d'actes de participation - au sens de l'art. 177 de la loi bernoise sur les impôts - à l'infraction de soustraction d'impôt commise par son employée et qui tombe sous le coup de l'art. 174 de cette loi. Les motifs qui ont poussé le recourant à agir ainsi sont sans effet sur la qualification juridique de son comportement. Les attestations de salaire établies par Küffer n'ont été faites que pour être remises aux autorités fiscales et les faux qu'il a commis se situent strictement dans le domaine des impôts, alors même qu'en indiquant des salaires inférieurs à ceux qu'il avait versés à dame Ida Courvoisier, il voulait éviter que son activité illégale dans la fabrication de fournitures d'horlogerie fût découverte.
L'arrêt attaqué doit dès lors être annulé et la cause renvoyée à la juridiction cantonale pour qu'elle statue à nouveau.
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Ce sont les dispositions du droit pénal fiscal, et non l'art. 251 CP, qui sont applicables à l'employeur qui indique, dans une attestation de salaire destinée à l'autorité fiscale, un montant inférieur à celui qu'il a en réalité versé à son employé (art. 251, 335 CP, 173 ss loi bernoise sur les impôts directs de l'Etat et des communes, 129 al. 2, 131 al. 2 AIN).
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A.- Küffer a exploité un atelier de fabrication de fournitures d'horlogerie sans être au bénéfice d'une autorisation du Département fédéral de l'économie publique et a vendu la majeure partie de sa production pour l'exportation sans avoir obtenu les permis nécessaires à cet effet. Il a cherché à tenir cachée son activité illégale en prenant diverses mesures: il a notamment déterminé son employée de bureau à ne pas indiquer tout son gain dans sa déclaration d'impôts et lui a remis, le 11 mars 1949 et le 22 février 1951, des attestations mentionnant un salaire inférieur à celui qu'elle avait touché.
Par jugement du 12 mars 1954, le Président du Tribunal II de Bienne a reconnu Küffer coupable de faux dans les titres au sens de l'art. 251 CP et l'a condamné à dix jours d'emprisonnement avec sursis pendant deux ans.
B.- Saisi d'un appel interjeté par Küffer, la Ie Chambre pénale de la Cour suprême du canton de Berne a confirmé ce jugement, par arrêt du 16 septembre 1954.
C.- Küffer s'est pourvu en nullité au Tribunal fédéral contre cet arrêt et a conclu à son acquittement. Il fait valoir que la décision attaquée viole l'art. 251 CP en ce qu'elle admet qu'une attestation de salaire est un titre.
Le Procureur général du canton de Berne a conclu au rejet du pourvoi.
Erwägungen
Considérant en droit:
Contrairement à ce que soutient le recourant, une attestation de salaire est un titre. Elle est, conformément aux exigences fixées par la jurisprudence (RO 72 IV 71, 139; 73 IV 50, 109; 75 IV 168; 79 IV 163), un écrit destiné ou propre à prouver un fait ayant une portée juridique, savoir le montant du salaire qu'a touché le contribuable et qui servira au calcul de l'impôt par l'autorité de taxation.
Il ne suffit cependant pas que la qualité de titre soit reconnue à l'attestation de salaire pour que l'on puisse condamner pour faux dans les titres au sens de l'art. 251 CP la personne qui indique dans un tel certificat un montant inférieur à celui qu'elle a en réalité versé à son employé. Il faut encore examiner si les dispositions du droit pénal fiscal n'excluent pas l'application du droit commun à l'égard de celui qui fait une attestation de salaire inexacte.
En vertu de l'art. 335 ch. 2 CP, les cantons ont le pouvoir d'édicter les dispositions pénales nécessaires pour assurer l'observation du droit cantonal en matière fiscale. Ces normes spéciales priment le droit commun (HAFTER, Partie spéciale, vol. 2 p. 613). Le canton de Berne a fait usage de ce droit et, dans les art. 173 ss de la loi sur les impôts directs de l'Etat et des communes, défini les infractions à cette loi et fixé les peines qui les frappent. Le législateur bernois ne punit pas comme tel le faux en matière fiscale, mais fait de l'usage d'un faux un élément constitutif de la soustraction d'impôt qualifiée prévue par l'art. 174 de la loi. Il n'y a cependant pas place, à côté du système de répression du faux dans les titres dans le domaine fiscal institué par la loi bernoise, pour l'application du droit pénal fédéral commun aux actes qui ne tombent pas sous le coup des dispositions spéciales du droit cantonal. Contrairement à l'opinion exprimée par la Cour cantonale, l'art. 251 CP n'est pas applicable à la création de documents faux, qui n'est pas prévue pour elle- même par les art. 173 ss de la loi sur les impôts. L'établissement de faux est, pour toute la matière régie par cette loi, soustrait au droit pénal ordinaire et n'est soumis qu'aux normes du droit fiscal.
Dans le domaine du droit fédéral, il est au surplus admis que les lois fiscales peuvent soustraire au droit pénal ordinaire les faux commis en matière d'impôts (RO 76 IV 90). Pour l'impôt fédéral de défense nationale, ce sont les art. 129 ss AIN qui sont applicables à la production de documents faux, falsifiés ou inexacts opérée pour se soustraire à cet impôt ou obtenir une taxation moins élevée, à l'exclusion du droit pénal commun. A l'instar de la loi bernoise sur les impôts directs de l'Etat et des communes, ces dispositions ne punissent pas le faux comme tel, mais font de l'usage d'un faux un élément constitutif de certaines infractions (art. 129 al. 2, 131 al. 2 AIN). Il n'y a cependant pas là une lacune de la législation spéciale qui devrait être comblée par l'application de l'art. 251 CP. Le faux dans les titres en matière d'impôt pour la défense nationale est régi uniquement par les dispositions de l'arrêté du Conseil fédéral du 9 décembre 1940 concernant la perception de cet impôt et seuls les actes qui sont réprimés par elles sont punissables. Le législateur qui n'a statué que des peines pécuniaires contre les personnes qui produisent des titres faux, falsifiés ou inexacts pour se soustraire à l'impôt n'a en effet pas pu vouloir que celui qui établit le faux soit passible de la réclusion ou de l'emprisonnement prévu par l'art. 251 CP. Celui qui n'est que l'auteur du faux est punissable, en vertu de l'art. 129 al. 3 AIN, seulement comme participant aux infractions réprimées par cet article et l'art. 131, et si celles-ci ont été commises en produisant le faux.
Le recourant ne peut dès lors être condamné pour faux dans les titres en vertu de l'art. 251 CP pour avoir établi deux attestations de salaire inexactes, mentionnant des montants inférieurs à ceux qu'a touchés son employé, à l'intention des seules autorités fiscales. Il n'est passible pour ces faits que des sanctions prévues par les dispositions pénales de la loi bernoise sur les impôts. En déterminant dame Ida Courvoisier à déclarer au fisc un gain moins élevé que celui qu'elle avait réalisé à son service et en faisant des certificats de salaire inexacts, Küffer s'est rendu uniquement coupable d'actes de participation - au sens de l'art. 177 de la loi bernoise sur les impôts - à l'infraction de soustraction d'impôt commise par son employée et qui tombe sous le coup de l'art. 174 de cette loi. Les motifs qui ont poussé le recourant à agir ainsi sont sans effet sur la qualification juridique de son comportement. Les attestations de salaire établies par Küffer n'ont été faites que pour être remises aux autorités fiscales et les faux qu'il a commis se situent strictement dans le domaine des impôts, alors même qu'en indiquant des salaires inférieurs à ceux qu'il avait versés à dame Ida Courvoisier, il voulait éviter que son activité illégale dans la fabrication de fournitures d'horlogerie fût découverte.
L'arrêt attaqué doit dès lors être annulé et la cause renvoyée à la juridiction cantonale pour qu'elle statue à nouveau.
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Al datore di lavoro che, in un'attestazione destinata all'autorità fiscale, indica un salario inferiore a quello che ha effettivamente pagato al suo impiegato sono applicabili le disposizioni del diritto penale fiscale e non l'art. 251 CP (art. 251, 335 CP; art. 173 sgg. della legge tributaria bernese; art. 129 cp. 2, 131 cp. 2 DIN).
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81 IV 17
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Sachverhalt ab Seite 17
A.- Emil Karpf machte sich im Jahre 1949 der Urkundenunterdrückung und im Jahre 1951 wiederholt der Urkundenfälschung schuldig. Am 4. August 1951 legte er vorsätzlich die Ursache zu einem Brand, durch den sein Flugzeugschuppen samt zwei Flugzeugen zum Schaden mehrerer Gläubiger, darunter der Schweiz. Bankgesellschaft, zu deren Gunsten diese Sachen gepfändet worden waren, zerstört wurden. In der Folge versuchte er die Versicherer arglistig zur Auszahlung der Versicherungssummen zu veranlassen. Das Schwurgericht des Kantons Zürich verurteilte ihn daher am 17. November 1952 in Anwendung der Art. 22, 148 Abs. 1, 169, 221 Abs. 1, 251 Ziff. 1 und 254 Abs. 1 StGB zu drei Jahren Zuchthaus und stellte ihn für vier Jahre in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit ein.
Gegen dieses Urteil führte Karpf beim Kassationsgericht des Kantons Zürich innerhalb der ordentlichen Beschwerdefrist des § 431 StPO und nachher am 9. Mai 1954 wegen angeblicher nachträglicher Entdeckung eines neuen Nichtigkeitsgrundes ein zweites Mal Nichtigkeitsbeschwerde. Beide Beschwerden wurden abgewiesen, die erste am 14. März 1953, die zweite am 2. Juli 1954.
B.- Am 17. Juli 1954 reichte Karpf mit der Behauptung, neue Nichtigkeitsgründe entdeckt zu haben, eine dritte Nichtigkeitsbeschwerde ein.
Am 17. August 1954 verlangte er beim Präsidenten des Kassationsgerichts Haftentlassung, indem er darauf hinwies, dass gemäss § 429 StPO die Nichtigkeitsbeschwerde die Vollstreckung des Urteils hemme und ein Haftbefehl gegen ihn nicht vorliege.
Der Präsident des Kassationsgerichts wies das Gesuch am 19. August 1954 mit der Begründung ab, dass auf die Nichtigkeitsbeschwerde voraussichtlich nicht eingetreten werden könne. Da Karpf mit Eingabe vom 21. August 1954 auf dem Gesuch beharrte, verfügte der Präsident des Kassationsgerichts am 26. August 1954 auf Grund des § 429 Abs. 2 in Verbindung mit § 49 StPO, Karpf werde vom Strafvollzug in den Sicherheitsverhaft versetzt.
Am 22. September 1954 beschloss das Kassationsgericht im wesentlichen mit folgender Begründung, auf die Nichtigkeitsbeschwerde nicht einzutreten: a) Es treffe nicht zu, dass der Beschwerdeführer am 12. Juli 1954 mit der Zustellung des letzten kassationsgerichtlichen Entscheides einen ihm vorher nicht bekannt gewesenen Mangel entdeckt habe. In diesem Entscheid werde ausgeführt, dass in dem vor dem Einzelrichter des Bezirksgerichts Winterthur abgeschlossenen Vergleich vom 12. April 1951 entgegen der Meinung des Beschwerdeführers kein Rückzug des Verwertungsbegehrens seitens der Schweiz. Bankgesellschaft erblickt werden könne. Diese Auffassung sei aber für den Beschwerdeführer nicht neu gewesen, sondern habe bereits dem Urteil des Schwurgerichtes zugrunde gelegen, wie der Beschwerdeführer daraus habe entnehmen können, dass die Geschworenen die Frage, ob die durch Feuer zerstörten Sachen zu Gunsten der Schweiz. Bankgesellschaft gepfändet gewesen seien, mit "ja" beantwortet haben. Der Beschwerdeführer hätte, wenn er diese Auslegung des Vergleiches als Nichtigkeitsgrund betrachtet habe, schon seit Erlass des Urteils die Möglichkeit gehabt, deswegen Nichtigkeitsbeschwerde zu erheben. Er habe denn auch in seiner zweiten, vom 9. Mai 1954 datierten Nichtigkeitsbeschwerde ausdrücklich geltend gemacht, in dem Vergleich hätte ohne weiteres ein Rückzug des Verwertungsbegehrens erblickt werden müssen, und das Kassationsgericht habe sich in seinem Beschluss vom 2. Juli 1954 eingehend mit diesem Einwand auseinandergesetzt und ihn als unzutreffend abgelehnt. b) Der Beschwerdeführer mache als Nichtigkeitsgrund auch geltend, dass eine Reihe von Urkunden, die er mit der Beschwerde einreichte, zum Teil gar nicht beigezogen, zum Teil unrichtig gewürdigt worden seien. Das seien alles Urkunden aus den Jahren 1950 und 1951, die teils vom Beschwerdeführer selber verfasst, teils an ihn gerichtet worden seien, ihm also jedenfalls bei der Ausfällung des angefochtenen Urteils bereits bekannt gewesen seien. Der Beschwerdeführer hätte die Nichtberücksichtigung bzw. unrichtige Würdigung dieser Urkunden daher innerhalb der ordentlichen Beschwerdefrist des § 431 StPO geltend machen müssen. Es fehle jeder Nachweis dafür, dass ihm diese Geltendmachung erst vom 12. Juli 1954 an möglich gewesen wäre. c) Mit der Beschwerde werde endlich noch geltend gemacht, der Beschwerdeführer sei zu Unrecht wegen Urkundenfälschung verurteilt worden, da die nach Art. 251 Ziff. 1 Abs. 1 StGB erforderliche Absicht bei der damals gegebenen betreibungsrechtlichen Lage überhaupt nicht habe bestehen können. Damit werde eine Verletzung von Bundesrecht behauptet, für welche Rüge ausschliesslich der Kassationshof des Bundesgerichtes zuständig sei.
Gleichzeitig beschloss das Kassationsgericht: "Der mit Verfügung vom 26. August 1954 angeordnete Sicherheitsverhaft wird aufgehoben und der Beschwerdeführer in den Strafverhaft zurückversetzt. Der Sicherheitsverhaft wird nicht an die Strafe angerechnet". Zur Begründung dieses Beschlusses führte das Gericht aus: Da die Nichtigkeitsbeschwerde sich als unzulässig erweise und vom Beschwerdeführer offenbar in trölerischer Absicht erhoben worden sei, rechtfertige es sich nicht, den Sicherheitsverhaft auf den Strafvollzug, der seit langem begonnen habe, anzurechnen. Es wäre mit dem Zwecke des Strafvollzugs nicht vereinbar, wenn der Bestrafte die Möglichkeit hätte, durch Erhebung trölerischer Rechtsmittel ihn beliebig oft in blosse Sicherheitshaft umzuwandeln.
C.- Karpf führt gegen den Beschluss des Kassationsgerichtes vom 22. September 1954 eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, er sei insoweit aufzuheben, als er die Nichtanrechnung der Sicherheitshaft verfüge, und das Kassationsgericht sei anzuweisen, diese Haft auf die Strafe anzurechnen.
Der Beschwerdeführer macht geltend, die Nichtanrechnung der Sicherheitshaft verstosse gegen Art. 375 StGB und sei auch unbillig, da es ihm ferne gelegen habe, trölerhaft Beschwerde zu führen.
D.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich beantragt, die Nichtigkeitsbeschwerde sei abzuweisen.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
2. Art. 375 Abs. 1 StGB, den der Beschwerdeführer für verletzt hält, bestimmt: "Auf die zu vollziehende Freiheitsstrafe ist unverkürzt die Haft anzurechnen, die der Verurteilte zwischen der Fällung des letzten Urteils und dem Beginne der Vollziehung der Freiheitsstrafe erlitten hat".
Wären die Voraussetzungen dieser Bestimmung erfüllt, so hätte nicht das Bundesgericht, sondern die Vollzugsbehörde und letztinstanzlich der Bundesrat die Anrechnung der Haft zu verfügen, müsste also der Entscheid, unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses des Kassationsgerichtes, diesen Behörden vorbehalten werden. Art. 375 Abs. 1 StGB trifft indessen nicht zu. Er gilt nicht jedesmal dann, wenn der Vollzug der Freiheitsstrafe begonnen hat und durch Sicherheitshaft unterbrochen wird, sondern nur dann, wenn das gerichtliche Verfahren abgeschlossen ist, also nicht mehr der Richter, sondern nur noch die Vollzugsbehörde zum Worte kommen kann. Das ergibt sich deutlich daraus, dass die anzurechnende Haft zwischen der Fällung des letzten Urteils und dem Beginn des Strafvollzuges ausgestanden worden sein muss. Über die Anrechnung der vor der Fällung des letzten Urteils ausgestandenen Haft entscheidet der Richter, und zwar nicht unter dem Gesichtspunkt des Art. 375 Abs. 1, sondern des Art. 69 StGB, der gemäss Art. 110 Ziff. 7 StGB nicht nur für Untersuchungshaft im engeren Sinne, sondern für jede in einem Strafverfahren verhängte Haft, insbesondere auch für Sicherheitshaft gilt. Nicht nötig ist, dass das letzte Urteil ein Sachurteil sei; auch eine kantonale Kassationsinstanz hat den Entscheid über die Anrechnung oder Nichtanrechnung von Haft nicht unter dem Gesichtspunkt des Art. 375 Abs. 1, sondern des Art. 69 StGB zu fällen, und zwar gleichgültig, ob sie innerhalb einer ordentlichen oder erst innerhalb einer ausserordentlichen Rechtsmittelfrist angerufen wird, wie sie z.B. nach § 431 zürch. StPO mit jeder Entdeckung eines Mangels neu zu laufen beginnt.
Auf die Beschwerde ist daher in dem Sinne einzutreten, dass der angefochtene Beschluss des Kassationsgerichts auf Verletzung des Art. 69 StGB hin zu überprüfen ist.
3. Art. 69 StGB schreibt die Anrechnung der Untersuchungshaft im weiteren Sinne, also auch der Sicherheitshaft, insoweit vor, als der Täter sie nicht durch sein Verhalten nach der Tat herbeigeführt oder verlängert hat.
In BGE 70 IV 53 ff. wurde entschieden, ein die Anrechnung ausschliessendes Verhalten liege nicht darin, dass ein appellierender Verhafteter von der ihm vom kantonalen Recht gebotenen Möglichkeit, die Strafe schon vor der Fällung des oberinstanzlichen Urteils anzutreten, keinen Gebrauch mache, denn er sei nicht verpflichtet, sondern nur berechtigt, die noch nicht rechtskräftige Strafe über sich ergehen zu lassen, und zwar sei eine Ausnahme auch dann nicht zu machen, wenn die Appellation trölerisch ergriffen werde, die mutwillige Einlegung eines Rechtsmittels sei nicht Haftgrund.
Nach dieser Rechtsprechung müsste die Sicherheitshaft, die der Beschwerdeführer auf Grund der Verfügung des Präsidenten des Kassationsgerichts vom 26. August 1954 bis zur Abweisung der kantonalen Nichtigkeitsbeschwerde ausgestanden hat, auf die Strafe angerechnet werden. Der Sachverhalt ist ähnlich wie im zitierten Präjudiz. Gemäss § 429 zürch. StPO hemmt die kantonale Nichtigkeitsbeschwerde des Verurteilten die Vollstreckung des Urteils, "soweit er nicht seine Zustimmung dazu erklärt". Darnach hätte das Urteil des Schwurgerichtes trotz Einlegung der Nichtigkeitsbeschwerde weiterhin vollstreckt werden können, wenn der Beschwerdeführer sich damit einverstanden erklärt hätte. Das hat er durch seinen wiederholten Einspruch gegen die Fortsetzung des Strafvollzuges aus freiem Willen abgelehnt. Ein Vorwurf kann ihm daraus nicht gemacht werden, da er nur berechtigt, nicht verpflichtet war, der Fortsetzung des Strafvollzuges zuzustimmen.
An der erwähnten Rechtsprechung lässt sich jedoch insofern nicht festhalten, als sie auch dem Tröler einen Anspruch auf Anrechnung der Haft zuerkannt hat. Gewiss ist die Einlegung eines Rechtsmittels, auch die trölerische, nicht gesetzlicher Haftgrund (vgl. § 49 zürch. StPO). Darauf kommt aber nichts an. Art. 69 StGB schliesst die Anrechnung der Haft nicht nur dann aus, wenn das Verhalten des Beschuldigten die Merkmale eines gesetzlichen Haftgrundes aufweist. Es genügt, dass die Haft mit dem Verhalten des Beschuldigten ursächlich zusammenhange, d.h. dass dieser sie durch ein anderes Benehmen hätte abwenden oder verkürzen können. So hat das Bundesgericht entschieden, Verweigerung der Auskunft und Leugnen durch den Beschuldigten könnten insoweit Grund zur Nichtanrechnung der Untersuchungshaft sein, als sie diese herbeigeführt oder verlängert haben, obschon sie nicht Haftgründe im Sinne des kantonalen Prozessrechtes waren, sondern die Haft nur mittelbar, durch Verzögerung des Verfahrens, zur Folge hatten (BGE 70 IV 183, BGE 73 IV 92). Zwar trifft zu, dass das diese Fälle beherrschende kantonale Prozessrecht dem Beschuldigten nicht geradezu ein Recht zuerkannte, die Auskunft zu verweigern oder zu leugnen, wogegen das Recht des Beschuldigten, die im Gesetze vorgesehenen Rechtsmittel zu ergreifen und dadurch den Strafvollzug hinauszuschieben und Anlass zur Verhängung oder Verlängerung der Sicherheitshaft zu geben, ausdrücklich anerkannt ist. Dieser Unterschied rechtfertigt jedoch die Anrechnung einer Haft, die der Beschuldigte durch Ergreifung eines Rechtsmittels und Ablehnung des Strafvollzuges herbeiführt oder verlängert, nur dann, wenn er in guten Treuen handelt. Wer ein Rechtsmittel missbraucht, befindet sich nicht in anderer Lage als ein Beschuldigter, der die Auskunft verweigert oder leugnet, ein Verhalten, mit dem das Gesetz durch den Ausschluss von Zwangsmitteln (§ 154 zürch. StPO) sich ebenfalls abfindet, ohne es dadurch zu billigen. Dass ein Rechtsmittel nicht soll missbraucht werden können, um statt der Strafe nur die mildere Sicherheitshaft ausstehen zu müssen, ergibt sich deutlich aus Art. 375 Abs. 2 StGB, der bestimmt, dass die zwischen der Einlegung und dem Rückzug eines Rechtsmittels ausgestandene Sicherheitshaft auf die Strafe nicht angerechnet werde. Hier geht das Gesetz so weit, die Sicherheitshaft sogar dann nicht anrechnen zu lassen, wenn das zurückgezogene Rechtsmittel in guten Treuen eingelegt worden war. Art. 69 StGB kann daher nicht den Sinn haben, dass der Beschuldigte durch trölerische Rechtsmittelerklärungen dem Vollzug der Strafe ganz oder teilweise soll entgehen können. Das könnte auch die unerwünschte Wirkung haben, dass der Verurteilte ein als offensichtlich aussichtslos erkanntes Rechtsmittel aufrecht halten würde, nur um der Folge des Art. 375 Abs. 2 StGB zu entgehen. Dem in BGE 70 IV 57 geäusserten Bedenken, er könnte, wenn er die Nichtanrechnung der im Rechtsmittelverfahren ausgestandenen Sicherheitshaft zu befürchten hätte, selbst dann von der Ergreifung des Rechtsmittels abgehalten werden, wenn es nicht aussichtlos sei, wird dadurch genügend Rechnung getragen, dass die Nichtanrechnung der Haft nur dem offensichtlichen Tröler wartet, d.h. dem, der schlechterdings nicht annehmen durfte, die Einlegung oder Aufrechterhaltung des Rechtsmittels könnte zu einer Abänderung des angefochtenen Urteils zu seinen Gunsten führen.
4. Die Sicherheitshaft ist daher dem Beschwerdeführer zu Recht nicht auf die Strafe angerechnet worden. Aus der Begründung, mit der das Kassationsgericht auf die dritte Nichtigkeitsbeschwerde des Beschwerdeführers nicht eingetreten ist, ergibt sich klar, dass er das Beschwerderecht arg missbraucht hat. Nach Ablauf der ordentlichen Beschwerdefrist konnte gemäss § 431 zürch. StPO Nichtigkeitsbeschwerde nur noch binnen fünf Tagen von der Entdeckung neuer Mängel an eingereicht werden. Solche waren dem Beschwerdeführer offensichtlich während der der Beschwerdeerklärung vorausgegangenen fünf Tage nicht bekannt geworden. Wegen Verletzung eidgenössischen Rechts sodann (Art. 251 Ziff. 1 Abs. 1 StGB) war kantonale Nichtigkeitsbeschwerde überhaupt nicht zulässig, was der Beschwerdeführer der ausdrücklichen Bestimmung des § 430 b zürch. StPO entnehmen konnte.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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1. Art. 375 Abs. 1 StGB gilt erst, wenn das gerichtliche Verfahren, inbegriffen ein allfälliges kantonales Kassationsverfahren, abgeschlossen ist (Erw. 2). 2. Art. 69 StGB. Wer wegen offensichtlich trölerischer Einlegung eines Rechtsmittels in Verbindung mit einem Einspruch gegen den Strafvollzug in Sicherheitshaft gesetzt oder behalten werden muss, hat nicht Anspruch, dass sie auf die Strafe angerechnet werde (Erw. 3). (Änderung der Rechtsprechung.)
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81 IV 17
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Sachverhalt ab Seite 17
A.- Emil Karpf machte sich im Jahre 1949 der Urkundenunterdrückung und im Jahre 1951 wiederholt der Urkundenfälschung schuldig. Am 4. August 1951 legte er vorsätzlich die Ursache zu einem Brand, durch den sein Flugzeugschuppen samt zwei Flugzeugen zum Schaden mehrerer Gläubiger, darunter der Schweiz. Bankgesellschaft, zu deren Gunsten diese Sachen gepfändet worden waren, zerstört wurden. In der Folge versuchte er die Versicherer arglistig zur Auszahlung der Versicherungssummen zu veranlassen. Das Schwurgericht des Kantons Zürich verurteilte ihn daher am 17. November 1952 in Anwendung der Art. 22, 148 Abs. 1, 169, 221 Abs. 1, 251 Ziff. 1 und 254 Abs. 1 StGB zu drei Jahren Zuchthaus und stellte ihn für vier Jahre in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit ein.
Gegen dieses Urteil führte Karpf beim Kassationsgericht des Kantons Zürich innerhalb der ordentlichen Beschwerdefrist des § 431 StPO und nachher am 9. Mai 1954 wegen angeblicher nachträglicher Entdeckung eines neuen Nichtigkeitsgrundes ein zweites Mal Nichtigkeitsbeschwerde. Beide Beschwerden wurden abgewiesen, die erste am 14. März 1953, die zweite am 2. Juli 1954.
B.- Am 17. Juli 1954 reichte Karpf mit der Behauptung, neue Nichtigkeitsgründe entdeckt zu haben, eine dritte Nichtigkeitsbeschwerde ein.
Am 17. August 1954 verlangte er beim Präsidenten des Kassationsgerichts Haftentlassung, indem er darauf hinwies, dass gemäss § 429 StPO die Nichtigkeitsbeschwerde die Vollstreckung des Urteils hemme und ein Haftbefehl gegen ihn nicht vorliege.
Der Präsident des Kassationsgerichts wies das Gesuch am 19. August 1954 mit der Begründung ab, dass auf die Nichtigkeitsbeschwerde voraussichtlich nicht eingetreten werden könne. Da Karpf mit Eingabe vom 21. August 1954 auf dem Gesuch beharrte, verfügte der Präsident des Kassationsgerichts am 26. August 1954 auf Grund des § 429 Abs. 2 in Verbindung mit § 49 StPO, Karpf werde vom Strafvollzug in den Sicherheitsverhaft versetzt.
Am 22. September 1954 beschloss das Kassationsgericht im wesentlichen mit folgender Begründung, auf die Nichtigkeitsbeschwerde nicht einzutreten: a) Es treffe nicht zu, dass der Beschwerdeführer am 12. Juli 1954 mit der Zustellung des letzten kassationsgerichtlichen Entscheides einen ihm vorher nicht bekannt gewesenen Mangel entdeckt habe. In diesem Entscheid werde ausgeführt, dass in dem vor dem Einzelrichter des Bezirksgerichts Winterthur abgeschlossenen Vergleich vom 12. April 1951 entgegen der Meinung des Beschwerdeführers kein Rückzug des Verwertungsbegehrens seitens der Schweiz. Bankgesellschaft erblickt werden könne. Diese Auffassung sei aber für den Beschwerdeführer nicht neu gewesen, sondern habe bereits dem Urteil des Schwurgerichtes zugrunde gelegen, wie der Beschwerdeführer daraus habe entnehmen können, dass die Geschworenen die Frage, ob die durch Feuer zerstörten Sachen zu Gunsten der Schweiz. Bankgesellschaft gepfändet gewesen seien, mit "ja" beantwortet haben. Der Beschwerdeführer hätte, wenn er diese Auslegung des Vergleiches als Nichtigkeitsgrund betrachtet habe, schon seit Erlass des Urteils die Möglichkeit gehabt, deswegen Nichtigkeitsbeschwerde zu erheben. Er habe denn auch in seiner zweiten, vom 9. Mai 1954 datierten Nichtigkeitsbeschwerde ausdrücklich geltend gemacht, in dem Vergleich hätte ohne weiteres ein Rückzug des Verwertungsbegehrens erblickt werden müssen, und das Kassationsgericht habe sich in seinem Beschluss vom 2. Juli 1954 eingehend mit diesem Einwand auseinandergesetzt und ihn als unzutreffend abgelehnt. b) Der Beschwerdeführer mache als Nichtigkeitsgrund auch geltend, dass eine Reihe von Urkunden, die er mit der Beschwerde einreichte, zum Teil gar nicht beigezogen, zum Teil unrichtig gewürdigt worden seien. Das seien alles Urkunden aus den Jahren 1950 und 1951, die teils vom Beschwerdeführer selber verfasst, teils an ihn gerichtet worden seien, ihm also jedenfalls bei der Ausfällung des angefochtenen Urteils bereits bekannt gewesen seien. Der Beschwerdeführer hätte die Nichtberücksichtigung bzw. unrichtige Würdigung dieser Urkunden daher innerhalb der ordentlichen Beschwerdefrist des § 431 StPO geltend machen müssen. Es fehle jeder Nachweis dafür, dass ihm diese Geltendmachung erst vom 12. Juli 1954 an möglich gewesen wäre. c) Mit der Beschwerde werde endlich noch geltend gemacht, der Beschwerdeführer sei zu Unrecht wegen Urkundenfälschung verurteilt worden, da die nach Art. 251 Ziff. 1 Abs. 1 StGB erforderliche Absicht bei der damals gegebenen betreibungsrechtlichen Lage überhaupt nicht habe bestehen können. Damit werde eine Verletzung von Bundesrecht behauptet, für welche Rüge ausschliesslich der Kassationshof des Bundesgerichtes zuständig sei.
Gleichzeitig beschloss das Kassationsgericht: "Der mit Verfügung vom 26. August 1954 angeordnete Sicherheitsverhaft wird aufgehoben und der Beschwerdeführer in den Strafverhaft zurückversetzt. Der Sicherheitsverhaft wird nicht an die Strafe angerechnet". Zur Begründung dieses Beschlusses führte das Gericht aus: Da die Nichtigkeitsbeschwerde sich als unzulässig erweise und vom Beschwerdeführer offenbar in trölerischer Absicht erhoben worden sei, rechtfertige es sich nicht, den Sicherheitsverhaft auf den Strafvollzug, der seit langem begonnen habe, anzurechnen. Es wäre mit dem Zwecke des Strafvollzugs nicht vereinbar, wenn der Bestrafte die Möglichkeit hätte, durch Erhebung trölerischer Rechtsmittel ihn beliebig oft in blosse Sicherheitshaft umzuwandeln.
C.- Karpf führt gegen den Beschluss des Kassationsgerichtes vom 22. September 1954 eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, er sei insoweit aufzuheben, als er die Nichtanrechnung der Sicherheitshaft verfüge, und das Kassationsgericht sei anzuweisen, diese Haft auf die Strafe anzurechnen.
Der Beschwerdeführer macht geltend, die Nichtanrechnung der Sicherheitshaft verstosse gegen Art. 375 StGB und sei auch unbillig, da es ihm ferne gelegen habe, trölerhaft Beschwerde zu führen.
D.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich beantragt, die Nichtigkeitsbeschwerde sei abzuweisen.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
2. Art. 375 Abs. 1 StGB, den der Beschwerdeführer für verletzt hält, bestimmt: "Auf die zu vollziehende Freiheitsstrafe ist unverkürzt die Haft anzurechnen, die der Verurteilte zwischen der Fällung des letzten Urteils und dem Beginne der Vollziehung der Freiheitsstrafe erlitten hat".
Wären die Voraussetzungen dieser Bestimmung erfüllt, so hätte nicht das Bundesgericht, sondern die Vollzugsbehörde und letztinstanzlich der Bundesrat die Anrechnung der Haft zu verfügen, müsste also der Entscheid, unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses des Kassationsgerichtes, diesen Behörden vorbehalten werden. Art. 375 Abs. 1 StGB trifft indessen nicht zu. Er gilt nicht jedesmal dann, wenn der Vollzug der Freiheitsstrafe begonnen hat und durch Sicherheitshaft unterbrochen wird, sondern nur dann, wenn das gerichtliche Verfahren abgeschlossen ist, also nicht mehr der Richter, sondern nur noch die Vollzugsbehörde zum Worte kommen kann. Das ergibt sich deutlich daraus, dass die anzurechnende Haft zwischen der Fällung des letzten Urteils und dem Beginn des Strafvollzuges ausgestanden worden sein muss. Über die Anrechnung der vor der Fällung des letzten Urteils ausgestandenen Haft entscheidet der Richter, und zwar nicht unter dem Gesichtspunkt des Art. 375 Abs. 1, sondern des Art. 69 StGB, der gemäss Art. 110 Ziff. 7 StGB nicht nur für Untersuchungshaft im engeren Sinne, sondern für jede in einem Strafverfahren verhängte Haft, insbesondere auch für Sicherheitshaft gilt. Nicht nötig ist, dass das letzte Urteil ein Sachurteil sei; auch eine kantonale Kassationsinstanz hat den Entscheid über die Anrechnung oder Nichtanrechnung von Haft nicht unter dem Gesichtspunkt des Art. 375 Abs. 1, sondern des Art. 69 StGB zu fällen, und zwar gleichgültig, ob sie innerhalb einer ordentlichen oder erst innerhalb einer ausserordentlichen Rechtsmittelfrist angerufen wird, wie sie z.B. nach § 431 zürch. StPO mit jeder Entdeckung eines Mangels neu zu laufen beginnt.
Auf die Beschwerde ist daher in dem Sinne einzutreten, dass der angefochtene Beschluss des Kassationsgerichts auf Verletzung des Art. 69 StGB hin zu überprüfen ist.
3. Art. 69 StGB schreibt die Anrechnung der Untersuchungshaft im weiteren Sinne, also auch der Sicherheitshaft, insoweit vor, als der Täter sie nicht durch sein Verhalten nach der Tat herbeigeführt oder verlängert hat.
In BGE 70 IV 53 ff. wurde entschieden, ein die Anrechnung ausschliessendes Verhalten liege nicht darin, dass ein appellierender Verhafteter von der ihm vom kantonalen Recht gebotenen Möglichkeit, die Strafe schon vor der Fällung des oberinstanzlichen Urteils anzutreten, keinen Gebrauch mache, denn er sei nicht verpflichtet, sondern nur berechtigt, die noch nicht rechtskräftige Strafe über sich ergehen zu lassen, und zwar sei eine Ausnahme auch dann nicht zu machen, wenn die Appellation trölerisch ergriffen werde, die mutwillige Einlegung eines Rechtsmittels sei nicht Haftgrund.
Nach dieser Rechtsprechung müsste die Sicherheitshaft, die der Beschwerdeführer auf Grund der Verfügung des Präsidenten des Kassationsgerichts vom 26. August 1954 bis zur Abweisung der kantonalen Nichtigkeitsbeschwerde ausgestanden hat, auf die Strafe angerechnet werden. Der Sachverhalt ist ähnlich wie im zitierten Präjudiz. Gemäss § 429 zürch. StPO hemmt die kantonale Nichtigkeitsbeschwerde des Verurteilten die Vollstreckung des Urteils, "soweit er nicht seine Zustimmung dazu erklärt". Darnach hätte das Urteil des Schwurgerichtes trotz Einlegung der Nichtigkeitsbeschwerde weiterhin vollstreckt werden können, wenn der Beschwerdeführer sich damit einverstanden erklärt hätte. Das hat er durch seinen wiederholten Einspruch gegen die Fortsetzung des Strafvollzuges aus freiem Willen abgelehnt. Ein Vorwurf kann ihm daraus nicht gemacht werden, da er nur berechtigt, nicht verpflichtet war, der Fortsetzung des Strafvollzuges zuzustimmen.
An der erwähnten Rechtsprechung lässt sich jedoch insofern nicht festhalten, als sie auch dem Tröler einen Anspruch auf Anrechnung der Haft zuerkannt hat. Gewiss ist die Einlegung eines Rechtsmittels, auch die trölerische, nicht gesetzlicher Haftgrund (vgl. § 49 zürch. StPO). Darauf kommt aber nichts an. Art. 69 StGB schliesst die Anrechnung der Haft nicht nur dann aus, wenn das Verhalten des Beschuldigten die Merkmale eines gesetzlichen Haftgrundes aufweist. Es genügt, dass die Haft mit dem Verhalten des Beschuldigten ursächlich zusammenhange, d.h. dass dieser sie durch ein anderes Benehmen hätte abwenden oder verkürzen können. So hat das Bundesgericht entschieden, Verweigerung der Auskunft und Leugnen durch den Beschuldigten könnten insoweit Grund zur Nichtanrechnung der Untersuchungshaft sein, als sie diese herbeigeführt oder verlängert haben, obschon sie nicht Haftgründe im Sinne des kantonalen Prozessrechtes waren, sondern die Haft nur mittelbar, durch Verzögerung des Verfahrens, zur Folge hatten (BGE 70 IV 183, BGE 73 IV 92). Zwar trifft zu, dass das diese Fälle beherrschende kantonale Prozessrecht dem Beschuldigten nicht geradezu ein Recht zuerkannte, die Auskunft zu verweigern oder zu leugnen, wogegen das Recht des Beschuldigten, die im Gesetze vorgesehenen Rechtsmittel zu ergreifen und dadurch den Strafvollzug hinauszuschieben und Anlass zur Verhängung oder Verlängerung der Sicherheitshaft zu geben, ausdrücklich anerkannt ist. Dieser Unterschied rechtfertigt jedoch die Anrechnung einer Haft, die der Beschuldigte durch Ergreifung eines Rechtsmittels und Ablehnung des Strafvollzuges herbeiführt oder verlängert, nur dann, wenn er in guten Treuen handelt. Wer ein Rechtsmittel missbraucht, befindet sich nicht in anderer Lage als ein Beschuldigter, der die Auskunft verweigert oder leugnet, ein Verhalten, mit dem das Gesetz durch den Ausschluss von Zwangsmitteln (§ 154 zürch. StPO) sich ebenfalls abfindet, ohne es dadurch zu billigen. Dass ein Rechtsmittel nicht soll missbraucht werden können, um statt der Strafe nur die mildere Sicherheitshaft ausstehen zu müssen, ergibt sich deutlich aus Art. 375 Abs. 2 StGB, der bestimmt, dass die zwischen der Einlegung und dem Rückzug eines Rechtsmittels ausgestandene Sicherheitshaft auf die Strafe nicht angerechnet werde. Hier geht das Gesetz so weit, die Sicherheitshaft sogar dann nicht anrechnen zu lassen, wenn das zurückgezogene Rechtsmittel in guten Treuen eingelegt worden war. Art. 69 StGB kann daher nicht den Sinn haben, dass der Beschuldigte durch trölerische Rechtsmittelerklärungen dem Vollzug der Strafe ganz oder teilweise soll entgehen können. Das könnte auch die unerwünschte Wirkung haben, dass der Verurteilte ein als offensichtlich aussichtslos erkanntes Rechtsmittel aufrecht halten würde, nur um der Folge des Art. 375 Abs. 2 StGB zu entgehen. Dem in BGE 70 IV 57 geäusserten Bedenken, er könnte, wenn er die Nichtanrechnung der im Rechtsmittelverfahren ausgestandenen Sicherheitshaft zu befürchten hätte, selbst dann von der Ergreifung des Rechtsmittels abgehalten werden, wenn es nicht aussichtlos sei, wird dadurch genügend Rechnung getragen, dass die Nichtanrechnung der Haft nur dem offensichtlichen Tröler wartet, d.h. dem, der schlechterdings nicht annehmen durfte, die Einlegung oder Aufrechterhaltung des Rechtsmittels könnte zu einer Abänderung des angefochtenen Urteils zu seinen Gunsten führen.
4. Die Sicherheitshaft ist daher dem Beschwerdeführer zu Recht nicht auf die Strafe angerechnet worden. Aus der Begründung, mit der das Kassationsgericht auf die dritte Nichtigkeitsbeschwerde des Beschwerdeführers nicht eingetreten ist, ergibt sich klar, dass er das Beschwerderecht arg missbraucht hat. Nach Ablauf der ordentlichen Beschwerdefrist konnte gemäss § 431 zürch. StPO Nichtigkeitsbeschwerde nur noch binnen fünf Tagen von der Entdeckung neuer Mängel an eingereicht werden. Solche waren dem Beschwerdeführer offensichtlich während der der Beschwerdeerklärung vorausgegangenen fünf Tage nicht bekannt geworden. Wegen Verletzung eidgenössischen Rechts sodann (Art. 251 Ziff. 1 Abs. 1 StGB) war kantonale Nichtigkeitsbeschwerde überhaupt nicht zulässig, was der Beschwerdeführer der ausdrücklichen Bestimmung des § 430 b zürch. StPO entnehmen konnte.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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1. L'art. 375 al. 1 CP n'est applicable que si la procédure judiciaire, y compris une éventuelle procédure cantonale de cassation, est achevée (consid. 2). 2. Art. 69 CP. Celui qui est mis ou laissé en détention préventive en raison d'un recours manifestement abusif lié à une opposition à l'exécution de la peine ne peut prétendre à ce que cette détention soit déduite de la peine (consid. 3). (Changement de jurisprudence.)
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81 IV 17
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Sachverhalt ab Seite 17
A.- Emil Karpf machte sich im Jahre 1949 der Urkundenunterdrückung und im Jahre 1951 wiederholt der Urkundenfälschung schuldig. Am 4. August 1951 legte er vorsätzlich die Ursache zu einem Brand, durch den sein Flugzeugschuppen samt zwei Flugzeugen zum Schaden mehrerer Gläubiger, darunter der Schweiz. Bankgesellschaft, zu deren Gunsten diese Sachen gepfändet worden waren, zerstört wurden. In der Folge versuchte er die Versicherer arglistig zur Auszahlung der Versicherungssummen zu veranlassen. Das Schwurgericht des Kantons Zürich verurteilte ihn daher am 17. November 1952 in Anwendung der Art. 22, 148 Abs. 1, 169, 221 Abs. 1, 251 Ziff. 1 und 254 Abs. 1 StGB zu drei Jahren Zuchthaus und stellte ihn für vier Jahre in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit ein.
Gegen dieses Urteil führte Karpf beim Kassationsgericht des Kantons Zürich innerhalb der ordentlichen Beschwerdefrist des § 431 StPO und nachher am 9. Mai 1954 wegen angeblicher nachträglicher Entdeckung eines neuen Nichtigkeitsgrundes ein zweites Mal Nichtigkeitsbeschwerde. Beide Beschwerden wurden abgewiesen, die erste am 14. März 1953, die zweite am 2. Juli 1954.
B.- Am 17. Juli 1954 reichte Karpf mit der Behauptung, neue Nichtigkeitsgründe entdeckt zu haben, eine dritte Nichtigkeitsbeschwerde ein.
Am 17. August 1954 verlangte er beim Präsidenten des Kassationsgerichts Haftentlassung, indem er darauf hinwies, dass gemäss § 429 StPO die Nichtigkeitsbeschwerde die Vollstreckung des Urteils hemme und ein Haftbefehl gegen ihn nicht vorliege.
Der Präsident des Kassationsgerichts wies das Gesuch am 19. August 1954 mit der Begründung ab, dass auf die Nichtigkeitsbeschwerde voraussichtlich nicht eingetreten werden könne. Da Karpf mit Eingabe vom 21. August 1954 auf dem Gesuch beharrte, verfügte der Präsident des Kassationsgerichts am 26. August 1954 auf Grund des § 429 Abs. 2 in Verbindung mit § 49 StPO, Karpf werde vom Strafvollzug in den Sicherheitsverhaft versetzt.
Am 22. September 1954 beschloss das Kassationsgericht im wesentlichen mit folgender Begründung, auf die Nichtigkeitsbeschwerde nicht einzutreten: a) Es treffe nicht zu, dass der Beschwerdeführer am 12. Juli 1954 mit der Zustellung des letzten kassationsgerichtlichen Entscheides einen ihm vorher nicht bekannt gewesenen Mangel entdeckt habe. In diesem Entscheid werde ausgeführt, dass in dem vor dem Einzelrichter des Bezirksgerichts Winterthur abgeschlossenen Vergleich vom 12. April 1951 entgegen der Meinung des Beschwerdeführers kein Rückzug des Verwertungsbegehrens seitens der Schweiz. Bankgesellschaft erblickt werden könne. Diese Auffassung sei aber für den Beschwerdeführer nicht neu gewesen, sondern habe bereits dem Urteil des Schwurgerichtes zugrunde gelegen, wie der Beschwerdeführer daraus habe entnehmen können, dass die Geschworenen die Frage, ob die durch Feuer zerstörten Sachen zu Gunsten der Schweiz. Bankgesellschaft gepfändet gewesen seien, mit "ja" beantwortet haben. Der Beschwerdeführer hätte, wenn er diese Auslegung des Vergleiches als Nichtigkeitsgrund betrachtet habe, schon seit Erlass des Urteils die Möglichkeit gehabt, deswegen Nichtigkeitsbeschwerde zu erheben. Er habe denn auch in seiner zweiten, vom 9. Mai 1954 datierten Nichtigkeitsbeschwerde ausdrücklich geltend gemacht, in dem Vergleich hätte ohne weiteres ein Rückzug des Verwertungsbegehrens erblickt werden müssen, und das Kassationsgericht habe sich in seinem Beschluss vom 2. Juli 1954 eingehend mit diesem Einwand auseinandergesetzt und ihn als unzutreffend abgelehnt. b) Der Beschwerdeführer mache als Nichtigkeitsgrund auch geltend, dass eine Reihe von Urkunden, die er mit der Beschwerde einreichte, zum Teil gar nicht beigezogen, zum Teil unrichtig gewürdigt worden seien. Das seien alles Urkunden aus den Jahren 1950 und 1951, die teils vom Beschwerdeführer selber verfasst, teils an ihn gerichtet worden seien, ihm also jedenfalls bei der Ausfällung des angefochtenen Urteils bereits bekannt gewesen seien. Der Beschwerdeführer hätte die Nichtberücksichtigung bzw. unrichtige Würdigung dieser Urkunden daher innerhalb der ordentlichen Beschwerdefrist des § 431 StPO geltend machen müssen. Es fehle jeder Nachweis dafür, dass ihm diese Geltendmachung erst vom 12. Juli 1954 an möglich gewesen wäre. c) Mit der Beschwerde werde endlich noch geltend gemacht, der Beschwerdeführer sei zu Unrecht wegen Urkundenfälschung verurteilt worden, da die nach Art. 251 Ziff. 1 Abs. 1 StGB erforderliche Absicht bei der damals gegebenen betreibungsrechtlichen Lage überhaupt nicht habe bestehen können. Damit werde eine Verletzung von Bundesrecht behauptet, für welche Rüge ausschliesslich der Kassationshof des Bundesgerichtes zuständig sei.
Gleichzeitig beschloss das Kassationsgericht: "Der mit Verfügung vom 26. August 1954 angeordnete Sicherheitsverhaft wird aufgehoben und der Beschwerdeführer in den Strafverhaft zurückversetzt. Der Sicherheitsverhaft wird nicht an die Strafe angerechnet". Zur Begründung dieses Beschlusses führte das Gericht aus: Da die Nichtigkeitsbeschwerde sich als unzulässig erweise und vom Beschwerdeführer offenbar in trölerischer Absicht erhoben worden sei, rechtfertige es sich nicht, den Sicherheitsverhaft auf den Strafvollzug, der seit langem begonnen habe, anzurechnen. Es wäre mit dem Zwecke des Strafvollzugs nicht vereinbar, wenn der Bestrafte die Möglichkeit hätte, durch Erhebung trölerischer Rechtsmittel ihn beliebig oft in blosse Sicherheitshaft umzuwandeln.
C.- Karpf führt gegen den Beschluss des Kassationsgerichtes vom 22. September 1954 eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, er sei insoweit aufzuheben, als er die Nichtanrechnung der Sicherheitshaft verfüge, und das Kassationsgericht sei anzuweisen, diese Haft auf die Strafe anzurechnen.
Der Beschwerdeführer macht geltend, die Nichtanrechnung der Sicherheitshaft verstosse gegen Art. 375 StGB und sei auch unbillig, da es ihm ferne gelegen habe, trölerhaft Beschwerde zu führen.
D.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich beantragt, die Nichtigkeitsbeschwerde sei abzuweisen.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
2. Art. 375 Abs. 1 StGB, den der Beschwerdeführer für verletzt hält, bestimmt: "Auf die zu vollziehende Freiheitsstrafe ist unverkürzt die Haft anzurechnen, die der Verurteilte zwischen der Fällung des letzten Urteils und dem Beginne der Vollziehung der Freiheitsstrafe erlitten hat".
Wären die Voraussetzungen dieser Bestimmung erfüllt, so hätte nicht das Bundesgericht, sondern die Vollzugsbehörde und letztinstanzlich der Bundesrat die Anrechnung der Haft zu verfügen, müsste also der Entscheid, unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses des Kassationsgerichtes, diesen Behörden vorbehalten werden. Art. 375 Abs. 1 StGB trifft indessen nicht zu. Er gilt nicht jedesmal dann, wenn der Vollzug der Freiheitsstrafe begonnen hat und durch Sicherheitshaft unterbrochen wird, sondern nur dann, wenn das gerichtliche Verfahren abgeschlossen ist, also nicht mehr der Richter, sondern nur noch die Vollzugsbehörde zum Worte kommen kann. Das ergibt sich deutlich daraus, dass die anzurechnende Haft zwischen der Fällung des letzten Urteils und dem Beginn des Strafvollzuges ausgestanden worden sein muss. Über die Anrechnung der vor der Fällung des letzten Urteils ausgestandenen Haft entscheidet der Richter, und zwar nicht unter dem Gesichtspunkt des Art. 375 Abs. 1, sondern des Art. 69 StGB, der gemäss Art. 110 Ziff. 7 StGB nicht nur für Untersuchungshaft im engeren Sinne, sondern für jede in einem Strafverfahren verhängte Haft, insbesondere auch für Sicherheitshaft gilt. Nicht nötig ist, dass das letzte Urteil ein Sachurteil sei; auch eine kantonale Kassationsinstanz hat den Entscheid über die Anrechnung oder Nichtanrechnung von Haft nicht unter dem Gesichtspunkt des Art. 375 Abs. 1, sondern des Art. 69 StGB zu fällen, und zwar gleichgültig, ob sie innerhalb einer ordentlichen oder erst innerhalb einer ausserordentlichen Rechtsmittelfrist angerufen wird, wie sie z.B. nach § 431 zürch. StPO mit jeder Entdeckung eines Mangels neu zu laufen beginnt.
Auf die Beschwerde ist daher in dem Sinne einzutreten, dass der angefochtene Beschluss des Kassationsgerichts auf Verletzung des Art. 69 StGB hin zu überprüfen ist.
3. Art. 69 StGB schreibt die Anrechnung der Untersuchungshaft im weiteren Sinne, also auch der Sicherheitshaft, insoweit vor, als der Täter sie nicht durch sein Verhalten nach der Tat herbeigeführt oder verlängert hat.
In BGE 70 IV 53 ff. wurde entschieden, ein die Anrechnung ausschliessendes Verhalten liege nicht darin, dass ein appellierender Verhafteter von der ihm vom kantonalen Recht gebotenen Möglichkeit, die Strafe schon vor der Fällung des oberinstanzlichen Urteils anzutreten, keinen Gebrauch mache, denn er sei nicht verpflichtet, sondern nur berechtigt, die noch nicht rechtskräftige Strafe über sich ergehen zu lassen, und zwar sei eine Ausnahme auch dann nicht zu machen, wenn die Appellation trölerisch ergriffen werde, die mutwillige Einlegung eines Rechtsmittels sei nicht Haftgrund.
Nach dieser Rechtsprechung müsste die Sicherheitshaft, die der Beschwerdeführer auf Grund der Verfügung des Präsidenten des Kassationsgerichts vom 26. August 1954 bis zur Abweisung der kantonalen Nichtigkeitsbeschwerde ausgestanden hat, auf die Strafe angerechnet werden. Der Sachverhalt ist ähnlich wie im zitierten Präjudiz. Gemäss § 429 zürch. StPO hemmt die kantonale Nichtigkeitsbeschwerde des Verurteilten die Vollstreckung des Urteils, "soweit er nicht seine Zustimmung dazu erklärt". Darnach hätte das Urteil des Schwurgerichtes trotz Einlegung der Nichtigkeitsbeschwerde weiterhin vollstreckt werden können, wenn der Beschwerdeführer sich damit einverstanden erklärt hätte. Das hat er durch seinen wiederholten Einspruch gegen die Fortsetzung des Strafvollzuges aus freiem Willen abgelehnt. Ein Vorwurf kann ihm daraus nicht gemacht werden, da er nur berechtigt, nicht verpflichtet war, der Fortsetzung des Strafvollzuges zuzustimmen.
An der erwähnten Rechtsprechung lässt sich jedoch insofern nicht festhalten, als sie auch dem Tröler einen Anspruch auf Anrechnung der Haft zuerkannt hat. Gewiss ist die Einlegung eines Rechtsmittels, auch die trölerische, nicht gesetzlicher Haftgrund (vgl. § 49 zürch. StPO). Darauf kommt aber nichts an. Art. 69 StGB schliesst die Anrechnung der Haft nicht nur dann aus, wenn das Verhalten des Beschuldigten die Merkmale eines gesetzlichen Haftgrundes aufweist. Es genügt, dass die Haft mit dem Verhalten des Beschuldigten ursächlich zusammenhange, d.h. dass dieser sie durch ein anderes Benehmen hätte abwenden oder verkürzen können. So hat das Bundesgericht entschieden, Verweigerung der Auskunft und Leugnen durch den Beschuldigten könnten insoweit Grund zur Nichtanrechnung der Untersuchungshaft sein, als sie diese herbeigeführt oder verlängert haben, obschon sie nicht Haftgründe im Sinne des kantonalen Prozessrechtes waren, sondern die Haft nur mittelbar, durch Verzögerung des Verfahrens, zur Folge hatten (BGE 70 IV 183, BGE 73 IV 92). Zwar trifft zu, dass das diese Fälle beherrschende kantonale Prozessrecht dem Beschuldigten nicht geradezu ein Recht zuerkannte, die Auskunft zu verweigern oder zu leugnen, wogegen das Recht des Beschuldigten, die im Gesetze vorgesehenen Rechtsmittel zu ergreifen und dadurch den Strafvollzug hinauszuschieben und Anlass zur Verhängung oder Verlängerung der Sicherheitshaft zu geben, ausdrücklich anerkannt ist. Dieser Unterschied rechtfertigt jedoch die Anrechnung einer Haft, die der Beschuldigte durch Ergreifung eines Rechtsmittels und Ablehnung des Strafvollzuges herbeiführt oder verlängert, nur dann, wenn er in guten Treuen handelt. Wer ein Rechtsmittel missbraucht, befindet sich nicht in anderer Lage als ein Beschuldigter, der die Auskunft verweigert oder leugnet, ein Verhalten, mit dem das Gesetz durch den Ausschluss von Zwangsmitteln (§ 154 zürch. StPO) sich ebenfalls abfindet, ohne es dadurch zu billigen. Dass ein Rechtsmittel nicht soll missbraucht werden können, um statt der Strafe nur die mildere Sicherheitshaft ausstehen zu müssen, ergibt sich deutlich aus Art. 375 Abs. 2 StGB, der bestimmt, dass die zwischen der Einlegung und dem Rückzug eines Rechtsmittels ausgestandene Sicherheitshaft auf die Strafe nicht angerechnet werde. Hier geht das Gesetz so weit, die Sicherheitshaft sogar dann nicht anrechnen zu lassen, wenn das zurückgezogene Rechtsmittel in guten Treuen eingelegt worden war. Art. 69 StGB kann daher nicht den Sinn haben, dass der Beschuldigte durch trölerische Rechtsmittelerklärungen dem Vollzug der Strafe ganz oder teilweise soll entgehen können. Das könnte auch die unerwünschte Wirkung haben, dass der Verurteilte ein als offensichtlich aussichtslos erkanntes Rechtsmittel aufrecht halten würde, nur um der Folge des Art. 375 Abs. 2 StGB zu entgehen. Dem in BGE 70 IV 57 geäusserten Bedenken, er könnte, wenn er die Nichtanrechnung der im Rechtsmittelverfahren ausgestandenen Sicherheitshaft zu befürchten hätte, selbst dann von der Ergreifung des Rechtsmittels abgehalten werden, wenn es nicht aussichtlos sei, wird dadurch genügend Rechnung getragen, dass die Nichtanrechnung der Haft nur dem offensichtlichen Tröler wartet, d.h. dem, der schlechterdings nicht annehmen durfte, die Einlegung oder Aufrechterhaltung des Rechtsmittels könnte zu einer Abänderung des angefochtenen Urteils zu seinen Gunsten führen.
4. Die Sicherheitshaft ist daher dem Beschwerdeführer zu Recht nicht auf die Strafe angerechnet worden. Aus der Begründung, mit der das Kassationsgericht auf die dritte Nichtigkeitsbeschwerde des Beschwerdeführers nicht eingetreten ist, ergibt sich klar, dass er das Beschwerderecht arg missbraucht hat. Nach Ablauf der ordentlichen Beschwerdefrist konnte gemäss § 431 zürch. StPO Nichtigkeitsbeschwerde nur noch binnen fünf Tagen von der Entdeckung neuer Mängel an eingereicht werden. Solche waren dem Beschwerdeführer offensichtlich während der der Beschwerdeerklärung vorausgegangenen fünf Tage nicht bekannt geworden. Wegen Verletzung eidgenössischen Rechts sodann (Art. 251 Ziff. 1 Abs. 1 StGB) war kantonale Nichtigkeitsbeschwerde überhaupt nicht zulässig, was der Beschwerdeführer der ausdrücklichen Bestimmung des § 430 b zürch. StPO entnehmen konnte.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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1. L'art. 375 cp. 1 CP trova applicazione soltanto dopo che il procedimento giudiziario, compreso un eventuale procedimento cantonale di cassazione, sia terminato (consid. 2). 2. Art. 69 CP. Chi deve essere posto o lasciato in carcere preventivo a motivo di un ricorso manifestamente temerario congiunto a un'opposizione all'esecuzione della pena non può pretendere che il carcere preventivo sofferto gli sia computato nella pena (consid. 3). (Cambiamento di giurisprudenza.)
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81 IV 170
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Sachverhalt ab Seite 171
A. - Die von Trogen nach Speicher führende Strasse verläuft beim Restaurant Frohsinn im Bruggmoos in einer unübersichtlichen Rechtsbiegung längs einer auf deren inneren Seite stehenden kleinen Mauer. Wo diese beginnt, ist die Strasse unter Einrechnung des 1 m breiten Raumes, der von einem an ihrem äusseren (linken) Rande verlaufenden Bahngeleise beansprucht wird, 5,8 m breit. Innerhalb einer Strecke von 8 m erweitert sie sich auf 6,6 m.
Am 7. Juli 1953 um 18.20 Uhr fuhr Hans Heiber von Trogen her am Steuer eines Personenwagens mit etwa 35-40 km/Std. in die Biegung ein. Das rechte Hinterrad war am Anfang der Mauer 1,25 m vom rechten Strassenrande entfernt. Auf der anschliessenden Strecke von 4 m vergrösserte sich der Abstand bis auf 1,6 m. Der Wagen ragte auf dieser Strecke etwa 0,4 m in die linke Hälfte des zwischen der Mauer und dem Geleise liegenden Raumes hinein, blieb dagegen etwa 0,1 m rechts der Mittellinie des ganzen (das Geleise mitumfassenden) Strassenkörpers. Auf einer Strecke von weiteren 2 m verkleinerte sich der Abstand vom rechten Strassenrand auf 1,5 m, und nochmals 2 m weiter vorn war der Wagen mit dem rechten Hinterrade noch 1,3 m von diesem Rande entfernt. Nachher lenkte Heiber noch weiter nach rechts und hielt an, denn sein Fahrzeug hatte innerhalb der ersten 8 m, vom Beginn der Mauer an gerechnet, mit der linken Flanke ein von Speicher her kommendes Motorrad gestreift und dessen Führer Willi Pfister sowie die mitfahrende Elfriede Pfister zu Boden geworfen und verletzt. Pfister war so stark links gefahren, weil die Strasse zwischen dem Bahngeleise und in dem daran angrenzenden Teil in schlechtem Zustande und daher holprig war.
B.- Am 28. Juni 1954 verurteilte das Obergericht des Kantons Appenzell-A.Rh. Heiber wegen Übertretung des Art. 26 Abs. 1 MFG zu einer bedingt löschbaren Busse von Fr. 80.-. Es warf ihm vor, er sei zu wenig rechts gefahren.
C.- Heiber führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil sei aufzuheben und die Sache zur Freisprechung an das Obergericht zurückzuweisen.
Er macht geltend, der vom Bahngeleise beanspruchte Raum gehöre zur Strasse, da er von Motorfahrzeugen mitbenützt werden könne und nur beim Herannahen eines Zuges freizugeben sei. Dass er sich in schlechtem Zustande befunden habe, ändere nichts; die Führer von Fahrzeugen hätten ihn entsprechend sorgfältig zu befahren gehabt. Da der Beschwerdeführer sich rechts der Mitte der ganzen Strasse befunden habe, habe er Art. 26 MFG nicht übertreten. Er habe einen den örtlichen Verhältnissen angemessenen Abstand vom rechten Strassenrande einhalten müssen, weil ihm dort Fussgänger hätten begegnen können.
D.- Die Justizdirektion des Kantons Appenzell-A.Rh. verzichtet auf Gegenbemerkungen.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Nach Art. 26 Abs. 1 MFG hat der Motorfahrzeugführer rechts zu fahren. InBGE 76 IV 61hat der Kassationshof ausgeführt, diese Bestimmung schreibe vor, dass, wo die Breite der Strasse es gestatte, auf der rechten Hälfte gefahren werde, andernfalls soweit rechts als möglich, in beiden Fällen unter Einhaltung eines den örtlichen Verhältnissen angemessenen Abstandes vom rechten Strassenrande. Soweit damit die Benützung der rechten Hälfte der Strasse verlangt wurde - ob unter Umständen auch auf breiten Strassen in der Mitte gefahren werden dürfe, blieb dahingestellt und ist auch heute nicht zu entscheiden -, hiess das nur, dass die linke Hälfte frei zu bleiben habe, nicht auch, dass der Führer stets berechtigt sei, die rechte Hälfte ganz für sich zu beanspruchen.
Dass ihm ein solches Recht nicht unter allen Umständen zusteht, ergibt sich schon aus Art. 25 Abs. 1 Satz 3 MFG, wonach beim Kreuzen ein angemessener Abstand einzuhalten ist. Das wäre nicht möglich, wenn jeder hart der Mittellinie der Strasse entlang fahren würde. Der Führer hat sein Fahrzeug von ihr angemessen fern zu halten, wo die Verhältnisse es gestatten. Insbesondere an unübersichtlichen Stellen, wo mit kreuzenden Fahrzeugen zu rechnen ist, die nicht von ferne wahrgenommen werden können, muss zum vornherein der zum Kreuzen notwendige Zwischenraum in der Mitte der Strasse frei gelassen werden.
Aus dem Gebot der Rücksichtnahme auf andere Strassenbenützer und der Vermeidung von Verkehrsunfällen (Art. 25 Abs. 1 Satz 2 MFG) ergibt sich sodann, dass auch anderen Verhältnissen Rechnung zu tragen ist; die Vorschrift des Rechtsfahrens kann nicht einen Sinn haben, der sich mit diesem Gebote nicht vertrüge. Wenn der Verkehr auf der linken Hälfte der Strasse aus besonderen Gründen unmöglich oder ungebührlich erschwert ist, hat auch der auf der rechten Hälfte Verkehrende das Seine dazu beizutragen, um dem in entgegengesetzter Richtung Fahrenden den Verkehr zu erleichtern. Er hat so weit rechts zu fahren, als ihm angesichts der Verhältnisse auf der rechten Strassenhälfte (Übersichtlichkeit, Möglichkeit des Erscheinens von Fussgängern usw.) zugemutet werden kann. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass er gewisse Gefahren, die starkes Rechtsfahren mit sich bringen könnten, durch Herabsetzen der Geschwindigkeit vermindern oder vermeiden kann. Er hat nicht unter allen Umständen Anspruch darauf, so schnell zu fahren, wie es möglich wäre, wenn die rechte Strassenhälfte nur von ihm, nicht teilweise auch von entgegenkommenden Fahrzeugen benützt werden dürfte.
2. Der Beschwerdeführer ist zu wenig rechts gefahren. Schon das Gebot, beim Kreuzen einen angemessenen Abstand einzuhalten, erlaubte ihm nicht, sich der Mittellinie der Strasse in der unübersichtlichen Biegung bis auf 10 cm zu nähern, zu seiner Rechten dagegen 1,25 bis 1,6 m freizulassen. Zudem hätte er sich sagen sollen, dass die Führer entgegenkommender Fahrzeuge wegen der Möglichkeit des Erscheinens eines Zuges dazu neigen würden, das Geleise der Strassenbahn in dieser Biegung nicht zu befahren. Auch der schlechte Zustand der Strasse zwischen den Schienen und im angrenzenden Raume musste ihm nahe legen, mehr als die linke Hälfte der Strasse für den Gegenverkehr freizulassen. Wie das Obergericht verbindlich feststellt, war der Belag auf dem Bahnkörper so schlecht beschaffen, dass der Motorradfahrer gefährdet gewesen wäre, wenn er diesen Teil der Strasse befahren hätte. Damit ist freilich nicht gesagt, dass die Benützung des Bahnkörpers auch für Motorwagen Gefahren mit sich gebracht hätte. Dennoch musste der Beschwerdeführer damit rechnen, dass auch solche ihn meiden würden. Es konnte ihm zugemutet werden, ihnen den Raum zur Durchfahrt neben dem Geleise freizulassen. Um Fussgänger, die sich allenfalls am rechten Strassenrand befinden konnten, nicht zu gefährden, hatte er die Geschwindigkeit herabzusetzen. Hätte er das getan, so wäre die Einhaltung eines Abstandes von weniger als 1 m vom rechten Strassenrande durchaus angängig gewesen.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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Art. 25 Abs. 1, 26 Abs. 1 MFG. Der Führer eines Motorfahrzeuges darf die rechte Hälfte der Fahrbahn nicht unter allen Umständen ganz für sich beanspruchen.
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Sachverhalt ab Seite 171
A. - Die von Trogen nach Speicher führende Strasse verläuft beim Restaurant Frohsinn im Bruggmoos in einer unübersichtlichen Rechtsbiegung längs einer auf deren inneren Seite stehenden kleinen Mauer. Wo diese beginnt, ist die Strasse unter Einrechnung des 1 m breiten Raumes, der von einem an ihrem äusseren (linken) Rande verlaufenden Bahngeleise beansprucht wird, 5,8 m breit. Innerhalb einer Strecke von 8 m erweitert sie sich auf 6,6 m.
Am 7. Juli 1953 um 18.20 Uhr fuhr Hans Heiber von Trogen her am Steuer eines Personenwagens mit etwa 35-40 km/Std. in die Biegung ein. Das rechte Hinterrad war am Anfang der Mauer 1,25 m vom rechten Strassenrande entfernt. Auf der anschliessenden Strecke von 4 m vergrösserte sich der Abstand bis auf 1,6 m. Der Wagen ragte auf dieser Strecke etwa 0,4 m in die linke Hälfte des zwischen der Mauer und dem Geleise liegenden Raumes hinein, blieb dagegen etwa 0,1 m rechts der Mittellinie des ganzen (das Geleise mitumfassenden) Strassenkörpers. Auf einer Strecke von weiteren 2 m verkleinerte sich der Abstand vom rechten Strassenrand auf 1,5 m, und nochmals 2 m weiter vorn war der Wagen mit dem rechten Hinterrade noch 1,3 m von diesem Rande entfernt. Nachher lenkte Heiber noch weiter nach rechts und hielt an, denn sein Fahrzeug hatte innerhalb der ersten 8 m, vom Beginn der Mauer an gerechnet, mit der linken Flanke ein von Speicher her kommendes Motorrad gestreift und dessen Führer Willi Pfister sowie die mitfahrende Elfriede Pfister zu Boden geworfen und verletzt. Pfister war so stark links gefahren, weil die Strasse zwischen dem Bahngeleise und in dem daran angrenzenden Teil in schlechtem Zustande und daher holprig war.
B.- Am 28. Juni 1954 verurteilte das Obergericht des Kantons Appenzell-A.Rh. Heiber wegen Übertretung des Art. 26 Abs. 1 MFG zu einer bedingt löschbaren Busse von Fr. 80.-. Es warf ihm vor, er sei zu wenig rechts gefahren.
C.- Heiber führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil sei aufzuheben und die Sache zur Freisprechung an das Obergericht zurückzuweisen.
Er macht geltend, der vom Bahngeleise beanspruchte Raum gehöre zur Strasse, da er von Motorfahrzeugen mitbenützt werden könne und nur beim Herannahen eines Zuges freizugeben sei. Dass er sich in schlechtem Zustande befunden habe, ändere nichts; die Führer von Fahrzeugen hätten ihn entsprechend sorgfältig zu befahren gehabt. Da der Beschwerdeführer sich rechts der Mitte der ganzen Strasse befunden habe, habe er Art. 26 MFG nicht übertreten. Er habe einen den örtlichen Verhältnissen angemessenen Abstand vom rechten Strassenrande einhalten müssen, weil ihm dort Fussgänger hätten begegnen können.
D.- Die Justizdirektion des Kantons Appenzell-A.Rh. verzichtet auf Gegenbemerkungen.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Nach Art. 26 Abs. 1 MFG hat der Motorfahrzeugführer rechts zu fahren. InBGE 76 IV 61hat der Kassationshof ausgeführt, diese Bestimmung schreibe vor, dass, wo die Breite der Strasse es gestatte, auf der rechten Hälfte gefahren werde, andernfalls soweit rechts als möglich, in beiden Fällen unter Einhaltung eines den örtlichen Verhältnissen angemessenen Abstandes vom rechten Strassenrande. Soweit damit die Benützung der rechten Hälfte der Strasse verlangt wurde - ob unter Umständen auch auf breiten Strassen in der Mitte gefahren werden dürfe, blieb dahingestellt und ist auch heute nicht zu entscheiden -, hiess das nur, dass die linke Hälfte frei zu bleiben habe, nicht auch, dass der Führer stets berechtigt sei, die rechte Hälfte ganz für sich zu beanspruchen.
Dass ihm ein solches Recht nicht unter allen Umständen zusteht, ergibt sich schon aus Art. 25 Abs. 1 Satz 3 MFG, wonach beim Kreuzen ein angemessener Abstand einzuhalten ist. Das wäre nicht möglich, wenn jeder hart der Mittellinie der Strasse entlang fahren würde. Der Führer hat sein Fahrzeug von ihr angemessen fern zu halten, wo die Verhältnisse es gestatten. Insbesondere an unübersichtlichen Stellen, wo mit kreuzenden Fahrzeugen zu rechnen ist, die nicht von ferne wahrgenommen werden können, muss zum vornherein der zum Kreuzen notwendige Zwischenraum in der Mitte der Strasse frei gelassen werden.
Aus dem Gebot der Rücksichtnahme auf andere Strassenbenützer und der Vermeidung von Verkehrsunfällen (Art. 25 Abs. 1 Satz 2 MFG) ergibt sich sodann, dass auch anderen Verhältnissen Rechnung zu tragen ist; die Vorschrift des Rechtsfahrens kann nicht einen Sinn haben, der sich mit diesem Gebote nicht vertrüge. Wenn der Verkehr auf der linken Hälfte der Strasse aus besonderen Gründen unmöglich oder ungebührlich erschwert ist, hat auch der auf der rechten Hälfte Verkehrende das Seine dazu beizutragen, um dem in entgegengesetzter Richtung Fahrenden den Verkehr zu erleichtern. Er hat so weit rechts zu fahren, als ihm angesichts der Verhältnisse auf der rechten Strassenhälfte (Übersichtlichkeit, Möglichkeit des Erscheinens von Fussgängern usw.) zugemutet werden kann. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass er gewisse Gefahren, die starkes Rechtsfahren mit sich bringen könnten, durch Herabsetzen der Geschwindigkeit vermindern oder vermeiden kann. Er hat nicht unter allen Umständen Anspruch darauf, so schnell zu fahren, wie es möglich wäre, wenn die rechte Strassenhälfte nur von ihm, nicht teilweise auch von entgegenkommenden Fahrzeugen benützt werden dürfte.
2. Der Beschwerdeführer ist zu wenig rechts gefahren. Schon das Gebot, beim Kreuzen einen angemessenen Abstand einzuhalten, erlaubte ihm nicht, sich der Mittellinie der Strasse in der unübersichtlichen Biegung bis auf 10 cm zu nähern, zu seiner Rechten dagegen 1,25 bis 1,6 m freizulassen. Zudem hätte er sich sagen sollen, dass die Führer entgegenkommender Fahrzeuge wegen der Möglichkeit des Erscheinens eines Zuges dazu neigen würden, das Geleise der Strassenbahn in dieser Biegung nicht zu befahren. Auch der schlechte Zustand der Strasse zwischen den Schienen und im angrenzenden Raume musste ihm nahe legen, mehr als die linke Hälfte der Strasse für den Gegenverkehr freizulassen. Wie das Obergericht verbindlich feststellt, war der Belag auf dem Bahnkörper so schlecht beschaffen, dass der Motorradfahrer gefährdet gewesen wäre, wenn er diesen Teil der Strasse befahren hätte. Damit ist freilich nicht gesagt, dass die Benützung des Bahnkörpers auch für Motorwagen Gefahren mit sich gebracht hätte. Dennoch musste der Beschwerdeführer damit rechnen, dass auch solche ihn meiden würden. Es konnte ihm zugemutet werden, ihnen den Raum zur Durchfahrt neben dem Geleise freizulassen. Um Fussgänger, die sich allenfalls am rechten Strassenrand befinden konnten, nicht zu gefährden, hatte er die Geschwindigkeit herabzusetzen. Hätte er das getan, so wäre die Einhaltung eines Abstandes von weniger als 1 m vom rechten Strassenrande durchaus angängig gewesen.
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Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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Art. 25 al. 1, 26 al. 1 LA. Le conducteur d'un véhicule à moteur ne peut pas dans toutes les circonstances prétendre pour lui à la totalité de la partie droite de la chaussée.
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A. - Die von Trogen nach Speicher führende Strasse verläuft beim Restaurant Frohsinn im Bruggmoos in einer unübersichtlichen Rechtsbiegung längs einer auf deren inneren Seite stehenden kleinen Mauer. Wo diese beginnt, ist die Strasse unter Einrechnung des 1 m breiten Raumes, der von einem an ihrem äusseren (linken) Rande verlaufenden Bahngeleise beansprucht wird, 5,8 m breit. Innerhalb einer Strecke von 8 m erweitert sie sich auf 6,6 m.
Am 7. Juli 1953 um 18.20 Uhr fuhr Hans Heiber von Trogen her am Steuer eines Personenwagens mit etwa 35-40 km/Std. in die Biegung ein. Das rechte Hinterrad war am Anfang der Mauer 1,25 m vom rechten Strassenrande entfernt. Auf der anschliessenden Strecke von 4 m vergrösserte sich der Abstand bis auf 1,6 m. Der Wagen ragte auf dieser Strecke etwa 0,4 m in die linke Hälfte des zwischen der Mauer und dem Geleise liegenden Raumes hinein, blieb dagegen etwa 0,1 m rechts der Mittellinie des ganzen (das Geleise mitumfassenden) Strassenkörpers. Auf einer Strecke von weiteren 2 m verkleinerte sich der Abstand vom rechten Strassenrand auf 1,5 m, und nochmals 2 m weiter vorn war der Wagen mit dem rechten Hinterrade noch 1,3 m von diesem Rande entfernt. Nachher lenkte Heiber noch weiter nach rechts und hielt an, denn sein Fahrzeug hatte innerhalb der ersten 8 m, vom Beginn der Mauer an gerechnet, mit der linken Flanke ein von Speicher her kommendes Motorrad gestreift und dessen Führer Willi Pfister sowie die mitfahrende Elfriede Pfister zu Boden geworfen und verletzt. Pfister war so stark links gefahren, weil die Strasse zwischen dem Bahngeleise und in dem daran angrenzenden Teil in schlechtem Zustande und daher holprig war.
B.- Am 28. Juni 1954 verurteilte das Obergericht des Kantons Appenzell-A.Rh. Heiber wegen Übertretung des Art. 26 Abs. 1 MFG zu einer bedingt löschbaren Busse von Fr. 80.-. Es warf ihm vor, er sei zu wenig rechts gefahren.
C.- Heiber führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil sei aufzuheben und die Sache zur Freisprechung an das Obergericht zurückzuweisen.
Er macht geltend, der vom Bahngeleise beanspruchte Raum gehöre zur Strasse, da er von Motorfahrzeugen mitbenützt werden könne und nur beim Herannahen eines Zuges freizugeben sei. Dass er sich in schlechtem Zustande befunden habe, ändere nichts; die Führer von Fahrzeugen hätten ihn entsprechend sorgfältig zu befahren gehabt. Da der Beschwerdeführer sich rechts der Mitte der ganzen Strasse befunden habe, habe er Art. 26 MFG nicht übertreten. Er habe einen den örtlichen Verhältnissen angemessenen Abstand vom rechten Strassenrande einhalten müssen, weil ihm dort Fussgänger hätten begegnen können.
D.- Die Justizdirektion des Kantons Appenzell-A.Rh. verzichtet auf Gegenbemerkungen.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Nach Art. 26 Abs. 1 MFG hat der Motorfahrzeugführer rechts zu fahren. InBGE 76 IV 61hat der Kassationshof ausgeführt, diese Bestimmung schreibe vor, dass, wo die Breite der Strasse es gestatte, auf der rechten Hälfte gefahren werde, andernfalls soweit rechts als möglich, in beiden Fällen unter Einhaltung eines den örtlichen Verhältnissen angemessenen Abstandes vom rechten Strassenrande. Soweit damit die Benützung der rechten Hälfte der Strasse verlangt wurde - ob unter Umständen auch auf breiten Strassen in der Mitte gefahren werden dürfe, blieb dahingestellt und ist auch heute nicht zu entscheiden -, hiess das nur, dass die linke Hälfte frei zu bleiben habe, nicht auch, dass der Führer stets berechtigt sei, die rechte Hälfte ganz für sich zu beanspruchen.
Dass ihm ein solches Recht nicht unter allen Umständen zusteht, ergibt sich schon aus Art. 25 Abs. 1 Satz 3 MFG, wonach beim Kreuzen ein angemessener Abstand einzuhalten ist. Das wäre nicht möglich, wenn jeder hart der Mittellinie der Strasse entlang fahren würde. Der Führer hat sein Fahrzeug von ihr angemessen fern zu halten, wo die Verhältnisse es gestatten. Insbesondere an unübersichtlichen Stellen, wo mit kreuzenden Fahrzeugen zu rechnen ist, die nicht von ferne wahrgenommen werden können, muss zum vornherein der zum Kreuzen notwendige Zwischenraum in der Mitte der Strasse frei gelassen werden.
Aus dem Gebot der Rücksichtnahme auf andere Strassenbenützer und der Vermeidung von Verkehrsunfällen (Art. 25 Abs. 1 Satz 2 MFG) ergibt sich sodann, dass auch anderen Verhältnissen Rechnung zu tragen ist; die Vorschrift des Rechtsfahrens kann nicht einen Sinn haben, der sich mit diesem Gebote nicht vertrüge. Wenn der Verkehr auf der linken Hälfte der Strasse aus besonderen Gründen unmöglich oder ungebührlich erschwert ist, hat auch der auf der rechten Hälfte Verkehrende das Seine dazu beizutragen, um dem in entgegengesetzter Richtung Fahrenden den Verkehr zu erleichtern. Er hat so weit rechts zu fahren, als ihm angesichts der Verhältnisse auf der rechten Strassenhälfte (Übersichtlichkeit, Möglichkeit des Erscheinens von Fussgängern usw.) zugemutet werden kann. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass er gewisse Gefahren, die starkes Rechtsfahren mit sich bringen könnten, durch Herabsetzen der Geschwindigkeit vermindern oder vermeiden kann. Er hat nicht unter allen Umständen Anspruch darauf, so schnell zu fahren, wie es möglich wäre, wenn die rechte Strassenhälfte nur von ihm, nicht teilweise auch von entgegenkommenden Fahrzeugen benützt werden dürfte.
2. Der Beschwerdeführer ist zu wenig rechts gefahren. Schon das Gebot, beim Kreuzen einen angemessenen Abstand einzuhalten, erlaubte ihm nicht, sich der Mittellinie der Strasse in der unübersichtlichen Biegung bis auf 10 cm zu nähern, zu seiner Rechten dagegen 1,25 bis 1,6 m freizulassen. Zudem hätte er sich sagen sollen, dass die Führer entgegenkommender Fahrzeuge wegen der Möglichkeit des Erscheinens eines Zuges dazu neigen würden, das Geleise der Strassenbahn in dieser Biegung nicht zu befahren. Auch der schlechte Zustand der Strasse zwischen den Schienen und im angrenzenden Raume musste ihm nahe legen, mehr als die linke Hälfte der Strasse für den Gegenverkehr freizulassen. Wie das Obergericht verbindlich feststellt, war der Belag auf dem Bahnkörper so schlecht beschaffen, dass der Motorradfahrer gefährdet gewesen wäre, wenn er diesen Teil der Strasse befahren hätte. Damit ist freilich nicht gesagt, dass die Benützung des Bahnkörpers auch für Motorwagen Gefahren mit sich gebracht hätte. Dennoch musste der Beschwerdeführer damit rechnen, dass auch solche ihn meiden würden. Es konnte ihm zugemutet werden, ihnen den Raum zur Durchfahrt neben dem Geleise freizulassen. Um Fussgänger, die sich allenfalls am rechten Strassenrand befinden konnten, nicht zu gefährden, hatte er die Geschwindigkeit herabzusetzen. Hätte er das getan, so wäre die Einhaltung eines Abstandes von weniger als 1 m vom rechten Strassenrande durchaus angängig gewesen.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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Art. 25 cp. 1, art. 26 cp. 1 LA. Il conducente d'un autoveicolo non può rivendicare in ogni caso la totalità della parte destra del campo stradale.
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81 IV 174
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Sachverhalt ab Seite 174
A.- Dr. Felix Kubli fuhr am 11. April 1954 um 21.50 Uhr am Steuer eines Personenwagens mit etwa 50 km/Std. auf der Schaffhauserstrasse in Zürich stadtauswärts gegen die Strassenbahnhaltstelle "Seebacherstrasse". Obschon links der dort liegenden 19,1 m langen Schutzinsel ein in gleicher Richtung fahrender 37,1 m langer Tramzug anhielt, von dem nur die beiden vorderen, nicht auch der dritte Wagen neben die Insel zu stehen kamen, verzögerte Kubli beim Anblick der aussteigenden Fahrgäste nur auf etwa 30 km/Std. und beschleunigte die Fahrt wieder, noch ehe alle aus dem hintersten Tramwagen aussteigenden Personen die rechts des Tramzuges liegende 3 m breite Fahrbahn vor dem sich nähernden Automobil hindurch überschritten hatten. Mindestens einer der Aussteigenden musste die Strasse wegen des Automobils schneller als normal überqueren, und ein anderer suchte Schutz, indem er gegen den Tramzug zurückwich.
B.- Der Einzelrichter des Bezirksgerichtes Zürich verurteilte Dr. Kubli am 27. September 1954 wegen Übertretung der Art. 25 Abs. 1 MFG und 61 Abs. 3 MFV zu Fr. 20.- Busse.
C.- Dr. Kubli führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil sei aufzuheben und die Sache zur Freisprechung zurückzuweisen. Er macht geltend, der angefochtene Entscheid verstosse gegen das in Art. 61 Abs. 3 MFV verankerte Recht des Motorfahrzeugführers, die an einer Schutzinsel haltende Strassenbahn rechts zu überholen. Art. 25 MFG schränke dieses Recht nicht ein. Zudem habe der Beschwerdeführer nicht damit rechnen müssen, dass ein Nachzügler aus dem Tram aussteigen und die Fahrbahn des Beschwerdeführers kreuzen werde, ohne nach links oder rechts zu blicken.
D.- Der Polizeirichter der Stadt Zürich beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Art. 61 Abs. 3 MFV bestimmt in Satz 2 und 3: "Die haltende Strassenbahn ist rechts zu überholen, wenn eine Schutzinsel vorhanden ist; fehlt eine solche, so darf sie nur links und nur in langsamer Fahrt (Schrittempo) überholt werden. Im übrigen findet Art. 46 Anwendung."
Damit wird der Führer eines Motorfahrzeuges nicht ermächtigt, die an einer Schutzinsel haltende Strassenbahn unbekümmert um andere Strassenbenützer, insbesondere ohne jede Rücksichtnahme auf die aus- und einsteigenden Fahrgäste (rechts) zu überholen. Dass auch in diesem Falle, wie immer beim Überholen, besonders vorsichtig zu fahren und auf die anderen Strassenbenützer Rücksicht zu nehmen ist, ergibt sich schon aus Art. 46 Abs. 3 MFV, den Art. 61 Abs. 3 vorbehält. Sodann gilt auch hier Art. 25 Abs. 1 MFG, wonach der Führer sein Fahrzeug ständig zu beherrschen und die Geschwindigkeit den gegebenen Strassen- und Verkehrsverhältnissen anzupassen und überall da, wo das Fahrzeug Anlass zu Verkehrsstörung, Belästigung des Publikums oder Unfällen bieten könnte, den Lauf zu mässigen oder nötigenfalls anzuhalten hat. Wer gemäss Art. 61 Abs. 3 MFV die Strassenbahn rechts überholt, hat sich daher wie immer vorzusehen, dass er niemanden belästigt oder gefährdet. Das gilt namentlich, wenn die Schutzinsel nur einem Teil der aus- oder einsteigenden Gäste Deckung verschafft, sei es, weil sie nicht für alle Platz bietet, sei es, weil sie so kurz ist, dass die Benützer eines oder mehrerer Wagen genötigt sind, unmittelbar auf die Fahrbahn der Strasse auszusteigen oder von dort her einzusteigen. Der Einwand des Beschwerdeführers, im letzteren Falle habe der Fussgänger nicht unmittelbar die Fahrbahn zu überschreiten, sondern nach dem Aussteigen (oder vor dem Einsteigen) dem haltenden Zug entlang zu der Schutzinsel (bzw. von ihr weg) zu gehen, hilft nicht, weil diese Vorsichtsmassnahme sich nicht so eingebürgert hat, dass der Führer des Motorfahrzeuges blind darauf vertrauen dürfte, sie werde von allen beachtet. Es gibt Leute, die in Verkennung der Gefahr oder im Vertrauen, dass die Fahrzeugführer die gebotene Rücksicht walten lassen, den Umweg über die zu kurze Schutzinsel nicht einschlagen, zumal dann nicht, wenn er erheblich ist. Der Motorfahrzeugführer hat damit zu rechnen, dass die ausserhalb einer Schutzinsel ausgestiegenen Personen die Strasse unmittelbar überschreiten oder dass sie sich vom Fussgängersteig oder Strassenrande unmittelbar zu den ausserhalb der Insel haltenden Tramwagen begeben, um einzusteigen.
2. Der Beschwerdeführer hat Art. 25 Abs. 1 MFG übertreten. Die haltende Strassenbahn auf einem nur drei Meter breiten Fahrstreifen, der von den aus dem hintersten Wagen aussteigenden Fahrgästen unmittelbar betreten werden musste, mit 30 km/Std. überholen zu wollen und vor Beendigung des Unternehmens die Fahrt sogar noch zu beschleunigen, war rücksichtslos und gefährlich. Das ergibt sich schon daraus, dass wegen des Automobils einer der Aussteigenden sich mit ungewöhnlich schnellem Schritt auf den Fussgängersteig begeben und der andere gegen die Strassenbahn hin zurückweichen musste. Bei der gebotenen Aufmerksamkeit hat der Beschwerdeführer diese Personen rechtzeitig sehen können. Zudem hatte er damit zu rechnen, dass weitere Fahrgäste die Strasse betreten könnten, solange die Strassenbahn hielt. Da vom Zug zum Fussgängersteig nur 3 m zurückzulegen waren, drängte sich die Annahme, die Aussteigenden würden sofort die Strasse überschreiten, statt auf schmalem Raum der Strassenbahn entlang den Weg auf die Schutzinsel einzuschlagen, besonders auf. Der Beschwerdeführer hatte daher, wenn nicht zum vornherein anzuhalten, die Geschwindigkeit zum mindesten so stark herabzusetzen, dass die Fussgänger die Strasse ungefährdet hätten überschreiten können. Ob nicht sogar blosses Schrittempo, wie es für das Linksüberholen vorgeschrieben ist, analog auch hier geboten gewesen wäre, kann dahingestellt bleiben, denn jedenfalls war die vom Beschwerdeführer eingehaltene Geschwindigkeit erheblich übersetzt.
...
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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Art. 61 Abs. 3, 46 Abs. 3 MFV, Art. 25 Abs. 1 MFG. Vorsichtspflicht des Führers, der die haltende Strassenbahn an einer sie nur teilweise deckenden Schutzinsel rechts überholt.
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criminal law and criminal procedure
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IV
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1,327 |
81 IV 174
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Sachverhalt ab Seite 174
A.- Dr. Felix Kubli fuhr am 11. April 1954 um 21.50 Uhr am Steuer eines Personenwagens mit etwa 50 km/Std. auf der Schaffhauserstrasse in Zürich stadtauswärts gegen die Strassenbahnhaltstelle "Seebacherstrasse". Obschon links der dort liegenden 19,1 m langen Schutzinsel ein in gleicher Richtung fahrender 37,1 m langer Tramzug anhielt, von dem nur die beiden vorderen, nicht auch der dritte Wagen neben die Insel zu stehen kamen, verzögerte Kubli beim Anblick der aussteigenden Fahrgäste nur auf etwa 30 km/Std. und beschleunigte die Fahrt wieder, noch ehe alle aus dem hintersten Tramwagen aussteigenden Personen die rechts des Tramzuges liegende 3 m breite Fahrbahn vor dem sich nähernden Automobil hindurch überschritten hatten. Mindestens einer der Aussteigenden musste die Strasse wegen des Automobils schneller als normal überqueren, und ein anderer suchte Schutz, indem er gegen den Tramzug zurückwich.
B.- Der Einzelrichter des Bezirksgerichtes Zürich verurteilte Dr. Kubli am 27. September 1954 wegen Übertretung der Art. 25 Abs. 1 MFG und 61 Abs. 3 MFV zu Fr. 20.- Busse.
C.- Dr. Kubli führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil sei aufzuheben und die Sache zur Freisprechung zurückzuweisen. Er macht geltend, der angefochtene Entscheid verstosse gegen das in Art. 61 Abs. 3 MFV verankerte Recht des Motorfahrzeugführers, die an einer Schutzinsel haltende Strassenbahn rechts zu überholen. Art. 25 MFG schränke dieses Recht nicht ein. Zudem habe der Beschwerdeführer nicht damit rechnen müssen, dass ein Nachzügler aus dem Tram aussteigen und die Fahrbahn des Beschwerdeführers kreuzen werde, ohne nach links oder rechts zu blicken.
D.- Der Polizeirichter der Stadt Zürich beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Art. 61 Abs. 3 MFV bestimmt in Satz 2 und 3: "Die haltende Strassenbahn ist rechts zu überholen, wenn eine Schutzinsel vorhanden ist; fehlt eine solche, so darf sie nur links und nur in langsamer Fahrt (Schrittempo) überholt werden. Im übrigen findet Art. 46 Anwendung."
Damit wird der Führer eines Motorfahrzeuges nicht ermächtigt, die an einer Schutzinsel haltende Strassenbahn unbekümmert um andere Strassenbenützer, insbesondere ohne jede Rücksichtnahme auf die aus- und einsteigenden Fahrgäste (rechts) zu überholen. Dass auch in diesem Falle, wie immer beim Überholen, besonders vorsichtig zu fahren und auf die anderen Strassenbenützer Rücksicht zu nehmen ist, ergibt sich schon aus Art. 46 Abs. 3 MFV, den Art. 61 Abs. 3 vorbehält. Sodann gilt auch hier Art. 25 Abs. 1 MFG, wonach der Führer sein Fahrzeug ständig zu beherrschen und die Geschwindigkeit den gegebenen Strassen- und Verkehrsverhältnissen anzupassen und überall da, wo das Fahrzeug Anlass zu Verkehrsstörung, Belästigung des Publikums oder Unfällen bieten könnte, den Lauf zu mässigen oder nötigenfalls anzuhalten hat. Wer gemäss Art. 61 Abs. 3 MFV die Strassenbahn rechts überholt, hat sich daher wie immer vorzusehen, dass er niemanden belästigt oder gefährdet. Das gilt namentlich, wenn die Schutzinsel nur einem Teil der aus- oder einsteigenden Gäste Deckung verschafft, sei es, weil sie nicht für alle Platz bietet, sei es, weil sie so kurz ist, dass die Benützer eines oder mehrerer Wagen genötigt sind, unmittelbar auf die Fahrbahn der Strasse auszusteigen oder von dort her einzusteigen. Der Einwand des Beschwerdeführers, im letzteren Falle habe der Fussgänger nicht unmittelbar die Fahrbahn zu überschreiten, sondern nach dem Aussteigen (oder vor dem Einsteigen) dem haltenden Zug entlang zu der Schutzinsel (bzw. von ihr weg) zu gehen, hilft nicht, weil diese Vorsichtsmassnahme sich nicht so eingebürgert hat, dass der Führer des Motorfahrzeuges blind darauf vertrauen dürfte, sie werde von allen beachtet. Es gibt Leute, die in Verkennung der Gefahr oder im Vertrauen, dass die Fahrzeugführer die gebotene Rücksicht walten lassen, den Umweg über die zu kurze Schutzinsel nicht einschlagen, zumal dann nicht, wenn er erheblich ist. Der Motorfahrzeugführer hat damit zu rechnen, dass die ausserhalb einer Schutzinsel ausgestiegenen Personen die Strasse unmittelbar überschreiten oder dass sie sich vom Fussgängersteig oder Strassenrande unmittelbar zu den ausserhalb der Insel haltenden Tramwagen begeben, um einzusteigen.
2. Der Beschwerdeführer hat Art. 25 Abs. 1 MFG übertreten. Die haltende Strassenbahn auf einem nur drei Meter breiten Fahrstreifen, der von den aus dem hintersten Wagen aussteigenden Fahrgästen unmittelbar betreten werden musste, mit 30 km/Std. überholen zu wollen und vor Beendigung des Unternehmens die Fahrt sogar noch zu beschleunigen, war rücksichtslos und gefährlich. Das ergibt sich schon daraus, dass wegen des Automobils einer der Aussteigenden sich mit ungewöhnlich schnellem Schritt auf den Fussgängersteig begeben und der andere gegen die Strassenbahn hin zurückweichen musste. Bei der gebotenen Aufmerksamkeit hat der Beschwerdeführer diese Personen rechtzeitig sehen können. Zudem hatte er damit zu rechnen, dass weitere Fahrgäste die Strasse betreten könnten, solange die Strassenbahn hielt. Da vom Zug zum Fussgängersteig nur 3 m zurückzulegen waren, drängte sich die Annahme, die Aussteigenden würden sofort die Strasse überschreiten, statt auf schmalem Raum der Strassenbahn entlang den Weg auf die Schutzinsel einzuschlagen, besonders auf. Der Beschwerdeführer hatte daher, wenn nicht zum vornherein anzuhalten, die Geschwindigkeit zum mindesten so stark herabzusetzen, dass die Fussgänger die Strasse ungefährdet hätten überschreiten können. Ob nicht sogar blosses Schrittempo, wie es für das Linksüberholen vorgeschrieben ist, analog auch hier geboten gewesen wäre, kann dahingestellt bleiben, denn jedenfalls war die vom Beschwerdeführer eingehaltene Geschwindigkeit erheblich übersetzt.
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Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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Art. 61 al. 3, 46 al. 3 RA, art. 25 al. 1 LA. Devoir de prudence du conducteur qui dépasse à droite un tramway arrêté à un refuge qui ne protège que partiellement les voyageurs descendant des voitures ou y montant.
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81 IV 174
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Sachverhalt ab Seite 174
A.- Dr. Felix Kubli fuhr am 11. April 1954 um 21.50 Uhr am Steuer eines Personenwagens mit etwa 50 km/Std. auf der Schaffhauserstrasse in Zürich stadtauswärts gegen die Strassenbahnhaltstelle "Seebacherstrasse". Obschon links der dort liegenden 19,1 m langen Schutzinsel ein in gleicher Richtung fahrender 37,1 m langer Tramzug anhielt, von dem nur die beiden vorderen, nicht auch der dritte Wagen neben die Insel zu stehen kamen, verzögerte Kubli beim Anblick der aussteigenden Fahrgäste nur auf etwa 30 km/Std. und beschleunigte die Fahrt wieder, noch ehe alle aus dem hintersten Tramwagen aussteigenden Personen die rechts des Tramzuges liegende 3 m breite Fahrbahn vor dem sich nähernden Automobil hindurch überschritten hatten. Mindestens einer der Aussteigenden musste die Strasse wegen des Automobils schneller als normal überqueren, und ein anderer suchte Schutz, indem er gegen den Tramzug zurückwich.
B.- Der Einzelrichter des Bezirksgerichtes Zürich verurteilte Dr. Kubli am 27. September 1954 wegen Übertretung der Art. 25 Abs. 1 MFG und 61 Abs. 3 MFV zu Fr. 20.- Busse.
C.- Dr. Kubli führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil sei aufzuheben und die Sache zur Freisprechung zurückzuweisen. Er macht geltend, der angefochtene Entscheid verstosse gegen das in Art. 61 Abs. 3 MFV verankerte Recht des Motorfahrzeugführers, die an einer Schutzinsel haltende Strassenbahn rechts zu überholen. Art. 25 MFG schränke dieses Recht nicht ein. Zudem habe der Beschwerdeführer nicht damit rechnen müssen, dass ein Nachzügler aus dem Tram aussteigen und die Fahrbahn des Beschwerdeführers kreuzen werde, ohne nach links oder rechts zu blicken.
D.- Der Polizeirichter der Stadt Zürich beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Art. 61 Abs. 3 MFV bestimmt in Satz 2 und 3: "Die haltende Strassenbahn ist rechts zu überholen, wenn eine Schutzinsel vorhanden ist; fehlt eine solche, so darf sie nur links und nur in langsamer Fahrt (Schrittempo) überholt werden. Im übrigen findet Art. 46 Anwendung."
Damit wird der Führer eines Motorfahrzeuges nicht ermächtigt, die an einer Schutzinsel haltende Strassenbahn unbekümmert um andere Strassenbenützer, insbesondere ohne jede Rücksichtnahme auf die aus- und einsteigenden Fahrgäste (rechts) zu überholen. Dass auch in diesem Falle, wie immer beim Überholen, besonders vorsichtig zu fahren und auf die anderen Strassenbenützer Rücksicht zu nehmen ist, ergibt sich schon aus Art. 46 Abs. 3 MFV, den Art. 61 Abs. 3 vorbehält. Sodann gilt auch hier Art. 25 Abs. 1 MFG, wonach der Führer sein Fahrzeug ständig zu beherrschen und die Geschwindigkeit den gegebenen Strassen- und Verkehrsverhältnissen anzupassen und überall da, wo das Fahrzeug Anlass zu Verkehrsstörung, Belästigung des Publikums oder Unfällen bieten könnte, den Lauf zu mässigen oder nötigenfalls anzuhalten hat. Wer gemäss Art. 61 Abs. 3 MFV die Strassenbahn rechts überholt, hat sich daher wie immer vorzusehen, dass er niemanden belästigt oder gefährdet. Das gilt namentlich, wenn die Schutzinsel nur einem Teil der aus- oder einsteigenden Gäste Deckung verschafft, sei es, weil sie nicht für alle Platz bietet, sei es, weil sie so kurz ist, dass die Benützer eines oder mehrerer Wagen genötigt sind, unmittelbar auf die Fahrbahn der Strasse auszusteigen oder von dort her einzusteigen. Der Einwand des Beschwerdeführers, im letzteren Falle habe der Fussgänger nicht unmittelbar die Fahrbahn zu überschreiten, sondern nach dem Aussteigen (oder vor dem Einsteigen) dem haltenden Zug entlang zu der Schutzinsel (bzw. von ihr weg) zu gehen, hilft nicht, weil diese Vorsichtsmassnahme sich nicht so eingebürgert hat, dass der Führer des Motorfahrzeuges blind darauf vertrauen dürfte, sie werde von allen beachtet. Es gibt Leute, die in Verkennung der Gefahr oder im Vertrauen, dass die Fahrzeugführer die gebotene Rücksicht walten lassen, den Umweg über die zu kurze Schutzinsel nicht einschlagen, zumal dann nicht, wenn er erheblich ist. Der Motorfahrzeugführer hat damit zu rechnen, dass die ausserhalb einer Schutzinsel ausgestiegenen Personen die Strasse unmittelbar überschreiten oder dass sie sich vom Fussgängersteig oder Strassenrande unmittelbar zu den ausserhalb der Insel haltenden Tramwagen begeben, um einzusteigen.
2. Der Beschwerdeführer hat Art. 25 Abs. 1 MFG übertreten. Die haltende Strassenbahn auf einem nur drei Meter breiten Fahrstreifen, der von den aus dem hintersten Wagen aussteigenden Fahrgästen unmittelbar betreten werden musste, mit 30 km/Std. überholen zu wollen und vor Beendigung des Unternehmens die Fahrt sogar noch zu beschleunigen, war rücksichtslos und gefährlich. Das ergibt sich schon daraus, dass wegen des Automobils einer der Aussteigenden sich mit ungewöhnlich schnellem Schritt auf den Fussgängersteig begeben und der andere gegen die Strassenbahn hin zurückweichen musste. Bei der gebotenen Aufmerksamkeit hat der Beschwerdeführer diese Personen rechtzeitig sehen können. Zudem hatte er damit zu rechnen, dass weitere Fahrgäste die Strasse betreten könnten, solange die Strassenbahn hielt. Da vom Zug zum Fussgängersteig nur 3 m zurückzulegen waren, drängte sich die Annahme, die Aussteigenden würden sofort die Strasse überschreiten, statt auf schmalem Raum der Strassenbahn entlang den Weg auf die Schutzinsel einzuschlagen, besonders auf. Der Beschwerdeführer hatte daher, wenn nicht zum vornherein anzuhalten, die Geschwindigkeit zum mindesten so stark herabzusetzen, dass die Fussgänger die Strasse ungefährdet hätten überschreiten können. Ob nicht sogar blosses Schrittempo, wie es für das Linksüberholen vorgeschrieben ist, analog auch hier geboten gewesen wäre, kann dahingestellt bleiben, denn jedenfalls war die vom Beschwerdeführer eingehaltene Geschwindigkeit erheblich übersetzt.
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Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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Art. 61 cp. 3, 46 cp. 3 RLA, art. 25 cp. 1 LA. Obbligo di prudenza del conducente che sorpassa a destra una tranvia ferma a una banchina di riparo che protegge soltanto parzialmente i viaggiatori che scendono dalla carrozza o vi salgono.
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81 IV 178
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Sachverhalt ab Seite 178
A.- Alois Bruhin stellte am Nachmittag des 7. Juli 1954 am Limmatquai in Zürich bei der Einmündung der Schoffelgasse einen Lieferungswagen neben einem am Rande der Fahrbahn stehenden Motorrad so auf, dass er vom Fussgängersteig mindestens 1 m und von der nächsten Schiene des Tramgeleises nur 80 cm entfernt war. Der Einzelrichter des Bezirksgerichtes Zürich verurteilte ihn daher am 18. März 1955 wegen Übertretung der Art. 49 und 61 Abs. 6 MFV zu einer Busse von Fr. 7.-.
B.- Bruhin führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil sei aufzuheben und er sei freizusprechen. Er macht geltend, er habe den Wagen nur für wenige Augenblicke am beanstandeten Orte parkiert. Er habe ein etliche Kilogramm schweres Paket in die Schoffelgasse liefern müssen. Der Wagen und das Motorrad zusammen hätten nicht mehr Platz beansprucht als ein grosser Gesellschaftswagen, wenn ein solcher neben dem Fussgängersteig aufgestellt worden wäre. Der Betrieb der Strassenbahn sei durch den Lieferungswagen in keiner Weise gehemmt oder gefährdet worden. Würden die Behörden hier nur das Anhalten zum Güterumschlag gestatten, so würde denen, die dort zu tun hätten, nicht stundenlang der Platz durch andere Wagen versperrt. Der Beschwerdeführer wisse nicht, wie er seine Aufgabe sollte erfüllen können, wenn er bei jedem Halt zuerst in der nähern oder weiteren Umgebung einen Parkplatz suchen müsste, um dann die schweren Pakete in die Geschäfte zu tragen. Art. 49 Abs. 1 MFV verlange nicht, dass die Räder den Randstein berühren müssten. Wenn er aus irgend einem anderen Grunde als wegen des Motorrades nicht unmittelbar am Rande hätte anhalten können, z.B. weil dort Steine gelegen hätten, so hätte ihm auch kein Vorwurf gemacht werden können. Auch Art. 61 Abs. 6 MFV habe er nicht übertreten. Der vorgeschriebene Abstand von mindestens 1 m vom Tramgeleise sei nur ein ungefähres Mass. Auf einem grossen Teil der Seefeldstrasse in Zürich sei es gar nicht möglich, die Wagen mindestens 1 m vom Geleise entfernt aufzustellen, so wenig wie am Limmatquai. Trotzdem müsse der Beschwerdeführer an solchen Orten fast täglich parkieren. Art. 61 Abs. 6 MFV bezwecke, den ungehinderten Verkehr der Strassenbahn sicherzustellen. Der Kastenwagen des Beschwerdeführers habe ihn in keiner Weise behindert.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Art. 49 Abs. 1 Satz 1 MFV bestimmt, dass Motorfahrzeuge nur am Strassenrand anhalten dürfen. Ausnahmen sind nur auf behördlich angewiesenem Parkplatz zulässig. Art. 49 Abs. 2 Satz 1 MFV, wonach Motorfahrzeuge so aufzustellen sind, dass sie den Verkehr nicht stören können, schränkt das Verbot nicht ein, sondern ergänzt es. Der Führer darf daher zwischen dem haltenden Fahrzeug und dem Strassenrand nicht mehr als den üblicherweise geduldeten Raum von 1-2 Dezimetern freilassen mit der Begründung, der Verkehr könne dadurch nicht gestört werden. Jedes Motorfahrzeug, das vom Strassenrand weiter absteht, kann den Verkehr stören, so wie ihn der Bundesrat durch Erlass des Art. 49 Abs. 1 Satz 1 MFV hat sicherstellen wollen. Von dieser Bestimmung darf auch dann nicht abgewichen werden, wenn der Führer das Fahrzeug nur für kurze Zeit verlässt oder wenn er Waren auszuladen hat und es ihm schwer fällt, in der Nähe einen Halteplatz zu finden. Die Sicherheit des Verkehrs geht der Bequemlichkeit und anderen Interessen des Einzelnen vor.
Es kommt auch nichts darauf an, dass breitere Fahrzeuge unter Umständen gleichviel Raum einnehmen wie ein in unzulässiger Entfernung vom Strassenrand aufgestelltes schmäleres Fahrzeug. Jeder hat so zu parkieren, dass sein Fahrzeug gegen die Mitte der Fahrbahn hin einen möglichst breiten Raum für den Verkehr freilässt. Ein Vorrecht für die Führer breiter Wagen entsteht dadurch nicht. Übrigens können sie unter Umständen wegen des Gebots des Art. 49 Abs. 2 Satz 1 MFV ein Fahrzeug an einer Stelle nicht parkieren, wo das Aufstellen eines schmäleren Fahrzeuges noch zulässig ist. Der Beschwerdeführer geht sodann fehl, wenn er glaubt, er hätte an der beanstandeten Stelle auch anhalten dürfen, wenn statt eines Motorrades ein anderes Hindernis ihm das Heranfahren an den Strassenrand verunmöglicht hätte. Ebensowenig hilft sein Standpunkt, das Anhalten sollte am Limmatquai und anderswo nur zum Güterumschlag gestattet werden. Ein Recht, von Art. 49 Abs. 1 Satz 1 MFV abzuweichen, gab ihm diese Auffassung nicht.
2. Art. 61 Abs. 6 MFV bestimmt: "Werden Motorfahrzeuge neben dem Strassenbahngeleise aufgestellt, so ist von der nächsten Schiene aus gemessen ein Raum von mindestens 1 m freizulassen." Das Wort "mindestens" hat nicht den Sinn von "ungefähr", so dass je nach Umständen ein Zwischenraum von 80 cm genügen würde. Die Verordnung will dem Führer der Strassenbahn die Sicherheit geben, dass unter keinen Umständen ein Motorfahrzeug näher als ein Meter an die Schiene heranreiche. Jeder Spielraum nach unten würde den Strassenbahnführer nötigen, die Fahrt seines Zuges zu verlangsamen, um abzutasten, ob dieser das Motorfahrzeug nicht berühre. Zudem kann der Motorfahrzeugführer nicht genau wissen, wie weit die Strassenbahn über die Schienen hinausreicht. Den Zwischenraum in sein Ermessen zu stellen, hiesse die Gefahr von Zusammenstössen schaffen. Es mag richtig sein, dass an gewissen Stellen das Anhalten mit Zwischenräumen von unter einem Meter möglich wäre, wo es durch die Bestimmung des Art. 61 Abs. 6 MFV verunmöglicht wird. Das berechtigte jedoch den Beschwerdeführer nicht, sich über die Verordnung hinwegzusetzen.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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Art. 49 Abs. 1, 61 Abs. 6 MFV. Sinn der Verbote, anderswo als am Strassenrande anzuhalten und das Motorfahrzeug näher als 1 m an das Strassenbahngeleise heran zu stellen.
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criminal law and criminal procedure
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81 IV 178
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Sachverhalt ab Seite 178
A.- Alois Bruhin stellte am Nachmittag des 7. Juli 1954 am Limmatquai in Zürich bei der Einmündung der Schoffelgasse einen Lieferungswagen neben einem am Rande der Fahrbahn stehenden Motorrad so auf, dass er vom Fussgängersteig mindestens 1 m und von der nächsten Schiene des Tramgeleises nur 80 cm entfernt war. Der Einzelrichter des Bezirksgerichtes Zürich verurteilte ihn daher am 18. März 1955 wegen Übertretung der Art. 49 und 61 Abs. 6 MFV zu einer Busse von Fr. 7.-.
B.- Bruhin führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil sei aufzuheben und er sei freizusprechen. Er macht geltend, er habe den Wagen nur für wenige Augenblicke am beanstandeten Orte parkiert. Er habe ein etliche Kilogramm schweres Paket in die Schoffelgasse liefern müssen. Der Wagen und das Motorrad zusammen hätten nicht mehr Platz beansprucht als ein grosser Gesellschaftswagen, wenn ein solcher neben dem Fussgängersteig aufgestellt worden wäre. Der Betrieb der Strassenbahn sei durch den Lieferungswagen in keiner Weise gehemmt oder gefährdet worden. Würden die Behörden hier nur das Anhalten zum Güterumschlag gestatten, so würde denen, die dort zu tun hätten, nicht stundenlang der Platz durch andere Wagen versperrt. Der Beschwerdeführer wisse nicht, wie er seine Aufgabe sollte erfüllen können, wenn er bei jedem Halt zuerst in der nähern oder weiteren Umgebung einen Parkplatz suchen müsste, um dann die schweren Pakete in die Geschäfte zu tragen. Art. 49 Abs. 1 MFV verlange nicht, dass die Räder den Randstein berühren müssten. Wenn er aus irgend einem anderen Grunde als wegen des Motorrades nicht unmittelbar am Rande hätte anhalten können, z.B. weil dort Steine gelegen hätten, so hätte ihm auch kein Vorwurf gemacht werden können. Auch Art. 61 Abs. 6 MFV habe er nicht übertreten. Der vorgeschriebene Abstand von mindestens 1 m vom Tramgeleise sei nur ein ungefähres Mass. Auf einem grossen Teil der Seefeldstrasse in Zürich sei es gar nicht möglich, die Wagen mindestens 1 m vom Geleise entfernt aufzustellen, so wenig wie am Limmatquai. Trotzdem müsse der Beschwerdeführer an solchen Orten fast täglich parkieren. Art. 61 Abs. 6 MFV bezwecke, den ungehinderten Verkehr der Strassenbahn sicherzustellen. Der Kastenwagen des Beschwerdeführers habe ihn in keiner Weise behindert.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Art. 49 Abs. 1 Satz 1 MFV bestimmt, dass Motorfahrzeuge nur am Strassenrand anhalten dürfen. Ausnahmen sind nur auf behördlich angewiesenem Parkplatz zulässig. Art. 49 Abs. 2 Satz 1 MFV, wonach Motorfahrzeuge so aufzustellen sind, dass sie den Verkehr nicht stören können, schränkt das Verbot nicht ein, sondern ergänzt es. Der Führer darf daher zwischen dem haltenden Fahrzeug und dem Strassenrand nicht mehr als den üblicherweise geduldeten Raum von 1-2 Dezimetern freilassen mit der Begründung, der Verkehr könne dadurch nicht gestört werden. Jedes Motorfahrzeug, das vom Strassenrand weiter absteht, kann den Verkehr stören, so wie ihn der Bundesrat durch Erlass des Art. 49 Abs. 1 Satz 1 MFV hat sicherstellen wollen. Von dieser Bestimmung darf auch dann nicht abgewichen werden, wenn der Führer das Fahrzeug nur für kurze Zeit verlässt oder wenn er Waren auszuladen hat und es ihm schwer fällt, in der Nähe einen Halteplatz zu finden. Die Sicherheit des Verkehrs geht der Bequemlichkeit und anderen Interessen des Einzelnen vor.
Es kommt auch nichts darauf an, dass breitere Fahrzeuge unter Umständen gleichviel Raum einnehmen wie ein in unzulässiger Entfernung vom Strassenrand aufgestelltes schmäleres Fahrzeug. Jeder hat so zu parkieren, dass sein Fahrzeug gegen die Mitte der Fahrbahn hin einen möglichst breiten Raum für den Verkehr freilässt. Ein Vorrecht für die Führer breiter Wagen entsteht dadurch nicht. Übrigens können sie unter Umständen wegen des Gebots des Art. 49 Abs. 2 Satz 1 MFV ein Fahrzeug an einer Stelle nicht parkieren, wo das Aufstellen eines schmäleren Fahrzeuges noch zulässig ist. Der Beschwerdeführer geht sodann fehl, wenn er glaubt, er hätte an der beanstandeten Stelle auch anhalten dürfen, wenn statt eines Motorrades ein anderes Hindernis ihm das Heranfahren an den Strassenrand verunmöglicht hätte. Ebensowenig hilft sein Standpunkt, das Anhalten sollte am Limmatquai und anderswo nur zum Güterumschlag gestattet werden. Ein Recht, von Art. 49 Abs. 1 Satz 1 MFV abzuweichen, gab ihm diese Auffassung nicht.
2. Art. 61 Abs. 6 MFV bestimmt: "Werden Motorfahrzeuge neben dem Strassenbahngeleise aufgestellt, so ist von der nächsten Schiene aus gemessen ein Raum von mindestens 1 m freizulassen." Das Wort "mindestens" hat nicht den Sinn von "ungefähr", so dass je nach Umständen ein Zwischenraum von 80 cm genügen würde. Die Verordnung will dem Führer der Strassenbahn die Sicherheit geben, dass unter keinen Umständen ein Motorfahrzeug näher als ein Meter an die Schiene heranreiche. Jeder Spielraum nach unten würde den Strassenbahnführer nötigen, die Fahrt seines Zuges zu verlangsamen, um abzutasten, ob dieser das Motorfahrzeug nicht berühre. Zudem kann der Motorfahrzeugführer nicht genau wissen, wie weit die Strassenbahn über die Schienen hinausreicht. Den Zwischenraum in sein Ermessen zu stellen, hiesse die Gefahr von Zusammenstössen schaffen. Es mag richtig sein, dass an gewissen Stellen das Anhalten mit Zwischenräumen von unter einem Meter möglich wäre, wo es durch die Bestimmung des Art. 61 Abs. 6 MFV verunmöglicht wird. Das berechtigte jedoch den Beschwerdeführer nicht, sich über die Verordnung hinwegzusetzen.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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Art. 49 al. 1 et 61 al. 6 RA. Sens de l'interdiction d'arrêter un véhicule à moteur ailleurs qu'au bord de la chaussée et à moins d'un mètre de la voie du tramway.
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https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F81-IV-178%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document
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81 IV 178
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Sachverhalt ab Seite 178
A.- Alois Bruhin stellte am Nachmittag des 7. Juli 1954 am Limmatquai in Zürich bei der Einmündung der Schoffelgasse einen Lieferungswagen neben einem am Rande der Fahrbahn stehenden Motorrad so auf, dass er vom Fussgängersteig mindestens 1 m und von der nächsten Schiene des Tramgeleises nur 80 cm entfernt war. Der Einzelrichter des Bezirksgerichtes Zürich verurteilte ihn daher am 18. März 1955 wegen Übertretung der Art. 49 und 61 Abs. 6 MFV zu einer Busse von Fr. 7.-.
B.- Bruhin führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil sei aufzuheben und er sei freizusprechen. Er macht geltend, er habe den Wagen nur für wenige Augenblicke am beanstandeten Orte parkiert. Er habe ein etliche Kilogramm schweres Paket in die Schoffelgasse liefern müssen. Der Wagen und das Motorrad zusammen hätten nicht mehr Platz beansprucht als ein grosser Gesellschaftswagen, wenn ein solcher neben dem Fussgängersteig aufgestellt worden wäre. Der Betrieb der Strassenbahn sei durch den Lieferungswagen in keiner Weise gehemmt oder gefährdet worden. Würden die Behörden hier nur das Anhalten zum Güterumschlag gestatten, so würde denen, die dort zu tun hätten, nicht stundenlang der Platz durch andere Wagen versperrt. Der Beschwerdeführer wisse nicht, wie er seine Aufgabe sollte erfüllen können, wenn er bei jedem Halt zuerst in der nähern oder weiteren Umgebung einen Parkplatz suchen müsste, um dann die schweren Pakete in die Geschäfte zu tragen. Art. 49 Abs. 1 MFV verlange nicht, dass die Räder den Randstein berühren müssten. Wenn er aus irgend einem anderen Grunde als wegen des Motorrades nicht unmittelbar am Rande hätte anhalten können, z.B. weil dort Steine gelegen hätten, so hätte ihm auch kein Vorwurf gemacht werden können. Auch Art. 61 Abs. 6 MFV habe er nicht übertreten. Der vorgeschriebene Abstand von mindestens 1 m vom Tramgeleise sei nur ein ungefähres Mass. Auf einem grossen Teil der Seefeldstrasse in Zürich sei es gar nicht möglich, die Wagen mindestens 1 m vom Geleise entfernt aufzustellen, so wenig wie am Limmatquai. Trotzdem müsse der Beschwerdeführer an solchen Orten fast täglich parkieren. Art. 61 Abs. 6 MFV bezwecke, den ungehinderten Verkehr der Strassenbahn sicherzustellen. Der Kastenwagen des Beschwerdeführers habe ihn in keiner Weise behindert.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Art. 49 Abs. 1 Satz 1 MFV bestimmt, dass Motorfahrzeuge nur am Strassenrand anhalten dürfen. Ausnahmen sind nur auf behördlich angewiesenem Parkplatz zulässig. Art. 49 Abs. 2 Satz 1 MFV, wonach Motorfahrzeuge so aufzustellen sind, dass sie den Verkehr nicht stören können, schränkt das Verbot nicht ein, sondern ergänzt es. Der Führer darf daher zwischen dem haltenden Fahrzeug und dem Strassenrand nicht mehr als den üblicherweise geduldeten Raum von 1-2 Dezimetern freilassen mit der Begründung, der Verkehr könne dadurch nicht gestört werden. Jedes Motorfahrzeug, das vom Strassenrand weiter absteht, kann den Verkehr stören, so wie ihn der Bundesrat durch Erlass des Art. 49 Abs. 1 Satz 1 MFV hat sicherstellen wollen. Von dieser Bestimmung darf auch dann nicht abgewichen werden, wenn der Führer das Fahrzeug nur für kurze Zeit verlässt oder wenn er Waren auszuladen hat und es ihm schwer fällt, in der Nähe einen Halteplatz zu finden. Die Sicherheit des Verkehrs geht der Bequemlichkeit und anderen Interessen des Einzelnen vor.
Es kommt auch nichts darauf an, dass breitere Fahrzeuge unter Umständen gleichviel Raum einnehmen wie ein in unzulässiger Entfernung vom Strassenrand aufgestelltes schmäleres Fahrzeug. Jeder hat so zu parkieren, dass sein Fahrzeug gegen die Mitte der Fahrbahn hin einen möglichst breiten Raum für den Verkehr freilässt. Ein Vorrecht für die Führer breiter Wagen entsteht dadurch nicht. Übrigens können sie unter Umständen wegen des Gebots des Art. 49 Abs. 2 Satz 1 MFV ein Fahrzeug an einer Stelle nicht parkieren, wo das Aufstellen eines schmäleren Fahrzeuges noch zulässig ist. Der Beschwerdeführer geht sodann fehl, wenn er glaubt, er hätte an der beanstandeten Stelle auch anhalten dürfen, wenn statt eines Motorrades ein anderes Hindernis ihm das Heranfahren an den Strassenrand verunmöglicht hätte. Ebensowenig hilft sein Standpunkt, das Anhalten sollte am Limmatquai und anderswo nur zum Güterumschlag gestattet werden. Ein Recht, von Art. 49 Abs. 1 Satz 1 MFV abzuweichen, gab ihm diese Auffassung nicht.
2. Art. 61 Abs. 6 MFV bestimmt: "Werden Motorfahrzeuge neben dem Strassenbahngeleise aufgestellt, so ist von der nächsten Schiene aus gemessen ein Raum von mindestens 1 m freizulassen." Das Wort "mindestens" hat nicht den Sinn von "ungefähr", so dass je nach Umständen ein Zwischenraum von 80 cm genügen würde. Die Verordnung will dem Führer der Strassenbahn die Sicherheit geben, dass unter keinen Umständen ein Motorfahrzeug näher als ein Meter an die Schiene heranreiche. Jeder Spielraum nach unten würde den Strassenbahnführer nötigen, die Fahrt seines Zuges zu verlangsamen, um abzutasten, ob dieser das Motorfahrzeug nicht berühre. Zudem kann der Motorfahrzeugführer nicht genau wissen, wie weit die Strassenbahn über die Schienen hinausreicht. Den Zwischenraum in sein Ermessen zu stellen, hiesse die Gefahr von Zusammenstössen schaffen. Es mag richtig sein, dass an gewissen Stellen das Anhalten mit Zwischenräumen von unter einem Meter möglich wäre, wo es durch die Bestimmung des Art. 61 Abs. 6 MFV verunmöglicht wird. Das berechtigte jedoch den Beschwerdeführer nicht, sich über die Verordnung hinwegzusetzen.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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Art. 49 cp. 1 e 61 cp. 6 RLA. Significato del divieto di far sostare un autoveicolo altrove che al margine della strada e a meno di un metro di distanza dai binari della tranvia.
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81 IV 181
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Sachverhalt ab Seite 182
A.- Der Lebensmittelinspektor der Stadt Zürich machte die SA Vautier Frères & Cie im Winter 1953/54 wiederholt darauf aufmerksam, dass sie die Worte "Rauchen Sie gesünder" in ihrer Reklame nicht verwenden dürfe. Mit Schreiben vom 31. März 1954 drohte er ihr für den Fall erneuter Widerhandlung Strafanzeige an. Trotzdem machte Odet Perrin als Leiter der erwähnten Firma am 14. Juni 1954 im "Tagesanzeiger für Stadt und Kanton Zürich" wieder wie folgt Reklame: "Rauchen Sie gesünder Marocaine Filtre, die Cigarette, die nicht zum Husten reizt." Eine Bewilligung des eidgenössischen Gesundheitsamtes, das Erzeugnis mit dem Hinweis auf günstigere gesundheitliche Wirkungen anzupreisen, hatte er nicht eingeholt. Das Gesundheits- und Wirtschaftsamt der Stadt Zürich verfällte ihn daher am 22. Juni 1954 wegen Übertretung der Art. 18 und 19 der Verordnung vom 26. Mai 1936 über den Verkehr mit Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen (LMV) in eine Busse von Fr. 20.-.
B.- Perrin verlangte gerichtliche Beurteilung und wurde am 29. Oktober 1954 vom Einzelrichter des Bezirksgerichtes Zürich freigesprochen. Der Einzelrichter ging davon aus, nach allgemeiner Auffassung sei das Rauchen einer Zigarette nicht gesund, sondern ungesund. Daher könne durch das Wort "gesünder" gar nicht ausgedrückt werden, die Marocaine Filtre steigere die Gesundheit, sondern nur, sie sei weniger ungesund oder weniger gesundheitsschädlich als die anderen Zigaretten. Ob das eine wahrheitswidrige Anpreisung sei, wie das Gesundheits- und Wirtschaftsamt der Stadt Zürich behaupte, könne dahingestellt bleiben, denn jedenfalls habe Perrin sie für wahr gehalten und halten dürfen. Die Behauptung, ein Erzeugnis sei weniger gesundheitsschädlich als andere, enthalte auch keine Heilanpreisung im Sinne des Art. 19 LMV.
C.- Das Gesundheits- und Wirtschaftsamt der Stadt Zürich führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Einzelrichters sei aufzuheben und die Sache zur Bestrafung des Verzeigten wegen Übertretung des Art. 19 Abs. 1 LMV an diese Instanz zurückzuweisen. Nicht angefochten wird der Freispruch von der Anschuldigung wahrheitswidriger Reklame (Art. 18 LMV).
D.- Perrin ist zur Vernehmlassung eingeladen worden, hat jedoch innert gesetzter Frist nur eine Antwort einreichen lassen, die keine Unterschrift trägt und daher unbeachtlich ist (vgl. BGE 80 IV 48).
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Art. 19 Abs. 1 LMV verbietet für Lebensmittel Hinweise irgendwelcher Art auf eine krankheitsheilende oder -verhütende Wirkung, ebenso Hinweise, die auf eine günstigere gesundheitliche Wirkung schliessen lassen, als das betreffende Lebensmittel sie von Natur aus besitzt. Anpreisungen der letzteren Art bedürfen der Bewilligung durch das eidgenössische Gesundheitsamt.
2. Lebensmittel im Sinne dieser Bestimmung sind auch Tabak und Tabakerzeugnisse, insbesondere Zigaretten. Das ergibt sich aus Art. 1 lit. a des Bundesgesetzes betreffend den Verkehr mit Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen vom 8. Dezember 1905 (LMG), das den Bundesrat zum Erlass des Art. 19 LMV ermächtigt hat (Art. 54 LMG). Art. 1 lit. a LMG versteht unter den Lebensmitteln sowohl die Nahrungs- als auch die Genussmittel. Letztere werden denn auch in Art. 2 Abs. 1 Ziff. 3 unter den von der Verordnung erfassten Lebensmitteln (und Gebrauchsgegenständen) aufgezählt und zusammen mit den Gewürzen umschrieben als "Stoffe und Erzeugnisse, die, meist ohne einen eigentlichen Nährwert zu besitzen, gewissen Nahrungsmitteln zur Geschmackverbesserung oder der anregenden Wirkung wegen zugesetzt oder auch für sich genossen oder dem Organismus sonstwie zugeführt werden". Dass der französische und der italienische Text von Art. 1 lit. a LMG den Begriff des Genussmittels nicht erwähnen und an seiner Stelle in Art. 2 Abs. 1 Ziff. 3 LMV von "condiments et substances analogues" bzw. "condimenti e sostanze analoghe" sprechen, schliesst die Anwendung des Art. 19 Abs. 1 LMV auf Tabak und Tabakerzeugnisse nicht aus. Diese Waren sind im Abschnitt "B. Bestimmungen für Lebensmittel" der Verordnung ausdrücklich behandelt (Art. 420). Ein Grund, nicht auch den Abschnitt "A. Allgemeine Bestimmungen", zu dem Art. 19 LMV gehört, auf sie anzuwenden, besteht nicht.
3. "Eine günstigere gesundheitliche Wirkung" im Sinne des Art. 19 Abs. 1 LMV wird einem Lebensmittel nicht nur dann nachgerühmt, wenn behauptet wird, es vermöge die Gesundheit des Menschen zu verbessern, sondern auch, wenn es als weniger gesundheitsschädlich angepriesen wird, als andere Erzeugnisse gleicher Gattung von Natur aus sind. Art. 19 will im Interesse der Volksgesundheit der Gefahr von Täuschungen vorbeugen. Unter diesem Gesichtspunkt kommt nichts darauf an, ob ein Lebensmittel als gesundheitsfördernd hingestellt oder ob der Erwerber in die Meinung versetzt wird, es sei weniger gesundheitsschädlich. Während in ersterem Falle der Konsument lediglich Gefahr läuft, um die versprochene gesundheitsfördernde Wirkung geprellt zu werden, setzt er sich im letzteren Falle der Gefahr aus, ein gesundheitsschädliches Lebensmittel zu geniessen, das er für unschädlich oder weniger schädlich hält. Hier ist das Schutzbedürfnis besonders gross. Es ist denn auch nicht zu ersehen, weshalb in Art. 19 Abs. 1 die allgemeine, beide Fälle umfassende Wendung "eine günstigere gesundheitliche Wirkung" verwendet wurde, wenn nur die Anpreisung einer dem betreffenden Lebensmittel von Natur aus abgehenden gesundheitsfördernden Wirkung hätte verboten werden wollen. Die Hauptfälle von Hinweisen auf Eigenschaften, die die Gesundheit angeblich heben, nämlich der Hinweis auf krankheitsheilende oder -verhütende Wirkung, ist übrigens im gleichen Absatz noch besonders erwähnt.
4. Bei dieser Auslegung des Art. 19 Abs. 1 LMV kommt nichts darauf an, ob das vom Gesundheits- und Wirtschaftsamt der Stadt Zürich beanstandete Inserat den Sinn habe, das Rauchen der Marocaine Filtre sei weniger gesundheitsschädlich, oder vielmehr, es hebe die Gesundheit mehr als das Rauchen anderer Zigaretten. Im einen wie im anderen Falle verstösst das Inserat gegen das Verbot nichtbewilligter Hinweise auf "eine günstigere gesundheitliche Wirkung".
5. Der Beschwerdegegner hat nicht bestritten, dass er das Inserat, so wie es lautet, bewusst und gewollt hat erscheinen lassen und sich des Fehlens einer Bewilligung des eidgenössischen Gesundheitsamtes bewusst gewesen ist. Er hat Art. 19 Abs. 1 LMV somit vorsätzlich übertreten. Die der Tat vorausgegangenen Warnungen durch den Lebensmittelinspektor der Stadt Zürich schliessen auch zum vornherein aus, dass der Beschwerdegegner zureichende Gründe gehabt habe, sein Vorgehen für erlaubt zu halten. Die Vorinstanz hat ihn daher zu bestrafen.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Einzelrichters des Bezirksgerichts Zürich vom 29. Oktober 1954 aufgehoben und die Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
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1. Art. 1 lit. a LMG, Art. 2 Abs. 1 Ziff. 3 LMV. Tabak und Tabakerzeugnisse sind Lebensmittel. 2. Art. 19 Abs. 1 LMV. "Eine günstigere gesundheitliche Wirkung" wird einem Lebensmittel nicht nur nachgerühmt, wenn behauptet wird, es vermöge die Gesundheit des Menschen zu verbessern, sondern auch, wenn es als weniger gesundheitsschädlich angcpriesen wird, als andere Erzeugnisse gleicher Gattung von Natur aus sind.
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A.- Der Lebensmittelinspektor der Stadt Zürich machte die SA Vautier Frères & Cie im Winter 1953/54 wiederholt darauf aufmerksam, dass sie die Worte "Rauchen Sie gesünder" in ihrer Reklame nicht verwenden dürfe. Mit Schreiben vom 31. März 1954 drohte er ihr für den Fall erneuter Widerhandlung Strafanzeige an. Trotzdem machte Odet Perrin als Leiter der erwähnten Firma am 14. Juni 1954 im "Tagesanzeiger für Stadt und Kanton Zürich" wieder wie folgt Reklame: "Rauchen Sie gesünder Marocaine Filtre, die Cigarette, die nicht zum Husten reizt." Eine Bewilligung des eidgenössischen Gesundheitsamtes, das Erzeugnis mit dem Hinweis auf günstigere gesundheitliche Wirkungen anzupreisen, hatte er nicht eingeholt. Das Gesundheits- und Wirtschaftsamt der Stadt Zürich verfällte ihn daher am 22. Juni 1954 wegen Übertretung der Art. 18 und 19 der Verordnung vom 26. Mai 1936 über den Verkehr mit Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen (LMV) in eine Busse von Fr. 20.-.
B.- Perrin verlangte gerichtliche Beurteilung und wurde am 29. Oktober 1954 vom Einzelrichter des Bezirksgerichtes Zürich freigesprochen. Der Einzelrichter ging davon aus, nach allgemeiner Auffassung sei das Rauchen einer Zigarette nicht gesund, sondern ungesund. Daher könne durch das Wort "gesünder" gar nicht ausgedrückt werden, die Marocaine Filtre steigere die Gesundheit, sondern nur, sie sei weniger ungesund oder weniger gesundheitsschädlich als die anderen Zigaretten. Ob das eine wahrheitswidrige Anpreisung sei, wie das Gesundheits- und Wirtschaftsamt der Stadt Zürich behaupte, könne dahingestellt bleiben, denn jedenfalls habe Perrin sie für wahr gehalten und halten dürfen. Die Behauptung, ein Erzeugnis sei weniger gesundheitsschädlich als andere, enthalte auch keine Heilanpreisung im Sinne des Art. 19 LMV.
C.- Das Gesundheits- und Wirtschaftsamt der Stadt Zürich führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Einzelrichters sei aufzuheben und die Sache zur Bestrafung des Verzeigten wegen Übertretung des Art. 19 Abs. 1 LMV an diese Instanz zurückzuweisen. Nicht angefochten wird der Freispruch von der Anschuldigung wahrheitswidriger Reklame (Art. 18 LMV).
D.- Perrin ist zur Vernehmlassung eingeladen worden, hat jedoch innert gesetzter Frist nur eine Antwort einreichen lassen, die keine Unterschrift trägt und daher unbeachtlich ist (vgl. BGE 80 IV 48).
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Art. 19 Abs. 1 LMV verbietet für Lebensmittel Hinweise irgendwelcher Art auf eine krankheitsheilende oder -verhütende Wirkung, ebenso Hinweise, die auf eine günstigere gesundheitliche Wirkung schliessen lassen, als das betreffende Lebensmittel sie von Natur aus besitzt. Anpreisungen der letzteren Art bedürfen der Bewilligung durch das eidgenössische Gesundheitsamt.
2. Lebensmittel im Sinne dieser Bestimmung sind auch Tabak und Tabakerzeugnisse, insbesondere Zigaretten. Das ergibt sich aus Art. 1 lit. a des Bundesgesetzes betreffend den Verkehr mit Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen vom 8. Dezember 1905 (LMG), das den Bundesrat zum Erlass des Art. 19 LMV ermächtigt hat (Art. 54 LMG). Art. 1 lit. a LMG versteht unter den Lebensmitteln sowohl die Nahrungs- als auch die Genussmittel. Letztere werden denn auch in Art. 2 Abs. 1 Ziff. 3 unter den von der Verordnung erfassten Lebensmitteln (und Gebrauchsgegenständen) aufgezählt und zusammen mit den Gewürzen umschrieben als "Stoffe und Erzeugnisse, die, meist ohne einen eigentlichen Nährwert zu besitzen, gewissen Nahrungsmitteln zur Geschmackverbesserung oder der anregenden Wirkung wegen zugesetzt oder auch für sich genossen oder dem Organismus sonstwie zugeführt werden". Dass der französische und der italienische Text von Art. 1 lit. a LMG den Begriff des Genussmittels nicht erwähnen und an seiner Stelle in Art. 2 Abs. 1 Ziff. 3 LMV von "condiments et substances analogues" bzw. "condimenti e sostanze analoghe" sprechen, schliesst die Anwendung des Art. 19 Abs. 1 LMV auf Tabak und Tabakerzeugnisse nicht aus. Diese Waren sind im Abschnitt "B. Bestimmungen für Lebensmittel" der Verordnung ausdrücklich behandelt (Art. 420). Ein Grund, nicht auch den Abschnitt "A. Allgemeine Bestimmungen", zu dem Art. 19 LMV gehört, auf sie anzuwenden, besteht nicht.
3. "Eine günstigere gesundheitliche Wirkung" im Sinne des Art. 19 Abs. 1 LMV wird einem Lebensmittel nicht nur dann nachgerühmt, wenn behauptet wird, es vermöge die Gesundheit des Menschen zu verbessern, sondern auch, wenn es als weniger gesundheitsschädlich angepriesen wird, als andere Erzeugnisse gleicher Gattung von Natur aus sind. Art. 19 will im Interesse der Volksgesundheit der Gefahr von Täuschungen vorbeugen. Unter diesem Gesichtspunkt kommt nichts darauf an, ob ein Lebensmittel als gesundheitsfördernd hingestellt oder ob der Erwerber in die Meinung versetzt wird, es sei weniger gesundheitsschädlich. Während in ersterem Falle der Konsument lediglich Gefahr läuft, um die versprochene gesundheitsfördernde Wirkung geprellt zu werden, setzt er sich im letzteren Falle der Gefahr aus, ein gesundheitsschädliches Lebensmittel zu geniessen, das er für unschädlich oder weniger schädlich hält. Hier ist das Schutzbedürfnis besonders gross. Es ist denn auch nicht zu ersehen, weshalb in Art. 19 Abs. 1 die allgemeine, beide Fälle umfassende Wendung "eine günstigere gesundheitliche Wirkung" verwendet wurde, wenn nur die Anpreisung einer dem betreffenden Lebensmittel von Natur aus abgehenden gesundheitsfördernden Wirkung hätte verboten werden wollen. Die Hauptfälle von Hinweisen auf Eigenschaften, die die Gesundheit angeblich heben, nämlich der Hinweis auf krankheitsheilende oder -verhütende Wirkung, ist übrigens im gleichen Absatz noch besonders erwähnt.
4. Bei dieser Auslegung des Art. 19 Abs. 1 LMV kommt nichts darauf an, ob das vom Gesundheits- und Wirtschaftsamt der Stadt Zürich beanstandete Inserat den Sinn habe, das Rauchen der Marocaine Filtre sei weniger gesundheitsschädlich, oder vielmehr, es hebe die Gesundheit mehr als das Rauchen anderer Zigaretten. Im einen wie im anderen Falle verstösst das Inserat gegen das Verbot nichtbewilligter Hinweise auf "eine günstigere gesundheitliche Wirkung".
5. Der Beschwerdegegner hat nicht bestritten, dass er das Inserat, so wie es lautet, bewusst und gewollt hat erscheinen lassen und sich des Fehlens einer Bewilligung des eidgenössischen Gesundheitsamtes bewusst gewesen ist. Er hat Art. 19 Abs. 1 LMV somit vorsätzlich übertreten. Die der Tat vorausgegangenen Warnungen durch den Lebensmittelinspektor der Stadt Zürich schliessen auch zum vornherein aus, dass der Beschwerdegegner zureichende Gründe gehabt habe, sein Vorgehen für erlaubt zu halten. Die Vorinstanz hat ihn daher zu bestrafen.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Einzelrichters des Bezirksgerichts Zürich vom 29. Oktober 1954 aufgehoben und die Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
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1. Art. 1 litt. a LCDA, art. 2 al. 1 ch. 3 OCDA. Le tabac, les cigares et les cigarettes sont des denrées alimentaires. 2. Art. 19 al. 1 OCDA. Il y a indication de "propriétés hygiéniques supérieures" à celles que possède naturellement une denrée alimentaire, non seulement lorsqu'il est prétendu qu'elle peut améliorer la santé de l'homme, mais également lorsqu'elle est présentée comme moins nuisible à la santé que ne le sont d'autres produits de même espèce.
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A.- Der Lebensmittelinspektor der Stadt Zürich machte die SA Vautier Frères & Cie im Winter 1953/54 wiederholt darauf aufmerksam, dass sie die Worte "Rauchen Sie gesünder" in ihrer Reklame nicht verwenden dürfe. Mit Schreiben vom 31. März 1954 drohte er ihr für den Fall erneuter Widerhandlung Strafanzeige an. Trotzdem machte Odet Perrin als Leiter der erwähnten Firma am 14. Juni 1954 im "Tagesanzeiger für Stadt und Kanton Zürich" wieder wie folgt Reklame: "Rauchen Sie gesünder Marocaine Filtre, die Cigarette, die nicht zum Husten reizt." Eine Bewilligung des eidgenössischen Gesundheitsamtes, das Erzeugnis mit dem Hinweis auf günstigere gesundheitliche Wirkungen anzupreisen, hatte er nicht eingeholt. Das Gesundheits- und Wirtschaftsamt der Stadt Zürich verfällte ihn daher am 22. Juni 1954 wegen Übertretung der Art. 18 und 19 der Verordnung vom 26. Mai 1936 über den Verkehr mit Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen (LMV) in eine Busse von Fr. 20.-.
B.- Perrin verlangte gerichtliche Beurteilung und wurde am 29. Oktober 1954 vom Einzelrichter des Bezirksgerichtes Zürich freigesprochen. Der Einzelrichter ging davon aus, nach allgemeiner Auffassung sei das Rauchen einer Zigarette nicht gesund, sondern ungesund. Daher könne durch das Wort "gesünder" gar nicht ausgedrückt werden, die Marocaine Filtre steigere die Gesundheit, sondern nur, sie sei weniger ungesund oder weniger gesundheitsschädlich als die anderen Zigaretten. Ob das eine wahrheitswidrige Anpreisung sei, wie das Gesundheits- und Wirtschaftsamt der Stadt Zürich behaupte, könne dahingestellt bleiben, denn jedenfalls habe Perrin sie für wahr gehalten und halten dürfen. Die Behauptung, ein Erzeugnis sei weniger gesundheitsschädlich als andere, enthalte auch keine Heilanpreisung im Sinne des Art. 19 LMV.
C.- Das Gesundheits- und Wirtschaftsamt der Stadt Zürich führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Einzelrichters sei aufzuheben und die Sache zur Bestrafung des Verzeigten wegen Übertretung des Art. 19 Abs. 1 LMV an diese Instanz zurückzuweisen. Nicht angefochten wird der Freispruch von der Anschuldigung wahrheitswidriger Reklame (Art. 18 LMV).
D.- Perrin ist zur Vernehmlassung eingeladen worden, hat jedoch innert gesetzter Frist nur eine Antwort einreichen lassen, die keine Unterschrift trägt und daher unbeachtlich ist (vgl. BGE 80 IV 48).
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Art. 19 Abs. 1 LMV verbietet für Lebensmittel Hinweise irgendwelcher Art auf eine krankheitsheilende oder -verhütende Wirkung, ebenso Hinweise, die auf eine günstigere gesundheitliche Wirkung schliessen lassen, als das betreffende Lebensmittel sie von Natur aus besitzt. Anpreisungen der letzteren Art bedürfen der Bewilligung durch das eidgenössische Gesundheitsamt.
2. Lebensmittel im Sinne dieser Bestimmung sind auch Tabak und Tabakerzeugnisse, insbesondere Zigaretten. Das ergibt sich aus Art. 1 lit. a des Bundesgesetzes betreffend den Verkehr mit Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen vom 8. Dezember 1905 (LMG), das den Bundesrat zum Erlass des Art. 19 LMV ermächtigt hat (Art. 54 LMG). Art. 1 lit. a LMG versteht unter den Lebensmitteln sowohl die Nahrungs- als auch die Genussmittel. Letztere werden denn auch in Art. 2 Abs. 1 Ziff. 3 unter den von der Verordnung erfassten Lebensmitteln (und Gebrauchsgegenständen) aufgezählt und zusammen mit den Gewürzen umschrieben als "Stoffe und Erzeugnisse, die, meist ohne einen eigentlichen Nährwert zu besitzen, gewissen Nahrungsmitteln zur Geschmackverbesserung oder der anregenden Wirkung wegen zugesetzt oder auch für sich genossen oder dem Organismus sonstwie zugeführt werden". Dass der französische und der italienische Text von Art. 1 lit. a LMG den Begriff des Genussmittels nicht erwähnen und an seiner Stelle in Art. 2 Abs. 1 Ziff. 3 LMV von "condiments et substances analogues" bzw. "condimenti e sostanze analoghe" sprechen, schliesst die Anwendung des Art. 19 Abs. 1 LMV auf Tabak und Tabakerzeugnisse nicht aus. Diese Waren sind im Abschnitt "B. Bestimmungen für Lebensmittel" der Verordnung ausdrücklich behandelt (Art. 420). Ein Grund, nicht auch den Abschnitt "A. Allgemeine Bestimmungen", zu dem Art. 19 LMV gehört, auf sie anzuwenden, besteht nicht.
3. "Eine günstigere gesundheitliche Wirkung" im Sinne des Art. 19 Abs. 1 LMV wird einem Lebensmittel nicht nur dann nachgerühmt, wenn behauptet wird, es vermöge die Gesundheit des Menschen zu verbessern, sondern auch, wenn es als weniger gesundheitsschädlich angepriesen wird, als andere Erzeugnisse gleicher Gattung von Natur aus sind. Art. 19 will im Interesse der Volksgesundheit der Gefahr von Täuschungen vorbeugen. Unter diesem Gesichtspunkt kommt nichts darauf an, ob ein Lebensmittel als gesundheitsfördernd hingestellt oder ob der Erwerber in die Meinung versetzt wird, es sei weniger gesundheitsschädlich. Während in ersterem Falle der Konsument lediglich Gefahr läuft, um die versprochene gesundheitsfördernde Wirkung geprellt zu werden, setzt er sich im letzteren Falle der Gefahr aus, ein gesundheitsschädliches Lebensmittel zu geniessen, das er für unschädlich oder weniger schädlich hält. Hier ist das Schutzbedürfnis besonders gross. Es ist denn auch nicht zu ersehen, weshalb in Art. 19 Abs. 1 die allgemeine, beide Fälle umfassende Wendung "eine günstigere gesundheitliche Wirkung" verwendet wurde, wenn nur die Anpreisung einer dem betreffenden Lebensmittel von Natur aus abgehenden gesundheitsfördernden Wirkung hätte verboten werden wollen. Die Hauptfälle von Hinweisen auf Eigenschaften, die die Gesundheit angeblich heben, nämlich der Hinweis auf krankheitsheilende oder -verhütende Wirkung, ist übrigens im gleichen Absatz noch besonders erwähnt.
4. Bei dieser Auslegung des Art. 19 Abs. 1 LMV kommt nichts darauf an, ob das vom Gesundheits- und Wirtschaftsamt der Stadt Zürich beanstandete Inserat den Sinn habe, das Rauchen der Marocaine Filtre sei weniger gesundheitsschädlich, oder vielmehr, es hebe die Gesundheit mehr als das Rauchen anderer Zigaretten. Im einen wie im anderen Falle verstösst das Inserat gegen das Verbot nichtbewilligter Hinweise auf "eine günstigere gesundheitliche Wirkung".
5. Der Beschwerdegegner hat nicht bestritten, dass er das Inserat, so wie es lautet, bewusst und gewollt hat erscheinen lassen und sich des Fehlens einer Bewilligung des eidgenössischen Gesundheitsamtes bewusst gewesen ist. Er hat Art. 19 Abs. 1 LMV somit vorsätzlich übertreten. Die der Tat vorausgegangenen Warnungen durch den Lebensmittelinspektor der Stadt Zürich schliessen auch zum vornherein aus, dass der Beschwerdegegner zureichende Gründe gehabt habe, sein Vorgehen für erlaubt zu halten. Die Vorinstanz hat ihn daher zu bestrafen.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Einzelrichters des Bezirksgerichts Zürich vom 29. Oktober 1954 aufgehoben und die Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
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1. Art. 1 lett. a della legge sulle derrate alimentari e art. 2 cp. 1 cifra 3 della relativa ordinanza. Il tabacco e i manufatti di tabacco sono derrate alimentari. 2. Art. 19 cp. 1 dell'ordinanza sulle derrate alimentari. Ad un'"efficacia salutare maggiore" di quella posseduta naturalmente da una derrata si allude non soltanto quando si pretende che il prodotto può migliorare la salute dell'uomo, bensì anche quando si presenta il prodotto come meno nocivo di altri della stessa specie.
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81 IV 186
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Sachverhalt ab Seite 186
A.- De 1944 à 1951, Hirsch a été condamné 13 fois, pour des délits douaniers, à des amendes allant de 7 fr. à 22 000 fr. environ. La plupart de ces condamnations se rapportaient à des trafics prohibés d'or.
De novembre 1949 jusqu'au mois d'avril 1950, il a fait dédouaner, pour l'importation en Suisse, 1 375 316 kg. d'or fin en lingots sur le vu de permis d'importation qu'il s'était procurés abusivement ou qu'il s'était fait céder en produisant des documents fictifs. Il a en outre fait exporter en fraude, par divers complices, la même quantité d'or fin en lingots.
Déféré au juge pénal pour ces faits, il a été condamné le 31 mai 1954, par le Tribunal de police de Genève, d'une part, à deux mois d'emprisonnement sans sursis et à une amende de 273 412 fr. pour trafic prohibé à l'importation, d'autre part, à deux mois d'emprisonnement sans sursis et à une amende de 273 412 fr. pour trafic prohibé à l'exportation.
Sur appel de Hirsch, la Cour de justice de Genève con firma ce jugement, le 9 octobre 1954.
B.- Le 25 octobre 1954, Hirsch a déclaré se pourvoir en nullité contre cet arrêt, qui lui avait été communiqué le 15 octobre. Il a motivé ensuite son pourvoi par un mémoire daté du 25 octobre 1954 et déposé auprès de la Cour de justice, le 2 novembre suivant. Il conclut à l'annulation de l'arrêt attaqué et au renvoi de la cause à l'autorité cantonale pour qu'il soit statué à nouveau.
C.- Sur le fond, le Ministère public fédéral conclut au rejet du pourvoi.
Erwägungen
Considérant en droit:
1. Le recourant ne conteste pas s'être rendu coupable de trafic prohibé à l'importation tout d'abord, puis à l'exportation. Il a raison.
Ses importations, comme ses exportations d'or, ne pouvaient avoir lieu que moyennant une autorisation délivrée par la Banque nationale suisse selon les règles édictées par le Département fédéral des finances et des douanes (art. 3 al. 1 et art. 4 de l'ACF du 7 décembre 1942 sur la surveillance du commerce de l'or, ainsi que de l'importation et de l'exportation de l'or). Il s'est fait céder certaines autorisations délivrées à des tiers, ce qui était illicite (art. 7 de l'ordonnace d'exécution du 28 octobre 1946). Dans un cas, il s'en est fait délivrer une personnellement. Mais, d'après les constatations souveraines du juge cantonal, il n'a jamais eu l'intention de respecter la condition à laquelle étaient soumises toutes les autorisations d'importer dont il s'est servi, à savoir que l'or soit façonné en Suisse et réexporté dans le délai prescrit (art. 3 al. 2 de l'ACF du 7 décembre 1942 et 7 de l'ordonnance d'exécution du 28 octobre 1946). Il s'ensuit que, dans tous les cas, les importations qu'il a faites constituaient des actes de trafic prohibé au sens des ch. 5 et 6 de l'art. 76 LD. Ses exportations, qui ont eu lieu sans soumettre la marchandise au contrôle douanier, constituaient la même infraction (art. 76 ch. 2 LD). Il était donc punissable de par les art. 77 ss. LD et c'est à juste titre que le juge cantonal lui a appliqué ces dispositions légales (art. 5 ch. 2 de l'ACF du 7 décembre 1942).
2. Hirsch allègue cependant que le juge cantonal aurait mal interprété les art. 77 ss. LD et en particulier n'aurait pas dû prononcer deux peines distinctes pour les deux infractions retenues (trafic prohibé à l'importation tout d'abord, puis à l'exportation). Car, dit-il, lorsqu'il y a concours réel de deux délits douaniers, comme en l'espèce le second ne constitue qu'une circonstance aggravante du premier et la sanction doit consister dans une peine d'ensemble.
Sur ce point, le Tribunal fédéral a, jusqu'ici, donné de la loi l'interprétation suivante: La loi sur les douanes règle le concours d'infractions à son art. 85. De par le ch. 1 de l'art. 333 CP, cette disposition légale s'applique, en cas de délit douanier, à l'exclusion des principes généraux du code pénal qui ont le même objet (cf. RO 72 IV 189). Cependant, elle ne concerne que le concours idéal à l'exclusion du concours réel (arrêt Riat, du 14 février 1949, non publié). Aucune prescription spéciale du droit fiscal et notamment du droit douanier ne règle ce dernier cas, mais on n'en saurait conclure qu'il soit soumis à l'art. 68 ch. 1 CP. Car il suffit que le droit spécial règle une matière, ne fût-ce qu'implicitement et négativement, pour que l'application des principes généraux du code pénal soit exclue (RO 72 IV 190, consid. 2; 74 IV 26). Tel est le cas du concours réel en droit douanier.
Dans ce domaine particulier, la peine ne saurait être fixée, comme dans le droit pénal commun, selon la culpabilité, en tenant compte des mobiles, des antécédents et de la situation personnelle du délinquant (art. 63 CP; cf., pour l'amende, art. 48 ch. 2 CP; RO 72 IV 191; arrêt Riat, précité). Le but de la peine est ici de réparer la perte subie par le fisc et de protéger la collectivité (RO 72 IV 190 s., consid. 2; arrêt Riat, précité).
Ce caractère spécial de la répression en matière de délits douaniers ne permet pas, en principe, de prononcer une peine d'ensemble lorsqu'il y a cumul d'infractions; peu importe qu'il s'agisse de cumul idéal ou de cumul réel. La seule exception est celle que prescrit le premier alinéa de l'art. 85 LD. Dans tous les autres cas, il faut prononcer autant de peines qu'il y a d'infractions. Cette règle est implicite, mais absolue en matière de cumul réel (arrêts Riat, précité; Agazzi, du 17 mars 1949, non publié; RO 76 IV 296 litt. c; 78 IV 198, consid. 4; arrêt Arditi, du 12 juin 1953, non publié; v. de même Jurisprudence des autorités administratives de la Confédération, 1944-1945, nos 114 et 115; 1951 nos 90 et 91).
3. Le recourant demande à la Cour de cassation de revoir les principes ainsi posés. Il estime tout d'abord que si la première phrase de l'art. 85 al. 1 LD vise le concours idéal, la seconde, en revanche, ne peut avoir trait qu'au concours réel. Il est vrai que, séparée de son contexte, cette phrase, d'après la rédaction française de la loi tout au moins, semble ne pas concerner le concours idéal seulement. Elle est ainsi formulée: "Le concours de deux délits constitue une circonstance aggravante". Pour appliquer ce principe, le juge devrait tout d'abord fixer la peine pour l'un des délits en concours et l'aggraver ensuite pour l'autre, en vertu des art. 75 al. 2 et 77 al. 3 LD. Mais, dans son contexte, le sens de l'art. 85 al. 1 deuxième phrase est clair: La première phrase pose en principe qu'en cas de concours idéal entre une contravention douanière et un acte de trafic prohibé, "la peine applicable est celle prévue pour le plus grave". La deuxième phrase se rapporte nécessairement à la première, car elle la complète en précisant que l'on tiendra compte de l'autre délit comme d'une circonstance aggravante qui entraînera une augmentation de la peine dans les limites que fixe la loi. Cette interprétation est du reste confirmée par le texte allemand et italien de la loi, où, grammaticalement, la deuxième phrase de l'art. 85 al. 1 se rapporte sans conteste à la première ("Das Zusammentreffen gilt"...; "Il concorso dei due reati constituisce"...). Enfin, l'art. 82 LD, qui énumère limitativement les circonstances aggravantes dans les délits douaniers, prévoit exclusivement, sous ch. 5, le concours idéal entre une contravention douanière et un acte de trafic prohibé et nullement le cas du concours réel.
Le texte et le système de la loi s'opposent donc absolument à l'interprétation que propose le recourant. Le cumul des peines entraînant certaines rigueurs, on comprend que, dans le cas du concours idéal d'infractions douanières où ces rigueurs pouvaient être particulièrement apparentes le législateur ait fait une exception (art. 85 al. 1). Dans le cas de concours réel de délits douaniers, en revanche, le cumul des peines se justifie entièrement, surtout lorsqu'il s'agit d'amendes. Mais il se justifie également dans le cas de peines privatives de liberté, quitte au juge, lorsqu'il les fixe, à tenir compte, dans le cadre de la loi, du fait qu'elles s'ajoutent les unes aux autres et ne se confondent pas.
4. Invoquant l'art. 77 al. 1 LD, le juge cantonal a dit, dans l'arrêt attaqué, "qu'en matière de trafic prohibé, la peine est fixée en tenant compte de la valeur des marchandises qui ont fait l'objet du trafic et nullement en raison de la perte fiscale subie par la Confédération ou pour protéger la collectivité." Le recourant le conteste. Les délits douaniers retenus contre lui n'ayant fait subir au fisc qu'une perte minime, il estime que les amendes qui ont été prononcées sont trop élevées et contraires à la loi.
On a vu plus haut que les amendes douanières sont infligées en vue de réparer la perte subie par le fisc et de protéger la collectivité (cf. RO 72 IV 191). Dans le cas du trafic prohibé, où la perte subie par le fisc est en général minime, vu la nature même de l'infraction, la réparation de cette perte ne peut jouer qu'un rôle tout à fait accessoire, tandis que l'essentiel est la protection de la collectivité, laquelle a un intérêt éminent à ce que le trafic de marchandises prohibées ou soumises à des restrictions n'échappe pas au contrôle. Il n'est donc pas exact que, comme le dit la Cour de justice dans son arrêt, l'amende en matière de trafic prohibé n'ait pas pour but de protéger la collectivité. C'est précisément ce but que vise la prescription spéciale de l'art. 77, selon laquelle l'amende, en cas de trafic prohibé, est proportionnelle à la valeur des marchandises. Le juge cantonal a appliqué cet article à juste titre. A cet égard, par conséquent, Hirsch se plaint à tort d'une violation de la loi.
5. ...
Dispositiv
Par ces motifs, la Cour de cassation pénale:
Rejette le pourvoi.
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fr
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1. Bannbruch durch Ein- und Ausfuhr von Gold (Erw. 1). 2. Grundsätze des Zollstrafrechts, anwendbar auf
- das Zusammentreffen strafbarer Handlungen (Erw. 2 und 3);
- die Bemessung der Busse, insbesondere bei Bannbruch (Erw. 4).
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IV
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https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F81-IV-186%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document
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81 IV 186
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Sachverhalt ab Seite 186
A.- De 1944 à 1951, Hirsch a été condamné 13 fois, pour des délits douaniers, à des amendes allant de 7 fr. à 22 000 fr. environ. La plupart de ces condamnations se rapportaient à des trafics prohibés d'or.
De novembre 1949 jusqu'au mois d'avril 1950, il a fait dédouaner, pour l'importation en Suisse, 1 375 316 kg. d'or fin en lingots sur le vu de permis d'importation qu'il s'était procurés abusivement ou qu'il s'était fait céder en produisant des documents fictifs. Il a en outre fait exporter en fraude, par divers complices, la même quantité d'or fin en lingots.
Déféré au juge pénal pour ces faits, il a été condamné le 31 mai 1954, par le Tribunal de police de Genève, d'une part, à deux mois d'emprisonnement sans sursis et à une amende de 273 412 fr. pour trafic prohibé à l'importation, d'autre part, à deux mois d'emprisonnement sans sursis et à une amende de 273 412 fr. pour trafic prohibé à l'exportation.
Sur appel de Hirsch, la Cour de justice de Genève con firma ce jugement, le 9 octobre 1954.
B.- Le 25 octobre 1954, Hirsch a déclaré se pourvoir en nullité contre cet arrêt, qui lui avait été communiqué le 15 octobre. Il a motivé ensuite son pourvoi par un mémoire daté du 25 octobre 1954 et déposé auprès de la Cour de justice, le 2 novembre suivant. Il conclut à l'annulation de l'arrêt attaqué et au renvoi de la cause à l'autorité cantonale pour qu'il soit statué à nouveau.
C.- Sur le fond, le Ministère public fédéral conclut au rejet du pourvoi.
Erwägungen
Considérant en droit:
1. Le recourant ne conteste pas s'être rendu coupable de trafic prohibé à l'importation tout d'abord, puis à l'exportation. Il a raison.
Ses importations, comme ses exportations d'or, ne pouvaient avoir lieu que moyennant une autorisation délivrée par la Banque nationale suisse selon les règles édictées par le Département fédéral des finances et des douanes (art. 3 al. 1 et art. 4 de l'ACF du 7 décembre 1942 sur la surveillance du commerce de l'or, ainsi que de l'importation et de l'exportation de l'or). Il s'est fait céder certaines autorisations délivrées à des tiers, ce qui était illicite (art. 7 de l'ordonnace d'exécution du 28 octobre 1946). Dans un cas, il s'en est fait délivrer une personnellement. Mais, d'après les constatations souveraines du juge cantonal, il n'a jamais eu l'intention de respecter la condition à laquelle étaient soumises toutes les autorisations d'importer dont il s'est servi, à savoir que l'or soit façonné en Suisse et réexporté dans le délai prescrit (art. 3 al. 2 de l'ACF du 7 décembre 1942 et 7 de l'ordonnance d'exécution du 28 octobre 1946). Il s'ensuit que, dans tous les cas, les importations qu'il a faites constituaient des actes de trafic prohibé au sens des ch. 5 et 6 de l'art. 76 LD. Ses exportations, qui ont eu lieu sans soumettre la marchandise au contrôle douanier, constituaient la même infraction (art. 76 ch. 2 LD). Il était donc punissable de par les art. 77 ss. LD et c'est à juste titre que le juge cantonal lui a appliqué ces dispositions légales (art. 5 ch. 2 de l'ACF du 7 décembre 1942).
2. Hirsch allègue cependant que le juge cantonal aurait mal interprété les art. 77 ss. LD et en particulier n'aurait pas dû prononcer deux peines distinctes pour les deux infractions retenues (trafic prohibé à l'importation tout d'abord, puis à l'exportation). Car, dit-il, lorsqu'il y a concours réel de deux délits douaniers, comme en l'espèce le second ne constitue qu'une circonstance aggravante du premier et la sanction doit consister dans une peine d'ensemble.
Sur ce point, le Tribunal fédéral a, jusqu'ici, donné de la loi l'interprétation suivante: La loi sur les douanes règle le concours d'infractions à son art. 85. De par le ch. 1 de l'art. 333 CP, cette disposition légale s'applique, en cas de délit douanier, à l'exclusion des principes généraux du code pénal qui ont le même objet (cf. RO 72 IV 189). Cependant, elle ne concerne que le concours idéal à l'exclusion du concours réel (arrêt Riat, du 14 février 1949, non publié). Aucune prescription spéciale du droit fiscal et notamment du droit douanier ne règle ce dernier cas, mais on n'en saurait conclure qu'il soit soumis à l'art. 68 ch. 1 CP. Car il suffit que le droit spécial règle une matière, ne fût-ce qu'implicitement et négativement, pour que l'application des principes généraux du code pénal soit exclue (RO 72 IV 190, consid. 2; 74 IV 26). Tel est le cas du concours réel en droit douanier.
Dans ce domaine particulier, la peine ne saurait être fixée, comme dans le droit pénal commun, selon la culpabilité, en tenant compte des mobiles, des antécédents et de la situation personnelle du délinquant (art. 63 CP; cf., pour l'amende, art. 48 ch. 2 CP; RO 72 IV 191; arrêt Riat, précité). Le but de la peine est ici de réparer la perte subie par le fisc et de protéger la collectivité (RO 72 IV 190 s., consid. 2; arrêt Riat, précité).
Ce caractère spécial de la répression en matière de délits douaniers ne permet pas, en principe, de prononcer une peine d'ensemble lorsqu'il y a cumul d'infractions; peu importe qu'il s'agisse de cumul idéal ou de cumul réel. La seule exception est celle que prescrit le premier alinéa de l'art. 85 LD. Dans tous les autres cas, il faut prononcer autant de peines qu'il y a d'infractions. Cette règle est implicite, mais absolue en matière de cumul réel (arrêts Riat, précité; Agazzi, du 17 mars 1949, non publié; RO 76 IV 296 litt. c; 78 IV 198, consid. 4; arrêt Arditi, du 12 juin 1953, non publié; v. de même Jurisprudence des autorités administratives de la Confédération, 1944-1945, nos 114 et 115; 1951 nos 90 et 91).
3. Le recourant demande à la Cour de cassation de revoir les principes ainsi posés. Il estime tout d'abord que si la première phrase de l'art. 85 al. 1 LD vise le concours idéal, la seconde, en revanche, ne peut avoir trait qu'au concours réel. Il est vrai que, séparée de son contexte, cette phrase, d'après la rédaction française de la loi tout au moins, semble ne pas concerner le concours idéal seulement. Elle est ainsi formulée: "Le concours de deux délits constitue une circonstance aggravante". Pour appliquer ce principe, le juge devrait tout d'abord fixer la peine pour l'un des délits en concours et l'aggraver ensuite pour l'autre, en vertu des art. 75 al. 2 et 77 al. 3 LD. Mais, dans son contexte, le sens de l'art. 85 al. 1 deuxième phrase est clair: La première phrase pose en principe qu'en cas de concours idéal entre une contravention douanière et un acte de trafic prohibé, "la peine applicable est celle prévue pour le plus grave". La deuxième phrase se rapporte nécessairement à la première, car elle la complète en précisant que l'on tiendra compte de l'autre délit comme d'une circonstance aggravante qui entraînera une augmentation de la peine dans les limites que fixe la loi. Cette interprétation est du reste confirmée par le texte allemand et italien de la loi, où, grammaticalement, la deuxième phrase de l'art. 85 al. 1 se rapporte sans conteste à la première ("Das Zusammentreffen gilt"...; "Il concorso dei due reati constituisce"...). Enfin, l'art. 82 LD, qui énumère limitativement les circonstances aggravantes dans les délits douaniers, prévoit exclusivement, sous ch. 5, le concours idéal entre une contravention douanière et un acte de trafic prohibé et nullement le cas du concours réel.
Le texte et le système de la loi s'opposent donc absolument à l'interprétation que propose le recourant. Le cumul des peines entraînant certaines rigueurs, on comprend que, dans le cas du concours idéal d'infractions douanières où ces rigueurs pouvaient être particulièrement apparentes le législateur ait fait une exception (art. 85 al. 1). Dans le cas de concours réel de délits douaniers, en revanche, le cumul des peines se justifie entièrement, surtout lorsqu'il s'agit d'amendes. Mais il se justifie également dans le cas de peines privatives de liberté, quitte au juge, lorsqu'il les fixe, à tenir compte, dans le cadre de la loi, du fait qu'elles s'ajoutent les unes aux autres et ne se confondent pas.
4. Invoquant l'art. 77 al. 1 LD, le juge cantonal a dit, dans l'arrêt attaqué, "qu'en matière de trafic prohibé, la peine est fixée en tenant compte de la valeur des marchandises qui ont fait l'objet du trafic et nullement en raison de la perte fiscale subie par la Confédération ou pour protéger la collectivité." Le recourant le conteste. Les délits douaniers retenus contre lui n'ayant fait subir au fisc qu'une perte minime, il estime que les amendes qui ont été prononcées sont trop élevées et contraires à la loi.
On a vu plus haut que les amendes douanières sont infligées en vue de réparer la perte subie par le fisc et de protéger la collectivité (cf. RO 72 IV 191). Dans le cas du trafic prohibé, où la perte subie par le fisc est en général minime, vu la nature même de l'infraction, la réparation de cette perte ne peut jouer qu'un rôle tout à fait accessoire, tandis que l'essentiel est la protection de la collectivité, laquelle a un intérêt éminent à ce que le trafic de marchandises prohibées ou soumises à des restrictions n'échappe pas au contrôle. Il n'est donc pas exact que, comme le dit la Cour de justice dans son arrêt, l'amende en matière de trafic prohibé n'ait pas pour but de protéger la collectivité. C'est précisément ce but que vise la prescription spéciale de l'art. 77, selon laquelle l'amende, en cas de trafic prohibé, est proportionnelle à la valeur des marchandises. Le juge cantonal a appliqué cet article à juste titre. A cet égard, par conséquent, Hirsch se plaint à tort d'une violation de la loi.
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Dispositiv
Par ces motifs, la Cour de cassation pénale:
Rejette le pourvoi.
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1. Trafic prohibé consistant dans des importations et des exportations illicites d'or (consid. 1). 2. Principes applicables, en droit pénal douanier,
- au cumul d'infractions (consid. 2 et 3);
- à la fixation de l'amende, spécialement en cas de trafic prohibé (consid. 4).
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https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F81-IV-186%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document
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81 IV 186
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Sachverhalt ab Seite 186
A.- De 1944 à 1951, Hirsch a été condamné 13 fois, pour des délits douaniers, à des amendes allant de 7 fr. à 22 000 fr. environ. La plupart de ces condamnations se rapportaient à des trafics prohibés d'or.
De novembre 1949 jusqu'au mois d'avril 1950, il a fait dédouaner, pour l'importation en Suisse, 1 375 316 kg. d'or fin en lingots sur le vu de permis d'importation qu'il s'était procurés abusivement ou qu'il s'était fait céder en produisant des documents fictifs. Il a en outre fait exporter en fraude, par divers complices, la même quantité d'or fin en lingots.
Déféré au juge pénal pour ces faits, il a été condamné le 31 mai 1954, par le Tribunal de police de Genève, d'une part, à deux mois d'emprisonnement sans sursis et à une amende de 273 412 fr. pour trafic prohibé à l'importation, d'autre part, à deux mois d'emprisonnement sans sursis et à une amende de 273 412 fr. pour trafic prohibé à l'exportation.
Sur appel de Hirsch, la Cour de justice de Genève con firma ce jugement, le 9 octobre 1954.
B.- Le 25 octobre 1954, Hirsch a déclaré se pourvoir en nullité contre cet arrêt, qui lui avait été communiqué le 15 octobre. Il a motivé ensuite son pourvoi par un mémoire daté du 25 octobre 1954 et déposé auprès de la Cour de justice, le 2 novembre suivant. Il conclut à l'annulation de l'arrêt attaqué et au renvoi de la cause à l'autorité cantonale pour qu'il soit statué à nouveau.
C.- Sur le fond, le Ministère public fédéral conclut au rejet du pourvoi.
Erwägungen
Considérant en droit:
1. Le recourant ne conteste pas s'être rendu coupable de trafic prohibé à l'importation tout d'abord, puis à l'exportation. Il a raison.
Ses importations, comme ses exportations d'or, ne pouvaient avoir lieu que moyennant une autorisation délivrée par la Banque nationale suisse selon les règles édictées par le Département fédéral des finances et des douanes (art. 3 al. 1 et art. 4 de l'ACF du 7 décembre 1942 sur la surveillance du commerce de l'or, ainsi que de l'importation et de l'exportation de l'or). Il s'est fait céder certaines autorisations délivrées à des tiers, ce qui était illicite (art. 7 de l'ordonnace d'exécution du 28 octobre 1946). Dans un cas, il s'en est fait délivrer une personnellement. Mais, d'après les constatations souveraines du juge cantonal, il n'a jamais eu l'intention de respecter la condition à laquelle étaient soumises toutes les autorisations d'importer dont il s'est servi, à savoir que l'or soit façonné en Suisse et réexporté dans le délai prescrit (art. 3 al. 2 de l'ACF du 7 décembre 1942 et 7 de l'ordonnance d'exécution du 28 octobre 1946). Il s'ensuit que, dans tous les cas, les importations qu'il a faites constituaient des actes de trafic prohibé au sens des ch. 5 et 6 de l'art. 76 LD. Ses exportations, qui ont eu lieu sans soumettre la marchandise au contrôle douanier, constituaient la même infraction (art. 76 ch. 2 LD). Il était donc punissable de par les art. 77 ss. LD et c'est à juste titre que le juge cantonal lui a appliqué ces dispositions légales (art. 5 ch. 2 de l'ACF du 7 décembre 1942).
2. Hirsch allègue cependant que le juge cantonal aurait mal interprété les art. 77 ss. LD et en particulier n'aurait pas dû prononcer deux peines distinctes pour les deux infractions retenues (trafic prohibé à l'importation tout d'abord, puis à l'exportation). Car, dit-il, lorsqu'il y a concours réel de deux délits douaniers, comme en l'espèce le second ne constitue qu'une circonstance aggravante du premier et la sanction doit consister dans une peine d'ensemble.
Sur ce point, le Tribunal fédéral a, jusqu'ici, donné de la loi l'interprétation suivante: La loi sur les douanes règle le concours d'infractions à son art. 85. De par le ch. 1 de l'art. 333 CP, cette disposition légale s'applique, en cas de délit douanier, à l'exclusion des principes généraux du code pénal qui ont le même objet (cf. RO 72 IV 189). Cependant, elle ne concerne que le concours idéal à l'exclusion du concours réel (arrêt Riat, du 14 février 1949, non publié). Aucune prescription spéciale du droit fiscal et notamment du droit douanier ne règle ce dernier cas, mais on n'en saurait conclure qu'il soit soumis à l'art. 68 ch. 1 CP. Car il suffit que le droit spécial règle une matière, ne fût-ce qu'implicitement et négativement, pour que l'application des principes généraux du code pénal soit exclue (RO 72 IV 190, consid. 2; 74 IV 26). Tel est le cas du concours réel en droit douanier.
Dans ce domaine particulier, la peine ne saurait être fixée, comme dans le droit pénal commun, selon la culpabilité, en tenant compte des mobiles, des antécédents et de la situation personnelle du délinquant (art. 63 CP; cf., pour l'amende, art. 48 ch. 2 CP; RO 72 IV 191; arrêt Riat, précité). Le but de la peine est ici de réparer la perte subie par le fisc et de protéger la collectivité (RO 72 IV 190 s., consid. 2; arrêt Riat, précité).
Ce caractère spécial de la répression en matière de délits douaniers ne permet pas, en principe, de prononcer une peine d'ensemble lorsqu'il y a cumul d'infractions; peu importe qu'il s'agisse de cumul idéal ou de cumul réel. La seule exception est celle que prescrit le premier alinéa de l'art. 85 LD. Dans tous les autres cas, il faut prononcer autant de peines qu'il y a d'infractions. Cette règle est implicite, mais absolue en matière de cumul réel (arrêts Riat, précité; Agazzi, du 17 mars 1949, non publié; RO 76 IV 296 litt. c; 78 IV 198, consid. 4; arrêt Arditi, du 12 juin 1953, non publié; v. de même Jurisprudence des autorités administratives de la Confédération, 1944-1945, nos 114 et 115; 1951 nos 90 et 91).
3. Le recourant demande à la Cour de cassation de revoir les principes ainsi posés. Il estime tout d'abord que si la première phrase de l'art. 85 al. 1 LD vise le concours idéal, la seconde, en revanche, ne peut avoir trait qu'au concours réel. Il est vrai que, séparée de son contexte, cette phrase, d'après la rédaction française de la loi tout au moins, semble ne pas concerner le concours idéal seulement. Elle est ainsi formulée: "Le concours de deux délits constitue une circonstance aggravante". Pour appliquer ce principe, le juge devrait tout d'abord fixer la peine pour l'un des délits en concours et l'aggraver ensuite pour l'autre, en vertu des art. 75 al. 2 et 77 al. 3 LD. Mais, dans son contexte, le sens de l'art. 85 al. 1 deuxième phrase est clair: La première phrase pose en principe qu'en cas de concours idéal entre une contravention douanière et un acte de trafic prohibé, "la peine applicable est celle prévue pour le plus grave". La deuxième phrase se rapporte nécessairement à la première, car elle la complète en précisant que l'on tiendra compte de l'autre délit comme d'une circonstance aggravante qui entraînera une augmentation de la peine dans les limites que fixe la loi. Cette interprétation est du reste confirmée par le texte allemand et italien de la loi, où, grammaticalement, la deuxième phrase de l'art. 85 al. 1 se rapporte sans conteste à la première ("Das Zusammentreffen gilt"...; "Il concorso dei due reati constituisce"...). Enfin, l'art. 82 LD, qui énumère limitativement les circonstances aggravantes dans les délits douaniers, prévoit exclusivement, sous ch. 5, le concours idéal entre une contravention douanière et un acte de trafic prohibé et nullement le cas du concours réel.
Le texte et le système de la loi s'opposent donc absolument à l'interprétation que propose le recourant. Le cumul des peines entraînant certaines rigueurs, on comprend que, dans le cas du concours idéal d'infractions douanières où ces rigueurs pouvaient être particulièrement apparentes le législateur ait fait une exception (art. 85 al. 1). Dans le cas de concours réel de délits douaniers, en revanche, le cumul des peines se justifie entièrement, surtout lorsqu'il s'agit d'amendes. Mais il se justifie également dans le cas de peines privatives de liberté, quitte au juge, lorsqu'il les fixe, à tenir compte, dans le cadre de la loi, du fait qu'elles s'ajoutent les unes aux autres et ne se confondent pas.
4. Invoquant l'art. 77 al. 1 LD, le juge cantonal a dit, dans l'arrêt attaqué, "qu'en matière de trafic prohibé, la peine est fixée en tenant compte de la valeur des marchandises qui ont fait l'objet du trafic et nullement en raison de la perte fiscale subie par la Confédération ou pour protéger la collectivité." Le recourant le conteste. Les délits douaniers retenus contre lui n'ayant fait subir au fisc qu'une perte minime, il estime que les amendes qui ont été prononcées sont trop élevées et contraires à la loi.
On a vu plus haut que les amendes douanières sont infligées en vue de réparer la perte subie par le fisc et de protéger la collectivité (cf. RO 72 IV 191). Dans le cas du trafic prohibé, où la perte subie par le fisc est en général minime, vu la nature même de l'infraction, la réparation de cette perte ne peut jouer qu'un rôle tout à fait accessoire, tandis que l'essentiel est la protection de la collectivité, laquelle a un intérêt éminent à ce que le trafic de marchandises prohibées ou soumises à des restrictions n'échappe pas au contrôle. Il n'est donc pas exact que, comme le dit la Cour de justice dans son arrêt, l'amende en matière de trafic prohibé n'ait pas pour but de protéger la collectivité. C'est précisément ce but que vise la prescription spéciale de l'art. 77, selon laquelle l'amende, en cas de trafic prohibé, est proportionnelle à la valeur des marchandises. Le juge cantonal a appliqué cet article à juste titre. A cet égard, par conséquent, Hirsch se plaint à tort d'une violation de la loi.
5. ...
Dispositiv
Par ces motifs, la Cour de cassation pénale:
Rejette le pourvoi.
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fr
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1. Infrazione dei divieti costituita da importazioni ed esportazioni illecite di oro (consid. 1). 2. Principi del diritto penale doganale applicabili:
- al concorso di reati (consid. 2 e 3);
- alla commisurazione della multa, segnatamente in caso d'infrazione dei divieti (consid. 4).
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it
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81 IV 191
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Sachverhalt ab Seite 192
A.- Fritz Hodel, der sich seit Jahren in Zürich als Liquidator betätigt und dabei namentlich private Haushaltungseinrichtungen versilbert und Handelsware in amtlich bewilligten Teil- oder Totalausverkäufen absetzt, kaufte am 15. März 1954 dem mit Möbel- und Dekorationsstoffen handelnden J. Coray zur Säuberung seines Lagers etwa 25 000 m solcher Stoffe ab und kündigte deren Verkauf, ohne die zuständige Behörde um eine Bewilligung ersucht zu haben, am 23., 24., 26. und 30. März 1954 in vier Zeitungen durch folgendes Inserat an:
"Interessantes Angebot! Möbel- und Dekorationsstoffe. Zirka 25 000 Meter schöne, moderne Stoffe: (folgt Aufzählung).
Auch interessant für Wiederverkäufer sowie für Polster- und Tapeziergeschäfte.
Preise von Fr. 2.- bis 29.-.
Freie Besichtigung und Verkauf ab Mittwoch, den 24. März 1954, täglich geöffnet von 9-17 Uhr im Foyer des Hotels Limmathaus, Limmatstrasse 118 ...
Fritz Hodel (Privat-Adresse: Steinwiesstrasse 32, Zürich 7). Telephon 34 19 73."
Der Verkauf dauerte knapp vierzehn Tage.
B.- Am 15. April 1954 verfällte das Statthalteramt Zürich Hodel in eine Busse von Fr. 300.--, weil er Art. 20 Abs. 1 lit. a in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 und Art. 4 der Verordnung vom 16. April 1947 über Ausverkäufe und ähnliche Veranstaltungen (AO) übertreten habe.
Auf das Begehren Hodels um gerichtliche Beurteilung sprach der Einzelrichter des Bezirksgerichts Zürich den Beschuldigten frei.
Entgegen dem Antrage des appellierenden Statthalteramtes bestätigte das Obergericht des Kantons Zürich am 18. Oktober 1954 den Freispruch. Zur Begründung führte es aus: Die Inserate hätten nicht den Eindruck erweckt, dass Hodel im Verhältnis zu den von ihm sonst verlangten Preisen besondere Vergünstigungen gewähre. Sie hätten zwar auf eine günstige Kaufsgelegenheit hingewiesen, jedoch zum Ausdruck gebracht, dass Hodel in der Regel nicht mit solchen Waren Handel treibe. Das habe vor allem daraus abgeleitet werden müssen, dass als Verkaufsraum die Vorhalle eines Hotels angegeben und nicht eine Geschäfts-, sondern eine Privatadresse des Veranstalters sowie dessen private Telephonnummer genannt worden seien. Zudem seien nicht besondere Vergünstigungen angekündet worden. Hodel habe in den Inseraten nur von einem "interessanten Angebot", das er auch als "interessant für Wiederverkäufer" bezeichnet habe, gesprochen. Wenn er ein Ladengeschäft führen würde, könnte aus einer solchen Ankündigung unter Umständen abgeleitet werden, dass er im Verhältnis zu seinen sonstigen Preisen ein besonders günstiges Angebot mache. Da er jedoch nur von Zeit zu Zeit mit ganz verschiedenen Artikeln Gelegenheitsverkäufe durchführe, habe den Inseraten nicht entnommen werden können, dass er für bestimmte, früher von ihm teurer verkaufte Artikel besondere Vergünstigungen gewähre.
C.- Das Statthalteramt Zürich führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichtes sei aufzuheben und die Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
D.- Hodel beantragt, die Nichtigkeitsbeschwerde sei abzuweisen.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Nach Art. 20 Abs. 1 lit. a AO wird mit Busse oder Haft bestraft, wer vorsätzlich eine unter diese Verordnung fallende, nicht bewilligte Verkaufsveranstaltung öffentlich ankündigt oder durchführt oder entgegen der Weisung der zuständigen Behörde nicht einstellt.
Unter Verkaufsveranstaltungen versteht diese Bestimmung die in Art. 1 Abs. 1 AO als "Ausverkäufe und ähnliche Veranstaltungen" bezeichneten. Sie sind daselbst umschrieben als "Veranstaltungen des Detailverkaufes, bei denen dem Käufer durch öffentliche Ankündigung in Aussicht gestellt wird, dass ihm vorübergehend besondere, vom Verkäufer sonst nicht gewährte Vergünstigungen zukommen werden". Art. 2 AO zählt sie auf und erwähnt dabei insbesondere die Totalausverkäufe zur Räumung aller und die Teilausverkäufe zur Räumung bestimmter Warenbestände (Abs. 1 lit. a und b).
2. Nicht bestritten ist, dass die vom Beschwerdegegner durchgeführte Veranstaltung eine solche des Detailverkaufes war, wie Art. 1 Abs. 1 AO voraussetzt, und es steht auch fest, dass der Beschwerdegegner sie öffentlich angekündet hat. Fragen kann sich nur, ob er in der Ankündigung in Aussicht gestellt hat, dem Käufer würden vorübergehend besondere, vom Verkäufer sonst nicht gewährte Vergünstigungen zukommen.
Diese Frage lässt sich entgegen der Auffassung des Obergerichtes nicht deshalb verneinen, weil aus den Inseraten geschlossen werden kann, der Beschwerdegegner treibe in der Regel nicht mit Waren der angekündeten Art Handel. Die Ausverkaufsordnung sagt nicht, sie gelte nur für Leute, die in der Regel mit Waren der angekündeten Art Handel treiben. Vor allem entgeht ihr nicht, wer inskünftig mit solchen Waren "in der Regel" oder sogar überhaupt nicht mehr handeln will. Das ergibt sich deutlich aus Art. 2 Abs. 1 lit. a und b AO, wonach insbesondere gerade der unter die Verordnung fällt, der den Verkauf durchführt, weil er sein Geschäft oder einzelne Warengattungen oder Verkaufsabteilungen aufgeben will. Der Verordnung entgeht aber auch nicht, wer bisher noch nie oder nur gelegentlich Waren der angekündeten Art verkauft hat. Gegenteiliges lässt sich nicht daraus schliessen, dass Art. 1 Abs. 1 die Ankündigung besonderer, vom Verkäufer sonst nicht gewährter Vergünstigungen voraussetzt. Damit sind die Vergünstigungen gemeint, die in Zukunft vom Verkäufer nicht mehr eingeräumt werden, sei es, weil er alsdann überhaupt Waren der betreffenden Art nicht mehr verkaufen will, sei es, weil er die Verkaufsbedingungen zu erschweren beabsichtigt. Ob eine Vergleichung mit bisherigen Bedingungen des Verkäufers möglich ist, kann nicht entscheidend sein, weil die Käufer nicht dadurch angelockt werden, dass ihnen vor Augen geführt wird, sie könnten nun günstiger einkaufen als bisher, sondern dadurch, dass ihnen der Verkäufer vorträgt, sie könnten später nicht mehr so günstig einkaufen wie jetzt. Die Vergleichung mit der Zukunft, nicht mit der Vergangenheit, interessiert den Käufer. Wer Waren bestimmter Art nur einmal absetzt und die Werbung durch Hinweis auf die besonderen Vorteile des Angebotes und dessen vorübergehende Natur betreibt, schädigt denn auch den regulären Handel in gleicher Weise wie der Geschäftsmann, der mit den durch solche Werbemethoden verkauften Waren schon vorher gehandelt hat. Es ist nicht zu ersehen, weshalb jemand, der erstmals Waren bestimmter Art vertreibt, anders sollte vorgehen dürfen als andere Geschäftsleute. Er darf wie jeder den Detailverkauf zwar ankünden und auch seine Preise und sonstigen Verkaufsbedingungen bekanntgeben, aber nicht darauf hinweisen, dass sie besonders günstig seien und nur vorübergehend gewährt würden.
Der Beschwerdegegner hat diese Schranken erlaubter Reklame überschritten. Aus der Beschränkung des Angebotes auf "zirka 25 000 Meter" in Verbindung mit der Angabe, dass der Verkauf ab einem bestimmten Tage in der Vorhalle eines bestimmten Hotels stattfinde und der Verkäufer anderswo unter seiner Privatadresse zu erreichen sei, musste der Leser schliessen, dass ein bestimmter Posten Ware liquidiert werde und nachher solche Ware beim Beschwerdegegner nicht mehr zu erhalten sei. Die Inserate betrafen somit, für den Leser erkennbar, eine vorübergehende Kaufsgelegenheit (vgl.BGE 78 IV 124). Sie begnügten sich auch nicht damit, die Verkaufsbedingungen bekanntzugeben, sondern wiesen darauf hin, dass diese besonders günstig seien. Das ergibt sich aus der Ankündigung als "interessantes" Angebot, das auch für Wiederverkäufer sowie für Ploster- und Tapeziergeschäfte "interessant" sei. Damit sagte der Beschwerdegegner nicht lediglich, er verkaufe billig. Vielmehr betonte er im Zusammenhang mit der mengenmässigen Begrenzung des Angebotes die besondere Vergünstigung, die mit der Beendigung des Verkaufes aufhöre (vgl.BGE 78 IV 125). Der Tatbestand des Art. 20 Abs. 1 lit. a AO ist daher objektiv erfüllt; denn eine Bewilligung der Behörde zur Durchführung des Verkaufes hatte der Beschwerdegegner nicht eingeholt.
3. Der Beschwerdegegner bestreitet nicht, dass er das Inserat bewusst und gewollt, insbesondere in Kenntnis seines Inhaltes, abgefasst und veröffentlicht und dass er um das Fehlen einer behördlichen Bewilligung zur Durchführung des angekündeten Verkaufes gewusst hat. Er hat somit die Ausverkaufsordnung vorsätzlich, nicht, wie er geltend macht, lediglich fahrlässig übertreten. Der angebliche gute Glaube, die Veranstaltung unterliege der Verordnung nicht, schloss keine irrige Vorstellung über den Sachverhalt (Art. 19 StGB) in sich, die den Vorsatz ausgeschlossen hätte.
Dem Beschwerdegegner kommt auch nicht Rechtsirrtum im Sinne des Art. 20 StGB zugute. Diese Bestimmung ist nicht schon anwendbar, wenn der Täter Gründe hatte, die Tat nicht für strafbar zu halten, sondern nur dann, wenn sie die Annahme, er tue überhaupt kein Unrecht, zu entschuldigen vermögen (BGE 78 IV 181mit Zitaten). Das Gefühl, kein Unrecht zu tun, fehlte indessen dem Beschwerdegegner, hat er doch am 8. Mai 1954 vor dem Statthalteramt ausgesagt, er habe sich weder bei dieser Behörde noch bei der Kantonspolizei über die Zulässigkeit der Veranstaltung erkundigt, weil er nach seinen Erfahrungen doch die Antwort erhalten hätte, sie dürfe nicht stattfinden. Da er die Erkundigung unterlassen hat, könnte übrigens auch nicht gesagt werden, der behauptete Irrtum habe auf zureichenden Gründen beruht.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil der I. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich vom 18. Oktober 1954 aufgehoben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
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1. Art. 1 Abs. 1 AO. Ankündigung vorübergehender besonderer, vom Verkäufer sonst nicht gewährter Vergünstigungen (Erw. 2). 2. Art. 20 StGB. Hat der Täter aus zureichenden Gründen angenommen, er sei zur Tat berechtigt? (Erw. 3).
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Sachverhalt ab Seite 192
A.- Fritz Hodel, der sich seit Jahren in Zürich als Liquidator betätigt und dabei namentlich private Haushaltungseinrichtungen versilbert und Handelsware in amtlich bewilligten Teil- oder Totalausverkäufen absetzt, kaufte am 15. März 1954 dem mit Möbel- und Dekorationsstoffen handelnden J. Coray zur Säuberung seines Lagers etwa 25 000 m solcher Stoffe ab und kündigte deren Verkauf, ohne die zuständige Behörde um eine Bewilligung ersucht zu haben, am 23., 24., 26. und 30. März 1954 in vier Zeitungen durch folgendes Inserat an:
"Interessantes Angebot! Möbel- und Dekorationsstoffe. Zirka 25 000 Meter schöne, moderne Stoffe: (folgt Aufzählung).
Auch interessant für Wiederverkäufer sowie für Polster- und Tapeziergeschäfte.
Preise von Fr. 2.- bis 29.-.
Freie Besichtigung und Verkauf ab Mittwoch, den 24. März 1954, täglich geöffnet von 9-17 Uhr im Foyer des Hotels Limmathaus, Limmatstrasse 118 ...
Fritz Hodel (Privat-Adresse: Steinwiesstrasse 32, Zürich 7). Telephon 34 19 73."
Der Verkauf dauerte knapp vierzehn Tage.
B.- Am 15. April 1954 verfällte das Statthalteramt Zürich Hodel in eine Busse von Fr. 300.--, weil er Art. 20 Abs. 1 lit. a in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 und Art. 4 der Verordnung vom 16. April 1947 über Ausverkäufe und ähnliche Veranstaltungen (AO) übertreten habe.
Auf das Begehren Hodels um gerichtliche Beurteilung sprach der Einzelrichter des Bezirksgerichts Zürich den Beschuldigten frei.
Entgegen dem Antrage des appellierenden Statthalteramtes bestätigte das Obergericht des Kantons Zürich am 18. Oktober 1954 den Freispruch. Zur Begründung führte es aus: Die Inserate hätten nicht den Eindruck erweckt, dass Hodel im Verhältnis zu den von ihm sonst verlangten Preisen besondere Vergünstigungen gewähre. Sie hätten zwar auf eine günstige Kaufsgelegenheit hingewiesen, jedoch zum Ausdruck gebracht, dass Hodel in der Regel nicht mit solchen Waren Handel treibe. Das habe vor allem daraus abgeleitet werden müssen, dass als Verkaufsraum die Vorhalle eines Hotels angegeben und nicht eine Geschäfts-, sondern eine Privatadresse des Veranstalters sowie dessen private Telephonnummer genannt worden seien. Zudem seien nicht besondere Vergünstigungen angekündet worden. Hodel habe in den Inseraten nur von einem "interessanten Angebot", das er auch als "interessant für Wiederverkäufer" bezeichnet habe, gesprochen. Wenn er ein Ladengeschäft führen würde, könnte aus einer solchen Ankündigung unter Umständen abgeleitet werden, dass er im Verhältnis zu seinen sonstigen Preisen ein besonders günstiges Angebot mache. Da er jedoch nur von Zeit zu Zeit mit ganz verschiedenen Artikeln Gelegenheitsverkäufe durchführe, habe den Inseraten nicht entnommen werden können, dass er für bestimmte, früher von ihm teurer verkaufte Artikel besondere Vergünstigungen gewähre.
C.- Das Statthalteramt Zürich führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichtes sei aufzuheben und die Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
D.- Hodel beantragt, die Nichtigkeitsbeschwerde sei abzuweisen.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Nach Art. 20 Abs. 1 lit. a AO wird mit Busse oder Haft bestraft, wer vorsätzlich eine unter diese Verordnung fallende, nicht bewilligte Verkaufsveranstaltung öffentlich ankündigt oder durchführt oder entgegen der Weisung der zuständigen Behörde nicht einstellt.
Unter Verkaufsveranstaltungen versteht diese Bestimmung die in Art. 1 Abs. 1 AO als "Ausverkäufe und ähnliche Veranstaltungen" bezeichneten. Sie sind daselbst umschrieben als "Veranstaltungen des Detailverkaufes, bei denen dem Käufer durch öffentliche Ankündigung in Aussicht gestellt wird, dass ihm vorübergehend besondere, vom Verkäufer sonst nicht gewährte Vergünstigungen zukommen werden". Art. 2 AO zählt sie auf und erwähnt dabei insbesondere die Totalausverkäufe zur Räumung aller und die Teilausverkäufe zur Räumung bestimmter Warenbestände (Abs. 1 lit. a und b).
2. Nicht bestritten ist, dass die vom Beschwerdegegner durchgeführte Veranstaltung eine solche des Detailverkaufes war, wie Art. 1 Abs. 1 AO voraussetzt, und es steht auch fest, dass der Beschwerdegegner sie öffentlich angekündet hat. Fragen kann sich nur, ob er in der Ankündigung in Aussicht gestellt hat, dem Käufer würden vorübergehend besondere, vom Verkäufer sonst nicht gewährte Vergünstigungen zukommen.
Diese Frage lässt sich entgegen der Auffassung des Obergerichtes nicht deshalb verneinen, weil aus den Inseraten geschlossen werden kann, der Beschwerdegegner treibe in der Regel nicht mit Waren der angekündeten Art Handel. Die Ausverkaufsordnung sagt nicht, sie gelte nur für Leute, die in der Regel mit Waren der angekündeten Art Handel treiben. Vor allem entgeht ihr nicht, wer inskünftig mit solchen Waren "in der Regel" oder sogar überhaupt nicht mehr handeln will. Das ergibt sich deutlich aus Art. 2 Abs. 1 lit. a und b AO, wonach insbesondere gerade der unter die Verordnung fällt, der den Verkauf durchführt, weil er sein Geschäft oder einzelne Warengattungen oder Verkaufsabteilungen aufgeben will. Der Verordnung entgeht aber auch nicht, wer bisher noch nie oder nur gelegentlich Waren der angekündeten Art verkauft hat. Gegenteiliges lässt sich nicht daraus schliessen, dass Art. 1 Abs. 1 die Ankündigung besonderer, vom Verkäufer sonst nicht gewährter Vergünstigungen voraussetzt. Damit sind die Vergünstigungen gemeint, die in Zukunft vom Verkäufer nicht mehr eingeräumt werden, sei es, weil er alsdann überhaupt Waren der betreffenden Art nicht mehr verkaufen will, sei es, weil er die Verkaufsbedingungen zu erschweren beabsichtigt. Ob eine Vergleichung mit bisherigen Bedingungen des Verkäufers möglich ist, kann nicht entscheidend sein, weil die Käufer nicht dadurch angelockt werden, dass ihnen vor Augen geführt wird, sie könnten nun günstiger einkaufen als bisher, sondern dadurch, dass ihnen der Verkäufer vorträgt, sie könnten später nicht mehr so günstig einkaufen wie jetzt. Die Vergleichung mit der Zukunft, nicht mit der Vergangenheit, interessiert den Käufer. Wer Waren bestimmter Art nur einmal absetzt und die Werbung durch Hinweis auf die besonderen Vorteile des Angebotes und dessen vorübergehende Natur betreibt, schädigt denn auch den regulären Handel in gleicher Weise wie der Geschäftsmann, der mit den durch solche Werbemethoden verkauften Waren schon vorher gehandelt hat. Es ist nicht zu ersehen, weshalb jemand, der erstmals Waren bestimmter Art vertreibt, anders sollte vorgehen dürfen als andere Geschäftsleute. Er darf wie jeder den Detailverkauf zwar ankünden und auch seine Preise und sonstigen Verkaufsbedingungen bekanntgeben, aber nicht darauf hinweisen, dass sie besonders günstig seien und nur vorübergehend gewährt würden.
Der Beschwerdegegner hat diese Schranken erlaubter Reklame überschritten. Aus der Beschränkung des Angebotes auf "zirka 25 000 Meter" in Verbindung mit der Angabe, dass der Verkauf ab einem bestimmten Tage in der Vorhalle eines bestimmten Hotels stattfinde und der Verkäufer anderswo unter seiner Privatadresse zu erreichen sei, musste der Leser schliessen, dass ein bestimmter Posten Ware liquidiert werde und nachher solche Ware beim Beschwerdegegner nicht mehr zu erhalten sei. Die Inserate betrafen somit, für den Leser erkennbar, eine vorübergehende Kaufsgelegenheit (vgl.BGE 78 IV 124). Sie begnügten sich auch nicht damit, die Verkaufsbedingungen bekanntzugeben, sondern wiesen darauf hin, dass diese besonders günstig seien. Das ergibt sich aus der Ankündigung als "interessantes" Angebot, das auch für Wiederverkäufer sowie für Ploster- und Tapeziergeschäfte "interessant" sei. Damit sagte der Beschwerdegegner nicht lediglich, er verkaufe billig. Vielmehr betonte er im Zusammenhang mit der mengenmässigen Begrenzung des Angebotes die besondere Vergünstigung, die mit der Beendigung des Verkaufes aufhöre (vgl.BGE 78 IV 125). Der Tatbestand des Art. 20 Abs. 1 lit. a AO ist daher objektiv erfüllt; denn eine Bewilligung der Behörde zur Durchführung des Verkaufes hatte der Beschwerdegegner nicht eingeholt.
3. Der Beschwerdegegner bestreitet nicht, dass er das Inserat bewusst und gewollt, insbesondere in Kenntnis seines Inhaltes, abgefasst und veröffentlicht und dass er um das Fehlen einer behördlichen Bewilligung zur Durchführung des angekündeten Verkaufes gewusst hat. Er hat somit die Ausverkaufsordnung vorsätzlich, nicht, wie er geltend macht, lediglich fahrlässig übertreten. Der angebliche gute Glaube, die Veranstaltung unterliege der Verordnung nicht, schloss keine irrige Vorstellung über den Sachverhalt (Art. 19 StGB) in sich, die den Vorsatz ausgeschlossen hätte.
Dem Beschwerdegegner kommt auch nicht Rechtsirrtum im Sinne des Art. 20 StGB zugute. Diese Bestimmung ist nicht schon anwendbar, wenn der Täter Gründe hatte, die Tat nicht für strafbar zu halten, sondern nur dann, wenn sie die Annahme, er tue überhaupt kein Unrecht, zu entschuldigen vermögen (BGE 78 IV 181mit Zitaten). Das Gefühl, kein Unrecht zu tun, fehlte indessen dem Beschwerdegegner, hat er doch am 8. Mai 1954 vor dem Statthalteramt ausgesagt, er habe sich weder bei dieser Behörde noch bei der Kantonspolizei über die Zulässigkeit der Veranstaltung erkundigt, weil er nach seinen Erfahrungen doch die Antwort erhalten hätte, sie dürfe nicht stattfinden. Da er die Erkundigung unterlassen hat, könnte übrigens auch nicht gesagt werden, der behauptete Irrtum habe auf zureichenden Gründen beruht.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil der I. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich vom 18. Oktober 1954 aufgehoben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
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1. Art. 1er al. 1 de l'ordonnance du Conseil fédéral du 16 avril 1947 sur les liquidations et opérations analogues. Annonce d'avantages momentanés que le vendeur n'accorde pas ordinairement (consid. 2). 2. Art. 20 CP. L'auteur avait-il des raisons suffisantes de se croire en droit d'agir? (consid. 3).
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Sachverhalt ab Seite 192
A.- Fritz Hodel, der sich seit Jahren in Zürich als Liquidator betätigt und dabei namentlich private Haushaltungseinrichtungen versilbert und Handelsware in amtlich bewilligten Teil- oder Totalausverkäufen absetzt, kaufte am 15. März 1954 dem mit Möbel- und Dekorationsstoffen handelnden J. Coray zur Säuberung seines Lagers etwa 25 000 m solcher Stoffe ab und kündigte deren Verkauf, ohne die zuständige Behörde um eine Bewilligung ersucht zu haben, am 23., 24., 26. und 30. März 1954 in vier Zeitungen durch folgendes Inserat an:
"Interessantes Angebot! Möbel- und Dekorationsstoffe. Zirka 25 000 Meter schöne, moderne Stoffe: (folgt Aufzählung).
Auch interessant für Wiederverkäufer sowie für Polster- und Tapeziergeschäfte.
Preise von Fr. 2.- bis 29.-.
Freie Besichtigung und Verkauf ab Mittwoch, den 24. März 1954, täglich geöffnet von 9-17 Uhr im Foyer des Hotels Limmathaus, Limmatstrasse 118 ...
Fritz Hodel (Privat-Adresse: Steinwiesstrasse 32, Zürich 7). Telephon 34 19 73."
Der Verkauf dauerte knapp vierzehn Tage.
B.- Am 15. April 1954 verfällte das Statthalteramt Zürich Hodel in eine Busse von Fr. 300.--, weil er Art. 20 Abs. 1 lit. a in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 und Art. 4 der Verordnung vom 16. April 1947 über Ausverkäufe und ähnliche Veranstaltungen (AO) übertreten habe.
Auf das Begehren Hodels um gerichtliche Beurteilung sprach der Einzelrichter des Bezirksgerichts Zürich den Beschuldigten frei.
Entgegen dem Antrage des appellierenden Statthalteramtes bestätigte das Obergericht des Kantons Zürich am 18. Oktober 1954 den Freispruch. Zur Begründung führte es aus: Die Inserate hätten nicht den Eindruck erweckt, dass Hodel im Verhältnis zu den von ihm sonst verlangten Preisen besondere Vergünstigungen gewähre. Sie hätten zwar auf eine günstige Kaufsgelegenheit hingewiesen, jedoch zum Ausdruck gebracht, dass Hodel in der Regel nicht mit solchen Waren Handel treibe. Das habe vor allem daraus abgeleitet werden müssen, dass als Verkaufsraum die Vorhalle eines Hotels angegeben und nicht eine Geschäfts-, sondern eine Privatadresse des Veranstalters sowie dessen private Telephonnummer genannt worden seien. Zudem seien nicht besondere Vergünstigungen angekündet worden. Hodel habe in den Inseraten nur von einem "interessanten Angebot", das er auch als "interessant für Wiederverkäufer" bezeichnet habe, gesprochen. Wenn er ein Ladengeschäft führen würde, könnte aus einer solchen Ankündigung unter Umständen abgeleitet werden, dass er im Verhältnis zu seinen sonstigen Preisen ein besonders günstiges Angebot mache. Da er jedoch nur von Zeit zu Zeit mit ganz verschiedenen Artikeln Gelegenheitsverkäufe durchführe, habe den Inseraten nicht entnommen werden können, dass er für bestimmte, früher von ihm teurer verkaufte Artikel besondere Vergünstigungen gewähre.
C.- Das Statthalteramt Zürich führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichtes sei aufzuheben und die Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
D.- Hodel beantragt, die Nichtigkeitsbeschwerde sei abzuweisen.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Nach Art. 20 Abs. 1 lit. a AO wird mit Busse oder Haft bestraft, wer vorsätzlich eine unter diese Verordnung fallende, nicht bewilligte Verkaufsveranstaltung öffentlich ankündigt oder durchführt oder entgegen der Weisung der zuständigen Behörde nicht einstellt.
Unter Verkaufsveranstaltungen versteht diese Bestimmung die in Art. 1 Abs. 1 AO als "Ausverkäufe und ähnliche Veranstaltungen" bezeichneten. Sie sind daselbst umschrieben als "Veranstaltungen des Detailverkaufes, bei denen dem Käufer durch öffentliche Ankündigung in Aussicht gestellt wird, dass ihm vorübergehend besondere, vom Verkäufer sonst nicht gewährte Vergünstigungen zukommen werden". Art. 2 AO zählt sie auf und erwähnt dabei insbesondere die Totalausverkäufe zur Räumung aller und die Teilausverkäufe zur Räumung bestimmter Warenbestände (Abs. 1 lit. a und b).
2. Nicht bestritten ist, dass die vom Beschwerdegegner durchgeführte Veranstaltung eine solche des Detailverkaufes war, wie Art. 1 Abs. 1 AO voraussetzt, und es steht auch fest, dass der Beschwerdegegner sie öffentlich angekündet hat. Fragen kann sich nur, ob er in der Ankündigung in Aussicht gestellt hat, dem Käufer würden vorübergehend besondere, vom Verkäufer sonst nicht gewährte Vergünstigungen zukommen.
Diese Frage lässt sich entgegen der Auffassung des Obergerichtes nicht deshalb verneinen, weil aus den Inseraten geschlossen werden kann, der Beschwerdegegner treibe in der Regel nicht mit Waren der angekündeten Art Handel. Die Ausverkaufsordnung sagt nicht, sie gelte nur für Leute, die in der Regel mit Waren der angekündeten Art Handel treiben. Vor allem entgeht ihr nicht, wer inskünftig mit solchen Waren "in der Regel" oder sogar überhaupt nicht mehr handeln will. Das ergibt sich deutlich aus Art. 2 Abs. 1 lit. a und b AO, wonach insbesondere gerade der unter die Verordnung fällt, der den Verkauf durchführt, weil er sein Geschäft oder einzelne Warengattungen oder Verkaufsabteilungen aufgeben will. Der Verordnung entgeht aber auch nicht, wer bisher noch nie oder nur gelegentlich Waren der angekündeten Art verkauft hat. Gegenteiliges lässt sich nicht daraus schliessen, dass Art. 1 Abs. 1 die Ankündigung besonderer, vom Verkäufer sonst nicht gewährter Vergünstigungen voraussetzt. Damit sind die Vergünstigungen gemeint, die in Zukunft vom Verkäufer nicht mehr eingeräumt werden, sei es, weil er alsdann überhaupt Waren der betreffenden Art nicht mehr verkaufen will, sei es, weil er die Verkaufsbedingungen zu erschweren beabsichtigt. Ob eine Vergleichung mit bisherigen Bedingungen des Verkäufers möglich ist, kann nicht entscheidend sein, weil die Käufer nicht dadurch angelockt werden, dass ihnen vor Augen geführt wird, sie könnten nun günstiger einkaufen als bisher, sondern dadurch, dass ihnen der Verkäufer vorträgt, sie könnten später nicht mehr so günstig einkaufen wie jetzt. Die Vergleichung mit der Zukunft, nicht mit der Vergangenheit, interessiert den Käufer. Wer Waren bestimmter Art nur einmal absetzt und die Werbung durch Hinweis auf die besonderen Vorteile des Angebotes und dessen vorübergehende Natur betreibt, schädigt denn auch den regulären Handel in gleicher Weise wie der Geschäftsmann, der mit den durch solche Werbemethoden verkauften Waren schon vorher gehandelt hat. Es ist nicht zu ersehen, weshalb jemand, der erstmals Waren bestimmter Art vertreibt, anders sollte vorgehen dürfen als andere Geschäftsleute. Er darf wie jeder den Detailverkauf zwar ankünden und auch seine Preise und sonstigen Verkaufsbedingungen bekanntgeben, aber nicht darauf hinweisen, dass sie besonders günstig seien und nur vorübergehend gewährt würden.
Der Beschwerdegegner hat diese Schranken erlaubter Reklame überschritten. Aus der Beschränkung des Angebotes auf "zirka 25 000 Meter" in Verbindung mit der Angabe, dass der Verkauf ab einem bestimmten Tage in der Vorhalle eines bestimmten Hotels stattfinde und der Verkäufer anderswo unter seiner Privatadresse zu erreichen sei, musste der Leser schliessen, dass ein bestimmter Posten Ware liquidiert werde und nachher solche Ware beim Beschwerdegegner nicht mehr zu erhalten sei. Die Inserate betrafen somit, für den Leser erkennbar, eine vorübergehende Kaufsgelegenheit (vgl.BGE 78 IV 124). Sie begnügten sich auch nicht damit, die Verkaufsbedingungen bekanntzugeben, sondern wiesen darauf hin, dass diese besonders günstig seien. Das ergibt sich aus der Ankündigung als "interessantes" Angebot, das auch für Wiederverkäufer sowie für Ploster- und Tapeziergeschäfte "interessant" sei. Damit sagte der Beschwerdegegner nicht lediglich, er verkaufe billig. Vielmehr betonte er im Zusammenhang mit der mengenmässigen Begrenzung des Angebotes die besondere Vergünstigung, die mit der Beendigung des Verkaufes aufhöre (vgl.BGE 78 IV 125). Der Tatbestand des Art. 20 Abs. 1 lit. a AO ist daher objektiv erfüllt; denn eine Bewilligung der Behörde zur Durchführung des Verkaufes hatte der Beschwerdegegner nicht eingeholt.
3. Der Beschwerdegegner bestreitet nicht, dass er das Inserat bewusst und gewollt, insbesondere in Kenntnis seines Inhaltes, abgefasst und veröffentlicht und dass er um das Fehlen einer behördlichen Bewilligung zur Durchführung des angekündeten Verkaufes gewusst hat. Er hat somit die Ausverkaufsordnung vorsätzlich, nicht, wie er geltend macht, lediglich fahrlässig übertreten. Der angebliche gute Glaube, die Veranstaltung unterliege der Verordnung nicht, schloss keine irrige Vorstellung über den Sachverhalt (Art. 19 StGB) in sich, die den Vorsatz ausgeschlossen hätte.
Dem Beschwerdegegner kommt auch nicht Rechtsirrtum im Sinne des Art. 20 StGB zugute. Diese Bestimmung ist nicht schon anwendbar, wenn der Täter Gründe hatte, die Tat nicht für strafbar zu halten, sondern nur dann, wenn sie die Annahme, er tue überhaupt kein Unrecht, zu entschuldigen vermögen (BGE 78 IV 181mit Zitaten). Das Gefühl, kein Unrecht zu tun, fehlte indessen dem Beschwerdegegner, hat er doch am 8. Mai 1954 vor dem Statthalteramt ausgesagt, er habe sich weder bei dieser Behörde noch bei der Kantonspolizei über die Zulässigkeit der Veranstaltung erkundigt, weil er nach seinen Erfahrungen doch die Antwort erhalten hätte, sie dürfe nicht stattfinden. Da er die Erkundigung unterlassen hat, könnte übrigens auch nicht gesagt werden, der behauptete Irrtum habe auf zureichenden Gründen beruht.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil der I. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich vom 18. Oktober 1954 aufgehoben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
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1. Art. 1 cp. 1 dell'ordinanza 16 aprile 1947 del Consiglio federale su le liquidazioni e operazioni analoghe. Annuncio di speciali vantaggi temporanei di cui i compratori non possono ordinariamente profittare (consid. 2). 2. Art. 20 CP. L'agente ha avuto ragioni sufficienti per credere che l'atto fosse lecito? (consid. 3.)
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Sachverhalt ab Seite 198
A.- Alfons Grabherr, Christian Blättler und Albert Blaser fanden sich während etwa drei Jahren, insbesondere in der Zeit vom 15. November 1952 bis im Sommer 1953, häufig im Gasthaus Falken in Baar ein, um sich zu vergnügen, namentlich zu jassen und mit Einsätzen bis zu Fr. 6.- die Glückspiele "Bethlen" und "Bänkeln" durchzuführen, zu denen sie die ihnen vom Wirte zur Verfügung gestellten Jasskarten benützten. Die beiden Glückspiele wurden im Verhältnis zum Jassen nur ausnahmsweise und ohne vorherige Verabredung der Spieltage betrieben, oft erst in später Stunde, nachdem die Spieler vorher gejasst hatten. Grabherr und Blättler "bänkelten" jede Woche einmal, öfters aber fast täglich. Blaser gibt zu, den Falken monatlich ein- bis zweimal besucht zu haben. Jedesmal, wenn er dorthin ging, wurde "gebethlet" oder "gebänkelt". Ein Zeuge will ihn wöchentlich zweimal, dann aber wieder monatelang nicht mehr im Falken gesehen haben. Die drei Spieler liessen jedermann an den Glückspielen teilnehmen. Gelegentlich fanden sich andere Gäste hiezu ein. Ganz Baar wusste um den Betrieb. Nach den Zeugenaussagen einer Serviertochter wurde manchmal fast jeden Tag gespielt, nach den Aussagen einer anderen durchschnittlich einmal wöchentlich, und eine Hausangestellte erklärt, die Spiele seien jeweilen am Sonntag, Donnerstag und Samstag betrieben worden.
Der Wirt Isidor Stierli schritt wiederholt ein, wenn in seinem Gasthaus Glückspiele durchgeführt wurden. Er löschte das Licht aus oder nahm den Gästen die Karten weg, um die Fortsetzung der Spiele zu verunmöglichen. Das "Bethlen" hielt er zwar für erlaubt, versuchte es aber zu verhindern, weil die Spieler wegen der hohen Einsätze wenig tranken und die Verlierenden missmutig wurden. Das "Bänkeln" verbot er, weil ihn die Justiz- und Polizeidirektion des Kantons Zug am 21. Januar 1952 wegen Duldens verbotener Glückspiele schriftlich verwarnt hatte. Trotzdem wurde im Falken immer wieder "gebethlet" und "gebänkelt". Das "Bänkeln" wurde betrieben, wenn er abwesend war.
B.- Am 1. Februar 1955 verurteilte das Strafobergericht des Kantons Zug Grabherr, Blättler und Blaser wegen Übertretung des Art. 6 in Verbindung mit Art. 4 des Bundesgesetzes über die Spielbanken vom 5. Oktober 1929 (SBG) zu je Fr. 300.-- Busse und Stierli wegen Übertretung der gleichen Bestimmungen sowie wegen wiederholter Übertretung der Polizeistunde (§ 5 kantonales Wirtschaftsgesetz und § 22 kantonales Polizeistrafgesetz) zu Fr. 320.-- Busse.
C.- Die Verurteilten führen Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil sei aufzuheben und die Sache zur Freisprechung von der Anklage der Übertretung des Bundesgesetzes über die Spielbanken an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Sie machen geltend, Grabherr, Blättler und Blaser hätten keine Vereinigung von Spielern im Sinne des Art. 4 SBG gebildet, da eine solche eine Verabredung der Spieler, regelmässig zusammenzukommen und unbestimmt vielen anderen Personen Gelegenheit zum Glückspiel zu geben, voraussetze. Eine solche Vereinbarung habe hier gefehlt. Spiellustige, die nur zufällig zusammenkämen und nicht beabsichtigten, andere Personen zum Spielen zu animieren, seien keine Spielervereinigung. Im übrigen würde es auch an der zu fordernden Regelmässigkeit fehlen. Stierli sei auch deshalb nicht schuldig, weil die ihm vorgeworfene Unterlassung (Nichtanweisung des Dienstpersonals, den Gästen auch in seiner Abwesenheit die Karten wegzunehmen und die Fehlbaren zu verzeigen) mit dem eingetretenen Erfolge nicht ursächlich zusammenhange; denn zum Eintritt des Erfolges habe es eines vom Verhalten des Stierli gänzlich unabhängigen vorsätzlichen Handelns der anderen Angeklagten bedurft. Auch könne aus dem Verhalten Stierlis nicht, wie das Obergericht es mache, auf Eventualvorsatz geschlossen werden. Solcher liege nur vor, wenn aus dem Verhalten des Täters geschlossen werden müsse, dass er den Erfolg gebilligt und ihn damit indirekt gewollt habe. Nun stehe aber fest, dass Stierli die Spiele verboten und sie verunmöglicht habe; er habe also dokumentiert, dass er sie nicht billige.
D.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zug beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Nach Art. 6 SBG ist mit Busse von dreihundert bis zu zehntausend Franken zu bestrafen, "wer eine Spielbank errichtet, betreibt, hierzu Platz gibt oder Spielgeräte beschafft". Spielbank im Sinne dieser Bestimmung ist jede Unternehmung, die Glückspiele betreibt (Art. 2 Abs. 1 SBG). Als solche Unternehmung gilt auch "eine Vereinigung von Spielern, welche Glückspiele gewohnheitsmässig betreibt, sofern die Teilnahme an diesen tatsächlich jedermann freisteht" (Art. 4 SBG).
2. Die Beschwerdeführer bestreiten mit Recht nicht, dass die Spiele "Bethlen" und "Bänkeln", so wie die Akten sie beschreiben, Glückspiele sind.
Die Beschwerdeführer Grabherr, Blättler und Blaser sodann waren eine Vereinigung von Spielern. Das Obergericht stellt lediglich fest, dass sie die Spieltage nicht verabredeten, nicht auch, dass sie überhaupt nicht im gegenseitigen Einvernehmen gespielt hätten, was übrigens soweit sie es zusammen und nicht ausschliesslich mit Dritten taten, auch gar nicht möglich gewesen wäre. Dass die Spieltage zum voraus vereinbart seien, setzt der Begriff der "Vereinigung von Spielern" nicht voraus, sowenig er verlangt, dass die Spieler lediglich zum Zwecke der Veranstaltung von Glückspielen zusammenkommen. Wer sich mit jemandem zu anderen Zwecken zusammentut, die Zusammenkünfte nebenbei aber auch zur Veranstaltung von Glückspielen benützt, bildet eine Vereinigung von Spielern. Daher genügt es, dass Grabherr, Blättler und Blaser sich zum Jassen oder sonstigen Zeitvertreib zusammenfanden und diese Gelegenheiten, wenn auch ohne vorherige Verabredung, auch zum "Bethlen" und "Bänkeln" benutzten. Dass eine Vereinigung von Spielern auch nicht eine Organisation, z.B. einen Präsidenten, erfordert, ist schon in BGE 72 IV 187 ausgeführt worden.
Grabherr, Blättler und Blaser haben die Glückspiele auch gewohnheitsmässig betrieben. Das tut schon, wer das Spielen zur Gewohnheit werden lässt, sich so daran gewöhnt, dass er einen Hang zur häufigen Wiederholung empfindet, und die Spiele auch tatsächlich häufig wiederholt. Dass sich diese in regelmässigen oder sogar nach einem Plane festgesetzten Abständen folgen, ist nicht nötig. Daher genügt, dass die Beschwerdeführer, wie verbindlich festgestellt und nicht bestritten ist, so häufig Glückspiele veranstalteten, bis ihr Betrieb der ganzen Bevölkerung von Baar auffiel. Dass der eine etwas fleissiger, der andere etwas weniger oft dabei war und die Zusammenkünfte auch je nach Jahreszeit und Laune sich einmal rascher und einmal weniger rasch folgten, tat der Gewohnheitsmässigkeit des Betriebes nicht Eintrag.
Endlich ist auch verbindlich festgestellt, dass Grabherr Blättler und Blaser jedermann an ihren Glückspielen mitmachen liessen. Art. 4 SBG setzt nicht voraus, dass sie die Leute zur Teilnahme geradezu animierten. Es genügt, dass diese jedermann freistand. Wieviele Personen von der ihnen gebotenen Möglichkeit Gebrauch gemacht haben, ist unerheblich. Das Gesetz verlangt nicht einmal, dass jemand die Gelegenheit benutzt habe, sondern nur, dass die Vereinigung von Spielern jedem beliebigen Dritten die Teilnahme tatsächlich freigestellt habe.
Da Grabherr, Blättler und Blaser nicht behaupten, sie hätten unbewusst oder ungewollt gehandelt, sind sie zu Recht verurteilt worden.
3. Das Obergericht wirft Stierli nicht vor, dass er in seiner Anwesenheit die Glückspielunternehmung in seinem Gasthause geduldet, sondern, dass er das Dienstpersonal nicht angewiesen habe, den Spielern die Karten wegzunehmen und ihm die Fehlbaren zu verzeigen, damit er schärfere Massnahmen gegen sie treffen könne. Mit dieser Würdigung des Sachverhaltes hat das Obergericht Art. 6 SBG nicht verletzt. Nicht nur, wer die Vereinigung der Spieler aufnimmt, damit sie Glückspiele betreiben könne, und ihr Spielgeräte zu diesem Zwecke übergibt, vergeht sich gegen die Bestimmung, sondern auch, wer, nachdem er die Spieler erlaubterweise bei sich aufgenommen und ihnen die Spielgeräte zu erlaubten Zwecken übergeben hat, nicht verhindert, dass der gebotene Platz und die Geräte zum Betrieb einer Glückspielunternehmung verwendet werden. Als Wirt war Stierli verpflichtet, zu verhindern, dass das Spielbankengesetz in seinen Gastlokalen und mit seinen Spielkarten übertreten werde. Indem er das nicht auch durch Weisungen an sein Dienstpersonal tat, gab er im Sinne des Art. 6 SBG zum Betrieb der Spielbank Platz und beschaffte er hiezu Spielgeräte. Es ist mutwillig, das mit der Rüge zu bestreiten, es fehle der Kausalzusammenhang zwischen der Unterlassung Stierlis und dem Erfolge, weil es zu dessen Eintritt des Vorsatzes der Spieler bedurft habe. Der Betrieb der Glückspielunternehmung bedarf immer des Vorsatzes der Veranstalter. Das hindert nicht, dass nach dem klaren Art. 6 SBG ebenfalls strafbar ist, wer ihnen hiezu vorsätzlich Platz gibt oder Spielgeräte beschafft.
Indem das Obergericht Stierli vorwirft, er habe die ihm zur Last gelegte Übertretung zum mindesten eventualvorsätzlich begangen, hat es den Begriff des Eventualvorsatzes nicht verkannt. Solcher liegt vor, wenn der Täter zwar nicht sicher ist, dass die objektiven Tatbestandsmerkmale der strafbaren Handlung durch sein Tun oder Unterlassen verwirklicht werden, das aber für ernsthaft möglich hält und sich mit der Verwirklichung innerlich abfindet (BGE 69 IV 79 f.). Ob Stierli für den Fall, dass in seiner Abwesenheit in seinen Gastlokalen und mit seinen Spielkarten eine Glückspielunternehmung betrieben werde, damit einverstanden gewesen sei, ist eine Tatfrage. Das Obergericht hat sie implicite dadurch bejaht, dass es ihm vorwirft, er hätte, weil der in seinem Gasthaus veranstaltete Spielbetrieb allgemein bekannt gewesen sei, das Dienstpersonal anweisen müssen, allfälligen Spielern die Karten wegzunehmen und ihm die Fehlbaren zu verzeigen. Indem der Beschwerdeführer aus seiner Haltung, die er einnahm, wenn in seiner Gegenwart gespielt wurde, einen gegenteiligen Schluss auf seine innere Einstellung zu ziehen versucht, ficht er unzulässigerweise eine tatsächliche Feststellung an (Art. 273 Abs. 1 lit. b, 277 bis Abs. 1 BStP). Er verkennt übrigens, dass sich sein Widerspruch gegen das Spielen in seiner Anwesenheit sehr wohl mit der Annahme verträgt, gegen das Spielen in seiner Abwesenheit habe er nichts einzuwenden gehabt. Hätte er es auch in diesem Falle missbilligt, so hätte er etwas dagegen unternommen; denn nachdem trotz seines Widerspruchs in seiner Anwesenheit immer wieder verbotenerweise gespielt wurde, drängte sich ihm der Schluss, das gleiche werde umsomehr auch in seiner Abwesenheit getan, derart gebieterisch auf, dass seine Untätigkeit ohne Verletzung von Bundesrecht dahin ausgelegt werden kann, er habe gebilligt, dass das Glückspielunternehmen in seiner Abwesenheit betrieben werde.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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Art. 4, 6 BG über die Spielbanken. a) Wann liegt eine Vereinigung von Spielern vor? Wann betreibt sie die Glückspiele gewohnheitsmässig? Wann stellt sie die Teilnahme an diesen jedermann frei? (Erw. 2).
b) Gegen Art. 6 SBG vergeht sich auch, wer, nachdem er die Spieler erlaubterweise bei sich aufgenommen und ihnen die Spielgeräte zu erlaubten Zwecken übergeben hat, nicht verhindert, dass der gebotene Platz und die Geräte zum Betrieb einer Glückspielunternehmung verwendet werden. Eventualvorsatz (Erw. 3).
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A.- Alfons Grabherr, Christian Blättler und Albert Blaser fanden sich während etwa drei Jahren, insbesondere in der Zeit vom 15. November 1952 bis im Sommer 1953, häufig im Gasthaus Falken in Baar ein, um sich zu vergnügen, namentlich zu jassen und mit Einsätzen bis zu Fr. 6.- die Glückspiele "Bethlen" und "Bänkeln" durchzuführen, zu denen sie die ihnen vom Wirte zur Verfügung gestellten Jasskarten benützten. Die beiden Glückspiele wurden im Verhältnis zum Jassen nur ausnahmsweise und ohne vorherige Verabredung der Spieltage betrieben, oft erst in später Stunde, nachdem die Spieler vorher gejasst hatten. Grabherr und Blättler "bänkelten" jede Woche einmal, öfters aber fast täglich. Blaser gibt zu, den Falken monatlich ein- bis zweimal besucht zu haben. Jedesmal, wenn er dorthin ging, wurde "gebethlet" oder "gebänkelt". Ein Zeuge will ihn wöchentlich zweimal, dann aber wieder monatelang nicht mehr im Falken gesehen haben. Die drei Spieler liessen jedermann an den Glückspielen teilnehmen. Gelegentlich fanden sich andere Gäste hiezu ein. Ganz Baar wusste um den Betrieb. Nach den Zeugenaussagen einer Serviertochter wurde manchmal fast jeden Tag gespielt, nach den Aussagen einer anderen durchschnittlich einmal wöchentlich, und eine Hausangestellte erklärt, die Spiele seien jeweilen am Sonntag, Donnerstag und Samstag betrieben worden.
Der Wirt Isidor Stierli schritt wiederholt ein, wenn in seinem Gasthaus Glückspiele durchgeführt wurden. Er löschte das Licht aus oder nahm den Gästen die Karten weg, um die Fortsetzung der Spiele zu verunmöglichen. Das "Bethlen" hielt er zwar für erlaubt, versuchte es aber zu verhindern, weil die Spieler wegen der hohen Einsätze wenig tranken und die Verlierenden missmutig wurden. Das "Bänkeln" verbot er, weil ihn die Justiz- und Polizeidirektion des Kantons Zug am 21. Januar 1952 wegen Duldens verbotener Glückspiele schriftlich verwarnt hatte. Trotzdem wurde im Falken immer wieder "gebethlet" und "gebänkelt". Das "Bänkeln" wurde betrieben, wenn er abwesend war.
B.- Am 1. Februar 1955 verurteilte das Strafobergericht des Kantons Zug Grabherr, Blättler und Blaser wegen Übertretung des Art. 6 in Verbindung mit Art. 4 des Bundesgesetzes über die Spielbanken vom 5. Oktober 1929 (SBG) zu je Fr. 300.-- Busse und Stierli wegen Übertretung der gleichen Bestimmungen sowie wegen wiederholter Übertretung der Polizeistunde (§ 5 kantonales Wirtschaftsgesetz und § 22 kantonales Polizeistrafgesetz) zu Fr. 320.-- Busse.
C.- Die Verurteilten führen Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil sei aufzuheben und die Sache zur Freisprechung von der Anklage der Übertretung des Bundesgesetzes über die Spielbanken an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Sie machen geltend, Grabherr, Blättler und Blaser hätten keine Vereinigung von Spielern im Sinne des Art. 4 SBG gebildet, da eine solche eine Verabredung der Spieler, regelmässig zusammenzukommen und unbestimmt vielen anderen Personen Gelegenheit zum Glückspiel zu geben, voraussetze. Eine solche Vereinbarung habe hier gefehlt. Spiellustige, die nur zufällig zusammenkämen und nicht beabsichtigten, andere Personen zum Spielen zu animieren, seien keine Spielervereinigung. Im übrigen würde es auch an der zu fordernden Regelmässigkeit fehlen. Stierli sei auch deshalb nicht schuldig, weil die ihm vorgeworfene Unterlassung (Nichtanweisung des Dienstpersonals, den Gästen auch in seiner Abwesenheit die Karten wegzunehmen und die Fehlbaren zu verzeigen) mit dem eingetretenen Erfolge nicht ursächlich zusammenhange; denn zum Eintritt des Erfolges habe es eines vom Verhalten des Stierli gänzlich unabhängigen vorsätzlichen Handelns der anderen Angeklagten bedurft. Auch könne aus dem Verhalten Stierlis nicht, wie das Obergericht es mache, auf Eventualvorsatz geschlossen werden. Solcher liege nur vor, wenn aus dem Verhalten des Täters geschlossen werden müsse, dass er den Erfolg gebilligt und ihn damit indirekt gewollt habe. Nun stehe aber fest, dass Stierli die Spiele verboten und sie verunmöglicht habe; er habe also dokumentiert, dass er sie nicht billige.
D.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zug beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Nach Art. 6 SBG ist mit Busse von dreihundert bis zu zehntausend Franken zu bestrafen, "wer eine Spielbank errichtet, betreibt, hierzu Platz gibt oder Spielgeräte beschafft". Spielbank im Sinne dieser Bestimmung ist jede Unternehmung, die Glückspiele betreibt (Art. 2 Abs. 1 SBG). Als solche Unternehmung gilt auch "eine Vereinigung von Spielern, welche Glückspiele gewohnheitsmässig betreibt, sofern die Teilnahme an diesen tatsächlich jedermann freisteht" (Art. 4 SBG).
2. Die Beschwerdeführer bestreiten mit Recht nicht, dass die Spiele "Bethlen" und "Bänkeln", so wie die Akten sie beschreiben, Glückspiele sind.
Die Beschwerdeführer Grabherr, Blättler und Blaser sodann waren eine Vereinigung von Spielern. Das Obergericht stellt lediglich fest, dass sie die Spieltage nicht verabredeten, nicht auch, dass sie überhaupt nicht im gegenseitigen Einvernehmen gespielt hätten, was übrigens soweit sie es zusammen und nicht ausschliesslich mit Dritten taten, auch gar nicht möglich gewesen wäre. Dass die Spieltage zum voraus vereinbart seien, setzt der Begriff der "Vereinigung von Spielern" nicht voraus, sowenig er verlangt, dass die Spieler lediglich zum Zwecke der Veranstaltung von Glückspielen zusammenkommen. Wer sich mit jemandem zu anderen Zwecken zusammentut, die Zusammenkünfte nebenbei aber auch zur Veranstaltung von Glückspielen benützt, bildet eine Vereinigung von Spielern. Daher genügt es, dass Grabherr, Blättler und Blaser sich zum Jassen oder sonstigen Zeitvertreib zusammenfanden und diese Gelegenheiten, wenn auch ohne vorherige Verabredung, auch zum "Bethlen" und "Bänkeln" benutzten. Dass eine Vereinigung von Spielern auch nicht eine Organisation, z.B. einen Präsidenten, erfordert, ist schon in BGE 72 IV 187 ausgeführt worden.
Grabherr, Blättler und Blaser haben die Glückspiele auch gewohnheitsmässig betrieben. Das tut schon, wer das Spielen zur Gewohnheit werden lässt, sich so daran gewöhnt, dass er einen Hang zur häufigen Wiederholung empfindet, und die Spiele auch tatsächlich häufig wiederholt. Dass sich diese in regelmässigen oder sogar nach einem Plane festgesetzten Abständen folgen, ist nicht nötig. Daher genügt, dass die Beschwerdeführer, wie verbindlich festgestellt und nicht bestritten ist, so häufig Glückspiele veranstalteten, bis ihr Betrieb der ganzen Bevölkerung von Baar auffiel. Dass der eine etwas fleissiger, der andere etwas weniger oft dabei war und die Zusammenkünfte auch je nach Jahreszeit und Laune sich einmal rascher und einmal weniger rasch folgten, tat der Gewohnheitsmässigkeit des Betriebes nicht Eintrag.
Endlich ist auch verbindlich festgestellt, dass Grabherr Blättler und Blaser jedermann an ihren Glückspielen mitmachen liessen. Art. 4 SBG setzt nicht voraus, dass sie die Leute zur Teilnahme geradezu animierten. Es genügt, dass diese jedermann freistand. Wieviele Personen von der ihnen gebotenen Möglichkeit Gebrauch gemacht haben, ist unerheblich. Das Gesetz verlangt nicht einmal, dass jemand die Gelegenheit benutzt habe, sondern nur, dass die Vereinigung von Spielern jedem beliebigen Dritten die Teilnahme tatsächlich freigestellt habe.
Da Grabherr, Blättler und Blaser nicht behaupten, sie hätten unbewusst oder ungewollt gehandelt, sind sie zu Recht verurteilt worden.
3. Das Obergericht wirft Stierli nicht vor, dass er in seiner Anwesenheit die Glückspielunternehmung in seinem Gasthause geduldet, sondern, dass er das Dienstpersonal nicht angewiesen habe, den Spielern die Karten wegzunehmen und ihm die Fehlbaren zu verzeigen, damit er schärfere Massnahmen gegen sie treffen könne. Mit dieser Würdigung des Sachverhaltes hat das Obergericht Art. 6 SBG nicht verletzt. Nicht nur, wer die Vereinigung der Spieler aufnimmt, damit sie Glückspiele betreiben könne, und ihr Spielgeräte zu diesem Zwecke übergibt, vergeht sich gegen die Bestimmung, sondern auch, wer, nachdem er die Spieler erlaubterweise bei sich aufgenommen und ihnen die Spielgeräte zu erlaubten Zwecken übergeben hat, nicht verhindert, dass der gebotene Platz und die Geräte zum Betrieb einer Glückspielunternehmung verwendet werden. Als Wirt war Stierli verpflichtet, zu verhindern, dass das Spielbankengesetz in seinen Gastlokalen und mit seinen Spielkarten übertreten werde. Indem er das nicht auch durch Weisungen an sein Dienstpersonal tat, gab er im Sinne des Art. 6 SBG zum Betrieb der Spielbank Platz und beschaffte er hiezu Spielgeräte. Es ist mutwillig, das mit der Rüge zu bestreiten, es fehle der Kausalzusammenhang zwischen der Unterlassung Stierlis und dem Erfolge, weil es zu dessen Eintritt des Vorsatzes der Spieler bedurft habe. Der Betrieb der Glückspielunternehmung bedarf immer des Vorsatzes der Veranstalter. Das hindert nicht, dass nach dem klaren Art. 6 SBG ebenfalls strafbar ist, wer ihnen hiezu vorsätzlich Platz gibt oder Spielgeräte beschafft.
Indem das Obergericht Stierli vorwirft, er habe die ihm zur Last gelegte Übertretung zum mindesten eventualvorsätzlich begangen, hat es den Begriff des Eventualvorsatzes nicht verkannt. Solcher liegt vor, wenn der Täter zwar nicht sicher ist, dass die objektiven Tatbestandsmerkmale der strafbaren Handlung durch sein Tun oder Unterlassen verwirklicht werden, das aber für ernsthaft möglich hält und sich mit der Verwirklichung innerlich abfindet (BGE 69 IV 79 f.). Ob Stierli für den Fall, dass in seiner Abwesenheit in seinen Gastlokalen und mit seinen Spielkarten eine Glückspielunternehmung betrieben werde, damit einverstanden gewesen sei, ist eine Tatfrage. Das Obergericht hat sie implicite dadurch bejaht, dass es ihm vorwirft, er hätte, weil der in seinem Gasthaus veranstaltete Spielbetrieb allgemein bekannt gewesen sei, das Dienstpersonal anweisen müssen, allfälligen Spielern die Karten wegzunehmen und ihm die Fehlbaren zu verzeigen. Indem der Beschwerdeführer aus seiner Haltung, die er einnahm, wenn in seiner Gegenwart gespielt wurde, einen gegenteiligen Schluss auf seine innere Einstellung zu ziehen versucht, ficht er unzulässigerweise eine tatsächliche Feststellung an (Art. 273 Abs. 1 lit. b, 277 bis Abs. 1 BStP). Er verkennt übrigens, dass sich sein Widerspruch gegen das Spielen in seiner Anwesenheit sehr wohl mit der Annahme verträgt, gegen das Spielen in seiner Abwesenheit habe er nichts einzuwenden gehabt. Hätte er es auch in diesem Falle missbilligt, so hätte er etwas dagegen unternommen; denn nachdem trotz seines Widerspruchs in seiner Anwesenheit immer wieder verbotenerweise gespielt wurde, drängte sich ihm der Schluss, das gleiche werde umsomehr auch in seiner Abwesenheit getan, derart gebieterisch auf, dass seine Untätigkeit ohne Verletzung von Bundesrecht dahin ausgelegt werden kann, er habe gebilligt, dass das Glückspielunternehmen in seiner Abwesenheit betrieben werde.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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Art. 4, 6 de la loi fédérale sur les maisons de jeu. a) Quand y a-t-il une réunion de joueurs? Quand une réunion de joueurs se livre-t-elle habituellement aux jeux de hasard? Quand est-il possible à chacun d'y participer? (consid. 2).
b) Contrevient à l'art. 6 LMJ celui qui après avoir reçu licitement chez lui des joueurs et leur avoir remis des appareils pour des buts permis n'empêche pas que les locaux et les appareils mis à disposition soient employés pour exploiter une entreprise de jeux de hasard. Dol éventuel (consid. 3).
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Sachverhalt ab Seite 198
A.- Alfons Grabherr, Christian Blättler und Albert Blaser fanden sich während etwa drei Jahren, insbesondere in der Zeit vom 15. November 1952 bis im Sommer 1953, häufig im Gasthaus Falken in Baar ein, um sich zu vergnügen, namentlich zu jassen und mit Einsätzen bis zu Fr. 6.- die Glückspiele "Bethlen" und "Bänkeln" durchzuführen, zu denen sie die ihnen vom Wirte zur Verfügung gestellten Jasskarten benützten. Die beiden Glückspiele wurden im Verhältnis zum Jassen nur ausnahmsweise und ohne vorherige Verabredung der Spieltage betrieben, oft erst in später Stunde, nachdem die Spieler vorher gejasst hatten. Grabherr und Blättler "bänkelten" jede Woche einmal, öfters aber fast täglich. Blaser gibt zu, den Falken monatlich ein- bis zweimal besucht zu haben. Jedesmal, wenn er dorthin ging, wurde "gebethlet" oder "gebänkelt". Ein Zeuge will ihn wöchentlich zweimal, dann aber wieder monatelang nicht mehr im Falken gesehen haben. Die drei Spieler liessen jedermann an den Glückspielen teilnehmen. Gelegentlich fanden sich andere Gäste hiezu ein. Ganz Baar wusste um den Betrieb. Nach den Zeugenaussagen einer Serviertochter wurde manchmal fast jeden Tag gespielt, nach den Aussagen einer anderen durchschnittlich einmal wöchentlich, und eine Hausangestellte erklärt, die Spiele seien jeweilen am Sonntag, Donnerstag und Samstag betrieben worden.
Der Wirt Isidor Stierli schritt wiederholt ein, wenn in seinem Gasthaus Glückspiele durchgeführt wurden. Er löschte das Licht aus oder nahm den Gästen die Karten weg, um die Fortsetzung der Spiele zu verunmöglichen. Das "Bethlen" hielt er zwar für erlaubt, versuchte es aber zu verhindern, weil die Spieler wegen der hohen Einsätze wenig tranken und die Verlierenden missmutig wurden. Das "Bänkeln" verbot er, weil ihn die Justiz- und Polizeidirektion des Kantons Zug am 21. Januar 1952 wegen Duldens verbotener Glückspiele schriftlich verwarnt hatte. Trotzdem wurde im Falken immer wieder "gebethlet" und "gebänkelt". Das "Bänkeln" wurde betrieben, wenn er abwesend war.
B.- Am 1. Februar 1955 verurteilte das Strafobergericht des Kantons Zug Grabherr, Blättler und Blaser wegen Übertretung des Art. 6 in Verbindung mit Art. 4 des Bundesgesetzes über die Spielbanken vom 5. Oktober 1929 (SBG) zu je Fr. 300.-- Busse und Stierli wegen Übertretung der gleichen Bestimmungen sowie wegen wiederholter Übertretung der Polizeistunde (§ 5 kantonales Wirtschaftsgesetz und § 22 kantonales Polizeistrafgesetz) zu Fr. 320.-- Busse.
C.- Die Verurteilten führen Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil sei aufzuheben und die Sache zur Freisprechung von der Anklage der Übertretung des Bundesgesetzes über die Spielbanken an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Sie machen geltend, Grabherr, Blättler und Blaser hätten keine Vereinigung von Spielern im Sinne des Art. 4 SBG gebildet, da eine solche eine Verabredung der Spieler, regelmässig zusammenzukommen und unbestimmt vielen anderen Personen Gelegenheit zum Glückspiel zu geben, voraussetze. Eine solche Vereinbarung habe hier gefehlt. Spiellustige, die nur zufällig zusammenkämen und nicht beabsichtigten, andere Personen zum Spielen zu animieren, seien keine Spielervereinigung. Im übrigen würde es auch an der zu fordernden Regelmässigkeit fehlen. Stierli sei auch deshalb nicht schuldig, weil die ihm vorgeworfene Unterlassung (Nichtanweisung des Dienstpersonals, den Gästen auch in seiner Abwesenheit die Karten wegzunehmen und die Fehlbaren zu verzeigen) mit dem eingetretenen Erfolge nicht ursächlich zusammenhange; denn zum Eintritt des Erfolges habe es eines vom Verhalten des Stierli gänzlich unabhängigen vorsätzlichen Handelns der anderen Angeklagten bedurft. Auch könne aus dem Verhalten Stierlis nicht, wie das Obergericht es mache, auf Eventualvorsatz geschlossen werden. Solcher liege nur vor, wenn aus dem Verhalten des Täters geschlossen werden müsse, dass er den Erfolg gebilligt und ihn damit indirekt gewollt habe. Nun stehe aber fest, dass Stierli die Spiele verboten und sie verunmöglicht habe; er habe also dokumentiert, dass er sie nicht billige.
D.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zug beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Nach Art. 6 SBG ist mit Busse von dreihundert bis zu zehntausend Franken zu bestrafen, "wer eine Spielbank errichtet, betreibt, hierzu Platz gibt oder Spielgeräte beschafft". Spielbank im Sinne dieser Bestimmung ist jede Unternehmung, die Glückspiele betreibt (Art. 2 Abs. 1 SBG). Als solche Unternehmung gilt auch "eine Vereinigung von Spielern, welche Glückspiele gewohnheitsmässig betreibt, sofern die Teilnahme an diesen tatsächlich jedermann freisteht" (Art. 4 SBG).
2. Die Beschwerdeführer bestreiten mit Recht nicht, dass die Spiele "Bethlen" und "Bänkeln", so wie die Akten sie beschreiben, Glückspiele sind.
Die Beschwerdeführer Grabherr, Blättler und Blaser sodann waren eine Vereinigung von Spielern. Das Obergericht stellt lediglich fest, dass sie die Spieltage nicht verabredeten, nicht auch, dass sie überhaupt nicht im gegenseitigen Einvernehmen gespielt hätten, was übrigens soweit sie es zusammen und nicht ausschliesslich mit Dritten taten, auch gar nicht möglich gewesen wäre. Dass die Spieltage zum voraus vereinbart seien, setzt der Begriff der "Vereinigung von Spielern" nicht voraus, sowenig er verlangt, dass die Spieler lediglich zum Zwecke der Veranstaltung von Glückspielen zusammenkommen. Wer sich mit jemandem zu anderen Zwecken zusammentut, die Zusammenkünfte nebenbei aber auch zur Veranstaltung von Glückspielen benützt, bildet eine Vereinigung von Spielern. Daher genügt es, dass Grabherr, Blättler und Blaser sich zum Jassen oder sonstigen Zeitvertreib zusammenfanden und diese Gelegenheiten, wenn auch ohne vorherige Verabredung, auch zum "Bethlen" und "Bänkeln" benutzten. Dass eine Vereinigung von Spielern auch nicht eine Organisation, z.B. einen Präsidenten, erfordert, ist schon in BGE 72 IV 187 ausgeführt worden.
Grabherr, Blättler und Blaser haben die Glückspiele auch gewohnheitsmässig betrieben. Das tut schon, wer das Spielen zur Gewohnheit werden lässt, sich so daran gewöhnt, dass er einen Hang zur häufigen Wiederholung empfindet, und die Spiele auch tatsächlich häufig wiederholt. Dass sich diese in regelmässigen oder sogar nach einem Plane festgesetzten Abständen folgen, ist nicht nötig. Daher genügt, dass die Beschwerdeführer, wie verbindlich festgestellt und nicht bestritten ist, so häufig Glückspiele veranstalteten, bis ihr Betrieb der ganzen Bevölkerung von Baar auffiel. Dass der eine etwas fleissiger, der andere etwas weniger oft dabei war und die Zusammenkünfte auch je nach Jahreszeit und Laune sich einmal rascher und einmal weniger rasch folgten, tat der Gewohnheitsmässigkeit des Betriebes nicht Eintrag.
Endlich ist auch verbindlich festgestellt, dass Grabherr Blättler und Blaser jedermann an ihren Glückspielen mitmachen liessen. Art. 4 SBG setzt nicht voraus, dass sie die Leute zur Teilnahme geradezu animierten. Es genügt, dass diese jedermann freistand. Wieviele Personen von der ihnen gebotenen Möglichkeit Gebrauch gemacht haben, ist unerheblich. Das Gesetz verlangt nicht einmal, dass jemand die Gelegenheit benutzt habe, sondern nur, dass die Vereinigung von Spielern jedem beliebigen Dritten die Teilnahme tatsächlich freigestellt habe.
Da Grabherr, Blättler und Blaser nicht behaupten, sie hätten unbewusst oder ungewollt gehandelt, sind sie zu Recht verurteilt worden.
3. Das Obergericht wirft Stierli nicht vor, dass er in seiner Anwesenheit die Glückspielunternehmung in seinem Gasthause geduldet, sondern, dass er das Dienstpersonal nicht angewiesen habe, den Spielern die Karten wegzunehmen und ihm die Fehlbaren zu verzeigen, damit er schärfere Massnahmen gegen sie treffen könne. Mit dieser Würdigung des Sachverhaltes hat das Obergericht Art. 6 SBG nicht verletzt. Nicht nur, wer die Vereinigung der Spieler aufnimmt, damit sie Glückspiele betreiben könne, und ihr Spielgeräte zu diesem Zwecke übergibt, vergeht sich gegen die Bestimmung, sondern auch, wer, nachdem er die Spieler erlaubterweise bei sich aufgenommen und ihnen die Spielgeräte zu erlaubten Zwecken übergeben hat, nicht verhindert, dass der gebotene Platz und die Geräte zum Betrieb einer Glückspielunternehmung verwendet werden. Als Wirt war Stierli verpflichtet, zu verhindern, dass das Spielbankengesetz in seinen Gastlokalen und mit seinen Spielkarten übertreten werde. Indem er das nicht auch durch Weisungen an sein Dienstpersonal tat, gab er im Sinne des Art. 6 SBG zum Betrieb der Spielbank Platz und beschaffte er hiezu Spielgeräte. Es ist mutwillig, das mit der Rüge zu bestreiten, es fehle der Kausalzusammenhang zwischen der Unterlassung Stierlis und dem Erfolge, weil es zu dessen Eintritt des Vorsatzes der Spieler bedurft habe. Der Betrieb der Glückspielunternehmung bedarf immer des Vorsatzes der Veranstalter. Das hindert nicht, dass nach dem klaren Art. 6 SBG ebenfalls strafbar ist, wer ihnen hiezu vorsätzlich Platz gibt oder Spielgeräte beschafft.
Indem das Obergericht Stierli vorwirft, er habe die ihm zur Last gelegte Übertretung zum mindesten eventualvorsätzlich begangen, hat es den Begriff des Eventualvorsatzes nicht verkannt. Solcher liegt vor, wenn der Täter zwar nicht sicher ist, dass die objektiven Tatbestandsmerkmale der strafbaren Handlung durch sein Tun oder Unterlassen verwirklicht werden, das aber für ernsthaft möglich hält und sich mit der Verwirklichung innerlich abfindet (BGE 69 IV 79 f.). Ob Stierli für den Fall, dass in seiner Abwesenheit in seinen Gastlokalen und mit seinen Spielkarten eine Glückspielunternehmung betrieben werde, damit einverstanden gewesen sei, ist eine Tatfrage. Das Obergericht hat sie implicite dadurch bejaht, dass es ihm vorwirft, er hätte, weil der in seinem Gasthaus veranstaltete Spielbetrieb allgemein bekannt gewesen sei, das Dienstpersonal anweisen müssen, allfälligen Spielern die Karten wegzunehmen und ihm die Fehlbaren zu verzeigen. Indem der Beschwerdeführer aus seiner Haltung, die er einnahm, wenn in seiner Gegenwart gespielt wurde, einen gegenteiligen Schluss auf seine innere Einstellung zu ziehen versucht, ficht er unzulässigerweise eine tatsächliche Feststellung an (Art. 273 Abs. 1 lit. b, 277 bis Abs. 1 BStP). Er verkennt übrigens, dass sich sein Widerspruch gegen das Spielen in seiner Anwesenheit sehr wohl mit der Annahme verträgt, gegen das Spielen in seiner Abwesenheit habe er nichts einzuwenden gehabt. Hätte er es auch in diesem Falle missbilligt, so hätte er etwas dagegen unternommen; denn nachdem trotz seines Widerspruchs in seiner Anwesenheit immer wieder verbotenerweise gespielt wurde, drängte sich ihm der Schluss, das gleiche werde umsomehr auch in seiner Abwesenheit getan, derart gebieterisch auf, dass seine Untätigkeit ohne Verletzung von Bundesrecht dahin ausgelegt werden kann, er habe gebilligt, dass das Glückspielunternehmen in seiner Abwesenheit betrieben werde.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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de
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Art. 4 e 6 della legge federale sulle case da giuoco. a) Quando è data una riunione di giuocatori? Quando una riunione di giuocatori si dà abitualmente ai giuochi d'azzardo? Quando è possibile a chiunque di partecipare ai giuochi? (consid. 2).
b) Contravviene all'art. 6 LCG anche colui che, dopo di aver ricevuto lecitamente nei propri locali dei giuocatori e di averloro procurato apparecchi per giuochi permessi, non impedisce che i locali e gli apparecchi messi a disposizione servano all'esercizio di giuochi d'azzardo. Dolo eventuale (consid. 3).
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81 IV 204
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81 IV 204
Sachverhalt ab Seite 204
Im Auftrage des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements (EVD) reichte die Schweizerische Uhrenkam meram 21. Februar 1955 durch einen Fürsprecher gegen Ernst Meyer Strafklage ein mit dem Vorwurf, er habe in der Fabrik der Meyer & Co. AG in Grenchen ohne Bewilligung mehr als die seit 1. Januar 1952 zulässige Zahl von elf Arbeitern beschäftigt und dadurch Art. 3 Abs. 1 und Art. 13 des Bundesbeschlusses vom 22. Juni 1951 über Massnahmen zur Erhaltung der schweizerischen Uhrenindustrie übertreten.
Der Gerichtsstatthalter von Solothurn-Lebern erklärte den Beklagten am 1. März 1955 dieser Übertretung schuldig und verurteilte ihn zu Fr. 700.-- Busse und gegenüber der Schweizerischen Uhrenkammer zu einer Parteientschädigung von Fr. 150.--.
Der Vertreter der Uhrenkammer führt im Namen des EVD gegen dieses Urteil Nichtigkeitsbeschwerde mit der Begründung, es verletze das Gesetz, weil die Busse zu milde sei.
Der Gerichtsstatthalter von Solothurn-Lebern beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Der am 1. Januar 1952 in Kraft getretene Bundesbeschluss vom 22. Juni 1951 über Massnahmen zur Erhaltung der schweizerischen Uhrenindustrie erklärt in Art. 13 Abs. 2 Satz 2 die Schweizerische Uhrenkammer für befugt, "als Zivilpartei aufzutreten und im Falle der Verurteilung zu verlangen, dass die Kosten einer gemäss Art. 9 Abs. 2 angeordneten Untersuchung und ihre Parteikosten vergütet werden."
"Zivilpartei" ist die Uhrenkammer im Strafverfahren nur, wenn sie zivilrechtliche Ansprüche geltend macht, nicht schon dann, wenn sie, wie im vorliegenden Falle, lediglich Bestrafung des Beschuldigten verlangt. Das ergibt sich aus dem in der Rechtssprache üblichen Sinne des Wortes. Die Entstehungsgeschichte bestätigt, dass der Bundesbeschluss vom 22. Juni 1951 ihm keine andere Bedeutung beilegt. Der diesem Erlass vorausgegangene Bundesratsbeschluss vom 23. Dezember 1948 zum Schutze der schweizerischen Uhrenindustrie (Art. 26 Abs. 3) und die den gleichen Gegenstand betreffenden Bundesratsbeschlüsse vom 30. Dezember 1935 (Art. 8 Abs. 3), 13. März 1936 (Art. 7 Abs. 3), 29. Dezember 1939 (Art. 16 Abs. 3), 14. Dezember 1942 (Art. 16 Abs. 2) und 21. Dezember 1945 (Art. 26 Abs. 3) hatten der Uhrenkammer weitergehende Parteirechte eingeräumt durch die Wendung, sie sei befugt, "im Strafverfahren Anträge zu stellen und als Partei die allgemeinen Interessen der Uhrenindustrie geltend zu machen sowie im Falle der Verurteilung Vergütung der Untersuchungskosten gemäss ... und ihrer Parteikosten zu verlangen". Der Bundesrat hatte diese Bestimmung in seinem Entwurfe vom 6. Oktober 1950 zu einem Bundesbeschluss über Massnahmen zur Erhaltung der schweizerischen Uhrenindustrie dem Sinne nach beibehalten durch den Vorschlag (Art. 11 Abs. 2 Satz 2): "Die Schweizerische Uhrenkammer ist befugt, im Strafverfahren Anträge zu stellen, als Zivilpartei die allgemeinen Interessen der Uhrenindustrie geltend zu machen und im Falle der Verurteilung die Vergütung der Kosten einer gemäss ... angeordneten Untersuchung und ihrer Parteikosten zu verlangen." In der Botschaft an die Bundesversammlung hatte er auf die Übereinstimmung dieses Vorschlages mit dem bisherigen Recht hingewiesen und beigefügt, vielleicht seien die Vertreter der kantonalen Staatsanwaltschaften nicht alle mit den sehr speziellen Problemen der Uhrenindustrie vertraut (BBl 1950 III 98). Die Kommission des Nationalrates beantragte jedoch, der Uhrenkammer sei in Abweichung vom geltenden Recht und vom Entwurfe die Befugnis nicht mehr zu geben, als Staatsanwaltschaft aufzutreten, Strafanträge zu stellen und einen Entscheid weiterzuziehen, sondern nur noch die Befugnis, die zivilrechtlichen Ansprüche der gesamten Uhrenindustrie zu vertreten, womit ihre Zuständigkeit auf das ihrer privatrechtlichen Stellung entsprechende Mass zurückgeführt, ihr öffentlichrechtliche Aufgaben nicht mehr übertragen wären (StenBull NatR 1951 358 f.). Der Nationalrat hiess diesen Antrag gut, und der Ständerat schloss sich seinem Beschlusse an (StenBull StR 1951 288).
Art. 13 des Bundesbeschlusses vom 22. Juni 1951 gibt daher der Uhrenkammer nicht das Recht, durch Nichtigkeitsbeschwerde schärfere Bestrafung des Beschwerdegegners zu verlangen.
2. Die Uhrenkammer behauptet das auch nicht, sondern lässt die Frage dahingestellt und gibt sich als Vertreterin des EVD aus, das die Rechte eines öffentlichen Anklägers des Bundes habe.
Solcher ist jedoch gemäss Art. 270 Abs. 6 BStP im Beschwerdeverfahren vor dem Kassationshof einzig der Bundesanwalt. Art. 270 BStP regelt die Legitimation zur Nichtigkeitsbeschwerde abschliessend, soweit nicht andere gesetzliche Bestimmungen Ausnahmen vorsehen. Eine Ausnahme enthält der Bundesbeschluss vom 22. Juni 1951 nicht. Dass Art. 13 Abs. 4 die kantonalen Regierungen verpflichtet, dem EVD sämtliche Strafentscheide oder Einstellungsbeschlüsse mitzuteilen, gibt dieser Amtsstelle nicht das Recht, als öffentlicher Ankläger Nichtigkeitsbeschwerde zu führen. Soweit in BGE 74 IV 176 in Auslegung des entsprechenden.Art. 26 Abs. 5 des Bundesratsbeschlusses vom 21. Dezember 1945 nebenbei eine gegenteilige Auffassung vertreten wurde, kann daran nicht festgehalten werden. Es bestand kein Anlass, dem EVD die Beschwerdelegitimation in so verschleierter Form zu verleihen, wo doch schon Art. 270 Abs. 6 BStP eine zur Beschwerde legitimierte Bundesstelle bezeichnet für Fälle, in denen die kantonale Entscheidung nach einem Bundesgesetz oder nach einem Beschluss des Bundesrates gemäss Art. 265 Abs. 1 BStP dem Bundesrate mitzuteilen ist. Die in Art. 13 Abs. 4 des Bundesbeschlusses vom 22. Juni 1951 vorgesehene Pflicht zur Einsendung an das EVD steht der Pflicht zur Einsendung an den Bundesrat gleich, wovon denn auch der Bundesrat in Art. 4 Ziff. 5 seines Beschlusses vom 20. Dezember 1954 über die Mitteilung kantonaler Strafentscheide gemäss StGB und anderen Bundesvorschriften ausgeht. Der Bundesanwalt ist daher zur eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde in Angelegenheiten betreffend Übertretung des Bundesbeschlusses vom 22. Juni 1951 legitimiert. Die Bundesversammlung kann umsoweniger den Willen gehabt haben, das gleiche Recht auch dem EVD zu verleihen, als sie damit den Weg der Beschwerdeführung durch die Uhrenkammer, den sie dieser durch die vom Entwurfe abweichende Fassung des Art. 13 Abs. 2 entziehen wollte, mittelbar wieder geöffnet hätte, da Art. 9 Abs. 1 den Bundesrat ermächtigt, beim Vollzug des Beschlusses ausser dem EVD auch die Uhrenkammer beizuziehen. Es besteht auch kein praktisches Bedürfnis nach konkurrierender Beschwerdelegitimation zweier Bundesstellen. Wenn das EVD findet, ein kantonaler Strafentscheid oder Einstellungsbeschluss sei mit Nichtigkeitsbeschwerde anzufechten, kann es seine Auffassung dem Bundesanwalte unterbreiten, der hierauf nach eigenem Ermessen Beschwerde führen oder die Sache auf sich beruhen lassen kann. Nur dieses Vorgehen kann Art. 13 Abs. 4 des Bundesbeschlusses vom 22. Juni 1951 dem EVD ermöglichen wollen, nicht dass es selber Beschwerde führe.
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Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Auf die Nichtigkeitsbeschwerde wird nicht eingetreten.
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1. Art. 13 Abs. 2 UB berechtigt die Uhrenkammer nur, im Strafverfahren zivilrechtliche Ansprüche zu stellen, nicht auch, Bestrafung des Beschuldigten zu verlangen (Erw. 1). 2. Art. 270 Abs. 6 BStP, Art. 13 Abs. 4 UB. Der Bundesanwalt ist die einzige Bundesstelle, die in Angelegenheiten betreffend Übertretung des UB als öffentlicher Ankläger Nichtigkeitsbeschwerde führen kann (Erw. 2).
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Sachverhalt ab Seite 204
Im Auftrage des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements (EVD) reichte die Schweizerische Uhrenkam meram 21. Februar 1955 durch einen Fürsprecher gegen Ernst Meyer Strafklage ein mit dem Vorwurf, er habe in der Fabrik der Meyer & Co. AG in Grenchen ohne Bewilligung mehr als die seit 1. Januar 1952 zulässige Zahl von elf Arbeitern beschäftigt und dadurch Art. 3 Abs. 1 und Art. 13 des Bundesbeschlusses vom 22. Juni 1951 über Massnahmen zur Erhaltung der schweizerischen Uhrenindustrie übertreten.
Der Gerichtsstatthalter von Solothurn-Lebern erklärte den Beklagten am 1. März 1955 dieser Übertretung schuldig und verurteilte ihn zu Fr. 700.-- Busse und gegenüber der Schweizerischen Uhrenkammer zu einer Parteientschädigung von Fr. 150.--.
Der Vertreter der Uhrenkammer führt im Namen des EVD gegen dieses Urteil Nichtigkeitsbeschwerde mit der Begründung, es verletze das Gesetz, weil die Busse zu milde sei.
Der Gerichtsstatthalter von Solothurn-Lebern beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Der am 1. Januar 1952 in Kraft getretene Bundesbeschluss vom 22. Juni 1951 über Massnahmen zur Erhaltung der schweizerischen Uhrenindustrie erklärt in Art. 13 Abs. 2 Satz 2 die Schweizerische Uhrenkammer für befugt, "als Zivilpartei aufzutreten und im Falle der Verurteilung zu verlangen, dass die Kosten einer gemäss Art. 9 Abs. 2 angeordneten Untersuchung und ihre Parteikosten vergütet werden."
"Zivilpartei" ist die Uhrenkammer im Strafverfahren nur, wenn sie zivilrechtliche Ansprüche geltend macht, nicht schon dann, wenn sie, wie im vorliegenden Falle, lediglich Bestrafung des Beschuldigten verlangt. Das ergibt sich aus dem in der Rechtssprache üblichen Sinne des Wortes. Die Entstehungsgeschichte bestätigt, dass der Bundesbeschluss vom 22. Juni 1951 ihm keine andere Bedeutung beilegt. Der diesem Erlass vorausgegangene Bundesratsbeschluss vom 23. Dezember 1948 zum Schutze der schweizerischen Uhrenindustrie (Art. 26 Abs. 3) und die den gleichen Gegenstand betreffenden Bundesratsbeschlüsse vom 30. Dezember 1935 (Art. 8 Abs. 3), 13. März 1936 (Art. 7 Abs. 3), 29. Dezember 1939 (Art. 16 Abs. 3), 14. Dezember 1942 (Art. 16 Abs. 2) und 21. Dezember 1945 (Art. 26 Abs. 3) hatten der Uhrenkammer weitergehende Parteirechte eingeräumt durch die Wendung, sie sei befugt, "im Strafverfahren Anträge zu stellen und als Partei die allgemeinen Interessen der Uhrenindustrie geltend zu machen sowie im Falle der Verurteilung Vergütung der Untersuchungskosten gemäss ... und ihrer Parteikosten zu verlangen". Der Bundesrat hatte diese Bestimmung in seinem Entwurfe vom 6. Oktober 1950 zu einem Bundesbeschluss über Massnahmen zur Erhaltung der schweizerischen Uhrenindustrie dem Sinne nach beibehalten durch den Vorschlag (Art. 11 Abs. 2 Satz 2): "Die Schweizerische Uhrenkammer ist befugt, im Strafverfahren Anträge zu stellen, als Zivilpartei die allgemeinen Interessen der Uhrenindustrie geltend zu machen und im Falle der Verurteilung die Vergütung der Kosten einer gemäss ... angeordneten Untersuchung und ihrer Parteikosten zu verlangen." In der Botschaft an die Bundesversammlung hatte er auf die Übereinstimmung dieses Vorschlages mit dem bisherigen Recht hingewiesen und beigefügt, vielleicht seien die Vertreter der kantonalen Staatsanwaltschaften nicht alle mit den sehr speziellen Problemen der Uhrenindustrie vertraut (BBl 1950 III 98). Die Kommission des Nationalrates beantragte jedoch, der Uhrenkammer sei in Abweichung vom geltenden Recht und vom Entwurfe die Befugnis nicht mehr zu geben, als Staatsanwaltschaft aufzutreten, Strafanträge zu stellen und einen Entscheid weiterzuziehen, sondern nur noch die Befugnis, die zivilrechtlichen Ansprüche der gesamten Uhrenindustrie zu vertreten, womit ihre Zuständigkeit auf das ihrer privatrechtlichen Stellung entsprechende Mass zurückgeführt, ihr öffentlichrechtliche Aufgaben nicht mehr übertragen wären (StenBull NatR 1951 358 f.). Der Nationalrat hiess diesen Antrag gut, und der Ständerat schloss sich seinem Beschlusse an (StenBull StR 1951 288).
Art. 13 des Bundesbeschlusses vom 22. Juni 1951 gibt daher der Uhrenkammer nicht das Recht, durch Nichtigkeitsbeschwerde schärfere Bestrafung des Beschwerdegegners zu verlangen.
2. Die Uhrenkammer behauptet das auch nicht, sondern lässt die Frage dahingestellt und gibt sich als Vertreterin des EVD aus, das die Rechte eines öffentlichen Anklägers des Bundes habe.
Solcher ist jedoch gemäss Art. 270 Abs. 6 BStP im Beschwerdeverfahren vor dem Kassationshof einzig der Bundesanwalt. Art. 270 BStP regelt die Legitimation zur Nichtigkeitsbeschwerde abschliessend, soweit nicht andere gesetzliche Bestimmungen Ausnahmen vorsehen. Eine Ausnahme enthält der Bundesbeschluss vom 22. Juni 1951 nicht. Dass Art. 13 Abs. 4 die kantonalen Regierungen verpflichtet, dem EVD sämtliche Strafentscheide oder Einstellungsbeschlüsse mitzuteilen, gibt dieser Amtsstelle nicht das Recht, als öffentlicher Ankläger Nichtigkeitsbeschwerde zu führen. Soweit in BGE 74 IV 176 in Auslegung des entsprechenden.Art. 26 Abs. 5 des Bundesratsbeschlusses vom 21. Dezember 1945 nebenbei eine gegenteilige Auffassung vertreten wurde, kann daran nicht festgehalten werden. Es bestand kein Anlass, dem EVD die Beschwerdelegitimation in so verschleierter Form zu verleihen, wo doch schon Art. 270 Abs. 6 BStP eine zur Beschwerde legitimierte Bundesstelle bezeichnet für Fälle, in denen die kantonale Entscheidung nach einem Bundesgesetz oder nach einem Beschluss des Bundesrates gemäss Art. 265 Abs. 1 BStP dem Bundesrate mitzuteilen ist. Die in Art. 13 Abs. 4 des Bundesbeschlusses vom 22. Juni 1951 vorgesehene Pflicht zur Einsendung an das EVD steht der Pflicht zur Einsendung an den Bundesrat gleich, wovon denn auch der Bundesrat in Art. 4 Ziff. 5 seines Beschlusses vom 20. Dezember 1954 über die Mitteilung kantonaler Strafentscheide gemäss StGB und anderen Bundesvorschriften ausgeht. Der Bundesanwalt ist daher zur eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde in Angelegenheiten betreffend Übertretung des Bundesbeschlusses vom 22. Juni 1951 legitimiert. Die Bundesversammlung kann umsoweniger den Willen gehabt haben, das gleiche Recht auch dem EVD zu verleihen, als sie damit den Weg der Beschwerdeführung durch die Uhrenkammer, den sie dieser durch die vom Entwurfe abweichende Fassung des Art. 13 Abs. 2 entziehen wollte, mittelbar wieder geöffnet hätte, da Art. 9 Abs. 1 den Bundesrat ermächtigt, beim Vollzug des Beschlusses ausser dem EVD auch die Uhrenkammer beizuziehen. Es besteht auch kein praktisches Bedürfnis nach konkurrierender Beschwerdelegitimation zweier Bundesstellen. Wenn das EVD findet, ein kantonaler Strafentscheid oder Einstellungsbeschluss sei mit Nichtigkeitsbeschwerde anzufechten, kann es seine Auffassung dem Bundesanwalte unterbreiten, der hierauf nach eigenem Ermessen Beschwerde führen oder die Sache auf sich beruhen lassen kann. Nur dieses Vorgehen kann Art. 13 Abs. 4 des Bundesbeschlusses vom 22. Juni 1951 dem EVD ermöglichen wollen, nicht dass es selber Beschwerde führe.
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Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Auf die Nichtigkeitsbeschwerde wird nicht eingetreten.
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1. Art. 13 al. 2 AIH ne confère à la Chambre suisse de l'horlogerie que le droit de prendre des conclusions civiles dans la procédure pénale mais non de formuler des réquisitions tendant à la condamnation du prévenu (consid. 1). 2. Art. 270 al. 6 PPF, art. 13 al. 4 AIH. Le procureur général de la Confédération est la seule autorité fédérale qui ait qualité, comme accusateur public, pour se pourvoir en nullité dans les causes concernant les infractions aux dispositions de l'arrêté fédéral du 22 juin 1951 sur les mesures propres à sauvegarder l'existence de l'industrie horlogère suisse (consid. 2).
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Sachverhalt ab Seite 204
Im Auftrage des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements (EVD) reichte die Schweizerische Uhrenkam meram 21. Februar 1955 durch einen Fürsprecher gegen Ernst Meyer Strafklage ein mit dem Vorwurf, er habe in der Fabrik der Meyer & Co. AG in Grenchen ohne Bewilligung mehr als die seit 1. Januar 1952 zulässige Zahl von elf Arbeitern beschäftigt und dadurch Art. 3 Abs. 1 und Art. 13 des Bundesbeschlusses vom 22. Juni 1951 über Massnahmen zur Erhaltung der schweizerischen Uhrenindustrie übertreten.
Der Gerichtsstatthalter von Solothurn-Lebern erklärte den Beklagten am 1. März 1955 dieser Übertretung schuldig und verurteilte ihn zu Fr. 700.-- Busse und gegenüber der Schweizerischen Uhrenkammer zu einer Parteientschädigung von Fr. 150.--.
Der Vertreter der Uhrenkammer führt im Namen des EVD gegen dieses Urteil Nichtigkeitsbeschwerde mit der Begründung, es verletze das Gesetz, weil die Busse zu milde sei.
Der Gerichtsstatthalter von Solothurn-Lebern beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Der am 1. Januar 1952 in Kraft getretene Bundesbeschluss vom 22. Juni 1951 über Massnahmen zur Erhaltung der schweizerischen Uhrenindustrie erklärt in Art. 13 Abs. 2 Satz 2 die Schweizerische Uhrenkammer für befugt, "als Zivilpartei aufzutreten und im Falle der Verurteilung zu verlangen, dass die Kosten einer gemäss Art. 9 Abs. 2 angeordneten Untersuchung und ihre Parteikosten vergütet werden."
"Zivilpartei" ist die Uhrenkammer im Strafverfahren nur, wenn sie zivilrechtliche Ansprüche geltend macht, nicht schon dann, wenn sie, wie im vorliegenden Falle, lediglich Bestrafung des Beschuldigten verlangt. Das ergibt sich aus dem in der Rechtssprache üblichen Sinne des Wortes. Die Entstehungsgeschichte bestätigt, dass der Bundesbeschluss vom 22. Juni 1951 ihm keine andere Bedeutung beilegt. Der diesem Erlass vorausgegangene Bundesratsbeschluss vom 23. Dezember 1948 zum Schutze der schweizerischen Uhrenindustrie (Art. 26 Abs. 3) und die den gleichen Gegenstand betreffenden Bundesratsbeschlüsse vom 30. Dezember 1935 (Art. 8 Abs. 3), 13. März 1936 (Art. 7 Abs. 3), 29. Dezember 1939 (Art. 16 Abs. 3), 14. Dezember 1942 (Art. 16 Abs. 2) und 21. Dezember 1945 (Art. 26 Abs. 3) hatten der Uhrenkammer weitergehende Parteirechte eingeräumt durch die Wendung, sie sei befugt, "im Strafverfahren Anträge zu stellen und als Partei die allgemeinen Interessen der Uhrenindustrie geltend zu machen sowie im Falle der Verurteilung Vergütung der Untersuchungskosten gemäss ... und ihrer Parteikosten zu verlangen". Der Bundesrat hatte diese Bestimmung in seinem Entwurfe vom 6. Oktober 1950 zu einem Bundesbeschluss über Massnahmen zur Erhaltung der schweizerischen Uhrenindustrie dem Sinne nach beibehalten durch den Vorschlag (Art. 11 Abs. 2 Satz 2): "Die Schweizerische Uhrenkammer ist befugt, im Strafverfahren Anträge zu stellen, als Zivilpartei die allgemeinen Interessen der Uhrenindustrie geltend zu machen und im Falle der Verurteilung die Vergütung der Kosten einer gemäss ... angeordneten Untersuchung und ihrer Parteikosten zu verlangen." In der Botschaft an die Bundesversammlung hatte er auf die Übereinstimmung dieses Vorschlages mit dem bisherigen Recht hingewiesen und beigefügt, vielleicht seien die Vertreter der kantonalen Staatsanwaltschaften nicht alle mit den sehr speziellen Problemen der Uhrenindustrie vertraut (BBl 1950 III 98). Die Kommission des Nationalrates beantragte jedoch, der Uhrenkammer sei in Abweichung vom geltenden Recht und vom Entwurfe die Befugnis nicht mehr zu geben, als Staatsanwaltschaft aufzutreten, Strafanträge zu stellen und einen Entscheid weiterzuziehen, sondern nur noch die Befugnis, die zivilrechtlichen Ansprüche der gesamten Uhrenindustrie zu vertreten, womit ihre Zuständigkeit auf das ihrer privatrechtlichen Stellung entsprechende Mass zurückgeführt, ihr öffentlichrechtliche Aufgaben nicht mehr übertragen wären (StenBull NatR 1951 358 f.). Der Nationalrat hiess diesen Antrag gut, und der Ständerat schloss sich seinem Beschlusse an (StenBull StR 1951 288).
Art. 13 des Bundesbeschlusses vom 22. Juni 1951 gibt daher der Uhrenkammer nicht das Recht, durch Nichtigkeitsbeschwerde schärfere Bestrafung des Beschwerdegegners zu verlangen.
2. Die Uhrenkammer behauptet das auch nicht, sondern lässt die Frage dahingestellt und gibt sich als Vertreterin des EVD aus, das die Rechte eines öffentlichen Anklägers des Bundes habe.
Solcher ist jedoch gemäss Art. 270 Abs. 6 BStP im Beschwerdeverfahren vor dem Kassationshof einzig der Bundesanwalt. Art. 270 BStP regelt die Legitimation zur Nichtigkeitsbeschwerde abschliessend, soweit nicht andere gesetzliche Bestimmungen Ausnahmen vorsehen. Eine Ausnahme enthält der Bundesbeschluss vom 22. Juni 1951 nicht. Dass Art. 13 Abs. 4 die kantonalen Regierungen verpflichtet, dem EVD sämtliche Strafentscheide oder Einstellungsbeschlüsse mitzuteilen, gibt dieser Amtsstelle nicht das Recht, als öffentlicher Ankläger Nichtigkeitsbeschwerde zu führen. Soweit in BGE 74 IV 176 in Auslegung des entsprechenden.Art. 26 Abs. 5 des Bundesratsbeschlusses vom 21. Dezember 1945 nebenbei eine gegenteilige Auffassung vertreten wurde, kann daran nicht festgehalten werden. Es bestand kein Anlass, dem EVD die Beschwerdelegitimation in so verschleierter Form zu verleihen, wo doch schon Art. 270 Abs. 6 BStP eine zur Beschwerde legitimierte Bundesstelle bezeichnet für Fälle, in denen die kantonale Entscheidung nach einem Bundesgesetz oder nach einem Beschluss des Bundesrates gemäss Art. 265 Abs. 1 BStP dem Bundesrate mitzuteilen ist. Die in Art. 13 Abs. 4 des Bundesbeschlusses vom 22. Juni 1951 vorgesehene Pflicht zur Einsendung an das EVD steht der Pflicht zur Einsendung an den Bundesrat gleich, wovon denn auch der Bundesrat in Art. 4 Ziff. 5 seines Beschlusses vom 20. Dezember 1954 über die Mitteilung kantonaler Strafentscheide gemäss StGB und anderen Bundesvorschriften ausgeht. Der Bundesanwalt ist daher zur eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde in Angelegenheiten betreffend Übertretung des Bundesbeschlusses vom 22. Juni 1951 legitimiert. Die Bundesversammlung kann umsoweniger den Willen gehabt haben, das gleiche Recht auch dem EVD zu verleihen, als sie damit den Weg der Beschwerdeführung durch die Uhrenkammer, den sie dieser durch die vom Entwurfe abweichende Fassung des Art. 13 Abs. 2 entziehen wollte, mittelbar wieder geöffnet hätte, da Art. 9 Abs. 1 den Bundesrat ermächtigt, beim Vollzug des Beschlusses ausser dem EVD auch die Uhrenkammer beizuziehen. Es besteht auch kein praktisches Bedürfnis nach konkurrierender Beschwerdelegitimation zweier Bundesstellen. Wenn das EVD findet, ein kantonaler Strafentscheid oder Einstellungsbeschluss sei mit Nichtigkeitsbeschwerde anzufechten, kann es seine Auffassung dem Bundesanwalte unterbreiten, der hierauf nach eigenem Ermessen Beschwerde führen oder die Sache auf sich beruhen lassen kann. Nur dieses Vorgehen kann Art. 13 Abs. 4 des Bundesbeschlusses vom 22. Juni 1951 dem EVD ermöglichen wollen, nicht dass es selber Beschwerde führe.
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Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Auf die Nichtigkeitsbeschwerde wird nicht eingetreten.
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1. L'art. 13 cp. 2 DISO autorizza la Camera svizzera dell'orologeria a intervenire come parte civile nel processo penale, ma non a chiedere la condanna dell'imputato (consid. 1). 2. Art. 270 cp. 6 PPF, art. 13 cp. 4 DISO. Il procuratore generale della Confederazione è l'unica autorità federale avente la facoltà, quale accusatore pubblico, di ricorrere per cassazione in materia di contravvenzioni al decreto federale 22 giugno 1951 concernente le misure intese a proteggere l'esistenza dell'industria svizzera degli orologi (consid. 2).
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Sachverhalt ab Seite 209
A.- Par jugement du 19 janvier 1955, le Tribunal correctionnel de la Veveyse a reconnu Roger Castella coupable de vol et l'a condamné à six jours d'emprisonnement sous déduction de six jours de détention préventive. Il a refusé le sursis au prévenu pour le motif que celui-ci avait été renvoyé dans une maison d'éducation pour adolescents, en vertu d'un jugement rendu le 1er décembre 1945, et avait subi en 1953 une peine de trois jours d'arrêts infligée par le préfet de la Gruyère pour ivresse publique.
B.- Saisie d'un recours formé par Castella, la Cour de cassation pénale de l'Etat de Fribourg, par arrêt du 2 mars 1955, a annulé ce jugement et, retenant la cause, a condamné à nouveau le recourant sans sursis. Elle a considéré, d'une part, que le jugement attaqué violait l'art. 41 ch. 1 al. 3 CP, parce que la mesure de renvoi dans une maison d'éducation et la peine d'arrêts prononcée pour une contravention de droit cantonal ne faisaient pas obstacle à l'octroi du sursis. D'autre part, elle a admis que, la peine de six jours d'emprisonnement étant compensée par la détention préventive subie, la question du sursis ne se posait plus, puisqu'il n'y avait plus de peine à exécuter.
C.- Castella s'est pourvu en nullité au Tribunal fédéral contre cet arrêt, concluant à son annulation et au renvoi de la cause à l'autorité cantonale pour qu'elle lui accorde le sursis. Il fait valoir que l'arrêt attaqué viole l'art. 41 ch. 1 CP.
Erwägungen
Considérant en droit:
Selon l'arrêt RO 69 IV 151, lorsque la peine est éteinte par l'imputation de la détention préventive subie, la question du sursis ne se pose plus, car il n'y a plus place pour le sursis quand, par suite de cette imputation, il ne reste plus de peine à exécuter; s'il est vrai que le sursis permet la réhabilitation prématurée par radiation du jugement au casier judiciaire lorsque le condamné a subi l'épreuve jusqu'au bout, cet effet ne modifie pas la nature du sursis, dont il n'est qu'une conséquence, et n'a rien à voir avec l'exécution; le sursis ne peut pas être accordé uniquement pour produire cette conséquence, lorsque les conditions n'en sont pas remplies, soit quand la peine infligée est déjà subie.
Cette opinion ne peut toutefois être maintenue. En effet, à l'encontre de ce qu'admet implicitement l'arrêt précité, lorsque le juge de répression prononce une condamnation, la question de l'imputation de la détention préventive subie ne se pose pas nécessairement avantcelle du sursis. Au contraire, le juge peut logiquement assigner un autre ordre aux questions qu'il doit trancher: il peut commencer par fixer la peine, examiner ensuite si les conditions mises par la loi à l'octroi du sursis sont réalisées et, si c'est le cas, accorder le sursis au condamné et décider enfin d'imputer la détention préventive sur la peine infligée, cette imputation ne devant pratiquement sortir ses effets qu'au cas où l'intéressé ne subirait pas l'épreuve avec succès. C'est cette forme de raisonnement qui est suivie lorsque la durée de la détention préventive est inférieure à la peine infligée. En effet, dans ce cas, le juge ne prononce pas une peine ferme pour la part qui est compensée par la détention préventive, pour le motif que la question du sursis ne se poserait plus pour cette partie de la peine qui est déjà subie, et une peine avec sursis pour l'autre part qui n'est pas éteinte par l'imputation de la détention préventive; il octroie, au contraire, le sursis pour la totalité de la peine et ce n'est que si celle-ci doit être exécutée, à la suite de l'échec de l'épreuve, que l'effet de la déduction de la détention préventive se produit en faveur du condamné. Il n'y a aucun motif de procéder d'une autre façon lorsque la peine prononcée est d'une durée égale à la détention préventive subie. Il n'est pas plus contraire à la nature du sursis à l'exécution de la peine d'accorder le sursis pour une peine qui est totalement compensée par l'imputation de la détention préventive que pour la partie d'une peine supérieure à la durée de cette détention qui est éteinte par la déduction de celle-ci. Dans un cas comme dans l'autre, l'imputation de la détention préventive n'est destinée à sortir ses effets que si l'exécution de la peine doit être ordonnée.
On ne doit pas minimiser, d'autre part, le rôle que joue dans l'institution du sursis la réhabilitation prématurée à l'expiration du délai d'épreuve subi avec succès par le condamné. Il s'agit là non pas seulement d'une conséquence accessoire du sursis, mais d'un effet de celui-ci auquel le législateur a assigné une fonction dans le reclassement du condamné (Message du Conseil fédéral à l'appui du projet de loi revisant partiellement le Code pénal suisse, du 23 juin 1949, FF 1949, p. 1265). La perspective d'obtenir la réhabilitation par la radiation du jugement au casier judiciaire dans un laps de temps relativement court, soit deux à cinq ans (art. 41 ch. 1 al 2 et ch. 4 CP) au lieu de dix ans (art. 80 CP), constitue avec celle de n'avoir pas à subir la peine un motif important pour l'intéressé de se bien conduire pendant le délai d'épreuve. Lorsque la peine prononcée est totalement ou presque intégralement compensée par la détention préventive, la possibilité de bénéficier d'une réhabilitation prématurée sera précisément une raison déterminante pour le condamné de ne pas tromper la confiance mise en lui.
Il n'est pas admissible, au surplus, que la faculté d'obtenir le sursis dépende de la durée d'une détention préventive qui est ordonnée ou maintenue pour des motifs étrangers à l'institution du sursis. Le juge de répression doit être en mesure d'accorder le sursis à un condamné qui le mérite au regard des dispositions de l'art. 41 ch. 1 CP, lors même que l'organe d'instruction a mis l'intéressé en prison préventive. Il serait ainsi particulièrement choquant que le juge ne puisse pas octroyer le sursis pour une peine d'une durée égale à la détention préventive subie lorsque celle-ci a été ordonnée ou maintenue à tort. Au préjudice causé au condamné par la détention préventive injustifiée s'ajouterait dans ce cas celui qui résulterait pour l'intéressé de l'impossibilité d'obtenir la réhabilitation prématurée attachée à l'octroi du sursis.
Il faut de plus tenir compte de l'intérêt qu'a une personne, indépendamment de la réhabilitation prématurée, d'être condamnée avec sursis. D'une part, une condamnation avec sursis marque beaucoup moins, aux yeux de la société, celui auquel elle est infligée qu'une peine ferme. D'autre part, une peine prononcée sans sursis parce qu'elle serait considérée comme intégralement éteinte par l'imputation de la détention préventive constituerait une peine subie et ferait obstacle à l'octroi du sursis en cas de nouvelle infraction commise dans les cinq ans.
Pour éviter les impasses et les conséquences inéquitables auxquelles conduit l'opinion adoptée par l'arrêt RO 69 IV 151, le juge qui considérerait comme digne du sursis un délinquant qui a fait de la prison préventive n'aurait pas d'autre solution à sa disposition que de prononcer une peine d'une durée supérieure à celle de cette détention, de façon à pouvoir mettre le condamné au bénéfice du sursis pour la totalité de la peine. Ce résultat démontre qu'il y a lieu d'admettre l'octroi du sursis lors même que la détention préventive imputée sur la peine prononcée est d'une durée égale à celle-ci, l'imputation ne devant produire ses effets qu'au cas où la peine devrait être exécutée.
Dispositiv
Par ces motifs, la Cour de cassation pénale prononce:
Le recours est admis, l'arrêt attaqué est annulé dans la mesure où il refuse le sursis et la cause est renvoyée à la juridiction cantonale pour qu'elle accorde le sursis au recourant.
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Art. 41 StGB. Auch der Vollzug einer durch Untersuchungshaft getilgten Strafe kann bedingt aufgeschoben werden (Änderung der Rechtsprechung).
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A.- Par jugement du 19 janvier 1955, le Tribunal correctionnel de la Veveyse a reconnu Roger Castella coupable de vol et l'a condamné à six jours d'emprisonnement sous déduction de six jours de détention préventive. Il a refusé le sursis au prévenu pour le motif que celui-ci avait été renvoyé dans une maison d'éducation pour adolescents, en vertu d'un jugement rendu le 1er décembre 1945, et avait subi en 1953 une peine de trois jours d'arrêts infligée par le préfet de la Gruyère pour ivresse publique.
B.- Saisie d'un recours formé par Castella, la Cour de cassation pénale de l'Etat de Fribourg, par arrêt du 2 mars 1955, a annulé ce jugement et, retenant la cause, a condamné à nouveau le recourant sans sursis. Elle a considéré, d'une part, que le jugement attaqué violait l'art. 41 ch. 1 al. 3 CP, parce que la mesure de renvoi dans une maison d'éducation et la peine d'arrêts prononcée pour une contravention de droit cantonal ne faisaient pas obstacle à l'octroi du sursis. D'autre part, elle a admis que, la peine de six jours d'emprisonnement étant compensée par la détention préventive subie, la question du sursis ne se posait plus, puisqu'il n'y avait plus de peine à exécuter.
C.- Castella s'est pourvu en nullité au Tribunal fédéral contre cet arrêt, concluant à son annulation et au renvoi de la cause à l'autorité cantonale pour qu'elle lui accorde le sursis. Il fait valoir que l'arrêt attaqué viole l'art. 41 ch. 1 CP.
Erwägungen
Considérant en droit:
Selon l'arrêt RO 69 IV 151, lorsque la peine est éteinte par l'imputation de la détention préventive subie, la question du sursis ne se pose plus, car il n'y a plus place pour le sursis quand, par suite de cette imputation, il ne reste plus de peine à exécuter; s'il est vrai que le sursis permet la réhabilitation prématurée par radiation du jugement au casier judiciaire lorsque le condamné a subi l'épreuve jusqu'au bout, cet effet ne modifie pas la nature du sursis, dont il n'est qu'une conséquence, et n'a rien à voir avec l'exécution; le sursis ne peut pas être accordé uniquement pour produire cette conséquence, lorsque les conditions n'en sont pas remplies, soit quand la peine infligée est déjà subie.
Cette opinion ne peut toutefois être maintenue. En effet, à l'encontre de ce qu'admet implicitement l'arrêt précité, lorsque le juge de répression prononce une condamnation, la question de l'imputation de la détention préventive subie ne se pose pas nécessairement avantcelle du sursis. Au contraire, le juge peut logiquement assigner un autre ordre aux questions qu'il doit trancher: il peut commencer par fixer la peine, examiner ensuite si les conditions mises par la loi à l'octroi du sursis sont réalisées et, si c'est le cas, accorder le sursis au condamné et décider enfin d'imputer la détention préventive sur la peine infligée, cette imputation ne devant pratiquement sortir ses effets qu'au cas où l'intéressé ne subirait pas l'épreuve avec succès. C'est cette forme de raisonnement qui est suivie lorsque la durée de la détention préventive est inférieure à la peine infligée. En effet, dans ce cas, le juge ne prononce pas une peine ferme pour la part qui est compensée par la détention préventive, pour le motif que la question du sursis ne se poserait plus pour cette partie de la peine qui est déjà subie, et une peine avec sursis pour l'autre part qui n'est pas éteinte par l'imputation de la détention préventive; il octroie, au contraire, le sursis pour la totalité de la peine et ce n'est que si celle-ci doit être exécutée, à la suite de l'échec de l'épreuve, que l'effet de la déduction de la détention préventive se produit en faveur du condamné. Il n'y a aucun motif de procéder d'une autre façon lorsque la peine prononcée est d'une durée égale à la détention préventive subie. Il n'est pas plus contraire à la nature du sursis à l'exécution de la peine d'accorder le sursis pour une peine qui est totalement compensée par l'imputation de la détention préventive que pour la partie d'une peine supérieure à la durée de cette détention qui est éteinte par la déduction de celle-ci. Dans un cas comme dans l'autre, l'imputation de la détention préventive n'est destinée à sortir ses effets que si l'exécution de la peine doit être ordonnée.
On ne doit pas minimiser, d'autre part, le rôle que joue dans l'institution du sursis la réhabilitation prématurée à l'expiration du délai d'épreuve subi avec succès par le condamné. Il s'agit là non pas seulement d'une conséquence accessoire du sursis, mais d'un effet de celui-ci auquel le législateur a assigné une fonction dans le reclassement du condamné (Message du Conseil fédéral à l'appui du projet de loi revisant partiellement le Code pénal suisse, du 23 juin 1949, FF 1949, p. 1265). La perspective d'obtenir la réhabilitation par la radiation du jugement au casier judiciaire dans un laps de temps relativement court, soit deux à cinq ans (art. 41 ch. 1 al 2 et ch. 4 CP) au lieu de dix ans (art. 80 CP), constitue avec celle de n'avoir pas à subir la peine un motif important pour l'intéressé de se bien conduire pendant le délai d'épreuve. Lorsque la peine prononcée est totalement ou presque intégralement compensée par la détention préventive, la possibilité de bénéficier d'une réhabilitation prématurée sera précisément une raison déterminante pour le condamné de ne pas tromper la confiance mise en lui.
Il n'est pas admissible, au surplus, que la faculté d'obtenir le sursis dépende de la durée d'une détention préventive qui est ordonnée ou maintenue pour des motifs étrangers à l'institution du sursis. Le juge de répression doit être en mesure d'accorder le sursis à un condamné qui le mérite au regard des dispositions de l'art. 41 ch. 1 CP, lors même que l'organe d'instruction a mis l'intéressé en prison préventive. Il serait ainsi particulièrement choquant que le juge ne puisse pas octroyer le sursis pour une peine d'une durée égale à la détention préventive subie lorsque celle-ci a été ordonnée ou maintenue à tort. Au préjudice causé au condamné par la détention préventive injustifiée s'ajouterait dans ce cas celui qui résulterait pour l'intéressé de l'impossibilité d'obtenir la réhabilitation prématurée attachée à l'octroi du sursis.
Il faut de plus tenir compte de l'intérêt qu'a une personne, indépendamment de la réhabilitation prématurée, d'être condamnée avec sursis. D'une part, une condamnation avec sursis marque beaucoup moins, aux yeux de la société, celui auquel elle est infligée qu'une peine ferme. D'autre part, une peine prononcée sans sursis parce qu'elle serait considérée comme intégralement éteinte par l'imputation de la détention préventive constituerait une peine subie et ferait obstacle à l'octroi du sursis en cas de nouvelle infraction commise dans les cinq ans.
Pour éviter les impasses et les conséquences inéquitables auxquelles conduit l'opinion adoptée par l'arrêt RO 69 IV 151, le juge qui considérerait comme digne du sursis un délinquant qui a fait de la prison préventive n'aurait pas d'autre solution à sa disposition que de prononcer une peine d'une durée supérieure à celle de cette détention, de façon à pouvoir mettre le condamné au bénéfice du sursis pour la totalité de la peine. Ce résultat démontre qu'il y a lieu d'admettre l'octroi du sursis lors même que la détention préventive imputée sur la peine prononcée est d'une durée égale à celle-ci, l'imputation ne devant produire ses effets qu'au cas où la peine devrait être exécutée.
Dispositiv
Par ces motifs, la Cour de cassation pénale prononce:
Le recours est admis, l'arrêt attaqué est annulé dans la mesure où il refuse le sursis et la cause est renvoyée à la juridiction cantonale pour qu'elle accorde le sursis au recourant.
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Art. 41 CP. Le sursis peut être accordé lors même que la peine prononcée est compensée par l'imputation de la détention préventive subie (changement de jurisprudence).
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A.- Par jugement du 19 janvier 1955, le Tribunal correctionnel de la Veveyse a reconnu Roger Castella coupable de vol et l'a condamné à six jours d'emprisonnement sous déduction de six jours de détention préventive. Il a refusé le sursis au prévenu pour le motif que celui-ci avait été renvoyé dans une maison d'éducation pour adolescents, en vertu d'un jugement rendu le 1er décembre 1945, et avait subi en 1953 une peine de trois jours d'arrêts infligée par le préfet de la Gruyère pour ivresse publique.
B.- Saisie d'un recours formé par Castella, la Cour de cassation pénale de l'Etat de Fribourg, par arrêt du 2 mars 1955, a annulé ce jugement et, retenant la cause, a condamné à nouveau le recourant sans sursis. Elle a considéré, d'une part, que le jugement attaqué violait l'art. 41 ch. 1 al. 3 CP, parce que la mesure de renvoi dans une maison d'éducation et la peine d'arrêts prononcée pour une contravention de droit cantonal ne faisaient pas obstacle à l'octroi du sursis. D'autre part, elle a admis que, la peine de six jours d'emprisonnement étant compensée par la détention préventive subie, la question du sursis ne se posait plus, puisqu'il n'y avait plus de peine à exécuter.
C.- Castella s'est pourvu en nullité au Tribunal fédéral contre cet arrêt, concluant à son annulation et au renvoi de la cause à l'autorité cantonale pour qu'elle lui accorde le sursis. Il fait valoir que l'arrêt attaqué viole l'art. 41 ch. 1 CP.
Erwägungen
Considérant en droit:
Selon l'arrêt RO 69 IV 151, lorsque la peine est éteinte par l'imputation de la détention préventive subie, la question du sursis ne se pose plus, car il n'y a plus place pour le sursis quand, par suite de cette imputation, il ne reste plus de peine à exécuter; s'il est vrai que le sursis permet la réhabilitation prématurée par radiation du jugement au casier judiciaire lorsque le condamné a subi l'épreuve jusqu'au bout, cet effet ne modifie pas la nature du sursis, dont il n'est qu'une conséquence, et n'a rien à voir avec l'exécution; le sursis ne peut pas être accordé uniquement pour produire cette conséquence, lorsque les conditions n'en sont pas remplies, soit quand la peine infligée est déjà subie.
Cette opinion ne peut toutefois être maintenue. En effet, à l'encontre de ce qu'admet implicitement l'arrêt précité, lorsque le juge de répression prononce une condamnation, la question de l'imputation de la détention préventive subie ne se pose pas nécessairement avantcelle du sursis. Au contraire, le juge peut logiquement assigner un autre ordre aux questions qu'il doit trancher: il peut commencer par fixer la peine, examiner ensuite si les conditions mises par la loi à l'octroi du sursis sont réalisées et, si c'est le cas, accorder le sursis au condamné et décider enfin d'imputer la détention préventive sur la peine infligée, cette imputation ne devant pratiquement sortir ses effets qu'au cas où l'intéressé ne subirait pas l'épreuve avec succès. C'est cette forme de raisonnement qui est suivie lorsque la durée de la détention préventive est inférieure à la peine infligée. En effet, dans ce cas, le juge ne prononce pas une peine ferme pour la part qui est compensée par la détention préventive, pour le motif que la question du sursis ne se poserait plus pour cette partie de la peine qui est déjà subie, et une peine avec sursis pour l'autre part qui n'est pas éteinte par l'imputation de la détention préventive; il octroie, au contraire, le sursis pour la totalité de la peine et ce n'est que si celle-ci doit être exécutée, à la suite de l'échec de l'épreuve, que l'effet de la déduction de la détention préventive se produit en faveur du condamné. Il n'y a aucun motif de procéder d'une autre façon lorsque la peine prononcée est d'une durée égale à la détention préventive subie. Il n'est pas plus contraire à la nature du sursis à l'exécution de la peine d'accorder le sursis pour une peine qui est totalement compensée par l'imputation de la détention préventive que pour la partie d'une peine supérieure à la durée de cette détention qui est éteinte par la déduction de celle-ci. Dans un cas comme dans l'autre, l'imputation de la détention préventive n'est destinée à sortir ses effets que si l'exécution de la peine doit être ordonnée.
On ne doit pas minimiser, d'autre part, le rôle que joue dans l'institution du sursis la réhabilitation prématurée à l'expiration du délai d'épreuve subi avec succès par le condamné. Il s'agit là non pas seulement d'une conséquence accessoire du sursis, mais d'un effet de celui-ci auquel le législateur a assigné une fonction dans le reclassement du condamné (Message du Conseil fédéral à l'appui du projet de loi revisant partiellement le Code pénal suisse, du 23 juin 1949, FF 1949, p. 1265). La perspective d'obtenir la réhabilitation par la radiation du jugement au casier judiciaire dans un laps de temps relativement court, soit deux à cinq ans (art. 41 ch. 1 al 2 et ch. 4 CP) au lieu de dix ans (art. 80 CP), constitue avec celle de n'avoir pas à subir la peine un motif important pour l'intéressé de se bien conduire pendant le délai d'épreuve. Lorsque la peine prononcée est totalement ou presque intégralement compensée par la détention préventive, la possibilité de bénéficier d'une réhabilitation prématurée sera précisément une raison déterminante pour le condamné de ne pas tromper la confiance mise en lui.
Il n'est pas admissible, au surplus, que la faculté d'obtenir le sursis dépende de la durée d'une détention préventive qui est ordonnée ou maintenue pour des motifs étrangers à l'institution du sursis. Le juge de répression doit être en mesure d'accorder le sursis à un condamné qui le mérite au regard des dispositions de l'art. 41 ch. 1 CP, lors même que l'organe d'instruction a mis l'intéressé en prison préventive. Il serait ainsi particulièrement choquant que le juge ne puisse pas octroyer le sursis pour une peine d'une durée égale à la détention préventive subie lorsque celle-ci a été ordonnée ou maintenue à tort. Au préjudice causé au condamné par la détention préventive injustifiée s'ajouterait dans ce cas celui qui résulterait pour l'intéressé de l'impossibilité d'obtenir la réhabilitation prématurée attachée à l'octroi du sursis.
Il faut de plus tenir compte de l'intérêt qu'a une personne, indépendamment de la réhabilitation prématurée, d'être condamnée avec sursis. D'une part, une condamnation avec sursis marque beaucoup moins, aux yeux de la société, celui auquel elle est infligée qu'une peine ferme. D'autre part, une peine prononcée sans sursis parce qu'elle serait considérée comme intégralement éteinte par l'imputation de la détention préventive constituerait une peine subie et ferait obstacle à l'octroi du sursis en cas de nouvelle infraction commise dans les cinq ans.
Pour éviter les impasses et les conséquences inéquitables auxquelles conduit l'opinion adoptée par l'arrêt RO 69 IV 151, le juge qui considérerait comme digne du sursis un délinquant qui a fait de la prison préventive n'aurait pas d'autre solution à sa disposition que de prononcer une peine d'une durée supérieure à celle de cette détention, de façon à pouvoir mettre le condamné au bénéfice du sursis pour la totalité de la peine. Ce résultat démontre qu'il y a lieu d'admettre l'octroi du sursis lors même que la détention préventive imputée sur la peine prononcée est d'une durée égale à celle-ci, l'imputation ne devant produire ses effets qu'au cas où la peine devrait être exécutée.
Dispositiv
Par ces motifs, la Cour de cassation pénale prononce:
Le recours est admis, l'arrêt attaqué est annulé dans la mesure où il refuse le sursis et la cause est renvoyée à la juridiction cantonale pour qu'elle accorde le sursis au recourant.
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Art. 41 CP. La sospensione condizionale della pena può essere concessa quand'anche la pena pronunciata risulti compensata dal computo del carcere preventivo sofferto (cambiamento di giurisprudenza).
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81 IV 213
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81 IV 213
Sachverhalt ab Seite 213
A.- Der Einzelrichter in Strafsachen des Bezirksgerichtes Horgen büsste am 24. März 1955 Ernst Stutz wegen Übertretung von Art. 25 Abs. 1 MFG mit Fr. 10.- und verfügte, dass die Verurteilung dem Strassenverkehrsamt des Kantons Zürich mitgeteilt werde. Dieses trägt Bussen, die wegen Widerhandlungen gegen Verkehrsvorschriften des MFG und der MFV ausgesprochen werden, in eine Kontrolle ein.
B.- Stutz führt Nichtigkeitsbeschwerde mit den Anträgen, das Urteil sei aufzuheben und der Einzelrichter anzuweisen, es dahin zu ergänzen, dass der Eintrag der Busse in der Kontrolle des Strassenverkehrsamtes gemäss Art. 49 Ziff. 4 StGB zu löschen sei, wenn sich der Verurteilte bis zum Ablauf einer Probezeit von einem Jahr bewähre.
C.- Das Statthalteramt Horgen beantragt, die Nichtigkeitsbeschwerde sei abzuweisen.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Stutz ist wegen Übertretung des Art. 25 Abs. 1 MFG gebüsst worden. Da die Busse Fr. 50.- nicht erreicht, wird sie nicht in das Zentralstrafregister aufgenommen (Art. 9 Ziff. 1 und 2 der Verordnung über das Strafregister vom 14. November 1941). Dagegen ist sie gemäss Art. 81 Abs. 1 a.E. MFV der für das Automobilwesen zuständigen Behörde des Wohnsitzkantons zur Registrierung zu melden. Dieses Register dient keineswegs nur "internen" (z.B. statistischen) Zwecken, wie das Statthalteramt behauptet. Die Vorinstanz bestätigt vielmehr, dass das Strassenverkehrsamt Auszüge aus dieser Bussenkontrolle an Behörden abgebe. Dass zu diesen Behörden in erster Linie die Gerichte gehören, ergibt sich aus der weiteren Erklärung des vorinstanzlichen Richters, die vom Strassenverkehrsamt gemeldeten Eintragungen wirken bei erneuten Verurteilungen wegen Verkehrsdelikten straferhöhend Dient aber das Bussenregister des zürcherischen Strassenverkehrsamtes grundsätzlich dem gleichen Zweck wie das Strafregister, nämlich der Information der Strafbehörden über Vorstrafen der Beschuldigten (vgl. HAFTER, Allg. Teil S.. 452 f.; THORMANN-OVERBECK, Art. 62 N. 1), so ist es als kantonale Strafkontrolle im Sinne des Art. 30 Abs. 1 der eidgenössischen Strafregisterverordnung zu betrachten.
2. Gemäss Art. 49 Ziff. 4 StGB kann der Richter, wenn die Voraussetzungen von Art. 41 Ziff. 1 StGB gegeben sind, im Urteil anordnen, dass der Eintrag der Verurteilung zu einer Busse im Strafregister zu löschen sei, wenn sich der Verurteilte bis zum Ablauf einer vom Richter anzusetzenden Probezeit bewährt. Beim Erlass dieser Bestimmung (am 5. Oktober 1950) kann nicht übersehen worden sein, dass Bussen, die wegen Übertretungen bundesrechtlicher Vorschriften ausgesprochen werden und Fr. 50.- nicht erreichen, gemäss Art. 9 Ziff. 2 und Art. 30 Ziff. 1 der eidg. Strafregisterverordnung regelmässig in kantonale Kontrollen eingetragen, dagegen nur ausnahmsweise (Art. 10 Abs. 2 Strafregister VO) in das Zentralstrafregister aufgenommen werden. Wenn in Art. 49 Ziff. 4 StGB trotzdem allgemein "vom Eintrag der Verurteilung zu einer Busse im Strafregister" und nicht vom Eintrag im Zentralstrafregister oder von Bussen, die mindestens Fr. 50.- betragen, gesprochen wird, drängt sich der Schluss auf, dass nach der Absicht des Gesetzgebers diese Bestimmung für alle wegen Widerhandlungen gegen Bundesrecht ausgefällten Bussen gelten soll, also auch für jene, die Fr. 50.- nicht erreichen. Für diese Absicht spricht namentlich auch, dass es nicht zu verstehen wäre, wenn der Bundesgesetzgeber gerade für jene Bussen, die er im Zentralstrafregister überhaupt nicht eingetragen haben will, die durch Art. 49 Ziff. 4 StGB eingeführte Möglichkeit der vorzeitigen Löschung des Eintrages (in den kantonalen Kontrollen) ausgeschlossen hätte. In diesem Falle würde eine Busse unter Fr. 50.- für eine Übertretung eidgenössischen Rechts unter Voraussetzungen, unter denen eine höhere Busse im Zentralstrafregister gelöscht werden müsste, in der kantonalen Strafkontrolle bleiben (BGE 77 IV 202). Wer wegen einer Übertretung eidgenössischen Rechts zu einer Busse unter Fr. 50.- verurteilt wird, wäre also schlechter gestellt als wer mit mindestens Fr. 50.- gebüsst wird. Das kann nicht der Sinn des Gesetzes sein.
Es ist auch nicht zu ersehen, was den Gesetzgeber hätte bewegen können, die vorzeitige Löschung für Bussen unter Fr. 50.- zuzulassen, wenn sie wegen Verbrechen (z.B. beim Zutreffen des Strafmilderungsgrundes des Art. 11 StGB) oder Vergehen (vgl. z.B. Art. 117, 125, 133, 173 f. StGB) ausgesprochen werden, also in das Zentralstrafregister aufzunehmen sind (Art. 360 lit. a StGB), dagegen auszuschliessen, wenn sie wegen Übertretungen eidgenössischen Rechts ausgefällt und in kantonale Kontrollen eingetragen werden. Würde Art. 49 Ziff. 4 StGB nur für die im Zentralstrafregister einzutragenden Bussen gelten, so hätte dies schliesslich auch zur Folge, dass bei einer für die gleiche Übertretung ausgefällten Busse unter Fr. 50.- die Löschung im Sinne der angeführten Vorschrift das eine Mal zulässig, das andere Mal dagegen ausgeschlossen wäre. Vorzeitig gelöscht werden könnte diese Busse, wenn der Verurteilte ausser der Übertretung auch noch Verbrechen oder Vergehen begangen hätte, weil in diesem Falle gemäss Art. 10 Abs. 2 der Strafregisterverordnung die (sonst nicht einzutragende) Verurteilung wegen der Übertretung ebenfalls in das Zentralstrafregister aufgenommen wird; ausgeschlossen wäre die vorzeitige Löschung dagegen, wenn der Täter einzig wegen einer Übertretung verurteilt worden ist, weil dann die Busse nur in kantonale Register eingetragen wird. Für eine solche Unterscheidung, die jene Täter begünstigen würde, die nicht nur eine Übertretung, sondern auch noch Verbrechen oder Vergehen begangen haben, besteht kein vernünftiger Grund.
Allerdings scheint die gesetzgebende Behörde im Jahre 1937, beim Erlass des StGB, davon ausgegangen zu sein, dass die kantonalen Strafkontrollen ausschliesslich durch das kantonale Recht geregelt werden (StenBull Sonderausgabe: NatR 757, StR 354). Allein nichts hinderte sie, im Jahre 1950 darauf zurückzukommen und (auch) Vorschriften über die Löschung von Bussen zu erlassen, die in Anwendung von Bundesrecht ausgesprochen, aber nur in kantonale Kontrollen eingetragen werden.
3. Ist demnach das Bussenregister des zürcherischen Strassenverkehrsamtes eine Kontrolle im Sinne des Art. 30 Abs. 1 der Strafregisterverordnung und gilt Art. 49 Ziff. 4 StGB auch für die in kantonale Strafkontrollen eingetragenen Bussen wegen bundesrechtlicher Übertretungen, so wäre im angefochtenen Urteil von Amtes wegen zu entscheiden gewesen, ob die Busse zu löschen sei'wenn sich der Beschwerdeführer bis zum Ablauf einer Probezeit von einem Jahr (BGE 77 IV 202) bewährt. Die Vorinstanz hat diesen Entscheid nachzuholen. Bestimmte Weisungen, in welchem Sinne sie das zu tun habe, sind ihr nicht zu erteilen, da der Entscheid teilweise von ihrem Ermessen abhängt und unter Umständen weitere tatsächliche Feststellungen nötig macht.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird dahin teilweise gutgeheissen, dass die Sache zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an den Einzelrichter in Strafsachen des Bezirksgerichtes Horgen zurückgewiesen wird.
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1. Art. 30 Abs. 1 Vo über das Strafregister. Begriff der kantonalen Strafkontrollen (Erw. 1). 2. Art. 49 Ziff. 4 StGB.
a) Gilt auch für die in kantonale Strafkontrollen einzutragenden Bussen wegen bundesrechtlicher Übertretungen (Erw. 2).
b) Pflicht des Richters, die Anwendbarkeit dieser Bestimmung von Amtes wegen zu prüfen (Erw. 3).
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81 IV 213
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81 IV 213
Sachverhalt ab Seite 213
A.- Der Einzelrichter in Strafsachen des Bezirksgerichtes Horgen büsste am 24. März 1955 Ernst Stutz wegen Übertretung von Art. 25 Abs. 1 MFG mit Fr. 10.- und verfügte, dass die Verurteilung dem Strassenverkehrsamt des Kantons Zürich mitgeteilt werde. Dieses trägt Bussen, die wegen Widerhandlungen gegen Verkehrsvorschriften des MFG und der MFV ausgesprochen werden, in eine Kontrolle ein.
B.- Stutz führt Nichtigkeitsbeschwerde mit den Anträgen, das Urteil sei aufzuheben und der Einzelrichter anzuweisen, es dahin zu ergänzen, dass der Eintrag der Busse in der Kontrolle des Strassenverkehrsamtes gemäss Art. 49 Ziff. 4 StGB zu löschen sei, wenn sich der Verurteilte bis zum Ablauf einer Probezeit von einem Jahr bewähre.
C.- Das Statthalteramt Horgen beantragt, die Nichtigkeitsbeschwerde sei abzuweisen.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Stutz ist wegen Übertretung des Art. 25 Abs. 1 MFG gebüsst worden. Da die Busse Fr. 50.- nicht erreicht, wird sie nicht in das Zentralstrafregister aufgenommen (Art. 9 Ziff. 1 und 2 der Verordnung über das Strafregister vom 14. November 1941). Dagegen ist sie gemäss Art. 81 Abs. 1 a.E. MFV der für das Automobilwesen zuständigen Behörde des Wohnsitzkantons zur Registrierung zu melden. Dieses Register dient keineswegs nur "internen" (z.B. statistischen) Zwecken, wie das Statthalteramt behauptet. Die Vorinstanz bestätigt vielmehr, dass das Strassenverkehrsamt Auszüge aus dieser Bussenkontrolle an Behörden abgebe. Dass zu diesen Behörden in erster Linie die Gerichte gehören, ergibt sich aus der weiteren Erklärung des vorinstanzlichen Richters, die vom Strassenverkehrsamt gemeldeten Eintragungen wirken bei erneuten Verurteilungen wegen Verkehrsdelikten straferhöhend Dient aber das Bussenregister des zürcherischen Strassenverkehrsamtes grundsätzlich dem gleichen Zweck wie das Strafregister, nämlich der Information der Strafbehörden über Vorstrafen der Beschuldigten (vgl. HAFTER, Allg. Teil S.. 452 f.; THORMANN-OVERBECK, Art. 62 N. 1), so ist es als kantonale Strafkontrolle im Sinne des Art. 30 Abs. 1 der eidgenössischen Strafregisterverordnung zu betrachten.
2. Gemäss Art. 49 Ziff. 4 StGB kann der Richter, wenn die Voraussetzungen von Art. 41 Ziff. 1 StGB gegeben sind, im Urteil anordnen, dass der Eintrag der Verurteilung zu einer Busse im Strafregister zu löschen sei, wenn sich der Verurteilte bis zum Ablauf einer vom Richter anzusetzenden Probezeit bewährt. Beim Erlass dieser Bestimmung (am 5. Oktober 1950) kann nicht übersehen worden sein, dass Bussen, die wegen Übertretungen bundesrechtlicher Vorschriften ausgesprochen werden und Fr. 50.- nicht erreichen, gemäss Art. 9 Ziff. 2 und Art. 30 Ziff. 1 der eidg. Strafregisterverordnung regelmässig in kantonale Kontrollen eingetragen, dagegen nur ausnahmsweise (Art. 10 Abs. 2 Strafregister VO) in das Zentralstrafregister aufgenommen werden. Wenn in Art. 49 Ziff. 4 StGB trotzdem allgemein "vom Eintrag der Verurteilung zu einer Busse im Strafregister" und nicht vom Eintrag im Zentralstrafregister oder von Bussen, die mindestens Fr. 50.- betragen, gesprochen wird, drängt sich der Schluss auf, dass nach der Absicht des Gesetzgebers diese Bestimmung für alle wegen Widerhandlungen gegen Bundesrecht ausgefällten Bussen gelten soll, also auch für jene, die Fr. 50.- nicht erreichen. Für diese Absicht spricht namentlich auch, dass es nicht zu verstehen wäre, wenn der Bundesgesetzgeber gerade für jene Bussen, die er im Zentralstrafregister überhaupt nicht eingetragen haben will, die durch Art. 49 Ziff. 4 StGB eingeführte Möglichkeit der vorzeitigen Löschung des Eintrages (in den kantonalen Kontrollen) ausgeschlossen hätte. In diesem Falle würde eine Busse unter Fr. 50.- für eine Übertretung eidgenössischen Rechts unter Voraussetzungen, unter denen eine höhere Busse im Zentralstrafregister gelöscht werden müsste, in der kantonalen Strafkontrolle bleiben (BGE 77 IV 202). Wer wegen einer Übertretung eidgenössischen Rechts zu einer Busse unter Fr. 50.- verurteilt wird, wäre also schlechter gestellt als wer mit mindestens Fr. 50.- gebüsst wird. Das kann nicht der Sinn des Gesetzes sein.
Es ist auch nicht zu ersehen, was den Gesetzgeber hätte bewegen können, die vorzeitige Löschung für Bussen unter Fr. 50.- zuzulassen, wenn sie wegen Verbrechen (z.B. beim Zutreffen des Strafmilderungsgrundes des Art. 11 StGB) oder Vergehen (vgl. z.B. Art. 117, 125, 133, 173 f. StGB) ausgesprochen werden, also in das Zentralstrafregister aufzunehmen sind (Art. 360 lit. a StGB), dagegen auszuschliessen, wenn sie wegen Übertretungen eidgenössischen Rechts ausgefällt und in kantonale Kontrollen eingetragen werden. Würde Art. 49 Ziff. 4 StGB nur für die im Zentralstrafregister einzutragenden Bussen gelten, so hätte dies schliesslich auch zur Folge, dass bei einer für die gleiche Übertretung ausgefällten Busse unter Fr. 50.- die Löschung im Sinne der angeführten Vorschrift das eine Mal zulässig, das andere Mal dagegen ausgeschlossen wäre. Vorzeitig gelöscht werden könnte diese Busse, wenn der Verurteilte ausser der Übertretung auch noch Verbrechen oder Vergehen begangen hätte, weil in diesem Falle gemäss Art. 10 Abs. 2 der Strafregisterverordnung die (sonst nicht einzutragende) Verurteilung wegen der Übertretung ebenfalls in das Zentralstrafregister aufgenommen wird; ausgeschlossen wäre die vorzeitige Löschung dagegen, wenn der Täter einzig wegen einer Übertretung verurteilt worden ist, weil dann die Busse nur in kantonale Register eingetragen wird. Für eine solche Unterscheidung, die jene Täter begünstigen würde, die nicht nur eine Übertretung, sondern auch noch Verbrechen oder Vergehen begangen haben, besteht kein vernünftiger Grund.
Allerdings scheint die gesetzgebende Behörde im Jahre 1937, beim Erlass des StGB, davon ausgegangen zu sein, dass die kantonalen Strafkontrollen ausschliesslich durch das kantonale Recht geregelt werden (StenBull Sonderausgabe: NatR 757, StR 354). Allein nichts hinderte sie, im Jahre 1950 darauf zurückzukommen und (auch) Vorschriften über die Löschung von Bussen zu erlassen, die in Anwendung von Bundesrecht ausgesprochen, aber nur in kantonale Kontrollen eingetragen werden.
3. Ist demnach das Bussenregister des zürcherischen Strassenverkehrsamtes eine Kontrolle im Sinne des Art. 30 Abs. 1 der Strafregisterverordnung und gilt Art. 49 Ziff. 4 StGB auch für die in kantonale Strafkontrollen eingetragenen Bussen wegen bundesrechtlicher Übertretungen, so wäre im angefochtenen Urteil von Amtes wegen zu entscheiden gewesen, ob die Busse zu löschen sei'wenn sich der Beschwerdeführer bis zum Ablauf einer Probezeit von einem Jahr (BGE 77 IV 202) bewährt. Die Vorinstanz hat diesen Entscheid nachzuholen. Bestimmte Weisungen, in welchem Sinne sie das zu tun habe, sind ihr nicht zu erteilen, da der Entscheid teilweise von ihrem Ermessen abhängt und unter Umständen weitere tatsächliche Feststellungen nötig macht.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird dahin teilweise gutgeheissen, dass die Sache zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an den Einzelrichter in Strafsachen des Bezirksgerichtes Horgen zurückgewiesen wird.
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1. Art. 30 al. 1 de l'ordonnance sur le casier judiciaire. Notion des contrôles cantonaux (consid. 1). 2. Art. 49 ch. 4 CP.
a) Cette disposition s'applique également aux amendes prononcées pour des contraventions de droit fédéral et qui doivent être inscrites sur des contrôles cantonaux (consid. 2).
b) Obligation du juge d'examiner d'office si cette disposition est applicable (consid. 3).
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Sachverhalt ab Seite 213
A.- Der Einzelrichter in Strafsachen des Bezirksgerichtes Horgen büsste am 24. März 1955 Ernst Stutz wegen Übertretung von Art. 25 Abs. 1 MFG mit Fr. 10.- und verfügte, dass die Verurteilung dem Strassenverkehrsamt des Kantons Zürich mitgeteilt werde. Dieses trägt Bussen, die wegen Widerhandlungen gegen Verkehrsvorschriften des MFG und der MFV ausgesprochen werden, in eine Kontrolle ein.
B.- Stutz führt Nichtigkeitsbeschwerde mit den Anträgen, das Urteil sei aufzuheben und der Einzelrichter anzuweisen, es dahin zu ergänzen, dass der Eintrag der Busse in der Kontrolle des Strassenverkehrsamtes gemäss Art. 49 Ziff. 4 StGB zu löschen sei, wenn sich der Verurteilte bis zum Ablauf einer Probezeit von einem Jahr bewähre.
C.- Das Statthalteramt Horgen beantragt, die Nichtigkeitsbeschwerde sei abzuweisen.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Stutz ist wegen Übertretung des Art. 25 Abs. 1 MFG gebüsst worden. Da die Busse Fr. 50.- nicht erreicht, wird sie nicht in das Zentralstrafregister aufgenommen (Art. 9 Ziff. 1 und 2 der Verordnung über das Strafregister vom 14. November 1941). Dagegen ist sie gemäss Art. 81 Abs. 1 a.E. MFV der für das Automobilwesen zuständigen Behörde des Wohnsitzkantons zur Registrierung zu melden. Dieses Register dient keineswegs nur "internen" (z.B. statistischen) Zwecken, wie das Statthalteramt behauptet. Die Vorinstanz bestätigt vielmehr, dass das Strassenverkehrsamt Auszüge aus dieser Bussenkontrolle an Behörden abgebe. Dass zu diesen Behörden in erster Linie die Gerichte gehören, ergibt sich aus der weiteren Erklärung des vorinstanzlichen Richters, die vom Strassenverkehrsamt gemeldeten Eintragungen wirken bei erneuten Verurteilungen wegen Verkehrsdelikten straferhöhend Dient aber das Bussenregister des zürcherischen Strassenverkehrsamtes grundsätzlich dem gleichen Zweck wie das Strafregister, nämlich der Information der Strafbehörden über Vorstrafen der Beschuldigten (vgl. HAFTER, Allg. Teil S.. 452 f.; THORMANN-OVERBECK, Art. 62 N. 1), so ist es als kantonale Strafkontrolle im Sinne des Art. 30 Abs. 1 der eidgenössischen Strafregisterverordnung zu betrachten.
2. Gemäss Art. 49 Ziff. 4 StGB kann der Richter, wenn die Voraussetzungen von Art. 41 Ziff. 1 StGB gegeben sind, im Urteil anordnen, dass der Eintrag der Verurteilung zu einer Busse im Strafregister zu löschen sei, wenn sich der Verurteilte bis zum Ablauf einer vom Richter anzusetzenden Probezeit bewährt. Beim Erlass dieser Bestimmung (am 5. Oktober 1950) kann nicht übersehen worden sein, dass Bussen, die wegen Übertretungen bundesrechtlicher Vorschriften ausgesprochen werden und Fr. 50.- nicht erreichen, gemäss Art. 9 Ziff. 2 und Art. 30 Ziff. 1 der eidg. Strafregisterverordnung regelmässig in kantonale Kontrollen eingetragen, dagegen nur ausnahmsweise (Art. 10 Abs. 2 Strafregister VO) in das Zentralstrafregister aufgenommen werden. Wenn in Art. 49 Ziff. 4 StGB trotzdem allgemein "vom Eintrag der Verurteilung zu einer Busse im Strafregister" und nicht vom Eintrag im Zentralstrafregister oder von Bussen, die mindestens Fr. 50.- betragen, gesprochen wird, drängt sich der Schluss auf, dass nach der Absicht des Gesetzgebers diese Bestimmung für alle wegen Widerhandlungen gegen Bundesrecht ausgefällten Bussen gelten soll, also auch für jene, die Fr. 50.- nicht erreichen. Für diese Absicht spricht namentlich auch, dass es nicht zu verstehen wäre, wenn der Bundesgesetzgeber gerade für jene Bussen, die er im Zentralstrafregister überhaupt nicht eingetragen haben will, die durch Art. 49 Ziff. 4 StGB eingeführte Möglichkeit der vorzeitigen Löschung des Eintrages (in den kantonalen Kontrollen) ausgeschlossen hätte. In diesem Falle würde eine Busse unter Fr. 50.- für eine Übertretung eidgenössischen Rechts unter Voraussetzungen, unter denen eine höhere Busse im Zentralstrafregister gelöscht werden müsste, in der kantonalen Strafkontrolle bleiben (BGE 77 IV 202). Wer wegen einer Übertretung eidgenössischen Rechts zu einer Busse unter Fr. 50.- verurteilt wird, wäre also schlechter gestellt als wer mit mindestens Fr. 50.- gebüsst wird. Das kann nicht der Sinn des Gesetzes sein.
Es ist auch nicht zu ersehen, was den Gesetzgeber hätte bewegen können, die vorzeitige Löschung für Bussen unter Fr. 50.- zuzulassen, wenn sie wegen Verbrechen (z.B. beim Zutreffen des Strafmilderungsgrundes des Art. 11 StGB) oder Vergehen (vgl. z.B. Art. 117, 125, 133, 173 f. StGB) ausgesprochen werden, also in das Zentralstrafregister aufzunehmen sind (Art. 360 lit. a StGB), dagegen auszuschliessen, wenn sie wegen Übertretungen eidgenössischen Rechts ausgefällt und in kantonale Kontrollen eingetragen werden. Würde Art. 49 Ziff. 4 StGB nur für die im Zentralstrafregister einzutragenden Bussen gelten, so hätte dies schliesslich auch zur Folge, dass bei einer für die gleiche Übertretung ausgefällten Busse unter Fr. 50.- die Löschung im Sinne der angeführten Vorschrift das eine Mal zulässig, das andere Mal dagegen ausgeschlossen wäre. Vorzeitig gelöscht werden könnte diese Busse, wenn der Verurteilte ausser der Übertretung auch noch Verbrechen oder Vergehen begangen hätte, weil in diesem Falle gemäss Art. 10 Abs. 2 der Strafregisterverordnung die (sonst nicht einzutragende) Verurteilung wegen der Übertretung ebenfalls in das Zentralstrafregister aufgenommen wird; ausgeschlossen wäre die vorzeitige Löschung dagegen, wenn der Täter einzig wegen einer Übertretung verurteilt worden ist, weil dann die Busse nur in kantonale Register eingetragen wird. Für eine solche Unterscheidung, die jene Täter begünstigen würde, die nicht nur eine Übertretung, sondern auch noch Verbrechen oder Vergehen begangen haben, besteht kein vernünftiger Grund.
Allerdings scheint die gesetzgebende Behörde im Jahre 1937, beim Erlass des StGB, davon ausgegangen zu sein, dass die kantonalen Strafkontrollen ausschliesslich durch das kantonale Recht geregelt werden (StenBull Sonderausgabe: NatR 757, StR 354). Allein nichts hinderte sie, im Jahre 1950 darauf zurückzukommen und (auch) Vorschriften über die Löschung von Bussen zu erlassen, die in Anwendung von Bundesrecht ausgesprochen, aber nur in kantonale Kontrollen eingetragen werden.
3. Ist demnach das Bussenregister des zürcherischen Strassenverkehrsamtes eine Kontrolle im Sinne des Art. 30 Abs. 1 der Strafregisterverordnung und gilt Art. 49 Ziff. 4 StGB auch für die in kantonale Strafkontrollen eingetragenen Bussen wegen bundesrechtlicher Übertretungen, so wäre im angefochtenen Urteil von Amtes wegen zu entscheiden gewesen, ob die Busse zu löschen sei'wenn sich der Beschwerdeführer bis zum Ablauf einer Probezeit von einem Jahr (BGE 77 IV 202) bewährt. Die Vorinstanz hat diesen Entscheid nachzuholen. Bestimmte Weisungen, in welchem Sinne sie das zu tun habe, sind ihr nicht zu erteilen, da der Entscheid teilweise von ihrem Ermessen abhängt und unter Umständen weitere tatsächliche Feststellungen nötig macht.
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Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird dahin teilweise gutgeheissen, dass die Sache zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an den Einzelrichter in Strafsachen des Bezirksgerichtes Horgen zurückgewiesen wird.
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1. Art. 30 cp. 1 dell'ordinanza sul casellario giudiziale. Nozione dei controlli cantonali (consid. 1). 2. Art. 49 cifra 4 CP.
a) Questa disposizione è parimente applicabile alle multe pronunciate per contravvenzioni di diritto federale e che devono essere iscritte in controlli cantonali (consid. 2).
b) Obbligo del giudice di esaminare d'ufficio se questa disposizione è applicabile (consid. 3).
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Sachverhalt ab Seite 218
A.- Champod est propriétaire d'un alambic destiné à la distillation des racines de gentianes et déclaré à la régie fédérale des alcools. Ayant employé cet appareil pour distiller de l'absinthe, il a été condamné, le 18 octobre 1946 à 60 fr. d'amende et, le 28 novembre 1949, à 350 fr. d'amende.
Le 26 février 1954, une bonbonne contenant quinze litres d'absinthe fut trouvée chez lui; il avoua avoir distillé cette liqueur et en avoir vendu cinq litres à Armand Parel. En raison de ces faits, le Tribunal de police du district du Val-de-Travers le condamna, le 23 avril 1954, à 500 fr. d'amende et prononça la confiscation de l'alambic conformément aux art. 1er al. 1, 3 al. 1 de la loi fédérale du 24 juin 1910 sur la fabrication de l'absinthe et 58 CP.
Champod recourut à la Cour de cassation pénale du canton de Neuchâtel en déclarant admettre la condamnation à l'amende, mais contester la confiscation de l'alambic. Le 7 juillet 1954, cependant, cette autorité rejeta le recours.
B.- Contre cet arrêt, Champod s'est pourvu, en temps utile, devant la Cour de cassation pénale du Tribunal fédéral. Il allègue que l'interprétation donnée de l'art. 58 CP n'est conforme ni à la lettre de cette disposition légale, ni à l'intention du législateur.
Erwägungen
Considérant en droit:
1. L'art. 3 al. 4 de la loi fédérale du 24 juin 1910 sur l'interdiction de l'absinthe renvoyait notamment aux art. 42 et 44 LCDA. Ces textes réglaient la confiscation des objets et appareils qui avaient servi à commettre une infraction. Ils ont été purement et simplement abrogés par l'art. 398 al. 2 litt. a et f CP, de sorte que selon l'art. 333 CP, la confiscation est aujourd'hui régie par l'art. 58 CP en matière d'infraction à la loi sur l'interdiction de l'absinthe.
2. L'art. 58 CP n'autorise le juge à confisquer les objets qui ont servi à commettre une infraction que si ces objets "compromettent la sécurité des personnes, la morale ou l'ordre public". Le recourant conteste que cette condition soit réalisée en l'espèce.
Il ressort du texte même de l'art. 58 CP que la confiscation doit prévenir la mise en danger des personnes, de la morale ou de l'ordre public. Elle sera donc prononcée en principe, dès lors qu'il est suffisamment vraisemblable que, sans cette mesure, la sécurité des personnes, la morale ou l'ordre public seraient compromis (cf. RO 65 I 47, no 9; 77 IV 20; 79 IV 176).
Une telle vraisemblance, cependant, peut exister bien que l'objet soit dangereux, non par sa nature, mais seulement par l'usage dont il est susceptible. Le recourant le conteste à tort. Peu importe que le texte légal ne prévoie pas expressément cette catégorie d'objets, il la vise aussi sans conteste. Le titre marginal de l'art. 58 (confiscation d'objets dangereux) ne permet pas de conclure qu'il doit s'agir d'objets dangereux par leur nature déjà. Il ne saurait du reste en aucun cas restreindre la portée du texte légal (RO 74 IV 208; 76 IV 55; 78 IV 176). Quant aux travaux préparatoires, ils ne fournissent aucun appui à la thèse du recourant. Les exemples que l'on trouve soit dans le message du Conseil fédéral (FF 1918 IV pp. 25 ss), soit dans le Bulletin sténographique (tirage à part, Cons. nat. 1928, p. 208) sont décisifs à cet égard-.
3. En l'espèce, le recourant a été condamné trois fois pour avoir distillé de l'absinthe avec l'appareil dont le juge cantonal a ordonné la confiscation.
Il n'était nullement contraire à l'art. 58 CP d'en conclure que vraisemblablement, selon le cours normal des choses, Champod recommencerait à violer la loi de la même façon si l'appareil lui était laissé. Or, de telles infractions portent atteinte à l'ordre public, c'est-à-dire à la santé publique, que protège la loi fédérale du 24 juin 1910. L'alambic apparaissait dès lors comme un objet dangereux au sens de la loi, selon les principes rappelés plus haut, et il devait être confisqué.
Le recourant ne saurait objecter que l'on trouve dans le commerce des appareils semblables et qu'il lui serait donc possible de s'en procurer un autre. Ce fait n'enlève nullement à l'alambic confisqué son caractère d'objet dangereux, qui est décisif. Sans doute, la facilité plus ou moins grande du remploi diminue-t-elle l'efficacité de la confiscation, mais elle ne la supprime nullement. La mesure prise conserve son caractère préventif; elle demeure tout au moins comme un avertissement grave, même si elle n'exclut pas absolument la répétition des actes préjudiciables à la sécurité des personnes, à la morale ou à l'ordre public. Au surplus, le remplacement d'un alambic est subordonné à l'autorisation de la régie des alcools (art. 14 al. 6 de la loi fédérale sur l'alcool).
Dispositiv
Par ces motifs, la Cour de cassation pénale:
Rejette le pourvoi.
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Art. 58 StGB, Einziehung. Voraussetzungen der Einziehung von Gegenständen, die zur Begehung einer strafbaren Handlung gedient haben.
- Einziehung eines Brennapparates, der zur unerlaubten Herstellung von Absinth gedient hatte.
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Sachverhalt ab Seite 218
A.- Champod est propriétaire d'un alambic destiné à la distillation des racines de gentianes et déclaré à la régie fédérale des alcools. Ayant employé cet appareil pour distiller de l'absinthe, il a été condamné, le 18 octobre 1946 à 60 fr. d'amende et, le 28 novembre 1949, à 350 fr. d'amende.
Le 26 février 1954, une bonbonne contenant quinze litres d'absinthe fut trouvée chez lui; il avoua avoir distillé cette liqueur et en avoir vendu cinq litres à Armand Parel. En raison de ces faits, le Tribunal de police du district du Val-de-Travers le condamna, le 23 avril 1954, à 500 fr. d'amende et prononça la confiscation de l'alambic conformément aux art. 1er al. 1, 3 al. 1 de la loi fédérale du 24 juin 1910 sur la fabrication de l'absinthe et 58 CP.
Champod recourut à la Cour de cassation pénale du canton de Neuchâtel en déclarant admettre la condamnation à l'amende, mais contester la confiscation de l'alambic. Le 7 juillet 1954, cependant, cette autorité rejeta le recours.
B.- Contre cet arrêt, Champod s'est pourvu, en temps utile, devant la Cour de cassation pénale du Tribunal fédéral. Il allègue que l'interprétation donnée de l'art. 58 CP n'est conforme ni à la lettre de cette disposition légale, ni à l'intention du législateur.
Erwägungen
Considérant en droit:
1. L'art. 3 al. 4 de la loi fédérale du 24 juin 1910 sur l'interdiction de l'absinthe renvoyait notamment aux art. 42 et 44 LCDA. Ces textes réglaient la confiscation des objets et appareils qui avaient servi à commettre une infraction. Ils ont été purement et simplement abrogés par l'art. 398 al. 2 litt. a et f CP, de sorte que selon l'art. 333 CP, la confiscation est aujourd'hui régie par l'art. 58 CP en matière d'infraction à la loi sur l'interdiction de l'absinthe.
2. L'art. 58 CP n'autorise le juge à confisquer les objets qui ont servi à commettre une infraction que si ces objets "compromettent la sécurité des personnes, la morale ou l'ordre public". Le recourant conteste que cette condition soit réalisée en l'espèce.
Il ressort du texte même de l'art. 58 CP que la confiscation doit prévenir la mise en danger des personnes, de la morale ou de l'ordre public. Elle sera donc prononcée en principe, dès lors qu'il est suffisamment vraisemblable que, sans cette mesure, la sécurité des personnes, la morale ou l'ordre public seraient compromis (cf. RO 65 I 47, no 9; 77 IV 20; 79 IV 176).
Une telle vraisemblance, cependant, peut exister bien que l'objet soit dangereux, non par sa nature, mais seulement par l'usage dont il est susceptible. Le recourant le conteste à tort. Peu importe que le texte légal ne prévoie pas expressément cette catégorie d'objets, il la vise aussi sans conteste. Le titre marginal de l'art. 58 (confiscation d'objets dangereux) ne permet pas de conclure qu'il doit s'agir d'objets dangereux par leur nature déjà. Il ne saurait du reste en aucun cas restreindre la portée du texte légal (RO 74 IV 208; 76 IV 55; 78 IV 176). Quant aux travaux préparatoires, ils ne fournissent aucun appui à la thèse du recourant. Les exemples que l'on trouve soit dans le message du Conseil fédéral (FF 1918 IV pp. 25 ss), soit dans le Bulletin sténographique (tirage à part, Cons. nat. 1928, p. 208) sont décisifs à cet égard-.
3. En l'espèce, le recourant a été condamné trois fois pour avoir distillé de l'absinthe avec l'appareil dont le juge cantonal a ordonné la confiscation.
Il n'était nullement contraire à l'art. 58 CP d'en conclure que vraisemblablement, selon le cours normal des choses, Champod recommencerait à violer la loi de la même façon si l'appareil lui était laissé. Or, de telles infractions portent atteinte à l'ordre public, c'est-à-dire à la santé publique, que protège la loi fédérale du 24 juin 1910. L'alambic apparaissait dès lors comme un objet dangereux au sens de la loi, selon les principes rappelés plus haut, et il devait être confisqué.
Le recourant ne saurait objecter que l'on trouve dans le commerce des appareils semblables et qu'il lui serait donc possible de s'en procurer un autre. Ce fait n'enlève nullement à l'alambic confisqué son caractère d'objet dangereux, qui est décisif. Sans doute, la facilité plus ou moins grande du remploi diminue-t-elle l'efficacité de la confiscation, mais elle ne la supprime nullement. La mesure prise conserve son caractère préventif; elle demeure tout au moins comme un avertissement grave, même si elle n'exclut pas absolument la répétition des actes préjudiciables à la sécurité des personnes, à la morale ou à l'ordre public. Au surplus, le remplacement d'un alambic est subordonné à l'autorisation de la régie des alcools (art. 14 al. 6 de la loi fédérale sur l'alcool).
Dispositiv
Par ces motifs, la Cour de cassation pénale:
Rejette le pourvoi.
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Art. 58 CP. Confiscation. Conditions auxquelles la loi soumet la confiscation d'objets qui ont servi à commettre une infraction.
- Confiscation d'un alambic qui avait servi à la distillation illicite de l'absinthe.
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Sachverhalt ab Seite 218
A.- Champod est propriétaire d'un alambic destiné à la distillation des racines de gentianes et déclaré à la régie fédérale des alcools. Ayant employé cet appareil pour distiller de l'absinthe, il a été condamné, le 18 octobre 1946 à 60 fr. d'amende et, le 28 novembre 1949, à 350 fr. d'amende.
Le 26 février 1954, une bonbonne contenant quinze litres d'absinthe fut trouvée chez lui; il avoua avoir distillé cette liqueur et en avoir vendu cinq litres à Armand Parel. En raison de ces faits, le Tribunal de police du district du Val-de-Travers le condamna, le 23 avril 1954, à 500 fr. d'amende et prononça la confiscation de l'alambic conformément aux art. 1er al. 1, 3 al. 1 de la loi fédérale du 24 juin 1910 sur la fabrication de l'absinthe et 58 CP.
Champod recourut à la Cour de cassation pénale du canton de Neuchâtel en déclarant admettre la condamnation à l'amende, mais contester la confiscation de l'alambic. Le 7 juillet 1954, cependant, cette autorité rejeta le recours.
B.- Contre cet arrêt, Champod s'est pourvu, en temps utile, devant la Cour de cassation pénale du Tribunal fédéral. Il allègue que l'interprétation donnée de l'art. 58 CP n'est conforme ni à la lettre de cette disposition légale, ni à l'intention du législateur.
Erwägungen
Considérant en droit:
1. L'art. 3 al. 4 de la loi fédérale du 24 juin 1910 sur l'interdiction de l'absinthe renvoyait notamment aux art. 42 et 44 LCDA. Ces textes réglaient la confiscation des objets et appareils qui avaient servi à commettre une infraction. Ils ont été purement et simplement abrogés par l'art. 398 al. 2 litt. a et f CP, de sorte que selon l'art. 333 CP, la confiscation est aujourd'hui régie par l'art. 58 CP en matière d'infraction à la loi sur l'interdiction de l'absinthe.
2. L'art. 58 CP n'autorise le juge à confisquer les objets qui ont servi à commettre une infraction que si ces objets "compromettent la sécurité des personnes, la morale ou l'ordre public". Le recourant conteste que cette condition soit réalisée en l'espèce.
Il ressort du texte même de l'art. 58 CP que la confiscation doit prévenir la mise en danger des personnes, de la morale ou de l'ordre public. Elle sera donc prononcée en principe, dès lors qu'il est suffisamment vraisemblable que, sans cette mesure, la sécurité des personnes, la morale ou l'ordre public seraient compromis (cf. RO 65 I 47, no 9; 77 IV 20; 79 IV 176).
Une telle vraisemblance, cependant, peut exister bien que l'objet soit dangereux, non par sa nature, mais seulement par l'usage dont il est susceptible. Le recourant le conteste à tort. Peu importe que le texte légal ne prévoie pas expressément cette catégorie d'objets, il la vise aussi sans conteste. Le titre marginal de l'art. 58 (confiscation d'objets dangereux) ne permet pas de conclure qu'il doit s'agir d'objets dangereux par leur nature déjà. Il ne saurait du reste en aucun cas restreindre la portée du texte légal (RO 74 IV 208; 76 IV 55; 78 IV 176). Quant aux travaux préparatoires, ils ne fournissent aucun appui à la thèse du recourant. Les exemples que l'on trouve soit dans le message du Conseil fédéral (FF 1918 IV pp. 25 ss), soit dans le Bulletin sténographique (tirage à part, Cons. nat. 1928, p. 208) sont décisifs à cet égard-.
3. En l'espèce, le recourant a été condamné trois fois pour avoir distillé de l'absinthe avec l'appareil dont le juge cantonal a ordonné la confiscation.
Il n'était nullement contraire à l'art. 58 CP d'en conclure que vraisemblablement, selon le cours normal des choses, Champod recommencerait à violer la loi de la même façon si l'appareil lui était laissé. Or, de telles infractions portent atteinte à l'ordre public, c'est-à-dire à la santé publique, que protège la loi fédérale du 24 juin 1910. L'alambic apparaissait dès lors comme un objet dangereux au sens de la loi, selon les principes rappelés plus haut, et il devait être confisqué.
Le recourant ne saurait objecter que l'on trouve dans le commerce des appareils semblables et qu'il lui serait donc possible de s'en procurer un autre. Ce fait n'enlève nullement à l'alambic confisqué son caractère d'objet dangereux, qui est décisif. Sans doute, la facilité plus ou moins grande du remploi diminue-t-elle l'efficacité de la confiscation, mais elle ne la supprime nullement. La mesure prise conserve son caractère préventif; elle demeure tout au moins comme un avertissement grave, même si elle n'exclut pas absolument la répétition des actes préjudiciables à la sécurité des personnes, à la morale ou à l'ordre public. Au surplus, le remplacement d'un alambic est subordonné à l'autorisation de la régie des alcools (art. 14 al. 6 de la loi fédérale sur l'alcool).
Dispositiv
Par ces motifs, la Cour de cassation pénale:
Rejette le pourvoi.
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Art. 58 CP. Confisca. Condizioni alle quali la legge subordina la confisca di oggetti che hanno servito a commettere un reato.
- Confisca di un alambicco che aveva servito alla distillazione illecita di assenzio.
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81 IV 220
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81 IV 220
Sachverhalt ab Seite 220
A.- Die Anklagekammer des Kantons Bern beschloss am 22. Mai 1955, das gegen Friedrich Dolder wegen Brandstiftung, eventuell fahrlässiger Verursachung eines Brandes, eingeleitete Strafverfahren aufzuheben, weil keine genügenden Belastungstatsachen vorlägen, die eine Überweisung an das urteilende Gericht zu rechtfertigen vermöchten. Sie sprach Dolder eine Entschädigung zu und auferlegte die Verfahrenskosten dem Staate. Das Begehren des Angeschuldigten um Veröffentlichung des Beschlusses wies sie im wesentlichen mit der Begründung ab, Art. 61 StGB gelte nur für Urteile, Aufhebungsbeschlüsse aber seien keine solchen, da sie sich nicht über den Bestand einer strafbaren Handlung aussprächen, sondern lediglich verfügten, das Verfahren solle nicht fortgesetzt werden.
B.- Dolder führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, die Anklagekammer sei anzuweisen, den Aufhebungsbeschluss gemäss Art. 61 StGB in angemessener Weise veröffentlichen zu lassen.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Art. 61 StGB betrifft die "Veröffentlichung des Urteils" (s. Randtitel); er bestimmt in Abs. 1, wann ein "Strafurteil", in Abs. 2, wann ein "freisprechendes Urteil" zu veröffentlichen ist. Voraussetzung zur Anwendung des einen wie des andern Absatzes ist somit, dass geurteilt, d.h. verbindlich darüber erkannt worden sei, ob der Angeschuldigte sich einer strafbaren Handlung schuldig gemacht habe oder nicht. Das "Strafurteil" bejaht diese Frage, das "freisprechende Urteil" verneint sie. Das ist der Sinn, den diese Worte im allgemeinen haben, und nichts weist darauf hin, dass der Gesetzgeber ihnen eine andere Bedeutung gegeben habe. Dahingestellt bleiben kann, ob Art. 61 Abs. 2 StGB nur anwendbar ist, wenn der Entscheid sich der Wendung, der Angeklagte werde "freigesprochen", ausdrücklich bedient, oder ob inhaltlich ein freisprechendes Urteil auch vorliegt, wenn die zur Verurteilung zuständige Behörde im Erkenntnisverfahren bestimmt, das Verfahren werde "eingestellt", es werde "aufgehoben" oder es werde ihm "keine weitere Folge gegeben" und dgl. Jedenfalls liegt ein freisprechendes Urteil dann nicht vor, wenn die Sache der Behörde, welche die Aufgabe des erkennenden Richters zu erfüllen hat, nicht vorgelegt, das Urteilsverfahren also nicht eingeleitet, sondern die Verfolgung durch eine andere Behörde vorzeitig abgebrochen wird, z.B. indem sie davon absieht, Anklage zu erheben, eine von einer anderen Behörde erhobene Anklage nicht zulässt, das Verfahren "einstellt" oder es "aufhebt".
Freilich mag der Angeschuldigte auch in diesen Fällen ein Interesse haben, dass der Entscheid der Öffentlichkeit bekannt werde. Das kann jedoch dem Bundesgesetzgeber nicht entgangen sein. Hätte er es berücksichtigen wollen, so hätte er die Veröffentlichung nicht auf "Strafurteile" und "freisprechende Urteile" beschränkt, sondern ausdrücklich auch auf Einstellungsbeschlüsse erstreckt, ein Begriff, der ihm aus Art. 268 BStP geläufig war. Von der Veröffentlichung abzusehen, wenn die Sache der zur Verurteilung zuständigen Behörde nicht unterbreitet, das Verfahren vielmehr vorzeitig abgebrochen wird, lässt sich sachlich durchaus rechtfertigen. Die Einstellung des Verfahrens durch die Überweisungsbehörde kommt materiell nicht immer einem vorweggenommenen Freispruch gleich; sie erfolgt nicht selten aus Gründen der Zweckmässigkeit, z.B. weil die verhältnismässig geringe Aussicht auf ein Strafurteil den Aufwand des Urteilsverfahrens nicht rechtfertigt. Nach einem Einstellungsbeschluss kann daher offen bleiben, ob der Angeschuldigte im Falle der Fortsetzung des Verfahrens verurteilt worden wäre. Den Beschluss unter der blossen Voraussetzung, dass das Interesse des Angeschuldigten seine Veröffentlichung gebiete, wie ein freisprechenden Urteil allgemein bekanntzumachen, drängt sich daher keineswegs auf. Das gilt auch dann, wenn das Verfahren nur unter ähnlichen Voraussetzungen wie nach einer Freisprechung zu Ungunsten des Angeschuldigten wieder aufgenommen werden darf. Dazu kommt, dass dieser, wenn ein Urteilsverfahren nicht stattfindet, schon durch die prozessualen Vorgänge in der Regel weniger belastet wird als nach einer Überweisung, die ihn nötigt, dem erkennenden Richter Rede und Antwort zu stehen. Auch materiell ist der Angeschuldigte gewöhnlich weniger belastet, wenn die Überweisung unterbleibt. Das Bedürfnis nach öffentlicher Entlastung ist daher im allgemeinen geringer als nach der Überweisung. Wenn der Beschwerdeführer geltend macht, diese führe nach bernischem Recht zur öffentlichen Verkündung des Urteils, wogegen ein Aufhebungsbeschluss in geheimer Sitzung gefasst und nur den Parteien mitgeteilt werde, weshalb hier die Veröffentlichung im Sinne des Art. 61 Abs. 2 StGB sich umsomehr aufdränge, verkennt er, dass die geheime Abwicklung des Verfahrens vor dem Untersuchungsrichter und der Überweisungsbehörde dem Angeschuldigten eine öffentliche Anprangerung erspart und damit auch das Bedürfnis nach Veröffentlichung des Aufhebungsbeschlusses mindert. Das Interesse des Verfolgten an der amtlichen Veröffentlichung eines nicht im Urteilsverfahren gefassten Aufhebungsbeschlusses ist je nach Ausgestaltung des Prozesses durch das kantonale Recht grundsätzlich so gering, dass sich die Auffassung durchaus vertreten lässt, dem Angeschuldigten sei genügend gedient, wenn nicht schon das Bundesrecht, sondern höchstens allenfalls das kantonale Prozessrecht sie gestattet. Hier dem kantonalen Recht Raum zu lassen, bestand umsomehr Anlass, als Art. 64 bis Abs. 2 BV und Art. 365 Abs. 1 StGB den Kantonen das gerichtliche Verfahren vorbehalten.
Damit ist zugleich gesagt, dass kein Anlass besteht, Art. 61 Abs. 2 StGB auf die von einer Überweisungsbehörde gefassten Aufhebungsbeschlüsse analog anzuwenden, wie der Beschwerdeführer subsidiär verlangt.
2. Wie die Anklagekammer in einem Entscheid vom 29. Februar 1952 i.S. Monnat, auf den sie sich in vorliegender Sache beruft, in verbindlicher Auslegung des bernischen Prozessrechtes ausgeführt hat, wird im Aufhebungsbeschluss nicht erkannt, der Angeschuldigte habe keine strafbare Handlung begangen, sondern lediglich verfügt, das Verfahren sei nicht fortzusetzen. Auch ist nicht bestritten, dass die Anklagekammer nicht urteilender Richter ist, sondern nur den Zwischenentscheid auf Überweisung an diesen (vgl. z.B. Art. 197 Abs. 3 bern. StrV) oder auf Aufhebung der Untersuchung zu fällen hat. Daher ist Art. 61 Abs. 2 StGB im vorliegenden Falle nicht anwendbar.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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Art. 61 Abs. 2 StGB ist auf die von einer Überweisungsbehörde gefassten Aufhebungsbeschlüsse nicht anwendbar.
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A.- Die Anklagekammer des Kantons Bern beschloss am 22. Mai 1955, das gegen Friedrich Dolder wegen Brandstiftung, eventuell fahrlässiger Verursachung eines Brandes, eingeleitete Strafverfahren aufzuheben, weil keine genügenden Belastungstatsachen vorlägen, die eine Überweisung an das urteilende Gericht zu rechtfertigen vermöchten. Sie sprach Dolder eine Entschädigung zu und auferlegte die Verfahrenskosten dem Staate. Das Begehren des Angeschuldigten um Veröffentlichung des Beschlusses wies sie im wesentlichen mit der Begründung ab, Art. 61 StGB gelte nur für Urteile, Aufhebungsbeschlüsse aber seien keine solchen, da sie sich nicht über den Bestand einer strafbaren Handlung aussprächen, sondern lediglich verfügten, das Verfahren solle nicht fortgesetzt werden.
B.- Dolder führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, die Anklagekammer sei anzuweisen, den Aufhebungsbeschluss gemäss Art. 61 StGB in angemessener Weise veröffentlichen zu lassen.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Art. 61 StGB betrifft die "Veröffentlichung des Urteils" (s. Randtitel); er bestimmt in Abs. 1, wann ein "Strafurteil", in Abs. 2, wann ein "freisprechendes Urteil" zu veröffentlichen ist. Voraussetzung zur Anwendung des einen wie des andern Absatzes ist somit, dass geurteilt, d.h. verbindlich darüber erkannt worden sei, ob der Angeschuldigte sich einer strafbaren Handlung schuldig gemacht habe oder nicht. Das "Strafurteil" bejaht diese Frage, das "freisprechende Urteil" verneint sie. Das ist der Sinn, den diese Worte im allgemeinen haben, und nichts weist darauf hin, dass der Gesetzgeber ihnen eine andere Bedeutung gegeben habe. Dahingestellt bleiben kann, ob Art. 61 Abs. 2 StGB nur anwendbar ist, wenn der Entscheid sich der Wendung, der Angeklagte werde "freigesprochen", ausdrücklich bedient, oder ob inhaltlich ein freisprechendes Urteil auch vorliegt, wenn die zur Verurteilung zuständige Behörde im Erkenntnisverfahren bestimmt, das Verfahren werde "eingestellt", es werde "aufgehoben" oder es werde ihm "keine weitere Folge gegeben" und dgl. Jedenfalls liegt ein freisprechendes Urteil dann nicht vor, wenn die Sache der Behörde, welche die Aufgabe des erkennenden Richters zu erfüllen hat, nicht vorgelegt, das Urteilsverfahren also nicht eingeleitet, sondern die Verfolgung durch eine andere Behörde vorzeitig abgebrochen wird, z.B. indem sie davon absieht, Anklage zu erheben, eine von einer anderen Behörde erhobene Anklage nicht zulässt, das Verfahren "einstellt" oder es "aufhebt".
Freilich mag der Angeschuldigte auch in diesen Fällen ein Interesse haben, dass der Entscheid der Öffentlichkeit bekannt werde. Das kann jedoch dem Bundesgesetzgeber nicht entgangen sein. Hätte er es berücksichtigen wollen, so hätte er die Veröffentlichung nicht auf "Strafurteile" und "freisprechende Urteile" beschränkt, sondern ausdrücklich auch auf Einstellungsbeschlüsse erstreckt, ein Begriff, der ihm aus Art. 268 BStP geläufig war. Von der Veröffentlichung abzusehen, wenn die Sache der zur Verurteilung zuständigen Behörde nicht unterbreitet, das Verfahren vielmehr vorzeitig abgebrochen wird, lässt sich sachlich durchaus rechtfertigen. Die Einstellung des Verfahrens durch die Überweisungsbehörde kommt materiell nicht immer einem vorweggenommenen Freispruch gleich; sie erfolgt nicht selten aus Gründen der Zweckmässigkeit, z.B. weil die verhältnismässig geringe Aussicht auf ein Strafurteil den Aufwand des Urteilsverfahrens nicht rechtfertigt. Nach einem Einstellungsbeschluss kann daher offen bleiben, ob der Angeschuldigte im Falle der Fortsetzung des Verfahrens verurteilt worden wäre. Den Beschluss unter der blossen Voraussetzung, dass das Interesse des Angeschuldigten seine Veröffentlichung gebiete, wie ein freisprechenden Urteil allgemein bekanntzumachen, drängt sich daher keineswegs auf. Das gilt auch dann, wenn das Verfahren nur unter ähnlichen Voraussetzungen wie nach einer Freisprechung zu Ungunsten des Angeschuldigten wieder aufgenommen werden darf. Dazu kommt, dass dieser, wenn ein Urteilsverfahren nicht stattfindet, schon durch die prozessualen Vorgänge in der Regel weniger belastet wird als nach einer Überweisung, die ihn nötigt, dem erkennenden Richter Rede und Antwort zu stehen. Auch materiell ist der Angeschuldigte gewöhnlich weniger belastet, wenn die Überweisung unterbleibt. Das Bedürfnis nach öffentlicher Entlastung ist daher im allgemeinen geringer als nach der Überweisung. Wenn der Beschwerdeführer geltend macht, diese führe nach bernischem Recht zur öffentlichen Verkündung des Urteils, wogegen ein Aufhebungsbeschluss in geheimer Sitzung gefasst und nur den Parteien mitgeteilt werde, weshalb hier die Veröffentlichung im Sinne des Art. 61 Abs. 2 StGB sich umsomehr aufdränge, verkennt er, dass die geheime Abwicklung des Verfahrens vor dem Untersuchungsrichter und der Überweisungsbehörde dem Angeschuldigten eine öffentliche Anprangerung erspart und damit auch das Bedürfnis nach Veröffentlichung des Aufhebungsbeschlusses mindert. Das Interesse des Verfolgten an der amtlichen Veröffentlichung eines nicht im Urteilsverfahren gefassten Aufhebungsbeschlusses ist je nach Ausgestaltung des Prozesses durch das kantonale Recht grundsätzlich so gering, dass sich die Auffassung durchaus vertreten lässt, dem Angeschuldigten sei genügend gedient, wenn nicht schon das Bundesrecht, sondern höchstens allenfalls das kantonale Prozessrecht sie gestattet. Hier dem kantonalen Recht Raum zu lassen, bestand umsomehr Anlass, als Art. 64 bis Abs. 2 BV und Art. 365 Abs. 1 StGB den Kantonen das gerichtliche Verfahren vorbehalten.
Damit ist zugleich gesagt, dass kein Anlass besteht, Art. 61 Abs. 2 StGB auf die von einer Überweisungsbehörde gefassten Aufhebungsbeschlüsse analog anzuwenden, wie der Beschwerdeführer subsidiär verlangt.
2. Wie die Anklagekammer in einem Entscheid vom 29. Februar 1952 i.S. Monnat, auf den sie sich in vorliegender Sache beruft, in verbindlicher Auslegung des bernischen Prozessrechtes ausgeführt hat, wird im Aufhebungsbeschluss nicht erkannt, der Angeschuldigte habe keine strafbare Handlung begangen, sondern lediglich verfügt, das Verfahren sei nicht fortzusetzen. Auch ist nicht bestritten, dass die Anklagekammer nicht urteilender Richter ist, sondern nur den Zwischenentscheid auf Überweisung an diesen (vgl. z.B. Art. 197 Abs. 3 bern. StrV) oder auf Aufhebung der Untersuchung zu fällen hat. Daher ist Art. 61 Abs. 2 StGB im vorliegenden Falle nicht anwendbar.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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L'art. 61 al. 2 CP n'est pas applicable aux ordonnances de nonlieu rendues par une autorité de renvoi.
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A.- Die Anklagekammer des Kantons Bern beschloss am 22. Mai 1955, das gegen Friedrich Dolder wegen Brandstiftung, eventuell fahrlässiger Verursachung eines Brandes, eingeleitete Strafverfahren aufzuheben, weil keine genügenden Belastungstatsachen vorlägen, die eine Überweisung an das urteilende Gericht zu rechtfertigen vermöchten. Sie sprach Dolder eine Entschädigung zu und auferlegte die Verfahrenskosten dem Staate. Das Begehren des Angeschuldigten um Veröffentlichung des Beschlusses wies sie im wesentlichen mit der Begründung ab, Art. 61 StGB gelte nur für Urteile, Aufhebungsbeschlüsse aber seien keine solchen, da sie sich nicht über den Bestand einer strafbaren Handlung aussprächen, sondern lediglich verfügten, das Verfahren solle nicht fortgesetzt werden.
B.- Dolder führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, die Anklagekammer sei anzuweisen, den Aufhebungsbeschluss gemäss Art. 61 StGB in angemessener Weise veröffentlichen zu lassen.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Art. 61 StGB betrifft die "Veröffentlichung des Urteils" (s. Randtitel); er bestimmt in Abs. 1, wann ein "Strafurteil", in Abs. 2, wann ein "freisprechendes Urteil" zu veröffentlichen ist. Voraussetzung zur Anwendung des einen wie des andern Absatzes ist somit, dass geurteilt, d.h. verbindlich darüber erkannt worden sei, ob der Angeschuldigte sich einer strafbaren Handlung schuldig gemacht habe oder nicht. Das "Strafurteil" bejaht diese Frage, das "freisprechende Urteil" verneint sie. Das ist der Sinn, den diese Worte im allgemeinen haben, und nichts weist darauf hin, dass der Gesetzgeber ihnen eine andere Bedeutung gegeben habe. Dahingestellt bleiben kann, ob Art. 61 Abs. 2 StGB nur anwendbar ist, wenn der Entscheid sich der Wendung, der Angeklagte werde "freigesprochen", ausdrücklich bedient, oder ob inhaltlich ein freisprechendes Urteil auch vorliegt, wenn die zur Verurteilung zuständige Behörde im Erkenntnisverfahren bestimmt, das Verfahren werde "eingestellt", es werde "aufgehoben" oder es werde ihm "keine weitere Folge gegeben" und dgl. Jedenfalls liegt ein freisprechendes Urteil dann nicht vor, wenn die Sache der Behörde, welche die Aufgabe des erkennenden Richters zu erfüllen hat, nicht vorgelegt, das Urteilsverfahren also nicht eingeleitet, sondern die Verfolgung durch eine andere Behörde vorzeitig abgebrochen wird, z.B. indem sie davon absieht, Anklage zu erheben, eine von einer anderen Behörde erhobene Anklage nicht zulässt, das Verfahren "einstellt" oder es "aufhebt".
Freilich mag der Angeschuldigte auch in diesen Fällen ein Interesse haben, dass der Entscheid der Öffentlichkeit bekannt werde. Das kann jedoch dem Bundesgesetzgeber nicht entgangen sein. Hätte er es berücksichtigen wollen, so hätte er die Veröffentlichung nicht auf "Strafurteile" und "freisprechende Urteile" beschränkt, sondern ausdrücklich auch auf Einstellungsbeschlüsse erstreckt, ein Begriff, der ihm aus Art. 268 BStP geläufig war. Von der Veröffentlichung abzusehen, wenn die Sache der zur Verurteilung zuständigen Behörde nicht unterbreitet, das Verfahren vielmehr vorzeitig abgebrochen wird, lässt sich sachlich durchaus rechtfertigen. Die Einstellung des Verfahrens durch die Überweisungsbehörde kommt materiell nicht immer einem vorweggenommenen Freispruch gleich; sie erfolgt nicht selten aus Gründen der Zweckmässigkeit, z.B. weil die verhältnismässig geringe Aussicht auf ein Strafurteil den Aufwand des Urteilsverfahrens nicht rechtfertigt. Nach einem Einstellungsbeschluss kann daher offen bleiben, ob der Angeschuldigte im Falle der Fortsetzung des Verfahrens verurteilt worden wäre. Den Beschluss unter der blossen Voraussetzung, dass das Interesse des Angeschuldigten seine Veröffentlichung gebiete, wie ein freisprechenden Urteil allgemein bekanntzumachen, drängt sich daher keineswegs auf. Das gilt auch dann, wenn das Verfahren nur unter ähnlichen Voraussetzungen wie nach einer Freisprechung zu Ungunsten des Angeschuldigten wieder aufgenommen werden darf. Dazu kommt, dass dieser, wenn ein Urteilsverfahren nicht stattfindet, schon durch die prozessualen Vorgänge in der Regel weniger belastet wird als nach einer Überweisung, die ihn nötigt, dem erkennenden Richter Rede und Antwort zu stehen. Auch materiell ist der Angeschuldigte gewöhnlich weniger belastet, wenn die Überweisung unterbleibt. Das Bedürfnis nach öffentlicher Entlastung ist daher im allgemeinen geringer als nach der Überweisung. Wenn der Beschwerdeführer geltend macht, diese führe nach bernischem Recht zur öffentlichen Verkündung des Urteils, wogegen ein Aufhebungsbeschluss in geheimer Sitzung gefasst und nur den Parteien mitgeteilt werde, weshalb hier die Veröffentlichung im Sinne des Art. 61 Abs. 2 StGB sich umsomehr aufdränge, verkennt er, dass die geheime Abwicklung des Verfahrens vor dem Untersuchungsrichter und der Überweisungsbehörde dem Angeschuldigten eine öffentliche Anprangerung erspart und damit auch das Bedürfnis nach Veröffentlichung des Aufhebungsbeschlusses mindert. Das Interesse des Verfolgten an der amtlichen Veröffentlichung eines nicht im Urteilsverfahren gefassten Aufhebungsbeschlusses ist je nach Ausgestaltung des Prozesses durch das kantonale Recht grundsätzlich so gering, dass sich die Auffassung durchaus vertreten lässt, dem Angeschuldigten sei genügend gedient, wenn nicht schon das Bundesrecht, sondern höchstens allenfalls das kantonale Prozessrecht sie gestattet. Hier dem kantonalen Recht Raum zu lassen, bestand umsomehr Anlass, als Art. 64 bis Abs. 2 BV und Art. 365 Abs. 1 StGB den Kantonen das gerichtliche Verfahren vorbehalten.
Damit ist zugleich gesagt, dass kein Anlass besteht, Art. 61 Abs. 2 StGB auf die von einer Überweisungsbehörde gefassten Aufhebungsbeschlüsse analog anzuwenden, wie der Beschwerdeführer subsidiär verlangt.
2. Wie die Anklagekammer in einem Entscheid vom 29. Februar 1952 i.S. Monnat, auf den sie sich in vorliegender Sache beruft, in verbindlicher Auslegung des bernischen Prozessrechtes ausgeführt hat, wird im Aufhebungsbeschluss nicht erkannt, der Angeschuldigte habe keine strafbare Handlung begangen, sondern lediglich verfügt, das Verfahren sei nicht fortzusetzen. Auch ist nicht bestritten, dass die Anklagekammer nicht urteilender Richter ist, sondern nur den Zwischenentscheid auf Überweisung an diesen (vgl. z.B. Art. 197 Abs. 3 bern. StrV) oder auf Aufhebung der Untersuchung zu fällen hat. Daher ist Art. 61 Abs. 2 StGB im vorliegenden Falle nicht anwendbar.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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L'art. 61 cp. 2 CP non è applicabile ai decreti di non doversi procedere di un'autorità di rinvio.
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81 IV 224
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81 IV 224
Sachverhalt ab Seite 224
A.- Anton Bamert folgte am 1. Dezember 1954 etwa um 18.50 Uhr der vom Bahnhof Winterthur weggehenden Nelly Brügger, die unter ihrem rechten Arm eine Handtasche mit Geld und anderem Inhalt trug. Er beabsichtigte, sich die Tasche mit den darin versorgten Sachen anzueignen, um sich unrechtmässig zu bereichern. An der Lindstrasse rannte er von hinten an die Fussgängerin heran und versuchte, ihr die Tasche nach vorn wegzureissen. Das gelang ihm erst durch ein zweites Zerren, da Frau Brügger trotz der Überraschung zunächst ihr Gut mit dem Arm fester einzuklemmen vermochte. Bamert lief mit der Beute davon, gab sie aber preis, als er von einem Dritten gestellt wurde.
B.- Entgegen dem Antrage der Staatsanwaltschaft, welche die Tat als Raub würdigte (Art. 139 Ziff. 1 StGB), erklärte das Obergericht des Kantons Zürich Bamert mit Urteil vom 16. Mai 1955 lediglich des einfachen Diebstahls schuldig (Art. 137 Ziff. 1 StGB). Zur Begründung führte es aus, von einem eigentlichen Widerstand der Angegriffenen, der mit Gewalt hätte überwunden werden müssen, könne nicht die Rede sein. Soweit Bamert Gewalt verübt habe, sei sie gegen eine Sache, nicht gegen die Person gerichtet worden. Er sei durch sein schnelles und überraschendes Zupacken jedem Widerstand zuvorgekommen. Da Frau Brügger in keinem Augenblick in der freien Bildung und Betätigung ihres Willens gehindert gewesen sei, liege lediglich Diebstahl vor. Das Obergericht verurteilte Bamert unter Anrechnung von drei Tagen Untersuchungshaft zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von vier Monaten.
C.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich beantragt, das Urteil sei aufzuheben und die Sache zur Bestrafung des Angeklagten wegen Raubes an das Obergericht zurückzuweisen. Sie macht geltend, indem Bamert den im festeren Einklemmen der Tasche liegenden Widerstand der Frau Brügger überwunden habe, habe er nicht nur gegen eine Sache, sondern gegen eine Person Gewalt verübt. Nicht nötig sei, dass Frau Brügger die Tasche krampfhaft festgehalten habe. Nach BGE 78 IV 227 liege Raub schon vor, wenn der Täter nur zum Teil Gewalt anwende, zum Teil dagegen das Opfer durch ein anderes Mittel, z.B. durch Hervorrufung von Verblüffung und Schrecken, zum Widerstand unfähig mache. Bamert habe den Raub auch vollendet, da er den Widerstand ganz gebrochen, die Angegriffene zu weiterer Gegenwehr vollständig unfähig gemacht habe.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
Des Raubes macht sich schuldig, "wer in der Absicht, einen Diebstahl zu begehen, oder wer, auf einem Diebstahl betreten, an einer Person Gewalt verübt, sie mit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib und Leben bedroht oder sie in anderer Weise zum Widerstand unfähig macht" (Art. 139 Ziff. 1 StGB).
Die Auffassung des Obergerichts, der Beschwerdegegner habe nicht "an einer Person", sondern nur an einer Sache Gewalt verübt, hält nicht stand. Mag er auch nur Hand an die Tasche gelegt und die Besitzerin nicht berührt haben, so musste er doch einen durch das verstärkte Einklemmen der Sache geleisteten körperlichen Widerstand überwinden, um zum Ziele zu gelangen, und da dieser von einer Person geleistet wurde, war auch der auf Überwindung gerichtete Aufwand an Kraft, so geringfügig er gewesen sein mag, Gewalt an der Person.
Das genügt jedoch zur Anwendung des Art. 139 StGB nicht. Die Gewalt stempelt die Tat nur dann zum Raub, wenn der Täter die Person, an der er sie verübt, sei es durch dieses Mittel allein, sei es in Verbindung mit anderen Schritten ("in anderer Weise"), zum Widerstand vollständig unfähig macht (BGE 71 IV 122, BGE 78 IV 232). Wie die Gewalt, muss aber auch das sie ergänzende oder ersetzende andere Mittel auf die Person einwirken. Das ergibt sich aus den im Gesetzestext angeführten Beispielen, die zugleich zeigen, dass die Einwirkung nicht eine körperliche zu sein braucht wie im Falle der Anwendung von Gewalt, sondern auch eine psychische sein kann wie bei Bedrohung mit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben. So setzt sich der Strafe wegen Raubes auch aus, wer jemanden durch Betäubung, Hypnose, Anwendung von Tränengas, Blendung, Schrecklähmung usw. zum Widerstand vollständig unfähig macht. Wer dagegen auf den Körper oder die Psyche der Person nicht oder nicht im Sinne einer vollständigen Verunmöglichung des Widerstandes einwirkt, sondern der Abwehr ganz oder teilweise durch List, Überraschung und dergleichen zuvorkommt, begeht keinen Raub. Das Gesetz kann den, der z.B. durch einen raschen Griff nach der Sache oder durch Ablenkung der Aufmerksamkeit ihres Besitzers die Abwehr ausschaltet, nicht mit der strengen Mindeststrafe von sechs Monaten Gefängnis belegen wollen (Art. 139 Ziff. 1 StGB), während es für ausgezeichneten Diebstahl nur mindestens drei Monate Gefängnis androht (Art. 137 Ziff. 2 StGB). Die höhere Mindeststrafe für Raub entspricht einer besonderen, über den ausgezeichneten Diebstahl hinausgehenden Verwerflichkeit der Tat, wie sie nur in der Ausschaltung des Widerstandes durch Einwirkung auf die Person liegen kann. An der in BGE 78 IV 232 vertretenen Auffassung, dass auch die Ausschaltung des Widerstandes durch Verblüffung (Überraschung) des Opfers die Tat zum Raub mache, ist also nicht festzuhalten.
Dass der Beschwerdegegner dem Widerstand der Frau Brügger, wie beabsichtigt, durch überraschendes Vorgehen im wesentlichen zuvorkam, fällt somit für die Beurteilung der Tat als Raub ausser Betracht. Die Gewalt aber, die angewendet wurde, um den angesichts der Überraschung nur geringen Widerstand des Opfers zu überwinden, war für sich allein weder geeignet noch bestimmt, Frau Brügger zum Widerstand vollständig unfähig zu machen; der Beschwerdegegner wollte Gewalt nur soweit anwenden, als der verblüfften Besitzerin der Handtasche für etwelche Abwehr Zeit bleiben würde. Das Obergericht hat ihn daher mit Recht weder des Raubes noch des Raubversuches, sondern nur des Diebstahls schuldig erklärt.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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Art. 139 Ziff. 1 StGB. Wer auf den Körper oder die Psyche der Person nicht oder nicht im Sinne einer vollständigen Verunmöglichung des Widerstandes einwirkt, sondern der Abwehr ganz oder teilweise durch List, Überraschung und dgl. zuvorkommt, begeht keinen Raub.
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Sachverhalt ab Seite 224
A.- Anton Bamert folgte am 1. Dezember 1954 etwa um 18.50 Uhr der vom Bahnhof Winterthur weggehenden Nelly Brügger, die unter ihrem rechten Arm eine Handtasche mit Geld und anderem Inhalt trug. Er beabsichtigte, sich die Tasche mit den darin versorgten Sachen anzueignen, um sich unrechtmässig zu bereichern. An der Lindstrasse rannte er von hinten an die Fussgängerin heran und versuchte, ihr die Tasche nach vorn wegzureissen. Das gelang ihm erst durch ein zweites Zerren, da Frau Brügger trotz der Überraschung zunächst ihr Gut mit dem Arm fester einzuklemmen vermochte. Bamert lief mit der Beute davon, gab sie aber preis, als er von einem Dritten gestellt wurde.
B.- Entgegen dem Antrage der Staatsanwaltschaft, welche die Tat als Raub würdigte (Art. 139 Ziff. 1 StGB), erklärte das Obergericht des Kantons Zürich Bamert mit Urteil vom 16. Mai 1955 lediglich des einfachen Diebstahls schuldig (Art. 137 Ziff. 1 StGB). Zur Begründung führte es aus, von einem eigentlichen Widerstand der Angegriffenen, der mit Gewalt hätte überwunden werden müssen, könne nicht die Rede sein. Soweit Bamert Gewalt verübt habe, sei sie gegen eine Sache, nicht gegen die Person gerichtet worden. Er sei durch sein schnelles und überraschendes Zupacken jedem Widerstand zuvorgekommen. Da Frau Brügger in keinem Augenblick in der freien Bildung und Betätigung ihres Willens gehindert gewesen sei, liege lediglich Diebstahl vor. Das Obergericht verurteilte Bamert unter Anrechnung von drei Tagen Untersuchungshaft zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von vier Monaten.
C.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich beantragt, das Urteil sei aufzuheben und die Sache zur Bestrafung des Angeklagten wegen Raubes an das Obergericht zurückzuweisen. Sie macht geltend, indem Bamert den im festeren Einklemmen der Tasche liegenden Widerstand der Frau Brügger überwunden habe, habe er nicht nur gegen eine Sache, sondern gegen eine Person Gewalt verübt. Nicht nötig sei, dass Frau Brügger die Tasche krampfhaft festgehalten habe. Nach BGE 78 IV 227 liege Raub schon vor, wenn der Täter nur zum Teil Gewalt anwende, zum Teil dagegen das Opfer durch ein anderes Mittel, z.B. durch Hervorrufung von Verblüffung und Schrecken, zum Widerstand unfähig mache. Bamert habe den Raub auch vollendet, da er den Widerstand ganz gebrochen, die Angegriffene zu weiterer Gegenwehr vollständig unfähig gemacht habe.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
Des Raubes macht sich schuldig, "wer in der Absicht, einen Diebstahl zu begehen, oder wer, auf einem Diebstahl betreten, an einer Person Gewalt verübt, sie mit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib und Leben bedroht oder sie in anderer Weise zum Widerstand unfähig macht" (Art. 139 Ziff. 1 StGB).
Die Auffassung des Obergerichts, der Beschwerdegegner habe nicht "an einer Person", sondern nur an einer Sache Gewalt verübt, hält nicht stand. Mag er auch nur Hand an die Tasche gelegt und die Besitzerin nicht berührt haben, so musste er doch einen durch das verstärkte Einklemmen der Sache geleisteten körperlichen Widerstand überwinden, um zum Ziele zu gelangen, und da dieser von einer Person geleistet wurde, war auch der auf Überwindung gerichtete Aufwand an Kraft, so geringfügig er gewesen sein mag, Gewalt an der Person.
Das genügt jedoch zur Anwendung des Art. 139 StGB nicht. Die Gewalt stempelt die Tat nur dann zum Raub, wenn der Täter die Person, an der er sie verübt, sei es durch dieses Mittel allein, sei es in Verbindung mit anderen Schritten ("in anderer Weise"), zum Widerstand vollständig unfähig macht (BGE 71 IV 122, BGE 78 IV 232). Wie die Gewalt, muss aber auch das sie ergänzende oder ersetzende andere Mittel auf die Person einwirken. Das ergibt sich aus den im Gesetzestext angeführten Beispielen, die zugleich zeigen, dass die Einwirkung nicht eine körperliche zu sein braucht wie im Falle der Anwendung von Gewalt, sondern auch eine psychische sein kann wie bei Bedrohung mit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben. So setzt sich der Strafe wegen Raubes auch aus, wer jemanden durch Betäubung, Hypnose, Anwendung von Tränengas, Blendung, Schrecklähmung usw. zum Widerstand vollständig unfähig macht. Wer dagegen auf den Körper oder die Psyche der Person nicht oder nicht im Sinne einer vollständigen Verunmöglichung des Widerstandes einwirkt, sondern der Abwehr ganz oder teilweise durch List, Überraschung und dergleichen zuvorkommt, begeht keinen Raub. Das Gesetz kann den, der z.B. durch einen raschen Griff nach der Sache oder durch Ablenkung der Aufmerksamkeit ihres Besitzers die Abwehr ausschaltet, nicht mit der strengen Mindeststrafe von sechs Monaten Gefängnis belegen wollen (Art. 139 Ziff. 1 StGB), während es für ausgezeichneten Diebstahl nur mindestens drei Monate Gefängnis androht (Art. 137 Ziff. 2 StGB). Die höhere Mindeststrafe für Raub entspricht einer besonderen, über den ausgezeichneten Diebstahl hinausgehenden Verwerflichkeit der Tat, wie sie nur in der Ausschaltung des Widerstandes durch Einwirkung auf die Person liegen kann. An der in BGE 78 IV 232 vertretenen Auffassung, dass auch die Ausschaltung des Widerstandes durch Verblüffung (Überraschung) des Opfers die Tat zum Raub mache, ist also nicht festzuhalten.
Dass der Beschwerdegegner dem Widerstand der Frau Brügger, wie beabsichtigt, durch überraschendes Vorgehen im wesentlichen zuvorkam, fällt somit für die Beurteilung der Tat als Raub ausser Betracht. Die Gewalt aber, die angewendet wurde, um den angesichts der Überraschung nur geringen Widerstand des Opfers zu überwinden, war für sich allein weder geeignet noch bestimmt, Frau Brügger zum Widerstand vollständig unfähig zu machen; der Beschwerdegegner wollte Gewalt nur soweit anwenden, als der verblüfften Besitzerin der Handtasche für etwelche Abwehr Zeit bleiben würde. Das Obergericht hat ihn daher mit Recht weder des Raubes noch des Raubversuches, sondern nur des Diebstahls schuldig erklärt.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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Art. 139 ch. 1 CP. Ne commet pas un acte de brigandage celui qui n'use pas de violence physique ou morale sur une personne ou qui, par une telle violence, ne met pas sa victime complètement hors d'état de résister, mais qui prévient sa défense, totalement ou en partie, par la ruse, la surprise ou des moyens semblables.
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Sachverhalt ab Seite 224
A.- Anton Bamert folgte am 1. Dezember 1954 etwa um 18.50 Uhr der vom Bahnhof Winterthur weggehenden Nelly Brügger, die unter ihrem rechten Arm eine Handtasche mit Geld und anderem Inhalt trug. Er beabsichtigte, sich die Tasche mit den darin versorgten Sachen anzueignen, um sich unrechtmässig zu bereichern. An der Lindstrasse rannte er von hinten an die Fussgängerin heran und versuchte, ihr die Tasche nach vorn wegzureissen. Das gelang ihm erst durch ein zweites Zerren, da Frau Brügger trotz der Überraschung zunächst ihr Gut mit dem Arm fester einzuklemmen vermochte. Bamert lief mit der Beute davon, gab sie aber preis, als er von einem Dritten gestellt wurde.
B.- Entgegen dem Antrage der Staatsanwaltschaft, welche die Tat als Raub würdigte (Art. 139 Ziff. 1 StGB), erklärte das Obergericht des Kantons Zürich Bamert mit Urteil vom 16. Mai 1955 lediglich des einfachen Diebstahls schuldig (Art. 137 Ziff. 1 StGB). Zur Begründung führte es aus, von einem eigentlichen Widerstand der Angegriffenen, der mit Gewalt hätte überwunden werden müssen, könne nicht die Rede sein. Soweit Bamert Gewalt verübt habe, sei sie gegen eine Sache, nicht gegen die Person gerichtet worden. Er sei durch sein schnelles und überraschendes Zupacken jedem Widerstand zuvorgekommen. Da Frau Brügger in keinem Augenblick in der freien Bildung und Betätigung ihres Willens gehindert gewesen sei, liege lediglich Diebstahl vor. Das Obergericht verurteilte Bamert unter Anrechnung von drei Tagen Untersuchungshaft zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von vier Monaten.
C.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich beantragt, das Urteil sei aufzuheben und die Sache zur Bestrafung des Angeklagten wegen Raubes an das Obergericht zurückzuweisen. Sie macht geltend, indem Bamert den im festeren Einklemmen der Tasche liegenden Widerstand der Frau Brügger überwunden habe, habe er nicht nur gegen eine Sache, sondern gegen eine Person Gewalt verübt. Nicht nötig sei, dass Frau Brügger die Tasche krampfhaft festgehalten habe. Nach BGE 78 IV 227 liege Raub schon vor, wenn der Täter nur zum Teil Gewalt anwende, zum Teil dagegen das Opfer durch ein anderes Mittel, z.B. durch Hervorrufung von Verblüffung und Schrecken, zum Widerstand unfähig mache. Bamert habe den Raub auch vollendet, da er den Widerstand ganz gebrochen, die Angegriffene zu weiterer Gegenwehr vollständig unfähig gemacht habe.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
Des Raubes macht sich schuldig, "wer in der Absicht, einen Diebstahl zu begehen, oder wer, auf einem Diebstahl betreten, an einer Person Gewalt verübt, sie mit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib und Leben bedroht oder sie in anderer Weise zum Widerstand unfähig macht" (Art. 139 Ziff. 1 StGB).
Die Auffassung des Obergerichts, der Beschwerdegegner habe nicht "an einer Person", sondern nur an einer Sache Gewalt verübt, hält nicht stand. Mag er auch nur Hand an die Tasche gelegt und die Besitzerin nicht berührt haben, so musste er doch einen durch das verstärkte Einklemmen der Sache geleisteten körperlichen Widerstand überwinden, um zum Ziele zu gelangen, und da dieser von einer Person geleistet wurde, war auch der auf Überwindung gerichtete Aufwand an Kraft, so geringfügig er gewesen sein mag, Gewalt an der Person.
Das genügt jedoch zur Anwendung des Art. 139 StGB nicht. Die Gewalt stempelt die Tat nur dann zum Raub, wenn der Täter die Person, an der er sie verübt, sei es durch dieses Mittel allein, sei es in Verbindung mit anderen Schritten ("in anderer Weise"), zum Widerstand vollständig unfähig macht (BGE 71 IV 122, BGE 78 IV 232). Wie die Gewalt, muss aber auch das sie ergänzende oder ersetzende andere Mittel auf die Person einwirken. Das ergibt sich aus den im Gesetzestext angeführten Beispielen, die zugleich zeigen, dass die Einwirkung nicht eine körperliche zu sein braucht wie im Falle der Anwendung von Gewalt, sondern auch eine psychische sein kann wie bei Bedrohung mit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben. So setzt sich der Strafe wegen Raubes auch aus, wer jemanden durch Betäubung, Hypnose, Anwendung von Tränengas, Blendung, Schrecklähmung usw. zum Widerstand vollständig unfähig macht. Wer dagegen auf den Körper oder die Psyche der Person nicht oder nicht im Sinne einer vollständigen Verunmöglichung des Widerstandes einwirkt, sondern der Abwehr ganz oder teilweise durch List, Überraschung und dergleichen zuvorkommt, begeht keinen Raub. Das Gesetz kann den, der z.B. durch einen raschen Griff nach der Sache oder durch Ablenkung der Aufmerksamkeit ihres Besitzers die Abwehr ausschaltet, nicht mit der strengen Mindeststrafe von sechs Monaten Gefängnis belegen wollen (Art. 139 Ziff. 1 StGB), während es für ausgezeichneten Diebstahl nur mindestens drei Monate Gefängnis androht (Art. 137 Ziff. 2 StGB). Die höhere Mindeststrafe für Raub entspricht einer besonderen, über den ausgezeichneten Diebstahl hinausgehenden Verwerflichkeit der Tat, wie sie nur in der Ausschaltung des Widerstandes durch Einwirkung auf die Person liegen kann. An der in BGE 78 IV 232 vertretenen Auffassung, dass auch die Ausschaltung des Widerstandes durch Verblüffung (Überraschung) des Opfers die Tat zum Raub mache, ist also nicht festzuhalten.
Dass der Beschwerdegegner dem Widerstand der Frau Brügger, wie beabsichtigt, durch überraschendes Vorgehen im wesentlichen zuvorkam, fällt somit für die Beurteilung der Tat als Raub ausser Betracht. Die Gewalt aber, die angewendet wurde, um den angesichts der Überraschung nur geringen Widerstand des Opfers zu überwinden, war für sich allein weder geeignet noch bestimmt, Frau Brügger zum Widerstand vollständig unfähig zu machen; der Beschwerdegegner wollte Gewalt nur soweit anwenden, als der verblüfften Besitzerin der Handtasche für etwelche Abwehr Zeit bleiben würde. Das Obergericht hat ihn daher mit Recht weder des Raubes noch des Raubversuches, sondern nur des Diebstahls schuldig erklärt.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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Art. 139 cp. 1 CP. Non commette rapina chi non usa violenza fisica o morale su una persona o chi, usando tale violenza, non rende la sua vittima completamente incapace di opporre resistenza ma ne previene la difesa, totalmente o parzialmente, con l'astuzia, con la sorpresa o con mezzi analoghi.
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criminal law and criminal procedure
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81 IV 228
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81 IV 228
Sachverhalt ab Seite 228
A.- Josef Kronenberger war Gemeindeschreiber von Inwil und hatte auch die Gemeindesteuern einzuziehen. Von 1944 bis 1950 radierte er in den Steuerbezugsregistern der Gemeinde Zahlen aus, welche die von den Steuerpflichtigen geschuldeten Beträge bezeichneten, und ersetzte sie bewusst und gewollt durch unrichtige niedrigere. Auch setzte er bewusst und gewollt am Fusse von Kolonnen zu niedrige Summen hin. Durch die Abänderungen und Falschadditionen spiegelte er vor, dass die Steuerforderungen der Gemeinde um Fr. 18'174.30 niedriger seien, als sie in Wirklichkeit waren. Kronenberger wollte damit verheimlichen, dass in der Kasse Geld fehlte, weil er einerseits sich solches angeeignet und anderseits aus Entgegenkommen gegenüber Steuerpflichtigen geschuldete Beträge nicht eingezogen hatte. Die Summe des angeeigneten Geldes erreichte ungefähr Fr. 2300.--. Zur Vertuschung nicht eingezogener Beträge will Kronenberger, der mehr als Fr. 100'000.-- eigenes Vermögen hatte, anfänglich Ablieferungen aus eigenen Mitteln gemacht haben. Später will er sich dafür an Steuergeldern schadlos gehalten und die Ausstände durch die erwähnten Änderungen und Falschadditionen im Steuerbezugsregister verschleiert haben.
B.- Am 18. März 1955 verurteilte das Kriminalgericht des Kantons Luzern Kronenberger wegen fortgesetzter Veruntreuung (Art. 140 Ziff. 2 StGB), fortgesetzter ungetreuer Geschäftsführung (Art. 159 StGB), fortgesetzter Urkundenfälschung (Art. 317 StGB) und anderer Verbrechen zu drei Jahren Zuchthaus und stellte ihn für fünf Jahre in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit ein.
Auf Appellation des Verurteilten sprach das Obergericht des Kantons Luzern ihn am 13. Juh. 1955 von der Anklage der ungetreuen Gesch äftsführung frei. Es führte hiezu im wesentlichen aus, soweit er das Steuerinkasso unterlassen habe, habe er die Gemeinde in dem Masse geschädigt, als Eintreibung möglich gewesen wäre und er den Fehlbetrag nicht durch Vorschüsse ausgeglichen habe. Dass er das Inkasso absichtlich unterlassen habe, habe er zugegeben. Der Tatbestand der ungetreuen Geschäftsführung wäre also erfüllt. Art. 159 StGB sei jedoch auf Beamte nicht anzuwenden. Auch Art. 314 StGB treffe nicht zu; denn Kronenberger habe beim Steuerinkasso nicht Rechtsgeschäfte besorgt. Erfüllt wäre der Tatbestand der vorsätzlichen Amtspflichtverletzung nach § 56 EG StGB, doch sei diese Übertretung verjährt.
Wegen der anderen Verbrechen verurteilte das Obergericht den Angeklagten zu zwei Jahren Zuchthaus. Es stellte ihn für fünf Jahre in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit ein und verfügte, dass er während acht Jahren nicht mehr in ein Amt gewählt werden dürfe.
C.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und dieses sei anzuweisen, den Angeklagten auch der ungetreuen Geschäftsführung schuldig zu erklären und die Strafe daher neu zu bemessen.
Kronenberger führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag auf Rückweisung zur Freisprechung von der Anklage der Urkundenfälschung nach Art. 317 StGB und der Veruntreuung nach Art. 140 Ziff. 2 StGB und zu entsprechender Minderung der Strafe.
D.- Jede Partei beantragt Abweisung der Beschwerde der Gegenpartei.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. a) Nach Art. 159 StGB ist mit Gefängnis zu bestrafen, "wer jemanden am Vermögen schädigt, für das er infolge einer gesetzlichen oder einer vertraglich übernommenen Pflicht sorgen soll". Handelt der Täter aus Gewinnsucht, so ist die Strafe Gefängnis bis zu fünf Jahren und Busse. Art. 314 StGB dagegen bestimmt, dass "Mitglieder einer Behörde oder Beamte, die bei einem Rechtsgeschäfte die von ihnen zu wahrenden öffentlichen Interessen schädigen, um sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen", mit Zuchthaus bis zu drei Jahren und Busse oder mit Gefängnis und Busse zu bestrafen seien.
Das Obergericht hält dafür, Art. 159 sei auf Beamte nicht anwendbar, weil sonst Art. 314 überflüssig wäre, da die hier unter Strafe gestellten Handlungen einen typischen Fall ungetreuer Geschäftsführung bilden würden. Damit verkennt es, dass die wesentlich schwerere Strafandrohung des Art. 314 dieser Bestimmung auch neben Art. 159 StGB Sinn verleiht. Art. 314 StGB will die Behördenmitglieder und Beamten schärfer bestraft wissen, wenn sie die ungetreue Geschäftsführung unter erschwerenden Umständen begehen, nämlich wenn sie bei einem Rechtsgeschäfte die von ihnen zu wahrenden öffentlichen Interessen schädigen, um sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, so ist Art. 314 unter Ausschluss des Art. 159 anzuwenden. Fehlen sie dagegen, so besteht kein Grund, das Behördenmitglied oder den Beamten nicht nach letzterer Bestimmung zu bestrafen. Sie nicht anzuwenden, liefe auf eine Bevorzugung dessen hinaus, der Amtsgeschäfte ungetreu führt. Das selbst dann, wenn, was in BGE 74 IV 168 offen gelassen wurde und auch heute offen bleiben kann, die Kantone berechtigt sein sollten, Amtspflichtverleztungen ihrer Behördenmitglieder und Beamten mit Strafe zu bedrohen; denn das dürfte jedenfalls nur Übertretungsstrafe, also Haft und Busse, sein (Art. 335 Ziff. 1 StGB; BGE 69 IV 7 ff.). Besonders bevorzugt wären die Mitglieder eidgenössischer Behörden und die eidgenössischen Beamten, da sie den kantonalen Bestimmungen gegen Amtspflichtverletzungen zum vornherein nicht unterstehen könnten und eine entsprechende Sondernorm im Bundesrecht fehlt, so dass sie, von Disziplinarmassnahmen abgesehen, straflos ausgingen. Das kann umsoweniger der Wille des Gesetzes sein, als schon Art. 57 des Bundesgesetzes vom 4. Februar 1853 über das Bundesstrafrecht der schweizerischen Eidgenossenschaft Geldbusse und Amtsentsetzung androhte für den Fall, dass ein Beamter oder Angestellter des Bundes durch Vernachlässigung seiner Geschäfte einen erheblichen Schaden stiftete oder eine bedeutende Störung in dem betreffenden Dienstzweige verursachte. Da die Art. 312 ff. StGB keine entsprechende Norm enthalten, muss die ungetreue Geschäftsführung von Behördenmitgliedern und Beamten von Art. 159 StGB erfasst werden, soweit nicht Art. 314 StGB zutrifft.
Dass die Erfüllung amtlicher Aufgaben nicht Geschäftsführung, sondern Amtsführung genannt zu werden pflegt, ist kein sachlicher Grund, Art. 159 auf sie nicht anzuwenden; auch wer amtlich tätig ist, führt in einem weiteren Sinne Geschäfte. Dem Worte Geschäftsführung kann umsoeher diese Bedeutung entnommen werden, als es nur im Randtitel steht. Art. 159 schützt schlechthin das "Vermögen", für das jemand "infolge einer gesetzlichen oder einer vertraglich übernommenen Pflicht sorgen soll". Darunter ist nicht nur das Vermögen von Privaten, sondern auch jenes des Gemeinwesens zu verstehen. Dass auch ein Beamter an dem ihm anvertrauten öffentlichen Gut Untreue im Sinne dieser Bestimmung verüben kann, wurde schon von ZÜRCHER in den Erläuterungen zum Vorentwurf von 1908, S. 163, hervorgehoben. Die gleiche Auffassung vertreten HAFTER, Lehrbuch S. 838, und LOGOZ, N. 2 zu Art. 159 StGB.
b) Kronenberger hat durch bewusste und gewollte Nichteinziehung von Steuern, die geschuldet und einbringlich waren, die Gemeinde Inwil am Vermögen geschädigt. Die Einziehung der Steuern gehörte zu seinen Pflichten, gleichgültig ob von Gesetzes wegen oder kraft Weisung des Gemeinderates. Daher ist Art. 159 StGB objektiv und subjektiv erfüllt. Der Einwand Kronenbergers, seine Tat sei nicht rechtswidrig, weil die ihm vorgesetzte Behörde sämtliche Gemeinderechnungen genehmigt habe, ist trölerisch; denn die Genehmigung erfolgte in Unkenntnis der Untreue, da er sie durch Fälschungen verschleiert hatte. Kronenberger ist deshalb nach Art. 159 StGB zu bestrafen. § 56 luz. EG StGB steht dem nicht im Wege, da diese Bestimmung, falls sie überhaupt zulässig sein sollte, jedenfalls nur angewendet werden könnte, wenn nicht Bundesrecht die Tat mit Strafe bedrohte (BGE 74 IV 167 f.).
2. Nach Art. 140 Ziff. 1 StGB ist zu bestrafen, wer sich eine ihm anvertraute fremde bewegliche Sache aneignet, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern (Abs. 1), oder wer anvertrautes Gut, namentlich Geld, unrechtmässig in seinem oder eines andern Nutzen verwendet (Abs. 2).
a) Das Geld, das Kronenberger für die Gemeinde Inwil als Steuern einzog, war ihm im Sinne von Art. 140 Ziff. 1 StGB anvertraut. Er bestreitet das denn auch nicht.
b) Das Geld trat mit der Bezahlung in das Eigentum der Gemeinde, in deren Namen Kronenberger es entgegennahm. Dieser hatte es getrennt von seinem eigenen Gelde aufzubewahren. Das ergibt sich aus einer Weisung des Gemeindedepartements des Kantons Luzern an die Gemeindeverwaltungen und Rechnungsprüfungskommissionen über die Rechnungsführung, Rechnungsablage und Rechnungsprüfung vom 27. Februar 1947, wonach jeder Beamte, der Gemeindegelder verwaltet, eine besondere, von seinen privaten Geldern getrennte Kasse zu führen hat, eine Pflicht, die sich zudem von selbst versteht. Das eingezogene Geld war somit "fremde" bewegliche Sache.
Die Tat Kronenbergers ist deshalb nach dem ersten, nicht nach dem zweiten Absatz von Art. 140 Ziff. 1 StGB zu beurteilen. Absatz 2 wurde erlassen, damit auch strafbar sei, wer Eigentümer des anvertrauten Gutes ist, das er unrechtmässig in seinem oder eines andern Nutzen verwendet (BGE 70 IV 72). Durch diese Bestimmung wollte das Anwendungsgebiet des Art. 140 erweitert, nicht jenes des Abs. 1 dahin eingeschränkt werden, dass jedesmal dann, wenn die fremde bewegliche Sache in "Gut, namentlich Geld" besteht, statt des ersten der zweite Absatz anzuwenden wäre, d.h. nicht schon das "Aneignen", sondern nur das "Verwenden" des Gutes Strafe nach sich zöge. Zu dieser Einschränkung bestand kein Grund. Wer sich eine fremde bewegliche Sache aneignet, möge sie auch in "Gut, namentlich Geld" bestehen, ist daher nach Abs. 1 und nur nach dieser Bestimmung zu bestrafen. Dem widerspricht BGE 70 IV 72 nicht; denn wenn dort ausgeführt wurde, Abs. 2 unterscheide nicht, in wessen Eigentum das anvertraute Gut stehe, so wollte damit nur gesagt werden, diese Bestimmung verlange nicht, dass es Eigentum eines andern sei. Ob Abs. 2 nur für die Veruntreuung eigenen Gutes gelte, war damals nicht zu entscheiden.
Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob Kronenberger im Sinne des Abs. 2 vom eingezogenen Gelde unrechtmässig in seinem oder eines andern Nutzen "verwendet" hat. Nach Abs. 1 liegt die Veruntreuung im "Aneignen", d.h. darin, dass der Täter die fremde Sache als eigene behandelt. Das hat Kronenberger nach der Feststellung des Obergerichts an Beträgen von zusammen ungefähr Fr. 2300.-- getan. Zwar sagt das Obergericht nicht ausdrücklich, er habe sich diesen Betrag "angeeignet", wirft ihm aber vor, er habe ihn "veruntreut", worunter es nichts anderes verstehen kann als das Kriminalgericht, das ihn des Aneignens zeiht, wenn auch einer um rund Fr. 1700.-- höheren Summe als das Obergericht. Kronenberger selber legt das angefochtene Urteil so aus, wenn er geltend macht, es werfe ihm vor, er habe eingezogene Steuern für sich zurückbehalten. Ob das zutrifft, ist Tatfrage- Die Aussetzungen Kronenbergers an der vorinstanzlichen Feststellung sind daher nicht zu hören; diese bindet den Kassationshof (Art. 273 Abs. 1 lit. b, Art. 277 bis Abs. 1 BStP).
c) Kronenberger will nicht beabsichtigt haben, durch die Aneignung des Geldes sich oder einen andern unrechtmässig zu bereichern; denn sein Vermögensstand habe es ihm jederzeit ermöglicht, gegebenenfalls Ersatz zu leisten.
Er verkennt, dass diese Fähigkeit die Bereicherungsabsicht nur ausgeschlossen hätte, wenn er willens gewesen wäre, jederzeit sofort Ersatz zu leisten (BGE 74 IV 30 f., BGE 77 IV 12 f.). Dass er diesen Willen gehabt habe, behauptet er nicht. Er fehlte ihm denn auch offensichtlich, sonst hätte er, da er dazu fähig war, Ersatz auch tatsächlich geleistet, nicht die Aneignung durch Abänderungen und Falschadditionen im Steuerbezugsregister verschleiert und zwecks Verunmöglichung der Nachkontrolle Gemeinderechnungen, Inkassoabrechnungen und Teile des Gemeindesteuerbezugsregisters vernichtet.
Ebensowenig wird die Absicht unrechtmässiger Bereicherung durch die Behauptung Kronenbergers widerlegt, er habe gegen die Gemeinde eine Forderung von Fr. 7222.70 gehabt, weil er für gewisse Steuerschuldner die Steuern aus eigenen Mitteln bezahlt habe. Sollte er - was sich aus dem angefochtenen Urteil nicht klar ergibt - tatsächlich so vorgegangen sein, so ergäben sich daraus keine Ansprüche gegen die Gemeinde, deren Steuerforderungen er getilgt hätte, sondern höchstens ein Rückgriffsrecht gegen die Steuerschuldner, an deren Stelle er es getan haben will, um sich bei ihnen beliebt zu machen. Wer die Schuld eines andern bezahlt, kann vom Gläubiger nicht zurückfordern, da er zum Zwecke der Schuldentilgung, nicht zum Zwecke des Kreditierens leistet. Aber selbst wenn Kronenberger die angeblich bezahlten Beträge von der Gemeinde hätte zurückverlangen können, hätte seine Forderung die Absicht unrechtmässiger Bereicherung bei der Aneignung eingezogenen Steuergeldes nur ausgeschlossen, wenn er durch eine Erklärung den Willen bekundet hätte, das Angeeignete durch Verrechnung mit der behaupteten Forderung zu ersetzen (Art. 124 OR; BGE 74 IV 32). Dass er eine solche Erklärung abgegeben habe, behauptet er nicht. Gegenteils hat er die Aneignung durch Abänderungen und Falschadditionen im Steuerbezugsregister verheimlicht, was den Willen zur Verrechnung ausschloss. Aus dem gleichen Grunde hilft ihm auch die Behauptung nicht, er habe gegen die Gemeinde ausserdem Honoraransprüche gehabt.
d) Kronenberger bestreitet mit Recht nicht, die Tat bewusst und gewollt, also vorsätzlich begangen zu haben.
e) Da er die Veruntreuungen in der Eigenschaft als Beamter begangen hat, ist die Strafe mit Recht nach Art. 140 Ziff. 2 StGB bemessen worden.
3. (Urkundenfälschung.)
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
1.- Die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird gutgeheissen, das Urteil der II. Kammer des Obergerichts des Kantons Luzern vom 13. Juli 1955 aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
2.- Die Nichtigkeitsbeschwerde des Josef Kronenberger wird abgewiesen.
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1. Art. 159 StGB gilt auch für die ungetreue Geschäftsführung von Behördenmitgliedern und Beamten, soweit nicht Art. 314 StGB zutrifft (Erw. 1). 2. Art. 140 Ziff. 1 StGB.
a) Wer sich eine ihm anvertraute fremde bewegliche Sache aneignet, möge sie auch in "Gut, namentlich Geld" bestehen, ist nach Abs. 1 zu bestrafen (Erw. 2 lit. b).
b) Merkmale der die Absicht unrechtmässiger Bereicherung ausschliessenden Ersatzbereitschaft (Erw. 2 lit. c).
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Sachverhalt ab Seite 228
A.- Josef Kronenberger war Gemeindeschreiber von Inwil und hatte auch die Gemeindesteuern einzuziehen. Von 1944 bis 1950 radierte er in den Steuerbezugsregistern der Gemeinde Zahlen aus, welche die von den Steuerpflichtigen geschuldeten Beträge bezeichneten, und ersetzte sie bewusst und gewollt durch unrichtige niedrigere. Auch setzte er bewusst und gewollt am Fusse von Kolonnen zu niedrige Summen hin. Durch die Abänderungen und Falschadditionen spiegelte er vor, dass die Steuerforderungen der Gemeinde um Fr. 18'174.30 niedriger seien, als sie in Wirklichkeit waren. Kronenberger wollte damit verheimlichen, dass in der Kasse Geld fehlte, weil er einerseits sich solches angeeignet und anderseits aus Entgegenkommen gegenüber Steuerpflichtigen geschuldete Beträge nicht eingezogen hatte. Die Summe des angeeigneten Geldes erreichte ungefähr Fr. 2300.--. Zur Vertuschung nicht eingezogener Beträge will Kronenberger, der mehr als Fr. 100'000.-- eigenes Vermögen hatte, anfänglich Ablieferungen aus eigenen Mitteln gemacht haben. Später will er sich dafür an Steuergeldern schadlos gehalten und die Ausstände durch die erwähnten Änderungen und Falschadditionen im Steuerbezugsregister verschleiert haben.
B.- Am 18. März 1955 verurteilte das Kriminalgericht des Kantons Luzern Kronenberger wegen fortgesetzter Veruntreuung (Art. 140 Ziff. 2 StGB), fortgesetzter ungetreuer Geschäftsführung (Art. 159 StGB), fortgesetzter Urkundenfälschung (Art. 317 StGB) und anderer Verbrechen zu drei Jahren Zuchthaus und stellte ihn für fünf Jahre in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit ein.
Auf Appellation des Verurteilten sprach das Obergericht des Kantons Luzern ihn am 13. Juh. 1955 von der Anklage der ungetreuen Gesch äftsführung frei. Es führte hiezu im wesentlichen aus, soweit er das Steuerinkasso unterlassen habe, habe er die Gemeinde in dem Masse geschädigt, als Eintreibung möglich gewesen wäre und er den Fehlbetrag nicht durch Vorschüsse ausgeglichen habe. Dass er das Inkasso absichtlich unterlassen habe, habe er zugegeben. Der Tatbestand der ungetreuen Geschäftsführung wäre also erfüllt. Art. 159 StGB sei jedoch auf Beamte nicht anzuwenden. Auch Art. 314 StGB treffe nicht zu; denn Kronenberger habe beim Steuerinkasso nicht Rechtsgeschäfte besorgt. Erfüllt wäre der Tatbestand der vorsätzlichen Amtspflichtverletzung nach § 56 EG StGB, doch sei diese Übertretung verjährt.
Wegen der anderen Verbrechen verurteilte das Obergericht den Angeklagten zu zwei Jahren Zuchthaus. Es stellte ihn für fünf Jahre in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit ein und verfügte, dass er während acht Jahren nicht mehr in ein Amt gewählt werden dürfe.
C.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und dieses sei anzuweisen, den Angeklagten auch der ungetreuen Geschäftsführung schuldig zu erklären und die Strafe daher neu zu bemessen.
Kronenberger führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag auf Rückweisung zur Freisprechung von der Anklage der Urkundenfälschung nach Art. 317 StGB und der Veruntreuung nach Art. 140 Ziff. 2 StGB und zu entsprechender Minderung der Strafe.
D.- Jede Partei beantragt Abweisung der Beschwerde der Gegenpartei.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. a) Nach Art. 159 StGB ist mit Gefängnis zu bestrafen, "wer jemanden am Vermögen schädigt, für das er infolge einer gesetzlichen oder einer vertraglich übernommenen Pflicht sorgen soll". Handelt der Täter aus Gewinnsucht, so ist die Strafe Gefängnis bis zu fünf Jahren und Busse. Art. 314 StGB dagegen bestimmt, dass "Mitglieder einer Behörde oder Beamte, die bei einem Rechtsgeschäfte die von ihnen zu wahrenden öffentlichen Interessen schädigen, um sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen", mit Zuchthaus bis zu drei Jahren und Busse oder mit Gefängnis und Busse zu bestrafen seien.
Das Obergericht hält dafür, Art. 159 sei auf Beamte nicht anwendbar, weil sonst Art. 314 überflüssig wäre, da die hier unter Strafe gestellten Handlungen einen typischen Fall ungetreuer Geschäftsführung bilden würden. Damit verkennt es, dass die wesentlich schwerere Strafandrohung des Art. 314 dieser Bestimmung auch neben Art. 159 StGB Sinn verleiht. Art. 314 StGB will die Behördenmitglieder und Beamten schärfer bestraft wissen, wenn sie die ungetreue Geschäftsführung unter erschwerenden Umständen begehen, nämlich wenn sie bei einem Rechtsgeschäfte die von ihnen zu wahrenden öffentlichen Interessen schädigen, um sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, so ist Art. 314 unter Ausschluss des Art. 159 anzuwenden. Fehlen sie dagegen, so besteht kein Grund, das Behördenmitglied oder den Beamten nicht nach letzterer Bestimmung zu bestrafen. Sie nicht anzuwenden, liefe auf eine Bevorzugung dessen hinaus, der Amtsgeschäfte ungetreu führt. Das selbst dann, wenn, was in BGE 74 IV 168 offen gelassen wurde und auch heute offen bleiben kann, die Kantone berechtigt sein sollten, Amtspflichtverleztungen ihrer Behördenmitglieder und Beamten mit Strafe zu bedrohen; denn das dürfte jedenfalls nur Übertretungsstrafe, also Haft und Busse, sein (Art. 335 Ziff. 1 StGB; BGE 69 IV 7 ff.). Besonders bevorzugt wären die Mitglieder eidgenössischer Behörden und die eidgenössischen Beamten, da sie den kantonalen Bestimmungen gegen Amtspflichtverletzungen zum vornherein nicht unterstehen könnten und eine entsprechende Sondernorm im Bundesrecht fehlt, so dass sie, von Disziplinarmassnahmen abgesehen, straflos ausgingen. Das kann umsoweniger der Wille des Gesetzes sein, als schon Art. 57 des Bundesgesetzes vom 4. Februar 1853 über das Bundesstrafrecht der schweizerischen Eidgenossenschaft Geldbusse und Amtsentsetzung androhte für den Fall, dass ein Beamter oder Angestellter des Bundes durch Vernachlässigung seiner Geschäfte einen erheblichen Schaden stiftete oder eine bedeutende Störung in dem betreffenden Dienstzweige verursachte. Da die Art. 312 ff. StGB keine entsprechende Norm enthalten, muss die ungetreue Geschäftsführung von Behördenmitgliedern und Beamten von Art. 159 StGB erfasst werden, soweit nicht Art. 314 StGB zutrifft.
Dass die Erfüllung amtlicher Aufgaben nicht Geschäftsführung, sondern Amtsführung genannt zu werden pflegt, ist kein sachlicher Grund, Art. 159 auf sie nicht anzuwenden; auch wer amtlich tätig ist, führt in einem weiteren Sinne Geschäfte. Dem Worte Geschäftsführung kann umsoeher diese Bedeutung entnommen werden, als es nur im Randtitel steht. Art. 159 schützt schlechthin das "Vermögen", für das jemand "infolge einer gesetzlichen oder einer vertraglich übernommenen Pflicht sorgen soll". Darunter ist nicht nur das Vermögen von Privaten, sondern auch jenes des Gemeinwesens zu verstehen. Dass auch ein Beamter an dem ihm anvertrauten öffentlichen Gut Untreue im Sinne dieser Bestimmung verüben kann, wurde schon von ZÜRCHER in den Erläuterungen zum Vorentwurf von 1908, S. 163, hervorgehoben. Die gleiche Auffassung vertreten HAFTER, Lehrbuch S. 838, und LOGOZ, N. 2 zu Art. 159 StGB.
b) Kronenberger hat durch bewusste und gewollte Nichteinziehung von Steuern, die geschuldet und einbringlich waren, die Gemeinde Inwil am Vermögen geschädigt. Die Einziehung der Steuern gehörte zu seinen Pflichten, gleichgültig ob von Gesetzes wegen oder kraft Weisung des Gemeinderates. Daher ist Art. 159 StGB objektiv und subjektiv erfüllt. Der Einwand Kronenbergers, seine Tat sei nicht rechtswidrig, weil die ihm vorgesetzte Behörde sämtliche Gemeinderechnungen genehmigt habe, ist trölerisch; denn die Genehmigung erfolgte in Unkenntnis der Untreue, da er sie durch Fälschungen verschleiert hatte. Kronenberger ist deshalb nach Art. 159 StGB zu bestrafen. § 56 luz. EG StGB steht dem nicht im Wege, da diese Bestimmung, falls sie überhaupt zulässig sein sollte, jedenfalls nur angewendet werden könnte, wenn nicht Bundesrecht die Tat mit Strafe bedrohte (BGE 74 IV 167 f.).
2. Nach Art. 140 Ziff. 1 StGB ist zu bestrafen, wer sich eine ihm anvertraute fremde bewegliche Sache aneignet, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern (Abs. 1), oder wer anvertrautes Gut, namentlich Geld, unrechtmässig in seinem oder eines andern Nutzen verwendet (Abs. 2).
a) Das Geld, das Kronenberger für die Gemeinde Inwil als Steuern einzog, war ihm im Sinne von Art. 140 Ziff. 1 StGB anvertraut. Er bestreitet das denn auch nicht.
b) Das Geld trat mit der Bezahlung in das Eigentum der Gemeinde, in deren Namen Kronenberger es entgegennahm. Dieser hatte es getrennt von seinem eigenen Gelde aufzubewahren. Das ergibt sich aus einer Weisung des Gemeindedepartements des Kantons Luzern an die Gemeindeverwaltungen und Rechnungsprüfungskommissionen über die Rechnungsführung, Rechnungsablage und Rechnungsprüfung vom 27. Februar 1947, wonach jeder Beamte, der Gemeindegelder verwaltet, eine besondere, von seinen privaten Geldern getrennte Kasse zu führen hat, eine Pflicht, die sich zudem von selbst versteht. Das eingezogene Geld war somit "fremde" bewegliche Sache.
Die Tat Kronenbergers ist deshalb nach dem ersten, nicht nach dem zweiten Absatz von Art. 140 Ziff. 1 StGB zu beurteilen. Absatz 2 wurde erlassen, damit auch strafbar sei, wer Eigentümer des anvertrauten Gutes ist, das er unrechtmässig in seinem oder eines andern Nutzen verwendet (BGE 70 IV 72). Durch diese Bestimmung wollte das Anwendungsgebiet des Art. 140 erweitert, nicht jenes des Abs. 1 dahin eingeschränkt werden, dass jedesmal dann, wenn die fremde bewegliche Sache in "Gut, namentlich Geld" besteht, statt des ersten der zweite Absatz anzuwenden wäre, d.h. nicht schon das "Aneignen", sondern nur das "Verwenden" des Gutes Strafe nach sich zöge. Zu dieser Einschränkung bestand kein Grund. Wer sich eine fremde bewegliche Sache aneignet, möge sie auch in "Gut, namentlich Geld" bestehen, ist daher nach Abs. 1 und nur nach dieser Bestimmung zu bestrafen. Dem widerspricht BGE 70 IV 72 nicht; denn wenn dort ausgeführt wurde, Abs. 2 unterscheide nicht, in wessen Eigentum das anvertraute Gut stehe, so wollte damit nur gesagt werden, diese Bestimmung verlange nicht, dass es Eigentum eines andern sei. Ob Abs. 2 nur für die Veruntreuung eigenen Gutes gelte, war damals nicht zu entscheiden.
Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob Kronenberger im Sinne des Abs. 2 vom eingezogenen Gelde unrechtmässig in seinem oder eines andern Nutzen "verwendet" hat. Nach Abs. 1 liegt die Veruntreuung im "Aneignen", d.h. darin, dass der Täter die fremde Sache als eigene behandelt. Das hat Kronenberger nach der Feststellung des Obergerichts an Beträgen von zusammen ungefähr Fr. 2300.-- getan. Zwar sagt das Obergericht nicht ausdrücklich, er habe sich diesen Betrag "angeeignet", wirft ihm aber vor, er habe ihn "veruntreut", worunter es nichts anderes verstehen kann als das Kriminalgericht, das ihn des Aneignens zeiht, wenn auch einer um rund Fr. 1700.-- höheren Summe als das Obergericht. Kronenberger selber legt das angefochtene Urteil so aus, wenn er geltend macht, es werfe ihm vor, er habe eingezogene Steuern für sich zurückbehalten. Ob das zutrifft, ist Tatfrage- Die Aussetzungen Kronenbergers an der vorinstanzlichen Feststellung sind daher nicht zu hören; diese bindet den Kassationshof (Art. 273 Abs. 1 lit. b, Art. 277 bis Abs. 1 BStP).
c) Kronenberger will nicht beabsichtigt haben, durch die Aneignung des Geldes sich oder einen andern unrechtmässig zu bereichern; denn sein Vermögensstand habe es ihm jederzeit ermöglicht, gegebenenfalls Ersatz zu leisten.
Er verkennt, dass diese Fähigkeit die Bereicherungsabsicht nur ausgeschlossen hätte, wenn er willens gewesen wäre, jederzeit sofort Ersatz zu leisten (BGE 74 IV 30 f., BGE 77 IV 12 f.). Dass er diesen Willen gehabt habe, behauptet er nicht. Er fehlte ihm denn auch offensichtlich, sonst hätte er, da er dazu fähig war, Ersatz auch tatsächlich geleistet, nicht die Aneignung durch Abänderungen und Falschadditionen im Steuerbezugsregister verschleiert und zwecks Verunmöglichung der Nachkontrolle Gemeinderechnungen, Inkassoabrechnungen und Teile des Gemeindesteuerbezugsregisters vernichtet.
Ebensowenig wird die Absicht unrechtmässiger Bereicherung durch die Behauptung Kronenbergers widerlegt, er habe gegen die Gemeinde eine Forderung von Fr. 7222.70 gehabt, weil er für gewisse Steuerschuldner die Steuern aus eigenen Mitteln bezahlt habe. Sollte er - was sich aus dem angefochtenen Urteil nicht klar ergibt - tatsächlich so vorgegangen sein, so ergäben sich daraus keine Ansprüche gegen die Gemeinde, deren Steuerforderungen er getilgt hätte, sondern höchstens ein Rückgriffsrecht gegen die Steuerschuldner, an deren Stelle er es getan haben will, um sich bei ihnen beliebt zu machen. Wer die Schuld eines andern bezahlt, kann vom Gläubiger nicht zurückfordern, da er zum Zwecke der Schuldentilgung, nicht zum Zwecke des Kreditierens leistet. Aber selbst wenn Kronenberger die angeblich bezahlten Beträge von der Gemeinde hätte zurückverlangen können, hätte seine Forderung die Absicht unrechtmässiger Bereicherung bei der Aneignung eingezogenen Steuergeldes nur ausgeschlossen, wenn er durch eine Erklärung den Willen bekundet hätte, das Angeeignete durch Verrechnung mit der behaupteten Forderung zu ersetzen (Art. 124 OR; BGE 74 IV 32). Dass er eine solche Erklärung abgegeben habe, behauptet er nicht. Gegenteils hat er die Aneignung durch Abänderungen und Falschadditionen im Steuerbezugsregister verheimlicht, was den Willen zur Verrechnung ausschloss. Aus dem gleichen Grunde hilft ihm auch die Behauptung nicht, er habe gegen die Gemeinde ausserdem Honoraransprüche gehabt.
d) Kronenberger bestreitet mit Recht nicht, die Tat bewusst und gewollt, also vorsätzlich begangen zu haben.
e) Da er die Veruntreuungen in der Eigenschaft als Beamter begangen hat, ist die Strafe mit Recht nach Art. 140 Ziff. 2 StGB bemessen worden.
3. (Urkundenfälschung.)
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
1.- Die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird gutgeheissen, das Urteil der II. Kammer des Obergerichts des Kantons Luzern vom 13. Juli 1955 aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
2.- Die Nichtigkeitsbeschwerde des Josef Kronenberger wird abgewiesen.
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1. L'art. 159 CP est applicable également à la gestion déloyale dont se rendent coupables des membres d'une autorité ou des fonctionnaires, dans la mesure où elle ne tombe pas sous le coup de l'art. 314 CP (consid. 1). 2. Art. 140 ch. 1 CP.
a) Celui qui s'approprie une chose mobilière appartenant à autrui et qui lui avait été confiée doit être puni en vertu de l'al. 1, même s'il s'agit d'une chose fongible, notamment d'une somme d'argent (consid. 2 litt. b).
b) Conditions auxquelles la volonté et la possibilité de remplacer la chose confiée excluent le dessein d'enrichissement illégitime (consid. 2 litt. c).
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Sachverhalt ab Seite 228
A.- Josef Kronenberger war Gemeindeschreiber von Inwil und hatte auch die Gemeindesteuern einzuziehen. Von 1944 bis 1950 radierte er in den Steuerbezugsregistern der Gemeinde Zahlen aus, welche die von den Steuerpflichtigen geschuldeten Beträge bezeichneten, und ersetzte sie bewusst und gewollt durch unrichtige niedrigere. Auch setzte er bewusst und gewollt am Fusse von Kolonnen zu niedrige Summen hin. Durch die Abänderungen und Falschadditionen spiegelte er vor, dass die Steuerforderungen der Gemeinde um Fr. 18'174.30 niedriger seien, als sie in Wirklichkeit waren. Kronenberger wollte damit verheimlichen, dass in der Kasse Geld fehlte, weil er einerseits sich solches angeeignet und anderseits aus Entgegenkommen gegenüber Steuerpflichtigen geschuldete Beträge nicht eingezogen hatte. Die Summe des angeeigneten Geldes erreichte ungefähr Fr. 2300.--. Zur Vertuschung nicht eingezogener Beträge will Kronenberger, der mehr als Fr. 100'000.-- eigenes Vermögen hatte, anfänglich Ablieferungen aus eigenen Mitteln gemacht haben. Später will er sich dafür an Steuergeldern schadlos gehalten und die Ausstände durch die erwähnten Änderungen und Falschadditionen im Steuerbezugsregister verschleiert haben.
B.- Am 18. März 1955 verurteilte das Kriminalgericht des Kantons Luzern Kronenberger wegen fortgesetzter Veruntreuung (Art. 140 Ziff. 2 StGB), fortgesetzter ungetreuer Geschäftsführung (Art. 159 StGB), fortgesetzter Urkundenfälschung (Art. 317 StGB) und anderer Verbrechen zu drei Jahren Zuchthaus und stellte ihn für fünf Jahre in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit ein.
Auf Appellation des Verurteilten sprach das Obergericht des Kantons Luzern ihn am 13. Juh. 1955 von der Anklage der ungetreuen Gesch äftsführung frei. Es führte hiezu im wesentlichen aus, soweit er das Steuerinkasso unterlassen habe, habe er die Gemeinde in dem Masse geschädigt, als Eintreibung möglich gewesen wäre und er den Fehlbetrag nicht durch Vorschüsse ausgeglichen habe. Dass er das Inkasso absichtlich unterlassen habe, habe er zugegeben. Der Tatbestand der ungetreuen Geschäftsführung wäre also erfüllt. Art. 159 StGB sei jedoch auf Beamte nicht anzuwenden. Auch Art. 314 StGB treffe nicht zu; denn Kronenberger habe beim Steuerinkasso nicht Rechtsgeschäfte besorgt. Erfüllt wäre der Tatbestand der vorsätzlichen Amtspflichtverletzung nach § 56 EG StGB, doch sei diese Übertretung verjährt.
Wegen der anderen Verbrechen verurteilte das Obergericht den Angeklagten zu zwei Jahren Zuchthaus. Es stellte ihn für fünf Jahre in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit ein und verfügte, dass er während acht Jahren nicht mehr in ein Amt gewählt werden dürfe.
C.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und dieses sei anzuweisen, den Angeklagten auch der ungetreuen Geschäftsführung schuldig zu erklären und die Strafe daher neu zu bemessen.
Kronenberger führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag auf Rückweisung zur Freisprechung von der Anklage der Urkundenfälschung nach Art. 317 StGB und der Veruntreuung nach Art. 140 Ziff. 2 StGB und zu entsprechender Minderung der Strafe.
D.- Jede Partei beantragt Abweisung der Beschwerde der Gegenpartei.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. a) Nach Art. 159 StGB ist mit Gefängnis zu bestrafen, "wer jemanden am Vermögen schädigt, für das er infolge einer gesetzlichen oder einer vertraglich übernommenen Pflicht sorgen soll". Handelt der Täter aus Gewinnsucht, so ist die Strafe Gefängnis bis zu fünf Jahren und Busse. Art. 314 StGB dagegen bestimmt, dass "Mitglieder einer Behörde oder Beamte, die bei einem Rechtsgeschäfte die von ihnen zu wahrenden öffentlichen Interessen schädigen, um sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen", mit Zuchthaus bis zu drei Jahren und Busse oder mit Gefängnis und Busse zu bestrafen seien.
Das Obergericht hält dafür, Art. 159 sei auf Beamte nicht anwendbar, weil sonst Art. 314 überflüssig wäre, da die hier unter Strafe gestellten Handlungen einen typischen Fall ungetreuer Geschäftsführung bilden würden. Damit verkennt es, dass die wesentlich schwerere Strafandrohung des Art. 314 dieser Bestimmung auch neben Art. 159 StGB Sinn verleiht. Art. 314 StGB will die Behördenmitglieder und Beamten schärfer bestraft wissen, wenn sie die ungetreue Geschäftsführung unter erschwerenden Umständen begehen, nämlich wenn sie bei einem Rechtsgeschäfte die von ihnen zu wahrenden öffentlichen Interessen schädigen, um sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, so ist Art. 314 unter Ausschluss des Art. 159 anzuwenden. Fehlen sie dagegen, so besteht kein Grund, das Behördenmitglied oder den Beamten nicht nach letzterer Bestimmung zu bestrafen. Sie nicht anzuwenden, liefe auf eine Bevorzugung dessen hinaus, der Amtsgeschäfte ungetreu führt. Das selbst dann, wenn, was in BGE 74 IV 168 offen gelassen wurde und auch heute offen bleiben kann, die Kantone berechtigt sein sollten, Amtspflichtverleztungen ihrer Behördenmitglieder und Beamten mit Strafe zu bedrohen; denn das dürfte jedenfalls nur Übertretungsstrafe, also Haft und Busse, sein (Art. 335 Ziff. 1 StGB; BGE 69 IV 7 ff.). Besonders bevorzugt wären die Mitglieder eidgenössischer Behörden und die eidgenössischen Beamten, da sie den kantonalen Bestimmungen gegen Amtspflichtverletzungen zum vornherein nicht unterstehen könnten und eine entsprechende Sondernorm im Bundesrecht fehlt, so dass sie, von Disziplinarmassnahmen abgesehen, straflos ausgingen. Das kann umsoweniger der Wille des Gesetzes sein, als schon Art. 57 des Bundesgesetzes vom 4. Februar 1853 über das Bundesstrafrecht der schweizerischen Eidgenossenschaft Geldbusse und Amtsentsetzung androhte für den Fall, dass ein Beamter oder Angestellter des Bundes durch Vernachlässigung seiner Geschäfte einen erheblichen Schaden stiftete oder eine bedeutende Störung in dem betreffenden Dienstzweige verursachte. Da die Art. 312 ff. StGB keine entsprechende Norm enthalten, muss die ungetreue Geschäftsführung von Behördenmitgliedern und Beamten von Art. 159 StGB erfasst werden, soweit nicht Art. 314 StGB zutrifft.
Dass die Erfüllung amtlicher Aufgaben nicht Geschäftsführung, sondern Amtsführung genannt zu werden pflegt, ist kein sachlicher Grund, Art. 159 auf sie nicht anzuwenden; auch wer amtlich tätig ist, führt in einem weiteren Sinne Geschäfte. Dem Worte Geschäftsführung kann umsoeher diese Bedeutung entnommen werden, als es nur im Randtitel steht. Art. 159 schützt schlechthin das "Vermögen", für das jemand "infolge einer gesetzlichen oder einer vertraglich übernommenen Pflicht sorgen soll". Darunter ist nicht nur das Vermögen von Privaten, sondern auch jenes des Gemeinwesens zu verstehen. Dass auch ein Beamter an dem ihm anvertrauten öffentlichen Gut Untreue im Sinne dieser Bestimmung verüben kann, wurde schon von ZÜRCHER in den Erläuterungen zum Vorentwurf von 1908, S. 163, hervorgehoben. Die gleiche Auffassung vertreten HAFTER, Lehrbuch S. 838, und LOGOZ, N. 2 zu Art. 159 StGB.
b) Kronenberger hat durch bewusste und gewollte Nichteinziehung von Steuern, die geschuldet und einbringlich waren, die Gemeinde Inwil am Vermögen geschädigt. Die Einziehung der Steuern gehörte zu seinen Pflichten, gleichgültig ob von Gesetzes wegen oder kraft Weisung des Gemeinderates. Daher ist Art. 159 StGB objektiv und subjektiv erfüllt. Der Einwand Kronenbergers, seine Tat sei nicht rechtswidrig, weil die ihm vorgesetzte Behörde sämtliche Gemeinderechnungen genehmigt habe, ist trölerisch; denn die Genehmigung erfolgte in Unkenntnis der Untreue, da er sie durch Fälschungen verschleiert hatte. Kronenberger ist deshalb nach Art. 159 StGB zu bestrafen. § 56 luz. EG StGB steht dem nicht im Wege, da diese Bestimmung, falls sie überhaupt zulässig sein sollte, jedenfalls nur angewendet werden könnte, wenn nicht Bundesrecht die Tat mit Strafe bedrohte (BGE 74 IV 167 f.).
2. Nach Art. 140 Ziff. 1 StGB ist zu bestrafen, wer sich eine ihm anvertraute fremde bewegliche Sache aneignet, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern (Abs. 1), oder wer anvertrautes Gut, namentlich Geld, unrechtmässig in seinem oder eines andern Nutzen verwendet (Abs. 2).
a) Das Geld, das Kronenberger für die Gemeinde Inwil als Steuern einzog, war ihm im Sinne von Art. 140 Ziff. 1 StGB anvertraut. Er bestreitet das denn auch nicht.
b) Das Geld trat mit der Bezahlung in das Eigentum der Gemeinde, in deren Namen Kronenberger es entgegennahm. Dieser hatte es getrennt von seinem eigenen Gelde aufzubewahren. Das ergibt sich aus einer Weisung des Gemeindedepartements des Kantons Luzern an die Gemeindeverwaltungen und Rechnungsprüfungskommissionen über die Rechnungsführung, Rechnungsablage und Rechnungsprüfung vom 27. Februar 1947, wonach jeder Beamte, der Gemeindegelder verwaltet, eine besondere, von seinen privaten Geldern getrennte Kasse zu führen hat, eine Pflicht, die sich zudem von selbst versteht. Das eingezogene Geld war somit "fremde" bewegliche Sache.
Die Tat Kronenbergers ist deshalb nach dem ersten, nicht nach dem zweiten Absatz von Art. 140 Ziff. 1 StGB zu beurteilen. Absatz 2 wurde erlassen, damit auch strafbar sei, wer Eigentümer des anvertrauten Gutes ist, das er unrechtmässig in seinem oder eines andern Nutzen verwendet (BGE 70 IV 72). Durch diese Bestimmung wollte das Anwendungsgebiet des Art. 140 erweitert, nicht jenes des Abs. 1 dahin eingeschränkt werden, dass jedesmal dann, wenn die fremde bewegliche Sache in "Gut, namentlich Geld" besteht, statt des ersten der zweite Absatz anzuwenden wäre, d.h. nicht schon das "Aneignen", sondern nur das "Verwenden" des Gutes Strafe nach sich zöge. Zu dieser Einschränkung bestand kein Grund. Wer sich eine fremde bewegliche Sache aneignet, möge sie auch in "Gut, namentlich Geld" bestehen, ist daher nach Abs. 1 und nur nach dieser Bestimmung zu bestrafen. Dem widerspricht BGE 70 IV 72 nicht; denn wenn dort ausgeführt wurde, Abs. 2 unterscheide nicht, in wessen Eigentum das anvertraute Gut stehe, so wollte damit nur gesagt werden, diese Bestimmung verlange nicht, dass es Eigentum eines andern sei. Ob Abs. 2 nur für die Veruntreuung eigenen Gutes gelte, war damals nicht zu entscheiden.
Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob Kronenberger im Sinne des Abs. 2 vom eingezogenen Gelde unrechtmässig in seinem oder eines andern Nutzen "verwendet" hat. Nach Abs. 1 liegt die Veruntreuung im "Aneignen", d.h. darin, dass der Täter die fremde Sache als eigene behandelt. Das hat Kronenberger nach der Feststellung des Obergerichts an Beträgen von zusammen ungefähr Fr. 2300.-- getan. Zwar sagt das Obergericht nicht ausdrücklich, er habe sich diesen Betrag "angeeignet", wirft ihm aber vor, er habe ihn "veruntreut", worunter es nichts anderes verstehen kann als das Kriminalgericht, das ihn des Aneignens zeiht, wenn auch einer um rund Fr. 1700.-- höheren Summe als das Obergericht. Kronenberger selber legt das angefochtene Urteil so aus, wenn er geltend macht, es werfe ihm vor, er habe eingezogene Steuern für sich zurückbehalten. Ob das zutrifft, ist Tatfrage- Die Aussetzungen Kronenbergers an der vorinstanzlichen Feststellung sind daher nicht zu hören; diese bindet den Kassationshof (Art. 273 Abs. 1 lit. b, Art. 277 bis Abs. 1 BStP).
c) Kronenberger will nicht beabsichtigt haben, durch die Aneignung des Geldes sich oder einen andern unrechtmässig zu bereichern; denn sein Vermögensstand habe es ihm jederzeit ermöglicht, gegebenenfalls Ersatz zu leisten.
Er verkennt, dass diese Fähigkeit die Bereicherungsabsicht nur ausgeschlossen hätte, wenn er willens gewesen wäre, jederzeit sofort Ersatz zu leisten (BGE 74 IV 30 f., BGE 77 IV 12 f.). Dass er diesen Willen gehabt habe, behauptet er nicht. Er fehlte ihm denn auch offensichtlich, sonst hätte er, da er dazu fähig war, Ersatz auch tatsächlich geleistet, nicht die Aneignung durch Abänderungen und Falschadditionen im Steuerbezugsregister verschleiert und zwecks Verunmöglichung der Nachkontrolle Gemeinderechnungen, Inkassoabrechnungen und Teile des Gemeindesteuerbezugsregisters vernichtet.
Ebensowenig wird die Absicht unrechtmässiger Bereicherung durch die Behauptung Kronenbergers widerlegt, er habe gegen die Gemeinde eine Forderung von Fr. 7222.70 gehabt, weil er für gewisse Steuerschuldner die Steuern aus eigenen Mitteln bezahlt habe. Sollte er - was sich aus dem angefochtenen Urteil nicht klar ergibt - tatsächlich so vorgegangen sein, so ergäben sich daraus keine Ansprüche gegen die Gemeinde, deren Steuerforderungen er getilgt hätte, sondern höchstens ein Rückgriffsrecht gegen die Steuerschuldner, an deren Stelle er es getan haben will, um sich bei ihnen beliebt zu machen. Wer die Schuld eines andern bezahlt, kann vom Gläubiger nicht zurückfordern, da er zum Zwecke der Schuldentilgung, nicht zum Zwecke des Kreditierens leistet. Aber selbst wenn Kronenberger die angeblich bezahlten Beträge von der Gemeinde hätte zurückverlangen können, hätte seine Forderung die Absicht unrechtmässiger Bereicherung bei der Aneignung eingezogenen Steuergeldes nur ausgeschlossen, wenn er durch eine Erklärung den Willen bekundet hätte, das Angeeignete durch Verrechnung mit der behaupteten Forderung zu ersetzen (Art. 124 OR; BGE 74 IV 32). Dass er eine solche Erklärung abgegeben habe, behauptet er nicht. Gegenteils hat er die Aneignung durch Abänderungen und Falschadditionen im Steuerbezugsregister verheimlicht, was den Willen zur Verrechnung ausschloss. Aus dem gleichen Grunde hilft ihm auch die Behauptung nicht, er habe gegen die Gemeinde ausserdem Honoraransprüche gehabt.
d) Kronenberger bestreitet mit Recht nicht, die Tat bewusst und gewollt, also vorsätzlich begangen zu haben.
e) Da er die Veruntreuungen in der Eigenschaft als Beamter begangen hat, ist die Strafe mit Recht nach Art. 140 Ziff. 2 StGB bemessen worden.
3. (Urkundenfälschung.)
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
1.- Die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird gutgeheissen, das Urteil der II. Kammer des Obergerichts des Kantons Luzern vom 13. Juli 1955 aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
2.- Die Nichtigkeitsbeschwerde des Josef Kronenberger wird abgewiesen.
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1. L'art. 159 CP è parimente applicabile all'amministrazione infedele di cui si rendono colpevoli membri di un'autorità o funzionari, per quanto non entri in considerazione l'art. 314 CP (consid. 1). 2. Art. 140 cifra 1 CP.
a) Chiunque si appropria una cosa mobile altrui che gli è stata affidata dev'essere punito in base al cp. 1 anche se si tratta di una cosa fungibile, segnatamente di una somma di denaro (consid. 2 lett. b).
b) Condizioni alle quali la volontà e la possibilità di sostituire la cosa affidata escludono l'intenzione d'arricchimento illecito.
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Erwägungen ab Seite 236
Erwägungen:
Art. 173 Ziff. 3 StGB schliesst die in Ziff. 2 vorgesehenen Beweise aus "für Äusserungen, die ohne Wahrung öffentlicher Interessen oder sonstwie ohne begründete Veranlassung, vorwiegend in der Absicht vorgebracht oder verbreitet werden, jemandem Übles vorzuwerfen, insbesondere, wenn sich die Äusserungen auf das Privat- oder Familienleben beziehen". Wie der Kassationshof schon wiederholt entschieden hat (Urteile vom 16. Juni 1955 i.S. Klinger und vom 14. Juli 1955 i.S. Steiger), schliesst diese Bestimmung den Entlastungsbeweis ohne weiteres aus, wenn der Täter vorwiegend in der Absicht gehandelt hat, dem anderen Übles vorzuwerfen; denn wer in dieser Absicht sich ehrverletzend äussert, tut es immer ohne begründete Veranlassung; solche kann nur haben, wer nicht oder nicht vorwiegend darauf ausgeht, jemandem Übles vorzuwerfen. Die Feststellung des Obergerichts, der Beschwerdeführer habe die Tat vorwiegend in dieser Absicht begangen, schliesst daher den Wahrheitsbeweis aus. Sie ist tatsächlicher Natur und bindet somit das Bundesgericht (Art. 277bis Abs. 1 BStP). Anders wäre es nur, wenn das Obergericht von einem unzutreffenden Begriff des Üblen oder des Vorwiegens ausgegangen wäre. Hiefür liegen jedoch keine Anhaltspunkte vor, was auch der Beschwerdeführer nicht behauptet. Dass das ehrverletzende Inserat vor der Wahl der Kirchenpfleger der römisch-katholischen Kirchgemeinde erschienen ist, ändert nichts. Der Beschwerdeführer konnte den Beschwerdegegner im Hinblick auf diese Wahl ebenso vorwiegend um der Anschwärzung willen in seiner Ehre verletzen, wie er es unter anderen Umständen auch hätte tun können.
Angesichts der Feststellung, dass der Beschwerdeführer dem Beschwerdegegner vorwiegend Übles hat vorwerfen wollen, versagt auch die Rüge, der Wahrheitsbeweis liege im öffentlichen Interesse, womit der Beschwerdeführer offenbar sagen will, die ehrverletzenden Äusserungen hätten im öffentlichen Interesse gelegen. Nach Art. 173 Ziff. 3 StGB kommt es nicht darauf an, ob die Äusserungen objektiv im öffentlichen Interesse liegen, sondern entscheidend ist, ob der Täter dieses Interesse hat wahren wollen (StenBull NatR 1950 459 f., StR 1950 257). Der Ehrverletzer, der vorwiegend darauf ausgeht, jemandem Übles vorzuwerfen, ist nicht um die Wahrung des öffentlichen Interesses besorgt.
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Art. 173 Ziff. 3 StGB. Wer vorwiegend darauf ausgeht, jemandem Übles vorzuwerfen, äussert sich weder zur Wahrung des öffentlichen Interesses noch sonstwie auf begründete Veranlassung hin und ist daher von den Entlastungsbeweisen der Ziff. 2 ausgeschlossen.
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Erwägungen ab Seite 236
Erwägungen:
Art. 173 Ziff. 3 StGB schliesst die in Ziff. 2 vorgesehenen Beweise aus "für Äusserungen, die ohne Wahrung öffentlicher Interessen oder sonstwie ohne begründete Veranlassung, vorwiegend in der Absicht vorgebracht oder verbreitet werden, jemandem Übles vorzuwerfen, insbesondere, wenn sich die Äusserungen auf das Privat- oder Familienleben beziehen". Wie der Kassationshof schon wiederholt entschieden hat (Urteile vom 16. Juni 1955 i.S. Klinger und vom 14. Juli 1955 i.S. Steiger), schliesst diese Bestimmung den Entlastungsbeweis ohne weiteres aus, wenn der Täter vorwiegend in der Absicht gehandelt hat, dem anderen Übles vorzuwerfen; denn wer in dieser Absicht sich ehrverletzend äussert, tut es immer ohne begründete Veranlassung; solche kann nur haben, wer nicht oder nicht vorwiegend darauf ausgeht, jemandem Übles vorzuwerfen. Die Feststellung des Obergerichts, der Beschwerdeführer habe die Tat vorwiegend in dieser Absicht begangen, schliesst daher den Wahrheitsbeweis aus. Sie ist tatsächlicher Natur und bindet somit das Bundesgericht (Art. 277bis Abs. 1 BStP). Anders wäre es nur, wenn das Obergericht von einem unzutreffenden Begriff des Üblen oder des Vorwiegens ausgegangen wäre. Hiefür liegen jedoch keine Anhaltspunkte vor, was auch der Beschwerdeführer nicht behauptet. Dass das ehrverletzende Inserat vor der Wahl der Kirchenpfleger der römisch-katholischen Kirchgemeinde erschienen ist, ändert nichts. Der Beschwerdeführer konnte den Beschwerdegegner im Hinblick auf diese Wahl ebenso vorwiegend um der Anschwärzung willen in seiner Ehre verletzen, wie er es unter anderen Umständen auch hätte tun können.
Angesichts der Feststellung, dass der Beschwerdeführer dem Beschwerdegegner vorwiegend Übles hat vorwerfen wollen, versagt auch die Rüge, der Wahrheitsbeweis liege im öffentlichen Interesse, womit der Beschwerdeführer offenbar sagen will, die ehrverletzenden Äusserungen hätten im öffentlichen Interesse gelegen. Nach Art. 173 Ziff. 3 StGB kommt es nicht darauf an, ob die Äusserungen objektiv im öffentlichen Interesse liegen, sondern entscheidend ist, ob der Täter dieses Interesse hat wahren wollen (StenBull NatR 1950 459 f., StR 1950 257). Der Ehrverletzer, der vorwiegend darauf ausgeht, jemandem Übles vorzuwerfen, ist nicht um die Wahrung des öffentlichen Interesses besorgt.
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Art. 173 ch. 3 CP. Celui qui agit principalement dans le dessein de dire du mal d'autrui ne s'exprime ni par égard à l'intérêt public ni en raison d'un motif suffisant et n'est dès lors pas admis à faire la preuve de la vérité de ses allégations prévue au ch. 2.
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Erwägungen ab Seite 236
Erwägungen:
Art. 173 Ziff. 3 StGB schliesst die in Ziff. 2 vorgesehenen Beweise aus "für Äusserungen, die ohne Wahrung öffentlicher Interessen oder sonstwie ohne begründete Veranlassung, vorwiegend in der Absicht vorgebracht oder verbreitet werden, jemandem Übles vorzuwerfen, insbesondere, wenn sich die Äusserungen auf das Privat- oder Familienleben beziehen". Wie der Kassationshof schon wiederholt entschieden hat (Urteile vom 16. Juni 1955 i.S. Klinger und vom 14. Juli 1955 i.S. Steiger), schliesst diese Bestimmung den Entlastungsbeweis ohne weiteres aus, wenn der Täter vorwiegend in der Absicht gehandelt hat, dem anderen Übles vorzuwerfen; denn wer in dieser Absicht sich ehrverletzend äussert, tut es immer ohne begründete Veranlassung; solche kann nur haben, wer nicht oder nicht vorwiegend darauf ausgeht, jemandem Übles vorzuwerfen. Die Feststellung des Obergerichts, der Beschwerdeführer habe die Tat vorwiegend in dieser Absicht begangen, schliesst daher den Wahrheitsbeweis aus. Sie ist tatsächlicher Natur und bindet somit das Bundesgericht (Art. 277bis Abs. 1 BStP). Anders wäre es nur, wenn das Obergericht von einem unzutreffenden Begriff des Üblen oder des Vorwiegens ausgegangen wäre. Hiefür liegen jedoch keine Anhaltspunkte vor, was auch der Beschwerdeführer nicht behauptet. Dass das ehrverletzende Inserat vor der Wahl der Kirchenpfleger der römisch-katholischen Kirchgemeinde erschienen ist, ändert nichts. Der Beschwerdeführer konnte den Beschwerdegegner im Hinblick auf diese Wahl ebenso vorwiegend um der Anschwärzung willen in seiner Ehre verletzen, wie er es unter anderen Umständen auch hätte tun können.
Angesichts der Feststellung, dass der Beschwerdeführer dem Beschwerdegegner vorwiegend Übles hat vorwerfen wollen, versagt auch die Rüge, der Wahrheitsbeweis liege im öffentlichen Interesse, womit der Beschwerdeführer offenbar sagen will, die ehrverletzenden Äusserungen hätten im öffentlichen Interesse gelegen. Nach Art. 173 Ziff. 3 StGB kommt es nicht darauf an, ob die Äusserungen objektiv im öffentlichen Interesse liegen, sondern entscheidend ist, ob der Täter dieses Interesse hat wahren wollen (StenBull NatR 1950 459 f., StR 1950 257). Der Ehrverletzer, der vorwiegend darauf ausgeht, jemandem Übles vorzuwerfen, ist nicht um die Wahrung des öffentlichen Interesses besorgt.
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Art. 173 cifra 3 CP. Chi agisce prevalentemente nell'intento di dire male del prossimo non si esprime nè nell'interesse pubblico nè in considerazione di un altro motivo sufficiente e non può di conseguenza essere ammesso a fare la prova della verità delle sue allegazioni giusta la cifra 2.
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Sachverhalt ab Seite 238
A.- Christian Melliger, der in Luzern auf eigene Rechnung Holzwaren herstellte, gründete am 10. Juli 1948 mit seinem Buchhalter Kurt Breymayer die Carosserie- und Holzwaren G.m.b.H., wobei er auf Rechnung seiner Stammeinlage von Fr. 15'000.-- die Aktiven und Passiven seines Geschäftes leistete. Sacheinlagevertrag, Statuten und Handelsregistereintrag bezifferten die eingebrachten Aktiven unter Verweisung auf eine von beiden Gründern unterzeichnete Bilanz vom 30. Juni 1948 auf Fr. 47'354.75, die Passiven auf Fr. 32'337.60 und den Aktivenüberschuss auf Fr. 15'017.15. Unter den Aktiven erwähnten sie unter anderem ein "Gebäude" und "Maschinen und Werkzeuge". Der Wert des ersteren war in der Bilanz mit Fr. 5600.--, der Wert der letzteren mit Fr. 24'400.-- angegeben. Laut öffentlicher Urkunde über die Gründung erklärten die beiden Gesellschafter, dass die Statuten ihren Willen enthielten und die Sacheinlage Melligers der Gesellschaft zur freien Verfügung stehe.
Unter dem von Melliger angeblich eingebrachten Gebäude verstanden die Gesellschafter eine Fahrnisbaute, in der er sein Geschäft betrieb, über die er aber, weil sie seinem Vater Josef Melliger gehörte, nicht zu verfügen berechtigt war. Die eingebrachten Maschinen und Werkzeuge waren, wie beide Gesellschafter wussten, viel weniger als Fr. 24'400.-- wert.
B.- Am 23. Juli 1954 erhob die Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern gegen Christian Melliger und Kurt Breymayer Anklage wegen Urkundenfälschung, begangen durch die falschen Angaben über die Sacheinlage in der Bilanz vom 30. Juni 1948, im Sacheinlagevertrag und in den Statuten, ferner wegen Erschleichung falscher Beurkundungen, nämlich der öffentlichen Urkunde über die Gründung und des Handelsregistereintrages.
Das Kriminalgericht des Kantons Luzern sprach die Angeklagten am 10. Dezember 1954 frei.
Auf Appellation der Staatsanwaltschaft erklärte das Obergericht des Kantons Luzern sie dagegen am 25. März 1955 im Sinne der Anklage schuldig und verurteilte jeden zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von sechs Monaten, wobei es Melliger vier, Breymayer zwei Jahre Probezeit setzte.
C.- Die Verurteilten führen Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache zu ihrer Freisprechung zurückzuweisen. Melliger beantragt subsidiär Zurückweisung zu neuer Entscheidung.
D.- Die Staatsanwaltschaft beantragt, die Beschwerden seien abzuweisen.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. a) Den Beschwerdeführern wird vorgeworfen, sie hätten in der Bilanz vom 30. Juni 1948, im Sacheinlagevertrag vom 10. Juli 1948 und in den Statuten vom gleichen Tage im Sinne von Art. 251 Ziff. 1 Abs. 2 StGB insofern rechtlich erhebliche Tatsachen unrichtig beurkundet, als sie die dem Christian Melliger nicht gehörende Fahrnisbaute als zu seinem Geschäftsvermögen gehörend bezeichneten und den Wert der Maschinen und Werkzeuge zu hoch angaben. Die Beschwerdeführer wenden ein, die Schriftstücke hätten nur Beweis dafür geschaffen, dass die darin enthaltenen Erklärungen abgegeben wurden, nicht auch dafür, dass sie wahr seien; der behauptete falsche Vermögensbestand könne nicht zugleich Beweis für sich selbst sein.
Damit verkennen sie, dass eine Schrift schon dann Urkunde und ihr Inhalt "beurkundet" ist, wenn sie eine Tatsache von rechtlicher Bedeutung zu beweisen bestimmt, nicht nur, wenn sie eine solche Tatsache zu beweisen geeignet ist (Art. 110 Ziff. 5 StGB). Die Bestimmung zum Beweise aber haben die Beschwerdeführer der Bilanz, dem Sacheinlagevertrag und den Statuten selber verliehen, indem sie veranlassten, dass in der öffentlichen Urkunde über die Gründung der Gesellschaft und im Handelsregistereintrag entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen (Art. 778-781 OR) darauf Bezug genommen wurde. Übrigens ging den drei Schriftstücken auch die Eignung zum Beweise nicht ab. Wenn Gründer einer Gesellschaft unterschriftlich erklären, ein bestimmtes Vermögensstück sei auf Rechnung an den Stammanteil des einen Gesellschafters eingelegt worden und andere eingebrachte Vermögensstücke hätten einen bestimmten Wert, so können Dritte daraus an sich schliessen, ihre Erklärung sei wahr. Nicht nötig ist, dass dieser Schluss zwingend sei, d.h. die Erklärung unter allen Umständen Glauben verdiene. Unter der Eignung zum Beweise versteht Art. 110 Ziff. 5 StGB nicht die Beweiskraft (Glaubwürdigkeit) der Schrift, sondern ihre Tauglichkeit, überhaupt Beweismittel zum Nachweis des dargestellten Sachverhaltes zu sein.
Dass die Erklärungen in den drei Urkunden mit den Tatsachen nicht übereinstimmten, ist objektiv festgestellt, ohne dass die Vorinstanz von einem unzutreffenden Begriff der Unrichtigkeit der Beurkundung ausgegangen wäre. Der Hinweis des Beschwerdeführers Melliger auf einen Vertrag vom 15. August 1948, durch den sein Vater der Gesellschaft die Fahrnisbaute zum Preise von Fr. 3800.-- verkaufte und auf diesen Betrag Fr. 500.-- anrechnete, die der Beschwerdeführer bereits abbezahlt hatte, ist trölerisch. Abgesehen davon, dass dieser Vertrag erst nach der Gründung der Gesellschaft abgeschlossen wurde, widerlegt er in keiner Weise, dass die Beschwerdeführer die Baute als ein von Christian Melliger eingebrachtes Vermögensstück ausgegeben hatten, während sie ihm in Wirklichkeit nicht gehörte und vom Eigentümer Josef Melliger lediglich gegen Bezahlung von Fr. 3800.-- veräussert werden wollte.
Da mit Recht nicht bestritten wird, dass die unrichtig beurkundeten Tatsachen rechtlich erheblich waren, ist somit der objektive Tatbestand des Art. 251 Ziff. 1 Abs. 2 StGB erfüllt.
b) Der vom Beschwerdeführer Melliger in subjektiver Hinsicht erhobene Einwand, er habe auf Grund des Vertrages vom 15. August 1948 der Meinung sein dürfen, die Fahrnisbaute gehöre ihm, ist arg mutwillig, da der Vertrag erst nach Vollendung des Verbrechens abgeschlossen wurde, die Gesellschaft, nicht der Beschwerdeführer als Käufer auftrat und die Erwerberin der Baute zur Bezahlung des Kaufpreises verpflichtet wurde, was nicht zugetroffen hätte, wenn der Beschwerdeführer sie auf Anrechnung an seinen Stammanteil eingelegt hätte.
Auf die Rüge Breymayers sodann, er habe nicht gewusst, dass die von Melliger "eingebrachten Sachwerte zum Teil fingiert waren", ist nicht einzutreten, da das Obergericht verbindlich feststellt, er habe gewusst, dass die Baute dem Melliger nicht gehörte und dass die Maschinen und Werkzeuge zu hoch bewertet waren.
Ohne Halt ist auch der Einwand Melligers, er habe nicht, wie Art. 251 Ziff. 1 Abs. 1 StGB voraussetzt, jemanden am Vermögen oder an anderen Rechten zu schädigen oder sich oder einen anderen einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen beabsichtigt. Der unrechtmässige Vorteil, auf den Melliger es abgesehen hatte, bestand darin, seinen Stammanteil als durch Sacheinlagen gedeckt erscheinen zu lassen, während er wegen des Nichteinbringens der Fahrnisbaute und wegen des Minderwertes der Maschinen und Werkzeuge teilweise nicht gedeckt war. Auf den gleichen unrechtmässigen Vorteil, freilich nicht für sich selber, sondern für den Mitgesellschafter, hatte es Breymayer abgesehen. Das genügt zur Anwendung des Art. 251 Ziff. 1 StGB; nicht nötig ist, dass Breymayer auch sich persönlich einen Vorteil habe verschaffen wollen. Ein solcher bestand für ihn übrigens darin, dass er einer Gesellschaft angehörte, die ein höheres als das tatsächlich geleistete Stammkapital auswies. Daran ändert der Umstand nichts, dass seinen Interessen noch besser gedient gewesen wäre, wenn Melliger die Sacheinlage im vorgetäuschten Umfange tatsächlich geleistet hätte. Nicht erforderlich ist, dass die beiden auch jemanden am Vermögen schädigen wollten.
c) Das von Breymayer bestrittene Bewusstsein, Unrecht zu tun, gehört nicht zum Vorsatz. Wenn es aus zureichenden Gründen fehlt, trifft vielmehr Art. 20 StGB zu, wonach der Richter die Strafe nach freiem Ermessen mildern oder von einer Bestrafung Umgang nehmen kann. Hier ist jedoch diese Bestimmung nicht anwendbar. Sollte Breymayer, was verwunderlich wäre, gemeint haben, es sei erlaubt, zwecks Gründung und Eintragung einer Gesellschaft inhaltlich unwahre Urkunden über Zusammensetzung und Wert von Sacheinlagen zu erstellen, so hätte er jedenfalls hiezu keinen zureichenden Grund gehabt. Nichts hinderte ihn bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit und Überlegung, Wortlaut und Sinn des Gesetzes richtig zu erfassen.
2. a) Die Beschwerdeführer bestreiten, den Tatbestand des Art. 253 StGB anlässlich der öffentlichen Beurkundung der Gründung erfüllt zu haben; denn die betreffende Urkunde sei nicht bestimmt oder geeignet gewesen, die Wahrheit der von den Gründern abgegebenen Erklärungen zu beweisen.
Sie verkennen, dass, wie schon in BGE 78 IV 110 ff. ausgeführt wurde, der öffentlich beurkundete Vertrag kein blosses Protokoll über die von den Parteien abgegebenen Erklärungen ist, sondern dass die Urkundsperson alle zum Zustandekommen des Vertrages nötigen Tatsachen, auch die von ihr sinnlich nicht unmittelbar wahrnehmbaren, beurkundet. Die öffentliche Urkunde über die Gründung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist somit nicht lediglich Urkunde darüber, dass die Gründer die in Art. 779 Abs. 2 OR aufgezählten Tatsachen vor der Urkundsperson bestätigt haben, sondern auch Urkunde darüber, dass ihre Bestätigung mit den Tatsachen übereinstimmt, und zwar unbekümmert darum, ob die Urkundsperson die Übereinstimmung mit den eigenen Sinnen festgelegt habe oder nicht. Die Bestätigung durch die Gründer allein ist schon bestimmt und auch geeignet, die bestätigten Tatsachen zu beweisen, ohne dass es dazu noch einer Erklärung der Urkundsperson bedürfte, sie habe die Angaben der Gründer überprüft und für richtig befunden. Ob die Gründer Glauben verdienen, ist unerheblich; Art. 253 setzt sowenig wie Art. 251 StGB Beweiskraft voraus; Bestimmung oder Eignung zur Verwendung als Beweismittel zwecks Nachweises der Tatsachen, die Gegenstand der abgegebenen Erklärungen bilden, genügt. Wären nur die Erklärungen, nicht auch diese Tatsachen beurkundet, so könnte die Gründung der Gesellschaft durch blosse Vorlegung der Urkunde nicht nachgewiesen werden, sondern es müsste daneben immer noch bewiesen werden, dass die verurkundeten Bestätigungen der Gründer richtig seien. Weder die Gründer selber noch Dritte könnten sich darauf berufen, dass - bis zum Beweis des Gegenteils (Art. 9 ZGB) - die Gesellschaft in der angegebenen Weise gegründet sei. Die Rechtssicherheit, die durch das Erfordernis der öffentlichen Beurkundung gewährleistet werden soll, bestünde nicht; die Urkunde hätte im wesentlichen nur den Wert eines in einfacher Schriftlichkeit festgelegten Vertrages mit beglaubigten Unterschriften.
Indem die Beschwerdeführer am 10. Juli 1948 vor der Urkundsperson erklärten, die Statuten der Gesellschaft enthielten ihren Willen, die Sacheinlage Melligers stehe zur freien Verfügung bereit und der Sacheinlagevertrag sei von allen Gründern geprüft und anerkannt worden, bewirkten sie somit im Sinne des Art. 253 StGB die unrichtige Beurkundung von Tatsachen, nämlich einer nicht im angegebenen Umfange und im angegebenen Werte geleisteten Sacheinlage.
Dass diese Tatsachen auch rechtlich erheblich waren, bestreiten sie mit Recht nicht. Auch ist das Merkmal der Täuschung des Urkundsbeamten erfüllt; denn die Beschwerdeführer behaupten nicht, dass sie die Urkundsperson davon in Kenntnis gesetzt hätten, dass Melliger über die Fahrnisbaute nicht verfügen konnte und die Sacheinlage auch wegen Minderwertes der Maschinen und Werkzeuge den Stammanteil Melligers nicht deckte.
b) Der subjektive Tatbestand sodann, den Breymayer bestreitet, ergibt sich aus der verbindlichen Feststellung der Vorinstanz, dass die Beschwerdeführer um das Fehlen des Verfügungsrechtes Melligers über die Fahrnisbaute und um die zu hohe Bewertung der Maschinen -und Werkzeuge wussten. Da sie trotz dieses Wissens die öffentliche Urkunde über die Gesellschaftsgründung bewusst und gewollt erstellen liessen, handelten sie vorsätzlich.
3. a) Melliger bestreitet, durch Veranlassung des Handelsregistereintrages über die Zugehörigkeit eines "Gebäudes" zu dem eingebrachten Vermögen und über den Wert des letzteren Art. 253 StGB erfüllt zu haben.
Er verkennt, dass der Registerführer, der gemäss Art. 781 Ziff. 6 OR den "Gegenstand und die Anrechnung der Sacheinlage und der übernommenen Vermögenswerte" in das Handelsregister einträgt, nicht lediglich die entsprechende Erklärung der die Eintragung nachsuchenden Geschäftsführer (s. Art. 780 Abs. 3 Ziff. 2 OR), sondern den Bestand und Wert der Sacheinlage selbst beurkundet. Das ergibt sich schon daraus, dass die Anmeldenden dem Registerführer nicht nur die Ausfertigung der Statuten und den Errichtungsakt einzureichen, sondern sich ihm gegenüber auch darüber auszuweisen haben, dass die in den Statuten bestimmten Sacheinlagen gedeckt sind und zur freien Verfügung der Gesellschaft stehen (Art. 780 Abs. 4 OR), und dass, wie aus Art. 940 Abs. 1 OR und Art. 21 und 38 HRegV hervorgeht und auch die Rechtsprechung annimmt (BGE 56 I 59), der Registerführer die angemeldeten Tatsachen zu überprüfen hat und keine unwahren Eintragungen vornehmen darf (vgl. auch HIS Art. 940 N. 44 ff.). Wie die Art. 933 Abs. 2 und 937 OR zeigen, versteht denn auch das Gesetz unter den im Handelsregister einzutragenden "Tatsachen" nicht die Erklärungen der Anmeldenden, sondern den angemeldeten Sachverhalt selbst. Dieser, nicht lediglich die Anmeldung, müsste übrigens auch dann als beurkundet gelten, wenn der Registerführer der Wahrheit der Anmeldung nicht nachzugehen hätte; denn er befände sich damit in gleicher Lage wie z.B. der Zivilstandsbeamte, der durch Eintragung einer Geburt nicht nur die Anmeldung, sondern die Geburt selbst beurkundet, ohne sie gesehen oder die Erklärung sonstwie überprüft zu haben, und auch in gleicher Lage wie die mit der öffentlichen Beurkundung eines Rechtsgeschäftes betraute Person, die Tatsachen beurkundet, von deren Bestand sie lediglich durch die Erklärung der Parteien Kenntnis erhält (vgl. BGE 78 IV 110 ff.). Daher hat der Kassationshof schon in BGE 74 IV 162 vorausgesetzt, das Handelsregister sei eine Urkunde über die eingetragenen Tatsachen, nicht lediglich ein Protokoll über abgegebene Erklärungen. Dass das Handelsregister nur ausnahmsweise positive Publizitätswirkung hat (s. BGE 78 III 45), steht seiner Eigenschaft als Urkunde über die eingetragenen Tatsachen nicht im Wege; es ist nichtsdestoweniger zum Nachweis dieser Tatsachen geeignet und schafft seiner Öffentlichkeit wegen hiefür sogar vollen Beweis, solange nicht die Unrichtigkeit seines Inhaltes nachgewiesen ist (Art. 9 ZGB).
Auch steht im vorliegenden Falle die Unrichtigkeit beurkundeter Tatsachen fest. Die von den Beschwerdeführern veranlasste Eintragung stimmte insofern nicht mit der Wirklichkeit überein, als ein "Gebäude", das dem Beschwerdeführer Melliger nicht gehörte und das er auch sonst nicht zu Eigentum auf die Gesellschaft zu übertragen berechtigt war, als Bestandteil seiner Sacheinlage ausgegeben und diese auch wegen Überbewertung der Maschinen und Werkzeuge zu hoch beziffert und damit der Stammanteil Melligers zu Unrecht als voll gedeckt hingestellt wurde.
Die rechtliche Erheblichkeit dieser unrichtig beurkundeten Tatsachen sodann ergibt sich schon aus der gesetzlichen Pflicht, Gegenstand und Anrechnung der auf die Stammeinlagen gemachten Leistungen wahrheitsgetreu eintragen zu lassen. Die Beschwerdeführer sagen übrigens nicht, inwiefern sie fehlen sollte.
Auch ist die unrichtige Beurkundung durch Täuschung bewirkt worden, nämlich durch die inhaltlich unwahre Anmeldung und die sie begleitenden unwahren Urkunden.
b) Die Bestreitung des subjektiven Tatbestandes scheitert auch hier an der verbindlichen Feststellung der Vorinstanz, dass den Beschwerdeführern das Fehlen des Verfügungsrechtes Melligers über die Fahrnisbaute und die Überbewertung der Maschinen und Werkzeuge bekannt war. Indem sie trotz dieser Kenntnis bewusst und gewollt die unwahre Eintragung im Handelsregister nachsuchten, begingen sie das Verbrechen des Art. 253 StGB vorsätzlich.
4. Die Beschwerdeführer machen geltend, die Art. 251 und 253 StGB dürften auf ihre Handlungen nicht angewendet werden, weil Art. 1 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 1923 betreffend Strafbestimmungen zum Handelsregister- und Firmenrecht diesen Bestimmungen vorgehe.
Diese Auffassung hält nicht stand. Art. 1 Abs. 1 dieses Gesetzes, wonach mit Gefängnis bis zu sechs Monaten oder mit Busse bis zu zwanzigtausend Franken bestraft wird, "wer den Handelsregisterführer mit Vorsatz dazu veranlasst hat, eine Registereintragung vorzunehmen, die geeignet ist, eine Täuschung zu bewirken, sei es über die in das Register einzutragende Person, oder deren Wohnsitz oder deren Staatsangehörigkeit, sei es über den Betrag, die Zusammensetzung oder die Einzahlung des Kapitals einer Gesellschaft", beansprucht Geltung ausdrücklich nur, "sofern schwerere Strafbestimmungen nicht in Anwendung zu bringen sind". Dieser Vorbehalt schwererer Strafnormen lautet allgemein und würde daher selbst dann gelten, wenn die von Art. 1 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 1923 erfassten Fälle ausnahmslos auch die Merkmale einer schwereren Norm des schweizerischen Strafgesetzbuches, nämlich des Art. 253 oder des Art. 24 in Verbindung mit Art. 317, aufweisen sollten. Zwar hätte Art. 1 Abs. 1 des Bundesgesetzes dann nur Sinn in Verbindung mit Art. 1 Abs. 2, der die fahrlässige Begehung unter Strafe stellt. Das ist aber nicht verwunderlich. Als das Bundesgesetz erlassen wurde, war das allgemeine Strafrecht noch kantonales Recht. Da der Bund keine Gewähr hatte, dass die Kantone die in Art. 1 Abs. 1 des Bundesgesetzes umschriebene Tat als Erschleichung einer falschen Beurkundung oder als Anstiftung zu Falschbeurkundung oder dgl. mit Strafe bedrohen würden, hatte es einen guten Sinn, in Art. 1 des Bundesgesetzes Strafe auch für die vorsätzliche Tat vorzusehen. Mit dieser Bestimmung wollte der Bundesgesetzgeber lediglich vom kantonalen Recht gelassene Lücken ausfüllen, nicht Tatbestände, die die Kantone mit schwererer Strafe bedrohten, privilegieren - eine Einmischung in die kantonale Hoheit, zu der auch gar kein sachlicher Grund bestanden hätte. In der Botschaft vom 3. Juni 1921 hob denn auch der Bundesrat hervor, dass die Bestrafung wegen Urkundenfälschung oder Betruges vorbehalten bleibe, wenn einer dieser beiden Tatbestände gegeben sei (BBl 1921 III 271). Durch das Inkrafttreten des schweizerischen Strafgesetzbuches hat sich am Sinne des Art. 1 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 1923 nichts geändert.
Schliesst diese Bestimmung die Anwendung des Art. 253 StGB auf die Erschleichung der falschen Eintragung im Handelsregister nicht aus, so kann sie noch weniger der Bestrafung der Beschwerdeführer nach Art. 251 StGB für die vorausgegangene falsche Beurkundung der Bilanz, des Sacheinlagevertrages und der Statuten und der Verurteilung gemäss Art. 253 StGB für die ebenfalls vorausgegangene Erschleichung der falschen öffentlichen Urkunde über die Gesellschaftsgründung im Wege stehen, haben doch diese Verbrechen mit der Erwirkung des falschen Registereintrages nichts als den Endzweck gemein, was nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung in der Regel die Vortat sowenig wie die Nachtat "straflos" macht (vgl. BGE 71 IV 207 ff., BGE 72 IV 11, 116 f., BGE 77 IV 16, BGE 78 IV 198, BGE 79 IV 62, BGE 80 IV 256).
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden abgewiesen.
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1. Art. 110 Ziff. 5, 251, 253 StGB. Urkundenfälschung und Erschleichung falscher Beurkundungen, begangen durch Vortäuschung und Überbewertung von Sacheinlagen in einer Bilanz, dem Sacheinlagevertrag, den Statuten, dem öffentlichen Errichtungsakt und dem Handelsregistereintrag anlässlich der Gründung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (Erw. 1-3). 2. Verhältnis der Art. 251 und 253 StGB zu Art. 1 Abs. 1 BG vom 6. Oktober 1923 betreffend Strafbestimmungen zum Handelsregister- und Firmenrecht (Erw. 4).
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81 IV 238
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81 IV 238
Sachverhalt ab Seite 238
A.- Christian Melliger, der in Luzern auf eigene Rechnung Holzwaren herstellte, gründete am 10. Juli 1948 mit seinem Buchhalter Kurt Breymayer die Carosserie- und Holzwaren G.m.b.H., wobei er auf Rechnung seiner Stammeinlage von Fr. 15'000.-- die Aktiven und Passiven seines Geschäftes leistete. Sacheinlagevertrag, Statuten und Handelsregistereintrag bezifferten die eingebrachten Aktiven unter Verweisung auf eine von beiden Gründern unterzeichnete Bilanz vom 30. Juni 1948 auf Fr. 47'354.75, die Passiven auf Fr. 32'337.60 und den Aktivenüberschuss auf Fr. 15'017.15. Unter den Aktiven erwähnten sie unter anderem ein "Gebäude" und "Maschinen und Werkzeuge". Der Wert des ersteren war in der Bilanz mit Fr. 5600.--, der Wert der letzteren mit Fr. 24'400.-- angegeben. Laut öffentlicher Urkunde über die Gründung erklärten die beiden Gesellschafter, dass die Statuten ihren Willen enthielten und die Sacheinlage Melligers der Gesellschaft zur freien Verfügung stehe.
Unter dem von Melliger angeblich eingebrachten Gebäude verstanden die Gesellschafter eine Fahrnisbaute, in der er sein Geschäft betrieb, über die er aber, weil sie seinem Vater Josef Melliger gehörte, nicht zu verfügen berechtigt war. Die eingebrachten Maschinen und Werkzeuge waren, wie beide Gesellschafter wussten, viel weniger als Fr. 24'400.-- wert.
B.- Am 23. Juli 1954 erhob die Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern gegen Christian Melliger und Kurt Breymayer Anklage wegen Urkundenfälschung, begangen durch die falschen Angaben über die Sacheinlage in der Bilanz vom 30. Juni 1948, im Sacheinlagevertrag und in den Statuten, ferner wegen Erschleichung falscher Beurkundungen, nämlich der öffentlichen Urkunde über die Gründung und des Handelsregistereintrages.
Das Kriminalgericht des Kantons Luzern sprach die Angeklagten am 10. Dezember 1954 frei.
Auf Appellation der Staatsanwaltschaft erklärte das Obergericht des Kantons Luzern sie dagegen am 25. März 1955 im Sinne der Anklage schuldig und verurteilte jeden zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von sechs Monaten, wobei es Melliger vier, Breymayer zwei Jahre Probezeit setzte.
C.- Die Verurteilten führen Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache zu ihrer Freisprechung zurückzuweisen. Melliger beantragt subsidiär Zurückweisung zu neuer Entscheidung.
D.- Die Staatsanwaltschaft beantragt, die Beschwerden seien abzuweisen.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. a) Den Beschwerdeführern wird vorgeworfen, sie hätten in der Bilanz vom 30. Juni 1948, im Sacheinlagevertrag vom 10. Juli 1948 und in den Statuten vom gleichen Tage im Sinne von Art. 251 Ziff. 1 Abs. 2 StGB insofern rechtlich erhebliche Tatsachen unrichtig beurkundet, als sie die dem Christian Melliger nicht gehörende Fahrnisbaute als zu seinem Geschäftsvermögen gehörend bezeichneten und den Wert der Maschinen und Werkzeuge zu hoch angaben. Die Beschwerdeführer wenden ein, die Schriftstücke hätten nur Beweis dafür geschaffen, dass die darin enthaltenen Erklärungen abgegeben wurden, nicht auch dafür, dass sie wahr seien; der behauptete falsche Vermögensbestand könne nicht zugleich Beweis für sich selbst sein.
Damit verkennen sie, dass eine Schrift schon dann Urkunde und ihr Inhalt "beurkundet" ist, wenn sie eine Tatsache von rechtlicher Bedeutung zu beweisen bestimmt, nicht nur, wenn sie eine solche Tatsache zu beweisen geeignet ist (Art. 110 Ziff. 5 StGB). Die Bestimmung zum Beweise aber haben die Beschwerdeführer der Bilanz, dem Sacheinlagevertrag und den Statuten selber verliehen, indem sie veranlassten, dass in der öffentlichen Urkunde über die Gründung der Gesellschaft und im Handelsregistereintrag entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen (Art. 778-781 OR) darauf Bezug genommen wurde. Übrigens ging den drei Schriftstücken auch die Eignung zum Beweise nicht ab. Wenn Gründer einer Gesellschaft unterschriftlich erklären, ein bestimmtes Vermögensstück sei auf Rechnung an den Stammanteil des einen Gesellschafters eingelegt worden und andere eingebrachte Vermögensstücke hätten einen bestimmten Wert, so können Dritte daraus an sich schliessen, ihre Erklärung sei wahr. Nicht nötig ist, dass dieser Schluss zwingend sei, d.h. die Erklärung unter allen Umständen Glauben verdiene. Unter der Eignung zum Beweise versteht Art. 110 Ziff. 5 StGB nicht die Beweiskraft (Glaubwürdigkeit) der Schrift, sondern ihre Tauglichkeit, überhaupt Beweismittel zum Nachweis des dargestellten Sachverhaltes zu sein.
Dass die Erklärungen in den drei Urkunden mit den Tatsachen nicht übereinstimmten, ist objektiv festgestellt, ohne dass die Vorinstanz von einem unzutreffenden Begriff der Unrichtigkeit der Beurkundung ausgegangen wäre. Der Hinweis des Beschwerdeführers Melliger auf einen Vertrag vom 15. August 1948, durch den sein Vater der Gesellschaft die Fahrnisbaute zum Preise von Fr. 3800.-- verkaufte und auf diesen Betrag Fr. 500.-- anrechnete, die der Beschwerdeführer bereits abbezahlt hatte, ist trölerisch. Abgesehen davon, dass dieser Vertrag erst nach der Gründung der Gesellschaft abgeschlossen wurde, widerlegt er in keiner Weise, dass die Beschwerdeführer die Baute als ein von Christian Melliger eingebrachtes Vermögensstück ausgegeben hatten, während sie ihm in Wirklichkeit nicht gehörte und vom Eigentümer Josef Melliger lediglich gegen Bezahlung von Fr. 3800.-- veräussert werden wollte.
Da mit Recht nicht bestritten wird, dass die unrichtig beurkundeten Tatsachen rechtlich erheblich waren, ist somit der objektive Tatbestand des Art. 251 Ziff. 1 Abs. 2 StGB erfüllt.
b) Der vom Beschwerdeführer Melliger in subjektiver Hinsicht erhobene Einwand, er habe auf Grund des Vertrages vom 15. August 1948 der Meinung sein dürfen, die Fahrnisbaute gehöre ihm, ist arg mutwillig, da der Vertrag erst nach Vollendung des Verbrechens abgeschlossen wurde, die Gesellschaft, nicht der Beschwerdeführer als Käufer auftrat und die Erwerberin der Baute zur Bezahlung des Kaufpreises verpflichtet wurde, was nicht zugetroffen hätte, wenn der Beschwerdeführer sie auf Anrechnung an seinen Stammanteil eingelegt hätte.
Auf die Rüge Breymayers sodann, er habe nicht gewusst, dass die von Melliger "eingebrachten Sachwerte zum Teil fingiert waren", ist nicht einzutreten, da das Obergericht verbindlich feststellt, er habe gewusst, dass die Baute dem Melliger nicht gehörte und dass die Maschinen und Werkzeuge zu hoch bewertet waren.
Ohne Halt ist auch der Einwand Melligers, er habe nicht, wie Art. 251 Ziff. 1 Abs. 1 StGB voraussetzt, jemanden am Vermögen oder an anderen Rechten zu schädigen oder sich oder einen anderen einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen beabsichtigt. Der unrechtmässige Vorteil, auf den Melliger es abgesehen hatte, bestand darin, seinen Stammanteil als durch Sacheinlagen gedeckt erscheinen zu lassen, während er wegen des Nichteinbringens der Fahrnisbaute und wegen des Minderwertes der Maschinen und Werkzeuge teilweise nicht gedeckt war. Auf den gleichen unrechtmässigen Vorteil, freilich nicht für sich selber, sondern für den Mitgesellschafter, hatte es Breymayer abgesehen. Das genügt zur Anwendung des Art. 251 Ziff. 1 StGB; nicht nötig ist, dass Breymayer auch sich persönlich einen Vorteil habe verschaffen wollen. Ein solcher bestand für ihn übrigens darin, dass er einer Gesellschaft angehörte, die ein höheres als das tatsächlich geleistete Stammkapital auswies. Daran ändert der Umstand nichts, dass seinen Interessen noch besser gedient gewesen wäre, wenn Melliger die Sacheinlage im vorgetäuschten Umfange tatsächlich geleistet hätte. Nicht erforderlich ist, dass die beiden auch jemanden am Vermögen schädigen wollten.
c) Das von Breymayer bestrittene Bewusstsein, Unrecht zu tun, gehört nicht zum Vorsatz. Wenn es aus zureichenden Gründen fehlt, trifft vielmehr Art. 20 StGB zu, wonach der Richter die Strafe nach freiem Ermessen mildern oder von einer Bestrafung Umgang nehmen kann. Hier ist jedoch diese Bestimmung nicht anwendbar. Sollte Breymayer, was verwunderlich wäre, gemeint haben, es sei erlaubt, zwecks Gründung und Eintragung einer Gesellschaft inhaltlich unwahre Urkunden über Zusammensetzung und Wert von Sacheinlagen zu erstellen, so hätte er jedenfalls hiezu keinen zureichenden Grund gehabt. Nichts hinderte ihn bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit und Überlegung, Wortlaut und Sinn des Gesetzes richtig zu erfassen.
2. a) Die Beschwerdeführer bestreiten, den Tatbestand des Art. 253 StGB anlässlich der öffentlichen Beurkundung der Gründung erfüllt zu haben; denn die betreffende Urkunde sei nicht bestimmt oder geeignet gewesen, die Wahrheit der von den Gründern abgegebenen Erklärungen zu beweisen.
Sie verkennen, dass, wie schon in BGE 78 IV 110 ff. ausgeführt wurde, der öffentlich beurkundete Vertrag kein blosses Protokoll über die von den Parteien abgegebenen Erklärungen ist, sondern dass die Urkundsperson alle zum Zustandekommen des Vertrages nötigen Tatsachen, auch die von ihr sinnlich nicht unmittelbar wahrnehmbaren, beurkundet. Die öffentliche Urkunde über die Gründung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist somit nicht lediglich Urkunde darüber, dass die Gründer die in Art. 779 Abs. 2 OR aufgezählten Tatsachen vor der Urkundsperson bestätigt haben, sondern auch Urkunde darüber, dass ihre Bestätigung mit den Tatsachen übereinstimmt, und zwar unbekümmert darum, ob die Urkundsperson die Übereinstimmung mit den eigenen Sinnen festgelegt habe oder nicht. Die Bestätigung durch die Gründer allein ist schon bestimmt und auch geeignet, die bestätigten Tatsachen zu beweisen, ohne dass es dazu noch einer Erklärung der Urkundsperson bedürfte, sie habe die Angaben der Gründer überprüft und für richtig befunden. Ob die Gründer Glauben verdienen, ist unerheblich; Art. 253 setzt sowenig wie Art. 251 StGB Beweiskraft voraus; Bestimmung oder Eignung zur Verwendung als Beweismittel zwecks Nachweises der Tatsachen, die Gegenstand der abgegebenen Erklärungen bilden, genügt. Wären nur die Erklärungen, nicht auch diese Tatsachen beurkundet, so könnte die Gründung der Gesellschaft durch blosse Vorlegung der Urkunde nicht nachgewiesen werden, sondern es müsste daneben immer noch bewiesen werden, dass die verurkundeten Bestätigungen der Gründer richtig seien. Weder die Gründer selber noch Dritte könnten sich darauf berufen, dass - bis zum Beweis des Gegenteils (Art. 9 ZGB) - die Gesellschaft in der angegebenen Weise gegründet sei. Die Rechtssicherheit, die durch das Erfordernis der öffentlichen Beurkundung gewährleistet werden soll, bestünde nicht; die Urkunde hätte im wesentlichen nur den Wert eines in einfacher Schriftlichkeit festgelegten Vertrages mit beglaubigten Unterschriften.
Indem die Beschwerdeführer am 10. Juli 1948 vor der Urkundsperson erklärten, die Statuten der Gesellschaft enthielten ihren Willen, die Sacheinlage Melligers stehe zur freien Verfügung bereit und der Sacheinlagevertrag sei von allen Gründern geprüft und anerkannt worden, bewirkten sie somit im Sinne des Art. 253 StGB die unrichtige Beurkundung von Tatsachen, nämlich einer nicht im angegebenen Umfange und im angegebenen Werte geleisteten Sacheinlage.
Dass diese Tatsachen auch rechtlich erheblich waren, bestreiten sie mit Recht nicht. Auch ist das Merkmal der Täuschung des Urkundsbeamten erfüllt; denn die Beschwerdeführer behaupten nicht, dass sie die Urkundsperson davon in Kenntnis gesetzt hätten, dass Melliger über die Fahrnisbaute nicht verfügen konnte und die Sacheinlage auch wegen Minderwertes der Maschinen und Werkzeuge den Stammanteil Melligers nicht deckte.
b) Der subjektive Tatbestand sodann, den Breymayer bestreitet, ergibt sich aus der verbindlichen Feststellung der Vorinstanz, dass die Beschwerdeführer um das Fehlen des Verfügungsrechtes Melligers über die Fahrnisbaute und um die zu hohe Bewertung der Maschinen -und Werkzeuge wussten. Da sie trotz dieses Wissens die öffentliche Urkunde über die Gesellschaftsgründung bewusst und gewollt erstellen liessen, handelten sie vorsätzlich.
3. a) Melliger bestreitet, durch Veranlassung des Handelsregistereintrages über die Zugehörigkeit eines "Gebäudes" zu dem eingebrachten Vermögen und über den Wert des letzteren Art. 253 StGB erfüllt zu haben.
Er verkennt, dass der Registerführer, der gemäss Art. 781 Ziff. 6 OR den "Gegenstand und die Anrechnung der Sacheinlage und der übernommenen Vermögenswerte" in das Handelsregister einträgt, nicht lediglich die entsprechende Erklärung der die Eintragung nachsuchenden Geschäftsführer (s. Art. 780 Abs. 3 Ziff. 2 OR), sondern den Bestand und Wert der Sacheinlage selbst beurkundet. Das ergibt sich schon daraus, dass die Anmeldenden dem Registerführer nicht nur die Ausfertigung der Statuten und den Errichtungsakt einzureichen, sondern sich ihm gegenüber auch darüber auszuweisen haben, dass die in den Statuten bestimmten Sacheinlagen gedeckt sind und zur freien Verfügung der Gesellschaft stehen (Art. 780 Abs. 4 OR), und dass, wie aus Art. 940 Abs. 1 OR und Art. 21 und 38 HRegV hervorgeht und auch die Rechtsprechung annimmt (BGE 56 I 59), der Registerführer die angemeldeten Tatsachen zu überprüfen hat und keine unwahren Eintragungen vornehmen darf (vgl. auch HIS Art. 940 N. 44 ff.). Wie die Art. 933 Abs. 2 und 937 OR zeigen, versteht denn auch das Gesetz unter den im Handelsregister einzutragenden "Tatsachen" nicht die Erklärungen der Anmeldenden, sondern den angemeldeten Sachverhalt selbst. Dieser, nicht lediglich die Anmeldung, müsste übrigens auch dann als beurkundet gelten, wenn der Registerführer der Wahrheit der Anmeldung nicht nachzugehen hätte; denn er befände sich damit in gleicher Lage wie z.B. der Zivilstandsbeamte, der durch Eintragung einer Geburt nicht nur die Anmeldung, sondern die Geburt selbst beurkundet, ohne sie gesehen oder die Erklärung sonstwie überprüft zu haben, und auch in gleicher Lage wie die mit der öffentlichen Beurkundung eines Rechtsgeschäftes betraute Person, die Tatsachen beurkundet, von deren Bestand sie lediglich durch die Erklärung der Parteien Kenntnis erhält (vgl. BGE 78 IV 110 ff.). Daher hat der Kassationshof schon in BGE 74 IV 162 vorausgesetzt, das Handelsregister sei eine Urkunde über die eingetragenen Tatsachen, nicht lediglich ein Protokoll über abgegebene Erklärungen. Dass das Handelsregister nur ausnahmsweise positive Publizitätswirkung hat (s. BGE 78 III 45), steht seiner Eigenschaft als Urkunde über die eingetragenen Tatsachen nicht im Wege; es ist nichtsdestoweniger zum Nachweis dieser Tatsachen geeignet und schafft seiner Öffentlichkeit wegen hiefür sogar vollen Beweis, solange nicht die Unrichtigkeit seines Inhaltes nachgewiesen ist (Art. 9 ZGB).
Auch steht im vorliegenden Falle die Unrichtigkeit beurkundeter Tatsachen fest. Die von den Beschwerdeführern veranlasste Eintragung stimmte insofern nicht mit der Wirklichkeit überein, als ein "Gebäude", das dem Beschwerdeführer Melliger nicht gehörte und das er auch sonst nicht zu Eigentum auf die Gesellschaft zu übertragen berechtigt war, als Bestandteil seiner Sacheinlage ausgegeben und diese auch wegen Überbewertung der Maschinen und Werkzeuge zu hoch beziffert und damit der Stammanteil Melligers zu Unrecht als voll gedeckt hingestellt wurde.
Die rechtliche Erheblichkeit dieser unrichtig beurkundeten Tatsachen sodann ergibt sich schon aus der gesetzlichen Pflicht, Gegenstand und Anrechnung der auf die Stammeinlagen gemachten Leistungen wahrheitsgetreu eintragen zu lassen. Die Beschwerdeführer sagen übrigens nicht, inwiefern sie fehlen sollte.
Auch ist die unrichtige Beurkundung durch Täuschung bewirkt worden, nämlich durch die inhaltlich unwahre Anmeldung und die sie begleitenden unwahren Urkunden.
b) Die Bestreitung des subjektiven Tatbestandes scheitert auch hier an der verbindlichen Feststellung der Vorinstanz, dass den Beschwerdeführern das Fehlen des Verfügungsrechtes Melligers über die Fahrnisbaute und die Überbewertung der Maschinen und Werkzeuge bekannt war. Indem sie trotz dieser Kenntnis bewusst und gewollt die unwahre Eintragung im Handelsregister nachsuchten, begingen sie das Verbrechen des Art. 253 StGB vorsätzlich.
4. Die Beschwerdeführer machen geltend, die Art. 251 und 253 StGB dürften auf ihre Handlungen nicht angewendet werden, weil Art. 1 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 1923 betreffend Strafbestimmungen zum Handelsregister- und Firmenrecht diesen Bestimmungen vorgehe.
Diese Auffassung hält nicht stand. Art. 1 Abs. 1 dieses Gesetzes, wonach mit Gefängnis bis zu sechs Monaten oder mit Busse bis zu zwanzigtausend Franken bestraft wird, "wer den Handelsregisterführer mit Vorsatz dazu veranlasst hat, eine Registereintragung vorzunehmen, die geeignet ist, eine Täuschung zu bewirken, sei es über die in das Register einzutragende Person, oder deren Wohnsitz oder deren Staatsangehörigkeit, sei es über den Betrag, die Zusammensetzung oder die Einzahlung des Kapitals einer Gesellschaft", beansprucht Geltung ausdrücklich nur, "sofern schwerere Strafbestimmungen nicht in Anwendung zu bringen sind". Dieser Vorbehalt schwererer Strafnormen lautet allgemein und würde daher selbst dann gelten, wenn die von Art. 1 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 1923 erfassten Fälle ausnahmslos auch die Merkmale einer schwereren Norm des schweizerischen Strafgesetzbuches, nämlich des Art. 253 oder des Art. 24 in Verbindung mit Art. 317, aufweisen sollten. Zwar hätte Art. 1 Abs. 1 des Bundesgesetzes dann nur Sinn in Verbindung mit Art. 1 Abs. 2, der die fahrlässige Begehung unter Strafe stellt. Das ist aber nicht verwunderlich. Als das Bundesgesetz erlassen wurde, war das allgemeine Strafrecht noch kantonales Recht. Da der Bund keine Gewähr hatte, dass die Kantone die in Art. 1 Abs. 1 des Bundesgesetzes umschriebene Tat als Erschleichung einer falschen Beurkundung oder als Anstiftung zu Falschbeurkundung oder dgl. mit Strafe bedrohen würden, hatte es einen guten Sinn, in Art. 1 des Bundesgesetzes Strafe auch für die vorsätzliche Tat vorzusehen. Mit dieser Bestimmung wollte der Bundesgesetzgeber lediglich vom kantonalen Recht gelassene Lücken ausfüllen, nicht Tatbestände, die die Kantone mit schwererer Strafe bedrohten, privilegieren - eine Einmischung in die kantonale Hoheit, zu der auch gar kein sachlicher Grund bestanden hätte. In der Botschaft vom 3. Juni 1921 hob denn auch der Bundesrat hervor, dass die Bestrafung wegen Urkundenfälschung oder Betruges vorbehalten bleibe, wenn einer dieser beiden Tatbestände gegeben sei (BBl 1921 III 271). Durch das Inkrafttreten des schweizerischen Strafgesetzbuches hat sich am Sinne des Art. 1 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 1923 nichts geändert.
Schliesst diese Bestimmung die Anwendung des Art. 253 StGB auf die Erschleichung der falschen Eintragung im Handelsregister nicht aus, so kann sie noch weniger der Bestrafung der Beschwerdeführer nach Art. 251 StGB für die vorausgegangene falsche Beurkundung der Bilanz, des Sacheinlagevertrages und der Statuten und der Verurteilung gemäss Art. 253 StGB für die ebenfalls vorausgegangene Erschleichung der falschen öffentlichen Urkunde über die Gesellschaftsgründung im Wege stehen, haben doch diese Verbrechen mit der Erwirkung des falschen Registereintrages nichts als den Endzweck gemein, was nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung in der Regel die Vortat sowenig wie die Nachtat "straflos" macht (vgl. BGE 71 IV 207 ff., BGE 72 IV 11, 116 f., BGE 77 IV 16, BGE 78 IV 198, BGE 79 IV 62, BGE 80 IV 256).
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden abgewiesen.
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1. Art. 110 ch. 5, 251, 253 CP. Faux dans les titres et obtention frauduleuse d'une constatation fausse commis par tromperie et surestimation d'apports en nature dans un bilan, le contrat relatif à ces apports, les statuts, l'acte authentique de constitution et l'inscription au registre du commerce lors de la fondation d'une société à responsabilité limitée (consid. 1 à 3). 2. Rapport entre, d'une part, les art. 251 et 253 CP et, d'autre part, l'art. 1er al. 1 de la LF statuant des dispositions pénales en matière de registre du commerce et de raisons de commerce, du 6 octobre 1923 (consid. 4).
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81 IV 238
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81 IV 238
Sachverhalt ab Seite 238
A.- Christian Melliger, der in Luzern auf eigene Rechnung Holzwaren herstellte, gründete am 10. Juli 1948 mit seinem Buchhalter Kurt Breymayer die Carosserie- und Holzwaren G.m.b.H., wobei er auf Rechnung seiner Stammeinlage von Fr. 15'000.-- die Aktiven und Passiven seines Geschäftes leistete. Sacheinlagevertrag, Statuten und Handelsregistereintrag bezifferten die eingebrachten Aktiven unter Verweisung auf eine von beiden Gründern unterzeichnete Bilanz vom 30. Juni 1948 auf Fr. 47'354.75, die Passiven auf Fr. 32'337.60 und den Aktivenüberschuss auf Fr. 15'017.15. Unter den Aktiven erwähnten sie unter anderem ein "Gebäude" und "Maschinen und Werkzeuge". Der Wert des ersteren war in der Bilanz mit Fr. 5600.--, der Wert der letzteren mit Fr. 24'400.-- angegeben. Laut öffentlicher Urkunde über die Gründung erklärten die beiden Gesellschafter, dass die Statuten ihren Willen enthielten und die Sacheinlage Melligers der Gesellschaft zur freien Verfügung stehe.
Unter dem von Melliger angeblich eingebrachten Gebäude verstanden die Gesellschafter eine Fahrnisbaute, in der er sein Geschäft betrieb, über die er aber, weil sie seinem Vater Josef Melliger gehörte, nicht zu verfügen berechtigt war. Die eingebrachten Maschinen und Werkzeuge waren, wie beide Gesellschafter wussten, viel weniger als Fr. 24'400.-- wert.
B.- Am 23. Juli 1954 erhob die Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern gegen Christian Melliger und Kurt Breymayer Anklage wegen Urkundenfälschung, begangen durch die falschen Angaben über die Sacheinlage in der Bilanz vom 30. Juni 1948, im Sacheinlagevertrag und in den Statuten, ferner wegen Erschleichung falscher Beurkundungen, nämlich der öffentlichen Urkunde über die Gründung und des Handelsregistereintrages.
Das Kriminalgericht des Kantons Luzern sprach die Angeklagten am 10. Dezember 1954 frei.
Auf Appellation der Staatsanwaltschaft erklärte das Obergericht des Kantons Luzern sie dagegen am 25. März 1955 im Sinne der Anklage schuldig und verurteilte jeden zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von sechs Monaten, wobei es Melliger vier, Breymayer zwei Jahre Probezeit setzte.
C.- Die Verurteilten führen Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache zu ihrer Freisprechung zurückzuweisen. Melliger beantragt subsidiär Zurückweisung zu neuer Entscheidung.
D.- Die Staatsanwaltschaft beantragt, die Beschwerden seien abzuweisen.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. a) Den Beschwerdeführern wird vorgeworfen, sie hätten in der Bilanz vom 30. Juni 1948, im Sacheinlagevertrag vom 10. Juli 1948 und in den Statuten vom gleichen Tage im Sinne von Art. 251 Ziff. 1 Abs. 2 StGB insofern rechtlich erhebliche Tatsachen unrichtig beurkundet, als sie die dem Christian Melliger nicht gehörende Fahrnisbaute als zu seinem Geschäftsvermögen gehörend bezeichneten und den Wert der Maschinen und Werkzeuge zu hoch angaben. Die Beschwerdeführer wenden ein, die Schriftstücke hätten nur Beweis dafür geschaffen, dass die darin enthaltenen Erklärungen abgegeben wurden, nicht auch dafür, dass sie wahr seien; der behauptete falsche Vermögensbestand könne nicht zugleich Beweis für sich selbst sein.
Damit verkennen sie, dass eine Schrift schon dann Urkunde und ihr Inhalt "beurkundet" ist, wenn sie eine Tatsache von rechtlicher Bedeutung zu beweisen bestimmt, nicht nur, wenn sie eine solche Tatsache zu beweisen geeignet ist (Art. 110 Ziff. 5 StGB). Die Bestimmung zum Beweise aber haben die Beschwerdeführer der Bilanz, dem Sacheinlagevertrag und den Statuten selber verliehen, indem sie veranlassten, dass in der öffentlichen Urkunde über die Gründung der Gesellschaft und im Handelsregistereintrag entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen (Art. 778-781 OR) darauf Bezug genommen wurde. Übrigens ging den drei Schriftstücken auch die Eignung zum Beweise nicht ab. Wenn Gründer einer Gesellschaft unterschriftlich erklären, ein bestimmtes Vermögensstück sei auf Rechnung an den Stammanteil des einen Gesellschafters eingelegt worden und andere eingebrachte Vermögensstücke hätten einen bestimmten Wert, so können Dritte daraus an sich schliessen, ihre Erklärung sei wahr. Nicht nötig ist, dass dieser Schluss zwingend sei, d.h. die Erklärung unter allen Umständen Glauben verdiene. Unter der Eignung zum Beweise versteht Art. 110 Ziff. 5 StGB nicht die Beweiskraft (Glaubwürdigkeit) der Schrift, sondern ihre Tauglichkeit, überhaupt Beweismittel zum Nachweis des dargestellten Sachverhaltes zu sein.
Dass die Erklärungen in den drei Urkunden mit den Tatsachen nicht übereinstimmten, ist objektiv festgestellt, ohne dass die Vorinstanz von einem unzutreffenden Begriff der Unrichtigkeit der Beurkundung ausgegangen wäre. Der Hinweis des Beschwerdeführers Melliger auf einen Vertrag vom 15. August 1948, durch den sein Vater der Gesellschaft die Fahrnisbaute zum Preise von Fr. 3800.-- verkaufte und auf diesen Betrag Fr. 500.-- anrechnete, die der Beschwerdeführer bereits abbezahlt hatte, ist trölerisch. Abgesehen davon, dass dieser Vertrag erst nach der Gründung der Gesellschaft abgeschlossen wurde, widerlegt er in keiner Weise, dass die Beschwerdeführer die Baute als ein von Christian Melliger eingebrachtes Vermögensstück ausgegeben hatten, während sie ihm in Wirklichkeit nicht gehörte und vom Eigentümer Josef Melliger lediglich gegen Bezahlung von Fr. 3800.-- veräussert werden wollte.
Da mit Recht nicht bestritten wird, dass die unrichtig beurkundeten Tatsachen rechtlich erheblich waren, ist somit der objektive Tatbestand des Art. 251 Ziff. 1 Abs. 2 StGB erfüllt.
b) Der vom Beschwerdeführer Melliger in subjektiver Hinsicht erhobene Einwand, er habe auf Grund des Vertrages vom 15. August 1948 der Meinung sein dürfen, die Fahrnisbaute gehöre ihm, ist arg mutwillig, da der Vertrag erst nach Vollendung des Verbrechens abgeschlossen wurde, die Gesellschaft, nicht der Beschwerdeführer als Käufer auftrat und die Erwerberin der Baute zur Bezahlung des Kaufpreises verpflichtet wurde, was nicht zugetroffen hätte, wenn der Beschwerdeführer sie auf Anrechnung an seinen Stammanteil eingelegt hätte.
Auf die Rüge Breymayers sodann, er habe nicht gewusst, dass die von Melliger "eingebrachten Sachwerte zum Teil fingiert waren", ist nicht einzutreten, da das Obergericht verbindlich feststellt, er habe gewusst, dass die Baute dem Melliger nicht gehörte und dass die Maschinen und Werkzeuge zu hoch bewertet waren.
Ohne Halt ist auch der Einwand Melligers, er habe nicht, wie Art. 251 Ziff. 1 Abs. 1 StGB voraussetzt, jemanden am Vermögen oder an anderen Rechten zu schädigen oder sich oder einen anderen einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen beabsichtigt. Der unrechtmässige Vorteil, auf den Melliger es abgesehen hatte, bestand darin, seinen Stammanteil als durch Sacheinlagen gedeckt erscheinen zu lassen, während er wegen des Nichteinbringens der Fahrnisbaute und wegen des Minderwertes der Maschinen und Werkzeuge teilweise nicht gedeckt war. Auf den gleichen unrechtmässigen Vorteil, freilich nicht für sich selber, sondern für den Mitgesellschafter, hatte es Breymayer abgesehen. Das genügt zur Anwendung des Art. 251 Ziff. 1 StGB; nicht nötig ist, dass Breymayer auch sich persönlich einen Vorteil habe verschaffen wollen. Ein solcher bestand für ihn übrigens darin, dass er einer Gesellschaft angehörte, die ein höheres als das tatsächlich geleistete Stammkapital auswies. Daran ändert der Umstand nichts, dass seinen Interessen noch besser gedient gewesen wäre, wenn Melliger die Sacheinlage im vorgetäuschten Umfange tatsächlich geleistet hätte. Nicht erforderlich ist, dass die beiden auch jemanden am Vermögen schädigen wollten.
c) Das von Breymayer bestrittene Bewusstsein, Unrecht zu tun, gehört nicht zum Vorsatz. Wenn es aus zureichenden Gründen fehlt, trifft vielmehr Art. 20 StGB zu, wonach der Richter die Strafe nach freiem Ermessen mildern oder von einer Bestrafung Umgang nehmen kann. Hier ist jedoch diese Bestimmung nicht anwendbar. Sollte Breymayer, was verwunderlich wäre, gemeint haben, es sei erlaubt, zwecks Gründung und Eintragung einer Gesellschaft inhaltlich unwahre Urkunden über Zusammensetzung und Wert von Sacheinlagen zu erstellen, so hätte er jedenfalls hiezu keinen zureichenden Grund gehabt. Nichts hinderte ihn bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit und Überlegung, Wortlaut und Sinn des Gesetzes richtig zu erfassen.
2. a) Die Beschwerdeführer bestreiten, den Tatbestand des Art. 253 StGB anlässlich der öffentlichen Beurkundung der Gründung erfüllt zu haben; denn die betreffende Urkunde sei nicht bestimmt oder geeignet gewesen, die Wahrheit der von den Gründern abgegebenen Erklärungen zu beweisen.
Sie verkennen, dass, wie schon in BGE 78 IV 110 ff. ausgeführt wurde, der öffentlich beurkundete Vertrag kein blosses Protokoll über die von den Parteien abgegebenen Erklärungen ist, sondern dass die Urkundsperson alle zum Zustandekommen des Vertrages nötigen Tatsachen, auch die von ihr sinnlich nicht unmittelbar wahrnehmbaren, beurkundet. Die öffentliche Urkunde über die Gründung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist somit nicht lediglich Urkunde darüber, dass die Gründer die in Art. 779 Abs. 2 OR aufgezählten Tatsachen vor der Urkundsperson bestätigt haben, sondern auch Urkunde darüber, dass ihre Bestätigung mit den Tatsachen übereinstimmt, und zwar unbekümmert darum, ob die Urkundsperson die Übereinstimmung mit den eigenen Sinnen festgelegt habe oder nicht. Die Bestätigung durch die Gründer allein ist schon bestimmt und auch geeignet, die bestätigten Tatsachen zu beweisen, ohne dass es dazu noch einer Erklärung der Urkundsperson bedürfte, sie habe die Angaben der Gründer überprüft und für richtig befunden. Ob die Gründer Glauben verdienen, ist unerheblich; Art. 253 setzt sowenig wie Art. 251 StGB Beweiskraft voraus; Bestimmung oder Eignung zur Verwendung als Beweismittel zwecks Nachweises der Tatsachen, die Gegenstand der abgegebenen Erklärungen bilden, genügt. Wären nur die Erklärungen, nicht auch diese Tatsachen beurkundet, so könnte die Gründung der Gesellschaft durch blosse Vorlegung der Urkunde nicht nachgewiesen werden, sondern es müsste daneben immer noch bewiesen werden, dass die verurkundeten Bestätigungen der Gründer richtig seien. Weder die Gründer selber noch Dritte könnten sich darauf berufen, dass - bis zum Beweis des Gegenteils (Art. 9 ZGB) - die Gesellschaft in der angegebenen Weise gegründet sei. Die Rechtssicherheit, die durch das Erfordernis der öffentlichen Beurkundung gewährleistet werden soll, bestünde nicht; die Urkunde hätte im wesentlichen nur den Wert eines in einfacher Schriftlichkeit festgelegten Vertrages mit beglaubigten Unterschriften.
Indem die Beschwerdeführer am 10. Juli 1948 vor der Urkundsperson erklärten, die Statuten der Gesellschaft enthielten ihren Willen, die Sacheinlage Melligers stehe zur freien Verfügung bereit und der Sacheinlagevertrag sei von allen Gründern geprüft und anerkannt worden, bewirkten sie somit im Sinne des Art. 253 StGB die unrichtige Beurkundung von Tatsachen, nämlich einer nicht im angegebenen Umfange und im angegebenen Werte geleisteten Sacheinlage.
Dass diese Tatsachen auch rechtlich erheblich waren, bestreiten sie mit Recht nicht. Auch ist das Merkmal der Täuschung des Urkundsbeamten erfüllt; denn die Beschwerdeführer behaupten nicht, dass sie die Urkundsperson davon in Kenntnis gesetzt hätten, dass Melliger über die Fahrnisbaute nicht verfügen konnte und die Sacheinlage auch wegen Minderwertes der Maschinen und Werkzeuge den Stammanteil Melligers nicht deckte.
b) Der subjektive Tatbestand sodann, den Breymayer bestreitet, ergibt sich aus der verbindlichen Feststellung der Vorinstanz, dass die Beschwerdeführer um das Fehlen des Verfügungsrechtes Melligers über die Fahrnisbaute und um die zu hohe Bewertung der Maschinen -und Werkzeuge wussten. Da sie trotz dieses Wissens die öffentliche Urkunde über die Gesellschaftsgründung bewusst und gewollt erstellen liessen, handelten sie vorsätzlich.
3. a) Melliger bestreitet, durch Veranlassung des Handelsregistereintrages über die Zugehörigkeit eines "Gebäudes" zu dem eingebrachten Vermögen und über den Wert des letzteren Art. 253 StGB erfüllt zu haben.
Er verkennt, dass der Registerführer, der gemäss Art. 781 Ziff. 6 OR den "Gegenstand und die Anrechnung der Sacheinlage und der übernommenen Vermögenswerte" in das Handelsregister einträgt, nicht lediglich die entsprechende Erklärung der die Eintragung nachsuchenden Geschäftsführer (s. Art. 780 Abs. 3 Ziff. 2 OR), sondern den Bestand und Wert der Sacheinlage selbst beurkundet. Das ergibt sich schon daraus, dass die Anmeldenden dem Registerführer nicht nur die Ausfertigung der Statuten und den Errichtungsakt einzureichen, sondern sich ihm gegenüber auch darüber auszuweisen haben, dass die in den Statuten bestimmten Sacheinlagen gedeckt sind und zur freien Verfügung der Gesellschaft stehen (Art. 780 Abs. 4 OR), und dass, wie aus Art. 940 Abs. 1 OR und Art. 21 und 38 HRegV hervorgeht und auch die Rechtsprechung annimmt (BGE 56 I 59), der Registerführer die angemeldeten Tatsachen zu überprüfen hat und keine unwahren Eintragungen vornehmen darf (vgl. auch HIS Art. 940 N. 44 ff.). Wie die Art. 933 Abs. 2 und 937 OR zeigen, versteht denn auch das Gesetz unter den im Handelsregister einzutragenden "Tatsachen" nicht die Erklärungen der Anmeldenden, sondern den angemeldeten Sachverhalt selbst. Dieser, nicht lediglich die Anmeldung, müsste übrigens auch dann als beurkundet gelten, wenn der Registerführer der Wahrheit der Anmeldung nicht nachzugehen hätte; denn er befände sich damit in gleicher Lage wie z.B. der Zivilstandsbeamte, der durch Eintragung einer Geburt nicht nur die Anmeldung, sondern die Geburt selbst beurkundet, ohne sie gesehen oder die Erklärung sonstwie überprüft zu haben, und auch in gleicher Lage wie die mit der öffentlichen Beurkundung eines Rechtsgeschäftes betraute Person, die Tatsachen beurkundet, von deren Bestand sie lediglich durch die Erklärung der Parteien Kenntnis erhält (vgl. BGE 78 IV 110 ff.). Daher hat der Kassationshof schon in BGE 74 IV 162 vorausgesetzt, das Handelsregister sei eine Urkunde über die eingetragenen Tatsachen, nicht lediglich ein Protokoll über abgegebene Erklärungen. Dass das Handelsregister nur ausnahmsweise positive Publizitätswirkung hat (s. BGE 78 III 45), steht seiner Eigenschaft als Urkunde über die eingetragenen Tatsachen nicht im Wege; es ist nichtsdestoweniger zum Nachweis dieser Tatsachen geeignet und schafft seiner Öffentlichkeit wegen hiefür sogar vollen Beweis, solange nicht die Unrichtigkeit seines Inhaltes nachgewiesen ist (Art. 9 ZGB).
Auch steht im vorliegenden Falle die Unrichtigkeit beurkundeter Tatsachen fest. Die von den Beschwerdeführern veranlasste Eintragung stimmte insofern nicht mit der Wirklichkeit überein, als ein "Gebäude", das dem Beschwerdeführer Melliger nicht gehörte und das er auch sonst nicht zu Eigentum auf die Gesellschaft zu übertragen berechtigt war, als Bestandteil seiner Sacheinlage ausgegeben und diese auch wegen Überbewertung der Maschinen und Werkzeuge zu hoch beziffert und damit der Stammanteil Melligers zu Unrecht als voll gedeckt hingestellt wurde.
Die rechtliche Erheblichkeit dieser unrichtig beurkundeten Tatsachen sodann ergibt sich schon aus der gesetzlichen Pflicht, Gegenstand und Anrechnung der auf die Stammeinlagen gemachten Leistungen wahrheitsgetreu eintragen zu lassen. Die Beschwerdeführer sagen übrigens nicht, inwiefern sie fehlen sollte.
Auch ist die unrichtige Beurkundung durch Täuschung bewirkt worden, nämlich durch die inhaltlich unwahre Anmeldung und die sie begleitenden unwahren Urkunden.
b) Die Bestreitung des subjektiven Tatbestandes scheitert auch hier an der verbindlichen Feststellung der Vorinstanz, dass den Beschwerdeführern das Fehlen des Verfügungsrechtes Melligers über die Fahrnisbaute und die Überbewertung der Maschinen und Werkzeuge bekannt war. Indem sie trotz dieser Kenntnis bewusst und gewollt die unwahre Eintragung im Handelsregister nachsuchten, begingen sie das Verbrechen des Art. 253 StGB vorsätzlich.
4. Die Beschwerdeführer machen geltend, die Art. 251 und 253 StGB dürften auf ihre Handlungen nicht angewendet werden, weil Art. 1 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 1923 betreffend Strafbestimmungen zum Handelsregister- und Firmenrecht diesen Bestimmungen vorgehe.
Diese Auffassung hält nicht stand. Art. 1 Abs. 1 dieses Gesetzes, wonach mit Gefängnis bis zu sechs Monaten oder mit Busse bis zu zwanzigtausend Franken bestraft wird, "wer den Handelsregisterführer mit Vorsatz dazu veranlasst hat, eine Registereintragung vorzunehmen, die geeignet ist, eine Täuschung zu bewirken, sei es über die in das Register einzutragende Person, oder deren Wohnsitz oder deren Staatsangehörigkeit, sei es über den Betrag, die Zusammensetzung oder die Einzahlung des Kapitals einer Gesellschaft", beansprucht Geltung ausdrücklich nur, "sofern schwerere Strafbestimmungen nicht in Anwendung zu bringen sind". Dieser Vorbehalt schwererer Strafnormen lautet allgemein und würde daher selbst dann gelten, wenn die von Art. 1 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 1923 erfassten Fälle ausnahmslos auch die Merkmale einer schwereren Norm des schweizerischen Strafgesetzbuches, nämlich des Art. 253 oder des Art. 24 in Verbindung mit Art. 317, aufweisen sollten. Zwar hätte Art. 1 Abs. 1 des Bundesgesetzes dann nur Sinn in Verbindung mit Art. 1 Abs. 2, der die fahrlässige Begehung unter Strafe stellt. Das ist aber nicht verwunderlich. Als das Bundesgesetz erlassen wurde, war das allgemeine Strafrecht noch kantonales Recht. Da der Bund keine Gewähr hatte, dass die Kantone die in Art. 1 Abs. 1 des Bundesgesetzes umschriebene Tat als Erschleichung einer falschen Beurkundung oder als Anstiftung zu Falschbeurkundung oder dgl. mit Strafe bedrohen würden, hatte es einen guten Sinn, in Art. 1 des Bundesgesetzes Strafe auch für die vorsätzliche Tat vorzusehen. Mit dieser Bestimmung wollte der Bundesgesetzgeber lediglich vom kantonalen Recht gelassene Lücken ausfüllen, nicht Tatbestände, die die Kantone mit schwererer Strafe bedrohten, privilegieren - eine Einmischung in die kantonale Hoheit, zu der auch gar kein sachlicher Grund bestanden hätte. In der Botschaft vom 3. Juni 1921 hob denn auch der Bundesrat hervor, dass die Bestrafung wegen Urkundenfälschung oder Betruges vorbehalten bleibe, wenn einer dieser beiden Tatbestände gegeben sei (BBl 1921 III 271). Durch das Inkrafttreten des schweizerischen Strafgesetzbuches hat sich am Sinne des Art. 1 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 1923 nichts geändert.
Schliesst diese Bestimmung die Anwendung des Art. 253 StGB auf die Erschleichung der falschen Eintragung im Handelsregister nicht aus, so kann sie noch weniger der Bestrafung der Beschwerdeführer nach Art. 251 StGB für die vorausgegangene falsche Beurkundung der Bilanz, des Sacheinlagevertrages und der Statuten und der Verurteilung gemäss Art. 253 StGB für die ebenfalls vorausgegangene Erschleichung der falschen öffentlichen Urkunde über die Gesellschaftsgründung im Wege stehen, haben doch diese Verbrechen mit der Erwirkung des falschen Registereintrages nichts als den Endzweck gemein, was nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung in der Regel die Vortat sowenig wie die Nachtat "straflos" macht (vgl. BGE 71 IV 207 ff., BGE 72 IV 11, 116 f., BGE 77 IV 16, BGE 78 IV 198, BGE 79 IV 62, BGE 80 IV 256).
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden abgewiesen.
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1. Art. 110 N. 5, 251, 253 CP. Falsità in documenti e conseguimento fraudolento di una falsa attestazione commessi, usando inganno e stimando oltre il loro valore conferimenti in natura, in un bilancio, nel contratto relativo a tali conferimenti, negli statuti, nell'atto autentico di costituzione e nell'iscrizione al registro di commercio, all'atto della fondazione di una società a garanzia limitata (consid. 1-3). 2. Rapporto tra gli art. 251 e 253 CP da una parte e l'art. 1 cp. 1 della legge federale 6 ottobre 1923 che stabilisce disposizioni penali in materia di registro di commercio e di ditte, dall'altra (consid. 4).
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81 IV 249
Sachverhalt ab Seite 249
A.- Am Vormittag des 17. September 1954 näherte Heinrich Schärer sich mit seinem Personenwagen von Zürich her mit 70-75 km /Std. der ausserhalb Schlieren stehenden Garage Haller, bei der sich die Hauptstrassen Nr. 1 (Zürich-Bern) und Nr. 3 (Zürich-Baden) spitzwinklig trennen, erstere nach links abbiegend, letztere geradeaus weiterverlaufend. Er wollte mit unverminderter Geschwindigkeit Richtung Baden weiterfahren. Er sah nicht, dass er im Begriffe war, einen Radfahrer einzuholen, der sich, auf dem rechts und etwas höher liegenden Radfahrweg gegen die Strassengabel fahrend, in der Gegend der Garage, also unmittelbar vor der Abzweigung, befand. Der Radfahrer, Eduard Bolt, war seinen Blicken durch zwei Motorwagen entzogen, die vor der Garage am rechten Rand der Hauptfahrbahn standen. Bolt wollte auf der Strasse Nr. 1 weiterfahren, streckte den linken Arm aus und fuhr gleichzeitig über die an der Gabelung liegende Rampe vom Radfahrweg auf die Hauptfahrbahn hinunter. Schärer, der ihm auf 40-30 m nahe war, bemerkte ihn nun, warnte ausgiebig und bremste kräftig. Dennoch warf er Bolt mit der Vorderseite des Wagens zu Boden und verletzte ihn.
B.- Die Bezirksanwaltschaft Zürich klagte Schärer auf Weisung der Staatsanwaltschaft der fahrlässigen Störung des öffentlichen Verkehrs (Art. 237 Ziff. 2 StGB) und der Übertretung der Art. 26 Abs. 3 und 27 Abs. 1 MFG an.
Das Bezirksgericht Zürich sprach den Angeklagten frei. Das Obergericht des Kantons Zürich erklärte ihn dagegen am 3. Mai 1955 auf Berufung der Staatsanwaltschaft der fahrlässigen Störung des öffentlichen Verkehrs schuldig und verurteilte ihn zu Fr. 100.-- Busse.
Das Obergericht nahm an, die Geschwindigkeit Schärers sei trotz der Feuchtigkeit der Fahrbahn an sich nicht übersetzt gewesen und habe auch nicht wegen Annäherung an die Strassengabel herabgesetzt zu werden brauchen. Dagegen habe der Angeklagte das Verbot des Überholens an Strassenkreuzungen (Art. 26 Abs. 3 MFG) verletzt. Sein Verschulden sei aber gering, weil der Radfahrer die Richtungsänderung nicht rechtzeitig angezeigt und vor dem Abbiegen nicht zurückgeschaut habe.
C.- Schärer führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben. Er macht geltend, es liege kein Fall des Überholens vor, weil Bolt sich auf dem von der Hauptfahrbahn durch einen Randstein deutlich getrennten Radfahrweg befunden habe. Die Rechtsprechung, wonach nicht nur an Kreuzungen im engeren Sinne, sondern auch an Einmündungen nicht überholt werden dürfe, gelte daher nicht. Durch Anlegung von Radfahrwegen wolle man unter anderem erreichen, dass der Verkehr auf der Hauptfahrbahn sich rascher abwickeln könne. Der Führer des Motorfahrzeuges brauche nicht damit zu rechnen, dass der Radfahrer seinen Fahrweg plötzlich verlassen werde, ohne rechtzeitig ein Zeichen zu geben.
D.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Art. 26 Abs. 3 MFG verbietet dem Motorfahrzeugführer, an Strassenkreuzungen zu überholen. Kreuzung im Sinne dieser Bestimmung ist nach ständiger Rechtsprechung, die der Beschwerdeführer nicht beanstandet, auch die Stelle, an der eine Strasse sich gabelt oder eine andere in sie einmündet (BGE 64 II 317,BGE 75 IV 29, 128,BGE 79 IV 70, BGE 81 IV 49, 137). Die Gabelung der Hauptstrassen Nr. 1 und 3 ausserhalb Schlieren ist daher Strassenkreuzung, an der nicht überholt werden darf.
2. Von einem Überholen kann jedoch nur die Rede sein, wenn beide Fahrzeuge sich auf der gleichen Fahrbahn befinden. Da in diesem Falle das schneller fahrende die gleichen Strassenteile benützen darf wie das langsamer fahrende, muss der Führer des ersteren auf das letztere Rücksicht nehmen, wenn er an ihm vorbeifahren will (Art. 26 Abs. 4 Satz 2 MFG, Art. 46 Abs. 3 MFV). Er darf es nur links überholen (Art. 26 Abs. 1 MFG), hat von ihm einen angemessenen Abstand einzuhalten (Art. 25 Abs. 1 Satz 3 MFG), darf ihm nur vorfahren, wenn die Strassenstrecke frei und übersichtlich ist, namentlich wenn kein anderes Fahrzeug entgegenkommt (Art. 46 Abs. 1 Satz 1 MFV), und darf erst dann wieder nach rechts einbiegen, wenn jede Gefährdung des überholten Fahrzeuges ausgeschlossen ist (Art. 46 Abs. 1 Satz 2 MFV). Wenn nötig, hat er seine Absicht dem Führer des langsamer fahrenden Fahrzeuges anzukünden (Art. 20 MFG, Art. 40 MFV), wogegen dieser auf das Warnzeichen hin durch Ausweichen nach rechts die Strasse zum Überholen freizugeben hat (Art. 26 Abs. 4 Satz 1 MFG). Alle diese Pflichten, die an sich auch im Verhältnis zwischen Motorfahrzeug und Fahrrad gelten, sind jedoch gegenstandslos, wenn die Fahrbahnen des Motorfahrzeuges und des Fahrrades vollständig getrennt sind, sodass der Führer des ersteren nicht in der Lage ist, den Weg des Radfahrers zu benützen. Wenn sich der Radfahrweg links befindet, wäre es dem Führer des Motorfahrzeuges unmöglich, den Radfahrer links zu überholen. Befindet sich der Radfahrweg rechts, so ist es umgekehrt für den Radfahrer ausgeschlossen, links am Motorfahrzeug vorbeizufahren, wenn er es überholen will. Das Verbot des Überholens auf einer Strecke, die nicht frei oder nicht übersichtlich ist, wird ebenfalls zwecklos, wenn das Motorfahrzeug auf einer vom Radfahrweg vollständig getrennten Bahn fährt, da der Führer des Motorfahrzeuges nicht genötigt ist, wegen des Radfahrers weiter links zu fahren. Das Einhalten eines angemessenen Abstandes sodann wird schon durch die Trennung der beiden Fahrbahnen weitgehend gewährleistet; dem Führer des Motorfahrzeuges ist lediglich verboten, sich dem Rande seiner Fahrbahn so zu nähern, dass er den Radfahrer erschrecken könnte; das ergibt sich aber schon aus dem allgemeinen Verbot der Belästigung des Publikums (Art. 25 Abs. 1 Satz 2 MFG). Auch für die Gebote des Warnens und des Ausweichens nach rechts sowie das Verbot vorzeitigen Wiedereinbiegens nach rechts fehlen die tatsächlichen Voraussetzungen, wenn der Radfahrweg so von der Fahrbahn der Motorfahrzeuge getrennt ist, dass letztere ihn nicht benützen können.
Das Verbot des Überholens an Strassenkreuzungen hätte freilich auch Sinn, wo die Bahnen der Motorfahrzeuge und der Radfahrer voneinander vollständig getrennt sind. Der Radfahrer muss seinen Fahrstreifen verlassen und die Strasse überqueren, um seinen Weg gegen links oder rechts fortsetzen zu können. Rampen oder Unterbrüche in der Abgrenzung zwischen dem Radfahrweg und der Fahrbahn der Motorfahrzeuge ermöglichen ihm das und sagen ihm wie den übrigen Strassenbenützern, wo er durchzufahren hat bezw. mit seiner Durchfahrt zu rechnen ist. Kein auf den neuzeitlich schnellen Verkehr eingefahrener Motorfahrzeugführer rechnet jedoch damit, dass ein Radfahrer an solcher Stelle abbiegen werde, ohne seine Absicht eine angemessene Weile zum voraus durch Ausstrecken des Armes anzuzeigen. Die Trennung der beiden Fahrbahnen schafft weitgehend Verhältnisse, wie sie auf Autobahnen bestehen, bringt dem Radfahrer besonders eindringlich zum Bewusstsein, dass er die Vorschrift des Art. 75 Abs. 2 MFV zu beachten hat, wenn er abbiegen will, und schwächt anderseits das Bewusstsein des Motorfahrzeugführers, auf den Verkehr der Radfahrer die anderswo übliche Rücksicht nehmen zu müssen. Es rechtfertigt sich daher nicht, den Motorfahrzeugführer hier im Verhältnis zum Radfahrer dem Verbot des Art. 26 Abs. 3 MFG zu unterwerfen. Die Stellung der Benützer der einen zu den Benützern der anderen Fahrbahn gleicht vielmehr der Lage von Fahrzeugen, die auf verschiedenen sich schneidenden Strassen gleichzeitig gegen die Kreuzung fahren.
Der Führer des Motorfahrzeuges hat daher dem die Absicht des Kreuzens (Verlassen des Radfahrweges) rechtzeitig anzeigenden Radfahrer den Vortritt zu lassen, wenn der Radfahrer sich rechts befindet (Art. 27 Abs. 1 MFG). Ob die Kreuzung innerorts oder ausserorts liegt, macht keinen Unterschied. Denn die Regel des Art. 27 Abs. 2 MFG in Verbindung mit dem BRB vom 26. März 1934 über die Hauptstrassen mit Vortrittsrecht, wonach ausserorts der auf der Hauptstrasse Verkehrende vortrittsberechtigt ist, versagt hier, weil auch der Radfahrweg zur Hauptstrasse gehört und die Regel folglich auch dem Radfahrer zugute käme (Art. 30 MFG). Vorbehalten bleibt immerhin der Fall der Aufhebung des Vortrittsrechts des Radfahrers durch ein Stopsignal gemäss Art. 12 bis der Verordnung über die Strassensignalisation.
Der Führer des Motorfahrzeuges hat ferner wie immer an Strassenkreuzungen die Geschwindigkeit so zu mässigen, dass er dem andern die Ausübung des Vortrittsrechtes nicht verunmöglicht (Art. 27 Abs. 1 MFG). Nur wenn er sicher ist und sicher sein darf, dass kein vortrittsberechtigter Radfahrer seine Bahn kreuzen wolle, ist er dieser Pflicht enthoben.
3. Nach dem Gesagten hat der Beschwerdeführer Art. 26 Abs. 3 MFG nicht übertreten. Ebensowenig kann ihm eine Verletzung des Vortrittsrechtes des Radfahrers vorgeworfen werden, da dieser seine Absicht, auf der Hauptstrasse Nr. 1 weiterzufahren, erst anzeigte, als er den Radfahrweg verliess, statt eine angemessene Weile vorher.
Dagegen hätte der Beschwerdeführer wegen der Annäherung an die Kreuzung die Geschwindigkeit herabsetzen sollen. Wie er selber ausgeführt und wie das Bezirksgericht angenommen hat, auf dessen tatsächliche Feststellungen das Obergericht verweist, verdeckten ihm zwei vor der Garage Haller stehende Motorwagen die Sicht auf den Radfahrweg und auf Bolt, sodass er diesen erst bemerkte, als Bolt den Weg verlassen hatte und das Fahrzeug des Beschwerdeführers ihm auf 40 bis 30 m nahe war. Mit dieser Möglichkeit hätte der Beschwerdeführer rechnen sollen. Dass Bolt den Arm zu spät ausstreckte, entschuldigt den Beschwerdeführer nicht. Vor genau gleicher Lage hätte er sich durch das plötzliche Auftauchen des Radfahrers auch gesehen, wenn dieser seine Absicht rechtzeitig angezeigt hätte. Der Beschwerdeführer hätte daher seine Geschwindigkeit bei der Annäherung an die beiden Motorwagen so stark herabsetzen sollen, dass er vor dem auftauchenden Radfahrer hätte anhalten oder hinter ihm hätte durchfahren können. Hiezu verpflichteten ihn schon Art. 26 Abs. 4 Satz 2 MFG und Art. 46 Abs. 3 MFV, wonach der Überholende vorsichtig zu fahren und auf die übrigen Strassenbenützer Rücksicht zu nehmen hat. Der Beschwerdeführer hat die beiden am Strassenrande stehenden Wagen überholt (BGE 66 I 216,BGE 76 IV 132).
Hätte der Beschwerdeführer die Geschwindigkeit rechtzeitig genügend gemässigt, so wäre der Zusammenstoss unterblieben. Sein pflichtwidriges Verhalten ist somit natürliche Ursache der eingetretenen Verkehrsstörung. Dieser ursächliche Zusammenhang ist auch rechtserheblich. Das Fahren mit übersetzter Geschwindigkeit bei beeinträchtigter Sicht konnte nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu einem Zusammenstoss der vorliegenden Art führen. Gerade weil die Möglichkeit unvorhergesehenen Kreuzens mit einem hinter den parkierten Wagen hervorkommenden Radfahrer erfahrungsgemäss nahe lag, war der Beschwerdeführer verpflichtet, ihr zum vornherein Rechnung zu tragen.
Das Obergericht hat ihn somit zu Recht wegen fahrlässiger Störung des öffentlichen Verkehrs bestraft. Auch ändert die Berichtigung der vorinstanzlichen Erwägungen am Strafmass nichts, da das Obergericht davon ausgegangen ist, das Verschulden des Beschwerdeführers sei leicht.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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Art. 26 Abs. 3, 27 Abs. 1 MFG. Dem Radfahrer gegenüber, der sich auf einem von der Hauptfahrbahn vollständig getrennten Radfahrweg befindet, gilt das Verbot des Überholens an Strassenkreuzungen nicht.
Wenn er seine Absicht, den rechts liegenden Radfahrweg zu verlassen, rechtzeitig anzeigt, haben ihm aber die von hinten kommenden Benützer der Hauptfahrbahn an einer Strassenkreuzung den Vortritt zu lassen.
Sie dürfen nicht so schnell fahren, dass sie ihm die Ausübung des Vortrittsrechts verunmöglichen.
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Sachverhalt ab Seite 249
A.- Am Vormittag des 17. September 1954 näherte Heinrich Schärer sich mit seinem Personenwagen von Zürich her mit 70-75 km /Std. der ausserhalb Schlieren stehenden Garage Haller, bei der sich die Hauptstrassen Nr. 1 (Zürich-Bern) und Nr. 3 (Zürich-Baden) spitzwinklig trennen, erstere nach links abbiegend, letztere geradeaus weiterverlaufend. Er wollte mit unverminderter Geschwindigkeit Richtung Baden weiterfahren. Er sah nicht, dass er im Begriffe war, einen Radfahrer einzuholen, der sich, auf dem rechts und etwas höher liegenden Radfahrweg gegen die Strassengabel fahrend, in der Gegend der Garage, also unmittelbar vor der Abzweigung, befand. Der Radfahrer, Eduard Bolt, war seinen Blicken durch zwei Motorwagen entzogen, die vor der Garage am rechten Rand der Hauptfahrbahn standen. Bolt wollte auf der Strasse Nr. 1 weiterfahren, streckte den linken Arm aus und fuhr gleichzeitig über die an der Gabelung liegende Rampe vom Radfahrweg auf die Hauptfahrbahn hinunter. Schärer, der ihm auf 40-30 m nahe war, bemerkte ihn nun, warnte ausgiebig und bremste kräftig. Dennoch warf er Bolt mit der Vorderseite des Wagens zu Boden und verletzte ihn.
B.- Die Bezirksanwaltschaft Zürich klagte Schärer auf Weisung der Staatsanwaltschaft der fahrlässigen Störung des öffentlichen Verkehrs (Art. 237 Ziff. 2 StGB) und der Übertretung der Art. 26 Abs. 3 und 27 Abs. 1 MFG an.
Das Bezirksgericht Zürich sprach den Angeklagten frei. Das Obergericht des Kantons Zürich erklärte ihn dagegen am 3. Mai 1955 auf Berufung der Staatsanwaltschaft der fahrlässigen Störung des öffentlichen Verkehrs schuldig und verurteilte ihn zu Fr. 100.-- Busse.
Das Obergericht nahm an, die Geschwindigkeit Schärers sei trotz der Feuchtigkeit der Fahrbahn an sich nicht übersetzt gewesen und habe auch nicht wegen Annäherung an die Strassengabel herabgesetzt zu werden brauchen. Dagegen habe der Angeklagte das Verbot des Überholens an Strassenkreuzungen (Art. 26 Abs. 3 MFG) verletzt. Sein Verschulden sei aber gering, weil der Radfahrer die Richtungsänderung nicht rechtzeitig angezeigt und vor dem Abbiegen nicht zurückgeschaut habe.
C.- Schärer führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben. Er macht geltend, es liege kein Fall des Überholens vor, weil Bolt sich auf dem von der Hauptfahrbahn durch einen Randstein deutlich getrennten Radfahrweg befunden habe. Die Rechtsprechung, wonach nicht nur an Kreuzungen im engeren Sinne, sondern auch an Einmündungen nicht überholt werden dürfe, gelte daher nicht. Durch Anlegung von Radfahrwegen wolle man unter anderem erreichen, dass der Verkehr auf der Hauptfahrbahn sich rascher abwickeln könne. Der Führer des Motorfahrzeuges brauche nicht damit zu rechnen, dass der Radfahrer seinen Fahrweg plötzlich verlassen werde, ohne rechtzeitig ein Zeichen zu geben.
D.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Art. 26 Abs. 3 MFG verbietet dem Motorfahrzeugführer, an Strassenkreuzungen zu überholen. Kreuzung im Sinne dieser Bestimmung ist nach ständiger Rechtsprechung, die der Beschwerdeführer nicht beanstandet, auch die Stelle, an der eine Strasse sich gabelt oder eine andere in sie einmündet (BGE 64 II 317,BGE 75 IV 29, 128,BGE 79 IV 70, BGE 81 IV 49, 137). Die Gabelung der Hauptstrassen Nr. 1 und 3 ausserhalb Schlieren ist daher Strassenkreuzung, an der nicht überholt werden darf.
2. Von einem Überholen kann jedoch nur die Rede sein, wenn beide Fahrzeuge sich auf der gleichen Fahrbahn befinden. Da in diesem Falle das schneller fahrende die gleichen Strassenteile benützen darf wie das langsamer fahrende, muss der Führer des ersteren auf das letztere Rücksicht nehmen, wenn er an ihm vorbeifahren will (Art. 26 Abs. 4 Satz 2 MFG, Art. 46 Abs. 3 MFV). Er darf es nur links überholen (Art. 26 Abs. 1 MFG), hat von ihm einen angemessenen Abstand einzuhalten (Art. 25 Abs. 1 Satz 3 MFG), darf ihm nur vorfahren, wenn die Strassenstrecke frei und übersichtlich ist, namentlich wenn kein anderes Fahrzeug entgegenkommt (Art. 46 Abs. 1 Satz 1 MFV), und darf erst dann wieder nach rechts einbiegen, wenn jede Gefährdung des überholten Fahrzeuges ausgeschlossen ist (Art. 46 Abs. 1 Satz 2 MFV). Wenn nötig, hat er seine Absicht dem Führer des langsamer fahrenden Fahrzeuges anzukünden (Art. 20 MFG, Art. 40 MFV), wogegen dieser auf das Warnzeichen hin durch Ausweichen nach rechts die Strasse zum Überholen freizugeben hat (Art. 26 Abs. 4 Satz 1 MFG). Alle diese Pflichten, die an sich auch im Verhältnis zwischen Motorfahrzeug und Fahrrad gelten, sind jedoch gegenstandslos, wenn die Fahrbahnen des Motorfahrzeuges und des Fahrrades vollständig getrennt sind, sodass der Führer des ersteren nicht in der Lage ist, den Weg des Radfahrers zu benützen. Wenn sich der Radfahrweg links befindet, wäre es dem Führer des Motorfahrzeuges unmöglich, den Radfahrer links zu überholen. Befindet sich der Radfahrweg rechts, so ist es umgekehrt für den Radfahrer ausgeschlossen, links am Motorfahrzeug vorbeizufahren, wenn er es überholen will. Das Verbot des Überholens auf einer Strecke, die nicht frei oder nicht übersichtlich ist, wird ebenfalls zwecklos, wenn das Motorfahrzeug auf einer vom Radfahrweg vollständig getrennten Bahn fährt, da der Führer des Motorfahrzeuges nicht genötigt ist, wegen des Radfahrers weiter links zu fahren. Das Einhalten eines angemessenen Abstandes sodann wird schon durch die Trennung der beiden Fahrbahnen weitgehend gewährleistet; dem Führer des Motorfahrzeuges ist lediglich verboten, sich dem Rande seiner Fahrbahn so zu nähern, dass er den Radfahrer erschrecken könnte; das ergibt sich aber schon aus dem allgemeinen Verbot der Belästigung des Publikums (Art. 25 Abs. 1 Satz 2 MFG). Auch für die Gebote des Warnens und des Ausweichens nach rechts sowie das Verbot vorzeitigen Wiedereinbiegens nach rechts fehlen die tatsächlichen Voraussetzungen, wenn der Radfahrweg so von der Fahrbahn der Motorfahrzeuge getrennt ist, dass letztere ihn nicht benützen können.
Das Verbot des Überholens an Strassenkreuzungen hätte freilich auch Sinn, wo die Bahnen der Motorfahrzeuge und der Radfahrer voneinander vollständig getrennt sind. Der Radfahrer muss seinen Fahrstreifen verlassen und die Strasse überqueren, um seinen Weg gegen links oder rechts fortsetzen zu können. Rampen oder Unterbrüche in der Abgrenzung zwischen dem Radfahrweg und der Fahrbahn der Motorfahrzeuge ermöglichen ihm das und sagen ihm wie den übrigen Strassenbenützern, wo er durchzufahren hat bezw. mit seiner Durchfahrt zu rechnen ist. Kein auf den neuzeitlich schnellen Verkehr eingefahrener Motorfahrzeugführer rechnet jedoch damit, dass ein Radfahrer an solcher Stelle abbiegen werde, ohne seine Absicht eine angemessene Weile zum voraus durch Ausstrecken des Armes anzuzeigen. Die Trennung der beiden Fahrbahnen schafft weitgehend Verhältnisse, wie sie auf Autobahnen bestehen, bringt dem Radfahrer besonders eindringlich zum Bewusstsein, dass er die Vorschrift des Art. 75 Abs. 2 MFV zu beachten hat, wenn er abbiegen will, und schwächt anderseits das Bewusstsein des Motorfahrzeugführers, auf den Verkehr der Radfahrer die anderswo übliche Rücksicht nehmen zu müssen. Es rechtfertigt sich daher nicht, den Motorfahrzeugführer hier im Verhältnis zum Radfahrer dem Verbot des Art. 26 Abs. 3 MFG zu unterwerfen. Die Stellung der Benützer der einen zu den Benützern der anderen Fahrbahn gleicht vielmehr der Lage von Fahrzeugen, die auf verschiedenen sich schneidenden Strassen gleichzeitig gegen die Kreuzung fahren.
Der Führer des Motorfahrzeuges hat daher dem die Absicht des Kreuzens (Verlassen des Radfahrweges) rechtzeitig anzeigenden Radfahrer den Vortritt zu lassen, wenn der Radfahrer sich rechts befindet (Art. 27 Abs. 1 MFG). Ob die Kreuzung innerorts oder ausserorts liegt, macht keinen Unterschied. Denn die Regel des Art. 27 Abs. 2 MFG in Verbindung mit dem BRB vom 26. März 1934 über die Hauptstrassen mit Vortrittsrecht, wonach ausserorts der auf der Hauptstrasse Verkehrende vortrittsberechtigt ist, versagt hier, weil auch der Radfahrweg zur Hauptstrasse gehört und die Regel folglich auch dem Radfahrer zugute käme (Art. 30 MFG). Vorbehalten bleibt immerhin der Fall der Aufhebung des Vortrittsrechts des Radfahrers durch ein Stopsignal gemäss Art. 12 bis der Verordnung über die Strassensignalisation.
Der Führer des Motorfahrzeuges hat ferner wie immer an Strassenkreuzungen die Geschwindigkeit so zu mässigen, dass er dem andern die Ausübung des Vortrittsrechtes nicht verunmöglicht (Art. 27 Abs. 1 MFG). Nur wenn er sicher ist und sicher sein darf, dass kein vortrittsberechtigter Radfahrer seine Bahn kreuzen wolle, ist er dieser Pflicht enthoben.
3. Nach dem Gesagten hat der Beschwerdeführer Art. 26 Abs. 3 MFG nicht übertreten. Ebensowenig kann ihm eine Verletzung des Vortrittsrechtes des Radfahrers vorgeworfen werden, da dieser seine Absicht, auf der Hauptstrasse Nr. 1 weiterzufahren, erst anzeigte, als er den Radfahrweg verliess, statt eine angemessene Weile vorher.
Dagegen hätte der Beschwerdeführer wegen der Annäherung an die Kreuzung die Geschwindigkeit herabsetzen sollen. Wie er selber ausgeführt und wie das Bezirksgericht angenommen hat, auf dessen tatsächliche Feststellungen das Obergericht verweist, verdeckten ihm zwei vor der Garage Haller stehende Motorwagen die Sicht auf den Radfahrweg und auf Bolt, sodass er diesen erst bemerkte, als Bolt den Weg verlassen hatte und das Fahrzeug des Beschwerdeführers ihm auf 40 bis 30 m nahe war. Mit dieser Möglichkeit hätte der Beschwerdeführer rechnen sollen. Dass Bolt den Arm zu spät ausstreckte, entschuldigt den Beschwerdeführer nicht. Vor genau gleicher Lage hätte er sich durch das plötzliche Auftauchen des Radfahrers auch gesehen, wenn dieser seine Absicht rechtzeitig angezeigt hätte. Der Beschwerdeführer hätte daher seine Geschwindigkeit bei der Annäherung an die beiden Motorwagen so stark herabsetzen sollen, dass er vor dem auftauchenden Radfahrer hätte anhalten oder hinter ihm hätte durchfahren können. Hiezu verpflichteten ihn schon Art. 26 Abs. 4 Satz 2 MFG und Art. 46 Abs. 3 MFV, wonach der Überholende vorsichtig zu fahren und auf die übrigen Strassenbenützer Rücksicht zu nehmen hat. Der Beschwerdeführer hat die beiden am Strassenrande stehenden Wagen überholt (BGE 66 I 216,BGE 76 IV 132).
Hätte der Beschwerdeführer die Geschwindigkeit rechtzeitig genügend gemässigt, so wäre der Zusammenstoss unterblieben. Sein pflichtwidriges Verhalten ist somit natürliche Ursache der eingetretenen Verkehrsstörung. Dieser ursächliche Zusammenhang ist auch rechtserheblich. Das Fahren mit übersetzter Geschwindigkeit bei beeinträchtigter Sicht konnte nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu einem Zusammenstoss der vorliegenden Art führen. Gerade weil die Möglichkeit unvorhergesehenen Kreuzens mit einem hinter den parkierten Wagen hervorkommenden Radfahrer erfahrungsgemäss nahe lag, war der Beschwerdeführer verpflichtet, ihr zum vornherein Rechnung zu tragen.
Das Obergericht hat ihn somit zu Recht wegen fahrlässiger Störung des öffentlichen Verkehrs bestraft. Auch ändert die Berichtigung der vorinstanzlichen Erwägungen am Strafmass nichts, da das Obergericht davon ausgegangen ist, das Verschulden des Beschwerdeführers sei leicht.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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Art. 26 al. 3 et 27 al. 1 LA. L'interdiction de dépasser aux croisées de routes ne s'applique pas à l'égard des cyclistes qui circulent sur une piste cyclable complètement séparée de la voie principale.
Mais s'ils manifestent assez tôt l'intention de quitter une piste cyclable qui court à droite de la voie principale, les usagers de celle-ci ont l'obligation, s'ils viennent de derrière, de leur laisser la priorité.
Ils ne sauraient circuler si rapidement qu'ils les empêchent d'exercer ce droit de priorité.
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81 IV 249
Sachverhalt ab Seite 249
A.- Am Vormittag des 17. September 1954 näherte Heinrich Schärer sich mit seinem Personenwagen von Zürich her mit 70-75 km /Std. der ausserhalb Schlieren stehenden Garage Haller, bei der sich die Hauptstrassen Nr. 1 (Zürich-Bern) und Nr. 3 (Zürich-Baden) spitzwinklig trennen, erstere nach links abbiegend, letztere geradeaus weiterverlaufend. Er wollte mit unverminderter Geschwindigkeit Richtung Baden weiterfahren. Er sah nicht, dass er im Begriffe war, einen Radfahrer einzuholen, der sich, auf dem rechts und etwas höher liegenden Radfahrweg gegen die Strassengabel fahrend, in der Gegend der Garage, also unmittelbar vor der Abzweigung, befand. Der Radfahrer, Eduard Bolt, war seinen Blicken durch zwei Motorwagen entzogen, die vor der Garage am rechten Rand der Hauptfahrbahn standen. Bolt wollte auf der Strasse Nr. 1 weiterfahren, streckte den linken Arm aus und fuhr gleichzeitig über die an der Gabelung liegende Rampe vom Radfahrweg auf die Hauptfahrbahn hinunter. Schärer, der ihm auf 40-30 m nahe war, bemerkte ihn nun, warnte ausgiebig und bremste kräftig. Dennoch warf er Bolt mit der Vorderseite des Wagens zu Boden und verletzte ihn.
B.- Die Bezirksanwaltschaft Zürich klagte Schärer auf Weisung der Staatsanwaltschaft der fahrlässigen Störung des öffentlichen Verkehrs (Art. 237 Ziff. 2 StGB) und der Übertretung der Art. 26 Abs. 3 und 27 Abs. 1 MFG an.
Das Bezirksgericht Zürich sprach den Angeklagten frei. Das Obergericht des Kantons Zürich erklärte ihn dagegen am 3. Mai 1955 auf Berufung der Staatsanwaltschaft der fahrlässigen Störung des öffentlichen Verkehrs schuldig und verurteilte ihn zu Fr. 100.-- Busse.
Das Obergericht nahm an, die Geschwindigkeit Schärers sei trotz der Feuchtigkeit der Fahrbahn an sich nicht übersetzt gewesen und habe auch nicht wegen Annäherung an die Strassengabel herabgesetzt zu werden brauchen. Dagegen habe der Angeklagte das Verbot des Überholens an Strassenkreuzungen (Art. 26 Abs. 3 MFG) verletzt. Sein Verschulden sei aber gering, weil der Radfahrer die Richtungsänderung nicht rechtzeitig angezeigt und vor dem Abbiegen nicht zurückgeschaut habe.
C.- Schärer führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben. Er macht geltend, es liege kein Fall des Überholens vor, weil Bolt sich auf dem von der Hauptfahrbahn durch einen Randstein deutlich getrennten Radfahrweg befunden habe. Die Rechtsprechung, wonach nicht nur an Kreuzungen im engeren Sinne, sondern auch an Einmündungen nicht überholt werden dürfe, gelte daher nicht. Durch Anlegung von Radfahrwegen wolle man unter anderem erreichen, dass der Verkehr auf der Hauptfahrbahn sich rascher abwickeln könne. Der Führer des Motorfahrzeuges brauche nicht damit zu rechnen, dass der Radfahrer seinen Fahrweg plötzlich verlassen werde, ohne rechtzeitig ein Zeichen zu geben.
D.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Art. 26 Abs. 3 MFG verbietet dem Motorfahrzeugführer, an Strassenkreuzungen zu überholen. Kreuzung im Sinne dieser Bestimmung ist nach ständiger Rechtsprechung, die der Beschwerdeführer nicht beanstandet, auch die Stelle, an der eine Strasse sich gabelt oder eine andere in sie einmündet (BGE 64 II 317,BGE 75 IV 29, 128,BGE 79 IV 70, BGE 81 IV 49, 137). Die Gabelung der Hauptstrassen Nr. 1 und 3 ausserhalb Schlieren ist daher Strassenkreuzung, an der nicht überholt werden darf.
2. Von einem Überholen kann jedoch nur die Rede sein, wenn beide Fahrzeuge sich auf der gleichen Fahrbahn befinden. Da in diesem Falle das schneller fahrende die gleichen Strassenteile benützen darf wie das langsamer fahrende, muss der Führer des ersteren auf das letztere Rücksicht nehmen, wenn er an ihm vorbeifahren will (Art. 26 Abs. 4 Satz 2 MFG, Art. 46 Abs. 3 MFV). Er darf es nur links überholen (Art. 26 Abs. 1 MFG), hat von ihm einen angemessenen Abstand einzuhalten (Art. 25 Abs. 1 Satz 3 MFG), darf ihm nur vorfahren, wenn die Strassenstrecke frei und übersichtlich ist, namentlich wenn kein anderes Fahrzeug entgegenkommt (Art. 46 Abs. 1 Satz 1 MFV), und darf erst dann wieder nach rechts einbiegen, wenn jede Gefährdung des überholten Fahrzeuges ausgeschlossen ist (Art. 46 Abs. 1 Satz 2 MFV). Wenn nötig, hat er seine Absicht dem Führer des langsamer fahrenden Fahrzeuges anzukünden (Art. 20 MFG, Art. 40 MFV), wogegen dieser auf das Warnzeichen hin durch Ausweichen nach rechts die Strasse zum Überholen freizugeben hat (Art. 26 Abs. 4 Satz 1 MFG). Alle diese Pflichten, die an sich auch im Verhältnis zwischen Motorfahrzeug und Fahrrad gelten, sind jedoch gegenstandslos, wenn die Fahrbahnen des Motorfahrzeuges und des Fahrrades vollständig getrennt sind, sodass der Führer des ersteren nicht in der Lage ist, den Weg des Radfahrers zu benützen. Wenn sich der Radfahrweg links befindet, wäre es dem Führer des Motorfahrzeuges unmöglich, den Radfahrer links zu überholen. Befindet sich der Radfahrweg rechts, so ist es umgekehrt für den Radfahrer ausgeschlossen, links am Motorfahrzeug vorbeizufahren, wenn er es überholen will. Das Verbot des Überholens auf einer Strecke, die nicht frei oder nicht übersichtlich ist, wird ebenfalls zwecklos, wenn das Motorfahrzeug auf einer vom Radfahrweg vollständig getrennten Bahn fährt, da der Führer des Motorfahrzeuges nicht genötigt ist, wegen des Radfahrers weiter links zu fahren. Das Einhalten eines angemessenen Abstandes sodann wird schon durch die Trennung der beiden Fahrbahnen weitgehend gewährleistet; dem Führer des Motorfahrzeuges ist lediglich verboten, sich dem Rande seiner Fahrbahn so zu nähern, dass er den Radfahrer erschrecken könnte; das ergibt sich aber schon aus dem allgemeinen Verbot der Belästigung des Publikums (Art. 25 Abs. 1 Satz 2 MFG). Auch für die Gebote des Warnens und des Ausweichens nach rechts sowie das Verbot vorzeitigen Wiedereinbiegens nach rechts fehlen die tatsächlichen Voraussetzungen, wenn der Radfahrweg so von der Fahrbahn der Motorfahrzeuge getrennt ist, dass letztere ihn nicht benützen können.
Das Verbot des Überholens an Strassenkreuzungen hätte freilich auch Sinn, wo die Bahnen der Motorfahrzeuge und der Radfahrer voneinander vollständig getrennt sind. Der Radfahrer muss seinen Fahrstreifen verlassen und die Strasse überqueren, um seinen Weg gegen links oder rechts fortsetzen zu können. Rampen oder Unterbrüche in der Abgrenzung zwischen dem Radfahrweg und der Fahrbahn der Motorfahrzeuge ermöglichen ihm das und sagen ihm wie den übrigen Strassenbenützern, wo er durchzufahren hat bezw. mit seiner Durchfahrt zu rechnen ist. Kein auf den neuzeitlich schnellen Verkehr eingefahrener Motorfahrzeugführer rechnet jedoch damit, dass ein Radfahrer an solcher Stelle abbiegen werde, ohne seine Absicht eine angemessene Weile zum voraus durch Ausstrecken des Armes anzuzeigen. Die Trennung der beiden Fahrbahnen schafft weitgehend Verhältnisse, wie sie auf Autobahnen bestehen, bringt dem Radfahrer besonders eindringlich zum Bewusstsein, dass er die Vorschrift des Art. 75 Abs. 2 MFV zu beachten hat, wenn er abbiegen will, und schwächt anderseits das Bewusstsein des Motorfahrzeugführers, auf den Verkehr der Radfahrer die anderswo übliche Rücksicht nehmen zu müssen. Es rechtfertigt sich daher nicht, den Motorfahrzeugführer hier im Verhältnis zum Radfahrer dem Verbot des Art. 26 Abs. 3 MFG zu unterwerfen. Die Stellung der Benützer der einen zu den Benützern der anderen Fahrbahn gleicht vielmehr der Lage von Fahrzeugen, die auf verschiedenen sich schneidenden Strassen gleichzeitig gegen die Kreuzung fahren.
Der Führer des Motorfahrzeuges hat daher dem die Absicht des Kreuzens (Verlassen des Radfahrweges) rechtzeitig anzeigenden Radfahrer den Vortritt zu lassen, wenn der Radfahrer sich rechts befindet (Art. 27 Abs. 1 MFG). Ob die Kreuzung innerorts oder ausserorts liegt, macht keinen Unterschied. Denn die Regel des Art. 27 Abs. 2 MFG in Verbindung mit dem BRB vom 26. März 1934 über die Hauptstrassen mit Vortrittsrecht, wonach ausserorts der auf der Hauptstrasse Verkehrende vortrittsberechtigt ist, versagt hier, weil auch der Radfahrweg zur Hauptstrasse gehört und die Regel folglich auch dem Radfahrer zugute käme (Art. 30 MFG). Vorbehalten bleibt immerhin der Fall der Aufhebung des Vortrittsrechts des Radfahrers durch ein Stopsignal gemäss Art. 12 bis der Verordnung über die Strassensignalisation.
Der Führer des Motorfahrzeuges hat ferner wie immer an Strassenkreuzungen die Geschwindigkeit so zu mässigen, dass er dem andern die Ausübung des Vortrittsrechtes nicht verunmöglicht (Art. 27 Abs. 1 MFG). Nur wenn er sicher ist und sicher sein darf, dass kein vortrittsberechtigter Radfahrer seine Bahn kreuzen wolle, ist er dieser Pflicht enthoben.
3. Nach dem Gesagten hat der Beschwerdeführer Art. 26 Abs. 3 MFG nicht übertreten. Ebensowenig kann ihm eine Verletzung des Vortrittsrechtes des Radfahrers vorgeworfen werden, da dieser seine Absicht, auf der Hauptstrasse Nr. 1 weiterzufahren, erst anzeigte, als er den Radfahrweg verliess, statt eine angemessene Weile vorher.
Dagegen hätte der Beschwerdeführer wegen der Annäherung an die Kreuzung die Geschwindigkeit herabsetzen sollen. Wie er selber ausgeführt und wie das Bezirksgericht angenommen hat, auf dessen tatsächliche Feststellungen das Obergericht verweist, verdeckten ihm zwei vor der Garage Haller stehende Motorwagen die Sicht auf den Radfahrweg und auf Bolt, sodass er diesen erst bemerkte, als Bolt den Weg verlassen hatte und das Fahrzeug des Beschwerdeführers ihm auf 40 bis 30 m nahe war. Mit dieser Möglichkeit hätte der Beschwerdeführer rechnen sollen. Dass Bolt den Arm zu spät ausstreckte, entschuldigt den Beschwerdeführer nicht. Vor genau gleicher Lage hätte er sich durch das plötzliche Auftauchen des Radfahrers auch gesehen, wenn dieser seine Absicht rechtzeitig angezeigt hätte. Der Beschwerdeführer hätte daher seine Geschwindigkeit bei der Annäherung an die beiden Motorwagen so stark herabsetzen sollen, dass er vor dem auftauchenden Radfahrer hätte anhalten oder hinter ihm hätte durchfahren können. Hiezu verpflichteten ihn schon Art. 26 Abs. 4 Satz 2 MFG und Art. 46 Abs. 3 MFV, wonach der Überholende vorsichtig zu fahren und auf die übrigen Strassenbenützer Rücksicht zu nehmen hat. Der Beschwerdeführer hat die beiden am Strassenrande stehenden Wagen überholt (BGE 66 I 216,BGE 76 IV 132).
Hätte der Beschwerdeführer die Geschwindigkeit rechtzeitig genügend gemässigt, so wäre der Zusammenstoss unterblieben. Sein pflichtwidriges Verhalten ist somit natürliche Ursache der eingetretenen Verkehrsstörung. Dieser ursächliche Zusammenhang ist auch rechtserheblich. Das Fahren mit übersetzter Geschwindigkeit bei beeinträchtigter Sicht konnte nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu einem Zusammenstoss der vorliegenden Art führen. Gerade weil die Möglichkeit unvorhergesehenen Kreuzens mit einem hinter den parkierten Wagen hervorkommenden Radfahrer erfahrungsgemäss nahe lag, war der Beschwerdeführer verpflichtet, ihr zum vornherein Rechnung zu tragen.
Das Obergericht hat ihn somit zu Recht wegen fahrlässiger Störung des öffentlichen Verkehrs bestraft. Auch ändert die Berichtigung der vorinstanzlichen Erwägungen am Strafmass nichts, da das Obergericht davon ausgegangen ist, das Verschulden des Beschwerdeführers sei leicht.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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Art. 26 cp. 3 e 27 cp. 1 LA. Il divieto di oltrepassare ai crocevia non vale nei confronti del ciclista che circola su una pista per ciclisti completamente separata dal campo stradale principale.
Ma se il ciclista manifesta tempestivamente la sua intenzione di uscire da una pista a destra della strada principale, gli utenti di questa che sopraggiungono dietro il ciclista sono tenuti a lasciargli la priorità.
Essi non devono viaggiare a una velocità tale da impedirgli l'esercizio del diritto di priorità.
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it
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criminal law and criminal procedure
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81 IV 25
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Sachverhalt ab Seite 25
A.- Maria Tschupp war mit dem in der Heil- und Pflegeanstalt Waldhaus untergebrachten bevormundeten Paul Caviezel verlobt. Um ihn heiraten zu können, beauftragte sie im Oktober 1950 seinen Vormund Josef Oklé, der in Chur den Beruf eines Rechtsanwaltes ausübt, sich um die Entlassung Caviezels aus der Vormundschaft und aus der Anstalt zu bemühen. Sie versprach Oklé, ihn für die Ausführung des Auftrages angemessen zu honorieren und ihm seine Auslagen zu ersetzen, und leistete ihm bis im Juli 1951 für die Bemühungen, die er bis dahin gehabt hatte, insgesamt Fr. 800.--. Im August 1951 erklärte ihr Oklé, um die Entlassung aus der Vormundschaft zu befördern, sollten die von der Gemeinde Tomils vorgeschossenen Anstaltskosten und die Gerichtskosten eines gegen Caviezel durchgeführten Strafverfahrens wenigstens teilweise bezahlt werden. Maria Tschupp überwies daher dem Oklé am 6. August 1951 Fr. 2000.-- und am 29. September 1951 Fr. 1000.-- mit der Weisung, ersteren Betrag zur Bezahlung der Anstaltskosten und letzteren zur teilweisen Bezahlung der Gerichtskosten zu verwenden. Oklé leistete an die Anstaltskosten Fr. 1900.-- und an die Gerichtskosten Fr. 70.-. Am 1. Juli 1952 stellte er Maria Tschupp Rechnung, wobei er die behaltenen Beträge mit seinen Honoraransprüchen verrechnete und einen Saldo zu seinen Gunsten von Fr. 66.40 geltend machte.
B.- Am 29. Juli 1954 erklärte das Kantonsgericht Graubünden Oklé gemäss Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB der Veruntreuung schuldig, weil er von dem zur Deckung von Gerichtskosten empfangenen Gelde Fr. 930.-- für sich behalten habe, und verurteilte ihn zu einer bedingt aufgeschobenen Gefängnisstrafe von drei Monaten.
C.- Oklé führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil sei aufzuheben und die Sache zur Freisprechung des Beschwerdeführers an das Kantonsgericht zurückzuweisen.
D.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden verzichtet auf Gegenbemerkungen.
Das Kantonsgericht beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Gemäss Art. 125 Ziff. 1 OR können "Verpflichtungen zur Rückgabe oder zum Ersatze hinterlegter, widerrechtlich entzogener oder böswillig vorenthaltener Sachen" nicht wider Willen des Gläubigers durch Verrechnung getilgt werden. Ob diese Bestimmung dem Beschwerdeführer verbot, die in bewusster Verletzung des erhaltenen Auftrages behaltenen Fr. 930.-- mit seinem Honoraranspruch zu verrechnen, kann dahingestellt bleiben. Denn eine unzulässige Verrechnungserklärung erfüllt den Tatbestand der Veruntreuung im Sinne des Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB selbst dann nicht, wenn der Täter sich der Unzulässigkeit einseitiger Verrechnung bewusst ist. Diese Unzulässigkeit macht die Erklärung rechtlich unwirksam. Wer eine solche abgibt, begeht aber nicht einmal einen untauglichen Versuch der Veruntreuung. Nach Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB besteht das vollendete Vergehen darin, dass jemand "anvertrautes Gut, namentlich Geld, unrechtmässig in seinem oder eines andern Nutzen verwendet"; folglich kann ein Versuch erst mit dem entscheidenden Schritt zur (unrechtmässigen) Verwendung des Gutes beginnen. Die Abgabe einer Verrechnungserklärung enthält diesen Schritt noch nicht; er kann erst darin liegen, dass der Täter das Geld zu verbrauchen beginnt. Dass der Beschwerdeführer das getan habe, wirft ihm jedoch das Kantonsgericht nicht vor. Es erklärt lediglich, dass er das Geld in die eigene Tasche habe fliessen lassen, sich daraus in unzulässiger Weise selbst bezahlt gemacht habe. Das heisst nur, dass er sich fortan der Verpflichtung, es auftragsgemäss zu verwenden oder es zurückzugeben, enthoben betrachtet habe. Wer einen solchen Willen in Bezug auf eine fremde Sache bekundet, eignet sie sich im Sinne des Art. 140 Ziff. 1 Abs. 1 StGB an, auch wenn er objektiv in der Lage bleibt, sie jederzeit zurückzugeben. Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 geht jedoch weniger weit; er lässt nicht schon die Aneignung genügen, sondern verlangt ausdrücklich, dass der Täter das Gut verwende. Von einer Aneignung im eigentlichen Sinne könnte denn auch keine Rede sein, wenn das Gut schon mit dem Anvertrauen in das Eigentum des Täters übergegangen ist und nur wirtschaftlich weiterhin einem andern gehört hat. Wer sich entschliesst, dieses sein Eigentum zu behalten, eignet es sich nicht an, sondern nimmt sich einfach vor, seine Verpflichtung auf Rückgabe oder Ablieferung nicht zu erfüllen. Damit allein macht er sich nicht der Veruntreuung schuldig und versucht er auch noch nicht, es zu tun. Der Beschwerdeführer muss deshalb freigesprochen werden.
Damit soll nicht gesagt sein, dass er wegen seines dem erhaltenen Auftrage widersprechenden und gegen Treu und Glauben verstossenden Verhaltens nicht nach kantonalem Anwaltsrecht allenfalls disziplinarisch bestraft werden dürfe.
2. Der Tatbestand der Veruntreuung ist übrigens auch insofern nicht erfüllt, als dem Beschwerdeführer die Absicht unrechtmässiger Bereicherung, wie sie auch im Falle des Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB vorliegen muss (BGE 74 IV 30, BGE 77 IV 12), gefehlt hat. Indem der Beschwerdeführer die Verrechnung erklärt hat, hat er sich für seine Forderung bezahlt gemacht oder zu machen versucht, ist er aber nicht darauf ausgegangen, sich unrechtmässig zu bereichern. Dass Maria Tschupp im Strafverfahren seine Forderung nicht anerkannt, sondern adhäsionsweise ausser der Rückgabe der Fr. 1000.-- die Rückerstattung von Fr. 600.-- Honorarvorschuss sowie Ersatz ihrer Anwaltskosten von Fr. 700.-- verlangt hat, ändert nichts. Daraus ergibt sich nicht, dass der Beschwerdeführer seine in der Abrechnung vom 1. Juli 1952 gestellte Honorarforderung nicht für berechtigt gehalten habe, und auch das Kantonsgericht nimmt das nicht an. Dann wollte er sich aber mit der Verrechnung nur verschaffen, was ihm nach seiner Meinung zukam.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Kantonsgerichts von Graubünden vom 29. Juli 1954 aufgehoben und die Sache zur Freisprechung des Beschwerdeführers an die Vorinstanz zurückgewiesen.
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Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB. a) Die Veruntreuung im Sinne dieser Bestimmung beginnt erst mit der Verwendung des Gutes, nicht schon mit einer unzulässigen Verrechnungserklärung (Erw. 1).
b) Sie setzt die Absicht unrechtmässiger Bereicherung voraus (Erw. 2).
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https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F81-IV-25%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document
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Sachverhalt ab Seite 25
A.- Maria Tschupp war mit dem in der Heil- und Pflegeanstalt Waldhaus untergebrachten bevormundeten Paul Caviezel verlobt. Um ihn heiraten zu können, beauftragte sie im Oktober 1950 seinen Vormund Josef Oklé, der in Chur den Beruf eines Rechtsanwaltes ausübt, sich um die Entlassung Caviezels aus der Vormundschaft und aus der Anstalt zu bemühen. Sie versprach Oklé, ihn für die Ausführung des Auftrages angemessen zu honorieren und ihm seine Auslagen zu ersetzen, und leistete ihm bis im Juli 1951 für die Bemühungen, die er bis dahin gehabt hatte, insgesamt Fr. 800.--. Im August 1951 erklärte ihr Oklé, um die Entlassung aus der Vormundschaft zu befördern, sollten die von der Gemeinde Tomils vorgeschossenen Anstaltskosten und die Gerichtskosten eines gegen Caviezel durchgeführten Strafverfahrens wenigstens teilweise bezahlt werden. Maria Tschupp überwies daher dem Oklé am 6. August 1951 Fr. 2000.-- und am 29. September 1951 Fr. 1000.-- mit der Weisung, ersteren Betrag zur Bezahlung der Anstaltskosten und letzteren zur teilweisen Bezahlung der Gerichtskosten zu verwenden. Oklé leistete an die Anstaltskosten Fr. 1900.-- und an die Gerichtskosten Fr. 70.-. Am 1. Juli 1952 stellte er Maria Tschupp Rechnung, wobei er die behaltenen Beträge mit seinen Honoraransprüchen verrechnete und einen Saldo zu seinen Gunsten von Fr. 66.40 geltend machte.
B.- Am 29. Juli 1954 erklärte das Kantonsgericht Graubünden Oklé gemäss Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB der Veruntreuung schuldig, weil er von dem zur Deckung von Gerichtskosten empfangenen Gelde Fr. 930.-- für sich behalten habe, und verurteilte ihn zu einer bedingt aufgeschobenen Gefängnisstrafe von drei Monaten.
C.- Oklé führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil sei aufzuheben und die Sache zur Freisprechung des Beschwerdeführers an das Kantonsgericht zurückzuweisen.
D.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden verzichtet auf Gegenbemerkungen.
Das Kantonsgericht beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Gemäss Art. 125 Ziff. 1 OR können "Verpflichtungen zur Rückgabe oder zum Ersatze hinterlegter, widerrechtlich entzogener oder böswillig vorenthaltener Sachen" nicht wider Willen des Gläubigers durch Verrechnung getilgt werden. Ob diese Bestimmung dem Beschwerdeführer verbot, die in bewusster Verletzung des erhaltenen Auftrages behaltenen Fr. 930.-- mit seinem Honoraranspruch zu verrechnen, kann dahingestellt bleiben. Denn eine unzulässige Verrechnungserklärung erfüllt den Tatbestand der Veruntreuung im Sinne des Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB selbst dann nicht, wenn der Täter sich der Unzulässigkeit einseitiger Verrechnung bewusst ist. Diese Unzulässigkeit macht die Erklärung rechtlich unwirksam. Wer eine solche abgibt, begeht aber nicht einmal einen untauglichen Versuch der Veruntreuung. Nach Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB besteht das vollendete Vergehen darin, dass jemand "anvertrautes Gut, namentlich Geld, unrechtmässig in seinem oder eines andern Nutzen verwendet"; folglich kann ein Versuch erst mit dem entscheidenden Schritt zur (unrechtmässigen) Verwendung des Gutes beginnen. Die Abgabe einer Verrechnungserklärung enthält diesen Schritt noch nicht; er kann erst darin liegen, dass der Täter das Geld zu verbrauchen beginnt. Dass der Beschwerdeführer das getan habe, wirft ihm jedoch das Kantonsgericht nicht vor. Es erklärt lediglich, dass er das Geld in die eigene Tasche habe fliessen lassen, sich daraus in unzulässiger Weise selbst bezahlt gemacht habe. Das heisst nur, dass er sich fortan der Verpflichtung, es auftragsgemäss zu verwenden oder es zurückzugeben, enthoben betrachtet habe. Wer einen solchen Willen in Bezug auf eine fremde Sache bekundet, eignet sie sich im Sinne des Art. 140 Ziff. 1 Abs. 1 StGB an, auch wenn er objektiv in der Lage bleibt, sie jederzeit zurückzugeben. Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 geht jedoch weniger weit; er lässt nicht schon die Aneignung genügen, sondern verlangt ausdrücklich, dass der Täter das Gut verwende. Von einer Aneignung im eigentlichen Sinne könnte denn auch keine Rede sein, wenn das Gut schon mit dem Anvertrauen in das Eigentum des Täters übergegangen ist und nur wirtschaftlich weiterhin einem andern gehört hat. Wer sich entschliesst, dieses sein Eigentum zu behalten, eignet es sich nicht an, sondern nimmt sich einfach vor, seine Verpflichtung auf Rückgabe oder Ablieferung nicht zu erfüllen. Damit allein macht er sich nicht der Veruntreuung schuldig und versucht er auch noch nicht, es zu tun. Der Beschwerdeführer muss deshalb freigesprochen werden.
Damit soll nicht gesagt sein, dass er wegen seines dem erhaltenen Auftrage widersprechenden und gegen Treu und Glauben verstossenden Verhaltens nicht nach kantonalem Anwaltsrecht allenfalls disziplinarisch bestraft werden dürfe.
2. Der Tatbestand der Veruntreuung ist übrigens auch insofern nicht erfüllt, als dem Beschwerdeführer die Absicht unrechtmässiger Bereicherung, wie sie auch im Falle des Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB vorliegen muss (BGE 74 IV 30, BGE 77 IV 12), gefehlt hat. Indem der Beschwerdeführer die Verrechnung erklärt hat, hat er sich für seine Forderung bezahlt gemacht oder zu machen versucht, ist er aber nicht darauf ausgegangen, sich unrechtmässig zu bereichern. Dass Maria Tschupp im Strafverfahren seine Forderung nicht anerkannt, sondern adhäsionsweise ausser der Rückgabe der Fr. 1000.-- die Rückerstattung von Fr. 600.-- Honorarvorschuss sowie Ersatz ihrer Anwaltskosten von Fr. 700.-- verlangt hat, ändert nichts. Daraus ergibt sich nicht, dass der Beschwerdeführer seine in der Abrechnung vom 1. Juli 1952 gestellte Honorarforderung nicht für berechtigt gehalten habe, und auch das Kantonsgericht nimmt das nicht an. Dann wollte er sich aber mit der Verrechnung nur verschaffen, was ihm nach seiner Meinung zukam.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Kantonsgerichts von Graubünden vom 29. Juli 1954 aufgehoben und die Sache zur Freisprechung des Beschwerdeführers an die Vorinstanz zurückgewiesen.
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Art. 140 ch. 1 al. 2 CP. a) L'abus de confiance au sens de cette disposition ne commence qu'au moment où l'auteur utilise la chose et non déjà quand il fait sans droit une déclaration de compensation (consid. 1).
b) Il suppose l'intention d'obtenir un enrichissement illégitime (consid. 2).
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criminal law and criminal procedure
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81 IV 25
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Sachverhalt ab Seite 25
A.- Maria Tschupp war mit dem in der Heil- und Pflegeanstalt Waldhaus untergebrachten bevormundeten Paul Caviezel verlobt. Um ihn heiraten zu können, beauftragte sie im Oktober 1950 seinen Vormund Josef Oklé, der in Chur den Beruf eines Rechtsanwaltes ausübt, sich um die Entlassung Caviezels aus der Vormundschaft und aus der Anstalt zu bemühen. Sie versprach Oklé, ihn für die Ausführung des Auftrages angemessen zu honorieren und ihm seine Auslagen zu ersetzen, und leistete ihm bis im Juli 1951 für die Bemühungen, die er bis dahin gehabt hatte, insgesamt Fr. 800.--. Im August 1951 erklärte ihr Oklé, um die Entlassung aus der Vormundschaft zu befördern, sollten die von der Gemeinde Tomils vorgeschossenen Anstaltskosten und die Gerichtskosten eines gegen Caviezel durchgeführten Strafverfahrens wenigstens teilweise bezahlt werden. Maria Tschupp überwies daher dem Oklé am 6. August 1951 Fr. 2000.-- und am 29. September 1951 Fr. 1000.-- mit der Weisung, ersteren Betrag zur Bezahlung der Anstaltskosten und letzteren zur teilweisen Bezahlung der Gerichtskosten zu verwenden. Oklé leistete an die Anstaltskosten Fr. 1900.-- und an die Gerichtskosten Fr. 70.-. Am 1. Juli 1952 stellte er Maria Tschupp Rechnung, wobei er die behaltenen Beträge mit seinen Honoraransprüchen verrechnete und einen Saldo zu seinen Gunsten von Fr. 66.40 geltend machte.
B.- Am 29. Juli 1954 erklärte das Kantonsgericht Graubünden Oklé gemäss Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB der Veruntreuung schuldig, weil er von dem zur Deckung von Gerichtskosten empfangenen Gelde Fr. 930.-- für sich behalten habe, und verurteilte ihn zu einer bedingt aufgeschobenen Gefängnisstrafe von drei Monaten.
C.- Oklé führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil sei aufzuheben und die Sache zur Freisprechung des Beschwerdeführers an das Kantonsgericht zurückzuweisen.
D.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden verzichtet auf Gegenbemerkungen.
Das Kantonsgericht beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Gemäss Art. 125 Ziff. 1 OR können "Verpflichtungen zur Rückgabe oder zum Ersatze hinterlegter, widerrechtlich entzogener oder böswillig vorenthaltener Sachen" nicht wider Willen des Gläubigers durch Verrechnung getilgt werden. Ob diese Bestimmung dem Beschwerdeführer verbot, die in bewusster Verletzung des erhaltenen Auftrages behaltenen Fr. 930.-- mit seinem Honoraranspruch zu verrechnen, kann dahingestellt bleiben. Denn eine unzulässige Verrechnungserklärung erfüllt den Tatbestand der Veruntreuung im Sinne des Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB selbst dann nicht, wenn der Täter sich der Unzulässigkeit einseitiger Verrechnung bewusst ist. Diese Unzulässigkeit macht die Erklärung rechtlich unwirksam. Wer eine solche abgibt, begeht aber nicht einmal einen untauglichen Versuch der Veruntreuung. Nach Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB besteht das vollendete Vergehen darin, dass jemand "anvertrautes Gut, namentlich Geld, unrechtmässig in seinem oder eines andern Nutzen verwendet"; folglich kann ein Versuch erst mit dem entscheidenden Schritt zur (unrechtmässigen) Verwendung des Gutes beginnen. Die Abgabe einer Verrechnungserklärung enthält diesen Schritt noch nicht; er kann erst darin liegen, dass der Täter das Geld zu verbrauchen beginnt. Dass der Beschwerdeführer das getan habe, wirft ihm jedoch das Kantonsgericht nicht vor. Es erklärt lediglich, dass er das Geld in die eigene Tasche habe fliessen lassen, sich daraus in unzulässiger Weise selbst bezahlt gemacht habe. Das heisst nur, dass er sich fortan der Verpflichtung, es auftragsgemäss zu verwenden oder es zurückzugeben, enthoben betrachtet habe. Wer einen solchen Willen in Bezug auf eine fremde Sache bekundet, eignet sie sich im Sinne des Art. 140 Ziff. 1 Abs. 1 StGB an, auch wenn er objektiv in der Lage bleibt, sie jederzeit zurückzugeben. Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 geht jedoch weniger weit; er lässt nicht schon die Aneignung genügen, sondern verlangt ausdrücklich, dass der Täter das Gut verwende. Von einer Aneignung im eigentlichen Sinne könnte denn auch keine Rede sein, wenn das Gut schon mit dem Anvertrauen in das Eigentum des Täters übergegangen ist und nur wirtschaftlich weiterhin einem andern gehört hat. Wer sich entschliesst, dieses sein Eigentum zu behalten, eignet es sich nicht an, sondern nimmt sich einfach vor, seine Verpflichtung auf Rückgabe oder Ablieferung nicht zu erfüllen. Damit allein macht er sich nicht der Veruntreuung schuldig und versucht er auch noch nicht, es zu tun. Der Beschwerdeführer muss deshalb freigesprochen werden.
Damit soll nicht gesagt sein, dass er wegen seines dem erhaltenen Auftrage widersprechenden und gegen Treu und Glauben verstossenden Verhaltens nicht nach kantonalem Anwaltsrecht allenfalls disziplinarisch bestraft werden dürfe.
2. Der Tatbestand der Veruntreuung ist übrigens auch insofern nicht erfüllt, als dem Beschwerdeführer die Absicht unrechtmässiger Bereicherung, wie sie auch im Falle des Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB vorliegen muss (BGE 74 IV 30, BGE 77 IV 12), gefehlt hat. Indem der Beschwerdeführer die Verrechnung erklärt hat, hat er sich für seine Forderung bezahlt gemacht oder zu machen versucht, ist er aber nicht darauf ausgegangen, sich unrechtmässig zu bereichern. Dass Maria Tschupp im Strafverfahren seine Forderung nicht anerkannt, sondern adhäsionsweise ausser der Rückgabe der Fr. 1000.-- die Rückerstattung von Fr. 600.-- Honorarvorschuss sowie Ersatz ihrer Anwaltskosten von Fr. 700.-- verlangt hat, ändert nichts. Daraus ergibt sich nicht, dass der Beschwerdeführer seine in der Abrechnung vom 1. Juli 1952 gestellte Honorarforderung nicht für berechtigt gehalten habe, und auch das Kantonsgericht nimmt das nicht an. Dann wollte er sich aber mit der Verrechnung nur verschaffen, was ihm nach seiner Meinung zukam.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Kantonsgerichts von Graubünden vom 29. Juli 1954 aufgehoben und die Sache zur Freisprechung des Beschwerdeführers an die Vorinstanz zurückgewiesen.
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Art. 140 cifra 1 cp. 2 CP. a) L'appropriazione indebita nel senso di questa disposizione ha inizio soltanto dal momento in cui l'autore impiega la cosa e non da quello in cui, senza averne il diritto, dichiara di voler procedere alla compensazione (consid. 1).
b) L'appropriazione indebita presuppone nell'autore l'intenzione di procacciarsi un indebito profitto (consid. 2).
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criminal law and criminal procedure
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81 IV 256
Sachverhalt ab Seite 256
A.- Auf 1. Januar 1952 erhöhte die Gemeinde Horgen den Wasserzins von 25 auf 38 Rappen je m3. Fanny Welti, Eigentümerin zweier Miethäuser, stellte daher ihren Mietern am 15. März 1954 nicht nur Rechnung für 502 m3 Wasser zu 38 Rappen, das sie im Jahre 1953 über die normale, zulasten der Vermieterin fallende Menge von 816 m3 hinaus verbraucht hatten, sondern verlangte auch Ersatz des Unterschiedes zwischen altem und neuem Wasserzins für diese 816 m3. Ein Mieter, Tranquillo Fedon, wandte sich an die Mietpreiskontrollstelle der Gemeinde, und diese belehrte die Vermieterin dahin, dass sie für den normalen Wasserverbrauch trotz des höheren Wasserzinses von den Mietern nicht Ersatz verlangen dürfe, sich ihre Forderung daher von Fr. 316.84 auf Fr. 190.76 ermässige. Da Fanny Welti eine andere Auffassung vertrat, meldete die Gemeinde Horgen den Fall der Justizdirektion des Kantons Zürich. Diese schrieb der Vermieterin am 23. August 1954, Hauseigentümer, welche die durch Verfügung der eidgenössischen Preiskontrollstelle vom 30. August 1950 zugelassene Mietzinserhöhung von 10% vorgenommen hätten, könnten die Verteuerung des Wasserzinses nicht auf die Mieter überwälzen. Die Justizdirektion forderte Fanny Welti auf, die Abrechnung bis zum 3. September 1954 zu berichtigen, ansonst sie wegen unzulässiger indirekter Mietzinserhöhung verzeigt werde. Fanny Welti vertrat der Justizdirektion gegenüber in einem eingehend begründeten Schreiben vom 30. August 1954 die Auffassung, die Wasserzinsrechnung, die von den Mietern noch nicht bezahlt sei, lasse sich nicht beanstanden. Die Justizdirektion antwortete nicht, sondern verzeigte die Vermieterin am 21. Oktober 1954 beim Statthalteramt Horgen wegen Übertretung von Art. 4 Abs. 1 und 2 der Verordnung vom 30. Dezember 1953 über die Mietzinskontrolle und die Beschränkung des Kündigungsrechts. In der Folge beschwerte sich Fanny Welti bei der eidgenössischen Preiskontrollstelle gegen die Verfügung der Justizdirektion vom 23. August 1954. Mit Entscheid vom 19. April 1955 trat die eidgenössische Preiskontrollstelle auf die Beschwerde wegen Verspätung nicht ein.
B.- Am 1. Juni 1955 büsste das Statthalteramt Horgen Fanny Welti in Anwendung der Art. 4 Abs. 1 und 2, 42 und 48 der Verordnung über die Mietzinskontrolle mit Fr. 40.-. Es warf ihr vor, sie habe ihren Mietern "das Normalquantum verbrauchten Wassers pro Jahr, d.h. 816 m3 zu dem inzwischen durch die Gemeinde Horgen von 25 auf 38 Rappen pro m3 erhöhten Preis verrechnet, wiewohl für dieses Wasserquantum der Teurungszuschlag von der Vermieterin zu tragen ist, es sei denn die Erhöhung wäre von der zuständigen Behörde ausdrücklich bewilligt worden, was jedoch im vorwürfigen Falle nicht zutrifft". Fanny Welti verlangte gerichtliche Beurteilung.
Am 23. Juni 1955 sprach der Einzelrichter des Bezirksgerichts Horgen sie frei. Er führte aus, ob die Erhöhung des Wasserzinses durch die Gemeinde zu einer Erhöhung des Mietzinses berechtige, habe die zuständige Verwaltungsbehörde zu entscheiden. Auf alle Fälle habe die Verzeigte den Mietzins nicht ohne Bewilligung erhöhen dürfen. Der Einwand, nach dem Vertrag dürfe sie den Wasserzinsaufschlag auf die Mieter abwälzen, helfe nicht. Hätte sie tatsächlich den Wasserzinsaufschlag von ihren Mietern bezogen, wäre sie der eingeklagten Übertretung schuldig. Es sei jedoch nicht nachgewiesen, dass sie den Mietzins ohne Bewilligung erhöht habe. Fedon habe nur den geschuldeten Betrag für den Wassermehrverbrauch, nicht auch den Aufschlag des Wasserzinses auf der normalen Wassermenge bezahlt, und dass andere Mieter das letztere getan hätten, habe die Untersuchung nicht erstellt. Von einer Erhöhung des Mietzinses könne erst gesprochen werden, wenn Mieter und Vermieter mit der Erhöhung einverstanden seien, denn der Mietvertrag sei ein zweiseitiges Rechtsgeschäft. Das einseitige Begehren des Vermieters, der Mieter möge mehr bezahlen, bewirke keine Erhöhung des Mietzinses. Da im vorliegenden Falle nichts dafür spreche, dass die Mieter den mehrbelasteten Wasserzins anerkannten oder bezahlten, und für den Fall Fedon sogar eindeutig das Gegenteil erwiesen sei, habe die Verzeigte lediglich versucht, den Mietzins ohne Bewilligung zu erhöhen. Der Versuch einer Übertretung sei jedoch nach Art. 104 StGB nicht strafbar.
C.- Der Bundesanwalt führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil sei aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung zurückzuweisen.
Er macht geltend, unter den Begriff des Preises, der nicht ohne Bewilligung erhöht werden dürfe, falle selbstverständlich nicht nur der Mietzins, hinsichtlich dessen ein Konsens zustandegekommen sei, sondern auch der bloss geforderte Preis. Die Mietzinskontrolle wolle die Mieter bereits vor unangemessenen Mietzinszumutungen schützen. Massgebend sei dabei die Überlegung, dass Mieter und Mietinteressenten in Zeiten der Wohnungsnot die wirtschaftlich schwächere Partei bildeten und man von ihnen nicht verlangen könne, sich der Verabredung unerlaubter Ansätze zu widersetzen. Die Mietzinskontrolle müsse deshalb, wenn sie etwelche Aussicht auf Erfolg haben wolle, schon das Fordern nicht erlaubter Mietzinse untersagen. Dieser Sinn der Bestimmungen ergebe sich im übrigen aus der Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung vom 3. Februar 1953 über die Durchführung einer beschränkten Preiskontrolle. Aus ihr gehe hervor, dass als Mietzinserhöhung im preiskontrollrechtlichen Sinne jede gegenüber einem Mieter oder Mietreflektanten in irgend einer Form zum Ausdruck gebrachte Aufforderung zur Vereinbarung oder Bezahlung eines höheren Mietzinses angesehen werden müsse. Die nämliche Auffassung sei schon von den strafrechtlichen Kommissionen des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements und den kriegswirtschaftlichen Strafgerichten vertreten worden. Fanny Welti habe somit die Übertretung nicht nur versucht, sondern vollendet.
D.- Fanny Welti beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen. Sie macht im wesentlichen geltend, in Zürich und Umgebung sei es seit langem Brauch, dass für den Mehrwasserzins der Mieter anteilsmässig aufzukommen habe. Auf Grund der entsprechenden Bestimmung der Mietvertragsformulare habe sie sich ohne grosse Überlegungen preiskontrollrechtlicher Natur für berechtigt gehalten, auf die Mieter abzuwälzen, was die Gemeinde von ihr als Wasserzins verlange. Die Stellungnahme des Bundesanwalts sei berechtigt, wenn ein Vermieter sich einen ungerechtfertigten Vermögensvorteil verschaffen wolle, führe aber hier zu einem unbilligen Ergebnis.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Der Bundesbeschluss vom 10. Juni 1953 über die Durchführung einer beschränkten Preiskontrolle erklärt in Art. 2 "Erhöhungen der am 31. Dezember 1953 geltenden Mietzinse bewilligungspflichtig", setzt in Art. 15 auf die vorsätzliche oder fahrlässige Übertretung des Beschlusses oder der Ausführungsbestimmungen Busse und weist in Art. 14 Abs. 1 den Bundesrat an, die erforderlichen Ausführungsvorschriften zu erlassen.
Diesen Bestimmungen nachkommend, hat der Bundesrat in der Verordnung vom 30. Dezember 1953 über die Mietzinskontrolle und die Beschränkung des Kündigungsrechts untersagt, "die Mietzinse ohne Bewilligung der von den Kantonsregierungen bezeichneten Amtsstellen oder der Rekursinstanz über den am 31. Dezember 1953 höchstzulässigen Stand zu erhöhen" (Art. 4 Abs. 1). Anschliessend daran untersagt die Verordnung "auch alle indirekten Mietzinserhöhungen, die sich wirtschaftlich gegenüber dem Mieter als Erhöhung auswirken; also z.B.: Erhöhung des Entgeltes für Nebenleistungen, wie Wasserzins, allgemeine Beleuchtung usw.; besondere Verrechnung von Nebenleistungen, die bisher im Mietzins inbegriffen waren; Wegnahme eines Zimmers oder einer Mansarde usw." (Art. 4 Abs. 2). Für die vorsätzliche oder fahrlässige Übertretung dieser Bestimmungen droht die Verordnung Busse bis zu zweitausend Franken an (Art. 42 Abs. 1). Handelt der Täter aus Gewinnsucht, so ist der Richter an diesen Höchstbetrag nicht gebunden (Art. 42 Abs. 2).
2. Die Beschwerdegegnerin bestreitet nicht, dass sie sich zur Lieferung der normalerweise verbrauchten 816 m3 Wasser verpflichtet hatte und die Vergütung dafür im Mietzins inbegriffen war. Unbestritten ist auch, dass dieser am 31. Dezember 1953 und schon vorher den höchstzulässigen Stand erreichte. Wenn die Mieter die durch die Wasserzinserhöhung der Gemeinde Horgen verursachten Mehrkosten der erwähnten 816 m3 Wasser durch eine besondere Vergütung übernommen hätten, hätte daher im Sinne des Art. 4 Abs. 1 und 2 der Verordnung vom 30. Dezember 1953 der Mietzins "indirekt" den zulässigen Stand überschritten. Ob die Mieter sich das vertraglich hätten gefallen lassen müssen, wie die Beschwerdegegnerin gegenüber der Justizdirektion geltend gemacht hat, aber heute nicht mehr einwendet, kann dahingestellt bleiben; denn die Verordnung verbietet Mietzinserhöhungen über den vom öffentlichen Recht vorgesehenen Stand auch dann, wenn sie dem Vertrage nicht widersprechen.
3. Schon die gestützt auf Bundesratsbeschluss vom 1. September 1939 erlassene Verfügung Nr. 1 des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements vom 2. September 1939 betreffend die Kosten der Lebenshaltung und den Schutz der regulären Marktversorgung untersagte unter anderem, die Mietzinse (über den Stand vom 31. August 1939) ohne Genehmigung zu "erhöhen". Die kriegswirtschaftlichen Strafgerichte haben diese Bestimmung stets dahin ausgelegt, dass eine Erhöhung schon dann vorliege, wenn der Vermieter einen höheren Mietzins fordert, es also nicht des tatsächlichen Bezuges oder auch nur der Einwilligung des Mieters bedürfe, den geforderten Betrag zu bezahlen (EKSt 3 24; vgl. auch 2 7, 95, 125, 154). An dieser Rechtslage haben der Bundesbeschluss vom 10. Juni 1953 und die Verordnung vom 30. Dezember 1953 nichts geändert. Das ergibt sich insbesondere aus der Botschaft des Bundesrates vom 3. Februar 1953 an die Bundesversammlung über die Durchführung einer beschränkten Preiskontrolle, wo ausgeführt wird, eine Mietzinserhöhung im preiskontrollrechtlichen Sinne (Art. 1 Abs. 2) sei jede gegenüber einem Mieter oder Mietreflektanten in irgendeiner Form zum Ausdruck gebrachte Aufforderung zur Vereinbarung oder Bezahlung eines höheren Mietzinses (BBl 1953 I 295). Mit dieser Auslegung, die von der Beschwerdegegnerin nicht beanstandet wird, stimmt überein, dass Art. 4 Abs. 2 der Verordnung unter anderem auch die "besondere Verrechnung von Nebenleistungen, die bisher im Mietzins inbegriffen waren", untersagt. "Verrechnung" bedeutet hier Rechnungstellung (mise en compte). Dass der Mieter sich ihr unterziehe, wird nicht vorausgesetzt. Vom gleichen Geist beseelt ist Art. 14 der Verordnung, der bestimmt, für Objekte, die am 31. August 1939 nicht oder in anderer Zusammensetzung vermietet waren und für welche die behördliche Festsetzung eines höchstzulässigen Mietzinses noch nicht erfolgte, dürfe "ein Mietzins nur mit Bewilligung der zuständigen Amtsstelle gefordert oder angenommen werden". Es ist nicht zu ersehen, was den Bundesrat hätte bewegen können, dem Vermieter Strafe schon für das blosse Fordern eines nicht bewilligten Mietzinses anzudrohen, wenn die Mietsache dem Art. 14 untersteht, dagegen nur für das Vereinbaren der Erhöhung in den anderen Fällen. Die Mieter haben es denn auch nötig, sich schon gegen das blosse Verlangen höheren Mietzinses mit den Mitteln einer Stafanzeige wehren zu können; denn wenn sie, dem Begehren nachgebend, in die Erhöhung eingewilligt haben, werden sie es nicht mehr zu tun wagen, weil sie damit auch ihre eigene Strafbarkeit eingestehen müssten.
...
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Einzelrichters des Bezirksgerichtes Horgen vom 23. Juni 1955 aufgehoben und die Sache zur Verurteilung der Beschwerdegegnerin an die Vorinstanz zurückgewiesen.
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Art. 4, 42 Vo. vom 30. Dezember 1953 über die Mietzinskontrolle und die Beschränkung des Kündigungsrechts. Strafbar macht sich schon, wer den Mieter ersucht, mehr als den höchstzulässigen Mietzins zu bezahlen, auch wenn der Mieter sich mit Erfolg widersetzt.
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81 IV 256
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81 IV 256
Sachverhalt ab Seite 256
A.- Auf 1. Januar 1952 erhöhte die Gemeinde Horgen den Wasserzins von 25 auf 38 Rappen je m3. Fanny Welti, Eigentümerin zweier Miethäuser, stellte daher ihren Mietern am 15. März 1954 nicht nur Rechnung für 502 m3 Wasser zu 38 Rappen, das sie im Jahre 1953 über die normale, zulasten der Vermieterin fallende Menge von 816 m3 hinaus verbraucht hatten, sondern verlangte auch Ersatz des Unterschiedes zwischen altem und neuem Wasserzins für diese 816 m3. Ein Mieter, Tranquillo Fedon, wandte sich an die Mietpreiskontrollstelle der Gemeinde, und diese belehrte die Vermieterin dahin, dass sie für den normalen Wasserverbrauch trotz des höheren Wasserzinses von den Mietern nicht Ersatz verlangen dürfe, sich ihre Forderung daher von Fr. 316.84 auf Fr. 190.76 ermässige. Da Fanny Welti eine andere Auffassung vertrat, meldete die Gemeinde Horgen den Fall der Justizdirektion des Kantons Zürich. Diese schrieb der Vermieterin am 23. August 1954, Hauseigentümer, welche die durch Verfügung der eidgenössischen Preiskontrollstelle vom 30. August 1950 zugelassene Mietzinserhöhung von 10% vorgenommen hätten, könnten die Verteuerung des Wasserzinses nicht auf die Mieter überwälzen. Die Justizdirektion forderte Fanny Welti auf, die Abrechnung bis zum 3. September 1954 zu berichtigen, ansonst sie wegen unzulässiger indirekter Mietzinserhöhung verzeigt werde. Fanny Welti vertrat der Justizdirektion gegenüber in einem eingehend begründeten Schreiben vom 30. August 1954 die Auffassung, die Wasserzinsrechnung, die von den Mietern noch nicht bezahlt sei, lasse sich nicht beanstanden. Die Justizdirektion antwortete nicht, sondern verzeigte die Vermieterin am 21. Oktober 1954 beim Statthalteramt Horgen wegen Übertretung von Art. 4 Abs. 1 und 2 der Verordnung vom 30. Dezember 1953 über die Mietzinskontrolle und die Beschränkung des Kündigungsrechts. In der Folge beschwerte sich Fanny Welti bei der eidgenössischen Preiskontrollstelle gegen die Verfügung der Justizdirektion vom 23. August 1954. Mit Entscheid vom 19. April 1955 trat die eidgenössische Preiskontrollstelle auf die Beschwerde wegen Verspätung nicht ein.
B.- Am 1. Juni 1955 büsste das Statthalteramt Horgen Fanny Welti in Anwendung der Art. 4 Abs. 1 und 2, 42 und 48 der Verordnung über die Mietzinskontrolle mit Fr. 40.-. Es warf ihr vor, sie habe ihren Mietern "das Normalquantum verbrauchten Wassers pro Jahr, d.h. 816 m3 zu dem inzwischen durch die Gemeinde Horgen von 25 auf 38 Rappen pro m3 erhöhten Preis verrechnet, wiewohl für dieses Wasserquantum der Teurungszuschlag von der Vermieterin zu tragen ist, es sei denn die Erhöhung wäre von der zuständigen Behörde ausdrücklich bewilligt worden, was jedoch im vorwürfigen Falle nicht zutrifft". Fanny Welti verlangte gerichtliche Beurteilung.
Am 23. Juni 1955 sprach der Einzelrichter des Bezirksgerichts Horgen sie frei. Er führte aus, ob die Erhöhung des Wasserzinses durch die Gemeinde zu einer Erhöhung des Mietzinses berechtige, habe die zuständige Verwaltungsbehörde zu entscheiden. Auf alle Fälle habe die Verzeigte den Mietzins nicht ohne Bewilligung erhöhen dürfen. Der Einwand, nach dem Vertrag dürfe sie den Wasserzinsaufschlag auf die Mieter abwälzen, helfe nicht. Hätte sie tatsächlich den Wasserzinsaufschlag von ihren Mietern bezogen, wäre sie der eingeklagten Übertretung schuldig. Es sei jedoch nicht nachgewiesen, dass sie den Mietzins ohne Bewilligung erhöht habe. Fedon habe nur den geschuldeten Betrag für den Wassermehrverbrauch, nicht auch den Aufschlag des Wasserzinses auf der normalen Wassermenge bezahlt, und dass andere Mieter das letztere getan hätten, habe die Untersuchung nicht erstellt. Von einer Erhöhung des Mietzinses könne erst gesprochen werden, wenn Mieter und Vermieter mit der Erhöhung einverstanden seien, denn der Mietvertrag sei ein zweiseitiges Rechtsgeschäft. Das einseitige Begehren des Vermieters, der Mieter möge mehr bezahlen, bewirke keine Erhöhung des Mietzinses. Da im vorliegenden Falle nichts dafür spreche, dass die Mieter den mehrbelasteten Wasserzins anerkannten oder bezahlten, und für den Fall Fedon sogar eindeutig das Gegenteil erwiesen sei, habe die Verzeigte lediglich versucht, den Mietzins ohne Bewilligung zu erhöhen. Der Versuch einer Übertretung sei jedoch nach Art. 104 StGB nicht strafbar.
C.- Der Bundesanwalt führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil sei aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung zurückzuweisen.
Er macht geltend, unter den Begriff des Preises, der nicht ohne Bewilligung erhöht werden dürfe, falle selbstverständlich nicht nur der Mietzins, hinsichtlich dessen ein Konsens zustandegekommen sei, sondern auch der bloss geforderte Preis. Die Mietzinskontrolle wolle die Mieter bereits vor unangemessenen Mietzinszumutungen schützen. Massgebend sei dabei die Überlegung, dass Mieter und Mietinteressenten in Zeiten der Wohnungsnot die wirtschaftlich schwächere Partei bildeten und man von ihnen nicht verlangen könne, sich der Verabredung unerlaubter Ansätze zu widersetzen. Die Mietzinskontrolle müsse deshalb, wenn sie etwelche Aussicht auf Erfolg haben wolle, schon das Fordern nicht erlaubter Mietzinse untersagen. Dieser Sinn der Bestimmungen ergebe sich im übrigen aus der Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung vom 3. Februar 1953 über die Durchführung einer beschränkten Preiskontrolle. Aus ihr gehe hervor, dass als Mietzinserhöhung im preiskontrollrechtlichen Sinne jede gegenüber einem Mieter oder Mietreflektanten in irgend einer Form zum Ausdruck gebrachte Aufforderung zur Vereinbarung oder Bezahlung eines höheren Mietzinses angesehen werden müsse. Die nämliche Auffassung sei schon von den strafrechtlichen Kommissionen des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements und den kriegswirtschaftlichen Strafgerichten vertreten worden. Fanny Welti habe somit die Übertretung nicht nur versucht, sondern vollendet.
D.- Fanny Welti beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen. Sie macht im wesentlichen geltend, in Zürich und Umgebung sei es seit langem Brauch, dass für den Mehrwasserzins der Mieter anteilsmässig aufzukommen habe. Auf Grund der entsprechenden Bestimmung der Mietvertragsformulare habe sie sich ohne grosse Überlegungen preiskontrollrechtlicher Natur für berechtigt gehalten, auf die Mieter abzuwälzen, was die Gemeinde von ihr als Wasserzins verlange. Die Stellungnahme des Bundesanwalts sei berechtigt, wenn ein Vermieter sich einen ungerechtfertigten Vermögensvorteil verschaffen wolle, führe aber hier zu einem unbilligen Ergebnis.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Der Bundesbeschluss vom 10. Juni 1953 über die Durchführung einer beschränkten Preiskontrolle erklärt in Art. 2 "Erhöhungen der am 31. Dezember 1953 geltenden Mietzinse bewilligungspflichtig", setzt in Art. 15 auf die vorsätzliche oder fahrlässige Übertretung des Beschlusses oder der Ausführungsbestimmungen Busse und weist in Art. 14 Abs. 1 den Bundesrat an, die erforderlichen Ausführungsvorschriften zu erlassen.
Diesen Bestimmungen nachkommend, hat der Bundesrat in der Verordnung vom 30. Dezember 1953 über die Mietzinskontrolle und die Beschränkung des Kündigungsrechts untersagt, "die Mietzinse ohne Bewilligung der von den Kantonsregierungen bezeichneten Amtsstellen oder der Rekursinstanz über den am 31. Dezember 1953 höchstzulässigen Stand zu erhöhen" (Art. 4 Abs. 1). Anschliessend daran untersagt die Verordnung "auch alle indirekten Mietzinserhöhungen, die sich wirtschaftlich gegenüber dem Mieter als Erhöhung auswirken; also z.B.: Erhöhung des Entgeltes für Nebenleistungen, wie Wasserzins, allgemeine Beleuchtung usw.; besondere Verrechnung von Nebenleistungen, die bisher im Mietzins inbegriffen waren; Wegnahme eines Zimmers oder einer Mansarde usw." (Art. 4 Abs. 2). Für die vorsätzliche oder fahrlässige Übertretung dieser Bestimmungen droht die Verordnung Busse bis zu zweitausend Franken an (Art. 42 Abs. 1). Handelt der Täter aus Gewinnsucht, so ist der Richter an diesen Höchstbetrag nicht gebunden (Art. 42 Abs. 2).
2. Die Beschwerdegegnerin bestreitet nicht, dass sie sich zur Lieferung der normalerweise verbrauchten 816 m3 Wasser verpflichtet hatte und die Vergütung dafür im Mietzins inbegriffen war. Unbestritten ist auch, dass dieser am 31. Dezember 1953 und schon vorher den höchstzulässigen Stand erreichte. Wenn die Mieter die durch die Wasserzinserhöhung der Gemeinde Horgen verursachten Mehrkosten der erwähnten 816 m3 Wasser durch eine besondere Vergütung übernommen hätten, hätte daher im Sinne des Art. 4 Abs. 1 und 2 der Verordnung vom 30. Dezember 1953 der Mietzins "indirekt" den zulässigen Stand überschritten. Ob die Mieter sich das vertraglich hätten gefallen lassen müssen, wie die Beschwerdegegnerin gegenüber der Justizdirektion geltend gemacht hat, aber heute nicht mehr einwendet, kann dahingestellt bleiben; denn die Verordnung verbietet Mietzinserhöhungen über den vom öffentlichen Recht vorgesehenen Stand auch dann, wenn sie dem Vertrage nicht widersprechen.
3. Schon die gestützt auf Bundesratsbeschluss vom 1. September 1939 erlassene Verfügung Nr. 1 des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements vom 2. September 1939 betreffend die Kosten der Lebenshaltung und den Schutz der regulären Marktversorgung untersagte unter anderem, die Mietzinse (über den Stand vom 31. August 1939) ohne Genehmigung zu "erhöhen". Die kriegswirtschaftlichen Strafgerichte haben diese Bestimmung stets dahin ausgelegt, dass eine Erhöhung schon dann vorliege, wenn der Vermieter einen höheren Mietzins fordert, es also nicht des tatsächlichen Bezuges oder auch nur der Einwilligung des Mieters bedürfe, den geforderten Betrag zu bezahlen (EKSt 3 24; vgl. auch 2 7, 95, 125, 154). An dieser Rechtslage haben der Bundesbeschluss vom 10. Juni 1953 und die Verordnung vom 30. Dezember 1953 nichts geändert. Das ergibt sich insbesondere aus der Botschaft des Bundesrates vom 3. Februar 1953 an die Bundesversammlung über die Durchführung einer beschränkten Preiskontrolle, wo ausgeführt wird, eine Mietzinserhöhung im preiskontrollrechtlichen Sinne (Art. 1 Abs. 2) sei jede gegenüber einem Mieter oder Mietreflektanten in irgendeiner Form zum Ausdruck gebrachte Aufforderung zur Vereinbarung oder Bezahlung eines höheren Mietzinses (BBl 1953 I 295). Mit dieser Auslegung, die von der Beschwerdegegnerin nicht beanstandet wird, stimmt überein, dass Art. 4 Abs. 2 der Verordnung unter anderem auch die "besondere Verrechnung von Nebenleistungen, die bisher im Mietzins inbegriffen waren", untersagt. "Verrechnung" bedeutet hier Rechnungstellung (mise en compte). Dass der Mieter sich ihr unterziehe, wird nicht vorausgesetzt. Vom gleichen Geist beseelt ist Art. 14 der Verordnung, der bestimmt, für Objekte, die am 31. August 1939 nicht oder in anderer Zusammensetzung vermietet waren und für welche die behördliche Festsetzung eines höchstzulässigen Mietzinses noch nicht erfolgte, dürfe "ein Mietzins nur mit Bewilligung der zuständigen Amtsstelle gefordert oder angenommen werden". Es ist nicht zu ersehen, was den Bundesrat hätte bewegen können, dem Vermieter Strafe schon für das blosse Fordern eines nicht bewilligten Mietzinses anzudrohen, wenn die Mietsache dem Art. 14 untersteht, dagegen nur für das Vereinbaren der Erhöhung in den anderen Fällen. Die Mieter haben es denn auch nötig, sich schon gegen das blosse Verlangen höheren Mietzinses mit den Mitteln einer Stafanzeige wehren zu können; denn wenn sie, dem Begehren nachgebend, in die Erhöhung eingewilligt haben, werden sie es nicht mehr zu tun wagen, weil sie damit auch ihre eigene Strafbarkeit eingestehen müssten.
...
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Einzelrichters des Bezirksgerichtes Horgen vom 23. Juni 1955 aufgehoben und die Sache zur Verurteilung der Beschwerdegegnerin an die Vorinstanz zurückgewiesen.
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Art. 4, 42 de l'Ordonnance concernant le contrôle des loyers et la limitation du droit de résiliation, du 30 décembre 1953. Celui qui demande au locataire de payer davantage que le loyer autorisé est punissable, même si le locataire s'oppose avec succès à la hausse sollicitée.
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81 IV 256
Sachverhalt ab Seite 256
A.- Auf 1. Januar 1952 erhöhte die Gemeinde Horgen den Wasserzins von 25 auf 38 Rappen je m3. Fanny Welti, Eigentümerin zweier Miethäuser, stellte daher ihren Mietern am 15. März 1954 nicht nur Rechnung für 502 m3 Wasser zu 38 Rappen, das sie im Jahre 1953 über die normale, zulasten der Vermieterin fallende Menge von 816 m3 hinaus verbraucht hatten, sondern verlangte auch Ersatz des Unterschiedes zwischen altem und neuem Wasserzins für diese 816 m3. Ein Mieter, Tranquillo Fedon, wandte sich an die Mietpreiskontrollstelle der Gemeinde, und diese belehrte die Vermieterin dahin, dass sie für den normalen Wasserverbrauch trotz des höheren Wasserzinses von den Mietern nicht Ersatz verlangen dürfe, sich ihre Forderung daher von Fr. 316.84 auf Fr. 190.76 ermässige. Da Fanny Welti eine andere Auffassung vertrat, meldete die Gemeinde Horgen den Fall der Justizdirektion des Kantons Zürich. Diese schrieb der Vermieterin am 23. August 1954, Hauseigentümer, welche die durch Verfügung der eidgenössischen Preiskontrollstelle vom 30. August 1950 zugelassene Mietzinserhöhung von 10% vorgenommen hätten, könnten die Verteuerung des Wasserzinses nicht auf die Mieter überwälzen. Die Justizdirektion forderte Fanny Welti auf, die Abrechnung bis zum 3. September 1954 zu berichtigen, ansonst sie wegen unzulässiger indirekter Mietzinserhöhung verzeigt werde. Fanny Welti vertrat der Justizdirektion gegenüber in einem eingehend begründeten Schreiben vom 30. August 1954 die Auffassung, die Wasserzinsrechnung, die von den Mietern noch nicht bezahlt sei, lasse sich nicht beanstanden. Die Justizdirektion antwortete nicht, sondern verzeigte die Vermieterin am 21. Oktober 1954 beim Statthalteramt Horgen wegen Übertretung von Art. 4 Abs. 1 und 2 der Verordnung vom 30. Dezember 1953 über die Mietzinskontrolle und die Beschränkung des Kündigungsrechts. In der Folge beschwerte sich Fanny Welti bei der eidgenössischen Preiskontrollstelle gegen die Verfügung der Justizdirektion vom 23. August 1954. Mit Entscheid vom 19. April 1955 trat die eidgenössische Preiskontrollstelle auf die Beschwerde wegen Verspätung nicht ein.
B.- Am 1. Juni 1955 büsste das Statthalteramt Horgen Fanny Welti in Anwendung der Art. 4 Abs. 1 und 2, 42 und 48 der Verordnung über die Mietzinskontrolle mit Fr. 40.-. Es warf ihr vor, sie habe ihren Mietern "das Normalquantum verbrauchten Wassers pro Jahr, d.h. 816 m3 zu dem inzwischen durch die Gemeinde Horgen von 25 auf 38 Rappen pro m3 erhöhten Preis verrechnet, wiewohl für dieses Wasserquantum der Teurungszuschlag von der Vermieterin zu tragen ist, es sei denn die Erhöhung wäre von der zuständigen Behörde ausdrücklich bewilligt worden, was jedoch im vorwürfigen Falle nicht zutrifft". Fanny Welti verlangte gerichtliche Beurteilung.
Am 23. Juni 1955 sprach der Einzelrichter des Bezirksgerichts Horgen sie frei. Er führte aus, ob die Erhöhung des Wasserzinses durch die Gemeinde zu einer Erhöhung des Mietzinses berechtige, habe die zuständige Verwaltungsbehörde zu entscheiden. Auf alle Fälle habe die Verzeigte den Mietzins nicht ohne Bewilligung erhöhen dürfen. Der Einwand, nach dem Vertrag dürfe sie den Wasserzinsaufschlag auf die Mieter abwälzen, helfe nicht. Hätte sie tatsächlich den Wasserzinsaufschlag von ihren Mietern bezogen, wäre sie der eingeklagten Übertretung schuldig. Es sei jedoch nicht nachgewiesen, dass sie den Mietzins ohne Bewilligung erhöht habe. Fedon habe nur den geschuldeten Betrag für den Wassermehrverbrauch, nicht auch den Aufschlag des Wasserzinses auf der normalen Wassermenge bezahlt, und dass andere Mieter das letztere getan hätten, habe die Untersuchung nicht erstellt. Von einer Erhöhung des Mietzinses könne erst gesprochen werden, wenn Mieter und Vermieter mit der Erhöhung einverstanden seien, denn der Mietvertrag sei ein zweiseitiges Rechtsgeschäft. Das einseitige Begehren des Vermieters, der Mieter möge mehr bezahlen, bewirke keine Erhöhung des Mietzinses. Da im vorliegenden Falle nichts dafür spreche, dass die Mieter den mehrbelasteten Wasserzins anerkannten oder bezahlten, und für den Fall Fedon sogar eindeutig das Gegenteil erwiesen sei, habe die Verzeigte lediglich versucht, den Mietzins ohne Bewilligung zu erhöhen. Der Versuch einer Übertretung sei jedoch nach Art. 104 StGB nicht strafbar.
C.- Der Bundesanwalt führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil sei aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung zurückzuweisen.
Er macht geltend, unter den Begriff des Preises, der nicht ohne Bewilligung erhöht werden dürfe, falle selbstverständlich nicht nur der Mietzins, hinsichtlich dessen ein Konsens zustandegekommen sei, sondern auch der bloss geforderte Preis. Die Mietzinskontrolle wolle die Mieter bereits vor unangemessenen Mietzinszumutungen schützen. Massgebend sei dabei die Überlegung, dass Mieter und Mietinteressenten in Zeiten der Wohnungsnot die wirtschaftlich schwächere Partei bildeten und man von ihnen nicht verlangen könne, sich der Verabredung unerlaubter Ansätze zu widersetzen. Die Mietzinskontrolle müsse deshalb, wenn sie etwelche Aussicht auf Erfolg haben wolle, schon das Fordern nicht erlaubter Mietzinse untersagen. Dieser Sinn der Bestimmungen ergebe sich im übrigen aus der Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung vom 3. Februar 1953 über die Durchführung einer beschränkten Preiskontrolle. Aus ihr gehe hervor, dass als Mietzinserhöhung im preiskontrollrechtlichen Sinne jede gegenüber einem Mieter oder Mietreflektanten in irgend einer Form zum Ausdruck gebrachte Aufforderung zur Vereinbarung oder Bezahlung eines höheren Mietzinses angesehen werden müsse. Die nämliche Auffassung sei schon von den strafrechtlichen Kommissionen des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements und den kriegswirtschaftlichen Strafgerichten vertreten worden. Fanny Welti habe somit die Übertretung nicht nur versucht, sondern vollendet.
D.- Fanny Welti beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen. Sie macht im wesentlichen geltend, in Zürich und Umgebung sei es seit langem Brauch, dass für den Mehrwasserzins der Mieter anteilsmässig aufzukommen habe. Auf Grund der entsprechenden Bestimmung der Mietvertragsformulare habe sie sich ohne grosse Überlegungen preiskontrollrechtlicher Natur für berechtigt gehalten, auf die Mieter abzuwälzen, was die Gemeinde von ihr als Wasserzins verlange. Die Stellungnahme des Bundesanwalts sei berechtigt, wenn ein Vermieter sich einen ungerechtfertigten Vermögensvorteil verschaffen wolle, führe aber hier zu einem unbilligen Ergebnis.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Der Bundesbeschluss vom 10. Juni 1953 über die Durchführung einer beschränkten Preiskontrolle erklärt in Art. 2 "Erhöhungen der am 31. Dezember 1953 geltenden Mietzinse bewilligungspflichtig", setzt in Art. 15 auf die vorsätzliche oder fahrlässige Übertretung des Beschlusses oder der Ausführungsbestimmungen Busse und weist in Art. 14 Abs. 1 den Bundesrat an, die erforderlichen Ausführungsvorschriften zu erlassen.
Diesen Bestimmungen nachkommend, hat der Bundesrat in der Verordnung vom 30. Dezember 1953 über die Mietzinskontrolle und die Beschränkung des Kündigungsrechts untersagt, "die Mietzinse ohne Bewilligung der von den Kantonsregierungen bezeichneten Amtsstellen oder der Rekursinstanz über den am 31. Dezember 1953 höchstzulässigen Stand zu erhöhen" (Art. 4 Abs. 1). Anschliessend daran untersagt die Verordnung "auch alle indirekten Mietzinserhöhungen, die sich wirtschaftlich gegenüber dem Mieter als Erhöhung auswirken; also z.B.: Erhöhung des Entgeltes für Nebenleistungen, wie Wasserzins, allgemeine Beleuchtung usw.; besondere Verrechnung von Nebenleistungen, die bisher im Mietzins inbegriffen waren; Wegnahme eines Zimmers oder einer Mansarde usw." (Art. 4 Abs. 2). Für die vorsätzliche oder fahrlässige Übertretung dieser Bestimmungen droht die Verordnung Busse bis zu zweitausend Franken an (Art. 42 Abs. 1). Handelt der Täter aus Gewinnsucht, so ist der Richter an diesen Höchstbetrag nicht gebunden (Art. 42 Abs. 2).
2. Die Beschwerdegegnerin bestreitet nicht, dass sie sich zur Lieferung der normalerweise verbrauchten 816 m3 Wasser verpflichtet hatte und die Vergütung dafür im Mietzins inbegriffen war. Unbestritten ist auch, dass dieser am 31. Dezember 1953 und schon vorher den höchstzulässigen Stand erreichte. Wenn die Mieter die durch die Wasserzinserhöhung der Gemeinde Horgen verursachten Mehrkosten der erwähnten 816 m3 Wasser durch eine besondere Vergütung übernommen hätten, hätte daher im Sinne des Art. 4 Abs. 1 und 2 der Verordnung vom 30. Dezember 1953 der Mietzins "indirekt" den zulässigen Stand überschritten. Ob die Mieter sich das vertraglich hätten gefallen lassen müssen, wie die Beschwerdegegnerin gegenüber der Justizdirektion geltend gemacht hat, aber heute nicht mehr einwendet, kann dahingestellt bleiben; denn die Verordnung verbietet Mietzinserhöhungen über den vom öffentlichen Recht vorgesehenen Stand auch dann, wenn sie dem Vertrage nicht widersprechen.
3. Schon die gestützt auf Bundesratsbeschluss vom 1. September 1939 erlassene Verfügung Nr. 1 des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements vom 2. September 1939 betreffend die Kosten der Lebenshaltung und den Schutz der regulären Marktversorgung untersagte unter anderem, die Mietzinse (über den Stand vom 31. August 1939) ohne Genehmigung zu "erhöhen". Die kriegswirtschaftlichen Strafgerichte haben diese Bestimmung stets dahin ausgelegt, dass eine Erhöhung schon dann vorliege, wenn der Vermieter einen höheren Mietzins fordert, es also nicht des tatsächlichen Bezuges oder auch nur der Einwilligung des Mieters bedürfe, den geforderten Betrag zu bezahlen (EKSt 3 24; vgl. auch 2 7, 95, 125, 154). An dieser Rechtslage haben der Bundesbeschluss vom 10. Juni 1953 und die Verordnung vom 30. Dezember 1953 nichts geändert. Das ergibt sich insbesondere aus der Botschaft des Bundesrates vom 3. Februar 1953 an die Bundesversammlung über die Durchführung einer beschränkten Preiskontrolle, wo ausgeführt wird, eine Mietzinserhöhung im preiskontrollrechtlichen Sinne (Art. 1 Abs. 2) sei jede gegenüber einem Mieter oder Mietreflektanten in irgendeiner Form zum Ausdruck gebrachte Aufforderung zur Vereinbarung oder Bezahlung eines höheren Mietzinses (BBl 1953 I 295). Mit dieser Auslegung, die von der Beschwerdegegnerin nicht beanstandet wird, stimmt überein, dass Art. 4 Abs. 2 der Verordnung unter anderem auch die "besondere Verrechnung von Nebenleistungen, die bisher im Mietzins inbegriffen waren", untersagt. "Verrechnung" bedeutet hier Rechnungstellung (mise en compte). Dass der Mieter sich ihr unterziehe, wird nicht vorausgesetzt. Vom gleichen Geist beseelt ist Art. 14 der Verordnung, der bestimmt, für Objekte, die am 31. August 1939 nicht oder in anderer Zusammensetzung vermietet waren und für welche die behördliche Festsetzung eines höchstzulässigen Mietzinses noch nicht erfolgte, dürfe "ein Mietzins nur mit Bewilligung der zuständigen Amtsstelle gefordert oder angenommen werden". Es ist nicht zu ersehen, was den Bundesrat hätte bewegen können, dem Vermieter Strafe schon für das blosse Fordern eines nicht bewilligten Mietzinses anzudrohen, wenn die Mietsache dem Art. 14 untersteht, dagegen nur für das Vereinbaren der Erhöhung in den anderen Fällen. Die Mieter haben es denn auch nötig, sich schon gegen das blosse Verlangen höheren Mietzinses mit den Mitteln einer Stafanzeige wehren zu können; denn wenn sie, dem Begehren nachgebend, in die Erhöhung eingewilligt haben, werden sie es nicht mehr zu tun wagen, weil sie damit auch ihre eigene Strafbarkeit eingestehen müssten.
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Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Einzelrichters des Bezirksgerichtes Horgen vom 23. Juni 1955 aufgehoben und die Sache zur Verurteilung der Beschwerdegegnerin an die Vorinstanz zurückgewiesen.
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Art. 4, 42 dell'ordinanza 30 dicembre 1953 concernente il controllo delle pigioni e la limitazione del diritto di disdetta. È già punibile chi domandi al locatario di pagare una pigione superior e a quella massima lecita, quand'anche il locatario si opponga con successo all'aumento richiesto.
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81 IV 262
Sachverhalt ab Seite 263
A.- M. hatte im Jahre 1952 im Kanton Luzern eine Anwaltspraxis eröffnet. Im Jahre 1953 wurde in Zug gegen ihn ein Verfahren wegen Betrugsversuches, Urkundenfälschung und Anstiftung zu falschem Zeugnis eingeleitet, das noch bei der dortigen Staatsanwaltschaft hängig ist. In der Folge wurde er durch die luzernische Anwaltskammer in der Berufsübung eingestellt, worauf er in den Kanton Zürich zog.
B.- Im April 1955 wurde gegen M., der in der Armee den Grad eines Hauptmanns bekleidet, eine militärgerichtliche Untersuchung (Beweisaufnahme) eröffnet. Im Schlussbericht des Untersuchungsrichters vom 22. Juli 1955 wird M. beschuldigt, im Zivilleben bei Wehrmännern, namentlich Angehörigen der von ihm geführten Einheit, in betrügerischer Weise und unter Ausnützung seiner dienstlichen Stellung Darlehen aufgenommen oder aufzunehmen versucht zu haben; ferner werden ihm Pfändungsbetrug, Gläubigerbegünstigung und Nichtweiterleitung eines von einem Subalternoffizier gestellten Umteilungsgesuches vorgeworfen.
- Gestützt auf diesen Bericht stellte das eidg. Militärdepartement fest, dass die Tatbestände des vollendeten und versuchten Darlehensbetruges, des Pfändungsbetruges und der Gläubigerbegünstigung der bürgerlichen Gerichtsbarkeit unterständen, während die Ausnützung der dienstlichen Stellung zu geschäftlichen Zwecken (bei den Betrügereien) und die Nichtweiterleitung des Umteilungsgesuches als Verletzungen von Dienstvorschriften (Art. 72 MStG) in die militärgerichtliche Zuständigkeit fielen. Es fand, dass das Schwergewicht auf Seite der bürgerlichen Gerichtsbarkeit liege. In Anwendung des Art. 221 MStG übertrug es daher auch die Beurteilung der der Militärstrafgerichtsbarkeit unterstehenden Tatbestände dem bürgerlichen Richter, und überwies die Sache zum Vollzug an die Bezirksanwaltschaft Zürich (Verfügung vom 3. August 1955).
C.- Die Bezirksanwaltschaft Zürich versuchte, die Behörden des Kantons Zug zur Übernahme des Verfahrens zu veranlassen, jedoch ohne Erfolg. Darauf stellte die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich mit Eingabe vom 5. September 1955 bei der Anklagekammer des Bundesgerichts das Gesuch, es seien die Behörden des Kantons Zug, eventuell diejenigen des Kantons Luzern zur Durchführung des Verfahrens und zur gerichtlichen Beurteilung zuständig zu erklären. Sie hält dafür, dass die Verfügung des eidg. Militärdepartements für die Regelung des Gerichtsstandes nicht bindend sein könne. Für die Verfolgung komme auf keinen Fall der Kanton Zürich in Betracht, sondern nur entweder der Kanton Zug, wo gegen M. längst ein Strafverfahren hängig sei, oder dann der Kanton Luzern, wo das Schwergewicht der strafbaren Tätigkeit des Beschuldigten liege.
Erwägungen
Die Anklagekammer zieht in Erwägung:
Nach BGE 69 IV 33 ist die Anklagekammer nicht befugt, in einer Bundesstrafsache, die vom Bundesrat gestützt auf Art. 18 BStP einem Kanton überwiesen wurde, einen andern Gerichtsstand zu bezeichnen als denjenigen, den der Bundesrat gemäss Art. 254 BStP bestimmte. Sodann wurde entschieden, dass in den Fällen des Art. 344 Ziff. 1 Abs. 1 StGB, wo die einen Handlungen der Beurteilung des Bundesstrafgerichts, die andern der kantonalen Gerichtsbarkeit unterstellt sind und das eidg. Justiz- und Polizeidepartement (kraft Delegation seitens des Bundesrates) auf Antrag der Bundesanwaltschaft die Vereinigung der Strafverfolgung in der Hand der kantonalen Behörde anordnet, der Gerichtsstand auch für die nach dem Gesetz der kantonalen Gerichtsbarkeit unterstehenden Handlungen verbindlich durch das Departement bestimmt wird; vorbehalten wurden nur Handlungen, die erst nach der Vereinigungsverfügung des Departements aufgedeckt werden und für die dieses die nachträgliche Vereinigung ablehnt (nicht veröffentlichtes Urteil vom 9. Januar 1951 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich).
Im Falle des Art. 221 MStG - wonach das eidg. Militärdepartement (auf Grund der Delegation in Art. 16 lit. c der Verordnung des Bundesrates über die Militärstrafrechtspflege vom 29. Januar 1954) die Beurteilung eines Beschuldigten beim Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen, die teils der militärischen, teils der bürgerlichen Gerichtsbarkeit unterstehen, ausschliesslich dem militärischen oder dem bürgerlichen Gericht übertragen kann - ist die Ausgangslage insofern anders, als die Militärstrafsache nicht für sich allein ins bürgerliche Verfahren gewiesen werden kann, sondern nur durch Vereinigung mit einer bürgerlichen Strafsache. Nichtsdestoweniger kann die Frage, ob der bei solcher Vereinigung vom Militärdepartement festgesetzte Gerichtsstand auch für die Beurteilung der bürgerlichen Strafsache verbindlich sei, nicht anders beantwortet werden, als es für den Fall der Vereinigung einer bürgerlichen Bundesstrafsache mit einer der kantonalen Gerichtsbarkeit unterstehenden Strafsache in der Hand des kantonalen Richters nach Art. 344 Ziff. 1 Abs. 1 StGB geschehen ist. Ob die Änderung des Gerichtsstandes für die zweitgenannte Strafsache darauf hinauslaufen würde, die Vereinigung wieder aufzuheben, wie im Urteil vom 9. Januar 1951 angenommen wurde, mag dahinstehen. Es liesse sich sehr wohl die Auffassung vertreten, dass die Vereinigungsverfügung als solche aufrecht bliebe und dass es Sache des zuständigen Departements wäre, ob es auf die Vereinigung zurückkommen oder die Bundesstrafsache an den Gerichtsstand der andern, nach Gesetz vom Kanton zu beurteilenden Strafsache folgen lassen wolle. Entscheidend ist, dass nach Art. 221 MStG beim Zusammentreffen einer militärischen mit einer bürgerlichen Strafsache die gesamte Beurteilung dem militärischen Gerichte übertragen werden kann, gleich wie es nach Art. 344 Ziff. 1 StGB möglich ist, eine Bundesstrafsache mit einer nach dem Gesetz der kantonalen Gerichtsbarkeit unterliegenden Strafsache in der Hand des Bundesstrafgerichtes zu vereinigen. Hierauf wurde im Entscheide vom 9. Januar 1951 für die Verbindlichkeit des vom Departement bestimmten Gerichtsstandes letzten Endes abgestellt, und der gleiche Schluss drängt sich auch hier auf. Wenn das Militärdepartement befugt ist, eine bürgerliche Strafsache der bürgerlichen Gerichtsbarkeit überhaupt zu entziehen, um sie den militärischen Behörden zu übertragen, so muss es bei Vereinigung einer militärischen Strafsache mit einer bürgerlichen in der Hand des bürgerlichen Richters auch den Gerichtsstand dafür verbindlich bestimmen können. Diese Massnahme greift weniger weit in die bürgerliche Gerichtsbarkeit ein als deren gänzliche Ausschaltung.
Eine andere Lösung kommt umsoweniger in Frage, als gegen die Verfügung des Militärdepartements, gleich wie gegen entsprechende Verfügungen des Justiz- und Polizeidepartements, gemäss Art. 23 Abs. 3 und 4 BG über die Organisation der Bundesverwaltung und Art. 124 lit. a OG Beschwerde an den Bundesrat geführt werden kann, und zwar nach Art. 127 OG sowohl wegen Verletzung von Bundesrecht und unrichtiger oder unvollständiger Feststellung des Sachverhalts wie wegen Unangemessenheit.
Bezeichnet somit das Militärdepartement den Gerichtsstand für die Kantone verbindlich, so kann seine Verfügung von ihnen nicht bei der Anklagekammer des Bundesgerichts angefochten werden. Auf das Gesuch der Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich ist daher nicht einzutreten. Dagegen ist die Eingabe im Sinne von Art. 96 Abs. 1 OG dem Bundesrat zu übergeben zur allfälligen Behandlung als Verwaltungsbeschwerde.
Dispositiv
Demnach erkennt die Anklagekammer:
Auf das Gesuch wird nicht eingetreten.
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Art. 344 Ziff. 1 Abs. 1 StGB, Art. 221 MStG. Gerichtsstand beim Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen, die teils der Beurteilung des Bundesstrafgerichts, teils der kantonalen Gerichtsbarkeit bzw. teils der militärischen, teils der bürgerlichenGerichtsbarkeit unterstehen.
Die Verfügung, mit der das eidg.
Justiz- und Polizeidepartement bzw. das eidg.
Militärdepartement die ausschliessliche Beurteilung einem Kanton überträgt, kann nicht bei der Anklagekammer angefochten werden.
Sie unterliegt der Verwaltungsbeschwerde an den Bundesrat.
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81 IV 262
Sachverhalt ab Seite 263
A.- M. hatte im Jahre 1952 im Kanton Luzern eine Anwaltspraxis eröffnet. Im Jahre 1953 wurde in Zug gegen ihn ein Verfahren wegen Betrugsversuches, Urkundenfälschung und Anstiftung zu falschem Zeugnis eingeleitet, das noch bei der dortigen Staatsanwaltschaft hängig ist. In der Folge wurde er durch die luzernische Anwaltskammer in der Berufsübung eingestellt, worauf er in den Kanton Zürich zog.
B.- Im April 1955 wurde gegen M., der in der Armee den Grad eines Hauptmanns bekleidet, eine militärgerichtliche Untersuchung (Beweisaufnahme) eröffnet. Im Schlussbericht des Untersuchungsrichters vom 22. Juli 1955 wird M. beschuldigt, im Zivilleben bei Wehrmännern, namentlich Angehörigen der von ihm geführten Einheit, in betrügerischer Weise und unter Ausnützung seiner dienstlichen Stellung Darlehen aufgenommen oder aufzunehmen versucht zu haben; ferner werden ihm Pfändungsbetrug, Gläubigerbegünstigung und Nichtweiterleitung eines von einem Subalternoffizier gestellten Umteilungsgesuches vorgeworfen.
- Gestützt auf diesen Bericht stellte das eidg. Militärdepartement fest, dass die Tatbestände des vollendeten und versuchten Darlehensbetruges, des Pfändungsbetruges und der Gläubigerbegünstigung der bürgerlichen Gerichtsbarkeit unterständen, während die Ausnützung der dienstlichen Stellung zu geschäftlichen Zwecken (bei den Betrügereien) und die Nichtweiterleitung des Umteilungsgesuches als Verletzungen von Dienstvorschriften (Art. 72 MStG) in die militärgerichtliche Zuständigkeit fielen. Es fand, dass das Schwergewicht auf Seite der bürgerlichen Gerichtsbarkeit liege. In Anwendung des Art. 221 MStG übertrug es daher auch die Beurteilung der der Militärstrafgerichtsbarkeit unterstehenden Tatbestände dem bürgerlichen Richter, und überwies die Sache zum Vollzug an die Bezirksanwaltschaft Zürich (Verfügung vom 3. August 1955).
C.- Die Bezirksanwaltschaft Zürich versuchte, die Behörden des Kantons Zug zur Übernahme des Verfahrens zu veranlassen, jedoch ohne Erfolg. Darauf stellte die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich mit Eingabe vom 5. September 1955 bei der Anklagekammer des Bundesgerichts das Gesuch, es seien die Behörden des Kantons Zug, eventuell diejenigen des Kantons Luzern zur Durchführung des Verfahrens und zur gerichtlichen Beurteilung zuständig zu erklären. Sie hält dafür, dass die Verfügung des eidg. Militärdepartements für die Regelung des Gerichtsstandes nicht bindend sein könne. Für die Verfolgung komme auf keinen Fall der Kanton Zürich in Betracht, sondern nur entweder der Kanton Zug, wo gegen M. längst ein Strafverfahren hängig sei, oder dann der Kanton Luzern, wo das Schwergewicht der strafbaren Tätigkeit des Beschuldigten liege.
Erwägungen
Die Anklagekammer zieht in Erwägung:
Nach BGE 69 IV 33 ist die Anklagekammer nicht befugt, in einer Bundesstrafsache, die vom Bundesrat gestützt auf Art. 18 BStP einem Kanton überwiesen wurde, einen andern Gerichtsstand zu bezeichnen als denjenigen, den der Bundesrat gemäss Art. 254 BStP bestimmte. Sodann wurde entschieden, dass in den Fällen des Art. 344 Ziff. 1 Abs. 1 StGB, wo die einen Handlungen der Beurteilung des Bundesstrafgerichts, die andern der kantonalen Gerichtsbarkeit unterstellt sind und das eidg. Justiz- und Polizeidepartement (kraft Delegation seitens des Bundesrates) auf Antrag der Bundesanwaltschaft die Vereinigung der Strafverfolgung in der Hand der kantonalen Behörde anordnet, der Gerichtsstand auch für die nach dem Gesetz der kantonalen Gerichtsbarkeit unterstehenden Handlungen verbindlich durch das Departement bestimmt wird; vorbehalten wurden nur Handlungen, die erst nach der Vereinigungsverfügung des Departements aufgedeckt werden und für die dieses die nachträgliche Vereinigung ablehnt (nicht veröffentlichtes Urteil vom 9. Januar 1951 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich).
Im Falle des Art. 221 MStG - wonach das eidg. Militärdepartement (auf Grund der Delegation in Art. 16 lit. c der Verordnung des Bundesrates über die Militärstrafrechtspflege vom 29. Januar 1954) die Beurteilung eines Beschuldigten beim Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen, die teils der militärischen, teils der bürgerlichen Gerichtsbarkeit unterstehen, ausschliesslich dem militärischen oder dem bürgerlichen Gericht übertragen kann - ist die Ausgangslage insofern anders, als die Militärstrafsache nicht für sich allein ins bürgerliche Verfahren gewiesen werden kann, sondern nur durch Vereinigung mit einer bürgerlichen Strafsache. Nichtsdestoweniger kann die Frage, ob der bei solcher Vereinigung vom Militärdepartement festgesetzte Gerichtsstand auch für die Beurteilung der bürgerlichen Strafsache verbindlich sei, nicht anders beantwortet werden, als es für den Fall der Vereinigung einer bürgerlichen Bundesstrafsache mit einer der kantonalen Gerichtsbarkeit unterstehenden Strafsache in der Hand des kantonalen Richters nach Art. 344 Ziff. 1 Abs. 1 StGB geschehen ist. Ob die Änderung des Gerichtsstandes für die zweitgenannte Strafsache darauf hinauslaufen würde, die Vereinigung wieder aufzuheben, wie im Urteil vom 9. Januar 1951 angenommen wurde, mag dahinstehen. Es liesse sich sehr wohl die Auffassung vertreten, dass die Vereinigungsverfügung als solche aufrecht bliebe und dass es Sache des zuständigen Departements wäre, ob es auf die Vereinigung zurückkommen oder die Bundesstrafsache an den Gerichtsstand der andern, nach Gesetz vom Kanton zu beurteilenden Strafsache folgen lassen wolle. Entscheidend ist, dass nach Art. 221 MStG beim Zusammentreffen einer militärischen mit einer bürgerlichen Strafsache die gesamte Beurteilung dem militärischen Gerichte übertragen werden kann, gleich wie es nach Art. 344 Ziff. 1 StGB möglich ist, eine Bundesstrafsache mit einer nach dem Gesetz der kantonalen Gerichtsbarkeit unterliegenden Strafsache in der Hand des Bundesstrafgerichtes zu vereinigen. Hierauf wurde im Entscheide vom 9. Januar 1951 für die Verbindlichkeit des vom Departement bestimmten Gerichtsstandes letzten Endes abgestellt, und der gleiche Schluss drängt sich auch hier auf. Wenn das Militärdepartement befugt ist, eine bürgerliche Strafsache der bürgerlichen Gerichtsbarkeit überhaupt zu entziehen, um sie den militärischen Behörden zu übertragen, so muss es bei Vereinigung einer militärischen Strafsache mit einer bürgerlichen in der Hand des bürgerlichen Richters auch den Gerichtsstand dafür verbindlich bestimmen können. Diese Massnahme greift weniger weit in die bürgerliche Gerichtsbarkeit ein als deren gänzliche Ausschaltung.
Eine andere Lösung kommt umsoweniger in Frage, als gegen die Verfügung des Militärdepartements, gleich wie gegen entsprechende Verfügungen des Justiz- und Polizeidepartements, gemäss Art. 23 Abs. 3 und 4 BG über die Organisation der Bundesverwaltung und Art. 124 lit. a OG Beschwerde an den Bundesrat geführt werden kann, und zwar nach Art. 127 OG sowohl wegen Verletzung von Bundesrecht und unrichtiger oder unvollständiger Feststellung des Sachverhalts wie wegen Unangemessenheit.
Bezeichnet somit das Militärdepartement den Gerichtsstand für die Kantone verbindlich, so kann seine Verfügung von ihnen nicht bei der Anklagekammer des Bundesgerichts angefochten werden. Auf das Gesuch der Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich ist daher nicht einzutreten. Dagegen ist die Eingabe im Sinne von Art. 96 Abs. 1 OG dem Bundesrat zu übergeben zur allfälligen Behandlung als Verwaltungsbeschwerde.
Dispositiv
Demnach erkennt die Anklagekammer:
Auf das Gesuch wird nicht eingetreten.
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de
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Art. 344 ch. 1 al. 1 CP, art. 221 CPM. For en cas de concours d'infractions soumises en partie à la juridiction fédérale et en partie à la juridiction cantonale, respectivement en partie à la juridiction militaire et en partie à la juridiction ordinaire.
L'ordonnance par laquelle le Département fédéral de Justice et Police, respectivement le Département militaire fédéral, défère la cause à un canton ne peut pas faire l'objet d'un recours à la Chambre d'accusation.
Elle est soumise au recours administratif au Conseil fédéral.
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81 IV 262
Sachverhalt ab Seite 263
A.- M. hatte im Jahre 1952 im Kanton Luzern eine Anwaltspraxis eröffnet. Im Jahre 1953 wurde in Zug gegen ihn ein Verfahren wegen Betrugsversuches, Urkundenfälschung und Anstiftung zu falschem Zeugnis eingeleitet, das noch bei der dortigen Staatsanwaltschaft hängig ist. In der Folge wurde er durch die luzernische Anwaltskammer in der Berufsübung eingestellt, worauf er in den Kanton Zürich zog.
B.- Im April 1955 wurde gegen M., der in der Armee den Grad eines Hauptmanns bekleidet, eine militärgerichtliche Untersuchung (Beweisaufnahme) eröffnet. Im Schlussbericht des Untersuchungsrichters vom 22. Juli 1955 wird M. beschuldigt, im Zivilleben bei Wehrmännern, namentlich Angehörigen der von ihm geführten Einheit, in betrügerischer Weise und unter Ausnützung seiner dienstlichen Stellung Darlehen aufgenommen oder aufzunehmen versucht zu haben; ferner werden ihm Pfändungsbetrug, Gläubigerbegünstigung und Nichtweiterleitung eines von einem Subalternoffizier gestellten Umteilungsgesuches vorgeworfen.
- Gestützt auf diesen Bericht stellte das eidg. Militärdepartement fest, dass die Tatbestände des vollendeten und versuchten Darlehensbetruges, des Pfändungsbetruges und der Gläubigerbegünstigung der bürgerlichen Gerichtsbarkeit unterständen, während die Ausnützung der dienstlichen Stellung zu geschäftlichen Zwecken (bei den Betrügereien) und die Nichtweiterleitung des Umteilungsgesuches als Verletzungen von Dienstvorschriften (Art. 72 MStG) in die militärgerichtliche Zuständigkeit fielen. Es fand, dass das Schwergewicht auf Seite der bürgerlichen Gerichtsbarkeit liege. In Anwendung des Art. 221 MStG übertrug es daher auch die Beurteilung der der Militärstrafgerichtsbarkeit unterstehenden Tatbestände dem bürgerlichen Richter, und überwies die Sache zum Vollzug an die Bezirksanwaltschaft Zürich (Verfügung vom 3. August 1955).
C.- Die Bezirksanwaltschaft Zürich versuchte, die Behörden des Kantons Zug zur Übernahme des Verfahrens zu veranlassen, jedoch ohne Erfolg. Darauf stellte die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich mit Eingabe vom 5. September 1955 bei der Anklagekammer des Bundesgerichts das Gesuch, es seien die Behörden des Kantons Zug, eventuell diejenigen des Kantons Luzern zur Durchführung des Verfahrens und zur gerichtlichen Beurteilung zuständig zu erklären. Sie hält dafür, dass die Verfügung des eidg. Militärdepartements für die Regelung des Gerichtsstandes nicht bindend sein könne. Für die Verfolgung komme auf keinen Fall der Kanton Zürich in Betracht, sondern nur entweder der Kanton Zug, wo gegen M. längst ein Strafverfahren hängig sei, oder dann der Kanton Luzern, wo das Schwergewicht der strafbaren Tätigkeit des Beschuldigten liege.
Erwägungen
Die Anklagekammer zieht in Erwägung:
Nach BGE 69 IV 33 ist die Anklagekammer nicht befugt, in einer Bundesstrafsache, die vom Bundesrat gestützt auf Art. 18 BStP einem Kanton überwiesen wurde, einen andern Gerichtsstand zu bezeichnen als denjenigen, den der Bundesrat gemäss Art. 254 BStP bestimmte. Sodann wurde entschieden, dass in den Fällen des Art. 344 Ziff. 1 Abs. 1 StGB, wo die einen Handlungen der Beurteilung des Bundesstrafgerichts, die andern der kantonalen Gerichtsbarkeit unterstellt sind und das eidg. Justiz- und Polizeidepartement (kraft Delegation seitens des Bundesrates) auf Antrag der Bundesanwaltschaft die Vereinigung der Strafverfolgung in der Hand der kantonalen Behörde anordnet, der Gerichtsstand auch für die nach dem Gesetz der kantonalen Gerichtsbarkeit unterstehenden Handlungen verbindlich durch das Departement bestimmt wird; vorbehalten wurden nur Handlungen, die erst nach der Vereinigungsverfügung des Departements aufgedeckt werden und für die dieses die nachträgliche Vereinigung ablehnt (nicht veröffentlichtes Urteil vom 9. Januar 1951 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich).
Im Falle des Art. 221 MStG - wonach das eidg. Militärdepartement (auf Grund der Delegation in Art. 16 lit. c der Verordnung des Bundesrates über die Militärstrafrechtspflege vom 29. Januar 1954) die Beurteilung eines Beschuldigten beim Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen, die teils der militärischen, teils der bürgerlichen Gerichtsbarkeit unterstehen, ausschliesslich dem militärischen oder dem bürgerlichen Gericht übertragen kann - ist die Ausgangslage insofern anders, als die Militärstrafsache nicht für sich allein ins bürgerliche Verfahren gewiesen werden kann, sondern nur durch Vereinigung mit einer bürgerlichen Strafsache. Nichtsdestoweniger kann die Frage, ob der bei solcher Vereinigung vom Militärdepartement festgesetzte Gerichtsstand auch für die Beurteilung der bürgerlichen Strafsache verbindlich sei, nicht anders beantwortet werden, als es für den Fall der Vereinigung einer bürgerlichen Bundesstrafsache mit einer der kantonalen Gerichtsbarkeit unterstehenden Strafsache in der Hand des kantonalen Richters nach Art. 344 Ziff. 1 Abs. 1 StGB geschehen ist. Ob die Änderung des Gerichtsstandes für die zweitgenannte Strafsache darauf hinauslaufen würde, die Vereinigung wieder aufzuheben, wie im Urteil vom 9. Januar 1951 angenommen wurde, mag dahinstehen. Es liesse sich sehr wohl die Auffassung vertreten, dass die Vereinigungsverfügung als solche aufrecht bliebe und dass es Sache des zuständigen Departements wäre, ob es auf die Vereinigung zurückkommen oder die Bundesstrafsache an den Gerichtsstand der andern, nach Gesetz vom Kanton zu beurteilenden Strafsache folgen lassen wolle. Entscheidend ist, dass nach Art. 221 MStG beim Zusammentreffen einer militärischen mit einer bürgerlichen Strafsache die gesamte Beurteilung dem militärischen Gerichte übertragen werden kann, gleich wie es nach Art. 344 Ziff. 1 StGB möglich ist, eine Bundesstrafsache mit einer nach dem Gesetz der kantonalen Gerichtsbarkeit unterliegenden Strafsache in der Hand des Bundesstrafgerichtes zu vereinigen. Hierauf wurde im Entscheide vom 9. Januar 1951 für die Verbindlichkeit des vom Departement bestimmten Gerichtsstandes letzten Endes abgestellt, und der gleiche Schluss drängt sich auch hier auf. Wenn das Militärdepartement befugt ist, eine bürgerliche Strafsache der bürgerlichen Gerichtsbarkeit überhaupt zu entziehen, um sie den militärischen Behörden zu übertragen, so muss es bei Vereinigung einer militärischen Strafsache mit einer bürgerlichen in der Hand des bürgerlichen Richters auch den Gerichtsstand dafür verbindlich bestimmen können. Diese Massnahme greift weniger weit in die bürgerliche Gerichtsbarkeit ein als deren gänzliche Ausschaltung.
Eine andere Lösung kommt umsoweniger in Frage, als gegen die Verfügung des Militärdepartements, gleich wie gegen entsprechende Verfügungen des Justiz- und Polizeidepartements, gemäss Art. 23 Abs. 3 und 4 BG über die Organisation der Bundesverwaltung und Art. 124 lit. a OG Beschwerde an den Bundesrat geführt werden kann, und zwar nach Art. 127 OG sowohl wegen Verletzung von Bundesrecht und unrichtiger oder unvollständiger Feststellung des Sachverhalts wie wegen Unangemessenheit.
Bezeichnet somit das Militärdepartement den Gerichtsstand für die Kantone verbindlich, so kann seine Verfügung von ihnen nicht bei der Anklagekammer des Bundesgerichts angefochten werden. Auf das Gesuch der Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich ist daher nicht einzutreten. Dagegen ist die Eingabe im Sinne von Art. 96 Abs. 1 OG dem Bundesrat zu übergeben zur allfälligen Behandlung als Verwaltungsbeschwerde.
Dispositiv
Demnach erkennt die Anklagekammer:
Auf das Gesuch wird nicht eingetreten.
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Art. 344, N. 1 cp. 1 CP, art. 221 CPM. Foro in caso di concorso di reati sottoposti in parte alla giurisdizione federale e in parte alla giurisdizione cantonale, rispettivamente in parte alla giurisdizione militare e in parte alla giurisdizione ordinaria.
L'ordinanza con la quale il Dipartimento federale di giustizia e polizia, rispettivamente il Dipartimento militare federale, deferisce la causa a un Cantone non può formare oggetto di un ricorso alla Camera d'accusa.
Contro la stessa è ammissibile il ricorso amministrativo al Consiglio federale.
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81 IV 267
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81 IV 267
Sachverhalt ab Seite 267
A.- Den in Montet bei Cudrefin (Waadt) wohnenden Eheleuten Karl und Emma Wenger-Kramer wurden die unter ihrer elterlichen Gewalt stehenden Kinder Verena und Fritz gemäss Art. 284 ZGB weggenommen. Verena Wenger ist in einem Mädchenheim in Basel, Fritz Wenger in einem Erziehungsheim in Aarwangen untergebracht. Für die Kostgelder und die übrigen Unterhaltkosten kommt die Direktion des Fürsorgewesens des Kantons Bern auf. Da Karl Wenger ihr diese Auslagen in den Monaten August und September 1954 trotz Aufforderung und Zahlungsbefehl nicht ersetzte, reichte sie am 18. Oktober 1954 gegen ihn beim Untersuchungsrichter von Bern Strafanzeige ein mit dem Vorwurf, er habe im Sinne des Art. 217 StGB seine Unterhaltspflicht vernachlässigt.
B.- Der Generalprokurator des Kantons Bern und der Untersuchungsrichter des Kantons Waadt streiten um den Gerichtsstand.
Der Generalprokurator des Kantons Bern beantragt der Anklagekammer des Bundesgerichts mit Eingabe vom 16. August 1955, die Behörden des Kantons Waadt seien zuständig zu erklären, weil der Wohnsitz der unterhaltsberechtigten Kinder sich in diesem Kanton befinde.
Der Untersuchungsrichter des Kantons Waadt hält die bernischen Behörden für zuständig, weil Wenger sich verpflichtet habe, an die Fürsorgedirektion des Kantons Bern zu bezahlen, Bern also Erfüllungsort sei.
Erwägungen
Die Anklagekammer zieht in Erwägung:
Nach der Rechtsprechung der Anklagekammer ist die Vernachlässigung von Unterhaltspflichten am Orte zu verfolgen, wo der Pflichtige sie zu erfüllen hat (BGE 69 IV 126).
Ist die Pflicht zum Unterhalt eines Kindes durch Leistung von Geld zu erfüllen, weil es den Eltern durch die Vormundschaftsbehörde wegen Gefährdung seines leiblichen oder geistigen Wohles oder wegen Verwahrlosung weggenommen wurde (Art. 284 Abs. 1 ZGB), so befindet sich der Erfüllungsort nicht am Wohnsitz des Kindes, der, wenn die elterliche Gewalt fortbesteht, sich mit dem Wohnsitz des Vaters und der Mutter deckt (Art. 25 Abs. 1 ZGB). Er liegt auch nicht am Orte, wo das Kind untergebracht ist, und zwar auch dann nicht, wenn die Behörde die Eltern angewiesen hat, das Unterhaltsgeld unmittelbar an die Person oder Anstalt zu leisten, die das Kind beherbergt und pflegt. Denn auch in diesem Falle schuldet der Unterhaltspflichtige nicht dieser Person oder Anstalt, hat doch nicht er, sondern die Behörde sie mit der Beherbergung und Pflege des Kindes beauftragt. Er schuldet vielmehr dem Gemeinwesen, das in den Anspruch des Kindes gegenüber den leistungsfähigen Eltern von Gesetzes wegen eintritt, ohne dass dadurch der subrogierte Anspruch seine Natur als familienrechtliche Unterhaltsforderung verlöre (BGE 78 IV 44, 216). Erfüllungsort ist der Sitz dieses Gemeinwesens, da Geldschulden, wenn nichts anderes bestimmt ist, an dem Orte zu zahlen sind, wo der Gläubiger zur Zeit der Erfüllung seinen Wohnsitz hat (Art. 74 Abs. 2 Ziff. 1 OR, Art. 7 ZGB).
Hier befindet sich also der Gerichtsstand zur Verfolgung des nachlässigen Unterhaltspflichtigen. Es besteht kein Grund, ihn in Abweichung von der erwähnten Rechtsprechung in solchen Fällen nicht mit dem Erfüllungsort zusammenfallen zu lassen. Wenn das Gemeinwesen in den Anspruch des Unterhaltsberechtigten eingetreten ist, entfällt zwar die in BGE 69 IV 131 mit verwendete Überlegung, dieser habe als der wirtschaftlich und auch sonst schwächere Teil Rücksichtnahme nötig. Allein die übrigen Gründe, die für den Gerichtsstand des Erfüllungsortes in die Waagschale geworfen worden sind, haben auch hier Gewicht. Häufiger Wechsel der Wohnung oder Abwesenheit des Unterhaltspflichtigen an unbekanntem Orte könnten auch hier einer wirksamen Strafverfolgung im Wege stehen, wenn sie an seinem Wohnorte stattfinden müsste. Ist auch das Gemeinwesen eher als der Unterhaltsberechtigte in der Lage, nach dem Aufenthalt des Pflichtigen zu forschen, so bleibt es doch dabei, dass den Strafverfolgungsbehörden solche Erhebungen in der Regel noch leichter möglich sind, als den Armenbehörden, die die Kinder versorgt haben. Zudem ist die Rechtsanwendung einfacher und übersichtlicher, wenn auch im Falle der Subrogation des Unterhaltsanspruches der Erfüllungsort den Gerichtsstand bestimmt.
Wenger ist daher weder im Kanton Waadt, wo er wohnt, noch etwa in Basel, wo eines seiner Kinder versorgt ist, sondern im Kanton Bern zu verfolgen und zu beurteilen, da dieser in den Unterhaltsanspruch eingetreten ist.
Dispositiv
Demnach erkennt die Anklagekammer:
Die Behörden des Kantons Bern werden berechtigt und verpflichtet erklärt, Karl Wenger zu verfolgen und zu beurteilen.
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Art. 346 Abs. 1 StGB. Die Vernachlässigung von Unterhaltspflichten (Art. 217 StGB) ist auch dann am Erfüllungsort zu verfolgen und zu beurteilen, wenn das Gemeinwesen in den Anspruch des Unterhaltsberechtigten eingetreten ist.
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81 IV 267
Sachverhalt ab Seite 267
A.- Den in Montet bei Cudrefin (Waadt) wohnenden Eheleuten Karl und Emma Wenger-Kramer wurden die unter ihrer elterlichen Gewalt stehenden Kinder Verena und Fritz gemäss Art. 284 ZGB weggenommen. Verena Wenger ist in einem Mädchenheim in Basel, Fritz Wenger in einem Erziehungsheim in Aarwangen untergebracht. Für die Kostgelder und die übrigen Unterhaltkosten kommt die Direktion des Fürsorgewesens des Kantons Bern auf. Da Karl Wenger ihr diese Auslagen in den Monaten August und September 1954 trotz Aufforderung und Zahlungsbefehl nicht ersetzte, reichte sie am 18. Oktober 1954 gegen ihn beim Untersuchungsrichter von Bern Strafanzeige ein mit dem Vorwurf, er habe im Sinne des Art. 217 StGB seine Unterhaltspflicht vernachlässigt.
B.- Der Generalprokurator des Kantons Bern und der Untersuchungsrichter des Kantons Waadt streiten um den Gerichtsstand.
Der Generalprokurator des Kantons Bern beantragt der Anklagekammer des Bundesgerichts mit Eingabe vom 16. August 1955, die Behörden des Kantons Waadt seien zuständig zu erklären, weil der Wohnsitz der unterhaltsberechtigten Kinder sich in diesem Kanton befinde.
Der Untersuchungsrichter des Kantons Waadt hält die bernischen Behörden für zuständig, weil Wenger sich verpflichtet habe, an die Fürsorgedirektion des Kantons Bern zu bezahlen, Bern also Erfüllungsort sei.
Erwägungen
Die Anklagekammer zieht in Erwägung:
Nach der Rechtsprechung der Anklagekammer ist die Vernachlässigung von Unterhaltspflichten am Orte zu verfolgen, wo der Pflichtige sie zu erfüllen hat (BGE 69 IV 126).
Ist die Pflicht zum Unterhalt eines Kindes durch Leistung von Geld zu erfüllen, weil es den Eltern durch die Vormundschaftsbehörde wegen Gefährdung seines leiblichen oder geistigen Wohles oder wegen Verwahrlosung weggenommen wurde (Art. 284 Abs. 1 ZGB), so befindet sich der Erfüllungsort nicht am Wohnsitz des Kindes, der, wenn die elterliche Gewalt fortbesteht, sich mit dem Wohnsitz des Vaters und der Mutter deckt (Art. 25 Abs. 1 ZGB). Er liegt auch nicht am Orte, wo das Kind untergebracht ist, und zwar auch dann nicht, wenn die Behörde die Eltern angewiesen hat, das Unterhaltsgeld unmittelbar an die Person oder Anstalt zu leisten, die das Kind beherbergt und pflegt. Denn auch in diesem Falle schuldet der Unterhaltspflichtige nicht dieser Person oder Anstalt, hat doch nicht er, sondern die Behörde sie mit der Beherbergung und Pflege des Kindes beauftragt. Er schuldet vielmehr dem Gemeinwesen, das in den Anspruch des Kindes gegenüber den leistungsfähigen Eltern von Gesetzes wegen eintritt, ohne dass dadurch der subrogierte Anspruch seine Natur als familienrechtliche Unterhaltsforderung verlöre (BGE 78 IV 44, 216). Erfüllungsort ist der Sitz dieses Gemeinwesens, da Geldschulden, wenn nichts anderes bestimmt ist, an dem Orte zu zahlen sind, wo der Gläubiger zur Zeit der Erfüllung seinen Wohnsitz hat (Art. 74 Abs. 2 Ziff. 1 OR, Art. 7 ZGB).
Hier befindet sich also der Gerichtsstand zur Verfolgung des nachlässigen Unterhaltspflichtigen. Es besteht kein Grund, ihn in Abweichung von der erwähnten Rechtsprechung in solchen Fällen nicht mit dem Erfüllungsort zusammenfallen zu lassen. Wenn das Gemeinwesen in den Anspruch des Unterhaltsberechtigten eingetreten ist, entfällt zwar die in BGE 69 IV 131 mit verwendete Überlegung, dieser habe als der wirtschaftlich und auch sonst schwächere Teil Rücksichtnahme nötig. Allein die übrigen Gründe, die für den Gerichtsstand des Erfüllungsortes in die Waagschale geworfen worden sind, haben auch hier Gewicht. Häufiger Wechsel der Wohnung oder Abwesenheit des Unterhaltspflichtigen an unbekanntem Orte könnten auch hier einer wirksamen Strafverfolgung im Wege stehen, wenn sie an seinem Wohnorte stattfinden müsste. Ist auch das Gemeinwesen eher als der Unterhaltsberechtigte in der Lage, nach dem Aufenthalt des Pflichtigen zu forschen, so bleibt es doch dabei, dass den Strafverfolgungsbehörden solche Erhebungen in der Regel noch leichter möglich sind, als den Armenbehörden, die die Kinder versorgt haben. Zudem ist die Rechtsanwendung einfacher und übersichtlicher, wenn auch im Falle der Subrogation des Unterhaltsanspruches der Erfüllungsort den Gerichtsstand bestimmt.
Wenger ist daher weder im Kanton Waadt, wo er wohnt, noch etwa in Basel, wo eines seiner Kinder versorgt ist, sondern im Kanton Bern zu verfolgen und zu beurteilen, da dieser in den Unterhaltsanspruch eingetreten ist.
Dispositiv
Demnach erkennt die Anklagekammer:
Die Behörden des Kantons Bern werden berechtigt und verpflichtet erklärt, Karl Wenger zu verfolgen und zu beurteilen.
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Art. 346 al. 1 CP. Le délit de violation d'une obligation d'entretien (art. 217 CP) doit être poursuivi et jugé au lieu d'exécution de cette obligation également lorsque la collectivité publique est subrogée aux droits de l'ayant droit à l'entretien.
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Sachverhalt ab Seite 267
A.- Den in Montet bei Cudrefin (Waadt) wohnenden Eheleuten Karl und Emma Wenger-Kramer wurden die unter ihrer elterlichen Gewalt stehenden Kinder Verena und Fritz gemäss Art. 284 ZGB weggenommen. Verena Wenger ist in einem Mädchenheim in Basel, Fritz Wenger in einem Erziehungsheim in Aarwangen untergebracht. Für die Kostgelder und die übrigen Unterhaltkosten kommt die Direktion des Fürsorgewesens des Kantons Bern auf. Da Karl Wenger ihr diese Auslagen in den Monaten August und September 1954 trotz Aufforderung und Zahlungsbefehl nicht ersetzte, reichte sie am 18. Oktober 1954 gegen ihn beim Untersuchungsrichter von Bern Strafanzeige ein mit dem Vorwurf, er habe im Sinne des Art. 217 StGB seine Unterhaltspflicht vernachlässigt.
B.- Der Generalprokurator des Kantons Bern und der Untersuchungsrichter des Kantons Waadt streiten um den Gerichtsstand.
Der Generalprokurator des Kantons Bern beantragt der Anklagekammer des Bundesgerichts mit Eingabe vom 16. August 1955, die Behörden des Kantons Waadt seien zuständig zu erklären, weil der Wohnsitz der unterhaltsberechtigten Kinder sich in diesem Kanton befinde.
Der Untersuchungsrichter des Kantons Waadt hält die bernischen Behörden für zuständig, weil Wenger sich verpflichtet habe, an die Fürsorgedirektion des Kantons Bern zu bezahlen, Bern also Erfüllungsort sei.
Erwägungen
Die Anklagekammer zieht in Erwägung:
Nach der Rechtsprechung der Anklagekammer ist die Vernachlässigung von Unterhaltspflichten am Orte zu verfolgen, wo der Pflichtige sie zu erfüllen hat (BGE 69 IV 126).
Ist die Pflicht zum Unterhalt eines Kindes durch Leistung von Geld zu erfüllen, weil es den Eltern durch die Vormundschaftsbehörde wegen Gefährdung seines leiblichen oder geistigen Wohles oder wegen Verwahrlosung weggenommen wurde (Art. 284 Abs. 1 ZGB), so befindet sich der Erfüllungsort nicht am Wohnsitz des Kindes, der, wenn die elterliche Gewalt fortbesteht, sich mit dem Wohnsitz des Vaters und der Mutter deckt (Art. 25 Abs. 1 ZGB). Er liegt auch nicht am Orte, wo das Kind untergebracht ist, und zwar auch dann nicht, wenn die Behörde die Eltern angewiesen hat, das Unterhaltsgeld unmittelbar an die Person oder Anstalt zu leisten, die das Kind beherbergt und pflegt. Denn auch in diesem Falle schuldet der Unterhaltspflichtige nicht dieser Person oder Anstalt, hat doch nicht er, sondern die Behörde sie mit der Beherbergung und Pflege des Kindes beauftragt. Er schuldet vielmehr dem Gemeinwesen, das in den Anspruch des Kindes gegenüber den leistungsfähigen Eltern von Gesetzes wegen eintritt, ohne dass dadurch der subrogierte Anspruch seine Natur als familienrechtliche Unterhaltsforderung verlöre (BGE 78 IV 44, 216). Erfüllungsort ist der Sitz dieses Gemeinwesens, da Geldschulden, wenn nichts anderes bestimmt ist, an dem Orte zu zahlen sind, wo der Gläubiger zur Zeit der Erfüllung seinen Wohnsitz hat (Art. 74 Abs. 2 Ziff. 1 OR, Art. 7 ZGB).
Hier befindet sich also der Gerichtsstand zur Verfolgung des nachlässigen Unterhaltspflichtigen. Es besteht kein Grund, ihn in Abweichung von der erwähnten Rechtsprechung in solchen Fällen nicht mit dem Erfüllungsort zusammenfallen zu lassen. Wenn das Gemeinwesen in den Anspruch des Unterhaltsberechtigten eingetreten ist, entfällt zwar die in BGE 69 IV 131 mit verwendete Überlegung, dieser habe als der wirtschaftlich und auch sonst schwächere Teil Rücksichtnahme nötig. Allein die übrigen Gründe, die für den Gerichtsstand des Erfüllungsortes in die Waagschale geworfen worden sind, haben auch hier Gewicht. Häufiger Wechsel der Wohnung oder Abwesenheit des Unterhaltspflichtigen an unbekanntem Orte könnten auch hier einer wirksamen Strafverfolgung im Wege stehen, wenn sie an seinem Wohnorte stattfinden müsste. Ist auch das Gemeinwesen eher als der Unterhaltsberechtigte in der Lage, nach dem Aufenthalt des Pflichtigen zu forschen, so bleibt es doch dabei, dass den Strafverfolgungsbehörden solche Erhebungen in der Regel noch leichter möglich sind, als den Armenbehörden, die die Kinder versorgt haben. Zudem ist die Rechtsanwendung einfacher und übersichtlicher, wenn auch im Falle der Subrogation des Unterhaltsanspruches der Erfüllungsort den Gerichtsstand bestimmt.
Wenger ist daher weder im Kanton Waadt, wo er wohnt, noch etwa in Basel, wo eines seiner Kinder versorgt ist, sondern im Kanton Bern zu verfolgen und zu beurteilen, da dieser in den Unterhaltsanspruch eingetreten ist.
Dispositiv
Demnach erkennt die Anklagekammer:
Die Behörden des Kantons Bern werden berechtigt und verpflichtet erklärt, Karl Wenger zu verfolgen und zu beurteilen.
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Art. 346 cp. 1 CP. Il delitto di trascuranza dei doveri di assistenza familiare (art. 217 CP) dev'essere perseguito e giudicato nel luogo di adempimento di questo obbligo anche quando enti pubblici siano subentrati nei diritti del creditore della prestazione.
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81 IV 270
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81 IV 270
Erwägungen ab Seite 270
Erwägungen:
1. Auf Begehren des Eduard Wallach verurteilte das Bezirksgericht Zürich am 28. Januar 1955 Démètre Papavramidès wegen übler Nachrede zu Fr. 300.-- Busse und wegen Verletzung in den persönlichen Verhältnissen zu Fr. 500.-- Genugtuung an den Ankläger. Der Angeklagte appellierte im Straf- wie im Zivilpunkt, während der Ankläger der Appellationsinstanz Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils beantragte. Das Obergericht des Kantons Zürich bestätigte am 16. Juni 1955 die Busse, wies dagegen die Genugtuungsforderung des Anklägers ab.
2. Gegen dieses Urteil erklärten beide Parteien Nichtigkeitsbeschwerde. Nach Empfang der schriftlichen Ausfertigung des angefochtenen Urteils zog der Angeklagte die Beschwerde zurück, worauf der Präsident des Kassationshofes sie am 27. September 1955 am Geschäftsverzeichnis abschrieb. Der Ankläger begründete seine Beschwerde rechtzeitig. Er beantragt, der Angeklagte sei zu verpflichten, ihm Fr. 500.-- als Genugtuung zu entrichten.
3. Der Streitwert der vom Ankläger geltend gemachten Zivilforderung betrug schon nach Massgabe der vor der letzten kantonalen Instanz gestellten Rechtsbegehren weniger als Fr. 4000.--. Gemäss Art. 271 Abs. 2 BStP in Verbindung mit Art. 46 OG wäre daher die Nichtigkeitsbeschwerde im Zivilpunkt nur zulässig, wenn der Kassationshof auch mit dem Strafpunkt befasst wäre. Das trifft nicht zu, da der Angeklagte seine Beschwerde zurückgezogen hat und der Ankläger im Strafpunkt nicht Beschwerde führt. Ob die Nichtigkeitsbeschwerde des Anklägers im Zivilpunkt zulässig gewesen wäre, wenn der Angeklagte die seine im Strafpunkt aufrecht gehalten hätte, kann dahingestellt bleiben. Von selbst versteht sich das nicht, da im Falle des Art. 271 Abs. 2 BStP der Kassationshof auf die Beschwerde im Zivilpunkt nur einzutreten hat, wenn er die Beschwerde im Strafpunkt gutheisst und dessen abweichende Beurteilung auch für die Entscheidung im Zivilpunkt Bedeutung haben kann (Art. 277quater Abs. 2 BStP). Inwiefern letztere Voraussetzung hätte zutreffen können, ist nicht zu ersehen, kam doch im Strafpunkt nur noch eine Abänderung des angefochtenen Urteils zu Gunsten des Angeklagten, nicht auch zu seinen Ungunsten, in Frage.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Auf die Nichtigkeitsbeschwerde des Eduard Wallach wird nicht eingetreten.
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Art. 271 Abs. 2 BStP. Wenn die Nichtigkeitsbeschwerde im Strafpunkt zurückgezogen ist und der Streitwert der Zivilforderung weniger als Fr. 4000.-- beträgt, kann auf die von der Gegenpartei im Zivilpunkt erklärte Beschwerde nicht eingetreten werden.
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criminal law and criminal procedure
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IV
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https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F81-IV-270%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document
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81 IV 270
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81 IV 270
Erwägungen ab Seite 270
Erwägungen:
1. Auf Begehren des Eduard Wallach verurteilte das Bezirksgericht Zürich am 28. Januar 1955 Démètre Papavramidès wegen übler Nachrede zu Fr. 300.-- Busse und wegen Verletzung in den persönlichen Verhältnissen zu Fr. 500.-- Genugtuung an den Ankläger. Der Angeklagte appellierte im Straf- wie im Zivilpunkt, während der Ankläger der Appellationsinstanz Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils beantragte. Das Obergericht des Kantons Zürich bestätigte am 16. Juni 1955 die Busse, wies dagegen die Genugtuungsforderung des Anklägers ab.
2. Gegen dieses Urteil erklärten beide Parteien Nichtigkeitsbeschwerde. Nach Empfang der schriftlichen Ausfertigung des angefochtenen Urteils zog der Angeklagte die Beschwerde zurück, worauf der Präsident des Kassationshofes sie am 27. September 1955 am Geschäftsverzeichnis abschrieb. Der Ankläger begründete seine Beschwerde rechtzeitig. Er beantragt, der Angeklagte sei zu verpflichten, ihm Fr. 500.-- als Genugtuung zu entrichten.
3. Der Streitwert der vom Ankläger geltend gemachten Zivilforderung betrug schon nach Massgabe der vor der letzten kantonalen Instanz gestellten Rechtsbegehren weniger als Fr. 4000.--. Gemäss Art. 271 Abs. 2 BStP in Verbindung mit Art. 46 OG wäre daher die Nichtigkeitsbeschwerde im Zivilpunkt nur zulässig, wenn der Kassationshof auch mit dem Strafpunkt befasst wäre. Das trifft nicht zu, da der Angeklagte seine Beschwerde zurückgezogen hat und der Ankläger im Strafpunkt nicht Beschwerde führt. Ob die Nichtigkeitsbeschwerde des Anklägers im Zivilpunkt zulässig gewesen wäre, wenn der Angeklagte die seine im Strafpunkt aufrecht gehalten hätte, kann dahingestellt bleiben. Von selbst versteht sich das nicht, da im Falle des Art. 271 Abs. 2 BStP der Kassationshof auf die Beschwerde im Zivilpunkt nur einzutreten hat, wenn er die Beschwerde im Strafpunkt gutheisst und dessen abweichende Beurteilung auch für die Entscheidung im Zivilpunkt Bedeutung haben kann (Art. 277quater Abs. 2 BStP). Inwiefern letztere Voraussetzung hätte zutreffen können, ist nicht zu ersehen, kam doch im Strafpunkt nur noch eine Abänderung des angefochtenen Urteils zu Gunsten des Angeklagten, nicht auch zu seinen Ungunsten, in Frage.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Auf die Nichtigkeitsbeschwerde des Eduard Wallach wird nicht eingetreten.
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Art. 271 al. 2 PPF. Lorsque le pourvoi en nullité relatif à l'action pénale est retiré, le pourvoi formé par l'autre partie quant aux conclusions civiles est irrecevable si elles portent sur une valeur litigieuse inférieure à 4000 fr.
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Erwägungen ab Seite 270
Erwägungen:
1. Auf Begehren des Eduard Wallach verurteilte das Bezirksgericht Zürich am 28. Januar 1955 Démètre Papavramidès wegen übler Nachrede zu Fr. 300.-- Busse und wegen Verletzung in den persönlichen Verhältnissen zu Fr. 500.-- Genugtuung an den Ankläger. Der Angeklagte appellierte im Straf- wie im Zivilpunkt, während der Ankläger der Appellationsinstanz Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils beantragte. Das Obergericht des Kantons Zürich bestätigte am 16. Juni 1955 die Busse, wies dagegen die Genugtuungsforderung des Anklägers ab.
2. Gegen dieses Urteil erklärten beide Parteien Nichtigkeitsbeschwerde. Nach Empfang der schriftlichen Ausfertigung des angefochtenen Urteils zog der Angeklagte die Beschwerde zurück, worauf der Präsident des Kassationshofes sie am 27. September 1955 am Geschäftsverzeichnis abschrieb. Der Ankläger begründete seine Beschwerde rechtzeitig. Er beantragt, der Angeklagte sei zu verpflichten, ihm Fr. 500.-- als Genugtuung zu entrichten.
3. Der Streitwert der vom Ankläger geltend gemachten Zivilforderung betrug schon nach Massgabe der vor der letzten kantonalen Instanz gestellten Rechtsbegehren weniger als Fr. 4000.--. Gemäss Art. 271 Abs. 2 BStP in Verbindung mit Art. 46 OG wäre daher die Nichtigkeitsbeschwerde im Zivilpunkt nur zulässig, wenn der Kassationshof auch mit dem Strafpunkt befasst wäre. Das trifft nicht zu, da der Angeklagte seine Beschwerde zurückgezogen hat und der Ankläger im Strafpunkt nicht Beschwerde führt. Ob die Nichtigkeitsbeschwerde des Anklägers im Zivilpunkt zulässig gewesen wäre, wenn der Angeklagte die seine im Strafpunkt aufrecht gehalten hätte, kann dahingestellt bleiben. Von selbst versteht sich das nicht, da im Falle des Art. 271 Abs. 2 BStP der Kassationshof auf die Beschwerde im Zivilpunkt nur einzutreten hat, wenn er die Beschwerde im Strafpunkt gutheisst und dessen abweichende Beurteilung auch für die Entscheidung im Zivilpunkt Bedeutung haben kann (Art. 277quater Abs. 2 BStP). Inwiefern letztere Voraussetzung hätte zutreffen können, ist nicht zu ersehen, kam doch im Strafpunkt nur noch eine Abänderung des angefochtenen Urteils zu Gunsten des Angeklagten, nicht auch zu seinen Ungunsten, in Frage.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Auf die Nichtigkeitsbeschwerde des Eduard Wallach wird nicht eingetreten.
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Art. 271 cp. 2 PPF. Se il ricorso per cassazione relativo all'azione penale è ritirato, il ricorso proposto dalla controparte per ciò che riguarda le conclusioni civili è irricevibile se il valore litigioso è inferiore a 4000 franchi.
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Sachverhalt ab Seite 273
A.- Le 22 janvier 1955, une automobile conduite par Charles Joyet et dans laquelle avait pris place la femme de celui-ci est entrée en collision avec un scooter conduit par Marie-Louise Cavin. Au cours de cet accident, dame Joyet se fractura le coude gauche.
B.- Dame Joyet ayant porté plainte pour lésions corporelles contre Marie-Louise Cavin, le juge informateur de l'arrondissement d'Oron-Moudon inculpa celle-ci, le 3 mai 1955, de lésions corporelles par négligence.
Le Ministère public recourut contre cette ordonnance en demandant que l'inculpation soit étendue à Charles Joyet.
Le 1er juin 1955, le Tribunal d'accusation du canton de Vaud rejeta le recours, vu l'art. 30 CP, considérant que Marie-Louise Cavin et Charles Joyet ne sont pas des coauteurs, faute d'une décision commune, mais les auteurs d'infractions distinctes et que, dès lors, la plainte portée contre celle-là ne saurait entraîner de poursuites contre celui-ci.
C.- Contre cet arrêt, le Ministère public du canton de Vaud a formé, en temps utile, un pourvoi en nullité. Il allègue en bref:
Les "participants" au sens de l'art. 30 CP ne sont pas seulement les coauteurs, les instigateurs et les complices, mais aussi tous ceux qui ont pris part objectivement à l'infraction. En l'espèce, les blessures subies par dame Joyet proviennent de la façon de conduire aussi bien de son mari que de Marie-Louise Cavin. "La simultanéité des fautes et l'unité du résultat font que le principe de l'indivisibilité de la plainte s'applique au présent cas, tout comme s'il y avait participation subjective à l'infraction".
D.- Les époux Joyet concluent au rejet du pourvoi.
Erwägungen
Considérant en droit:
1. Le présent recours tend à l'inculpation de Charles Joyet pour lésions corporelles par négligence. Ce délit se poursuit sur plainte, sauf le cas où la lésion est grave. Le Tribunal d'accusation vaudois a jugé qu'il ne s'agissait pas, en l'espèce, d'une lésion grave et que, par conséquent, Charles Joyet ne pourrait être poursuivi comme auteur des lésions subies par sa femme que s'il était sous le coup d'une plainte. Aucune violation du droit fédéral n'est alléguée sur ce point et l'on ne voit pas, effectivement, qu'il y en ait une (RO 68 IV 84).
2. Le recourant allègue, en revanche, que le juge cantonal aurait violé l'art. 30 CP en n'admettant pas que la plainte portée contre Marie-Louise Cavin pour lésions corporelles par négligence devait également entraîner des poursuites contre Charles Joyet. L'art. 30 CP prescrit que la plainte portée contre l'un des participants à l'infraction entraîne des poursuites contre tous les autres. Il s'agit donc de savoir si, dans la présente espèce, Charles Joyet est un participant au sens de l'art. 30 CP, auquel cas la plainte déposée par sa femme entraînerait nécessairement des poursuites contre lui.
Appliquant cette disposition légale, la Cour de cassation pénale a jugé que le coauteur, le complice et l'instigateur étaient des participants à l'infraction (RO 80 IV 211, 81 IV 91) au contraire du receleur (RO 69 IV 74; 81 IV 91). Dans ces arrêts, cependant, elle n'a pas eu à dire si l'art. 30 CP vise d'autres catégories de personnes encore. Le recourant allègue que tel serait le cas de toutes les personnes dont la faute simultanée aurait contribué à la lésion qui justifierait la plainte.
Il est vrai que l'art. 30 CP a pour but d'empêcher que le lésé ne puisse, à son gré, faire punir tel participant à l'exclusion de tel autre. Ce principe, toutefois, ne s'impose pas nécessairement, de sorte qu'il ne s'applique que dans les limites fixées par la loi.
Le texte légal n'institue l'indivisibilité de la plainte que pour les participants à "l'infraction" (texte italien: "al reato", texte allemand: "an der Tat"). C'est dire que, dans le cas où il y a pluralité d'infractions et d'auteurs, l'art. 30 CP n'est pas applicable, même si elles ont entraîné un résultat commun, une lésion unique. Les auteurs d'infractions distinctes ne sauraient être considérés comme des participants. Le lésé pourra donc porter plainte contre l'auteur de l'une sans que l'auteur des autres en soit affecté.
3. Tel est le cas dans la présente espèce. Supposé que Charles Joyet et Marie-Louise Cavin aient, l'un et l'autre, violé les règles de la circulation et que ces transgressions aient causé les lésions dont dame Joyet s'est plainte, il n'en resterait pas moins qu'il s'agirait d'infractions distinctes, dont le résultat commun, les lésions subies par dame Joyet, ne ferait pas de leurs auteurs des participants au sens de l'art. 30 CP. Il s'ensuit qu'en refusant d'étendre l'inculpation à Charles Joyet sur le vu de la plainte déposée contre Marie-Louise Cavin, le Tribunal d'accusation du canton de Vaud n'a pas violé le droit fédéral.
Dispositiv
Par ces motifs, la Cour de cassation pénale:
Rejette le pourvoi.
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Unteilbarkeit des Strafantrags. Anwendung des Art. 30 StGB, wenn von mehreren Personen jede durch eine besondere Tat zu der den Strafantrag rechtfertigenden Verletzung beigetragen hat.
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Sachverhalt ab Seite 273
A.- Le 22 janvier 1955, une automobile conduite par Charles Joyet et dans laquelle avait pris place la femme de celui-ci est entrée en collision avec un scooter conduit par Marie-Louise Cavin. Au cours de cet accident, dame Joyet se fractura le coude gauche.
B.- Dame Joyet ayant porté plainte pour lésions corporelles contre Marie-Louise Cavin, le juge informateur de l'arrondissement d'Oron-Moudon inculpa celle-ci, le 3 mai 1955, de lésions corporelles par négligence.
Le Ministère public recourut contre cette ordonnance en demandant que l'inculpation soit étendue à Charles Joyet.
Le 1er juin 1955, le Tribunal d'accusation du canton de Vaud rejeta le recours, vu l'art. 30 CP, considérant que Marie-Louise Cavin et Charles Joyet ne sont pas des coauteurs, faute d'une décision commune, mais les auteurs d'infractions distinctes et que, dès lors, la plainte portée contre celle-là ne saurait entraîner de poursuites contre celui-ci.
C.- Contre cet arrêt, le Ministère public du canton de Vaud a formé, en temps utile, un pourvoi en nullité. Il allègue en bref:
Les "participants" au sens de l'art. 30 CP ne sont pas seulement les coauteurs, les instigateurs et les complices, mais aussi tous ceux qui ont pris part objectivement à l'infraction. En l'espèce, les blessures subies par dame Joyet proviennent de la façon de conduire aussi bien de son mari que de Marie-Louise Cavin. "La simultanéité des fautes et l'unité du résultat font que le principe de l'indivisibilité de la plainte s'applique au présent cas, tout comme s'il y avait participation subjective à l'infraction".
D.- Les époux Joyet concluent au rejet du pourvoi.
Erwägungen
Considérant en droit:
1. Le présent recours tend à l'inculpation de Charles Joyet pour lésions corporelles par négligence. Ce délit se poursuit sur plainte, sauf le cas où la lésion est grave. Le Tribunal d'accusation vaudois a jugé qu'il ne s'agissait pas, en l'espèce, d'une lésion grave et que, par conséquent, Charles Joyet ne pourrait être poursuivi comme auteur des lésions subies par sa femme que s'il était sous le coup d'une plainte. Aucune violation du droit fédéral n'est alléguée sur ce point et l'on ne voit pas, effectivement, qu'il y en ait une (RO 68 IV 84).
2. Le recourant allègue, en revanche, que le juge cantonal aurait violé l'art. 30 CP en n'admettant pas que la plainte portée contre Marie-Louise Cavin pour lésions corporelles par négligence devait également entraîner des poursuites contre Charles Joyet. L'art. 30 CP prescrit que la plainte portée contre l'un des participants à l'infraction entraîne des poursuites contre tous les autres. Il s'agit donc de savoir si, dans la présente espèce, Charles Joyet est un participant au sens de l'art. 30 CP, auquel cas la plainte déposée par sa femme entraînerait nécessairement des poursuites contre lui.
Appliquant cette disposition légale, la Cour de cassation pénale a jugé que le coauteur, le complice et l'instigateur étaient des participants à l'infraction (RO 80 IV 211, 81 IV 91) au contraire du receleur (RO 69 IV 74; 81 IV 91). Dans ces arrêts, cependant, elle n'a pas eu à dire si l'art. 30 CP vise d'autres catégories de personnes encore. Le recourant allègue que tel serait le cas de toutes les personnes dont la faute simultanée aurait contribué à la lésion qui justifierait la plainte.
Il est vrai que l'art. 30 CP a pour but d'empêcher que le lésé ne puisse, à son gré, faire punir tel participant à l'exclusion de tel autre. Ce principe, toutefois, ne s'impose pas nécessairement, de sorte qu'il ne s'applique que dans les limites fixées par la loi.
Le texte légal n'institue l'indivisibilité de la plainte que pour les participants à "l'infraction" (texte italien: "al reato", texte allemand: "an der Tat"). C'est dire que, dans le cas où il y a pluralité d'infractions et d'auteurs, l'art. 30 CP n'est pas applicable, même si elles ont entraîné un résultat commun, une lésion unique. Les auteurs d'infractions distinctes ne sauraient être considérés comme des participants. Le lésé pourra donc porter plainte contre l'auteur de l'une sans que l'auteur des autres en soit affecté.
3. Tel est le cas dans la présente espèce. Supposé que Charles Joyet et Marie-Louise Cavin aient, l'un et l'autre, violé les règles de la circulation et que ces transgressions aient causé les lésions dont dame Joyet s'est plainte, il n'en resterait pas moins qu'il s'agirait d'infractions distinctes, dont le résultat commun, les lésions subies par dame Joyet, ne ferait pas de leurs auteurs des participants au sens de l'art. 30 CP. Il s'ensuit qu'en refusant d'étendre l'inculpation à Charles Joyet sur le vu de la plainte déposée contre Marie-Louise Cavin, le Tribunal d'accusation du canton de Vaud n'a pas violé le droit fédéral.
Dispositiv
Par ces motifs, la Cour de cassation pénale:
Rejette le pourvoi.
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Indivisibilité de la plainte. Application de l'art. 30 CP dans le cas où plusieurs personnes, par des infractions distinctes, ont contribué à la lésion qui justifiait la plainte.
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A.- Le 22 janvier 1955, une automobile conduite par Charles Joyet et dans laquelle avait pris place la femme de celui-ci est entrée en collision avec un scooter conduit par Marie-Louise Cavin. Au cours de cet accident, dame Joyet se fractura le coude gauche.
B.- Dame Joyet ayant porté plainte pour lésions corporelles contre Marie-Louise Cavin, le juge informateur de l'arrondissement d'Oron-Moudon inculpa celle-ci, le 3 mai 1955, de lésions corporelles par négligence.
Le Ministère public recourut contre cette ordonnance en demandant que l'inculpation soit étendue à Charles Joyet.
Le 1er juin 1955, le Tribunal d'accusation du canton de Vaud rejeta le recours, vu l'art. 30 CP, considérant que Marie-Louise Cavin et Charles Joyet ne sont pas des coauteurs, faute d'une décision commune, mais les auteurs d'infractions distinctes et que, dès lors, la plainte portée contre celle-là ne saurait entraîner de poursuites contre celui-ci.
C.- Contre cet arrêt, le Ministère public du canton de Vaud a formé, en temps utile, un pourvoi en nullité. Il allègue en bref:
Les "participants" au sens de l'art. 30 CP ne sont pas seulement les coauteurs, les instigateurs et les complices, mais aussi tous ceux qui ont pris part objectivement à l'infraction. En l'espèce, les blessures subies par dame Joyet proviennent de la façon de conduire aussi bien de son mari que de Marie-Louise Cavin. "La simultanéité des fautes et l'unité du résultat font que le principe de l'indivisibilité de la plainte s'applique au présent cas, tout comme s'il y avait participation subjective à l'infraction".
D.- Les époux Joyet concluent au rejet du pourvoi.
Erwägungen
Considérant en droit:
1. Le présent recours tend à l'inculpation de Charles Joyet pour lésions corporelles par négligence. Ce délit se poursuit sur plainte, sauf le cas où la lésion est grave. Le Tribunal d'accusation vaudois a jugé qu'il ne s'agissait pas, en l'espèce, d'une lésion grave et que, par conséquent, Charles Joyet ne pourrait être poursuivi comme auteur des lésions subies par sa femme que s'il était sous le coup d'une plainte. Aucune violation du droit fédéral n'est alléguée sur ce point et l'on ne voit pas, effectivement, qu'il y en ait une (RO 68 IV 84).
2. Le recourant allègue, en revanche, que le juge cantonal aurait violé l'art. 30 CP en n'admettant pas que la plainte portée contre Marie-Louise Cavin pour lésions corporelles par négligence devait également entraîner des poursuites contre Charles Joyet. L'art. 30 CP prescrit que la plainte portée contre l'un des participants à l'infraction entraîne des poursuites contre tous les autres. Il s'agit donc de savoir si, dans la présente espèce, Charles Joyet est un participant au sens de l'art. 30 CP, auquel cas la plainte déposée par sa femme entraînerait nécessairement des poursuites contre lui.
Appliquant cette disposition légale, la Cour de cassation pénale a jugé que le coauteur, le complice et l'instigateur étaient des participants à l'infraction (RO 80 IV 211, 81 IV 91) au contraire du receleur (RO 69 IV 74; 81 IV 91). Dans ces arrêts, cependant, elle n'a pas eu à dire si l'art. 30 CP vise d'autres catégories de personnes encore. Le recourant allègue que tel serait le cas de toutes les personnes dont la faute simultanée aurait contribué à la lésion qui justifierait la plainte.
Il est vrai que l'art. 30 CP a pour but d'empêcher que le lésé ne puisse, à son gré, faire punir tel participant à l'exclusion de tel autre. Ce principe, toutefois, ne s'impose pas nécessairement, de sorte qu'il ne s'applique que dans les limites fixées par la loi.
Le texte légal n'institue l'indivisibilité de la plainte que pour les participants à "l'infraction" (texte italien: "al reato", texte allemand: "an der Tat"). C'est dire que, dans le cas où il y a pluralité d'infractions et d'auteurs, l'art. 30 CP n'est pas applicable, même si elles ont entraîné un résultat commun, une lésion unique. Les auteurs d'infractions distinctes ne sauraient être considérés comme des participants. Le lésé pourra donc porter plainte contre l'auteur de l'une sans que l'auteur des autres en soit affecté.
3. Tel est le cas dans la présente espèce. Supposé que Charles Joyet et Marie-Louise Cavin aient, l'un et l'autre, violé les règles de la circulation et que ces transgressions aient causé les lésions dont dame Joyet s'est plainte, il n'en resterait pas moins qu'il s'agirait d'infractions distinctes, dont le résultat commun, les lésions subies par dame Joyet, ne ferait pas de leurs auteurs des participants au sens de l'art. 30 CP. Il s'ensuit qu'en refusant d'étendre l'inculpation à Charles Joyet sur le vu de la plainte déposée contre Marie-Louise Cavin, le Tribunal d'accusation du canton de Vaud n'a pas violé le droit fédéral.
Dispositiv
Par ces motifs, la Cour de cassation pénale:
Rejette le pourvoi.
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Indivisibilità della querela. Applicazione dell'art. 30 CP nel caso in cui più persone hanno contribuito, con reati distinti, alla lesione che giustificava la querela.
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81 IV 276
Sachverhalt ab Seite 276
A.- Die Firma Z. A.-G. übertrug dem X. im Jahre 1944 die Leitung einer Abteilung und 1946 - unter gleichzeitiger Ernennung zum Vizedirektor - die Leitung einer weiteren Abteilung ihres Werkes I. Unter Leitung des X. wurden in diesem Werk unter anderem gewisse Pressen hergestellt, deren Verkauf die von A. geleitete Firma B. übernahm. X. hatte der Werkdirektion vorgeschlagen, auch Zusatzmaschinen zu diesen Pressen herzustellen. Als die Direktion dies ablehnte, entschloss er sich, die Konstruktion und Fabrikation solcher Zusatzmaschinen auf eigene Rechnung zu betreiben. Zu diesem Zwecke verband er sich mit obgenanntem A. von der Firma B. Für die Konstruktion dieser Maschinen schuf er im Frühling /Sommer 1946 in der ihm unterstellten Abteilung eine besondere Arbeitsgruppe, die sich aus dem Konstrukteur M., zwei Zeichnern sowie einem Lehrling zusammensetzte. Diese Arbeitsgruppe, für die ein besonderes Büro eingerichtet worden war, arbeitete ungefähr während eines Jahres wenn nicht ausschliesslich so jedenfalls sehr weitgehend an der Konstruktion solcher Zusatzmaschinen. Die ausgearbeiteten Pläne gingen an die Firma B., welche die Fabrikation der Maschinen verschiedenen Unternehmungen übertrug. Die Korrespondenz mit den Fabrikanten sowie mit den Käufern der Maschinen wurden zum grössten Teil vom Büro M. besorgt. Wenn sich bei der Fabrikation Schwierigkeiten einstellten oder die verkauften Maschinen Mängel aufwiesen, sorgten X. und seine Leute für deren Behebung. Dabei wirkte ausser der Gruppe M. auch noch P. mit, der zuerst als Zeichner und später als Konstruktionschef in der Abteilung des X. tätig war. P. fertigte unter anderem Skizzen für die Firma B. an, behob Konstruktionsfehler an den Plänen der Gruppe M. und war bei der Montage der Maschinen und der Behebung von Mängeln behilflich. M. betrieb zudem eine ausgedehnte Werbetätigkeit für die entwickelten Zusatzmaschinen.
Die Tätigkeit der Gruppe M. dauerte im wesentlichen bis zum Austritt des M. aus dem Werk I der Firma Z. A.-G. am 31. Juli 1947. Die Tätigkeit namentlich des X. und des P. für das Geheimunternehmen dauerte jedoch noch fort und fand erst am 30. November 1950 mit dem Wegzug des X. aus dem Werk I. ein Ende.
Die Werkleitung hatte von all diesen Vorgängen keine Kenntnis. Die Firma Z. A.-G. erhielt auch nie eine Entschädigung irgendwelcher Art für das von X. geleitete Zusatzmaschinengeschäft, obschon die Löhne der damit beschäftigten Angestellten zu ihren Lasten gingen und für die Konstruktionspläne ihr Zeichenmaterial verwendet wurde.
B.- Am 15. Oktober 1954 verurteilte das Obergericht des Kantons Y. den X. unter anderem wegen fortgesetzter und aus Gewinnsucht begangener ungetreuer Geschäftsführung zu neun Monaten Gefängnis, bedingt aufgeschoben mit einer Probezeit von fünf Jahren, sowie zu einer bei gleicher Probezeit bedingt löschbaren Busse von Fr. 700.--.
C.- Gegen dieses Urteil führt X. Nichtigkeitsbeschwerde gemäss Art. 268 ff. BStP mit dem Antrag auf Aufhebung und Rückweisung des Straffalles zu neuer Entscheidung.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. .....
2. Nach Art. 159 StGB ist mit Gefängnis zu bestrafen, wer jemanden am Vermögen schädigt, für das er infolge einer gesetzlichen oder einer vertraglich übernommenen Pflicht zu sorgen hat. Handelt der Täter aus Gewinnsucht, so ist die Strafe Gefängnis bis zu fünf Jahren und Busse. Die Vorinstanz nimmt an, dass sich der Beschwerdeführer der ungetreuen Geschäftsführung schuldig gemacht hat, indem er als Abteilungsleiter eine Anzahl Angestellte der Firma Z. A.-G. zum Teil während Jahren, vor allem vom Frühjahr 1946 bis Sommer 1947, für das von ihm als Geheimunternehmen gemeinsam mit der Firma B. aufgezogene Zusatzmaschinengeschäft arbeiten liess und dadurch die Firma Z. A.-G. um die für die entsprechenden Arbeitszeiten ausbezahlten Löhne sowie den Wert des verwendeten Zeichenmaterials schädigte.
a) Der Kassationshof hat bis heute die Frage offen gelassen, ob eine Geschäftsführung im Sinne von Art. 159 StGB nur innehat, wer für einen andern Rechtsgeschäfte abzuschliessen hat, oder ob auch derjenige Geschäftsführer ist, welcher lediglich tatsächlich für ein fremdes Vermögen, z.B. für dessen Verwahrung, Instandhaltung usf. zu sorgen hat (BGE 80 IV 247). Teilweise in Anlehnung an die frühere, 1933 revidierte Fassung des § 266 des Deutschen Strafgesetzbuches ist die Auffassung vertreten worden, dass auch als Geschäftsführung im Sinne von Art. 159 StGB nur die rechtsgeschäftliche Vertretung nach aussen anzusehen sei. Gegen diese Auslegung spricht jedoch einmal der Wortlaut von Art. 159 StGB, wo ganz allgemein von der gesetzlichen oder vertraglich übernommenen Pflicht, für ein fremdes Vermögen zu sorgen, die Rede ist, womit man den Tatbestand bewusst weiter fassen wollte als den ursprünglichen § 266 DStGB (Motive zum Vorentwurf, 1894, S. 171). Aber auch Sinn und Zweck von Art. 159 StGB sprechen gegen eine Beschränkung der Anwendbarkeit dieser Bestimmung auf die rechtsgeschäftliche Geschäftsführung. Wie der Kassationshof in BGE 81 IV 232 entschieden hat, schützt Art. 159 StGB schlechthin das Vermögen, für das jemand infolge gesetzlicher oder vertraglicher Pflicht als Geschäftsführer zu sorgen hat. Unter diesem Gesichtspunkt kann es aber keinen Unterschied ausmachen, ob die Fürsorge für ein fremdes Vermögen tatsächlicher Natur ist oder durch den Abschluss von Rechtsgeschäften erfolgt. Wer nur tatsächlich für ein fremdes Vermögen zu sorgen hat, ist, wenn er den Eigentümer wissentlich und willentlich an diesem schädigt, ebenso strafwürdig wie derjenige, der auch zum Abschluss von Rechtsgeschäften befugt ist. Strafbar im Sinne von Art. 159 StGB kann somit auch jemand sein, der für ein fremdes Vermögen nur tatsächlich zu sorgen hat. Dem Beschwerdeführer stand übrigens als Prokurist und spätern Vizedirektor des Werkes I auch eine gewisse Vertretungsbefugnis nach aussen zu.
Neben der gesetzlichen oder vertraglich übernommenen Pflicht, für ein fremdes Vermögen zu sorgen, setzt Art. 159, wie sich aus dem Randtitel "Ungetreue Geschäftsführung" ergibt, ferner voraus, dass dem Täter die Stellung eines Geschäftsführers zukommt. Nicht jede beliebige Fürsorgepflicht für ein fremdes Vermögen oder Bestandteile eines solchen fällt unter Art. 159 StGB, sondern nur eine Fürsorge, die Geschäftsführung ist. Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall erfüllt. Jemand, der wie der Beschwerdeführer in leitender Stellung über die Betriebsmittel und das Personal eines Unternehmens zu disponieren hat, ist bei deren Einsatz Geschäftsführer im Sinne von Art. 159 StGB. Dies entspricht sowohl dem Sprachgebrauch als auch Sinn und Zweck von Art. 159. Ein sachlicher Grund, das Vorliegen einer Geschäftsführung in derartigen Fällen zu verneinen, ist nicht ersichtlich. Wer in leitender Stellung über die Betriebsmittel eines Unternehmens zu disponieren hat, erscheint, wenn er den Geschäftsherrn wissentlich und willentlich an seinem Vermögen schädigt, ebenso strafwürdig wie z.B. der Verwalter eines fremden Vermögens, welcher den Eigentümer bewusst und gewollt an diesem schädigt, ein Fall der sowohl in den Materialien als auch in der Literatur als typisches Beispiel der ungetreuen Geschäftsführung genannt wird (vgl. Motive zum Vorentwurf, 1894, S. 171; HAFTER, Bes. Teil II, S. 319, THORMANN-OVERBECK, N. 2 zu Art. 159). Dabei kann hier die Frage offen gelassen werden, ob und unter welchen Voraussetzungen auch untergeordnete Angestellte als Geschäftsführer gemäss Art. 159 StGB anzusehen sind.
Aus dem Gesagten folgt, dass der Beschwerdeführer als Geschäftsführer im Sinne von Art. 159 StGB für den ihm anvertrauten Vermögenskomplex, eben die seiner Dispositionsbefugnis unterstellten sachlichen und persönlichen Betriebsmittel des Werkes I, zu sorgen hatte.
b) Indem der Beschwerdeführer ihm unterstellte Angestellte der Firma Z. A.-G. zum Teil dauernd, zum Teil vorübergehend für das von ihm aufgezogene Geheimunternehmen anstatt für das Werk I arbeiten liess, wobei der Firma Z. A.-G. nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz allein durch die Tätigkeit des Büros M. an ausbezahlten Löhnen ein Schaden von annähernd Fr. 26'800.-- erwachsen ist, hat er diese an ihrem Vermögen geschädigt. Unter Vermögen im Sinne von Art. 159 StGB sind alle vermögenswerten Interessen des Geschäftsherrn zu verstehen (BGE 80 IV 248 E. 3, HAFTER, Bes. Teil II, S. 320). Dazu gehört auch die Arbeitskraft der Arbeiter und Angestellten während der vertraglichen Arbeitszeit, über welche der Beschwerdeführer als technischer Leiter des Werkes I zu verfügen hatte. Die Auffassung des Beschwerdeführers, diese Arbeitskraft sei kein Vermögensbestandteil, sondern hätte nur zur Vermögensbildung führen können, geht fehl. Der Arbeitgeber hat Anspruch darauf, dass die Arbeitszeit der von ihm entlöhnten Arbeiter und Angestellten zu seinem Nutzen verwendet wird. Diesem Anspruch kommt bereits als solchem realer Vermögenswert zu. Dies gilt im vorliegenden Fall nicht nur für die zusammenhängende Tätigkeit der sog. Gruppe M., sondern auch für die gelegentlichen Arbeiten, welche andere Angestellte, vor allem P., nach Auflösung des Büros M. für das Geheimunternehmen des Beschwerdeführers leisteten. Wie die Vorinstanz verbindlich feststellt, war dem Beschwerdeführer selbst jede Nebentätigkeit vertraglich untersagt. Unter diesen Umständen steht ausser Zweifel, dass die Arbeitgeberin noch viel weniger die ausgedehnte Tätigkeit der Gruppe M. oder diejenige der andern Angestellten für das Geheimunternehmen des Beschwerdeführers geduldet hätte, wenn ihr diese bekannt gewesen wäre.
Dass die Firma Z. A.-G. auch durch die Verwendung ihres Zeichenmaterials für das Geheimunternehmen des Beschwerdeführers an ihrem Vermögen geschädigt worden ist, liegt auf der Hand. Ebenso dass der Beschwerdeführer aus Gewinnsucht gehandelt hat, was dieser zu Recht selbst nicht bestreitet. Angesichts der Zahlungen, die ihm aus dem Geheimunternehmen zuflossen und um derentwillen er dieses nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz aufzog, ist die Gewinnsucht offenkundig.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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Art. 159 StGB. Begriff der Geschäftsführung (Erw. 2 lit. a) und des Vermögens (Erw. 2 lit. b).
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81 IV 276
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81 IV 276
Sachverhalt ab Seite 276
A.- Die Firma Z. A.-G. übertrug dem X. im Jahre 1944 die Leitung einer Abteilung und 1946 - unter gleichzeitiger Ernennung zum Vizedirektor - die Leitung einer weiteren Abteilung ihres Werkes I. Unter Leitung des X. wurden in diesem Werk unter anderem gewisse Pressen hergestellt, deren Verkauf die von A. geleitete Firma B. übernahm. X. hatte der Werkdirektion vorgeschlagen, auch Zusatzmaschinen zu diesen Pressen herzustellen. Als die Direktion dies ablehnte, entschloss er sich, die Konstruktion und Fabrikation solcher Zusatzmaschinen auf eigene Rechnung zu betreiben. Zu diesem Zwecke verband er sich mit obgenanntem A. von der Firma B. Für die Konstruktion dieser Maschinen schuf er im Frühling /Sommer 1946 in der ihm unterstellten Abteilung eine besondere Arbeitsgruppe, die sich aus dem Konstrukteur M., zwei Zeichnern sowie einem Lehrling zusammensetzte. Diese Arbeitsgruppe, für die ein besonderes Büro eingerichtet worden war, arbeitete ungefähr während eines Jahres wenn nicht ausschliesslich so jedenfalls sehr weitgehend an der Konstruktion solcher Zusatzmaschinen. Die ausgearbeiteten Pläne gingen an die Firma B., welche die Fabrikation der Maschinen verschiedenen Unternehmungen übertrug. Die Korrespondenz mit den Fabrikanten sowie mit den Käufern der Maschinen wurden zum grössten Teil vom Büro M. besorgt. Wenn sich bei der Fabrikation Schwierigkeiten einstellten oder die verkauften Maschinen Mängel aufwiesen, sorgten X. und seine Leute für deren Behebung. Dabei wirkte ausser der Gruppe M. auch noch P. mit, der zuerst als Zeichner und später als Konstruktionschef in der Abteilung des X. tätig war. P. fertigte unter anderem Skizzen für die Firma B. an, behob Konstruktionsfehler an den Plänen der Gruppe M. und war bei der Montage der Maschinen und der Behebung von Mängeln behilflich. M. betrieb zudem eine ausgedehnte Werbetätigkeit für die entwickelten Zusatzmaschinen.
Die Tätigkeit der Gruppe M. dauerte im wesentlichen bis zum Austritt des M. aus dem Werk I der Firma Z. A.-G. am 31. Juli 1947. Die Tätigkeit namentlich des X. und des P. für das Geheimunternehmen dauerte jedoch noch fort und fand erst am 30. November 1950 mit dem Wegzug des X. aus dem Werk I. ein Ende.
Die Werkleitung hatte von all diesen Vorgängen keine Kenntnis. Die Firma Z. A.-G. erhielt auch nie eine Entschädigung irgendwelcher Art für das von X. geleitete Zusatzmaschinengeschäft, obschon die Löhne der damit beschäftigten Angestellten zu ihren Lasten gingen und für die Konstruktionspläne ihr Zeichenmaterial verwendet wurde.
B.- Am 15. Oktober 1954 verurteilte das Obergericht des Kantons Y. den X. unter anderem wegen fortgesetzter und aus Gewinnsucht begangener ungetreuer Geschäftsführung zu neun Monaten Gefängnis, bedingt aufgeschoben mit einer Probezeit von fünf Jahren, sowie zu einer bei gleicher Probezeit bedingt löschbaren Busse von Fr. 700.--.
C.- Gegen dieses Urteil führt X. Nichtigkeitsbeschwerde gemäss Art. 268 ff. BStP mit dem Antrag auf Aufhebung und Rückweisung des Straffalles zu neuer Entscheidung.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. .....
2. Nach Art. 159 StGB ist mit Gefängnis zu bestrafen, wer jemanden am Vermögen schädigt, für das er infolge einer gesetzlichen oder einer vertraglich übernommenen Pflicht zu sorgen hat. Handelt der Täter aus Gewinnsucht, so ist die Strafe Gefängnis bis zu fünf Jahren und Busse. Die Vorinstanz nimmt an, dass sich der Beschwerdeführer der ungetreuen Geschäftsführung schuldig gemacht hat, indem er als Abteilungsleiter eine Anzahl Angestellte der Firma Z. A.-G. zum Teil während Jahren, vor allem vom Frühjahr 1946 bis Sommer 1947, für das von ihm als Geheimunternehmen gemeinsam mit der Firma B. aufgezogene Zusatzmaschinengeschäft arbeiten liess und dadurch die Firma Z. A.-G. um die für die entsprechenden Arbeitszeiten ausbezahlten Löhne sowie den Wert des verwendeten Zeichenmaterials schädigte.
a) Der Kassationshof hat bis heute die Frage offen gelassen, ob eine Geschäftsführung im Sinne von Art. 159 StGB nur innehat, wer für einen andern Rechtsgeschäfte abzuschliessen hat, oder ob auch derjenige Geschäftsführer ist, welcher lediglich tatsächlich für ein fremdes Vermögen, z.B. für dessen Verwahrung, Instandhaltung usf. zu sorgen hat (BGE 80 IV 247). Teilweise in Anlehnung an die frühere, 1933 revidierte Fassung des § 266 des Deutschen Strafgesetzbuches ist die Auffassung vertreten worden, dass auch als Geschäftsführung im Sinne von Art. 159 StGB nur die rechtsgeschäftliche Vertretung nach aussen anzusehen sei. Gegen diese Auslegung spricht jedoch einmal der Wortlaut von Art. 159 StGB, wo ganz allgemein von der gesetzlichen oder vertraglich übernommenen Pflicht, für ein fremdes Vermögen zu sorgen, die Rede ist, womit man den Tatbestand bewusst weiter fassen wollte als den ursprünglichen § 266 DStGB (Motive zum Vorentwurf, 1894, S. 171). Aber auch Sinn und Zweck von Art. 159 StGB sprechen gegen eine Beschränkung der Anwendbarkeit dieser Bestimmung auf die rechtsgeschäftliche Geschäftsführung. Wie der Kassationshof in BGE 81 IV 232 entschieden hat, schützt Art. 159 StGB schlechthin das Vermögen, für das jemand infolge gesetzlicher oder vertraglicher Pflicht als Geschäftsführer zu sorgen hat. Unter diesem Gesichtspunkt kann es aber keinen Unterschied ausmachen, ob die Fürsorge für ein fremdes Vermögen tatsächlicher Natur ist oder durch den Abschluss von Rechtsgeschäften erfolgt. Wer nur tatsächlich für ein fremdes Vermögen zu sorgen hat, ist, wenn er den Eigentümer wissentlich und willentlich an diesem schädigt, ebenso strafwürdig wie derjenige, der auch zum Abschluss von Rechtsgeschäften befugt ist. Strafbar im Sinne von Art. 159 StGB kann somit auch jemand sein, der für ein fremdes Vermögen nur tatsächlich zu sorgen hat. Dem Beschwerdeführer stand übrigens als Prokurist und spätern Vizedirektor des Werkes I auch eine gewisse Vertretungsbefugnis nach aussen zu.
Neben der gesetzlichen oder vertraglich übernommenen Pflicht, für ein fremdes Vermögen zu sorgen, setzt Art. 159, wie sich aus dem Randtitel "Ungetreue Geschäftsführung" ergibt, ferner voraus, dass dem Täter die Stellung eines Geschäftsführers zukommt. Nicht jede beliebige Fürsorgepflicht für ein fremdes Vermögen oder Bestandteile eines solchen fällt unter Art. 159 StGB, sondern nur eine Fürsorge, die Geschäftsführung ist. Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall erfüllt. Jemand, der wie der Beschwerdeführer in leitender Stellung über die Betriebsmittel und das Personal eines Unternehmens zu disponieren hat, ist bei deren Einsatz Geschäftsführer im Sinne von Art. 159 StGB. Dies entspricht sowohl dem Sprachgebrauch als auch Sinn und Zweck von Art. 159. Ein sachlicher Grund, das Vorliegen einer Geschäftsführung in derartigen Fällen zu verneinen, ist nicht ersichtlich. Wer in leitender Stellung über die Betriebsmittel eines Unternehmens zu disponieren hat, erscheint, wenn er den Geschäftsherrn wissentlich und willentlich an seinem Vermögen schädigt, ebenso strafwürdig wie z.B. der Verwalter eines fremden Vermögens, welcher den Eigentümer bewusst und gewollt an diesem schädigt, ein Fall der sowohl in den Materialien als auch in der Literatur als typisches Beispiel der ungetreuen Geschäftsführung genannt wird (vgl. Motive zum Vorentwurf, 1894, S. 171; HAFTER, Bes. Teil II, S. 319, THORMANN-OVERBECK, N. 2 zu Art. 159). Dabei kann hier die Frage offen gelassen werden, ob und unter welchen Voraussetzungen auch untergeordnete Angestellte als Geschäftsführer gemäss Art. 159 StGB anzusehen sind.
Aus dem Gesagten folgt, dass der Beschwerdeführer als Geschäftsführer im Sinne von Art. 159 StGB für den ihm anvertrauten Vermögenskomplex, eben die seiner Dispositionsbefugnis unterstellten sachlichen und persönlichen Betriebsmittel des Werkes I, zu sorgen hatte.
b) Indem der Beschwerdeführer ihm unterstellte Angestellte der Firma Z. A.-G. zum Teil dauernd, zum Teil vorübergehend für das von ihm aufgezogene Geheimunternehmen anstatt für das Werk I arbeiten liess, wobei der Firma Z. A.-G. nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz allein durch die Tätigkeit des Büros M. an ausbezahlten Löhnen ein Schaden von annähernd Fr. 26'800.-- erwachsen ist, hat er diese an ihrem Vermögen geschädigt. Unter Vermögen im Sinne von Art. 159 StGB sind alle vermögenswerten Interessen des Geschäftsherrn zu verstehen (BGE 80 IV 248 E. 3, HAFTER, Bes. Teil II, S. 320). Dazu gehört auch die Arbeitskraft der Arbeiter und Angestellten während der vertraglichen Arbeitszeit, über welche der Beschwerdeführer als technischer Leiter des Werkes I zu verfügen hatte. Die Auffassung des Beschwerdeführers, diese Arbeitskraft sei kein Vermögensbestandteil, sondern hätte nur zur Vermögensbildung führen können, geht fehl. Der Arbeitgeber hat Anspruch darauf, dass die Arbeitszeit der von ihm entlöhnten Arbeiter und Angestellten zu seinem Nutzen verwendet wird. Diesem Anspruch kommt bereits als solchem realer Vermögenswert zu. Dies gilt im vorliegenden Fall nicht nur für die zusammenhängende Tätigkeit der sog. Gruppe M., sondern auch für die gelegentlichen Arbeiten, welche andere Angestellte, vor allem P., nach Auflösung des Büros M. für das Geheimunternehmen des Beschwerdeführers leisteten. Wie die Vorinstanz verbindlich feststellt, war dem Beschwerdeführer selbst jede Nebentätigkeit vertraglich untersagt. Unter diesen Umständen steht ausser Zweifel, dass die Arbeitgeberin noch viel weniger die ausgedehnte Tätigkeit der Gruppe M. oder diejenige der andern Angestellten für das Geheimunternehmen des Beschwerdeführers geduldet hätte, wenn ihr diese bekannt gewesen wäre.
Dass die Firma Z. A.-G. auch durch die Verwendung ihres Zeichenmaterials für das Geheimunternehmen des Beschwerdeführers an ihrem Vermögen geschädigt worden ist, liegt auf der Hand. Ebenso dass der Beschwerdeführer aus Gewinnsucht gehandelt hat, was dieser zu Recht selbst nicht bestreitet. Angesichts der Zahlungen, die ihm aus dem Geheimunternehmen zuflossen und um derentwillen er dieses nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz aufzog, ist die Gewinnsucht offenkundig.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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Art. 159 CP. Définition des termes: "gestion" (consid. 2 lit. a) et "intérêts pécuniaires" (consid. 2 lit. b).
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81 IV 276
Sachverhalt ab Seite 276
A.- Die Firma Z. A.-G. übertrug dem X. im Jahre 1944 die Leitung einer Abteilung und 1946 - unter gleichzeitiger Ernennung zum Vizedirektor - die Leitung einer weiteren Abteilung ihres Werkes I. Unter Leitung des X. wurden in diesem Werk unter anderem gewisse Pressen hergestellt, deren Verkauf die von A. geleitete Firma B. übernahm. X. hatte der Werkdirektion vorgeschlagen, auch Zusatzmaschinen zu diesen Pressen herzustellen. Als die Direktion dies ablehnte, entschloss er sich, die Konstruktion und Fabrikation solcher Zusatzmaschinen auf eigene Rechnung zu betreiben. Zu diesem Zwecke verband er sich mit obgenanntem A. von der Firma B. Für die Konstruktion dieser Maschinen schuf er im Frühling /Sommer 1946 in der ihm unterstellten Abteilung eine besondere Arbeitsgruppe, die sich aus dem Konstrukteur M., zwei Zeichnern sowie einem Lehrling zusammensetzte. Diese Arbeitsgruppe, für die ein besonderes Büro eingerichtet worden war, arbeitete ungefähr während eines Jahres wenn nicht ausschliesslich so jedenfalls sehr weitgehend an der Konstruktion solcher Zusatzmaschinen. Die ausgearbeiteten Pläne gingen an die Firma B., welche die Fabrikation der Maschinen verschiedenen Unternehmungen übertrug. Die Korrespondenz mit den Fabrikanten sowie mit den Käufern der Maschinen wurden zum grössten Teil vom Büro M. besorgt. Wenn sich bei der Fabrikation Schwierigkeiten einstellten oder die verkauften Maschinen Mängel aufwiesen, sorgten X. und seine Leute für deren Behebung. Dabei wirkte ausser der Gruppe M. auch noch P. mit, der zuerst als Zeichner und später als Konstruktionschef in der Abteilung des X. tätig war. P. fertigte unter anderem Skizzen für die Firma B. an, behob Konstruktionsfehler an den Plänen der Gruppe M. und war bei der Montage der Maschinen und der Behebung von Mängeln behilflich. M. betrieb zudem eine ausgedehnte Werbetätigkeit für die entwickelten Zusatzmaschinen.
Die Tätigkeit der Gruppe M. dauerte im wesentlichen bis zum Austritt des M. aus dem Werk I der Firma Z. A.-G. am 31. Juli 1947. Die Tätigkeit namentlich des X. und des P. für das Geheimunternehmen dauerte jedoch noch fort und fand erst am 30. November 1950 mit dem Wegzug des X. aus dem Werk I. ein Ende.
Die Werkleitung hatte von all diesen Vorgängen keine Kenntnis. Die Firma Z. A.-G. erhielt auch nie eine Entschädigung irgendwelcher Art für das von X. geleitete Zusatzmaschinengeschäft, obschon die Löhne der damit beschäftigten Angestellten zu ihren Lasten gingen und für die Konstruktionspläne ihr Zeichenmaterial verwendet wurde.
B.- Am 15. Oktober 1954 verurteilte das Obergericht des Kantons Y. den X. unter anderem wegen fortgesetzter und aus Gewinnsucht begangener ungetreuer Geschäftsführung zu neun Monaten Gefängnis, bedingt aufgeschoben mit einer Probezeit von fünf Jahren, sowie zu einer bei gleicher Probezeit bedingt löschbaren Busse von Fr. 700.--.
C.- Gegen dieses Urteil führt X. Nichtigkeitsbeschwerde gemäss Art. 268 ff. BStP mit dem Antrag auf Aufhebung und Rückweisung des Straffalles zu neuer Entscheidung.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. .....
2. Nach Art. 159 StGB ist mit Gefängnis zu bestrafen, wer jemanden am Vermögen schädigt, für das er infolge einer gesetzlichen oder einer vertraglich übernommenen Pflicht zu sorgen hat. Handelt der Täter aus Gewinnsucht, so ist die Strafe Gefängnis bis zu fünf Jahren und Busse. Die Vorinstanz nimmt an, dass sich der Beschwerdeführer der ungetreuen Geschäftsführung schuldig gemacht hat, indem er als Abteilungsleiter eine Anzahl Angestellte der Firma Z. A.-G. zum Teil während Jahren, vor allem vom Frühjahr 1946 bis Sommer 1947, für das von ihm als Geheimunternehmen gemeinsam mit der Firma B. aufgezogene Zusatzmaschinengeschäft arbeiten liess und dadurch die Firma Z. A.-G. um die für die entsprechenden Arbeitszeiten ausbezahlten Löhne sowie den Wert des verwendeten Zeichenmaterials schädigte.
a) Der Kassationshof hat bis heute die Frage offen gelassen, ob eine Geschäftsführung im Sinne von Art. 159 StGB nur innehat, wer für einen andern Rechtsgeschäfte abzuschliessen hat, oder ob auch derjenige Geschäftsführer ist, welcher lediglich tatsächlich für ein fremdes Vermögen, z.B. für dessen Verwahrung, Instandhaltung usf. zu sorgen hat (BGE 80 IV 247). Teilweise in Anlehnung an die frühere, 1933 revidierte Fassung des § 266 des Deutschen Strafgesetzbuches ist die Auffassung vertreten worden, dass auch als Geschäftsführung im Sinne von Art. 159 StGB nur die rechtsgeschäftliche Vertretung nach aussen anzusehen sei. Gegen diese Auslegung spricht jedoch einmal der Wortlaut von Art. 159 StGB, wo ganz allgemein von der gesetzlichen oder vertraglich übernommenen Pflicht, für ein fremdes Vermögen zu sorgen, die Rede ist, womit man den Tatbestand bewusst weiter fassen wollte als den ursprünglichen § 266 DStGB (Motive zum Vorentwurf, 1894, S. 171). Aber auch Sinn und Zweck von Art. 159 StGB sprechen gegen eine Beschränkung der Anwendbarkeit dieser Bestimmung auf die rechtsgeschäftliche Geschäftsführung. Wie der Kassationshof in BGE 81 IV 232 entschieden hat, schützt Art. 159 StGB schlechthin das Vermögen, für das jemand infolge gesetzlicher oder vertraglicher Pflicht als Geschäftsführer zu sorgen hat. Unter diesem Gesichtspunkt kann es aber keinen Unterschied ausmachen, ob die Fürsorge für ein fremdes Vermögen tatsächlicher Natur ist oder durch den Abschluss von Rechtsgeschäften erfolgt. Wer nur tatsächlich für ein fremdes Vermögen zu sorgen hat, ist, wenn er den Eigentümer wissentlich und willentlich an diesem schädigt, ebenso strafwürdig wie derjenige, der auch zum Abschluss von Rechtsgeschäften befugt ist. Strafbar im Sinne von Art. 159 StGB kann somit auch jemand sein, der für ein fremdes Vermögen nur tatsächlich zu sorgen hat. Dem Beschwerdeführer stand übrigens als Prokurist und spätern Vizedirektor des Werkes I auch eine gewisse Vertretungsbefugnis nach aussen zu.
Neben der gesetzlichen oder vertraglich übernommenen Pflicht, für ein fremdes Vermögen zu sorgen, setzt Art. 159, wie sich aus dem Randtitel "Ungetreue Geschäftsführung" ergibt, ferner voraus, dass dem Täter die Stellung eines Geschäftsführers zukommt. Nicht jede beliebige Fürsorgepflicht für ein fremdes Vermögen oder Bestandteile eines solchen fällt unter Art. 159 StGB, sondern nur eine Fürsorge, die Geschäftsführung ist. Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall erfüllt. Jemand, der wie der Beschwerdeführer in leitender Stellung über die Betriebsmittel und das Personal eines Unternehmens zu disponieren hat, ist bei deren Einsatz Geschäftsführer im Sinne von Art. 159 StGB. Dies entspricht sowohl dem Sprachgebrauch als auch Sinn und Zweck von Art. 159. Ein sachlicher Grund, das Vorliegen einer Geschäftsführung in derartigen Fällen zu verneinen, ist nicht ersichtlich. Wer in leitender Stellung über die Betriebsmittel eines Unternehmens zu disponieren hat, erscheint, wenn er den Geschäftsherrn wissentlich und willentlich an seinem Vermögen schädigt, ebenso strafwürdig wie z.B. der Verwalter eines fremden Vermögens, welcher den Eigentümer bewusst und gewollt an diesem schädigt, ein Fall der sowohl in den Materialien als auch in der Literatur als typisches Beispiel der ungetreuen Geschäftsführung genannt wird (vgl. Motive zum Vorentwurf, 1894, S. 171; HAFTER, Bes. Teil II, S. 319, THORMANN-OVERBECK, N. 2 zu Art. 159). Dabei kann hier die Frage offen gelassen werden, ob und unter welchen Voraussetzungen auch untergeordnete Angestellte als Geschäftsführer gemäss Art. 159 StGB anzusehen sind.
Aus dem Gesagten folgt, dass der Beschwerdeführer als Geschäftsführer im Sinne von Art. 159 StGB für den ihm anvertrauten Vermögenskomplex, eben die seiner Dispositionsbefugnis unterstellten sachlichen und persönlichen Betriebsmittel des Werkes I, zu sorgen hatte.
b) Indem der Beschwerdeführer ihm unterstellte Angestellte der Firma Z. A.-G. zum Teil dauernd, zum Teil vorübergehend für das von ihm aufgezogene Geheimunternehmen anstatt für das Werk I arbeiten liess, wobei der Firma Z. A.-G. nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz allein durch die Tätigkeit des Büros M. an ausbezahlten Löhnen ein Schaden von annähernd Fr. 26'800.-- erwachsen ist, hat er diese an ihrem Vermögen geschädigt. Unter Vermögen im Sinne von Art. 159 StGB sind alle vermögenswerten Interessen des Geschäftsherrn zu verstehen (BGE 80 IV 248 E. 3, HAFTER, Bes. Teil II, S. 320). Dazu gehört auch die Arbeitskraft der Arbeiter und Angestellten während der vertraglichen Arbeitszeit, über welche der Beschwerdeführer als technischer Leiter des Werkes I zu verfügen hatte. Die Auffassung des Beschwerdeführers, diese Arbeitskraft sei kein Vermögensbestandteil, sondern hätte nur zur Vermögensbildung führen können, geht fehl. Der Arbeitgeber hat Anspruch darauf, dass die Arbeitszeit der von ihm entlöhnten Arbeiter und Angestellten zu seinem Nutzen verwendet wird. Diesem Anspruch kommt bereits als solchem realer Vermögenswert zu. Dies gilt im vorliegenden Fall nicht nur für die zusammenhängende Tätigkeit der sog. Gruppe M., sondern auch für die gelegentlichen Arbeiten, welche andere Angestellte, vor allem P., nach Auflösung des Büros M. für das Geheimunternehmen des Beschwerdeführers leisteten. Wie die Vorinstanz verbindlich feststellt, war dem Beschwerdeführer selbst jede Nebentätigkeit vertraglich untersagt. Unter diesen Umständen steht ausser Zweifel, dass die Arbeitgeberin noch viel weniger die ausgedehnte Tätigkeit der Gruppe M. oder diejenige der andern Angestellten für das Geheimunternehmen des Beschwerdeführers geduldet hätte, wenn ihr diese bekannt gewesen wäre.
Dass die Firma Z. A.-G. auch durch die Verwendung ihres Zeichenmaterials für das Geheimunternehmen des Beschwerdeführers an ihrem Vermögen geschädigt worden ist, liegt auf der Hand. Ebenso dass der Beschwerdeführer aus Gewinnsucht gehandelt hat, was dieser zu Recht selbst nicht bestreitet. Angesichts der Zahlungen, die ihm aus dem Geheimunternehmen zuflossen und um derentwillen er dieses nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz aufzog, ist die Gewinnsucht offenkundig.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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Art. 159 CP. Nozione di "amministrazione" (consid. 2 lett. a) e di "patrimonio" (consid. 2 lett. b).
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81 IV 281
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81 IV 281
Sachverhalt ab Seite 282
A.- Das Obergericht des Kantons Zürich verurteilte am 15. Dezember 1953 Albert Sidler zu sieben Monaten Gefängnis, weil er in den Jahren 1951 /1952 zum Nachteil einer Firma für die Installation von Kühlanlagen, bei der er damals als Kältemonteur angestellt war, wiederholt Diebstähle und Veruntreuungen begangen hatte. Wegen dieser Verfehlungen löste jenes Unternehmen im April 1952 den Dienstvertrag mit Sidler auf.
Alfred Litschgi versandte am 6. Januar 1954 an fünfzehn Mitglieder der "Vereinigung der Kälte-Firmen in der Schweiz", deren Sekretär er ist, ein Rundschreiben, worin er u.a. ausführte:
"Wir teilen Ihnen mit, dass Kälte-Monteur Sidler Albert von seinem früheren Arbeitgeber wegen Diebstahls und Veruntreuungen entlassen werden musste. Wir bitten Sie, bevor Sie diesen Monteur einstellen wollen, nähere Erkundigungen auf unserem Sekretariat einzuziehen."
B.- Sidler, der sich durch diese Mitteilung in seiner Ehre verletzt fühlte, klagte gegen Litschgi auf Bestrafung wegen übler Nachrede.
C.- Das Obergericht des Kantons Zürich wies durch Urteil vom 16. Mai 1955 die Klage ab, weil die Wahrheit des ehrenrührigen Vorwurfes bewiesen sei.
D.- Sidler führt Nichtigkeitsbeschwerde an das Bundesgericht mit den Anträgen, das Urteil vom 16. Mai 1955 sei aufzuheben und die Sache zur Verurteilung des Litschgi wegen übler Nachrede an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Er macht geltend, der Wahrheitsbeweis hätte nicht zugelassen werden sollen, da Litschgi die ehrenrührigen Vorwürfe ohne begründete Veranlassung verbreitet habe.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Es ist unbestritten, dass die im Rundschreiben vom 6. Januar 1954 enthaltene Mitteilung, Sidler sei wegen Diebstahls und Veruntreuung von seinem Arbeitgeber entlassen worden, ehrenrührig ist.
2. Sidler bestreitet auch nicht, dass die eingeklagte Äusserung der Wahrheit entspricht. Gemäss Art. 173 Ziff. 2 StGB wäre Litschgi daher nur strafbar, wenn er nach Ziff. 3 dieser Vorschrift zum Wahrheitsbeweis nicht zuzulassen wäre.
3. Nach der vom Obergericht implicite übernommenen Feststellung des Bezirksgerichts hat Litschgi die eingeklagte Äusserung nicht vorwiegend in der Absicht vorgebracht, Sidler Übles vorzuwerfen. Diese Feststellung ist tatsächlicher Natur (BGE 71 IV 131 Erw. 4). Sie bindet daher den Kassationshof des Bundesgerichtes (Art. 277bis Abs. 1 BStP). Ob es gemäss Art. 173 Ziff. 3 StGB für die Zulassung zu den Entlastungsbeweisen der Ziff. 2 dieser Vorschrift genüge, dass die Absicht, jemandem Übles vorzuwerfen, beim Beschuldigten nicht überwiegt, braucht hier nicht entschieden zu werden, weil Litschgi begründete Veranlassung zu seiner Äusserung hatte.
4. Die in der "Vereinigung der Kälte-Firmen in der Schweiz" zusammengeschlossenen Unternehmen installieren in Privat- und Geschäftshäusern Kühlanlagen. Die Monteure dieser Unternehmen arbeiten also regelmässig in den Gebäulichkeiten der Kunden, wo sie nicht dauernd beaufsichtigt werden. Für diese Montagearbeiten können daher nur solche Kräfte eingesetzt werden, auf die sich der Kunde und der Arbeitgeber verlassen können. Missbraucht ein Monteur dieses Vertrauen, so erleidet regelmässig auch der Unternehmer eine Vertrauenseinbusse, die seine Stellung im wirtschaftlichen Wettbewerb beeinträchtigt.
Für die künftigen Arbeitgeber und ihre Kunden ist es demnach unerlässlich, die Vertrauenswürdigkeit eines Bewerbers für den Montagedienst zuverlässig beurteilen zu können. Darum ist er auf Auskünfte Dritter, insbesondere früherer Arbeitgeber des Bewerbers, angewiesen.
Diesem schutzwürdigen Bedürfnis diente die eingeklagte -Äusserung. Sidler war vom erwähnten Unternehmen für die Installation von Kühlanlagen entlassen worden, weil er während seiner beruflichen Tätigkeit Diebstähle und Veruntreuungen begangen hatte. Da diese Verfehlungen die charakterliche Eignung des Entlassenen für den Montagedienst ausschliessen, hatte Litschgi begründete Veranlassung, die übrigen Verbandsmitglieder, deren berechtigte Interessen er als Verbandssekretär zu fördern verpflichtet ist, zu orientieren, um sie vor ähnlichen Vertrauensmissbräuchen zu bewahren. Dabei hat er sich auch im Mittel nicht vergriffen. Er hat das Rundschreiben, worin er die Gründe anführte, die zur Entlassung des Sidler am früheren Arbeitsort geführt haben, unmittelbar und ausschliesslich den Verbandsmitgliedern zugestellt und diese erst noch durch einen entsprechenden Vermerk darauf hingewiesen, dass es sich um eine "vertrauliche" Mitteilung handle.
5. Der Einwand, Litschgi hätte trotzdem zu den Entlastungsbeweisen nicht zugelassen werden dürfen, weil die eingeklagte Äusserung sich auf das Privatleben beziehe, geht fehl. Gegenstand des Privatlebens bildet nur die eigentliche Privatsphäre. Handlungen, durch die jemand aus dieser heraus an die Aussenwelt tritt, wie das gerade beim Verhalten gegenüber dem Arbeitgeber zutrifft, fallen nicht mehr darunter (Urteile des Kassationshofes vom 21. Juni 1946 i.S. Witschi, vom 22. Oktober 1948 i.S. Herschdorfer und vom 30. September 1949 i.S. Blaser). Zudem übersieht Sidler, dass die Richtigkeit der dem Privatleben angehörenden Tatsachen nur dann nicht bewiesen werden darf, wenn die Äusserung ohne begründete Veranlassung vorgebracht (verbreitet) worden ist. Hat der Empfänger der Mitteilung ein schutzwürdiges Interesse, über eine dem Privatleben eines andern angehörende Tatsache unterrichtet zu werden, und wird die Auskunft in der Absicht erteilt, diesem Interesse zu dienen, so sind die Entlastungsbeweise des Art. 173 Ziff. 2 StGB zulässig.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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Art. 173 Ziff. 3 StGB. a) Wer sich auf begründete Veranlassung hin äussert, ist zu den Entlastungsbeweisen der Ziff. 2 auch dann zuzulassen, wenn sich die Äusserung auf das Privatleben bezieht (Erw. 5).
b) Begründete Veranlassung (Erw. 4).
c) Privatleben (Erw. 5).
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Sachverhalt ab Seite 282
A.- Das Obergericht des Kantons Zürich verurteilte am 15. Dezember 1953 Albert Sidler zu sieben Monaten Gefängnis, weil er in den Jahren 1951 /1952 zum Nachteil einer Firma für die Installation von Kühlanlagen, bei der er damals als Kältemonteur angestellt war, wiederholt Diebstähle und Veruntreuungen begangen hatte. Wegen dieser Verfehlungen löste jenes Unternehmen im April 1952 den Dienstvertrag mit Sidler auf.
Alfred Litschgi versandte am 6. Januar 1954 an fünfzehn Mitglieder der "Vereinigung der Kälte-Firmen in der Schweiz", deren Sekretär er ist, ein Rundschreiben, worin er u.a. ausführte:
"Wir teilen Ihnen mit, dass Kälte-Monteur Sidler Albert von seinem früheren Arbeitgeber wegen Diebstahls und Veruntreuungen entlassen werden musste. Wir bitten Sie, bevor Sie diesen Monteur einstellen wollen, nähere Erkundigungen auf unserem Sekretariat einzuziehen."
B.- Sidler, der sich durch diese Mitteilung in seiner Ehre verletzt fühlte, klagte gegen Litschgi auf Bestrafung wegen übler Nachrede.
C.- Das Obergericht des Kantons Zürich wies durch Urteil vom 16. Mai 1955 die Klage ab, weil die Wahrheit des ehrenrührigen Vorwurfes bewiesen sei.
D.- Sidler führt Nichtigkeitsbeschwerde an das Bundesgericht mit den Anträgen, das Urteil vom 16. Mai 1955 sei aufzuheben und die Sache zur Verurteilung des Litschgi wegen übler Nachrede an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Er macht geltend, der Wahrheitsbeweis hätte nicht zugelassen werden sollen, da Litschgi die ehrenrührigen Vorwürfe ohne begründete Veranlassung verbreitet habe.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Es ist unbestritten, dass die im Rundschreiben vom 6. Januar 1954 enthaltene Mitteilung, Sidler sei wegen Diebstahls und Veruntreuung von seinem Arbeitgeber entlassen worden, ehrenrührig ist.
2. Sidler bestreitet auch nicht, dass die eingeklagte Äusserung der Wahrheit entspricht. Gemäss Art. 173 Ziff. 2 StGB wäre Litschgi daher nur strafbar, wenn er nach Ziff. 3 dieser Vorschrift zum Wahrheitsbeweis nicht zuzulassen wäre.
3. Nach der vom Obergericht implicite übernommenen Feststellung des Bezirksgerichts hat Litschgi die eingeklagte Äusserung nicht vorwiegend in der Absicht vorgebracht, Sidler Übles vorzuwerfen. Diese Feststellung ist tatsächlicher Natur (BGE 71 IV 131 Erw. 4). Sie bindet daher den Kassationshof des Bundesgerichtes (Art. 277bis Abs. 1 BStP). Ob es gemäss Art. 173 Ziff. 3 StGB für die Zulassung zu den Entlastungsbeweisen der Ziff. 2 dieser Vorschrift genüge, dass die Absicht, jemandem Übles vorzuwerfen, beim Beschuldigten nicht überwiegt, braucht hier nicht entschieden zu werden, weil Litschgi begründete Veranlassung zu seiner Äusserung hatte.
4. Die in der "Vereinigung der Kälte-Firmen in der Schweiz" zusammengeschlossenen Unternehmen installieren in Privat- und Geschäftshäusern Kühlanlagen. Die Monteure dieser Unternehmen arbeiten also regelmässig in den Gebäulichkeiten der Kunden, wo sie nicht dauernd beaufsichtigt werden. Für diese Montagearbeiten können daher nur solche Kräfte eingesetzt werden, auf die sich der Kunde und der Arbeitgeber verlassen können. Missbraucht ein Monteur dieses Vertrauen, so erleidet regelmässig auch der Unternehmer eine Vertrauenseinbusse, die seine Stellung im wirtschaftlichen Wettbewerb beeinträchtigt.
Für die künftigen Arbeitgeber und ihre Kunden ist es demnach unerlässlich, die Vertrauenswürdigkeit eines Bewerbers für den Montagedienst zuverlässig beurteilen zu können. Darum ist er auf Auskünfte Dritter, insbesondere früherer Arbeitgeber des Bewerbers, angewiesen.
Diesem schutzwürdigen Bedürfnis diente die eingeklagte -Äusserung. Sidler war vom erwähnten Unternehmen für die Installation von Kühlanlagen entlassen worden, weil er während seiner beruflichen Tätigkeit Diebstähle und Veruntreuungen begangen hatte. Da diese Verfehlungen die charakterliche Eignung des Entlassenen für den Montagedienst ausschliessen, hatte Litschgi begründete Veranlassung, die übrigen Verbandsmitglieder, deren berechtigte Interessen er als Verbandssekretär zu fördern verpflichtet ist, zu orientieren, um sie vor ähnlichen Vertrauensmissbräuchen zu bewahren. Dabei hat er sich auch im Mittel nicht vergriffen. Er hat das Rundschreiben, worin er die Gründe anführte, die zur Entlassung des Sidler am früheren Arbeitsort geführt haben, unmittelbar und ausschliesslich den Verbandsmitgliedern zugestellt und diese erst noch durch einen entsprechenden Vermerk darauf hingewiesen, dass es sich um eine "vertrauliche" Mitteilung handle.
5. Der Einwand, Litschgi hätte trotzdem zu den Entlastungsbeweisen nicht zugelassen werden dürfen, weil die eingeklagte Äusserung sich auf das Privatleben beziehe, geht fehl. Gegenstand des Privatlebens bildet nur die eigentliche Privatsphäre. Handlungen, durch die jemand aus dieser heraus an die Aussenwelt tritt, wie das gerade beim Verhalten gegenüber dem Arbeitgeber zutrifft, fallen nicht mehr darunter (Urteile des Kassationshofes vom 21. Juni 1946 i.S. Witschi, vom 22. Oktober 1948 i.S. Herschdorfer und vom 30. September 1949 i.S. Blaser). Zudem übersieht Sidler, dass die Richtigkeit der dem Privatleben angehörenden Tatsachen nur dann nicht bewiesen werden darf, wenn die Äusserung ohne begründete Veranlassung vorgebracht (verbreitet) worden ist. Hat der Empfänger der Mitteilung ein schutzwürdiges Interesse, über eine dem Privatleben eines andern angehörende Tatsache unterrichtet zu werden, und wird die Auskunft in der Absicht erteilt, diesem Interesse zu dienen, so sind die Entlastungsbeweise des Art. 173 Ziff. 2 StGB zulässig.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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Art. 173 ch. 3 CP. a) Celui qui avait des motifs suffisants de porter une accusation doit être admis à fournir les preuves libératoires selon le ch. 2,même dans le cas où l'accusation avait trait à la vie privée (consid. 5).
b) Motifs suffisants (consid. 4).
c) Vie privée (consid. 5).
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Sachverhalt ab Seite 282
A.- Das Obergericht des Kantons Zürich verurteilte am 15. Dezember 1953 Albert Sidler zu sieben Monaten Gefängnis, weil er in den Jahren 1951 /1952 zum Nachteil einer Firma für die Installation von Kühlanlagen, bei der er damals als Kältemonteur angestellt war, wiederholt Diebstähle und Veruntreuungen begangen hatte. Wegen dieser Verfehlungen löste jenes Unternehmen im April 1952 den Dienstvertrag mit Sidler auf.
Alfred Litschgi versandte am 6. Januar 1954 an fünfzehn Mitglieder der "Vereinigung der Kälte-Firmen in der Schweiz", deren Sekretär er ist, ein Rundschreiben, worin er u.a. ausführte:
"Wir teilen Ihnen mit, dass Kälte-Monteur Sidler Albert von seinem früheren Arbeitgeber wegen Diebstahls und Veruntreuungen entlassen werden musste. Wir bitten Sie, bevor Sie diesen Monteur einstellen wollen, nähere Erkundigungen auf unserem Sekretariat einzuziehen."
B.- Sidler, der sich durch diese Mitteilung in seiner Ehre verletzt fühlte, klagte gegen Litschgi auf Bestrafung wegen übler Nachrede.
C.- Das Obergericht des Kantons Zürich wies durch Urteil vom 16. Mai 1955 die Klage ab, weil die Wahrheit des ehrenrührigen Vorwurfes bewiesen sei.
D.- Sidler führt Nichtigkeitsbeschwerde an das Bundesgericht mit den Anträgen, das Urteil vom 16. Mai 1955 sei aufzuheben und die Sache zur Verurteilung des Litschgi wegen übler Nachrede an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Er macht geltend, der Wahrheitsbeweis hätte nicht zugelassen werden sollen, da Litschgi die ehrenrührigen Vorwürfe ohne begründete Veranlassung verbreitet habe.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Es ist unbestritten, dass die im Rundschreiben vom 6. Januar 1954 enthaltene Mitteilung, Sidler sei wegen Diebstahls und Veruntreuung von seinem Arbeitgeber entlassen worden, ehrenrührig ist.
2. Sidler bestreitet auch nicht, dass die eingeklagte Äusserung der Wahrheit entspricht. Gemäss Art. 173 Ziff. 2 StGB wäre Litschgi daher nur strafbar, wenn er nach Ziff. 3 dieser Vorschrift zum Wahrheitsbeweis nicht zuzulassen wäre.
3. Nach der vom Obergericht implicite übernommenen Feststellung des Bezirksgerichts hat Litschgi die eingeklagte Äusserung nicht vorwiegend in der Absicht vorgebracht, Sidler Übles vorzuwerfen. Diese Feststellung ist tatsächlicher Natur (BGE 71 IV 131 Erw. 4). Sie bindet daher den Kassationshof des Bundesgerichtes (Art. 277bis Abs. 1 BStP). Ob es gemäss Art. 173 Ziff. 3 StGB für die Zulassung zu den Entlastungsbeweisen der Ziff. 2 dieser Vorschrift genüge, dass die Absicht, jemandem Übles vorzuwerfen, beim Beschuldigten nicht überwiegt, braucht hier nicht entschieden zu werden, weil Litschgi begründete Veranlassung zu seiner Äusserung hatte.
4. Die in der "Vereinigung der Kälte-Firmen in der Schweiz" zusammengeschlossenen Unternehmen installieren in Privat- und Geschäftshäusern Kühlanlagen. Die Monteure dieser Unternehmen arbeiten also regelmässig in den Gebäulichkeiten der Kunden, wo sie nicht dauernd beaufsichtigt werden. Für diese Montagearbeiten können daher nur solche Kräfte eingesetzt werden, auf die sich der Kunde und der Arbeitgeber verlassen können. Missbraucht ein Monteur dieses Vertrauen, so erleidet regelmässig auch der Unternehmer eine Vertrauenseinbusse, die seine Stellung im wirtschaftlichen Wettbewerb beeinträchtigt.
Für die künftigen Arbeitgeber und ihre Kunden ist es demnach unerlässlich, die Vertrauenswürdigkeit eines Bewerbers für den Montagedienst zuverlässig beurteilen zu können. Darum ist er auf Auskünfte Dritter, insbesondere früherer Arbeitgeber des Bewerbers, angewiesen.
Diesem schutzwürdigen Bedürfnis diente die eingeklagte -Äusserung. Sidler war vom erwähnten Unternehmen für die Installation von Kühlanlagen entlassen worden, weil er während seiner beruflichen Tätigkeit Diebstähle und Veruntreuungen begangen hatte. Da diese Verfehlungen die charakterliche Eignung des Entlassenen für den Montagedienst ausschliessen, hatte Litschgi begründete Veranlassung, die übrigen Verbandsmitglieder, deren berechtigte Interessen er als Verbandssekretär zu fördern verpflichtet ist, zu orientieren, um sie vor ähnlichen Vertrauensmissbräuchen zu bewahren. Dabei hat er sich auch im Mittel nicht vergriffen. Er hat das Rundschreiben, worin er die Gründe anführte, die zur Entlassung des Sidler am früheren Arbeitsort geführt haben, unmittelbar und ausschliesslich den Verbandsmitgliedern zugestellt und diese erst noch durch einen entsprechenden Vermerk darauf hingewiesen, dass es sich um eine "vertrauliche" Mitteilung handle.
5. Der Einwand, Litschgi hätte trotzdem zu den Entlastungsbeweisen nicht zugelassen werden dürfen, weil die eingeklagte Äusserung sich auf das Privatleben beziehe, geht fehl. Gegenstand des Privatlebens bildet nur die eigentliche Privatsphäre. Handlungen, durch die jemand aus dieser heraus an die Aussenwelt tritt, wie das gerade beim Verhalten gegenüber dem Arbeitgeber zutrifft, fallen nicht mehr darunter (Urteile des Kassationshofes vom 21. Juni 1946 i.S. Witschi, vom 22. Oktober 1948 i.S. Herschdorfer und vom 30. September 1949 i.S. Blaser). Zudem übersieht Sidler, dass die Richtigkeit der dem Privatleben angehörenden Tatsachen nur dann nicht bewiesen werden darf, wenn die Äusserung ohne begründete Veranlassung vorgebracht (verbreitet) worden ist. Hat der Empfänger der Mitteilung ein schutzwürdiges Interesse, über eine dem Privatleben eines andern angehörende Tatsache unterrichtet zu werden, und wird die Auskunft in der Absicht erteilt, diesem Interesse zu dienen, so sind die Entlastungsbeweise des Art. 173 Ziff. 2 StGB zulässig.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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Art. 173 cifra 3 CP. a) Chi aveva motivi sufficienti per proferire un'imputazione dev'essere ammesso a fornire le prove previste nella cifra 2 anche nel caso in cui l'imputazione si riferisse alla vita privata (consid. 5).
b) Motivo sufficiente (consid. 4).
c) Vita privata (consid. 5).
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Sachverhalt ab Seite 285
A.- Novic war im Mai 1948 vom Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt zu 10 Monaten Gefängnis verurteilt worden. Dem Vollzug dieser Strafe entzog er sich durch die Flucht ins Ausland. Wegen der deshalb erfolgten Ausschreibung im Schweiz. Polizeianzeiger konnte er die Gültigkeit seines Schweizerpasses, die am 29. Juli 1950 abgelaufen war, nicht auf dem ordentlichen Weg verlängern lassen. Ende Sommer 1950 liess er Buser, einen früheren Angestellten des Kontrollbureaus Basel, nach St. Louis (Frankreich) kommen, wo er ihn dazu überredete, einen Beamten des Kontrollbureaus Basel zu veranlassen, die Passverlängerung heimlich vorzunehmen. Buser war damit einverstanden und bestimmte nach seiner Rückkehr den Aktuar des Kontrollbureaus, Frei, im abgelaufenen Pass Novics die erforderlichen Verlängerungsstempel anzubringen. Frei führte die Eintragungen am 17. September 1950 aus. Nach Empfang des abgeänderten Passes beauftragte Novic in Frankreich einen Dritten mit der handschriftlichen Vervollständigung des Verlängerungsvermerks, insbesondere durch Beifügung der Unterschrift des Vorstehers des Kontrollbureaus.
Novic wurde im August 1952 zur Erstehung der 1948 ausgesprochenen Gefängnisstrafe von Frankreich den schweizerischen Behörden ausgeliefert. Am 18. Februar 1953 wurde er bedingt aus dem Gefängnis entlassen und für ein Jahr unter Probe gestellt.
B.- Am 25. Januar 1955 verurteilte das Strafgericht des Kantons Basel-Stadt Frei wegen Urkundenfälschung (Art. 317 StGB) und Begünstigung (Art. 305 StGB), Buser wegen Anstiftung eines Beamten zur Urkundenfälschung und wegen Begünstigung zu je einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von 6 Monaten und 2 Wochen und Novic wegen Anstiftung eines Beamten zur Urkundenfälschung zu 6 Monaten Gefängnis.
Das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt bestätigte dieses Urteil am 8. Juli 1955.
C.- Buser und Novic erklärten die Nichtigkeitsbeschwerde an das Bundesgericht. Beide beantragen, es sei das Urteil aufzuheben und die Sache zu ihrer Freisprechung, eventuell zur Verurteilung wegen Anstiftung zur Fälschung eines Ausweises nach Art. 252 StGB, an die Vorinstanz zurückzuweisen.
D.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt schliesst auf Abweisung der Nichtigkeitsbeschwerden.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
I.1. (Ausführungen darüber, dass Frei durch Anbringen der für die Passverlängerung erforderlichen Stempelabdrücke als Mittäter eine Urkundenfälschung begangen hat und Buser wegen Anstiftung dazu strafbar ist).
I.2. Art. 252 StGB privilegiert die Fälschung von Ausweisen insoweit, als der Täter lediglich beabsichtigt, sich oder einem andern das Fortkommen zu erleichtern. Handelt er in der Absicht, jemanden zu schädigen oder einen unrechtmässigen Vorteil zu erlangen, so ist Art. 251 StGB auch auf den Tatbestand der Fälschung von Ausweisen anwendbar. Art. 252 StGB kann ferner nur zur Anwendung kommen, wenn der Täter überhaupt den allgemeinen Bestimmungen über die Urkundenfälschungen des 11. Titels des StGB unterworfen ist. Diesen geht die Sonderbestimmung des Art. 317 StGB vor. Sie bestraft die von einem Beamten begangene Urkundenfälschung ohne Rücksicht auf dessen Absicht; denn diese Handlung ist ein Verbrechen gegen die Amtspflicht, verletzt also ein Rechtsgut, das durch die Art. 251 f. StGB nicht geschützt wird. Die Vorinstanz hat deshalb Frei zu Recht wegen Urkundenfälschung nach Art. 317 StGB verurteilt, falls er als Beamter gehandelt hat.
Nach Art. 317 StGB sind strafbar "Beamte oder Personen öffentlichen Glaubens, die vorsätzlich eine Urkunde fälschen oder verfälschen...". Diese Bestimmung trifft nach der Überschrift zum 18. Titel des StGB nur auf Fälschungen zu, die ein Beamter in Verletzung seiner Amtspflicht begeht. Ihre Anwendbarkeit setzt aber nicht voraus, dass es sich um eine Urkunde handle, deren Herstellung oder Abänderung normalerweise zum Aufgabenbereich des Täters gehört. Eine derartige Beschränkung kann dem Gesetzestext nicht entnommen werden. Sie hätte zur Folge, dass die vorliegende Verfälschung nur dann unter Art. 317 StGB fiele, wenn die beanstandete Eintragung durch einen Beamten gemacht worden wäre, dessen Funktion gerade in der Anbringung des Verlängerungsvermerks bestand. Es wäre jedoch stossend, wenn die von einem andern Beamten des gleichen Dienstzweiges begangene Tat einzig deshalb milder bestraft würde, weil er mit einer andern Aufgabe betraut ist. Entscheidend für die Anwendung des Art. 317 StGB kann nur sein, dass der Beamte zur Begehung einer Urkundenfälschung seine Amtspflicht missbraucht, zwischen der von ihm begangenen Fälschung und seinem Amt ein enger Zusammenhang besteht. Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Frei waren die Stempel des Kontrollbureaus kraft seiner Stellung als Aktuar dieses Amtes zugänglich, und er hat sie in dieser Eigenschaft missbraucht. Nicht stichhaltig ist deshalb der Einwand des Beschwerdeführers, die Stellung des Frei sei mit derjenigen einer Putzfrau vergleichbar, die in einem ihr zugänglichen Amtsraum amtliche Stempel missbräuchlich verwendet. Unerheblich ist auch, dass Frei sich nicht am eigenen Arbeitsplatz der Stempel bedienen konnte, sondern sich an eine andere Stelle des Schalterraumes, in dem er arbeitete, begeben musste.
I.3. Streitig ist, ob Art. 317 StGB auch auf den nicht qualifizierten Anstifter anwendbar ist oder ob es sich bei der Beamteneigenschaft um einen besondern persönlichen Umstand im Sinne des Art. 26 StGB handelt, der nur die Strafbarkeit der Tat desjenigen erhöht, bei dem er vorliegt. Nach herrschender Auffassung findet Art. 26 StGB keine Anwendung auf reine Sonderdelikte (z.B. Art. 313), weil die für die Erfüllung dieser Tatbestände geforderten Eigenschaften oder Umstände die Strafbarkeit überhaupt erst begründen; dagegen wird die Anwendbarkeit des Art. 26 StGB auf unechte Sonderdelikte (z.B. Art. 317), also Handlungen, die allgemein unter Strafe gestellt und nur unter bestimmten Umständen einer besondern Strafdrohung unterworfen sind, bejaht. Daraus wird gefolgert, der nicht qualifizierte Anstifter (und Gehilfe) unterstehe im ersten Fall der auf den Täter anwendbaren Sondernorm, im zweiten aber der der Sondernorm entsprechenden allgemeinen Strafbestimmung. Allein diesen Schluss rechtfertigt nicht die Tatsache, dass die Beamteneigenschaft des Täters beim reinen Sonderdelikt ein die Strafbarkeit begründendes und beim unechten Sonderdelikt nur ein strafschärfendes Element ist. Sie erklärt nicht, weshalb derselbe besondere Umstand z.B. dem Anstifter zur Gebührenüberforderung (Art. 313) schaden, das Verschulden und die Strafe des Anstifters zur Beamtenurkundenfälschung dagegen nicht beeinflussen soll. Wenn ein Nichtbeamter einen Beamten zu einem Sonderdelikt anstiftet, so ist das Verschulden des Anstifters dasselbe, ob der Umstand der Beamteneigenschaft konstitutive oder nur strafschärfende Wirkung besitzt; ihn in den beiden Fällen ungleich zu behandeln, ist nicht begründet. Geht man mit der Lehre, dem Grundsatz der Akzessorietät folgend, davon aus, dass der Anstifter zu einem echten Sonderdelikt wie der Täter bestraft wird, so drängt sich logischerweise die gleiche Lösung auch im Falle der Anstiftung zu einem unechten Sonderdelikt auf.
Dieser Grundsatz widerspricht der geltenden Ordnung nicht, wenn die Beamteneigenschaft ein Umstand sachlicher und nicht persönlicher Natur ist; Art. 26 StGB bildet dann keinen Hinderungsgrund, den nicht ausgezeichneten Teilnehmer auch in den Fällen unechter Sonderdelikte der gleichen Strafe zu unterziehen, die den Täter trifft. Sachliche Umstände unterscheiden sich von den persönlichen dadurch, dass sie nicht die Besonderheit des Täters kennzeichnen, sondern die objektive Schwere der Tat verändern. Bei den Amtsdelikten erhöht nicht die Beamteneigenschaft als solche die Strafbarkeit; es ist vielmehr der Umstand, dass sie unter missbräuchlicher Verwendung der den Beamten vom Staat verliehenen Amtsgewalt begangen werden. Die mittels solcher Befugnisse verübte Urkundenfälschung verletzt nicht nur das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Echtheit der Urkunden, sondern auch das besondere Vertrauen, das sie den Amtshandlungen des Staates entgegenbringt, und ebenso das Interesse des Staates an einer zuverlässigen Amtsführung seiner Beamten. Die Urkundenfälschung des Beamten ist objektiv schwerer und wirksamer als diejenige eines Nichtbeamten; es ist deshalb der in Art. 317 geforderte besondere Umstand ein sachlicher und folglich billig, dass auch der Anstifter schwerer bestraft wird.
Buser ist demnach zu Recht auf Grund von Art. 317 StGB verurteilt worden.
II.1. Novic bestreitet, dass die Voraussetzungen zur Verfolgung und Beurteilung seiner Tat durch die schweizerischen Behörden erfüllt seien. In erster Linie macht er geltend, die Tat sei in Frankreich begangen worden und unter den Auslieferungsdelikten des französisch-schweizerischen Auslieferungsvertrages nicht aufgeführt, so dass das schweizerische Strafrecht auf ihn nicht anwendbar sei (Art. 6 StGB). Im weitern bringt er vor, eine Verurteilung hätte auch nicht ausgesprochen werden dürfen, weil er einzig zur Verbüssung der 1948 über ihn verhängten Strafe ausgeliefert worden und die Wirkung der Spezialität nicht dahingefallen sei.
a) Der Grundsatz der Spezialität, wonach die Auslieferung an die Bedingung geknüpft ist, dass der Ausgelieferte für kein anderes (vor der Auslieferung begangenes) Delikt verfolgt oder bestraft werden dürfe als für dasjenige, wegen welchem die Auslieferung bewilligt wurde, wird sowohl im schweizerischen Auslieferungsgesetz von 1892 (Art. 7) als auch im französisch-schweizerischen Auslieferungsvertrag von 1869 (Art. 8) ausdrücklich anerkannt.
Der Vertrag, der für die Auslieferung eines Verbrechers von Frankreich in die Schweiz massgebend ist, lässt eine Ausnahme vom Grundsatz der Spezialität nur in zwei Fällen zu, nämlich, wenn der Angeklagte ausdrücklich und freiwillig seine Zustimmung dazu gegeben und der ausliefernde Staat davon Kenntnis erhalten hat, und ferner, wenn vorher die Einwilligung der ausliefernden Regierung eingeholt worden ist und ein Auslieferungsdelikt im Sinne des Vertrages vorliegt. Nach dem Wortlaut dieses Vertrages hätte die Nichtzustimmung des Angeklagten oder die Unmöglichkeit, mangels Vorliegens eines Auslieferungsdelikts die Einwilligung des ausliefernden Staates einzuholen, zur Folge, dass sich der Ausgelieferte ohne zeitliche Beschränkung auf den Grundsatz der Spezialität berufen könnte. Sinn und Zweck dieser Vertragsbestimmung kann aber nicht sein, dem Ausgelieferten auf unbestimmte Zeit Straffreiheit für alle von ihm vor der Auslieferung begangenen, nicht zu den Auslieferungsdelikten gehörenden Straftaten zu garantieren. Der Schutz vor der Bestrafung für früher begangene Straftaten, den die Spezialität gewährt, kann nicht unbefristet andauern. Schweigt der Auslieferungsvertrag zur Frage der Dauer der Spezialität, wie im vorliegenden Fall, so ist sie auf Grund der staatlichen Gesetze zu lösen. Da das schweizerische und französische Auslieferungsgesetz übereinstimmend eine Schonfrist von einem Monat vorsehen, ist die analoge Anwendung dieser Fristbestimmung auf französisch-schweizerische Auslieferungsfälle gerechtfertigt.
Ist davon auszugehen, dass Novic am 18. Februar 1954 endgültig aus der Strafverbüssung entlassen worden ist und innert Monatsfrist die Schweiz nicht verlassen hat, so stand der Grundsatz der Spezialität seiner Verfolgung nicht im Wege.
b) Nach Art. 7 StGB gilt ein Verbrechen oder Vergehen als da verübt, wo der Täter es ausführt, als auch dort, wo der Erfolg eingetreten ist. Diese Bestimmung gilt auch für die Anstiftung. Sie setzt nach Art. 24 Abs. 1 StGB voraus, dass der Anstifter einen andern zu dem von ihm "verübten" Verbrechen oder Vergehen vorsätzlich bestimmt hat. Vollendete Anstiftung liegt demnach nur vor, wenn der Angestiftete die Tat, zu der er bestimmt wurde, ausgeführt oder zum mindesten zu verwirklichen versucht hat. Zum Erfolg der Anstiftung gehört also nicht nur, dass es dem Anstifter gelungen ist, im andern den Willen zur Tatbegehung hervorzurufen, sondern auch, dass der Angestiftete mit der Ausführung der Tat begonnen hat. Ohne das letztere wäre der zur Vollendung der Anstiftung erforderliche Erfolg nicht abgeschlossen (Art. 22 Abs. 1 StGB).
Buser hat zwar den Entschluss, Frei zur Verfälschung des Passes zu veranlassen, in Frankreich gefasst, ihn aber erst in der Schweiz ausgeführt. Ist somit der Erfolg der von Novic begangenen Anstiftung auch in der Schweiz eingetreten, so gilt nach Art. 7 StGB seine Tat auch als dort verübt. Sie ist daher nach schweizerischem Recht zu beurteilen und unterliegt gemäss Art. 24 Abs. 1 StGB der Strafandrohung, die auf den angestifteten Buser Anwendung findet. Ob sie als Anstiftung zu der von Buser begangenen Anstiftung oder als indirekte Anstiftung zu der von Frei verübten Urkundenfälschung bezeichnet wird, ändert am Ergebnis nichts.
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Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden abgewiesen.
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1. Art. 317 StGB geht als Sonderbestimmung den Art. 251 ff. StGB vor. Entscheidend ist nicht die Art der gefälschten Urkunde, sondern dass der Beamte in Verletzung seiner Amtspflicht die Fälschung begeht (Erw. I 2). Anwendbarkeit des Art. 317 StGB auf den nicht qualifizierten Anstifter (Erw. I 3). 2. Grundsatz der Spezialität in französisch-schweiz. Auslieferungsfällen (Erw. II 1a).
3. Art. 7 StGB. Zum Erfolg der vollendeten Anstiftung gehört auch, dass der Angestiftete mit der Ausführung der Tat begonnen hat (Erw. II 1b).
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Sachverhalt ab Seite 285
A.- Novic war im Mai 1948 vom Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt zu 10 Monaten Gefängnis verurteilt worden. Dem Vollzug dieser Strafe entzog er sich durch die Flucht ins Ausland. Wegen der deshalb erfolgten Ausschreibung im Schweiz. Polizeianzeiger konnte er die Gültigkeit seines Schweizerpasses, die am 29. Juli 1950 abgelaufen war, nicht auf dem ordentlichen Weg verlängern lassen. Ende Sommer 1950 liess er Buser, einen früheren Angestellten des Kontrollbureaus Basel, nach St. Louis (Frankreich) kommen, wo er ihn dazu überredete, einen Beamten des Kontrollbureaus Basel zu veranlassen, die Passverlängerung heimlich vorzunehmen. Buser war damit einverstanden und bestimmte nach seiner Rückkehr den Aktuar des Kontrollbureaus, Frei, im abgelaufenen Pass Novics die erforderlichen Verlängerungsstempel anzubringen. Frei führte die Eintragungen am 17. September 1950 aus. Nach Empfang des abgeänderten Passes beauftragte Novic in Frankreich einen Dritten mit der handschriftlichen Vervollständigung des Verlängerungsvermerks, insbesondere durch Beifügung der Unterschrift des Vorstehers des Kontrollbureaus.
Novic wurde im August 1952 zur Erstehung der 1948 ausgesprochenen Gefängnisstrafe von Frankreich den schweizerischen Behörden ausgeliefert. Am 18. Februar 1953 wurde er bedingt aus dem Gefängnis entlassen und für ein Jahr unter Probe gestellt.
B.- Am 25. Januar 1955 verurteilte das Strafgericht des Kantons Basel-Stadt Frei wegen Urkundenfälschung (Art. 317 StGB) und Begünstigung (Art. 305 StGB), Buser wegen Anstiftung eines Beamten zur Urkundenfälschung und wegen Begünstigung zu je einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von 6 Monaten und 2 Wochen und Novic wegen Anstiftung eines Beamten zur Urkundenfälschung zu 6 Monaten Gefängnis.
Das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt bestätigte dieses Urteil am 8. Juli 1955.
C.- Buser und Novic erklärten die Nichtigkeitsbeschwerde an das Bundesgericht. Beide beantragen, es sei das Urteil aufzuheben und die Sache zu ihrer Freisprechung, eventuell zur Verurteilung wegen Anstiftung zur Fälschung eines Ausweises nach Art. 252 StGB, an die Vorinstanz zurückzuweisen.
D.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt schliesst auf Abweisung der Nichtigkeitsbeschwerden.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
I.1. (Ausführungen darüber, dass Frei durch Anbringen der für die Passverlängerung erforderlichen Stempelabdrücke als Mittäter eine Urkundenfälschung begangen hat und Buser wegen Anstiftung dazu strafbar ist).
I.2. Art. 252 StGB privilegiert die Fälschung von Ausweisen insoweit, als der Täter lediglich beabsichtigt, sich oder einem andern das Fortkommen zu erleichtern. Handelt er in der Absicht, jemanden zu schädigen oder einen unrechtmässigen Vorteil zu erlangen, so ist Art. 251 StGB auch auf den Tatbestand der Fälschung von Ausweisen anwendbar. Art. 252 StGB kann ferner nur zur Anwendung kommen, wenn der Täter überhaupt den allgemeinen Bestimmungen über die Urkundenfälschungen des 11. Titels des StGB unterworfen ist. Diesen geht die Sonderbestimmung des Art. 317 StGB vor. Sie bestraft die von einem Beamten begangene Urkundenfälschung ohne Rücksicht auf dessen Absicht; denn diese Handlung ist ein Verbrechen gegen die Amtspflicht, verletzt also ein Rechtsgut, das durch die Art. 251 f. StGB nicht geschützt wird. Die Vorinstanz hat deshalb Frei zu Recht wegen Urkundenfälschung nach Art. 317 StGB verurteilt, falls er als Beamter gehandelt hat.
Nach Art. 317 StGB sind strafbar "Beamte oder Personen öffentlichen Glaubens, die vorsätzlich eine Urkunde fälschen oder verfälschen...". Diese Bestimmung trifft nach der Überschrift zum 18. Titel des StGB nur auf Fälschungen zu, die ein Beamter in Verletzung seiner Amtspflicht begeht. Ihre Anwendbarkeit setzt aber nicht voraus, dass es sich um eine Urkunde handle, deren Herstellung oder Abänderung normalerweise zum Aufgabenbereich des Täters gehört. Eine derartige Beschränkung kann dem Gesetzestext nicht entnommen werden. Sie hätte zur Folge, dass die vorliegende Verfälschung nur dann unter Art. 317 StGB fiele, wenn die beanstandete Eintragung durch einen Beamten gemacht worden wäre, dessen Funktion gerade in der Anbringung des Verlängerungsvermerks bestand. Es wäre jedoch stossend, wenn die von einem andern Beamten des gleichen Dienstzweiges begangene Tat einzig deshalb milder bestraft würde, weil er mit einer andern Aufgabe betraut ist. Entscheidend für die Anwendung des Art. 317 StGB kann nur sein, dass der Beamte zur Begehung einer Urkundenfälschung seine Amtspflicht missbraucht, zwischen der von ihm begangenen Fälschung und seinem Amt ein enger Zusammenhang besteht. Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Frei waren die Stempel des Kontrollbureaus kraft seiner Stellung als Aktuar dieses Amtes zugänglich, und er hat sie in dieser Eigenschaft missbraucht. Nicht stichhaltig ist deshalb der Einwand des Beschwerdeführers, die Stellung des Frei sei mit derjenigen einer Putzfrau vergleichbar, die in einem ihr zugänglichen Amtsraum amtliche Stempel missbräuchlich verwendet. Unerheblich ist auch, dass Frei sich nicht am eigenen Arbeitsplatz der Stempel bedienen konnte, sondern sich an eine andere Stelle des Schalterraumes, in dem er arbeitete, begeben musste.
I.3. Streitig ist, ob Art. 317 StGB auch auf den nicht qualifizierten Anstifter anwendbar ist oder ob es sich bei der Beamteneigenschaft um einen besondern persönlichen Umstand im Sinne des Art. 26 StGB handelt, der nur die Strafbarkeit der Tat desjenigen erhöht, bei dem er vorliegt. Nach herrschender Auffassung findet Art. 26 StGB keine Anwendung auf reine Sonderdelikte (z.B. Art. 313), weil die für die Erfüllung dieser Tatbestände geforderten Eigenschaften oder Umstände die Strafbarkeit überhaupt erst begründen; dagegen wird die Anwendbarkeit des Art. 26 StGB auf unechte Sonderdelikte (z.B. Art. 317), also Handlungen, die allgemein unter Strafe gestellt und nur unter bestimmten Umständen einer besondern Strafdrohung unterworfen sind, bejaht. Daraus wird gefolgert, der nicht qualifizierte Anstifter (und Gehilfe) unterstehe im ersten Fall der auf den Täter anwendbaren Sondernorm, im zweiten aber der der Sondernorm entsprechenden allgemeinen Strafbestimmung. Allein diesen Schluss rechtfertigt nicht die Tatsache, dass die Beamteneigenschaft des Täters beim reinen Sonderdelikt ein die Strafbarkeit begründendes und beim unechten Sonderdelikt nur ein strafschärfendes Element ist. Sie erklärt nicht, weshalb derselbe besondere Umstand z.B. dem Anstifter zur Gebührenüberforderung (Art. 313) schaden, das Verschulden und die Strafe des Anstifters zur Beamtenurkundenfälschung dagegen nicht beeinflussen soll. Wenn ein Nichtbeamter einen Beamten zu einem Sonderdelikt anstiftet, so ist das Verschulden des Anstifters dasselbe, ob der Umstand der Beamteneigenschaft konstitutive oder nur strafschärfende Wirkung besitzt; ihn in den beiden Fällen ungleich zu behandeln, ist nicht begründet. Geht man mit der Lehre, dem Grundsatz der Akzessorietät folgend, davon aus, dass der Anstifter zu einem echten Sonderdelikt wie der Täter bestraft wird, so drängt sich logischerweise die gleiche Lösung auch im Falle der Anstiftung zu einem unechten Sonderdelikt auf.
Dieser Grundsatz widerspricht der geltenden Ordnung nicht, wenn die Beamteneigenschaft ein Umstand sachlicher und nicht persönlicher Natur ist; Art. 26 StGB bildet dann keinen Hinderungsgrund, den nicht ausgezeichneten Teilnehmer auch in den Fällen unechter Sonderdelikte der gleichen Strafe zu unterziehen, die den Täter trifft. Sachliche Umstände unterscheiden sich von den persönlichen dadurch, dass sie nicht die Besonderheit des Täters kennzeichnen, sondern die objektive Schwere der Tat verändern. Bei den Amtsdelikten erhöht nicht die Beamteneigenschaft als solche die Strafbarkeit; es ist vielmehr der Umstand, dass sie unter missbräuchlicher Verwendung der den Beamten vom Staat verliehenen Amtsgewalt begangen werden. Die mittels solcher Befugnisse verübte Urkundenfälschung verletzt nicht nur das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Echtheit der Urkunden, sondern auch das besondere Vertrauen, das sie den Amtshandlungen des Staates entgegenbringt, und ebenso das Interesse des Staates an einer zuverlässigen Amtsführung seiner Beamten. Die Urkundenfälschung des Beamten ist objektiv schwerer und wirksamer als diejenige eines Nichtbeamten; es ist deshalb der in Art. 317 geforderte besondere Umstand ein sachlicher und folglich billig, dass auch der Anstifter schwerer bestraft wird.
Buser ist demnach zu Recht auf Grund von Art. 317 StGB verurteilt worden.
II.1. Novic bestreitet, dass die Voraussetzungen zur Verfolgung und Beurteilung seiner Tat durch die schweizerischen Behörden erfüllt seien. In erster Linie macht er geltend, die Tat sei in Frankreich begangen worden und unter den Auslieferungsdelikten des französisch-schweizerischen Auslieferungsvertrages nicht aufgeführt, so dass das schweizerische Strafrecht auf ihn nicht anwendbar sei (Art. 6 StGB). Im weitern bringt er vor, eine Verurteilung hätte auch nicht ausgesprochen werden dürfen, weil er einzig zur Verbüssung der 1948 über ihn verhängten Strafe ausgeliefert worden und die Wirkung der Spezialität nicht dahingefallen sei.
a) Der Grundsatz der Spezialität, wonach die Auslieferung an die Bedingung geknüpft ist, dass der Ausgelieferte für kein anderes (vor der Auslieferung begangenes) Delikt verfolgt oder bestraft werden dürfe als für dasjenige, wegen welchem die Auslieferung bewilligt wurde, wird sowohl im schweizerischen Auslieferungsgesetz von 1892 (Art. 7) als auch im französisch-schweizerischen Auslieferungsvertrag von 1869 (Art. 8) ausdrücklich anerkannt.
Der Vertrag, der für die Auslieferung eines Verbrechers von Frankreich in die Schweiz massgebend ist, lässt eine Ausnahme vom Grundsatz der Spezialität nur in zwei Fällen zu, nämlich, wenn der Angeklagte ausdrücklich und freiwillig seine Zustimmung dazu gegeben und der ausliefernde Staat davon Kenntnis erhalten hat, und ferner, wenn vorher die Einwilligung der ausliefernden Regierung eingeholt worden ist und ein Auslieferungsdelikt im Sinne des Vertrages vorliegt. Nach dem Wortlaut dieses Vertrages hätte die Nichtzustimmung des Angeklagten oder die Unmöglichkeit, mangels Vorliegens eines Auslieferungsdelikts die Einwilligung des ausliefernden Staates einzuholen, zur Folge, dass sich der Ausgelieferte ohne zeitliche Beschränkung auf den Grundsatz der Spezialität berufen könnte. Sinn und Zweck dieser Vertragsbestimmung kann aber nicht sein, dem Ausgelieferten auf unbestimmte Zeit Straffreiheit für alle von ihm vor der Auslieferung begangenen, nicht zu den Auslieferungsdelikten gehörenden Straftaten zu garantieren. Der Schutz vor der Bestrafung für früher begangene Straftaten, den die Spezialität gewährt, kann nicht unbefristet andauern. Schweigt der Auslieferungsvertrag zur Frage der Dauer der Spezialität, wie im vorliegenden Fall, so ist sie auf Grund der staatlichen Gesetze zu lösen. Da das schweizerische und französische Auslieferungsgesetz übereinstimmend eine Schonfrist von einem Monat vorsehen, ist die analoge Anwendung dieser Fristbestimmung auf französisch-schweizerische Auslieferungsfälle gerechtfertigt.
Ist davon auszugehen, dass Novic am 18. Februar 1954 endgültig aus der Strafverbüssung entlassen worden ist und innert Monatsfrist die Schweiz nicht verlassen hat, so stand der Grundsatz der Spezialität seiner Verfolgung nicht im Wege.
b) Nach Art. 7 StGB gilt ein Verbrechen oder Vergehen als da verübt, wo der Täter es ausführt, als auch dort, wo der Erfolg eingetreten ist. Diese Bestimmung gilt auch für die Anstiftung. Sie setzt nach Art. 24 Abs. 1 StGB voraus, dass der Anstifter einen andern zu dem von ihm "verübten" Verbrechen oder Vergehen vorsätzlich bestimmt hat. Vollendete Anstiftung liegt demnach nur vor, wenn der Angestiftete die Tat, zu der er bestimmt wurde, ausgeführt oder zum mindesten zu verwirklichen versucht hat. Zum Erfolg der Anstiftung gehört also nicht nur, dass es dem Anstifter gelungen ist, im andern den Willen zur Tatbegehung hervorzurufen, sondern auch, dass der Angestiftete mit der Ausführung der Tat begonnen hat. Ohne das letztere wäre der zur Vollendung der Anstiftung erforderliche Erfolg nicht abgeschlossen (Art. 22 Abs. 1 StGB).
Buser hat zwar den Entschluss, Frei zur Verfälschung des Passes zu veranlassen, in Frankreich gefasst, ihn aber erst in der Schweiz ausgeführt. Ist somit der Erfolg der von Novic begangenen Anstiftung auch in der Schweiz eingetreten, so gilt nach Art. 7 StGB seine Tat auch als dort verübt. Sie ist daher nach schweizerischem Recht zu beurteilen und unterliegt gemäss Art. 24 Abs. 1 StGB der Strafandrohung, die auf den angestifteten Buser Anwendung findet. Ob sie als Anstiftung zu der von Buser begangenen Anstiftung oder als indirekte Anstiftung zu der von Frei verübten Urkundenfälschung bezeichnet wird, ändert am Ergebnis nichts.
...
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden abgewiesen.
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de
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1. L'art. 317 CP est une disposition spéciale, qui prime dès lors les art. 251 ss CP. Ce qui est décisif, ce n'est pas la nature du document falsifié, mais le fait que le fonctionnaire, en violation de son devoir de fonction, commet la falsification (consid. I 2). L'art. 317 est applicable à l'instigateur non qualifié (consid. I 3). 2. Principe de la spécialité en matière d'extradition dans les rapports franco-suisses (consid. II 1a).
3. Art. 7 CP. Pour que l'instigation aboutisse à un résultat, il faut aussi que l'instigué ait commencé à exécuter l'acte (consid. II 1b).
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