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81 IV 285
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81 IV 285
Sachverhalt ab Seite 285
A.- Novic war im Mai 1948 vom Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt zu 10 Monaten Gefängnis verurteilt worden. Dem Vollzug dieser Strafe entzog er sich durch die Flucht ins Ausland. Wegen der deshalb erfolgten Ausschreibung im Schweiz. Polizeianzeiger konnte er die Gültigkeit seines Schweizerpasses, die am 29. Juli 1950 abgelaufen war, nicht auf dem ordentlichen Weg verlängern lassen. Ende Sommer 1950 liess er Buser, einen früheren Angestellten des Kontrollbureaus Basel, nach St. Louis (Frankreich) kommen, wo er ihn dazu überredete, einen Beamten des Kontrollbureaus Basel zu veranlassen, die Passverlängerung heimlich vorzunehmen. Buser war damit einverstanden und bestimmte nach seiner Rückkehr den Aktuar des Kontrollbureaus, Frei, im abgelaufenen Pass Novics die erforderlichen Verlängerungsstempel anzubringen. Frei führte die Eintragungen am 17. September 1950 aus. Nach Empfang des abgeänderten Passes beauftragte Novic in Frankreich einen Dritten mit der handschriftlichen Vervollständigung des Verlängerungsvermerks, insbesondere durch Beifügung der Unterschrift des Vorstehers des Kontrollbureaus.
Novic wurde im August 1952 zur Erstehung der 1948 ausgesprochenen Gefängnisstrafe von Frankreich den schweizerischen Behörden ausgeliefert. Am 18. Februar 1953 wurde er bedingt aus dem Gefängnis entlassen und für ein Jahr unter Probe gestellt.
B.- Am 25. Januar 1955 verurteilte das Strafgericht des Kantons Basel-Stadt Frei wegen Urkundenfälschung (Art. 317 StGB) und Begünstigung (Art. 305 StGB), Buser wegen Anstiftung eines Beamten zur Urkundenfälschung und wegen Begünstigung zu je einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von 6 Monaten und 2 Wochen und Novic wegen Anstiftung eines Beamten zur Urkundenfälschung zu 6 Monaten Gefängnis.
Das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt bestätigte dieses Urteil am 8. Juli 1955.
C.- Buser und Novic erklärten die Nichtigkeitsbeschwerde an das Bundesgericht. Beide beantragen, es sei das Urteil aufzuheben und die Sache zu ihrer Freisprechung, eventuell zur Verurteilung wegen Anstiftung zur Fälschung eines Ausweises nach Art. 252 StGB, an die Vorinstanz zurückzuweisen.
D.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt schliesst auf Abweisung der Nichtigkeitsbeschwerden.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
I.1. (Ausführungen darüber, dass Frei durch Anbringen der für die Passverlängerung erforderlichen Stempelabdrücke als Mittäter eine Urkundenfälschung begangen hat und Buser wegen Anstiftung dazu strafbar ist).
I.2. Art. 252 StGB privilegiert die Fälschung von Ausweisen insoweit, als der Täter lediglich beabsichtigt, sich oder einem andern das Fortkommen zu erleichtern. Handelt er in der Absicht, jemanden zu schädigen oder einen unrechtmässigen Vorteil zu erlangen, so ist Art. 251 StGB auch auf den Tatbestand der Fälschung von Ausweisen anwendbar. Art. 252 StGB kann ferner nur zur Anwendung kommen, wenn der Täter überhaupt den allgemeinen Bestimmungen über die Urkundenfälschungen des 11. Titels des StGB unterworfen ist. Diesen geht die Sonderbestimmung des Art. 317 StGB vor. Sie bestraft die von einem Beamten begangene Urkundenfälschung ohne Rücksicht auf dessen Absicht; denn diese Handlung ist ein Verbrechen gegen die Amtspflicht, verletzt also ein Rechtsgut, das durch die Art. 251 f. StGB nicht geschützt wird. Die Vorinstanz hat deshalb Frei zu Recht wegen Urkundenfälschung nach Art. 317 StGB verurteilt, falls er als Beamter gehandelt hat.
Nach Art. 317 StGB sind strafbar "Beamte oder Personen öffentlichen Glaubens, die vorsätzlich eine Urkunde fälschen oder verfälschen...". Diese Bestimmung trifft nach der Überschrift zum 18. Titel des StGB nur auf Fälschungen zu, die ein Beamter in Verletzung seiner Amtspflicht begeht. Ihre Anwendbarkeit setzt aber nicht voraus, dass es sich um eine Urkunde handle, deren Herstellung oder Abänderung normalerweise zum Aufgabenbereich des Täters gehört. Eine derartige Beschränkung kann dem Gesetzestext nicht entnommen werden. Sie hätte zur Folge, dass die vorliegende Verfälschung nur dann unter Art. 317 StGB fiele, wenn die beanstandete Eintragung durch einen Beamten gemacht worden wäre, dessen Funktion gerade in der Anbringung des Verlängerungsvermerks bestand. Es wäre jedoch stossend, wenn die von einem andern Beamten des gleichen Dienstzweiges begangene Tat einzig deshalb milder bestraft würde, weil er mit einer andern Aufgabe betraut ist. Entscheidend für die Anwendung des Art. 317 StGB kann nur sein, dass der Beamte zur Begehung einer Urkundenfälschung seine Amtspflicht missbraucht, zwischen der von ihm begangenen Fälschung und seinem Amt ein enger Zusammenhang besteht. Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Frei waren die Stempel des Kontrollbureaus kraft seiner Stellung als Aktuar dieses Amtes zugänglich, und er hat sie in dieser Eigenschaft missbraucht. Nicht stichhaltig ist deshalb der Einwand des Beschwerdeführers, die Stellung des Frei sei mit derjenigen einer Putzfrau vergleichbar, die in einem ihr zugänglichen Amtsraum amtliche Stempel missbräuchlich verwendet. Unerheblich ist auch, dass Frei sich nicht am eigenen Arbeitsplatz der Stempel bedienen konnte, sondern sich an eine andere Stelle des Schalterraumes, in dem er arbeitete, begeben musste.
I.3. Streitig ist, ob Art. 317 StGB auch auf den nicht qualifizierten Anstifter anwendbar ist oder ob es sich bei der Beamteneigenschaft um einen besondern persönlichen Umstand im Sinne des Art. 26 StGB handelt, der nur die Strafbarkeit der Tat desjenigen erhöht, bei dem er vorliegt. Nach herrschender Auffassung findet Art. 26 StGB keine Anwendung auf reine Sonderdelikte (z.B. Art. 313), weil die für die Erfüllung dieser Tatbestände geforderten Eigenschaften oder Umstände die Strafbarkeit überhaupt erst begründen; dagegen wird die Anwendbarkeit des Art. 26 StGB auf unechte Sonderdelikte (z.B. Art. 317), also Handlungen, die allgemein unter Strafe gestellt und nur unter bestimmten Umständen einer besondern Strafdrohung unterworfen sind, bejaht. Daraus wird gefolgert, der nicht qualifizierte Anstifter (und Gehilfe) unterstehe im ersten Fall der auf den Täter anwendbaren Sondernorm, im zweiten aber der der Sondernorm entsprechenden allgemeinen Strafbestimmung. Allein diesen Schluss rechtfertigt nicht die Tatsache, dass die Beamteneigenschaft des Täters beim reinen Sonderdelikt ein die Strafbarkeit begründendes und beim unechten Sonderdelikt nur ein strafschärfendes Element ist. Sie erklärt nicht, weshalb derselbe besondere Umstand z.B. dem Anstifter zur Gebührenüberforderung (Art. 313) schaden, das Verschulden und die Strafe des Anstifters zur Beamtenurkundenfälschung dagegen nicht beeinflussen soll. Wenn ein Nichtbeamter einen Beamten zu einem Sonderdelikt anstiftet, so ist das Verschulden des Anstifters dasselbe, ob der Umstand der Beamteneigenschaft konstitutive oder nur strafschärfende Wirkung besitzt; ihn in den beiden Fällen ungleich zu behandeln, ist nicht begründet. Geht man mit der Lehre, dem Grundsatz der Akzessorietät folgend, davon aus, dass der Anstifter zu einem echten Sonderdelikt wie der Täter bestraft wird, so drängt sich logischerweise die gleiche Lösung auch im Falle der Anstiftung zu einem unechten Sonderdelikt auf.
Dieser Grundsatz widerspricht der geltenden Ordnung nicht, wenn die Beamteneigenschaft ein Umstand sachlicher und nicht persönlicher Natur ist; Art. 26 StGB bildet dann keinen Hinderungsgrund, den nicht ausgezeichneten Teilnehmer auch in den Fällen unechter Sonderdelikte der gleichen Strafe zu unterziehen, die den Täter trifft. Sachliche Umstände unterscheiden sich von den persönlichen dadurch, dass sie nicht die Besonderheit des Täters kennzeichnen, sondern die objektive Schwere der Tat verändern. Bei den Amtsdelikten erhöht nicht die Beamteneigenschaft als solche die Strafbarkeit; es ist vielmehr der Umstand, dass sie unter missbräuchlicher Verwendung der den Beamten vom Staat verliehenen Amtsgewalt begangen werden. Die mittels solcher Befugnisse verübte Urkundenfälschung verletzt nicht nur das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Echtheit der Urkunden, sondern auch das besondere Vertrauen, das sie den Amtshandlungen des Staates entgegenbringt, und ebenso das Interesse des Staates an einer zuverlässigen Amtsführung seiner Beamten. Die Urkundenfälschung des Beamten ist objektiv schwerer und wirksamer als diejenige eines Nichtbeamten; es ist deshalb der in Art. 317 geforderte besondere Umstand ein sachlicher und folglich billig, dass auch der Anstifter schwerer bestraft wird.
Buser ist demnach zu Recht auf Grund von Art. 317 StGB verurteilt worden.
II.1. Novic bestreitet, dass die Voraussetzungen zur Verfolgung und Beurteilung seiner Tat durch die schweizerischen Behörden erfüllt seien. In erster Linie macht er geltend, die Tat sei in Frankreich begangen worden und unter den Auslieferungsdelikten des französisch-schweizerischen Auslieferungsvertrages nicht aufgeführt, so dass das schweizerische Strafrecht auf ihn nicht anwendbar sei (Art. 6 StGB). Im weitern bringt er vor, eine Verurteilung hätte auch nicht ausgesprochen werden dürfen, weil er einzig zur Verbüssung der 1948 über ihn verhängten Strafe ausgeliefert worden und die Wirkung der Spezialität nicht dahingefallen sei.
a) Der Grundsatz der Spezialität, wonach die Auslieferung an die Bedingung geknüpft ist, dass der Ausgelieferte für kein anderes (vor der Auslieferung begangenes) Delikt verfolgt oder bestraft werden dürfe als für dasjenige, wegen welchem die Auslieferung bewilligt wurde, wird sowohl im schweizerischen Auslieferungsgesetz von 1892 (Art. 7) als auch im französisch-schweizerischen Auslieferungsvertrag von 1869 (Art. 8) ausdrücklich anerkannt.
Der Vertrag, der für die Auslieferung eines Verbrechers von Frankreich in die Schweiz massgebend ist, lässt eine Ausnahme vom Grundsatz der Spezialität nur in zwei Fällen zu, nämlich, wenn der Angeklagte ausdrücklich und freiwillig seine Zustimmung dazu gegeben und der ausliefernde Staat davon Kenntnis erhalten hat, und ferner, wenn vorher die Einwilligung der ausliefernden Regierung eingeholt worden ist und ein Auslieferungsdelikt im Sinne des Vertrages vorliegt. Nach dem Wortlaut dieses Vertrages hätte die Nichtzustimmung des Angeklagten oder die Unmöglichkeit, mangels Vorliegens eines Auslieferungsdelikts die Einwilligung des ausliefernden Staates einzuholen, zur Folge, dass sich der Ausgelieferte ohne zeitliche Beschränkung auf den Grundsatz der Spezialität berufen könnte. Sinn und Zweck dieser Vertragsbestimmung kann aber nicht sein, dem Ausgelieferten auf unbestimmte Zeit Straffreiheit für alle von ihm vor der Auslieferung begangenen, nicht zu den Auslieferungsdelikten gehörenden Straftaten zu garantieren. Der Schutz vor der Bestrafung für früher begangene Straftaten, den die Spezialität gewährt, kann nicht unbefristet andauern. Schweigt der Auslieferungsvertrag zur Frage der Dauer der Spezialität, wie im vorliegenden Fall, so ist sie auf Grund der staatlichen Gesetze zu lösen. Da das schweizerische und französische Auslieferungsgesetz übereinstimmend eine Schonfrist von einem Monat vorsehen, ist die analoge Anwendung dieser Fristbestimmung auf französisch-schweizerische Auslieferungsfälle gerechtfertigt.
Ist davon auszugehen, dass Novic am 18. Februar 1954 endgültig aus der Strafverbüssung entlassen worden ist und innert Monatsfrist die Schweiz nicht verlassen hat, so stand der Grundsatz der Spezialität seiner Verfolgung nicht im Wege.
b) Nach Art. 7 StGB gilt ein Verbrechen oder Vergehen als da verübt, wo der Täter es ausführt, als auch dort, wo der Erfolg eingetreten ist. Diese Bestimmung gilt auch für die Anstiftung. Sie setzt nach Art. 24 Abs. 1 StGB voraus, dass der Anstifter einen andern zu dem von ihm "verübten" Verbrechen oder Vergehen vorsätzlich bestimmt hat. Vollendete Anstiftung liegt demnach nur vor, wenn der Angestiftete die Tat, zu der er bestimmt wurde, ausgeführt oder zum mindesten zu verwirklichen versucht hat. Zum Erfolg der Anstiftung gehört also nicht nur, dass es dem Anstifter gelungen ist, im andern den Willen zur Tatbegehung hervorzurufen, sondern auch, dass der Angestiftete mit der Ausführung der Tat begonnen hat. Ohne das letztere wäre der zur Vollendung der Anstiftung erforderliche Erfolg nicht abgeschlossen (Art. 22 Abs. 1 StGB).
Buser hat zwar den Entschluss, Frei zur Verfälschung des Passes zu veranlassen, in Frankreich gefasst, ihn aber erst in der Schweiz ausgeführt. Ist somit der Erfolg der von Novic begangenen Anstiftung auch in der Schweiz eingetreten, so gilt nach Art. 7 StGB seine Tat auch als dort verübt. Sie ist daher nach schweizerischem Recht zu beurteilen und unterliegt gemäss Art. 24 Abs. 1 StGB der Strafandrohung, die auf den angestifteten Buser Anwendung findet. Ob sie als Anstiftung zu der von Buser begangenen Anstiftung oder als indirekte Anstiftung zu der von Frei verübten Urkundenfälschung bezeichnet wird, ändert am Ergebnis nichts.
...
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden abgewiesen.
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1. L'art. 317 CP è una disposizione speciale, che prevale sugli art. 251 sgg. CP. Determinante non è la natura del documento falsificato, bensi il fatto che il funzionario commette il falso in violazione dei suoi obblighi d'ufficio (consid. I 2). Applicazione dell'art. 317 all'istigatore non qualificato (consid. I 3). 2. Principio della specialità in materia d'estradizione nelle relazioni franco-svizzere (consid. II 1a).
3. Art. 7 CP. Perchè l'istigazione conduca a un risultato, occorre parimente che la persona istigata abbia cominciato a eseguire l'atto.
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81 IV 29
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Sachverhalt ab Seite 29
Das Obergericht des Kantons Appenzell-A.Rh. erklärte am 25. Oktober 1954 in einem von Amtes wegen eingeleiteten Strafverfahren den der Betreibung auf Pfändung unterliegenden August Widmer, der sich zahlungsunfähig erklärt hatte und über den daher gemäss Art. 191 SchKG am 5. August 1952 der Konkurs eröffnet worden war, des leichtsinnigen Konkurses und des Betruges schuldig und verurteilte ihn zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von vier Monaten.
Widmer führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, die Verurteilung wegen leichtsinnigen Konkurses sei aufzuheben und er sei in diesem Punkte freizusprechen. Er anerkennt, dass er seine Zahlungsunfähigkeit durch argen Leichtsinn und grobe Nachlässigkeit in der Ausübung seines Berufes herbeigeführt und dass er seine Vermögenslage im Bewusstsein seiner Zahlungsunfähigkeit verschlimmert habe, macht jedoch wie schon im kantonalen Verfahren geltend, gemäss Art. 165 Ziff. 2 StGB habe er, weil kein Gläubiger Strafantrag gestellt habe, nicht verfolgt und bestraft werden dürfen.
Die Justizdirektion des Kantons Appenzell-A.Rh. hält die Beschwerde für unbegründet.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Die in Art. 165 Ziff. 1 StGB umschriebenen Vergehen des leichtsinnigen Konkurses und des Vermögensverfalles ziehen Strafe nach sich, wenn über den Schuldner "der Konkurs eröffnet oder gegen ihn ein Verlustschein ausgestellt worden ist". Der französische und der italienische Text ergeben keinen abweichenden Sinn. Strafbarkeitsbedingung ist darnach alternativ die Eröffnung des Konkurses oder die Ausstellung eines Verlustscheines, und zwar ohne Unterschied, ob der Schuldner der Konkursbetreibung unterlegen, d.h. in einer der in Art. 39 SchKG erwähnten Eigenschaften im Handelsregister eingetragen gewesen sei. Strafbar wird also in den Fällen der Art. 190 Abs. 1 Ziff. 1 und Art. 191 SchKG auch der der Betreibung auf Pfändung unterliegende Schuldner schon mit der Eröffnung des Konkurses, nicht erst mit der Ausstellung eines Verlustscheines, und anderseits kann der der Betreibung auf Konkurs unterliegende Schuldner, gegen den für eine in Art. 43 SchKG genannte Forderung in einer Betreibung auf Pfändung ein Verlustschein erlangt wird, sich der Strafe nicht mit dem Einwande entziehen, er unterliege der Konkursbetreibung, doch sei gegen ihn der Konkurs nicht eröffnet worden.
Es liegt daher nahe anzunehmen, dass auch die Ziff. 2 des Art. 165 StGB, wonach in gewissen Fällen die Strafverfolgung nur auf Antrag eines Gläubigers eintritt, der gegen den Schuldner einen Verlustschein erwirkt hat, nicht darauf sieht, ob der Schuldner der Konkursbetreibung oder der Betreibung auf Pfändung unterlag, sondern darauf, ob gegen ihn der Konkurs eröffnet oder vielmehr in einer Betreibung auf Pfändung ein Verlustschein ausgestellt worden ist. Das spricht für die Richtigkeit des deutschen und des italienischen Textes, wonach das Antragserfordernis "gegenüber dem auf Pfändung betriebenen Schuldner" bzw. für die Verfolgung des "debitore escusso in via di pignoramento" gilt.
Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass das Kriterium des französischen Textes, der vom "débiteur soumis à la poursuite par voie de saisie" spricht, auch in Art. 164 Ziff. 1 StGB verwendet werde. Auch in der letzteren Bestimmung stimmen die drei Texte nicht überein, da nur der deutsche mit der Wendung "der der Betreibung auf Pfändung unterliegende Schuldner" dem französischen entspricht, während der italienische den "debitore escusso in via di pignoramento" strafbar erklärt. Der italienische Text entspricht hier dem Sinn des Gesetzes besser. Der den Pfändungsbetrug normierende Art. 164 StGB ist das Gegenstück zu dem den betrügerischen Konkurs betreffenden Art. 163. Das Kriterium für die Anwendbarkeit der einen oder der anderen Bestimmung muss also ein und dasselbe sein, weil sonst Unstimmigkeiten entstünden. Art. 163 Ziff. 1 sieht es darin, dass über den Schuldner der Konkurs eröffnet worden ist; denn die Bestimmung spricht nicht etwa von dem der Konkursbetreibung unterliegenden Schuldner, sondern vom Schuldner schlechthin, und zwar in allen drei Texten übereinstimmend. Somit muss Art. 164 Ziff. 1 für den Schuldner gelten, gegen den in einer Betreibung auf Pfändung ein Verlustschein ausgestellt worden ist, und nur für ihn. Schuldner, die der Betreibung auf Pfändung unterliegen, gegen die jedoch gemäss Art. 190 Abs. 1 Ziff. 1 oder Art. 191 SchKG der Konkurs eröffnet wird, würden sonst zwar vor der Ausstellung eines Konkursverlustscheins nur von Art. 163 Ziff. 1, nachher aber ausserdem von Art. 164 Ziff. 1 StGB erfasst, während Schuldner, die der Konkursbetreibung unterliegen, aber in einer Betreibung auf Pfändung den Gläubiger einer unter Art. 43 SchKG fallenden Forderung zu Verlust kommen lassen, unter Art. 164 Ziff. 1 sowenig wie unter Art. 163 Ziff. 1 StGB fielen. Dass der Gesetzgeber eine solche Unstimmigkeit gewollt habe, ist umsoweniger denkbar, als er in Art. 165 Ziff. 1 StGB den Weg zu einer Lösung, die sowohl allen Fällen der Konkurseröffnung als auch allen Fällen der Ausstellung von Pfändungsverlustscheinen Rechnung trägt und daher allein vernünftig sein kann, gefunden hat. Die Wendung "der der Betreibung auf Pfändung unterliegende Schuldner" ("le débiteur soumis à la poursuite par voie de saisie") in Art. 164 Ziff. 1 kann darauf zurückgeführt werden, dass die dem italienischen Text entsprechende Wendung "der auf Pfändung betriebene Schuldner" die Meinung hätte aufkommen lassen, der Schuldner müsse zur Zeit der Tat betrieben gewesen sein, was keineswegs der Sinn der Bestimmung ist. Richtigerweise hätte im ersten Absatz von Art. 164 Ziff. 1 einfach vom Schuldner gesprochen und im vierten Absatz gesagt werden sollen: "... wenn gegen ihn in einer Betreibung auf Pfändung ein Verlustschein ausgestellt worden ist ..."
2. Der Grundgedanke, der dazu geführt hat, in Art. 165 Ziff. 2 die Strafverfolgung von einem Antrag abhängig zu machen, bestätigt, dass ein solcher immer dann nötig ist, wenn der Schuldner auf Pfändung betrieben worden ist, auch wenn er der Betreibung auf Konkurs unterlag, und dass die Strafverfolgung immer dann von Amtes wegen stattzufinden hat, wenn der Konkurs eröffnet worden ist, auch wenn der Schuldner der Betreibung auf Pfändung unterlag. Das Antragserfordernis wurde eingeführt, um den Betreibungsbeamten der Pflicht zu entheben, in jedem Falle der Ausstellung eines Pfändungsverlustscheines zu prüfen, ob gegen den Schuldner Strafanzeige einzureichen sei; man fand, die Fälle fruchtloser Pfändungen seien zu häufig, während im Konkurs die Verhältnisse von Amtes wegen genau geprüft werden könnten (Protokoll 2. ExpK 4116 f. Voten Zürcher und Gautier).
Ausserdem rechtfertigt sich im Konkurs die Prüfung von Amtes wegen deshalb, weil hier der Schaden in der Regel grösser ist als in einer Betreibung auf Pfändung, und weil er gewöhnlich viele Gläubiger trifft. Unter diesem Gesichtspunkt kann entgegen der Auffassung des zürcherischen Obergerichts (SJZ 42 365 Nr. 139) nichts darauf ankommen, ob der Schuldner der Konkursbetreibung oder der Betreibung auf Pfändung unterlag; die "schärfere strafrechtliche Erfassung", eben durch Verfolgung von Amtes wegen, rechtfertigt sich, weil es, gleichgültig wie, zum Konkurs gekommen ist.
Auch ist zu bedenken, dass im Konkurse alle Gläubiger in der gesetzlichen Rangordnung (Art. 219 SchKG) aus dem Vermögen des Schuldners gleichmässig zu befriedigen sind. Die Strafverfolgung in gewissen Fällen von Konkurs vom Antrag eines Gläubigers abhängen lassen, hiesse dem Markten zwischen dem Schuldner und einzelnen Gläubigern um die Unterlassung oder den Rückzug eines Strafantrages Tür und Tor öffnen. Einzelne Gläubiger könnten leicht in Versuchung kommen, durch Androhung oder Einreichung eines Strafantrages den Schuldner zur Einräumung besonderer Vorteile zu bewegen, die sich mit dem Gedanken der Gleichbehandlung aller Gläubiger schlecht vertrügen.
Dass die Aussicht, von Amtes wegen verfolgt zu werden, den Schuldner davon abhalten kann, sich zahlungsunfähig zu erklären, ist kein Grund zu einer anderen Auslegung des Gesetzes. Gewiss mag so ein Schuldner einmal davon abgehalten werden, vom Rechte des Art. 191 SchKG Gebrauch zu machen, obschon gewisse Gläubiger - nicht notwendigerweise alle - ein Interesse am Konkurse hätten. Darauf kann jedoch nicht Rücksicht genommen werden; indem Art. 191 SchKG es ins Belieben des Schuldners stellt, sich zahlungsunfähig zu erklären oder nicht, hat das Gesetz die Interessen von Gläubigern, die die Durchführung eines Konkurses wünschen könnten, bewusst übergangen. Es ist auch nicht stossend, den Schuldner, der sich zahlungsunfähig erklärt hat, von Amtes wegen zu verfolgen, während er ohne seinen Schritt nur auf Antrag hätte verfolgt werden können; denn der nicht der Konkursbetreibung unterliegende Schuldner wird sich nur dann zahlungsunfähig erklären, wenn er darin für sich einen Vorteil sieht, namentlich weil er auf Grund der im Konkurse ausgestellten Verlustscheine nur unter der Voraussetzung des Art. 265 Abs. 2 SchKG wieder betrieben werden kann. Den Nachteil der Verfolgung von Amtes wegen hat er in Kauf zu nehmen.
Der Beschwerdeführer ist somit zu Recht von Amtes wegen verfolgt worden.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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Art. 164 Ziff. 1 und 165 Ziff. 2 StGB gelten gegenüber dem auf Pfändung betriebenen Schuldner, auch wenn er der Konkursbetreibung unterlag (Fälle des Art. 43 SchKG); sie gelten dagegen nicht, wenn der Konkurs eröffnet worden ist, obwohl der Schuldner der Betreibung auf Pfändung unterlag (Fälle der Art. 190 Abs. 1 Ziff. 1 und 191 SchKG).
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81 IV 29
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Sachverhalt ab Seite 29
Das Obergericht des Kantons Appenzell-A.Rh. erklärte am 25. Oktober 1954 in einem von Amtes wegen eingeleiteten Strafverfahren den der Betreibung auf Pfändung unterliegenden August Widmer, der sich zahlungsunfähig erklärt hatte und über den daher gemäss Art. 191 SchKG am 5. August 1952 der Konkurs eröffnet worden war, des leichtsinnigen Konkurses und des Betruges schuldig und verurteilte ihn zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von vier Monaten.
Widmer führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, die Verurteilung wegen leichtsinnigen Konkurses sei aufzuheben und er sei in diesem Punkte freizusprechen. Er anerkennt, dass er seine Zahlungsunfähigkeit durch argen Leichtsinn und grobe Nachlässigkeit in der Ausübung seines Berufes herbeigeführt und dass er seine Vermögenslage im Bewusstsein seiner Zahlungsunfähigkeit verschlimmert habe, macht jedoch wie schon im kantonalen Verfahren geltend, gemäss Art. 165 Ziff. 2 StGB habe er, weil kein Gläubiger Strafantrag gestellt habe, nicht verfolgt und bestraft werden dürfen.
Die Justizdirektion des Kantons Appenzell-A.Rh. hält die Beschwerde für unbegründet.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Die in Art. 165 Ziff. 1 StGB umschriebenen Vergehen des leichtsinnigen Konkurses und des Vermögensverfalles ziehen Strafe nach sich, wenn über den Schuldner "der Konkurs eröffnet oder gegen ihn ein Verlustschein ausgestellt worden ist". Der französische und der italienische Text ergeben keinen abweichenden Sinn. Strafbarkeitsbedingung ist darnach alternativ die Eröffnung des Konkurses oder die Ausstellung eines Verlustscheines, und zwar ohne Unterschied, ob der Schuldner der Konkursbetreibung unterlegen, d.h. in einer der in Art. 39 SchKG erwähnten Eigenschaften im Handelsregister eingetragen gewesen sei. Strafbar wird also in den Fällen der Art. 190 Abs. 1 Ziff. 1 und Art. 191 SchKG auch der der Betreibung auf Pfändung unterliegende Schuldner schon mit der Eröffnung des Konkurses, nicht erst mit der Ausstellung eines Verlustscheines, und anderseits kann der der Betreibung auf Konkurs unterliegende Schuldner, gegen den für eine in Art. 43 SchKG genannte Forderung in einer Betreibung auf Pfändung ein Verlustschein erlangt wird, sich der Strafe nicht mit dem Einwande entziehen, er unterliege der Konkursbetreibung, doch sei gegen ihn der Konkurs nicht eröffnet worden.
Es liegt daher nahe anzunehmen, dass auch die Ziff. 2 des Art. 165 StGB, wonach in gewissen Fällen die Strafverfolgung nur auf Antrag eines Gläubigers eintritt, der gegen den Schuldner einen Verlustschein erwirkt hat, nicht darauf sieht, ob der Schuldner der Konkursbetreibung oder der Betreibung auf Pfändung unterlag, sondern darauf, ob gegen ihn der Konkurs eröffnet oder vielmehr in einer Betreibung auf Pfändung ein Verlustschein ausgestellt worden ist. Das spricht für die Richtigkeit des deutschen und des italienischen Textes, wonach das Antragserfordernis "gegenüber dem auf Pfändung betriebenen Schuldner" bzw. für die Verfolgung des "debitore escusso in via di pignoramento" gilt.
Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass das Kriterium des französischen Textes, der vom "débiteur soumis à la poursuite par voie de saisie" spricht, auch in Art. 164 Ziff. 1 StGB verwendet werde. Auch in der letzteren Bestimmung stimmen die drei Texte nicht überein, da nur der deutsche mit der Wendung "der der Betreibung auf Pfändung unterliegende Schuldner" dem französischen entspricht, während der italienische den "debitore escusso in via di pignoramento" strafbar erklärt. Der italienische Text entspricht hier dem Sinn des Gesetzes besser. Der den Pfändungsbetrug normierende Art. 164 StGB ist das Gegenstück zu dem den betrügerischen Konkurs betreffenden Art. 163. Das Kriterium für die Anwendbarkeit der einen oder der anderen Bestimmung muss also ein und dasselbe sein, weil sonst Unstimmigkeiten entstünden. Art. 163 Ziff. 1 sieht es darin, dass über den Schuldner der Konkurs eröffnet worden ist; denn die Bestimmung spricht nicht etwa von dem der Konkursbetreibung unterliegenden Schuldner, sondern vom Schuldner schlechthin, und zwar in allen drei Texten übereinstimmend. Somit muss Art. 164 Ziff. 1 für den Schuldner gelten, gegen den in einer Betreibung auf Pfändung ein Verlustschein ausgestellt worden ist, und nur für ihn. Schuldner, die der Betreibung auf Pfändung unterliegen, gegen die jedoch gemäss Art. 190 Abs. 1 Ziff. 1 oder Art. 191 SchKG der Konkurs eröffnet wird, würden sonst zwar vor der Ausstellung eines Konkursverlustscheins nur von Art. 163 Ziff. 1, nachher aber ausserdem von Art. 164 Ziff. 1 StGB erfasst, während Schuldner, die der Konkursbetreibung unterliegen, aber in einer Betreibung auf Pfändung den Gläubiger einer unter Art. 43 SchKG fallenden Forderung zu Verlust kommen lassen, unter Art. 164 Ziff. 1 sowenig wie unter Art. 163 Ziff. 1 StGB fielen. Dass der Gesetzgeber eine solche Unstimmigkeit gewollt habe, ist umsoweniger denkbar, als er in Art. 165 Ziff. 1 StGB den Weg zu einer Lösung, die sowohl allen Fällen der Konkurseröffnung als auch allen Fällen der Ausstellung von Pfändungsverlustscheinen Rechnung trägt und daher allein vernünftig sein kann, gefunden hat. Die Wendung "der der Betreibung auf Pfändung unterliegende Schuldner" ("le débiteur soumis à la poursuite par voie de saisie") in Art. 164 Ziff. 1 kann darauf zurückgeführt werden, dass die dem italienischen Text entsprechende Wendung "der auf Pfändung betriebene Schuldner" die Meinung hätte aufkommen lassen, der Schuldner müsse zur Zeit der Tat betrieben gewesen sein, was keineswegs der Sinn der Bestimmung ist. Richtigerweise hätte im ersten Absatz von Art. 164 Ziff. 1 einfach vom Schuldner gesprochen und im vierten Absatz gesagt werden sollen: "... wenn gegen ihn in einer Betreibung auf Pfändung ein Verlustschein ausgestellt worden ist ..."
2. Der Grundgedanke, der dazu geführt hat, in Art. 165 Ziff. 2 die Strafverfolgung von einem Antrag abhängig zu machen, bestätigt, dass ein solcher immer dann nötig ist, wenn der Schuldner auf Pfändung betrieben worden ist, auch wenn er der Betreibung auf Konkurs unterlag, und dass die Strafverfolgung immer dann von Amtes wegen stattzufinden hat, wenn der Konkurs eröffnet worden ist, auch wenn der Schuldner der Betreibung auf Pfändung unterlag. Das Antragserfordernis wurde eingeführt, um den Betreibungsbeamten der Pflicht zu entheben, in jedem Falle der Ausstellung eines Pfändungsverlustscheines zu prüfen, ob gegen den Schuldner Strafanzeige einzureichen sei; man fand, die Fälle fruchtloser Pfändungen seien zu häufig, während im Konkurs die Verhältnisse von Amtes wegen genau geprüft werden könnten (Protokoll 2. ExpK 4116 f. Voten Zürcher und Gautier).
Ausserdem rechtfertigt sich im Konkurs die Prüfung von Amtes wegen deshalb, weil hier der Schaden in der Regel grösser ist als in einer Betreibung auf Pfändung, und weil er gewöhnlich viele Gläubiger trifft. Unter diesem Gesichtspunkt kann entgegen der Auffassung des zürcherischen Obergerichts (SJZ 42 365 Nr. 139) nichts darauf ankommen, ob der Schuldner der Konkursbetreibung oder der Betreibung auf Pfändung unterlag; die "schärfere strafrechtliche Erfassung", eben durch Verfolgung von Amtes wegen, rechtfertigt sich, weil es, gleichgültig wie, zum Konkurs gekommen ist.
Auch ist zu bedenken, dass im Konkurse alle Gläubiger in der gesetzlichen Rangordnung (Art. 219 SchKG) aus dem Vermögen des Schuldners gleichmässig zu befriedigen sind. Die Strafverfolgung in gewissen Fällen von Konkurs vom Antrag eines Gläubigers abhängen lassen, hiesse dem Markten zwischen dem Schuldner und einzelnen Gläubigern um die Unterlassung oder den Rückzug eines Strafantrages Tür und Tor öffnen. Einzelne Gläubiger könnten leicht in Versuchung kommen, durch Androhung oder Einreichung eines Strafantrages den Schuldner zur Einräumung besonderer Vorteile zu bewegen, die sich mit dem Gedanken der Gleichbehandlung aller Gläubiger schlecht vertrügen.
Dass die Aussicht, von Amtes wegen verfolgt zu werden, den Schuldner davon abhalten kann, sich zahlungsunfähig zu erklären, ist kein Grund zu einer anderen Auslegung des Gesetzes. Gewiss mag so ein Schuldner einmal davon abgehalten werden, vom Rechte des Art. 191 SchKG Gebrauch zu machen, obschon gewisse Gläubiger - nicht notwendigerweise alle - ein Interesse am Konkurse hätten. Darauf kann jedoch nicht Rücksicht genommen werden; indem Art. 191 SchKG es ins Belieben des Schuldners stellt, sich zahlungsunfähig zu erklären oder nicht, hat das Gesetz die Interessen von Gläubigern, die die Durchführung eines Konkurses wünschen könnten, bewusst übergangen. Es ist auch nicht stossend, den Schuldner, der sich zahlungsunfähig erklärt hat, von Amtes wegen zu verfolgen, während er ohne seinen Schritt nur auf Antrag hätte verfolgt werden können; denn der nicht der Konkursbetreibung unterliegende Schuldner wird sich nur dann zahlungsunfähig erklären, wenn er darin für sich einen Vorteil sieht, namentlich weil er auf Grund der im Konkurse ausgestellten Verlustscheine nur unter der Voraussetzung des Art. 265 Abs. 2 SchKG wieder betrieben werden kann. Den Nachteil der Verfolgung von Amtes wegen hat er in Kauf zu nehmen.
Der Beschwerdeführer ist somit zu Recht von Amtes wegen verfolgt worden.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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Les art. 164 ch. 1 et 165 ch. 2 CP sont applicables au débiteur poursuivi par voie de saisie, même lorsqu'il est soumis à la poursuite par voie de faillite (cas de l'art. 43 LP); en revanche, ils sont inapplicables, lorsque la faillite est ouverte, bien que le débiteur soit soumis à la poursuite par voie de saisie (cas des art. 190 al. 1 ch. 1 et 191 LP).
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81 IV 29
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Sachverhalt ab Seite 29
Das Obergericht des Kantons Appenzell-A.Rh. erklärte am 25. Oktober 1954 in einem von Amtes wegen eingeleiteten Strafverfahren den der Betreibung auf Pfändung unterliegenden August Widmer, der sich zahlungsunfähig erklärt hatte und über den daher gemäss Art. 191 SchKG am 5. August 1952 der Konkurs eröffnet worden war, des leichtsinnigen Konkurses und des Betruges schuldig und verurteilte ihn zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von vier Monaten.
Widmer führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, die Verurteilung wegen leichtsinnigen Konkurses sei aufzuheben und er sei in diesem Punkte freizusprechen. Er anerkennt, dass er seine Zahlungsunfähigkeit durch argen Leichtsinn und grobe Nachlässigkeit in der Ausübung seines Berufes herbeigeführt und dass er seine Vermögenslage im Bewusstsein seiner Zahlungsunfähigkeit verschlimmert habe, macht jedoch wie schon im kantonalen Verfahren geltend, gemäss Art. 165 Ziff. 2 StGB habe er, weil kein Gläubiger Strafantrag gestellt habe, nicht verfolgt und bestraft werden dürfen.
Die Justizdirektion des Kantons Appenzell-A.Rh. hält die Beschwerde für unbegründet.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Die in Art. 165 Ziff. 1 StGB umschriebenen Vergehen des leichtsinnigen Konkurses und des Vermögensverfalles ziehen Strafe nach sich, wenn über den Schuldner "der Konkurs eröffnet oder gegen ihn ein Verlustschein ausgestellt worden ist". Der französische und der italienische Text ergeben keinen abweichenden Sinn. Strafbarkeitsbedingung ist darnach alternativ die Eröffnung des Konkurses oder die Ausstellung eines Verlustscheines, und zwar ohne Unterschied, ob der Schuldner der Konkursbetreibung unterlegen, d.h. in einer der in Art. 39 SchKG erwähnten Eigenschaften im Handelsregister eingetragen gewesen sei. Strafbar wird also in den Fällen der Art. 190 Abs. 1 Ziff. 1 und Art. 191 SchKG auch der der Betreibung auf Pfändung unterliegende Schuldner schon mit der Eröffnung des Konkurses, nicht erst mit der Ausstellung eines Verlustscheines, und anderseits kann der der Betreibung auf Konkurs unterliegende Schuldner, gegen den für eine in Art. 43 SchKG genannte Forderung in einer Betreibung auf Pfändung ein Verlustschein erlangt wird, sich der Strafe nicht mit dem Einwande entziehen, er unterliege der Konkursbetreibung, doch sei gegen ihn der Konkurs nicht eröffnet worden.
Es liegt daher nahe anzunehmen, dass auch die Ziff. 2 des Art. 165 StGB, wonach in gewissen Fällen die Strafverfolgung nur auf Antrag eines Gläubigers eintritt, der gegen den Schuldner einen Verlustschein erwirkt hat, nicht darauf sieht, ob der Schuldner der Konkursbetreibung oder der Betreibung auf Pfändung unterlag, sondern darauf, ob gegen ihn der Konkurs eröffnet oder vielmehr in einer Betreibung auf Pfändung ein Verlustschein ausgestellt worden ist. Das spricht für die Richtigkeit des deutschen und des italienischen Textes, wonach das Antragserfordernis "gegenüber dem auf Pfändung betriebenen Schuldner" bzw. für die Verfolgung des "debitore escusso in via di pignoramento" gilt.
Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass das Kriterium des französischen Textes, der vom "débiteur soumis à la poursuite par voie de saisie" spricht, auch in Art. 164 Ziff. 1 StGB verwendet werde. Auch in der letzteren Bestimmung stimmen die drei Texte nicht überein, da nur der deutsche mit der Wendung "der der Betreibung auf Pfändung unterliegende Schuldner" dem französischen entspricht, während der italienische den "debitore escusso in via di pignoramento" strafbar erklärt. Der italienische Text entspricht hier dem Sinn des Gesetzes besser. Der den Pfändungsbetrug normierende Art. 164 StGB ist das Gegenstück zu dem den betrügerischen Konkurs betreffenden Art. 163. Das Kriterium für die Anwendbarkeit der einen oder der anderen Bestimmung muss also ein und dasselbe sein, weil sonst Unstimmigkeiten entstünden. Art. 163 Ziff. 1 sieht es darin, dass über den Schuldner der Konkurs eröffnet worden ist; denn die Bestimmung spricht nicht etwa von dem der Konkursbetreibung unterliegenden Schuldner, sondern vom Schuldner schlechthin, und zwar in allen drei Texten übereinstimmend. Somit muss Art. 164 Ziff. 1 für den Schuldner gelten, gegen den in einer Betreibung auf Pfändung ein Verlustschein ausgestellt worden ist, und nur für ihn. Schuldner, die der Betreibung auf Pfändung unterliegen, gegen die jedoch gemäss Art. 190 Abs. 1 Ziff. 1 oder Art. 191 SchKG der Konkurs eröffnet wird, würden sonst zwar vor der Ausstellung eines Konkursverlustscheins nur von Art. 163 Ziff. 1, nachher aber ausserdem von Art. 164 Ziff. 1 StGB erfasst, während Schuldner, die der Konkursbetreibung unterliegen, aber in einer Betreibung auf Pfändung den Gläubiger einer unter Art. 43 SchKG fallenden Forderung zu Verlust kommen lassen, unter Art. 164 Ziff. 1 sowenig wie unter Art. 163 Ziff. 1 StGB fielen. Dass der Gesetzgeber eine solche Unstimmigkeit gewollt habe, ist umsoweniger denkbar, als er in Art. 165 Ziff. 1 StGB den Weg zu einer Lösung, die sowohl allen Fällen der Konkurseröffnung als auch allen Fällen der Ausstellung von Pfändungsverlustscheinen Rechnung trägt und daher allein vernünftig sein kann, gefunden hat. Die Wendung "der der Betreibung auf Pfändung unterliegende Schuldner" ("le débiteur soumis à la poursuite par voie de saisie") in Art. 164 Ziff. 1 kann darauf zurückgeführt werden, dass die dem italienischen Text entsprechende Wendung "der auf Pfändung betriebene Schuldner" die Meinung hätte aufkommen lassen, der Schuldner müsse zur Zeit der Tat betrieben gewesen sein, was keineswegs der Sinn der Bestimmung ist. Richtigerweise hätte im ersten Absatz von Art. 164 Ziff. 1 einfach vom Schuldner gesprochen und im vierten Absatz gesagt werden sollen: "... wenn gegen ihn in einer Betreibung auf Pfändung ein Verlustschein ausgestellt worden ist ..."
2. Der Grundgedanke, der dazu geführt hat, in Art. 165 Ziff. 2 die Strafverfolgung von einem Antrag abhängig zu machen, bestätigt, dass ein solcher immer dann nötig ist, wenn der Schuldner auf Pfändung betrieben worden ist, auch wenn er der Betreibung auf Konkurs unterlag, und dass die Strafverfolgung immer dann von Amtes wegen stattzufinden hat, wenn der Konkurs eröffnet worden ist, auch wenn der Schuldner der Betreibung auf Pfändung unterlag. Das Antragserfordernis wurde eingeführt, um den Betreibungsbeamten der Pflicht zu entheben, in jedem Falle der Ausstellung eines Pfändungsverlustscheines zu prüfen, ob gegen den Schuldner Strafanzeige einzureichen sei; man fand, die Fälle fruchtloser Pfändungen seien zu häufig, während im Konkurs die Verhältnisse von Amtes wegen genau geprüft werden könnten (Protokoll 2. ExpK 4116 f. Voten Zürcher und Gautier).
Ausserdem rechtfertigt sich im Konkurs die Prüfung von Amtes wegen deshalb, weil hier der Schaden in der Regel grösser ist als in einer Betreibung auf Pfändung, und weil er gewöhnlich viele Gläubiger trifft. Unter diesem Gesichtspunkt kann entgegen der Auffassung des zürcherischen Obergerichts (SJZ 42 365 Nr. 139) nichts darauf ankommen, ob der Schuldner der Konkursbetreibung oder der Betreibung auf Pfändung unterlag; die "schärfere strafrechtliche Erfassung", eben durch Verfolgung von Amtes wegen, rechtfertigt sich, weil es, gleichgültig wie, zum Konkurs gekommen ist.
Auch ist zu bedenken, dass im Konkurse alle Gläubiger in der gesetzlichen Rangordnung (Art. 219 SchKG) aus dem Vermögen des Schuldners gleichmässig zu befriedigen sind. Die Strafverfolgung in gewissen Fällen von Konkurs vom Antrag eines Gläubigers abhängen lassen, hiesse dem Markten zwischen dem Schuldner und einzelnen Gläubigern um die Unterlassung oder den Rückzug eines Strafantrages Tür und Tor öffnen. Einzelne Gläubiger könnten leicht in Versuchung kommen, durch Androhung oder Einreichung eines Strafantrages den Schuldner zur Einräumung besonderer Vorteile zu bewegen, die sich mit dem Gedanken der Gleichbehandlung aller Gläubiger schlecht vertrügen.
Dass die Aussicht, von Amtes wegen verfolgt zu werden, den Schuldner davon abhalten kann, sich zahlungsunfähig zu erklären, ist kein Grund zu einer anderen Auslegung des Gesetzes. Gewiss mag so ein Schuldner einmal davon abgehalten werden, vom Rechte des Art. 191 SchKG Gebrauch zu machen, obschon gewisse Gläubiger - nicht notwendigerweise alle - ein Interesse am Konkurse hätten. Darauf kann jedoch nicht Rücksicht genommen werden; indem Art. 191 SchKG es ins Belieben des Schuldners stellt, sich zahlungsunfähig zu erklären oder nicht, hat das Gesetz die Interessen von Gläubigern, die die Durchführung eines Konkurses wünschen könnten, bewusst übergangen. Es ist auch nicht stossend, den Schuldner, der sich zahlungsunfähig erklärt hat, von Amtes wegen zu verfolgen, während er ohne seinen Schritt nur auf Antrag hätte verfolgt werden können; denn der nicht der Konkursbetreibung unterliegende Schuldner wird sich nur dann zahlungsunfähig erklären, wenn er darin für sich einen Vorteil sieht, namentlich weil er auf Grund der im Konkurse ausgestellten Verlustscheine nur unter der Voraussetzung des Art. 265 Abs. 2 SchKG wieder betrieben werden kann. Den Nachteil der Verfolgung von Amtes wegen hat er in Kauf zu nehmen.
Der Beschwerdeführer ist somit zu Recht von Amtes wegen verfolgt worden.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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Gli art. 164 cifra 1 e 165 cifra 2 CP sono applicabili al debitore escusso in via di pignoramento quand'anche egli fosse soggetto all'esecuzione in via di fallimento (casi dell'art. 43 LEF); essi non sono invece applicabili, quando il fallimento è stato dichiarato, benchè il debitore fosse soggetto all'esecuzione in via di pignoramento (casi degli art. 190 cp. 1 cifra 1 e 191 LEF).
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81 IV 293
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81 IV 293
Sachverhalt ab Seite 293
A.- Am 18. August 1954 ca. um 12.40 Uhr fuhr Liliencron durch die Stockerstrasse in Zürich auf die Kreuzung Stockerstrasse /Gotthardstrasse zu. Von rechts, von der Gotthardstrasse her, fuhr der Franzose Henry mit seinem Personenwagen auf die gleiche Kreuzung zu. Zwischen den beiden Automobilen kam es zur Kollision. Die Trottoirs der Stockerstrasse werden ohne Unterbruch über die Fahrbahn der Gotthardstrasse geführt.
B.- Der Einzelrichter in Strafsachen des Bezirksgerichts Zürich verurteilte am 20. September 1955 Liliencron wegen Missachtung des Art. 27 Abs. 1 MFG zu einer Busse von Fr. 20.-. Er führte aus, dass die ohne Unterbruch über die Fahrbahn der Gotthardstrasse geführten Trottoirs das Vortrittsrecht nicht aufheben. Das Vortrittsrecht gelte auch gegenüber einer verkehrsärmeren Strasse.
C.- Gegen dieses Urteil reichte Liliencron Nichtigkeitsbeschwerde ein, mit dem Antrag, es sei aufzuheben und der Straffall zur Freisprechung zurückzuweisen. Er macht geltend, der Sinn eines durchgezogenen Trottoirs sei der, dass dadurch der Charakter einer Einmündung oder Kreuzung und damit auch das Vortrittsrecht aufgehoben werden. Der von rechts kommende Henry hätte höchstens im Schrittempo das Trottoir überqueren dürfen. Dies habe er jedoch nicht getan. Es sei bedauerlich, dass kein Stoppsignal angebracht worden sei. Die durchgeführten Trottoirs seien jedoch Signal genug. Zum mindesten müsse angenommen werden, der Beschwerdeführer habe sich in einem Rechtsirrtum befunden.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Nach den bei den Akten befindlichen Fotografien stellt die Unfallstelle eine Kreuzung dar. Die Stockerstrasse ist breiter ausgebaut als die Gotthardstrasse, und die Trottoirs der Stockerstrasse sind durchgehend. Ein Fahrer, der von der Gotthardstrasse herkommt, muss zuerst über eine Rampe auf das Trottoir der Stockerstrasse hinauf- und über eine zweite Rampe wieder herunterfahren. Diese durchgehende Trottoirführung hat jedoch nicht die Bedeutung, dass das Vortrittsrecht der Gotthardstrasse aufgehoben wird. Eine Aufhebung des Vortrittsrechts innerorts könnte nur durch die Signalisierung einer Stoppstrasse erreicht werden. Durch eine bestimmte bauliche Anordnung der Strassen und Trottoirs kann eine Gemeinde nicht den von bundesrechtswegen bestehenden Rechtsvortritt aufheben oder beschränken.
2. Nach der Praxis des Bundesgerichts wird innerorts das Vortrittsrecht einer Nebenstrasse gegenüber einer Hauptverkehrsader nicht aufgehoben, sondern es ist nur der Vortrittsberechtigte aus der Nebenstrasse verpflichtet, besonders aufmerksam zu fahren. Die Benützer der Hauptverkehrsader haben jedoch damit zu rechnen, dass sie einem aus der Nebenstrasse Kommenden den Vortritt lassen müssen, und ihre Geschwindigkeit diesem Umstand anzupassen (BGE 73 IV 195, BGE 76 IV 257 und die dort zitierten Entscheide).
Art. 27 Abs. 1 MFG verpflichtet den Führer, bei Strassenkreuzungen seine Geschwindigkeit zu mässigen und einem gleichzeitig von rechts kommenden Motorfahrzeug den Vortritt zu lassen. Durch seine Fahrweise hat der Beschwerdeführer diese Bestimmung verletzt. Bei der von ihm selbst angegebenen Geschwindigkeit von 45 bis 50 km /h war es ihm nicht mehr möglich, rechtzeitig anzuhalten und dem gleichzeitig von rechts kommenden Henry den Vortritt zu lassen.
3. Auch die Berufung des Beschwerdeführers auf Rechtsirrtum geht fehl. Als Automobilist musste er wissen, dass innerorts der Rechtsvortritt nur durch eine offizielle Signalisierung einer Stoppstrasse aufgehoben werden kann. Wie die Vorinstanz zudem verbindlich feststellt, konnte der Beschwerdeführer wegen parkierter Fahrzeuge nicht sehen, dass das Trottoir der Stockerstrasse ohne Unterbruch über die Fahrbahn der Gotthardstrasse geführt wird. Ob ihm die örtlichen Verhältnisse von früher her bekannt waren, wie er behauptet, hat die Vorinstanz nicht festgestellt. Aber selbst wenn er die Kreuzung von früher her kannte, so hätte ihn dies veranlassen sollen, besonders aufmerksam auf diese zuzufahren, um einem allenfalls von rechts kommenden Fahrzeug den Vortritt lassen zu können. Der Beschwerdeführer hatte keine zureichenden Gründe für die Annahme, dass ein von rechts von der Gotthardstrasse herkommendes Fahrzeug nicht vortrittsberechtigt sei.
4. Da der Beschwerdeführer das Vortrittsrecht von Henry missachtet hat, ist er zu Recht wegen Verletzung von Art. 27 MFG verurteilt worden.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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Art. 27 Abs. 1 MFG, Art. 20 StGB. Das Vortrittsrecht wird durch besondere bauliche Anordnung der Strassen (hier durchgehendes Trottoir bei einer Kreuzung) nicht aufgehoben oder beschränkt (Erw. 1).
Zureichender Grund zur gegenteiligen Annahme? (Erw. 3).
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Sachverhalt ab Seite 293
A.- Am 18. August 1954 ca. um 12.40 Uhr fuhr Liliencron durch die Stockerstrasse in Zürich auf die Kreuzung Stockerstrasse /Gotthardstrasse zu. Von rechts, von der Gotthardstrasse her, fuhr der Franzose Henry mit seinem Personenwagen auf die gleiche Kreuzung zu. Zwischen den beiden Automobilen kam es zur Kollision. Die Trottoirs der Stockerstrasse werden ohne Unterbruch über die Fahrbahn der Gotthardstrasse geführt.
B.- Der Einzelrichter in Strafsachen des Bezirksgerichts Zürich verurteilte am 20. September 1955 Liliencron wegen Missachtung des Art. 27 Abs. 1 MFG zu einer Busse von Fr. 20.-. Er führte aus, dass die ohne Unterbruch über die Fahrbahn der Gotthardstrasse geführten Trottoirs das Vortrittsrecht nicht aufheben. Das Vortrittsrecht gelte auch gegenüber einer verkehrsärmeren Strasse.
C.- Gegen dieses Urteil reichte Liliencron Nichtigkeitsbeschwerde ein, mit dem Antrag, es sei aufzuheben und der Straffall zur Freisprechung zurückzuweisen. Er macht geltend, der Sinn eines durchgezogenen Trottoirs sei der, dass dadurch der Charakter einer Einmündung oder Kreuzung und damit auch das Vortrittsrecht aufgehoben werden. Der von rechts kommende Henry hätte höchstens im Schrittempo das Trottoir überqueren dürfen. Dies habe er jedoch nicht getan. Es sei bedauerlich, dass kein Stoppsignal angebracht worden sei. Die durchgeführten Trottoirs seien jedoch Signal genug. Zum mindesten müsse angenommen werden, der Beschwerdeführer habe sich in einem Rechtsirrtum befunden.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Nach den bei den Akten befindlichen Fotografien stellt die Unfallstelle eine Kreuzung dar. Die Stockerstrasse ist breiter ausgebaut als die Gotthardstrasse, und die Trottoirs der Stockerstrasse sind durchgehend. Ein Fahrer, der von der Gotthardstrasse herkommt, muss zuerst über eine Rampe auf das Trottoir der Stockerstrasse hinauf- und über eine zweite Rampe wieder herunterfahren. Diese durchgehende Trottoirführung hat jedoch nicht die Bedeutung, dass das Vortrittsrecht der Gotthardstrasse aufgehoben wird. Eine Aufhebung des Vortrittsrechts innerorts könnte nur durch die Signalisierung einer Stoppstrasse erreicht werden. Durch eine bestimmte bauliche Anordnung der Strassen und Trottoirs kann eine Gemeinde nicht den von bundesrechtswegen bestehenden Rechtsvortritt aufheben oder beschränken.
2. Nach der Praxis des Bundesgerichts wird innerorts das Vortrittsrecht einer Nebenstrasse gegenüber einer Hauptverkehrsader nicht aufgehoben, sondern es ist nur der Vortrittsberechtigte aus der Nebenstrasse verpflichtet, besonders aufmerksam zu fahren. Die Benützer der Hauptverkehrsader haben jedoch damit zu rechnen, dass sie einem aus der Nebenstrasse Kommenden den Vortritt lassen müssen, und ihre Geschwindigkeit diesem Umstand anzupassen (BGE 73 IV 195, BGE 76 IV 257 und die dort zitierten Entscheide).
Art. 27 Abs. 1 MFG verpflichtet den Führer, bei Strassenkreuzungen seine Geschwindigkeit zu mässigen und einem gleichzeitig von rechts kommenden Motorfahrzeug den Vortritt zu lassen. Durch seine Fahrweise hat der Beschwerdeführer diese Bestimmung verletzt. Bei der von ihm selbst angegebenen Geschwindigkeit von 45 bis 50 km /h war es ihm nicht mehr möglich, rechtzeitig anzuhalten und dem gleichzeitig von rechts kommenden Henry den Vortritt zu lassen.
3. Auch die Berufung des Beschwerdeführers auf Rechtsirrtum geht fehl. Als Automobilist musste er wissen, dass innerorts der Rechtsvortritt nur durch eine offizielle Signalisierung einer Stoppstrasse aufgehoben werden kann. Wie die Vorinstanz zudem verbindlich feststellt, konnte der Beschwerdeführer wegen parkierter Fahrzeuge nicht sehen, dass das Trottoir der Stockerstrasse ohne Unterbruch über die Fahrbahn der Gotthardstrasse geführt wird. Ob ihm die örtlichen Verhältnisse von früher her bekannt waren, wie er behauptet, hat die Vorinstanz nicht festgestellt. Aber selbst wenn er die Kreuzung von früher her kannte, so hätte ihn dies veranlassen sollen, besonders aufmerksam auf diese zuzufahren, um einem allenfalls von rechts kommenden Fahrzeug den Vortritt lassen zu können. Der Beschwerdeführer hatte keine zureichenden Gründe für die Annahme, dass ein von rechts von der Gotthardstrasse herkommendes Fahrzeug nicht vortrittsberechtigt sei.
4. Da der Beschwerdeführer das Vortrittsrecht von Henry missachtet hat, ist er zu Recht wegen Verletzung von Art. 27 MFG verurteilt worden.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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Art. 27 al. 1 LA, art. 20 CP. Le droit de priorité n'est pas supprimé ou limité quand les routes sont aménagées de manière particulière (ici trottoir d'une chaussée traversant à une bifurcation la route croisée) (consid. 1).
Raison suffisante d'admettre le contraire? (consid. 3).
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Sachverhalt ab Seite 293
A.- Am 18. August 1954 ca. um 12.40 Uhr fuhr Liliencron durch die Stockerstrasse in Zürich auf die Kreuzung Stockerstrasse /Gotthardstrasse zu. Von rechts, von der Gotthardstrasse her, fuhr der Franzose Henry mit seinem Personenwagen auf die gleiche Kreuzung zu. Zwischen den beiden Automobilen kam es zur Kollision. Die Trottoirs der Stockerstrasse werden ohne Unterbruch über die Fahrbahn der Gotthardstrasse geführt.
B.- Der Einzelrichter in Strafsachen des Bezirksgerichts Zürich verurteilte am 20. September 1955 Liliencron wegen Missachtung des Art. 27 Abs. 1 MFG zu einer Busse von Fr. 20.-. Er führte aus, dass die ohne Unterbruch über die Fahrbahn der Gotthardstrasse geführten Trottoirs das Vortrittsrecht nicht aufheben. Das Vortrittsrecht gelte auch gegenüber einer verkehrsärmeren Strasse.
C.- Gegen dieses Urteil reichte Liliencron Nichtigkeitsbeschwerde ein, mit dem Antrag, es sei aufzuheben und der Straffall zur Freisprechung zurückzuweisen. Er macht geltend, der Sinn eines durchgezogenen Trottoirs sei der, dass dadurch der Charakter einer Einmündung oder Kreuzung und damit auch das Vortrittsrecht aufgehoben werden. Der von rechts kommende Henry hätte höchstens im Schrittempo das Trottoir überqueren dürfen. Dies habe er jedoch nicht getan. Es sei bedauerlich, dass kein Stoppsignal angebracht worden sei. Die durchgeführten Trottoirs seien jedoch Signal genug. Zum mindesten müsse angenommen werden, der Beschwerdeführer habe sich in einem Rechtsirrtum befunden.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Nach den bei den Akten befindlichen Fotografien stellt die Unfallstelle eine Kreuzung dar. Die Stockerstrasse ist breiter ausgebaut als die Gotthardstrasse, und die Trottoirs der Stockerstrasse sind durchgehend. Ein Fahrer, der von der Gotthardstrasse herkommt, muss zuerst über eine Rampe auf das Trottoir der Stockerstrasse hinauf- und über eine zweite Rampe wieder herunterfahren. Diese durchgehende Trottoirführung hat jedoch nicht die Bedeutung, dass das Vortrittsrecht der Gotthardstrasse aufgehoben wird. Eine Aufhebung des Vortrittsrechts innerorts könnte nur durch die Signalisierung einer Stoppstrasse erreicht werden. Durch eine bestimmte bauliche Anordnung der Strassen und Trottoirs kann eine Gemeinde nicht den von bundesrechtswegen bestehenden Rechtsvortritt aufheben oder beschränken.
2. Nach der Praxis des Bundesgerichts wird innerorts das Vortrittsrecht einer Nebenstrasse gegenüber einer Hauptverkehrsader nicht aufgehoben, sondern es ist nur der Vortrittsberechtigte aus der Nebenstrasse verpflichtet, besonders aufmerksam zu fahren. Die Benützer der Hauptverkehrsader haben jedoch damit zu rechnen, dass sie einem aus der Nebenstrasse Kommenden den Vortritt lassen müssen, und ihre Geschwindigkeit diesem Umstand anzupassen (BGE 73 IV 195, BGE 76 IV 257 und die dort zitierten Entscheide).
Art. 27 Abs. 1 MFG verpflichtet den Führer, bei Strassenkreuzungen seine Geschwindigkeit zu mässigen und einem gleichzeitig von rechts kommenden Motorfahrzeug den Vortritt zu lassen. Durch seine Fahrweise hat der Beschwerdeführer diese Bestimmung verletzt. Bei der von ihm selbst angegebenen Geschwindigkeit von 45 bis 50 km /h war es ihm nicht mehr möglich, rechtzeitig anzuhalten und dem gleichzeitig von rechts kommenden Henry den Vortritt zu lassen.
3. Auch die Berufung des Beschwerdeführers auf Rechtsirrtum geht fehl. Als Automobilist musste er wissen, dass innerorts der Rechtsvortritt nur durch eine offizielle Signalisierung einer Stoppstrasse aufgehoben werden kann. Wie die Vorinstanz zudem verbindlich feststellt, konnte der Beschwerdeführer wegen parkierter Fahrzeuge nicht sehen, dass das Trottoir der Stockerstrasse ohne Unterbruch über die Fahrbahn der Gotthardstrasse geführt wird. Ob ihm die örtlichen Verhältnisse von früher her bekannt waren, wie er behauptet, hat die Vorinstanz nicht festgestellt. Aber selbst wenn er die Kreuzung von früher her kannte, so hätte ihn dies veranlassen sollen, besonders aufmerksam auf diese zuzufahren, um einem allenfalls von rechts kommenden Fahrzeug den Vortritt lassen zu können. Der Beschwerdeführer hatte keine zureichenden Gründe für die Annahme, dass ein von rechts von der Gotthardstrasse herkommendes Fahrzeug nicht vortrittsberechtigt sei.
4. Da der Beschwerdeführer das Vortrittsrecht von Henry missachtet hat, ist er zu Recht wegen Verletzung von Art. 27 MFG verurteilt worden.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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Art. 27 cp. 1 LA, art. 20 CP. Il diritto di precedenza non è soppresso o limitato quando le strade sono sistemate in modo particolare (qui marciapiede continuo a un crocevia) (consid. 1).
Ragioni sufficienti per ammettere il contrario? (consid. 3).
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81 IV 296
Sachverhalt ab Seite 296
A.- Josef Bruggmann führte am 30. März 1954 kurz nach 17 Uhr einen Lastwagen mit Anhänger auf der gut ausgebauten und stark befahrenen Überlandstrasse von Pratteln Richtung Liestal. Auf der Strassenkuppe vor der Hülftensenke hielt er an und liess den Lastenzug drei bis vier Minuten am rechten Strassenrande stehen. Die Mitte der Strasse ist dort durch eine Sicherheitslinie und anschliessend daran in beiden Richtungen durch eine Leitlinie gekennzeichnet, da die Kuppe die Sicht auf entgegenkommende Strassenbenützer beeinträchtigt.
B.- Mit Strafbefehl vom 4. August 1954 büsste die Überweisungsbehörde des Kantons Basel-Landschaft Bruggmann wegen Übertretung des Art. 49 MFV mit Fr. 20.-. Sie warf ihm vor, er habe seinen Wagen an unübersichtlicher Stelle und seitlich der Sicherheitslinie stationiert.
Auf Einspruch Bruggmanns hob das Polizeigericht Liestal am 17. März 1955 den Strafbefehl auf und sprach den Beschuldigten frei.
Das Obergericht des Kantons Basel-Landschaft wies am 7. Juni 1955 die Appellation der Staatsanwaltschaft ab und bestätigte den Freispruch. Zur Begründung führte es aus, der stehende Lastenzug habe auf der gut ausgebauten Überlandstrasse den Verkehr nicht erheblich behindert, da er von beiden Seiten auf grössere Entfernung gut sichtbar gewesen sei. Die Auffassung der Staatsanwaltschaft, dass im Bereiche einer Sicherheitslinie überhaupt nicht stationiert werden dürfe, gehe zu weit. Nach dem Kreisschreiben des eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements vom 28. März solle wegen Überfahrens solcher Linien allein keine Strafanzeige erfolgen. Tatsächlich werde beispielsweise im Dorfe Itingen das Überfahren der Sicherheitslinien polizeilich toleriert, obschon dadurch der Verkehr dauernd erheblich gefährdet werde. Auch hätten im vorliegenden Falle der verzeigende Polizist und der ihn begleitende Polizeikommandant anhalten und den Führer auf das angeblich vorschriftswidrige Stationieren aufmerksam machen und ihn zum sofortigen Weiterfahren veranlassen sollen. Dass sie es nicht taten, beweise, dass sie selber den Verkehr nicht als erheblich gefährdet angesehen hätten.
C.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Landschaft führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts sei wegen Verletzung von Art. 49 Abs. 2 und 3 und Art. 45 MFV aufzuheben.
D.- Bruggmann beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Nach Art. 49 Abs. 2 MFV sind Motorfahrzeuge so aufzustellen, dass sie den Verkehr nicht stören können. Wie der Kassationshof entschieden hat (BGE 77 IV 119), verbietet diese Bestimmung das Aufstellen von Motorfahrzeugen nicht überall dort, wo es den Verkehr irgendwie erschwert, sondern nur dort, wo es für ihn ein erhebliches Hindernis bildet, das trotz der den anderen Strassenbenützern zuzumutenden Aufmerksamkeit zu Unfällen Anlass geben oder andere in besonderem Masse hindern kann, ihren Weg fortzusetzen. Immerhin ist nicht nötig, dass die Unfallgefahr eine konkrete sei oder dass das aufgestellte Motorfahrzeug tatsächlich jemanden in unzumutbarer Weise an der Fortsetzung seines Weges hindere. Art. 49 Abs. 2 MFV richtet sich wie die anderen Verkehrsregeln des Gesetzes und der Verordnung schon gegen abstrakte Gefährdung des Verkehrs. Das kommt denn auch darin zum Ausdruck, dass die Bestimmung das Aufstellen von Motorfahrzeugen nicht nur dort verbietet, wo sie den Verkehr stören, sondern schon dort, wo sie ihn stören "können".
2. Nach ständiger Rechtsprechung des Kassationshofes darf an Sicherheitslinien vom Gebote des Rechtsfahrens nur aus zwingenden Gründen abgewichen werden, z.B. wenn ein anderes Fahrzeug wegen einer Panne die rechte Fahrbahn versperrt (BGE 79 IV 84und dort erwähnte Urteile). Hievon geht auch das Kreisschreiben des eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements an die Kantonsregierungen vom 28. März 1939 aus. Die Vorinstanz verkennt das, wenn sie glaubt, das Departement habe Strafanzeige wegen Überfahrens von Sicherheitslinien als nicht erwünscht bezeichnet. Die Meinungsäusserung, dass wegen Überfahrens allein keine Strafanzeige eingereicht werden solle, bezieht sich auf den Fall, dass die Linie "nach den gegebenen Strassenverhältnissen nicht als Sicherheitslinie im Sinne von Art. 45 Abs. 2 MFV gedacht ist". Dass da, wo eine Sicherheitslinie besteht, das Überfahren nicht geahndet werden solle, liesse sich denn auch angesichts der klaren Bestimmung des Art. 45 Abs. 2 MFV nicht vertreten. Auch bleibt kein Raum mehr zur Annahme, eine Linie sei je "nach den gegebenen Strassenverhältnissen" am einen Ort Sicherheitslinie und am andern nicht. Ob sie es ist, hängt nur von ihrem Aussehen ab. Nach den Normen der Vereinigung schweizerischer Strassenfachmänner sind Sicherheitslinien mit weisser Farbe durchgezogen und 10-20 cm breit, wodurch sie sich deutlich von den unterbrochenen Leitlinien unterscheiden (vgl.BGE 79 IV 81ff.).
Darf der Führer eines Motorfahrzeuges ohne zwingenden Grund die Sicherheitslinie nicht überfahren, ja sich ihr nicht einmal so stark nähern, dass er entgegenkommende Strassenbenützer gefährden könnte (vgl. BGE 81 IV 172 f.), so versteht es sich, dass im Bereiche solcher Linien Fahrzeuge jedenfalls dann nicht aufgestellt werden dürfen, wenn der Raum zwischen dem Fahrzeug und der Linie zu eng ist, um anderen ungehindert die Beachtung des Art. 45 Abs. 2 MFV zu gestatten. Die Verordnung kann nicht einerseits ausdrücklich vorschreiben, dass rechts der Sicherheitslinien gefahren werden müsse, und anderseits gestatten wollen, dass andere durch Aufstellen von Fahrzeugen die Einhaltung des Gebotes verunmöglichen. In diesem Sinne hat der Kassationshof schon bisher entschieden (unveröffentlichtes Urteil vom 4. Dezember 1953 i.S. Primavesi). Diese Auslegung des Art. 49 Abs. 2 MFV entspricht auch dem Geiste des Art. 49 Abs. 3, der das Aufstellen von Motorfahrzeugen unter anderem an engen Strassenstellen untersagt. Wo eine Sicherheitslinie den Verkehr teilt, soll dieser sich so abwickeln, dass kein Fahrzeug die dem Gegenverkehr vorbehaltene Strassenseite beanspruchen muss. Die sich daraus ergebende Beeinträchtigung der Bewegungsfreiheit darf wie an engen Strassenstellen nicht durch aufgestellte Fahrzeuge noch weiter eingeschränkt werden, so dass andere auf ihrer Fahrbahn nicht mehr ordnungsgemäss verkehren können.
Eine Ausnahme ist selbst dann nicht zu machen, wenn der Blick auf das aufgestellte Fahrzeug von keiner Seite beeinträchtigt ist. Denn der Zweck, dem die Sicherheitslinie zu dienen hat, besteht weiter. In der Regel wird diese angebracht, weil die Sicht vom fahrenden Wagen auf den Gegenverkehr oder auf die von der Seite einmündenden Fahrzeuge beschränkt ist. Durch Aufstellen von Fahrzeugen im Bereiche der Sicherheitslinie wird diese Sicht um nichts verbessert, oft sogar verschlechtert. In anderen Fällen soll die Sicherheitslinie lediglich die Flüssigkeit des Verkehrs fördern, z.B. wenn sie die Führer der Motorfahrzeuge anweist, die Strassenbahngeleise freizulassen (vgl.BGE 79 IV 79ff.). Auch dieser Zweck könnte durch Aufstellen von Fahrzeugen im Bereiche von Sicherheitslinien vereitelt werden, selbst wenn das aufgestellte Fahrzeug von weitem sichtbar ist.
3. Art. 49 Abs. 2 MFV gilt nur für das Aufstellen, nicht auch für das blosse Anhalten des Fahrzeuges. Nur angehalten, nicht aufgestellt, ist es dann, wenn der Führer unverzüglich weiterzufahren beabsichtigt, z.B. nur rasch jemanden aussteigen lassen will. Aufgestellt dagegen ist das Fahrzeug, wenn es so lange stille steht, dass den Führern der anderen auf die betreffende Strassenseite angewiesenen Fahrzeuge nicht mehr zugemutet werden kann, seine Weiterfahrt abzuwarten.
4. Aus dem angefochtenen Urteil und den Akten ergibt sich nicht, wie breit der Lastenzug und die Strasse auf der Kuppe vor der Hülftensenke sind. Indessen hat das Obergericht die Erklärung des Anzeigers, dass die Richtung Liestal fahrenden Wagen wegen des Lastenzuges gezwungen gewesen seien, die Sicherheitslinie zu überfahren, nicht widerlegt. Der Beschwerdegegner selber räumt ein, dass sie richtig sein könne. Er macht lediglich geltend, auf keinen Fall sei der gegen Liestal Fahrende gezwungen gewesen, die Linie so weit zu überfahren, dass dadurch der entgegenkommende Verkehr behindert oder gestört worden sei. Nach dem Gesagten kommt indessen darauf nichts an, womit auch der Schluss des Obergerichts, der Anzeiger und der ihn begleitende Polizeikommandant selbst hätten die Verkehrsgefährdung nicht für erheblich gehalten, ansonst sie den Beschwerdegegner sofort zur Weiterfahrt veranlasst hätten, gegenstandslos ist. Wie ausgeführt, ist sodann auch unerheblich, dass der Lastenzug von beiden Seiten auf ziemliche Entfernung sichtbar war.
Des weitern steht fest und gibt auch der Beschwerdegegner zu, dass die auf der Kuppe angebrachte Linie durchgezogen ist. Sie ist also Sicherheitslinie im Sinne des Art. 45 Abs. 2 MFV. Dass sie an beiden Enden an eine unterbrochene Leitlinie anschliesst, die den Strassenbenützer auf die Verhältnisse auf der Kuppe vorbereitet, ändert nichts. Entgegen der Annahme des Beschwerdegegners wird dadurch die Linie dort, wo sie durchgezogen ist - nach seinen Angaben auf etwa 80 m Länge - nicht ebenfalls zur Leitlinie.
Auch hat der Beschwerdegegner den Lastenzug nicht nur angehalten, sondern im Sinne des Art. 49 Abs. 2 MFV aufgestellt; denn er hat ihn für etwa drei bis vier Minuten verlassen, eine Zeitspanne, während der den gegen Liestal fahrenden Automobilisten nicht zugemutet werden konnte, hinter dem Lastenzug anzuhalten und zu warten.
Objektiv hat daher der Beschwerdegegner Art. 49 Abs. 2 MFV übertreten.
5. Der Beschwerdegegner bestreitet weder, dass er den Lastenzug mit Wissen und Willen auf der Kuppe vor der Hülftensenke aufgestellt, noch dass er von der dort liegenden Sicherheitslinie Kenntnis gehabt habe und sich bewusst gewesen sei, dass die Richtung Liestal sich bewegenden Fahrzeuge wegen des Lastenzuges genötigt waren, sie zu überfahren. Zum mindestens konnte er sich dieser Verhältnisse bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit und Überlegung bewusst sein. Der subjektive Tatbestand der Übertretung ist daher erfüllt, sei es in Form des Vorsatzes, sei es in Form von Fahrlässigkeit, die gemäss Art. 65 Abs. 1 MFG zur Anwendung des Gesetzes genügt.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil der Polizeikammer des Obergerichts des Kantons Basel-Landschaft vom 7. Juni 1955 aufgehoben und die Sache zur Bestrafung des Beschwerdegegners wegen Übertretung des Art. 49 Abs. 2 MFV an die Vorinstanz zurückgewiesen.
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Art. 45 Abs. 2, 49 Abs. 2 MFV. Im Bereiche von Sicherheitslinien dürfen Motorfahrzeuge jedenfalls dann nicht aufgestellt werden, wenn andern dadurch verunmöglicht würde, ungehindert rechts der Linie zu fahren.
Wann ist das Fahrzeug "aufgestellt"?
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criminal law and criminal procedure
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81 IV 296
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81 IV 296
Sachverhalt ab Seite 296
A.- Josef Bruggmann führte am 30. März 1954 kurz nach 17 Uhr einen Lastwagen mit Anhänger auf der gut ausgebauten und stark befahrenen Überlandstrasse von Pratteln Richtung Liestal. Auf der Strassenkuppe vor der Hülftensenke hielt er an und liess den Lastenzug drei bis vier Minuten am rechten Strassenrande stehen. Die Mitte der Strasse ist dort durch eine Sicherheitslinie und anschliessend daran in beiden Richtungen durch eine Leitlinie gekennzeichnet, da die Kuppe die Sicht auf entgegenkommende Strassenbenützer beeinträchtigt.
B.- Mit Strafbefehl vom 4. August 1954 büsste die Überweisungsbehörde des Kantons Basel-Landschaft Bruggmann wegen Übertretung des Art. 49 MFV mit Fr. 20.-. Sie warf ihm vor, er habe seinen Wagen an unübersichtlicher Stelle und seitlich der Sicherheitslinie stationiert.
Auf Einspruch Bruggmanns hob das Polizeigericht Liestal am 17. März 1955 den Strafbefehl auf und sprach den Beschuldigten frei.
Das Obergericht des Kantons Basel-Landschaft wies am 7. Juni 1955 die Appellation der Staatsanwaltschaft ab und bestätigte den Freispruch. Zur Begründung führte es aus, der stehende Lastenzug habe auf der gut ausgebauten Überlandstrasse den Verkehr nicht erheblich behindert, da er von beiden Seiten auf grössere Entfernung gut sichtbar gewesen sei. Die Auffassung der Staatsanwaltschaft, dass im Bereiche einer Sicherheitslinie überhaupt nicht stationiert werden dürfe, gehe zu weit. Nach dem Kreisschreiben des eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements vom 28. März solle wegen Überfahrens solcher Linien allein keine Strafanzeige erfolgen. Tatsächlich werde beispielsweise im Dorfe Itingen das Überfahren der Sicherheitslinien polizeilich toleriert, obschon dadurch der Verkehr dauernd erheblich gefährdet werde. Auch hätten im vorliegenden Falle der verzeigende Polizist und der ihn begleitende Polizeikommandant anhalten und den Führer auf das angeblich vorschriftswidrige Stationieren aufmerksam machen und ihn zum sofortigen Weiterfahren veranlassen sollen. Dass sie es nicht taten, beweise, dass sie selber den Verkehr nicht als erheblich gefährdet angesehen hätten.
C.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Landschaft führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts sei wegen Verletzung von Art. 49 Abs. 2 und 3 und Art. 45 MFV aufzuheben.
D.- Bruggmann beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Nach Art. 49 Abs. 2 MFV sind Motorfahrzeuge so aufzustellen, dass sie den Verkehr nicht stören können. Wie der Kassationshof entschieden hat (BGE 77 IV 119), verbietet diese Bestimmung das Aufstellen von Motorfahrzeugen nicht überall dort, wo es den Verkehr irgendwie erschwert, sondern nur dort, wo es für ihn ein erhebliches Hindernis bildet, das trotz der den anderen Strassenbenützern zuzumutenden Aufmerksamkeit zu Unfällen Anlass geben oder andere in besonderem Masse hindern kann, ihren Weg fortzusetzen. Immerhin ist nicht nötig, dass die Unfallgefahr eine konkrete sei oder dass das aufgestellte Motorfahrzeug tatsächlich jemanden in unzumutbarer Weise an der Fortsetzung seines Weges hindere. Art. 49 Abs. 2 MFV richtet sich wie die anderen Verkehrsregeln des Gesetzes und der Verordnung schon gegen abstrakte Gefährdung des Verkehrs. Das kommt denn auch darin zum Ausdruck, dass die Bestimmung das Aufstellen von Motorfahrzeugen nicht nur dort verbietet, wo sie den Verkehr stören, sondern schon dort, wo sie ihn stören "können".
2. Nach ständiger Rechtsprechung des Kassationshofes darf an Sicherheitslinien vom Gebote des Rechtsfahrens nur aus zwingenden Gründen abgewichen werden, z.B. wenn ein anderes Fahrzeug wegen einer Panne die rechte Fahrbahn versperrt (BGE 79 IV 84und dort erwähnte Urteile). Hievon geht auch das Kreisschreiben des eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements an die Kantonsregierungen vom 28. März 1939 aus. Die Vorinstanz verkennt das, wenn sie glaubt, das Departement habe Strafanzeige wegen Überfahrens von Sicherheitslinien als nicht erwünscht bezeichnet. Die Meinungsäusserung, dass wegen Überfahrens allein keine Strafanzeige eingereicht werden solle, bezieht sich auf den Fall, dass die Linie "nach den gegebenen Strassenverhältnissen nicht als Sicherheitslinie im Sinne von Art. 45 Abs. 2 MFV gedacht ist". Dass da, wo eine Sicherheitslinie besteht, das Überfahren nicht geahndet werden solle, liesse sich denn auch angesichts der klaren Bestimmung des Art. 45 Abs. 2 MFV nicht vertreten. Auch bleibt kein Raum mehr zur Annahme, eine Linie sei je "nach den gegebenen Strassenverhältnissen" am einen Ort Sicherheitslinie und am andern nicht. Ob sie es ist, hängt nur von ihrem Aussehen ab. Nach den Normen der Vereinigung schweizerischer Strassenfachmänner sind Sicherheitslinien mit weisser Farbe durchgezogen und 10-20 cm breit, wodurch sie sich deutlich von den unterbrochenen Leitlinien unterscheiden (vgl.BGE 79 IV 81ff.).
Darf der Führer eines Motorfahrzeuges ohne zwingenden Grund die Sicherheitslinie nicht überfahren, ja sich ihr nicht einmal so stark nähern, dass er entgegenkommende Strassenbenützer gefährden könnte (vgl. BGE 81 IV 172 f.), so versteht es sich, dass im Bereiche solcher Linien Fahrzeuge jedenfalls dann nicht aufgestellt werden dürfen, wenn der Raum zwischen dem Fahrzeug und der Linie zu eng ist, um anderen ungehindert die Beachtung des Art. 45 Abs. 2 MFV zu gestatten. Die Verordnung kann nicht einerseits ausdrücklich vorschreiben, dass rechts der Sicherheitslinien gefahren werden müsse, und anderseits gestatten wollen, dass andere durch Aufstellen von Fahrzeugen die Einhaltung des Gebotes verunmöglichen. In diesem Sinne hat der Kassationshof schon bisher entschieden (unveröffentlichtes Urteil vom 4. Dezember 1953 i.S. Primavesi). Diese Auslegung des Art. 49 Abs. 2 MFV entspricht auch dem Geiste des Art. 49 Abs. 3, der das Aufstellen von Motorfahrzeugen unter anderem an engen Strassenstellen untersagt. Wo eine Sicherheitslinie den Verkehr teilt, soll dieser sich so abwickeln, dass kein Fahrzeug die dem Gegenverkehr vorbehaltene Strassenseite beanspruchen muss. Die sich daraus ergebende Beeinträchtigung der Bewegungsfreiheit darf wie an engen Strassenstellen nicht durch aufgestellte Fahrzeuge noch weiter eingeschränkt werden, so dass andere auf ihrer Fahrbahn nicht mehr ordnungsgemäss verkehren können.
Eine Ausnahme ist selbst dann nicht zu machen, wenn der Blick auf das aufgestellte Fahrzeug von keiner Seite beeinträchtigt ist. Denn der Zweck, dem die Sicherheitslinie zu dienen hat, besteht weiter. In der Regel wird diese angebracht, weil die Sicht vom fahrenden Wagen auf den Gegenverkehr oder auf die von der Seite einmündenden Fahrzeuge beschränkt ist. Durch Aufstellen von Fahrzeugen im Bereiche der Sicherheitslinie wird diese Sicht um nichts verbessert, oft sogar verschlechtert. In anderen Fällen soll die Sicherheitslinie lediglich die Flüssigkeit des Verkehrs fördern, z.B. wenn sie die Führer der Motorfahrzeuge anweist, die Strassenbahngeleise freizulassen (vgl.BGE 79 IV 79ff.). Auch dieser Zweck könnte durch Aufstellen von Fahrzeugen im Bereiche von Sicherheitslinien vereitelt werden, selbst wenn das aufgestellte Fahrzeug von weitem sichtbar ist.
3. Art. 49 Abs. 2 MFV gilt nur für das Aufstellen, nicht auch für das blosse Anhalten des Fahrzeuges. Nur angehalten, nicht aufgestellt, ist es dann, wenn der Führer unverzüglich weiterzufahren beabsichtigt, z.B. nur rasch jemanden aussteigen lassen will. Aufgestellt dagegen ist das Fahrzeug, wenn es so lange stille steht, dass den Führern der anderen auf die betreffende Strassenseite angewiesenen Fahrzeuge nicht mehr zugemutet werden kann, seine Weiterfahrt abzuwarten.
4. Aus dem angefochtenen Urteil und den Akten ergibt sich nicht, wie breit der Lastenzug und die Strasse auf der Kuppe vor der Hülftensenke sind. Indessen hat das Obergericht die Erklärung des Anzeigers, dass die Richtung Liestal fahrenden Wagen wegen des Lastenzuges gezwungen gewesen seien, die Sicherheitslinie zu überfahren, nicht widerlegt. Der Beschwerdegegner selber räumt ein, dass sie richtig sein könne. Er macht lediglich geltend, auf keinen Fall sei der gegen Liestal Fahrende gezwungen gewesen, die Linie so weit zu überfahren, dass dadurch der entgegenkommende Verkehr behindert oder gestört worden sei. Nach dem Gesagten kommt indessen darauf nichts an, womit auch der Schluss des Obergerichts, der Anzeiger und der ihn begleitende Polizeikommandant selbst hätten die Verkehrsgefährdung nicht für erheblich gehalten, ansonst sie den Beschwerdegegner sofort zur Weiterfahrt veranlasst hätten, gegenstandslos ist. Wie ausgeführt, ist sodann auch unerheblich, dass der Lastenzug von beiden Seiten auf ziemliche Entfernung sichtbar war.
Des weitern steht fest und gibt auch der Beschwerdegegner zu, dass die auf der Kuppe angebrachte Linie durchgezogen ist. Sie ist also Sicherheitslinie im Sinne des Art. 45 Abs. 2 MFV. Dass sie an beiden Enden an eine unterbrochene Leitlinie anschliesst, die den Strassenbenützer auf die Verhältnisse auf der Kuppe vorbereitet, ändert nichts. Entgegen der Annahme des Beschwerdegegners wird dadurch die Linie dort, wo sie durchgezogen ist - nach seinen Angaben auf etwa 80 m Länge - nicht ebenfalls zur Leitlinie.
Auch hat der Beschwerdegegner den Lastenzug nicht nur angehalten, sondern im Sinne des Art. 49 Abs. 2 MFV aufgestellt; denn er hat ihn für etwa drei bis vier Minuten verlassen, eine Zeitspanne, während der den gegen Liestal fahrenden Automobilisten nicht zugemutet werden konnte, hinter dem Lastenzug anzuhalten und zu warten.
Objektiv hat daher der Beschwerdegegner Art. 49 Abs. 2 MFV übertreten.
5. Der Beschwerdegegner bestreitet weder, dass er den Lastenzug mit Wissen und Willen auf der Kuppe vor der Hülftensenke aufgestellt, noch dass er von der dort liegenden Sicherheitslinie Kenntnis gehabt habe und sich bewusst gewesen sei, dass die Richtung Liestal sich bewegenden Fahrzeuge wegen des Lastenzuges genötigt waren, sie zu überfahren. Zum mindestens konnte er sich dieser Verhältnisse bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit und Überlegung bewusst sein. Der subjektive Tatbestand der Übertretung ist daher erfüllt, sei es in Form des Vorsatzes, sei es in Form von Fahrlässigkeit, die gemäss Art. 65 Abs. 1 MFG zur Anwendung des Gesetzes genügt.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil der Polizeikammer des Obergerichts des Kantons Basel-Landschaft vom 7. Juni 1955 aufgehoben und die Sache zur Bestrafung des Beschwerdegegners wegen Übertretung des Art. 49 Abs. 2 MFV an die Vorinstanz zurückgewiesen.
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Art. 45 al. 2, 49 al. 2 RA. Un conducteur ne peut arrêter son véhicule à moteur dans les endroits où il existe des lignes de démarcation, en tout cas lorsque les autres usagers sont de ce fait empêchés de circuler librement à droite de la ligne.
Quand un véhicule est-il "arrêté"?
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criminal law and criminal procedure
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81 IV 296
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81 IV 296
Sachverhalt ab Seite 296
A.- Josef Bruggmann führte am 30. März 1954 kurz nach 17 Uhr einen Lastwagen mit Anhänger auf der gut ausgebauten und stark befahrenen Überlandstrasse von Pratteln Richtung Liestal. Auf der Strassenkuppe vor der Hülftensenke hielt er an und liess den Lastenzug drei bis vier Minuten am rechten Strassenrande stehen. Die Mitte der Strasse ist dort durch eine Sicherheitslinie und anschliessend daran in beiden Richtungen durch eine Leitlinie gekennzeichnet, da die Kuppe die Sicht auf entgegenkommende Strassenbenützer beeinträchtigt.
B.- Mit Strafbefehl vom 4. August 1954 büsste die Überweisungsbehörde des Kantons Basel-Landschaft Bruggmann wegen Übertretung des Art. 49 MFV mit Fr. 20.-. Sie warf ihm vor, er habe seinen Wagen an unübersichtlicher Stelle und seitlich der Sicherheitslinie stationiert.
Auf Einspruch Bruggmanns hob das Polizeigericht Liestal am 17. März 1955 den Strafbefehl auf und sprach den Beschuldigten frei.
Das Obergericht des Kantons Basel-Landschaft wies am 7. Juni 1955 die Appellation der Staatsanwaltschaft ab und bestätigte den Freispruch. Zur Begründung führte es aus, der stehende Lastenzug habe auf der gut ausgebauten Überlandstrasse den Verkehr nicht erheblich behindert, da er von beiden Seiten auf grössere Entfernung gut sichtbar gewesen sei. Die Auffassung der Staatsanwaltschaft, dass im Bereiche einer Sicherheitslinie überhaupt nicht stationiert werden dürfe, gehe zu weit. Nach dem Kreisschreiben des eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements vom 28. März solle wegen Überfahrens solcher Linien allein keine Strafanzeige erfolgen. Tatsächlich werde beispielsweise im Dorfe Itingen das Überfahren der Sicherheitslinien polizeilich toleriert, obschon dadurch der Verkehr dauernd erheblich gefährdet werde. Auch hätten im vorliegenden Falle der verzeigende Polizist und der ihn begleitende Polizeikommandant anhalten und den Führer auf das angeblich vorschriftswidrige Stationieren aufmerksam machen und ihn zum sofortigen Weiterfahren veranlassen sollen. Dass sie es nicht taten, beweise, dass sie selber den Verkehr nicht als erheblich gefährdet angesehen hätten.
C.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Landschaft führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts sei wegen Verletzung von Art. 49 Abs. 2 und 3 und Art. 45 MFV aufzuheben.
D.- Bruggmann beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Nach Art. 49 Abs. 2 MFV sind Motorfahrzeuge so aufzustellen, dass sie den Verkehr nicht stören können. Wie der Kassationshof entschieden hat (BGE 77 IV 119), verbietet diese Bestimmung das Aufstellen von Motorfahrzeugen nicht überall dort, wo es den Verkehr irgendwie erschwert, sondern nur dort, wo es für ihn ein erhebliches Hindernis bildet, das trotz der den anderen Strassenbenützern zuzumutenden Aufmerksamkeit zu Unfällen Anlass geben oder andere in besonderem Masse hindern kann, ihren Weg fortzusetzen. Immerhin ist nicht nötig, dass die Unfallgefahr eine konkrete sei oder dass das aufgestellte Motorfahrzeug tatsächlich jemanden in unzumutbarer Weise an der Fortsetzung seines Weges hindere. Art. 49 Abs. 2 MFV richtet sich wie die anderen Verkehrsregeln des Gesetzes und der Verordnung schon gegen abstrakte Gefährdung des Verkehrs. Das kommt denn auch darin zum Ausdruck, dass die Bestimmung das Aufstellen von Motorfahrzeugen nicht nur dort verbietet, wo sie den Verkehr stören, sondern schon dort, wo sie ihn stören "können".
2. Nach ständiger Rechtsprechung des Kassationshofes darf an Sicherheitslinien vom Gebote des Rechtsfahrens nur aus zwingenden Gründen abgewichen werden, z.B. wenn ein anderes Fahrzeug wegen einer Panne die rechte Fahrbahn versperrt (BGE 79 IV 84und dort erwähnte Urteile). Hievon geht auch das Kreisschreiben des eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements an die Kantonsregierungen vom 28. März 1939 aus. Die Vorinstanz verkennt das, wenn sie glaubt, das Departement habe Strafanzeige wegen Überfahrens von Sicherheitslinien als nicht erwünscht bezeichnet. Die Meinungsäusserung, dass wegen Überfahrens allein keine Strafanzeige eingereicht werden solle, bezieht sich auf den Fall, dass die Linie "nach den gegebenen Strassenverhältnissen nicht als Sicherheitslinie im Sinne von Art. 45 Abs. 2 MFV gedacht ist". Dass da, wo eine Sicherheitslinie besteht, das Überfahren nicht geahndet werden solle, liesse sich denn auch angesichts der klaren Bestimmung des Art. 45 Abs. 2 MFV nicht vertreten. Auch bleibt kein Raum mehr zur Annahme, eine Linie sei je "nach den gegebenen Strassenverhältnissen" am einen Ort Sicherheitslinie und am andern nicht. Ob sie es ist, hängt nur von ihrem Aussehen ab. Nach den Normen der Vereinigung schweizerischer Strassenfachmänner sind Sicherheitslinien mit weisser Farbe durchgezogen und 10-20 cm breit, wodurch sie sich deutlich von den unterbrochenen Leitlinien unterscheiden (vgl.BGE 79 IV 81ff.).
Darf der Führer eines Motorfahrzeuges ohne zwingenden Grund die Sicherheitslinie nicht überfahren, ja sich ihr nicht einmal so stark nähern, dass er entgegenkommende Strassenbenützer gefährden könnte (vgl. BGE 81 IV 172 f.), so versteht es sich, dass im Bereiche solcher Linien Fahrzeuge jedenfalls dann nicht aufgestellt werden dürfen, wenn der Raum zwischen dem Fahrzeug und der Linie zu eng ist, um anderen ungehindert die Beachtung des Art. 45 Abs. 2 MFV zu gestatten. Die Verordnung kann nicht einerseits ausdrücklich vorschreiben, dass rechts der Sicherheitslinien gefahren werden müsse, und anderseits gestatten wollen, dass andere durch Aufstellen von Fahrzeugen die Einhaltung des Gebotes verunmöglichen. In diesem Sinne hat der Kassationshof schon bisher entschieden (unveröffentlichtes Urteil vom 4. Dezember 1953 i.S. Primavesi). Diese Auslegung des Art. 49 Abs. 2 MFV entspricht auch dem Geiste des Art. 49 Abs. 3, der das Aufstellen von Motorfahrzeugen unter anderem an engen Strassenstellen untersagt. Wo eine Sicherheitslinie den Verkehr teilt, soll dieser sich so abwickeln, dass kein Fahrzeug die dem Gegenverkehr vorbehaltene Strassenseite beanspruchen muss. Die sich daraus ergebende Beeinträchtigung der Bewegungsfreiheit darf wie an engen Strassenstellen nicht durch aufgestellte Fahrzeuge noch weiter eingeschränkt werden, so dass andere auf ihrer Fahrbahn nicht mehr ordnungsgemäss verkehren können.
Eine Ausnahme ist selbst dann nicht zu machen, wenn der Blick auf das aufgestellte Fahrzeug von keiner Seite beeinträchtigt ist. Denn der Zweck, dem die Sicherheitslinie zu dienen hat, besteht weiter. In der Regel wird diese angebracht, weil die Sicht vom fahrenden Wagen auf den Gegenverkehr oder auf die von der Seite einmündenden Fahrzeuge beschränkt ist. Durch Aufstellen von Fahrzeugen im Bereiche der Sicherheitslinie wird diese Sicht um nichts verbessert, oft sogar verschlechtert. In anderen Fällen soll die Sicherheitslinie lediglich die Flüssigkeit des Verkehrs fördern, z.B. wenn sie die Führer der Motorfahrzeuge anweist, die Strassenbahngeleise freizulassen (vgl.BGE 79 IV 79ff.). Auch dieser Zweck könnte durch Aufstellen von Fahrzeugen im Bereiche von Sicherheitslinien vereitelt werden, selbst wenn das aufgestellte Fahrzeug von weitem sichtbar ist.
3. Art. 49 Abs. 2 MFV gilt nur für das Aufstellen, nicht auch für das blosse Anhalten des Fahrzeuges. Nur angehalten, nicht aufgestellt, ist es dann, wenn der Führer unverzüglich weiterzufahren beabsichtigt, z.B. nur rasch jemanden aussteigen lassen will. Aufgestellt dagegen ist das Fahrzeug, wenn es so lange stille steht, dass den Führern der anderen auf die betreffende Strassenseite angewiesenen Fahrzeuge nicht mehr zugemutet werden kann, seine Weiterfahrt abzuwarten.
4. Aus dem angefochtenen Urteil und den Akten ergibt sich nicht, wie breit der Lastenzug und die Strasse auf der Kuppe vor der Hülftensenke sind. Indessen hat das Obergericht die Erklärung des Anzeigers, dass die Richtung Liestal fahrenden Wagen wegen des Lastenzuges gezwungen gewesen seien, die Sicherheitslinie zu überfahren, nicht widerlegt. Der Beschwerdegegner selber räumt ein, dass sie richtig sein könne. Er macht lediglich geltend, auf keinen Fall sei der gegen Liestal Fahrende gezwungen gewesen, die Linie so weit zu überfahren, dass dadurch der entgegenkommende Verkehr behindert oder gestört worden sei. Nach dem Gesagten kommt indessen darauf nichts an, womit auch der Schluss des Obergerichts, der Anzeiger und der ihn begleitende Polizeikommandant selbst hätten die Verkehrsgefährdung nicht für erheblich gehalten, ansonst sie den Beschwerdegegner sofort zur Weiterfahrt veranlasst hätten, gegenstandslos ist. Wie ausgeführt, ist sodann auch unerheblich, dass der Lastenzug von beiden Seiten auf ziemliche Entfernung sichtbar war.
Des weitern steht fest und gibt auch der Beschwerdegegner zu, dass die auf der Kuppe angebrachte Linie durchgezogen ist. Sie ist also Sicherheitslinie im Sinne des Art. 45 Abs. 2 MFV. Dass sie an beiden Enden an eine unterbrochene Leitlinie anschliesst, die den Strassenbenützer auf die Verhältnisse auf der Kuppe vorbereitet, ändert nichts. Entgegen der Annahme des Beschwerdegegners wird dadurch die Linie dort, wo sie durchgezogen ist - nach seinen Angaben auf etwa 80 m Länge - nicht ebenfalls zur Leitlinie.
Auch hat der Beschwerdegegner den Lastenzug nicht nur angehalten, sondern im Sinne des Art. 49 Abs. 2 MFV aufgestellt; denn er hat ihn für etwa drei bis vier Minuten verlassen, eine Zeitspanne, während der den gegen Liestal fahrenden Automobilisten nicht zugemutet werden konnte, hinter dem Lastenzug anzuhalten und zu warten.
Objektiv hat daher der Beschwerdegegner Art. 49 Abs. 2 MFV übertreten.
5. Der Beschwerdegegner bestreitet weder, dass er den Lastenzug mit Wissen und Willen auf der Kuppe vor der Hülftensenke aufgestellt, noch dass er von der dort liegenden Sicherheitslinie Kenntnis gehabt habe und sich bewusst gewesen sei, dass die Richtung Liestal sich bewegenden Fahrzeuge wegen des Lastenzuges genötigt waren, sie zu überfahren. Zum mindestens konnte er sich dieser Verhältnisse bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit und Überlegung bewusst sein. Der subjektive Tatbestand der Übertretung ist daher erfüllt, sei es in Form des Vorsatzes, sei es in Form von Fahrlässigkeit, die gemäss Art. 65 Abs. 1 MFG zur Anwendung des Gesetzes genügt.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil der Polizeikammer des Obergerichts des Kantons Basel-Landschaft vom 7. Juni 1955 aufgehoben und die Sache zur Bestrafung des Beschwerdegegners wegen Übertretung des Art. 49 Abs. 2 MFV an die Vorinstanz zurückgewiesen.
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Art. 45 cp. 2, 49 cp. 2 RLA. Dove sono tracciate linee di sicurezza un autoveicolo non può in ogni modo essere fatto sostare se ciò impedisce ad altri utenti della strada di circolare liberamente a destra della linea.
Quando un veicolo è "fatto sostare"?
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81 IV 302
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81 IV 302
Sachverhalt ab Seite 302
A.- Fürrer fuhr am 1. Februar 1955, ca. 0750 Uhr, mit seinem Chevrolet-Personenwagen am Ende einer aus sechs Autos bestehenden Kolonne von Küsnacht nach Zürich. Als die Kolonne in Zollikon anhalten musste, prallte der 5. Wagen, ein Oldsmobile, gegen seinen Vorderwagen, sodass jedes der in kurzen Abständen aufgeschlossenen Fahrzeuge gegen das vordere geschoben wurde. Fürrer konnte ebenfalls nicht rechtzeitig anhalten und stiess in den Oldsmobile. Vor dem Unfall betrug seine Geschwindigkeit 50-60 km /Std und sein Abstand zum Oldsmobile ca. 20 m.
B.- Der Einzelrichter des Bezirksgerichts Zürich warf Fürrer vor, er habe einen im Verhältnis zu seiner Geschwindigkeit zu geringen Abstand eingehalten. Am 12. September 1955 verurteilte er ihn wegen Übertretung von Art. 25 MFG und Art. 48 MFV zu einer Busse von Fr. 40.-.
C.- Gegen diesen Entscheid hat Fürrer Nichtigkeitsbeschwerde beim Bundesgericht erhoben. Er bestreitet, eine Gesetzesverletzung begangen zu haben.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Gemäss Art. 48 Abs. 1 MFV dürfen hintereinander fahrende Motorfahrzeuge nur so nahe aufschliessen, dass sich beim plötzlichen Anhalten des vordern Fahrzeuges kein Zusammenstoss ereignen kann. Die Pflicht, dafür z-u sorgen, dass der Abstand zwischen zwei hintereinander fahrenden Fahrzeugen diesem Gebot entspricht, obliegt dem Führer des hintern Fahrzeuges (BGE 81 IV 51). Der Beschwerdeführer bestreitet das nicht; er macht aber geltend, der Führer des hintern Fahrzeuges habe bei der Bemessung des Abstandes nicht damit zu rechnen, dass sich der Bremsweg des vordern Fahrzeuges infolge unvorhergesehener Umstände, insbesonders durch einen Zusammenstoss, erheblich verkürze.
2. Das Gebot, einen angemessenen Abstand von andern Fahrzeugen einzuhalten, ist schon in der allgemeinen Verpflichtung enthalten, wonach die Geschwindigkeit den gegebenen Strassen- und Verkehrsverhältnissen anzupassen und überall dort der Lauf zu mässigen ist, wo das Fahrzeug Anlass zu Unfällen bieten könnte (Art. 25 Abs. 1 MFG). Art. 48 Abs. 1 MFV hebt den Fall des Hintereinanderfahrens hervor und gebietet dem Führer des hintern Fahrzeuges im besondern, seinen Abstand derart zu bemessen, dass selbst dann, wenn der vordere Wagen plötzlich angehalten wird, ein Zusammenstoss vermieden werden kann. Obgleich das Gesetz keinen Unterschied macht, aus welchem Grunde das plötzliche Anhalten erfolgt, gilt das Gebot nicht schlechthin. Der Fahrzeugführer hat wegen der entfernten Möglichkeit, dass das vor ihm fahrende Fahrzeug durch höhere Gewalt, z.B. durch einen fallenden Baum oder durch einen Felssturz, plötzlich zum Halten gebracht werden könnte, keine besondern Vorsichtsmassnahmen zu treffen. Er hat bei der Bemessung des Abstandes bloss die Möglichkeit konkreter Gefahren in Rechnung zu stellen.
Das Fahren in der Kolonne erhöht als solches die Gefahr eines Zusammenstosses, nicht nur, weil es die Sicht nach vorne verdeckt oder erschwert und dadurch die zu befahrende Strecke unübersichtlich wird, sondern auch wegen der Ungewissheit, die hinsichtlich der Fahrweise der übrigen Führer und der Betriebssicherheit ihrer Fahrzeuge besteht. Wenn auch bei mittleren und grösseren Geschwindigkeiten im allgemeinen davon ausgegangen werden darf, der vordere Wagen werde nicht auf einen Schlag stillstehen, sondern vor seinem Anhalten eine gewisse Bremsstrecke durchlaufen, so muss doch berücksichtigt werden, dass diese nie zum voraus geschätzt werden kann, denn ihre Länge hängt von verschiedenen Umständen ab (Geschwindigkeit, Zustand der Pneus und der Strasse, Art der Betätigung und Wirksamkeit der Bremsen, etc.), die dem nachfolgenden Fahrzeugführer grösstenteils unbekannt sind. Dieser darf daher nicht mit einem mittleren Bremsweg rechnen; er muss, um sicher zu gehen, in Betracht ziehen, dass das vor ihm fahrende Fahrzeug nur eine kurze Bremsstrecke zum Anhalten benötigt. Wer in einer aus mehreren Autos bestehenden Kolonne fährt, steht ferner dauernd der Gefahr gegenüber, dass das Fahrzeug, dem er folgt, durch das diesem voranfahrende unversehens angehalten wird. Da das Aufleuchten des Stoplichtes über die Art der Bremsung noch nichts aussagt und das Anhalten des vordern Fahrzeuges regelmässig erst aus dessen Geschwindigkeitsverzögerung erkennbar wird, verlängert sich dementsprechend die Reaktionszeit des nachfolgenden Fahrzeugführers; auch dieser Umstand ist bei der Bemessung des Abstandes in Rechnung zu stellen.
Der Beschwerdeführer hat diese Grundsätze zu wenig beachtet. Sein Abstand von 20 m hätte theoretisch zwar gerade genügt, knapp hinter dem Oldsmobile anzuhalten, sofern er innert der üblichen Reaktionszeit von einer Sekunde nach dem Aufleuchten des Stoplichtes zu bremsen begann und sein Bremsweg nicht länger als derjenige des Oldsmobile war. Dies allein entsprach aber nicht den Anforderungen, die angesichts der konkreten Gefahren beim Hintereinanderfahren an die Angemessenheit des Abstandes gestellt werden müssen, damit der Verpflichtung aus Art. 48 Abs. 1 MFV Genüge geleistet ist. Die Tatsache, dass der Chevrolet mit grösserer Wucht den Oldsmobile gerammt hat als dieser das vor ihm stehende Fahrzeug, zeigt übrigens, dass selbst dann, wenn der Bremsweg des Oldsmobile nicht leicht verkürzt worden wäre, der Beschwerdeführer den Zusammenstoss mit grosser Wahrscheinlichkeit nicht hätte vermeiden können. Er ist somit zu Recht bestraft worden.
3. Weiter beanstandet der Beschwerdeführer, dass er gleichzeitig wegen Verletzung des Art. 25 MFG bestraft worden sei. Seine Behauptung, die Geschwindigkeit von 50-60 km /Std sei auf der Seestrasse in Zollikon nicht übersetzt gewesen, wird vom angefochtenen Entscheid nicht widerlegt. Aus dessen Erwägungen ist zu schliessen, dass die Vorinstanz die Geschwindigkeit nur im Hinblick auf den zu geringen Abstand vom vordern Fahrzeug als übersetzt betrachtet hat. Die Geschwindigkeit wäre also den Strassenverhältnissen angepasst gewesen, wenn der Abstand grösser gewesen wäre, während anderseits der Abstand von 20 m bei geringerer Geschwindigkeit genügt hätte. Daraus folgt, dass der Beschwerdeführer nicht gleichzeitig Art. 25 MFG und Art. 48 MFV, sondern nur eine der beiden Bestimmungen verletzt hat, und zwar offenbar die letztere. Der Irrtum der Vorinstanz hatte indessen auf die Bemessung der Busse keinen Einfluss; sie bestätigte nur den Entscheid des Statthalteramtes, das die Strafe allein wegen Zuwiderhandlung gegen Art. 25 MFG ausgefällt hatte. Ein blosser Irrtum in den Motiven bildet aber keinen Kassationsgrund (BGE 79 IV 89).
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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Art. 48 Abs. 1 MFV. 1. Anforderungen an die Angemessenheit des Abstandes beim Hintereinanderfahren.
2. Verhältnis zu Art. 25 Abs. 1 MFG.
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81 IV 302
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81 IV 302
Sachverhalt ab Seite 302
A.- Fürrer fuhr am 1. Februar 1955, ca. 0750 Uhr, mit seinem Chevrolet-Personenwagen am Ende einer aus sechs Autos bestehenden Kolonne von Küsnacht nach Zürich. Als die Kolonne in Zollikon anhalten musste, prallte der 5. Wagen, ein Oldsmobile, gegen seinen Vorderwagen, sodass jedes der in kurzen Abständen aufgeschlossenen Fahrzeuge gegen das vordere geschoben wurde. Fürrer konnte ebenfalls nicht rechtzeitig anhalten und stiess in den Oldsmobile. Vor dem Unfall betrug seine Geschwindigkeit 50-60 km /Std und sein Abstand zum Oldsmobile ca. 20 m.
B.- Der Einzelrichter des Bezirksgerichts Zürich warf Fürrer vor, er habe einen im Verhältnis zu seiner Geschwindigkeit zu geringen Abstand eingehalten. Am 12. September 1955 verurteilte er ihn wegen Übertretung von Art. 25 MFG und Art. 48 MFV zu einer Busse von Fr. 40.-.
C.- Gegen diesen Entscheid hat Fürrer Nichtigkeitsbeschwerde beim Bundesgericht erhoben. Er bestreitet, eine Gesetzesverletzung begangen zu haben.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Gemäss Art. 48 Abs. 1 MFV dürfen hintereinander fahrende Motorfahrzeuge nur so nahe aufschliessen, dass sich beim plötzlichen Anhalten des vordern Fahrzeuges kein Zusammenstoss ereignen kann. Die Pflicht, dafür z-u sorgen, dass der Abstand zwischen zwei hintereinander fahrenden Fahrzeugen diesem Gebot entspricht, obliegt dem Führer des hintern Fahrzeuges (BGE 81 IV 51). Der Beschwerdeführer bestreitet das nicht; er macht aber geltend, der Führer des hintern Fahrzeuges habe bei der Bemessung des Abstandes nicht damit zu rechnen, dass sich der Bremsweg des vordern Fahrzeuges infolge unvorhergesehener Umstände, insbesonders durch einen Zusammenstoss, erheblich verkürze.
2. Das Gebot, einen angemessenen Abstand von andern Fahrzeugen einzuhalten, ist schon in der allgemeinen Verpflichtung enthalten, wonach die Geschwindigkeit den gegebenen Strassen- und Verkehrsverhältnissen anzupassen und überall dort der Lauf zu mässigen ist, wo das Fahrzeug Anlass zu Unfällen bieten könnte (Art. 25 Abs. 1 MFG). Art. 48 Abs. 1 MFV hebt den Fall des Hintereinanderfahrens hervor und gebietet dem Führer des hintern Fahrzeuges im besondern, seinen Abstand derart zu bemessen, dass selbst dann, wenn der vordere Wagen plötzlich angehalten wird, ein Zusammenstoss vermieden werden kann. Obgleich das Gesetz keinen Unterschied macht, aus welchem Grunde das plötzliche Anhalten erfolgt, gilt das Gebot nicht schlechthin. Der Fahrzeugführer hat wegen der entfernten Möglichkeit, dass das vor ihm fahrende Fahrzeug durch höhere Gewalt, z.B. durch einen fallenden Baum oder durch einen Felssturz, plötzlich zum Halten gebracht werden könnte, keine besondern Vorsichtsmassnahmen zu treffen. Er hat bei der Bemessung des Abstandes bloss die Möglichkeit konkreter Gefahren in Rechnung zu stellen.
Das Fahren in der Kolonne erhöht als solches die Gefahr eines Zusammenstosses, nicht nur, weil es die Sicht nach vorne verdeckt oder erschwert und dadurch die zu befahrende Strecke unübersichtlich wird, sondern auch wegen der Ungewissheit, die hinsichtlich der Fahrweise der übrigen Führer und der Betriebssicherheit ihrer Fahrzeuge besteht. Wenn auch bei mittleren und grösseren Geschwindigkeiten im allgemeinen davon ausgegangen werden darf, der vordere Wagen werde nicht auf einen Schlag stillstehen, sondern vor seinem Anhalten eine gewisse Bremsstrecke durchlaufen, so muss doch berücksichtigt werden, dass diese nie zum voraus geschätzt werden kann, denn ihre Länge hängt von verschiedenen Umständen ab (Geschwindigkeit, Zustand der Pneus und der Strasse, Art der Betätigung und Wirksamkeit der Bremsen, etc.), die dem nachfolgenden Fahrzeugführer grösstenteils unbekannt sind. Dieser darf daher nicht mit einem mittleren Bremsweg rechnen; er muss, um sicher zu gehen, in Betracht ziehen, dass das vor ihm fahrende Fahrzeug nur eine kurze Bremsstrecke zum Anhalten benötigt. Wer in einer aus mehreren Autos bestehenden Kolonne fährt, steht ferner dauernd der Gefahr gegenüber, dass das Fahrzeug, dem er folgt, durch das diesem voranfahrende unversehens angehalten wird. Da das Aufleuchten des Stoplichtes über die Art der Bremsung noch nichts aussagt und das Anhalten des vordern Fahrzeuges regelmässig erst aus dessen Geschwindigkeitsverzögerung erkennbar wird, verlängert sich dementsprechend die Reaktionszeit des nachfolgenden Fahrzeugführers; auch dieser Umstand ist bei der Bemessung des Abstandes in Rechnung zu stellen.
Der Beschwerdeführer hat diese Grundsätze zu wenig beachtet. Sein Abstand von 20 m hätte theoretisch zwar gerade genügt, knapp hinter dem Oldsmobile anzuhalten, sofern er innert der üblichen Reaktionszeit von einer Sekunde nach dem Aufleuchten des Stoplichtes zu bremsen begann und sein Bremsweg nicht länger als derjenige des Oldsmobile war. Dies allein entsprach aber nicht den Anforderungen, die angesichts der konkreten Gefahren beim Hintereinanderfahren an die Angemessenheit des Abstandes gestellt werden müssen, damit der Verpflichtung aus Art. 48 Abs. 1 MFV Genüge geleistet ist. Die Tatsache, dass der Chevrolet mit grösserer Wucht den Oldsmobile gerammt hat als dieser das vor ihm stehende Fahrzeug, zeigt übrigens, dass selbst dann, wenn der Bremsweg des Oldsmobile nicht leicht verkürzt worden wäre, der Beschwerdeführer den Zusammenstoss mit grosser Wahrscheinlichkeit nicht hätte vermeiden können. Er ist somit zu Recht bestraft worden.
3. Weiter beanstandet der Beschwerdeführer, dass er gleichzeitig wegen Verletzung des Art. 25 MFG bestraft worden sei. Seine Behauptung, die Geschwindigkeit von 50-60 km /Std sei auf der Seestrasse in Zollikon nicht übersetzt gewesen, wird vom angefochtenen Entscheid nicht widerlegt. Aus dessen Erwägungen ist zu schliessen, dass die Vorinstanz die Geschwindigkeit nur im Hinblick auf den zu geringen Abstand vom vordern Fahrzeug als übersetzt betrachtet hat. Die Geschwindigkeit wäre also den Strassenverhältnissen angepasst gewesen, wenn der Abstand grösser gewesen wäre, während anderseits der Abstand von 20 m bei geringerer Geschwindigkeit genügt hätte. Daraus folgt, dass der Beschwerdeführer nicht gleichzeitig Art. 25 MFG und Art. 48 MFV, sondern nur eine der beiden Bestimmungen verletzt hat, und zwar offenbar die letztere. Der Irrtum der Vorinstanz hatte indessen auf die Bemessung der Busse keinen Einfluss; sie bestätigte nur den Entscheid des Statthalteramtes, das die Strafe allein wegen Zuwiderhandlung gegen Art. 25 MFG ausgefällt hatte. Ein blosser Irrtum in den Motiven bildet aber keinen Kassationsgrund (BGE 79 IV 89).
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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Art. 48 al. 1 RA. 1. Exigences relatives à la mesure des distances entre véhicules circulant à la file.
2. Rapport avec l'art. 25 al. 1 LA.
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81 IV 302
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81 IV 302
Sachverhalt ab Seite 302
A.- Fürrer fuhr am 1. Februar 1955, ca. 0750 Uhr, mit seinem Chevrolet-Personenwagen am Ende einer aus sechs Autos bestehenden Kolonne von Küsnacht nach Zürich. Als die Kolonne in Zollikon anhalten musste, prallte der 5. Wagen, ein Oldsmobile, gegen seinen Vorderwagen, sodass jedes der in kurzen Abständen aufgeschlossenen Fahrzeuge gegen das vordere geschoben wurde. Fürrer konnte ebenfalls nicht rechtzeitig anhalten und stiess in den Oldsmobile. Vor dem Unfall betrug seine Geschwindigkeit 50-60 km /Std und sein Abstand zum Oldsmobile ca. 20 m.
B.- Der Einzelrichter des Bezirksgerichts Zürich warf Fürrer vor, er habe einen im Verhältnis zu seiner Geschwindigkeit zu geringen Abstand eingehalten. Am 12. September 1955 verurteilte er ihn wegen Übertretung von Art. 25 MFG und Art. 48 MFV zu einer Busse von Fr. 40.-.
C.- Gegen diesen Entscheid hat Fürrer Nichtigkeitsbeschwerde beim Bundesgericht erhoben. Er bestreitet, eine Gesetzesverletzung begangen zu haben.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Gemäss Art. 48 Abs. 1 MFV dürfen hintereinander fahrende Motorfahrzeuge nur so nahe aufschliessen, dass sich beim plötzlichen Anhalten des vordern Fahrzeuges kein Zusammenstoss ereignen kann. Die Pflicht, dafür z-u sorgen, dass der Abstand zwischen zwei hintereinander fahrenden Fahrzeugen diesem Gebot entspricht, obliegt dem Führer des hintern Fahrzeuges (BGE 81 IV 51). Der Beschwerdeführer bestreitet das nicht; er macht aber geltend, der Führer des hintern Fahrzeuges habe bei der Bemessung des Abstandes nicht damit zu rechnen, dass sich der Bremsweg des vordern Fahrzeuges infolge unvorhergesehener Umstände, insbesonders durch einen Zusammenstoss, erheblich verkürze.
2. Das Gebot, einen angemessenen Abstand von andern Fahrzeugen einzuhalten, ist schon in der allgemeinen Verpflichtung enthalten, wonach die Geschwindigkeit den gegebenen Strassen- und Verkehrsverhältnissen anzupassen und überall dort der Lauf zu mässigen ist, wo das Fahrzeug Anlass zu Unfällen bieten könnte (Art. 25 Abs. 1 MFG). Art. 48 Abs. 1 MFV hebt den Fall des Hintereinanderfahrens hervor und gebietet dem Führer des hintern Fahrzeuges im besondern, seinen Abstand derart zu bemessen, dass selbst dann, wenn der vordere Wagen plötzlich angehalten wird, ein Zusammenstoss vermieden werden kann. Obgleich das Gesetz keinen Unterschied macht, aus welchem Grunde das plötzliche Anhalten erfolgt, gilt das Gebot nicht schlechthin. Der Fahrzeugführer hat wegen der entfernten Möglichkeit, dass das vor ihm fahrende Fahrzeug durch höhere Gewalt, z.B. durch einen fallenden Baum oder durch einen Felssturz, plötzlich zum Halten gebracht werden könnte, keine besondern Vorsichtsmassnahmen zu treffen. Er hat bei der Bemessung des Abstandes bloss die Möglichkeit konkreter Gefahren in Rechnung zu stellen.
Das Fahren in der Kolonne erhöht als solches die Gefahr eines Zusammenstosses, nicht nur, weil es die Sicht nach vorne verdeckt oder erschwert und dadurch die zu befahrende Strecke unübersichtlich wird, sondern auch wegen der Ungewissheit, die hinsichtlich der Fahrweise der übrigen Führer und der Betriebssicherheit ihrer Fahrzeuge besteht. Wenn auch bei mittleren und grösseren Geschwindigkeiten im allgemeinen davon ausgegangen werden darf, der vordere Wagen werde nicht auf einen Schlag stillstehen, sondern vor seinem Anhalten eine gewisse Bremsstrecke durchlaufen, so muss doch berücksichtigt werden, dass diese nie zum voraus geschätzt werden kann, denn ihre Länge hängt von verschiedenen Umständen ab (Geschwindigkeit, Zustand der Pneus und der Strasse, Art der Betätigung und Wirksamkeit der Bremsen, etc.), die dem nachfolgenden Fahrzeugführer grösstenteils unbekannt sind. Dieser darf daher nicht mit einem mittleren Bremsweg rechnen; er muss, um sicher zu gehen, in Betracht ziehen, dass das vor ihm fahrende Fahrzeug nur eine kurze Bremsstrecke zum Anhalten benötigt. Wer in einer aus mehreren Autos bestehenden Kolonne fährt, steht ferner dauernd der Gefahr gegenüber, dass das Fahrzeug, dem er folgt, durch das diesem voranfahrende unversehens angehalten wird. Da das Aufleuchten des Stoplichtes über die Art der Bremsung noch nichts aussagt und das Anhalten des vordern Fahrzeuges regelmässig erst aus dessen Geschwindigkeitsverzögerung erkennbar wird, verlängert sich dementsprechend die Reaktionszeit des nachfolgenden Fahrzeugführers; auch dieser Umstand ist bei der Bemessung des Abstandes in Rechnung zu stellen.
Der Beschwerdeführer hat diese Grundsätze zu wenig beachtet. Sein Abstand von 20 m hätte theoretisch zwar gerade genügt, knapp hinter dem Oldsmobile anzuhalten, sofern er innert der üblichen Reaktionszeit von einer Sekunde nach dem Aufleuchten des Stoplichtes zu bremsen begann und sein Bremsweg nicht länger als derjenige des Oldsmobile war. Dies allein entsprach aber nicht den Anforderungen, die angesichts der konkreten Gefahren beim Hintereinanderfahren an die Angemessenheit des Abstandes gestellt werden müssen, damit der Verpflichtung aus Art. 48 Abs. 1 MFV Genüge geleistet ist. Die Tatsache, dass der Chevrolet mit grösserer Wucht den Oldsmobile gerammt hat als dieser das vor ihm stehende Fahrzeug, zeigt übrigens, dass selbst dann, wenn der Bremsweg des Oldsmobile nicht leicht verkürzt worden wäre, der Beschwerdeführer den Zusammenstoss mit grosser Wahrscheinlichkeit nicht hätte vermeiden können. Er ist somit zu Recht bestraft worden.
3. Weiter beanstandet der Beschwerdeführer, dass er gleichzeitig wegen Verletzung des Art. 25 MFG bestraft worden sei. Seine Behauptung, die Geschwindigkeit von 50-60 km /Std sei auf der Seestrasse in Zollikon nicht übersetzt gewesen, wird vom angefochtenen Entscheid nicht widerlegt. Aus dessen Erwägungen ist zu schliessen, dass die Vorinstanz die Geschwindigkeit nur im Hinblick auf den zu geringen Abstand vom vordern Fahrzeug als übersetzt betrachtet hat. Die Geschwindigkeit wäre also den Strassenverhältnissen angepasst gewesen, wenn der Abstand grösser gewesen wäre, während anderseits der Abstand von 20 m bei geringerer Geschwindigkeit genügt hätte. Daraus folgt, dass der Beschwerdeführer nicht gleichzeitig Art. 25 MFG und Art. 48 MFV, sondern nur eine der beiden Bestimmungen verletzt hat, und zwar offenbar die letztere. Der Irrtum der Vorinstanz hatte indessen auf die Bemessung der Busse keinen Einfluss; sie bestätigte nur den Entscheid des Statthalteramtes, das die Strafe allein wegen Zuwiderhandlung gegen Art. 25 MFG ausgefällt hatte. Ein blosser Irrtum in den Motiven bildet aber keinen Kassationsgrund (BGE 79 IV 89).
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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Art. 48 cp. 1 RLA. 1. Quando la distanza tra veicoli circolanti in colonna è adeguata?
2. Rapporto con l'art. 25 cp. 1 LA.
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81 IV 306
Sachverhalt ab Seite 307
A.- Otto Weber ist Besitzer des Restaurants und Kabaretts Urania in Zürich. Am 26. Januar 1954 schloss er mit Cemin einen vorgedruckten Kapellen- und Musikerengagementsvertrag ab. Danach verpflichtete sich Cemin, mit zwei weiteren Musikern vom 1. bis 31. August 1954 und vom 1. November 1954 bis 31. Januar 1955 im Restaurant Urania Unterhaltungsmusik zu spielen. Die weiteren Bestimmungen des Vertrages, soweit sie hier von Interesse sind, haben folgenden Wortlaut:
"Art. 2: Kontrahent II (Cemin) verpflichtet sich, (sich) den Anordnungen des Kontrahenten I (Weber), bzw. dessen artistischer Leitung zu unterziehen. Kontrahent II ist diesbezüglich für die von ihm engagierten Personen verantwortlich.
Art. 6: Kontrahent I bezahlt an den Kontrahenten II als Gage pro Arbeitstag für ihn und die von ihm engagierten Personen Fr. 85.-."
Ferner wurde im Vertrag zusätzlich bestimmt: "Für die Freitage besorgt Cemin selbst einzelne Aushilfsmusiker".
Bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 33 3/4 Stunden hatten Cemin und die beiden von ihm gestellten Musiker während des ganzen Monats November 1954 keinen Freitag.
B.- Am 2. Februar 1955 wurde Weber vom Polizeirichteramt der Stadt Zürich wegen Übertretung der Art. 2 und 4 der Verfügung des Eidg. Volkswirtschaftsdepartementes vom 24. Dezember 1952 über die Ruhezeit der Musiker in Unterhaltungsbetrieben gestützt auf Art. 23 des Bundesgesetzes über die wöchentliche Ruhezeit mit Fr. 25.- gebüsst.
C.- Auf Einsprache hin sprach der Einzelrichter in Strafsachen des Bezirksgerichtes Zürich Weber am 15. September 1955 frei, im wesentlichen mit der Begründung, dass nicht Weber, sondern Cemin für die Gewährung der gesetzlich vorgeschriebenen Ruhetage strafrechtlich verantwortlich sei.
D.- Das Polizeirichteramt Zürich reichte gegen dieses Urteil Nichtigkeitsbeschwerde an den Kassationshof des Bundesgerichts ein. Es beantragt Aufhebung des Urteils und Rückweisung an die Vorinstanz zur Bestätigung der am 2. Februar 1955 ausgefällten Busse von Fr. 25.-.
Der Beschwerdegegner stellt den Antrag auf Abweisung der Nichtigkeitsbeschwerde.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Gemäss Art. 1 und 5 des Gesetzes vom 26. September 1931 über die wöchentliche Ruhezeit (RZG) ist den Arbeitnehmern des Handels, des Handwerks, der Industrie, des Verkehrs und verwandter Wirtschaftszweige eine wöchentliche Ruhezeit von mindestens 24 aufeinanderfolgenden Stunden zu gewähren. Art. 4 Abs. 1 der Vollziehungsverordnung dazu vom 11. Juni 1934 (RZV) bestimmt, dass als Arbeitnehmer auch der Akkordant und sein Personal gelte, sofern er nicht selbständiger Unternehmer ist.
Für das Gasthof- und Wirtschaftsgewerbe gelten verschiedene Sonderbestimmungen (Art. 15 bis 22 RZG). Nach Art. 20 können für Gastwirtschaftsbetriebe Ausnahmen bewilligt werden, deren nähere Ausgestaltung einer Verordnung überlassen ist. Durch Art. 27 RZV wurde das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement ermächtigt, nach Anhörung der Berufsverbände für Wirtschaftszweige, die sich über mehrere Kantone oder das ganze Land erstrecken, die Anwendung von Art. 20 RZG generell zu regeln. Für die Ruhezeit der Musiker in Unterhaltungsbetrieben hat das EVD von dieser Ermächtigung durch eine Verfügung vom 24. Dezember 1952 Gebrauch gemacht. Nach Art. 1 und 2 dieser Verfügung ist den Musikern in Unterhaltungsbetrieben bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von mindestens 30 und höchstens 36 Stunden alle zwei Wochen ein Ruhetag zu gewähren, wobei zwei Ruhetage für vier Wochen zusammengelegt werden können.
2. Es ist unbestritten, dass das Restaurant Urania ein Unterhaltungsbetrieb ist, welcher unter die zitierten Gesetzesbestimmungen fällt. Es ist jährlich in der Regel 11 Monate geöffnet und unterliegt keinen jahreszeitlichen Schwankungen. Wie die Vorinstanz verbindlich feststellt, betrug die wöchentliche Arbeitzseit von Cemin und den beiden anderen Musikern im November 1954 33 3/4 Stunden. Gemäss Art. 2 der Verfügung des EVD vom 24. Dezember 1952 hatten sie somit Anspruch auf einen Ruhetag innert 14 Tagen oder zwei zusammengelegte Ruhetage innert einem Monat. Der Beschwerdegegner bestreitet dies grundsätzlich nicht. Er macht jedoch geltend, dass die Pflicht, die gesetzlichen Ruhetage zu gewähren, nicht ihm, sondern Cemin obgelegen habe, welcher Auffassung sich auch der Einzelrichter in Strafsachen anschloss.
3. Gemäss Art. 23 Abs. 1 lit. a RZG ist der Betriebsinhaber oder die für die Leitung des Betriebes verantwortliche Personen strafbar, wenn den unter das Gesetz fallenden Arbeitnehmern die vorgeschriebene Ruhe- und Freizeit nicht gewährt wird. Betriebsinhaber des Restaurants Urania ist unbestrittenermassen der Beschwerdegegner. Nach Art. 4 Abs. 1 RZV gilt als Arbeitnehmer auch der Akkordant und sein Personal, sofern er nicht selbständiger Unternehmer ist. Der Beschwerdegegner wäre somit höchstens dann strafrechtlich nicht verantwortlich, wenn Cemin als selbständiger Unternehmer angesehen werden müsste. Dies ist jedoch nicht der Fall. Wie sich aus den vertraglichen Abmachungen ergibt, ist Cemin auf eine bestimmte Zeit fest engagiert worden, mit der Verpflichtung, noch zwei weitere Musiker zu stellen. Seine Honorierung richtete sich dabei nach der aufgewendeten Zeit und nicht wie beim selbständigen Akkordanten nach dem Arbeitsergebnis (BECKER, Kommentar zum OR N. 11 zu Art. 319, OSER-SCHÖNENBERGER, Kommentar zum OR N. 22 zu Art. 319). Nach Art. 2 des Vertrages waren Cemin sowie die zwei von ihm gestellten Musiker verpflichtet, die Anordnungen des Beschwerdegegners zu befolgen und sich dessen artistischer Leitung zu unterziehen. Gemäss Art. 5 des Vertrages war Cemin überdies verpflichtet, auf Wunsch des Beschwerdegegners bei Proben mitzuwirken, welche sich auf das artistische Unternehmen bezogen, Stücke zu arrangieren und einzustudieren, sowie übergebene Rollen zur Zufriedenheit des Beschwerdegegners auszuführen. Schliesslich wurde in Art. 12 des Vertrages das Dienstvertragsrecht (Art. 319 ff. OR) ausdrücklich als ergänzende Regelung anwendbar erklärt. Unter diesen Umständen kommt Cemin nicht die Stellung eines selbständigen Unternehmers zu, ja nicht einmal diejenige eines Akkordanten, da sämtliche nach der Praxis für einen Dienstvertrag wesentlichen Elemente (Arbeitsleistung auf Zeit und Unterordnungsverhältnis) gegeben sind (BGE 73 I 420E. 4). Der Beschwerdegegner war daher als Betriebsinhaber des Restaurants Urania verpflichtet, für die Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Ruhetage zu sorgen. Diese Verpflichtung konnte er nicht durch eine Vertragsbestimmung auf Cemin übertragen; andernfalls könnte die gesetzliche Ordnung in zahlreichen Fällen praktisch illusorisch gemacht werden. Durch die Aufnahme der Bestimmung in den Vertrag, dass Cemin selbst die einzelnen Aushilfsmusiker für die Freitage zu stellen habe, hat er seine Pflicht zur Gewährung der gesetzlichen Ruhetage noch nicht erfüllt. Er hätte die notwendigen präzisen Anordnungen erteilen und deren Einhaltung überwachen müssen, damit die gesetzlichen Freitage gewährt worden wären. Dass er in dieser Beziehung irgendetwas vorgekehrt habe, behauptet er selber nicht.
4. Auch der Einwand des Beschwerdegegners, dass die Gewährung von Ruhetagen im Monat November 1954 deshalb nicht erforderlich gewesen sei, weil Cemin und seine Musiker im Oktober im St. Annahof wöchentlich nur 3 bis 4 Tage gespielt hätten, und daher die im Oktober zu viel genossenen Ruhetage auf den November übertragen worden seien, geht fehl. Das Ruhetaggesetz sieht allerdings in bestimmten Fällen die Möglichkeit vor, die Freitage für gewisse Perioden einzuschränken oder wegzubedingen, wobei dann eine entsprechende Ersatzruhe zu gewähren ist (Art. 8 RZG). Ob eine solche Ersatzruhe auch zum voraus gewährt werden kann, braucht jedoch nicht entschieden zu werden. Ganz abgesehen davon, dass im vorliegenden Fall die Voraussetzung von Art. 8 RZG (Vermeidung oder Beseitigung von ernstlichen Betriebsstörungen, Behebung eines Notstandes usf) nicht erfüllt sind, können auf alle Fälle diejenigen Ruhetage nicht als Ersatzruhe angesehen werden, welche vor Beginn eines Arbeitsverhältnisses in einem andern Betrieb gewährt worden sind.
5. Da im Monat November 1954 Cemin und die beiden andern Musiker keinen Ruhetag genossen, hat sich der Beschwerdegegner als verantwortlicher Betriebsinhaber gemäss Art. 23 RZG einer Übertretung von Art. 2 der Verfügung des EVD vom 24. Dezember 1952 schuldig gemacht und ist daher zu bestrafen. Wie die Verhältnisse in den nachfolgenden Monaten waren, braucht nicht untersucht zu werden, da sich die Verfügung des Beschwerdeführers nur auf die Zeit vom 1. bis 30. November 1954 bezieht und in der Nichtigkeitsbeschwerde einzig deren Bestätigung beantragt wird.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Einzelrichters in Strafsachen des Bezirksgerichtes Zürich aufgehoben und die Sache zur Verurteilung des Beschwerdegegners an die Vorinstanz zurückgewiesen.
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1. Art. 23 Abs. 1 lit. a des Bundesgesetzes vom 26. September 1931 über die wöchentliche Ruhezeit (RZG); Verfügung des EVD vom 24. Dezember 1952 über die Ruhezeit der Musiker in Unterhaltungsbetrieben. Wer ist strafbar, wenn Musikern in einem Unterhaltungsbetrieb die vorgeschriebene Ruhezeit nicht gewährt wird? 2. Art. 4 Abs. 1 der Vollziehungsverordnung vom 11. Juni 1934 zum BG über die wöchentliche Ruhezeit (RZV). Akkordant, der nicht selbständiger Unternehmer ist (hier Leiter einer Musikertruppe).
3. Art. 8 Abs. 3 RZ G. Als Ersatzruhe gelten nicht Ruhetage, die vor Beginn eines Arbeitsverhältnisses in einem anderen Betrieb gewährt worden sind (Erw. 4).
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81 IV 306
Sachverhalt ab Seite 307
A.- Otto Weber ist Besitzer des Restaurants und Kabaretts Urania in Zürich. Am 26. Januar 1954 schloss er mit Cemin einen vorgedruckten Kapellen- und Musikerengagementsvertrag ab. Danach verpflichtete sich Cemin, mit zwei weiteren Musikern vom 1. bis 31. August 1954 und vom 1. November 1954 bis 31. Januar 1955 im Restaurant Urania Unterhaltungsmusik zu spielen. Die weiteren Bestimmungen des Vertrages, soweit sie hier von Interesse sind, haben folgenden Wortlaut:
"Art. 2: Kontrahent II (Cemin) verpflichtet sich, (sich) den Anordnungen des Kontrahenten I (Weber), bzw. dessen artistischer Leitung zu unterziehen. Kontrahent II ist diesbezüglich für die von ihm engagierten Personen verantwortlich.
Art. 6: Kontrahent I bezahlt an den Kontrahenten II als Gage pro Arbeitstag für ihn und die von ihm engagierten Personen Fr. 85.-."
Ferner wurde im Vertrag zusätzlich bestimmt: "Für die Freitage besorgt Cemin selbst einzelne Aushilfsmusiker".
Bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 33 3/4 Stunden hatten Cemin und die beiden von ihm gestellten Musiker während des ganzen Monats November 1954 keinen Freitag.
B.- Am 2. Februar 1955 wurde Weber vom Polizeirichteramt der Stadt Zürich wegen Übertretung der Art. 2 und 4 der Verfügung des Eidg. Volkswirtschaftsdepartementes vom 24. Dezember 1952 über die Ruhezeit der Musiker in Unterhaltungsbetrieben gestützt auf Art. 23 des Bundesgesetzes über die wöchentliche Ruhezeit mit Fr. 25.- gebüsst.
C.- Auf Einsprache hin sprach der Einzelrichter in Strafsachen des Bezirksgerichtes Zürich Weber am 15. September 1955 frei, im wesentlichen mit der Begründung, dass nicht Weber, sondern Cemin für die Gewährung der gesetzlich vorgeschriebenen Ruhetage strafrechtlich verantwortlich sei.
D.- Das Polizeirichteramt Zürich reichte gegen dieses Urteil Nichtigkeitsbeschwerde an den Kassationshof des Bundesgerichts ein. Es beantragt Aufhebung des Urteils und Rückweisung an die Vorinstanz zur Bestätigung der am 2. Februar 1955 ausgefällten Busse von Fr. 25.-.
Der Beschwerdegegner stellt den Antrag auf Abweisung der Nichtigkeitsbeschwerde.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Gemäss Art. 1 und 5 des Gesetzes vom 26. September 1931 über die wöchentliche Ruhezeit (RZG) ist den Arbeitnehmern des Handels, des Handwerks, der Industrie, des Verkehrs und verwandter Wirtschaftszweige eine wöchentliche Ruhezeit von mindestens 24 aufeinanderfolgenden Stunden zu gewähren. Art. 4 Abs. 1 der Vollziehungsverordnung dazu vom 11. Juni 1934 (RZV) bestimmt, dass als Arbeitnehmer auch der Akkordant und sein Personal gelte, sofern er nicht selbständiger Unternehmer ist.
Für das Gasthof- und Wirtschaftsgewerbe gelten verschiedene Sonderbestimmungen (Art. 15 bis 22 RZG). Nach Art. 20 können für Gastwirtschaftsbetriebe Ausnahmen bewilligt werden, deren nähere Ausgestaltung einer Verordnung überlassen ist. Durch Art. 27 RZV wurde das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement ermächtigt, nach Anhörung der Berufsverbände für Wirtschaftszweige, die sich über mehrere Kantone oder das ganze Land erstrecken, die Anwendung von Art. 20 RZG generell zu regeln. Für die Ruhezeit der Musiker in Unterhaltungsbetrieben hat das EVD von dieser Ermächtigung durch eine Verfügung vom 24. Dezember 1952 Gebrauch gemacht. Nach Art. 1 und 2 dieser Verfügung ist den Musikern in Unterhaltungsbetrieben bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von mindestens 30 und höchstens 36 Stunden alle zwei Wochen ein Ruhetag zu gewähren, wobei zwei Ruhetage für vier Wochen zusammengelegt werden können.
2. Es ist unbestritten, dass das Restaurant Urania ein Unterhaltungsbetrieb ist, welcher unter die zitierten Gesetzesbestimmungen fällt. Es ist jährlich in der Regel 11 Monate geöffnet und unterliegt keinen jahreszeitlichen Schwankungen. Wie die Vorinstanz verbindlich feststellt, betrug die wöchentliche Arbeitzseit von Cemin und den beiden anderen Musikern im November 1954 33 3/4 Stunden. Gemäss Art. 2 der Verfügung des EVD vom 24. Dezember 1952 hatten sie somit Anspruch auf einen Ruhetag innert 14 Tagen oder zwei zusammengelegte Ruhetage innert einem Monat. Der Beschwerdegegner bestreitet dies grundsätzlich nicht. Er macht jedoch geltend, dass die Pflicht, die gesetzlichen Ruhetage zu gewähren, nicht ihm, sondern Cemin obgelegen habe, welcher Auffassung sich auch der Einzelrichter in Strafsachen anschloss.
3. Gemäss Art. 23 Abs. 1 lit. a RZG ist der Betriebsinhaber oder die für die Leitung des Betriebes verantwortliche Personen strafbar, wenn den unter das Gesetz fallenden Arbeitnehmern die vorgeschriebene Ruhe- und Freizeit nicht gewährt wird. Betriebsinhaber des Restaurants Urania ist unbestrittenermassen der Beschwerdegegner. Nach Art. 4 Abs. 1 RZV gilt als Arbeitnehmer auch der Akkordant und sein Personal, sofern er nicht selbständiger Unternehmer ist. Der Beschwerdegegner wäre somit höchstens dann strafrechtlich nicht verantwortlich, wenn Cemin als selbständiger Unternehmer angesehen werden müsste. Dies ist jedoch nicht der Fall. Wie sich aus den vertraglichen Abmachungen ergibt, ist Cemin auf eine bestimmte Zeit fest engagiert worden, mit der Verpflichtung, noch zwei weitere Musiker zu stellen. Seine Honorierung richtete sich dabei nach der aufgewendeten Zeit und nicht wie beim selbständigen Akkordanten nach dem Arbeitsergebnis (BECKER, Kommentar zum OR N. 11 zu Art. 319, OSER-SCHÖNENBERGER, Kommentar zum OR N. 22 zu Art. 319). Nach Art. 2 des Vertrages waren Cemin sowie die zwei von ihm gestellten Musiker verpflichtet, die Anordnungen des Beschwerdegegners zu befolgen und sich dessen artistischer Leitung zu unterziehen. Gemäss Art. 5 des Vertrages war Cemin überdies verpflichtet, auf Wunsch des Beschwerdegegners bei Proben mitzuwirken, welche sich auf das artistische Unternehmen bezogen, Stücke zu arrangieren und einzustudieren, sowie übergebene Rollen zur Zufriedenheit des Beschwerdegegners auszuführen. Schliesslich wurde in Art. 12 des Vertrages das Dienstvertragsrecht (Art. 319 ff. OR) ausdrücklich als ergänzende Regelung anwendbar erklärt. Unter diesen Umständen kommt Cemin nicht die Stellung eines selbständigen Unternehmers zu, ja nicht einmal diejenige eines Akkordanten, da sämtliche nach der Praxis für einen Dienstvertrag wesentlichen Elemente (Arbeitsleistung auf Zeit und Unterordnungsverhältnis) gegeben sind (BGE 73 I 420E. 4). Der Beschwerdegegner war daher als Betriebsinhaber des Restaurants Urania verpflichtet, für die Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Ruhetage zu sorgen. Diese Verpflichtung konnte er nicht durch eine Vertragsbestimmung auf Cemin übertragen; andernfalls könnte die gesetzliche Ordnung in zahlreichen Fällen praktisch illusorisch gemacht werden. Durch die Aufnahme der Bestimmung in den Vertrag, dass Cemin selbst die einzelnen Aushilfsmusiker für die Freitage zu stellen habe, hat er seine Pflicht zur Gewährung der gesetzlichen Ruhetage noch nicht erfüllt. Er hätte die notwendigen präzisen Anordnungen erteilen und deren Einhaltung überwachen müssen, damit die gesetzlichen Freitage gewährt worden wären. Dass er in dieser Beziehung irgendetwas vorgekehrt habe, behauptet er selber nicht.
4. Auch der Einwand des Beschwerdegegners, dass die Gewährung von Ruhetagen im Monat November 1954 deshalb nicht erforderlich gewesen sei, weil Cemin und seine Musiker im Oktober im St. Annahof wöchentlich nur 3 bis 4 Tage gespielt hätten, und daher die im Oktober zu viel genossenen Ruhetage auf den November übertragen worden seien, geht fehl. Das Ruhetaggesetz sieht allerdings in bestimmten Fällen die Möglichkeit vor, die Freitage für gewisse Perioden einzuschränken oder wegzubedingen, wobei dann eine entsprechende Ersatzruhe zu gewähren ist (Art. 8 RZG). Ob eine solche Ersatzruhe auch zum voraus gewährt werden kann, braucht jedoch nicht entschieden zu werden. Ganz abgesehen davon, dass im vorliegenden Fall die Voraussetzung von Art. 8 RZG (Vermeidung oder Beseitigung von ernstlichen Betriebsstörungen, Behebung eines Notstandes usf) nicht erfüllt sind, können auf alle Fälle diejenigen Ruhetage nicht als Ersatzruhe angesehen werden, welche vor Beginn eines Arbeitsverhältnisses in einem andern Betrieb gewährt worden sind.
5. Da im Monat November 1954 Cemin und die beiden andern Musiker keinen Ruhetag genossen, hat sich der Beschwerdegegner als verantwortlicher Betriebsinhaber gemäss Art. 23 RZG einer Übertretung von Art. 2 der Verfügung des EVD vom 24. Dezember 1952 schuldig gemacht und ist daher zu bestrafen. Wie die Verhältnisse in den nachfolgenden Monaten waren, braucht nicht untersucht zu werden, da sich die Verfügung des Beschwerdeführers nur auf die Zeit vom 1. bis 30. November 1954 bezieht und in der Nichtigkeitsbeschwerde einzig deren Bestätigung beantragt wird.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Einzelrichters in Strafsachen des Bezirksgerichtes Zürich aufgehoben und die Sache zur Verurteilung des Beschwerdegegners an die Vorinstanz zurückgewiesen.
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1. Art. 23 al. 1 lit. a de la loi fédérale du 26 septembre 1931 sur le repos hebdomadaire; ordonnance du 24 décembre 1952 sur le repos des musiciens etc. Qui est punissable lorsque le repos prescrit n'est pas accordé à des musiciens qui travaillent dans des établissements servant de lieu de réunion et de divertissement? 2. Art. 4 al. 1 du règlement d'exécution, du 11 juin 1934, de la loi fédérale sur le repos hebdomadaire. Cas du tâcheron qui n'est pas un entrepreneur indépendant (i. c. chef d'un ensemble de musiciens).
3. Art. 8 al. 3 de la loi sur le repos hebdomadaire. Ne comptent pas comme repos compensateur les jours de repos qui avaient été accordés dans une autre exploitation, avant l'entrée en vigueur du contrat de travail (consid. 4).
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criminal law and criminal procedure
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81 IV 306
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81 IV 306
Sachverhalt ab Seite 307
A.- Otto Weber ist Besitzer des Restaurants und Kabaretts Urania in Zürich. Am 26. Januar 1954 schloss er mit Cemin einen vorgedruckten Kapellen- und Musikerengagementsvertrag ab. Danach verpflichtete sich Cemin, mit zwei weiteren Musikern vom 1. bis 31. August 1954 und vom 1. November 1954 bis 31. Januar 1955 im Restaurant Urania Unterhaltungsmusik zu spielen. Die weiteren Bestimmungen des Vertrages, soweit sie hier von Interesse sind, haben folgenden Wortlaut:
"Art. 2: Kontrahent II (Cemin) verpflichtet sich, (sich) den Anordnungen des Kontrahenten I (Weber), bzw. dessen artistischer Leitung zu unterziehen. Kontrahent II ist diesbezüglich für die von ihm engagierten Personen verantwortlich.
Art. 6: Kontrahent I bezahlt an den Kontrahenten II als Gage pro Arbeitstag für ihn und die von ihm engagierten Personen Fr. 85.-."
Ferner wurde im Vertrag zusätzlich bestimmt: "Für die Freitage besorgt Cemin selbst einzelne Aushilfsmusiker".
Bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 33 3/4 Stunden hatten Cemin und die beiden von ihm gestellten Musiker während des ganzen Monats November 1954 keinen Freitag.
B.- Am 2. Februar 1955 wurde Weber vom Polizeirichteramt der Stadt Zürich wegen Übertretung der Art. 2 und 4 der Verfügung des Eidg. Volkswirtschaftsdepartementes vom 24. Dezember 1952 über die Ruhezeit der Musiker in Unterhaltungsbetrieben gestützt auf Art. 23 des Bundesgesetzes über die wöchentliche Ruhezeit mit Fr. 25.- gebüsst.
C.- Auf Einsprache hin sprach der Einzelrichter in Strafsachen des Bezirksgerichtes Zürich Weber am 15. September 1955 frei, im wesentlichen mit der Begründung, dass nicht Weber, sondern Cemin für die Gewährung der gesetzlich vorgeschriebenen Ruhetage strafrechtlich verantwortlich sei.
D.- Das Polizeirichteramt Zürich reichte gegen dieses Urteil Nichtigkeitsbeschwerde an den Kassationshof des Bundesgerichts ein. Es beantragt Aufhebung des Urteils und Rückweisung an die Vorinstanz zur Bestätigung der am 2. Februar 1955 ausgefällten Busse von Fr. 25.-.
Der Beschwerdegegner stellt den Antrag auf Abweisung der Nichtigkeitsbeschwerde.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Gemäss Art. 1 und 5 des Gesetzes vom 26. September 1931 über die wöchentliche Ruhezeit (RZG) ist den Arbeitnehmern des Handels, des Handwerks, der Industrie, des Verkehrs und verwandter Wirtschaftszweige eine wöchentliche Ruhezeit von mindestens 24 aufeinanderfolgenden Stunden zu gewähren. Art. 4 Abs. 1 der Vollziehungsverordnung dazu vom 11. Juni 1934 (RZV) bestimmt, dass als Arbeitnehmer auch der Akkordant und sein Personal gelte, sofern er nicht selbständiger Unternehmer ist.
Für das Gasthof- und Wirtschaftsgewerbe gelten verschiedene Sonderbestimmungen (Art. 15 bis 22 RZG). Nach Art. 20 können für Gastwirtschaftsbetriebe Ausnahmen bewilligt werden, deren nähere Ausgestaltung einer Verordnung überlassen ist. Durch Art. 27 RZV wurde das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement ermächtigt, nach Anhörung der Berufsverbände für Wirtschaftszweige, die sich über mehrere Kantone oder das ganze Land erstrecken, die Anwendung von Art. 20 RZG generell zu regeln. Für die Ruhezeit der Musiker in Unterhaltungsbetrieben hat das EVD von dieser Ermächtigung durch eine Verfügung vom 24. Dezember 1952 Gebrauch gemacht. Nach Art. 1 und 2 dieser Verfügung ist den Musikern in Unterhaltungsbetrieben bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von mindestens 30 und höchstens 36 Stunden alle zwei Wochen ein Ruhetag zu gewähren, wobei zwei Ruhetage für vier Wochen zusammengelegt werden können.
2. Es ist unbestritten, dass das Restaurant Urania ein Unterhaltungsbetrieb ist, welcher unter die zitierten Gesetzesbestimmungen fällt. Es ist jährlich in der Regel 11 Monate geöffnet und unterliegt keinen jahreszeitlichen Schwankungen. Wie die Vorinstanz verbindlich feststellt, betrug die wöchentliche Arbeitzseit von Cemin und den beiden anderen Musikern im November 1954 33 3/4 Stunden. Gemäss Art. 2 der Verfügung des EVD vom 24. Dezember 1952 hatten sie somit Anspruch auf einen Ruhetag innert 14 Tagen oder zwei zusammengelegte Ruhetage innert einem Monat. Der Beschwerdegegner bestreitet dies grundsätzlich nicht. Er macht jedoch geltend, dass die Pflicht, die gesetzlichen Ruhetage zu gewähren, nicht ihm, sondern Cemin obgelegen habe, welcher Auffassung sich auch der Einzelrichter in Strafsachen anschloss.
3. Gemäss Art. 23 Abs. 1 lit. a RZG ist der Betriebsinhaber oder die für die Leitung des Betriebes verantwortliche Personen strafbar, wenn den unter das Gesetz fallenden Arbeitnehmern die vorgeschriebene Ruhe- und Freizeit nicht gewährt wird. Betriebsinhaber des Restaurants Urania ist unbestrittenermassen der Beschwerdegegner. Nach Art. 4 Abs. 1 RZV gilt als Arbeitnehmer auch der Akkordant und sein Personal, sofern er nicht selbständiger Unternehmer ist. Der Beschwerdegegner wäre somit höchstens dann strafrechtlich nicht verantwortlich, wenn Cemin als selbständiger Unternehmer angesehen werden müsste. Dies ist jedoch nicht der Fall. Wie sich aus den vertraglichen Abmachungen ergibt, ist Cemin auf eine bestimmte Zeit fest engagiert worden, mit der Verpflichtung, noch zwei weitere Musiker zu stellen. Seine Honorierung richtete sich dabei nach der aufgewendeten Zeit und nicht wie beim selbständigen Akkordanten nach dem Arbeitsergebnis (BECKER, Kommentar zum OR N. 11 zu Art. 319, OSER-SCHÖNENBERGER, Kommentar zum OR N. 22 zu Art. 319). Nach Art. 2 des Vertrages waren Cemin sowie die zwei von ihm gestellten Musiker verpflichtet, die Anordnungen des Beschwerdegegners zu befolgen und sich dessen artistischer Leitung zu unterziehen. Gemäss Art. 5 des Vertrages war Cemin überdies verpflichtet, auf Wunsch des Beschwerdegegners bei Proben mitzuwirken, welche sich auf das artistische Unternehmen bezogen, Stücke zu arrangieren und einzustudieren, sowie übergebene Rollen zur Zufriedenheit des Beschwerdegegners auszuführen. Schliesslich wurde in Art. 12 des Vertrages das Dienstvertragsrecht (Art. 319 ff. OR) ausdrücklich als ergänzende Regelung anwendbar erklärt. Unter diesen Umständen kommt Cemin nicht die Stellung eines selbständigen Unternehmers zu, ja nicht einmal diejenige eines Akkordanten, da sämtliche nach der Praxis für einen Dienstvertrag wesentlichen Elemente (Arbeitsleistung auf Zeit und Unterordnungsverhältnis) gegeben sind (BGE 73 I 420E. 4). Der Beschwerdegegner war daher als Betriebsinhaber des Restaurants Urania verpflichtet, für die Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Ruhetage zu sorgen. Diese Verpflichtung konnte er nicht durch eine Vertragsbestimmung auf Cemin übertragen; andernfalls könnte die gesetzliche Ordnung in zahlreichen Fällen praktisch illusorisch gemacht werden. Durch die Aufnahme der Bestimmung in den Vertrag, dass Cemin selbst die einzelnen Aushilfsmusiker für die Freitage zu stellen habe, hat er seine Pflicht zur Gewährung der gesetzlichen Ruhetage noch nicht erfüllt. Er hätte die notwendigen präzisen Anordnungen erteilen und deren Einhaltung überwachen müssen, damit die gesetzlichen Freitage gewährt worden wären. Dass er in dieser Beziehung irgendetwas vorgekehrt habe, behauptet er selber nicht.
4. Auch der Einwand des Beschwerdegegners, dass die Gewährung von Ruhetagen im Monat November 1954 deshalb nicht erforderlich gewesen sei, weil Cemin und seine Musiker im Oktober im St. Annahof wöchentlich nur 3 bis 4 Tage gespielt hätten, und daher die im Oktober zu viel genossenen Ruhetage auf den November übertragen worden seien, geht fehl. Das Ruhetaggesetz sieht allerdings in bestimmten Fällen die Möglichkeit vor, die Freitage für gewisse Perioden einzuschränken oder wegzubedingen, wobei dann eine entsprechende Ersatzruhe zu gewähren ist (Art. 8 RZG). Ob eine solche Ersatzruhe auch zum voraus gewährt werden kann, braucht jedoch nicht entschieden zu werden. Ganz abgesehen davon, dass im vorliegenden Fall die Voraussetzung von Art. 8 RZG (Vermeidung oder Beseitigung von ernstlichen Betriebsstörungen, Behebung eines Notstandes usf) nicht erfüllt sind, können auf alle Fälle diejenigen Ruhetage nicht als Ersatzruhe angesehen werden, welche vor Beginn eines Arbeitsverhältnisses in einem andern Betrieb gewährt worden sind.
5. Da im Monat November 1954 Cemin und die beiden andern Musiker keinen Ruhetag genossen, hat sich der Beschwerdegegner als verantwortlicher Betriebsinhaber gemäss Art. 23 RZG einer Übertretung von Art. 2 der Verfügung des EVD vom 24. Dezember 1952 schuldig gemacht und ist daher zu bestrafen. Wie die Verhältnisse in den nachfolgenden Monaten waren, braucht nicht untersucht zu werden, da sich die Verfügung des Beschwerdeführers nur auf die Zeit vom 1. bis 30. November 1954 bezieht und in der Nichtigkeitsbeschwerde einzig deren Bestätigung beantragt wird.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Einzelrichters in Strafsachen des Bezirksgerichtes Zürich aufgehoben und die Sache zur Verurteilung des Beschwerdegegners an die Vorinstanz zurückgewiesen.
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1. Art. 23 cp. 1 lett. a della legge federale 26 settembre 1931 sul riposo settimanale; ordinanza 24 dicembre 1952 sul riposo dei musicanti occupati negli stabilimenti che servono come luoghi di riunione e di divertimento. Chi è punibile quando il riposo prescritto non è concesso a musicanti che lavorano in stabilimenti siffatti? 2. Art. 4 cp. 1 del regolamento d'esecuzione 11 giugno 1934 della legge federale sul riposo settimanale. Caso del cottimante che non è un imprenditore indipendente (qui capo di un complesso musicale).
3. Art. 8 cp. 3 della legge sul riposo settimanale. Non contano come riposo compensativo i giorni di riposo che erano stati concessi in un altro stabilimento prima dell'entrata in vigore del contratto di lavoro (consid. 4).
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81 IV 312
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81 IV 312
Sachverhalt ab Seite 312
A.- Tilone Pedrotta führte am 26. März und am 17. Mai 1954 insgesamt rund 1630 kg Nickelanoden im Werte von ca. Fr. 14'700.-- nach Österreich aus, obwohl er die gemäss Verfügung Nr. 1 des EVD vom 18. Juni 1951 hiefür erforderliche besondere Bewilligung nicht besass. Er verkaufte in Wien diese Ware, für die er in der Schweiz Fr. 9.- per kg bezahlt hatte, zum Preise von Fr. 11.50 das Kilo.
B.- Der Kantonsgerichtsausschuss von Graubünden verurteilte Pedrotta am 1. April 1955 wegen Widerhandlung gegen die Vorschriften über die Überwachung der Ausfuhr zu einer bedingt löschbaren Busse von Fr. 5000.--.
C.- Pedrotta führt Nichtigkeitsbeschwerde mit den Anträgen, das Urteil sei aufzuheben und die Vorinstanz zu verhalten, ihn mit bloss Fr. 500.-- zu büssen; eventuell sei die Busse von Fr. 5000.-- angemessen herabzusetzen.
D.- Die Bundesanwaltschaft beantragt, die Nichtigkeitsbeschwerde sei abzuweisen.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Die rechtliche Qualifikation der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Handlungen ist nicht streitig. Er beanstandet lediglich die Höhe der ausgefällten Busse.
2. Der allgemeine Tatbestand des Bannbruches wird in Art. 76 des Bundesgesetzes über das Zollwesen (ZG) umschrieben und ist in Art. 77 ZG mit Busse bis zum sechsfachen Betrag des Inlandwertes der Ware bedroht. Der Beschwerdeführer ist allerdings nicht nach Art. 76 f. ZG verurteilt worden, sondern wegen Widerhandlung gegen den Bundesratsbeschluss über die Überwachung der Ausfuhr lebenswichtiger Güter vom 18. Juni 1951 (BRB 1951), der sich auf den Beschluss der Bundesversammlung über Massnahmen zur Sicherung der Landesversorgung mit lebenswichtigen Gütern vom 26. April 1951 (BBVers 1951) stützt. Die vorsätzliche Übertretung von Vorschriften des BRB 1951 ist in Art. 5 Abs. 1 BBVers 1951 mit schwererer Strafe bedroht als der allgemeine Tatbestand des Bannbruches, nämlich mit Busse bis Fr. 30'000.-- oder Gefängnis bis zu einem Jahr. Anderseits wird in Art. 5 Abs. 1 BBVers 1951, im Gegensatz zu Art. 77 ZG, nichts gesagt über das Verhältnis der im Einzelfall auszusprechenden Busse zum Wert der geschmuggelten Ware. Daraus kann jedoch unmöglich abgeleitet werden, dass der Wert der Ware bei der Festsetzung einer nach Art. 5 Abs. 1 BBVers 1951 auszufällenden Busse weniger schwer ins Gewicht falle als bei einer Verurteilung nach Art. 76 f. ZG. Für eine solche Unterscheidung besteht kein vernünftiger Grund. Vielmehr drängt sich der Schluss auf, dass, wenn bei einer Verurteilung wegen des allgemeinen Tatbestandes des Bannbruches die Busse bis zum sechsfachen Betrag des Inlandwertes der Ware angesetzt werden darf, auch bei einer Bestrafung wegen qualifizierten (mit schwererer Strafe bedrohten) Bannbruches im Sinne des BRB 1951 und des BBVers 1951 dem Wert des geschmuggelten Gutes bei der Festsetzung der Busse mindestens das gleiche Gewicht beizumessen ist.
Die vom Beschwerdeführer ausgeführten Nickelanoden waren nach der tatsächlichen und daher verbindlichen (Art. 277 bis Abs. 1 BStP) Feststellung der Vorinstanz ca. Fr. 14'700.-- wert. Die gegen den Beschwerdeführer ausgefällte Busse von Fr. 5000.-- macht demnach nicht, wie dies erlaubt wäre (Erw. 2 Abs. 1), ein Mehrfaches, sondern bloss einen Bruchteil des Wertes des geschmuggelten Gutes aus. Schon aus diesem Grunde kann sie unmöglich als offenbar unvernünftig, sinnlos hart bezeichnet werden. Nur dann läge jedoch ein bundesrechtswidriger Ermessensmissbrauch (Art. 269 Abs. 1 BStP) vor, gegen den das Bundesgericht angegangen werden kann.
Von einer Ermessensüberschreitung kann aber auch deshalb keine Rede sein, weil die Busse nur um einen verhältnismässig geringen Betrag höher angesetzt worden ist, als der Gewinn ausmacht, den der Beschwerdeführer nach der verbindlichen Feststellung der Vorinstanz durch die Straftaten erzielt hat. Nach der neueren Rechtsprechung des Kassationshofes soll namentlich bei Zollvergehen die Busse dem Schuldigen allerwenigstens die Früchte der Tat entziehen (BGE 76 IV 297 Erw. 3). Im vorliegenden Falle rechtfertigte es sich umsomehr, über dieses Minimum hinauszugehen, weil der Beschwerdeführer das Ausfuhrverbot wiederholt übertreten hat und ein solches Verhalten eines ehemaligen Zollbediensteten besonders verwerflich ist.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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Art. 5 Abs. 1 BB Vers vom 26. April 1951 /23. März 1954 über Massnahmen zur Sicherstellung der Landesversorgung mit lebenswichtigen Gütern in unsichern Zeiten. Nach welchen Grundsätzen ist die Busse zu bemessen?
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Sachverhalt ab Seite 312
A.- Tilone Pedrotta führte am 26. März und am 17. Mai 1954 insgesamt rund 1630 kg Nickelanoden im Werte von ca. Fr. 14'700.-- nach Österreich aus, obwohl er die gemäss Verfügung Nr. 1 des EVD vom 18. Juni 1951 hiefür erforderliche besondere Bewilligung nicht besass. Er verkaufte in Wien diese Ware, für die er in der Schweiz Fr. 9.- per kg bezahlt hatte, zum Preise von Fr. 11.50 das Kilo.
B.- Der Kantonsgerichtsausschuss von Graubünden verurteilte Pedrotta am 1. April 1955 wegen Widerhandlung gegen die Vorschriften über die Überwachung der Ausfuhr zu einer bedingt löschbaren Busse von Fr. 5000.--.
C.- Pedrotta führt Nichtigkeitsbeschwerde mit den Anträgen, das Urteil sei aufzuheben und die Vorinstanz zu verhalten, ihn mit bloss Fr. 500.-- zu büssen; eventuell sei die Busse von Fr. 5000.-- angemessen herabzusetzen.
D.- Die Bundesanwaltschaft beantragt, die Nichtigkeitsbeschwerde sei abzuweisen.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Die rechtliche Qualifikation der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Handlungen ist nicht streitig. Er beanstandet lediglich die Höhe der ausgefällten Busse.
2. Der allgemeine Tatbestand des Bannbruches wird in Art. 76 des Bundesgesetzes über das Zollwesen (ZG) umschrieben und ist in Art. 77 ZG mit Busse bis zum sechsfachen Betrag des Inlandwertes der Ware bedroht. Der Beschwerdeführer ist allerdings nicht nach Art. 76 f. ZG verurteilt worden, sondern wegen Widerhandlung gegen den Bundesratsbeschluss über die Überwachung der Ausfuhr lebenswichtiger Güter vom 18. Juni 1951 (BRB 1951), der sich auf den Beschluss der Bundesversammlung über Massnahmen zur Sicherung der Landesversorgung mit lebenswichtigen Gütern vom 26. April 1951 (BBVers 1951) stützt. Die vorsätzliche Übertretung von Vorschriften des BRB 1951 ist in Art. 5 Abs. 1 BBVers 1951 mit schwererer Strafe bedroht als der allgemeine Tatbestand des Bannbruches, nämlich mit Busse bis Fr. 30'000.-- oder Gefängnis bis zu einem Jahr. Anderseits wird in Art. 5 Abs. 1 BBVers 1951, im Gegensatz zu Art. 77 ZG, nichts gesagt über das Verhältnis der im Einzelfall auszusprechenden Busse zum Wert der geschmuggelten Ware. Daraus kann jedoch unmöglich abgeleitet werden, dass der Wert der Ware bei der Festsetzung einer nach Art. 5 Abs. 1 BBVers 1951 auszufällenden Busse weniger schwer ins Gewicht falle als bei einer Verurteilung nach Art. 76 f. ZG. Für eine solche Unterscheidung besteht kein vernünftiger Grund. Vielmehr drängt sich der Schluss auf, dass, wenn bei einer Verurteilung wegen des allgemeinen Tatbestandes des Bannbruches die Busse bis zum sechsfachen Betrag des Inlandwertes der Ware angesetzt werden darf, auch bei einer Bestrafung wegen qualifizierten (mit schwererer Strafe bedrohten) Bannbruches im Sinne des BRB 1951 und des BBVers 1951 dem Wert des geschmuggelten Gutes bei der Festsetzung der Busse mindestens das gleiche Gewicht beizumessen ist.
Die vom Beschwerdeführer ausgeführten Nickelanoden waren nach der tatsächlichen und daher verbindlichen (Art. 277 bis Abs. 1 BStP) Feststellung der Vorinstanz ca. Fr. 14'700.-- wert. Die gegen den Beschwerdeführer ausgefällte Busse von Fr. 5000.-- macht demnach nicht, wie dies erlaubt wäre (Erw. 2 Abs. 1), ein Mehrfaches, sondern bloss einen Bruchteil des Wertes des geschmuggelten Gutes aus. Schon aus diesem Grunde kann sie unmöglich als offenbar unvernünftig, sinnlos hart bezeichnet werden. Nur dann läge jedoch ein bundesrechtswidriger Ermessensmissbrauch (Art. 269 Abs. 1 BStP) vor, gegen den das Bundesgericht angegangen werden kann.
Von einer Ermessensüberschreitung kann aber auch deshalb keine Rede sein, weil die Busse nur um einen verhältnismässig geringen Betrag höher angesetzt worden ist, als der Gewinn ausmacht, den der Beschwerdeführer nach der verbindlichen Feststellung der Vorinstanz durch die Straftaten erzielt hat. Nach der neueren Rechtsprechung des Kassationshofes soll namentlich bei Zollvergehen die Busse dem Schuldigen allerwenigstens die Früchte der Tat entziehen (BGE 76 IV 297 Erw. 3). Im vorliegenden Falle rechtfertigte es sich umsomehr, über dieses Minimum hinauszugehen, weil der Beschwerdeführer das Ausfuhrverbot wiederholt übertreten hat und ein solches Verhalten eines ehemaligen Zollbediensteten besonders verwerflich ist.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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Art. 5 al. 1 de l'Arrêté de l'Assemblée fédérale concernant de nouvelles mesures propres à assurer, en période troublée, l'approvisionnement du pays en marchandises indispensables du 26 avril 1951 /23 mars 1954. D'après quels principes l'amende doit-elle être fixée?
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Sachverhalt ab Seite 312
A.- Tilone Pedrotta führte am 26. März und am 17. Mai 1954 insgesamt rund 1630 kg Nickelanoden im Werte von ca. Fr. 14'700.-- nach Österreich aus, obwohl er die gemäss Verfügung Nr. 1 des EVD vom 18. Juni 1951 hiefür erforderliche besondere Bewilligung nicht besass. Er verkaufte in Wien diese Ware, für die er in der Schweiz Fr. 9.- per kg bezahlt hatte, zum Preise von Fr. 11.50 das Kilo.
B.- Der Kantonsgerichtsausschuss von Graubünden verurteilte Pedrotta am 1. April 1955 wegen Widerhandlung gegen die Vorschriften über die Überwachung der Ausfuhr zu einer bedingt löschbaren Busse von Fr. 5000.--.
C.- Pedrotta führt Nichtigkeitsbeschwerde mit den Anträgen, das Urteil sei aufzuheben und die Vorinstanz zu verhalten, ihn mit bloss Fr. 500.-- zu büssen; eventuell sei die Busse von Fr. 5000.-- angemessen herabzusetzen.
D.- Die Bundesanwaltschaft beantragt, die Nichtigkeitsbeschwerde sei abzuweisen.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Die rechtliche Qualifikation der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Handlungen ist nicht streitig. Er beanstandet lediglich die Höhe der ausgefällten Busse.
2. Der allgemeine Tatbestand des Bannbruches wird in Art. 76 des Bundesgesetzes über das Zollwesen (ZG) umschrieben und ist in Art. 77 ZG mit Busse bis zum sechsfachen Betrag des Inlandwertes der Ware bedroht. Der Beschwerdeführer ist allerdings nicht nach Art. 76 f. ZG verurteilt worden, sondern wegen Widerhandlung gegen den Bundesratsbeschluss über die Überwachung der Ausfuhr lebenswichtiger Güter vom 18. Juni 1951 (BRB 1951), der sich auf den Beschluss der Bundesversammlung über Massnahmen zur Sicherung der Landesversorgung mit lebenswichtigen Gütern vom 26. April 1951 (BBVers 1951) stützt. Die vorsätzliche Übertretung von Vorschriften des BRB 1951 ist in Art. 5 Abs. 1 BBVers 1951 mit schwererer Strafe bedroht als der allgemeine Tatbestand des Bannbruches, nämlich mit Busse bis Fr. 30'000.-- oder Gefängnis bis zu einem Jahr. Anderseits wird in Art. 5 Abs. 1 BBVers 1951, im Gegensatz zu Art. 77 ZG, nichts gesagt über das Verhältnis der im Einzelfall auszusprechenden Busse zum Wert der geschmuggelten Ware. Daraus kann jedoch unmöglich abgeleitet werden, dass der Wert der Ware bei der Festsetzung einer nach Art. 5 Abs. 1 BBVers 1951 auszufällenden Busse weniger schwer ins Gewicht falle als bei einer Verurteilung nach Art. 76 f. ZG. Für eine solche Unterscheidung besteht kein vernünftiger Grund. Vielmehr drängt sich der Schluss auf, dass, wenn bei einer Verurteilung wegen des allgemeinen Tatbestandes des Bannbruches die Busse bis zum sechsfachen Betrag des Inlandwertes der Ware angesetzt werden darf, auch bei einer Bestrafung wegen qualifizierten (mit schwererer Strafe bedrohten) Bannbruches im Sinne des BRB 1951 und des BBVers 1951 dem Wert des geschmuggelten Gutes bei der Festsetzung der Busse mindestens das gleiche Gewicht beizumessen ist.
Die vom Beschwerdeführer ausgeführten Nickelanoden waren nach der tatsächlichen und daher verbindlichen (Art. 277 bis Abs. 1 BStP) Feststellung der Vorinstanz ca. Fr. 14'700.-- wert. Die gegen den Beschwerdeführer ausgefällte Busse von Fr. 5000.-- macht demnach nicht, wie dies erlaubt wäre (Erw. 2 Abs. 1), ein Mehrfaches, sondern bloss einen Bruchteil des Wertes des geschmuggelten Gutes aus. Schon aus diesem Grunde kann sie unmöglich als offenbar unvernünftig, sinnlos hart bezeichnet werden. Nur dann läge jedoch ein bundesrechtswidriger Ermessensmissbrauch (Art. 269 Abs. 1 BStP) vor, gegen den das Bundesgericht angegangen werden kann.
Von einer Ermessensüberschreitung kann aber auch deshalb keine Rede sein, weil die Busse nur um einen verhältnismässig geringen Betrag höher angesetzt worden ist, als der Gewinn ausmacht, den der Beschwerdeführer nach der verbindlichen Feststellung der Vorinstanz durch die Straftaten erzielt hat. Nach der neueren Rechtsprechung des Kassationshofes soll namentlich bei Zollvergehen die Busse dem Schuldigen allerwenigstens die Früchte der Tat entziehen (BGE 76 IV 297 Erw. 3). Im vorliegenden Falle rechtfertigte es sich umsomehr, über dieses Minimum hinauszugehen, weil der Beschwerdeführer das Ausfuhrverbot wiederholt übertreten hat und ein solches Verhalten eines ehemaligen Zollbediensteten besonders verwerflich ist.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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Art. 5 cp. 1 del decreto dell'Assemblea federale del 26 aprile 1951 /23 marzo 1954 concernente nuove misure atte ad assicurare, in periodi incerti, l'approvvigionamento del paese con merci indispensabili. Secondo quali principi dev'essere commisurata la multa?
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81 IV 315
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Sachverhalt ab Seite 315
A.- Gottfried Rütter ist Eigentümer eines landwirtschaftlichen Heimwesens in Inwil, zu welchem Waldareal im Ausmass von 3,52 ha gehört. Er schlug in der Zeit vom November 1953 bis März 1954 293 Tannen und Fichten im Ausmass von insgesamt 250 Festmetern, obschon er nur im Besitze einer Holzschlagbewilligung für 59 m3 war, wozu noch das Recht kam, zur Deckung seines Eigenbedarfes ohne Bewilligung Holz im Ausmass von 10 m3 zu fällen. Er schlug somit unerlaubterweise 181 m3 Holz und brachte dieses zum Verkauf.
B.- Durch Urteil des Obergerichtes des Kantons Luzern ist Rütter am 6. Juni 1955 in Anwendung von Art. 46 Ziff. 7 FPolG wegen unbefugten Holzschlages zu einer Busse von Fr. 2715.-- verurteilt worden.
C.- Rütter führt gegen dieses Urteil Nichtigkeitsbeschwerde. Er macht im wesentlichen geltend, auf den von ihm vorgenommenen Holzschlag sei zu Unrecht Bundesrecht angewendet worden, da es sich bei der in Frage stehenden Waldparzelle weder um einen Schutzwald noch um einen Hochwald, sondern um einen ausgesprochenen Nichtschutzwald handle.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1. Nach Art. 2 Abs. 1 des Forstpolizeigesetzes (FPolG) sind sämtliche Waldungen der Oberaufsicht des Bundes unterstellt, und zwar öffentliche wie private Waldungen (Abs. 2), unabhängig davon, ob es sich um Schutzwaldungen oder Nichtschutzwaldungen (Art. 3 und 4 FPolG) handelt. Dass die Waldung des Beschwerdeführers im Nichtschutzwaldgebiet liegt, wird von der Vorinstanz selber angenommen, ist also unbestritten.
Art. 30 zählt die Vorschriften des Gesetzes auf, die auf die privaten Nichtschutzwaldungen Anwendung finden (Absatz 1) und bestimmt (Abs. 2 und 3) ferner:
"Kahlschläge und Holznutzungen, die in ihren Wirkungen Kahlschlägen nahekommen, sind in Hochwaldungen nur mit Bewilligung der zuständigen kantonalen Instanzen gestattet.
Die Kantone erlassen die nötigen Ausführungsbestimmungen."
2. Der Beschwerdeführer bestreitet, dass sein Wald "Hochwald" im Sinne des Gesetzes sei, denn "Inwil liegt im flachsten Mittelland". Der Einwand geht fehl. Nicht Standort oder Höhenlage (Hochland, Gebirge) geben der Hochwaldung nach forstwirtschaftlichem Sprachgebrauch ihre Bezeichnung. Wie dieser versteht das Forstpolizeigesetz sowohl in Art. 29 wie in Art. 30 Abs. 2 unter dem Begriff der "Hochwaldungen "("futaies", "foreste ad alto fusto"), was durch den französischen und italienischen Gesetzestext eindeutig bestätigt wird, eine bestimmte forstwirtschaftliche Betriebsart (Waldbestandesform), nämlich jene (auf den Wuchs hochstämmiger Bäume gerichtete) Waldungen, deren Baumbestände sich aus Samen entwickelt haben (Kernwüchse) und sich aus Samen verjüngen, sei es in natürlicher Verjüngung durch Besamung von Altholz her oder auf "künstliche" Weise durch Waldanbau mittels Aussaat von Samen oder Pflanzung von aus Samen erzogenen Jungbäumen. Den Gegensatz hiezu bildet der Niederwald, der vorwiegend auf der Fähigkeit des Laubholzes beruht, nach dem Abhieb aus Stöcken und Wurzeln Ausschläge zu entwickeln und damit einen neuen Bestand zu bilden (vgl. "Die forstlichen Verhältnisse der Schweiz", herausgegeben vom Schweizerischen Forstverein 1925 S. 97 ff. sowie Anhang S. 22 unter dem Stichwort "Hochwald"; ferner Handbuch der schweizerischen Volkswirtschaft, Ausgabe 1955 Bd. I S. 478 /79). Kein Zweifel kann darüber bestehen, dass Fichten- und Tannenwald, wie er hier in Frage steht, als Hochwaldung zu gelten hat.
3. Dem Entscheid der Vorinstanz liegt die für den Kassationshof verbindliche tatsächliche Feststellung zu Grunde, dass durch die massive Abholzung stellenweiser Kahlschlag, der sich schädlich auf Boden und Nachbarbestände auswirkt, erfolgte und auf eine Fläche von zehn Aren Jungwuchs vernichtet wurde. Danach kann aber nicht die Rede davon sein, und der Beschwerdeführer behauptet dies mit Recht auch nicht, dass die Vorinstanz den Begriff des Kahlschlages oder der in ihrer Wirkung einem Kahlschlag nahe kommenden Holznutzung verkannt habe. Der unbefugte Holzschlag stellt eine Widerhandlung gegen Art. 30 Abs. 2 FPolG dar.
4. Nach Art. 46 Abs. 1 Ziff. 7 FPolG werden verbotene Abholzungen mit Busse von Fr. 5.- bis Fr. 20.- für jeden Festmeter bestraft. Weder Wortlaut noch Sinn des Gesetzes schränken den Anwendungsbereich dieser Bestimmung auf unbefugte Holznutzungen in Schutzwaldungen ein. Kein Grund besteht, die Strafdrohung nicht gleicherweise auf verbotene Abholzungen in Nichtschutzwaldungen anzuwenden. Sie hier auszuschliessen, würde dem Willen des Gesetzgebers ebenso widersprechen wie beispielsweise die Annahme, die Strafdrohung von Art. 46 Abs. 1 Ziff. 6 oder Ziff. 8 finde auf Widerhandlungen in Nichtschutzwaldgebiet keine Anwendung, trotzdem die Pflicht zur Wiederaufforstung (Art. 32) und das Verbot der Ausreutung (Art. 31) auch für dieses Gebiet besteht. Dass Art. 30 den Art. 46 nicht ausdrücklich erwähnt, heisst nicht, der Gesetzgeber habe davon abgesehen, die Durchsetzung der in Art. 30 enthaltenen Vorschriften strafrechtlich zu sichern. Die Strafbestimmungen des Art. 46 gelten vielmehr allgemein für "Übertretungen gegenwärtigen Gesetzes" und nehmen die in Nichtschutzwaldungen begangenen Widerhandlungen nicht aus.
5. Da die verbotene Abholzung unmittelbar den Tatbestand des Art. 30 Abs. 2 FPolG erfüllt, stellt sich die Frage nicht, ob kantonale Ausführungsbestimmungen (Abs. 3) dem in Art. 30 Abs. 2 statuierten Verbot einen weitern, durch die Strafdrohung des Art. 46 Abs. 1 Ziff. 7 ebenfalls geschützten Inhalt geben können, wie dies der Kassationshof in BGE 80 IV 193 ff. für kantonales Recht angenommen hat, das in Ausführung der in Art. 29 FPolG enthaltenen Weisungen Abholzungen in Schutzwaldungen verbietet.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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Art. 2 Abs. 1, 29, 30 Abs. 2, 46 Abs. 1 Ziff. 7 BG betr. die eidg. Oberaufsicht über die Forstpolizei vom 11. Oktober 1902 (FPolG). 1. Auch Nichtschutzwaldungen unterstehen der Oberaufsicht des Bundes (Erw. 1).
2. Begriff der Hochwaldung (Erw. 2).
3. Art. 46 Abs. 1 Ziff. 7 FPolG ist auch auf Abholzungen (hier Kahlschlag) in Nichtschutzwaldungen anzuwenden (Erw. 4).
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Sachverhalt ab Seite 315
A.- Gottfried Rütter ist Eigentümer eines landwirtschaftlichen Heimwesens in Inwil, zu welchem Waldareal im Ausmass von 3,52 ha gehört. Er schlug in der Zeit vom November 1953 bis März 1954 293 Tannen und Fichten im Ausmass von insgesamt 250 Festmetern, obschon er nur im Besitze einer Holzschlagbewilligung für 59 m3 war, wozu noch das Recht kam, zur Deckung seines Eigenbedarfes ohne Bewilligung Holz im Ausmass von 10 m3 zu fällen. Er schlug somit unerlaubterweise 181 m3 Holz und brachte dieses zum Verkauf.
B.- Durch Urteil des Obergerichtes des Kantons Luzern ist Rütter am 6. Juni 1955 in Anwendung von Art. 46 Ziff. 7 FPolG wegen unbefugten Holzschlages zu einer Busse von Fr. 2715.-- verurteilt worden.
C.- Rütter führt gegen dieses Urteil Nichtigkeitsbeschwerde. Er macht im wesentlichen geltend, auf den von ihm vorgenommenen Holzschlag sei zu Unrecht Bundesrecht angewendet worden, da es sich bei der in Frage stehenden Waldparzelle weder um einen Schutzwald noch um einen Hochwald, sondern um einen ausgesprochenen Nichtschutzwald handle.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1. Nach Art. 2 Abs. 1 des Forstpolizeigesetzes (FPolG) sind sämtliche Waldungen der Oberaufsicht des Bundes unterstellt, und zwar öffentliche wie private Waldungen (Abs. 2), unabhängig davon, ob es sich um Schutzwaldungen oder Nichtschutzwaldungen (Art. 3 und 4 FPolG) handelt. Dass die Waldung des Beschwerdeführers im Nichtschutzwaldgebiet liegt, wird von der Vorinstanz selber angenommen, ist also unbestritten.
Art. 30 zählt die Vorschriften des Gesetzes auf, die auf die privaten Nichtschutzwaldungen Anwendung finden (Absatz 1) und bestimmt (Abs. 2 und 3) ferner:
"Kahlschläge und Holznutzungen, die in ihren Wirkungen Kahlschlägen nahekommen, sind in Hochwaldungen nur mit Bewilligung der zuständigen kantonalen Instanzen gestattet.
Die Kantone erlassen die nötigen Ausführungsbestimmungen."
2. Der Beschwerdeführer bestreitet, dass sein Wald "Hochwald" im Sinne des Gesetzes sei, denn "Inwil liegt im flachsten Mittelland". Der Einwand geht fehl. Nicht Standort oder Höhenlage (Hochland, Gebirge) geben der Hochwaldung nach forstwirtschaftlichem Sprachgebrauch ihre Bezeichnung. Wie dieser versteht das Forstpolizeigesetz sowohl in Art. 29 wie in Art. 30 Abs. 2 unter dem Begriff der "Hochwaldungen "("futaies", "foreste ad alto fusto"), was durch den französischen und italienischen Gesetzestext eindeutig bestätigt wird, eine bestimmte forstwirtschaftliche Betriebsart (Waldbestandesform), nämlich jene (auf den Wuchs hochstämmiger Bäume gerichtete) Waldungen, deren Baumbestände sich aus Samen entwickelt haben (Kernwüchse) und sich aus Samen verjüngen, sei es in natürlicher Verjüngung durch Besamung von Altholz her oder auf "künstliche" Weise durch Waldanbau mittels Aussaat von Samen oder Pflanzung von aus Samen erzogenen Jungbäumen. Den Gegensatz hiezu bildet der Niederwald, der vorwiegend auf der Fähigkeit des Laubholzes beruht, nach dem Abhieb aus Stöcken und Wurzeln Ausschläge zu entwickeln und damit einen neuen Bestand zu bilden (vgl. "Die forstlichen Verhältnisse der Schweiz", herausgegeben vom Schweizerischen Forstverein 1925 S. 97 ff. sowie Anhang S. 22 unter dem Stichwort "Hochwald"; ferner Handbuch der schweizerischen Volkswirtschaft, Ausgabe 1955 Bd. I S. 478 /79). Kein Zweifel kann darüber bestehen, dass Fichten- und Tannenwald, wie er hier in Frage steht, als Hochwaldung zu gelten hat.
3. Dem Entscheid der Vorinstanz liegt die für den Kassationshof verbindliche tatsächliche Feststellung zu Grunde, dass durch die massive Abholzung stellenweiser Kahlschlag, der sich schädlich auf Boden und Nachbarbestände auswirkt, erfolgte und auf eine Fläche von zehn Aren Jungwuchs vernichtet wurde. Danach kann aber nicht die Rede davon sein, und der Beschwerdeführer behauptet dies mit Recht auch nicht, dass die Vorinstanz den Begriff des Kahlschlages oder der in ihrer Wirkung einem Kahlschlag nahe kommenden Holznutzung verkannt habe. Der unbefugte Holzschlag stellt eine Widerhandlung gegen Art. 30 Abs. 2 FPolG dar.
4. Nach Art. 46 Abs. 1 Ziff. 7 FPolG werden verbotene Abholzungen mit Busse von Fr. 5.- bis Fr. 20.- für jeden Festmeter bestraft. Weder Wortlaut noch Sinn des Gesetzes schränken den Anwendungsbereich dieser Bestimmung auf unbefugte Holznutzungen in Schutzwaldungen ein. Kein Grund besteht, die Strafdrohung nicht gleicherweise auf verbotene Abholzungen in Nichtschutzwaldungen anzuwenden. Sie hier auszuschliessen, würde dem Willen des Gesetzgebers ebenso widersprechen wie beispielsweise die Annahme, die Strafdrohung von Art. 46 Abs. 1 Ziff. 6 oder Ziff. 8 finde auf Widerhandlungen in Nichtschutzwaldgebiet keine Anwendung, trotzdem die Pflicht zur Wiederaufforstung (Art. 32) und das Verbot der Ausreutung (Art. 31) auch für dieses Gebiet besteht. Dass Art. 30 den Art. 46 nicht ausdrücklich erwähnt, heisst nicht, der Gesetzgeber habe davon abgesehen, die Durchsetzung der in Art. 30 enthaltenen Vorschriften strafrechtlich zu sichern. Die Strafbestimmungen des Art. 46 gelten vielmehr allgemein für "Übertretungen gegenwärtigen Gesetzes" und nehmen die in Nichtschutzwaldungen begangenen Widerhandlungen nicht aus.
5. Da die verbotene Abholzung unmittelbar den Tatbestand des Art. 30 Abs. 2 FPolG erfüllt, stellt sich die Frage nicht, ob kantonale Ausführungsbestimmungen (Abs. 3) dem in Art. 30 Abs. 2 statuierten Verbot einen weitern, durch die Strafdrohung des Art. 46 Abs. 1 Ziff. 7 ebenfalls geschützten Inhalt geben können, wie dies der Kassationshof in BGE 80 IV 193 ff. für kantonales Recht angenommen hat, das in Ausführung der in Art. 29 FPolG enthaltenen Weisungen Abholzungen in Schutzwaldungen verbietet.
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Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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Art. 2 al. 1, 29, 30 al. 2, 46 al. 1 ch. 7 de la loi fédérale du 11 octobre 1902 sur la police des forêts. 1. Les forêts non protectrices sont aussi soumises à la surveillance de la Confédération (consid. 1).
2. Définition de la futaie (consid. 2).
3. L'art. 46 al. 1 ch. 7 de la loi du 11 octobre 1902 s'applique aussi aux coupes (i. c. coupe rase) dans les forêts non protectrices (consid. 4).
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A.- Gottfried Rütter ist Eigentümer eines landwirtschaftlichen Heimwesens in Inwil, zu welchem Waldareal im Ausmass von 3,52 ha gehört. Er schlug in der Zeit vom November 1953 bis März 1954 293 Tannen und Fichten im Ausmass von insgesamt 250 Festmetern, obschon er nur im Besitze einer Holzschlagbewilligung für 59 m3 war, wozu noch das Recht kam, zur Deckung seines Eigenbedarfes ohne Bewilligung Holz im Ausmass von 10 m3 zu fällen. Er schlug somit unerlaubterweise 181 m3 Holz und brachte dieses zum Verkauf.
B.- Durch Urteil des Obergerichtes des Kantons Luzern ist Rütter am 6. Juni 1955 in Anwendung von Art. 46 Ziff. 7 FPolG wegen unbefugten Holzschlages zu einer Busse von Fr. 2715.-- verurteilt worden.
C.- Rütter führt gegen dieses Urteil Nichtigkeitsbeschwerde. Er macht im wesentlichen geltend, auf den von ihm vorgenommenen Holzschlag sei zu Unrecht Bundesrecht angewendet worden, da es sich bei der in Frage stehenden Waldparzelle weder um einen Schutzwald noch um einen Hochwald, sondern um einen ausgesprochenen Nichtschutzwald handle.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1. Nach Art. 2 Abs. 1 des Forstpolizeigesetzes (FPolG) sind sämtliche Waldungen der Oberaufsicht des Bundes unterstellt, und zwar öffentliche wie private Waldungen (Abs. 2), unabhängig davon, ob es sich um Schutzwaldungen oder Nichtschutzwaldungen (Art. 3 und 4 FPolG) handelt. Dass die Waldung des Beschwerdeführers im Nichtschutzwaldgebiet liegt, wird von der Vorinstanz selber angenommen, ist also unbestritten.
Art. 30 zählt die Vorschriften des Gesetzes auf, die auf die privaten Nichtschutzwaldungen Anwendung finden (Absatz 1) und bestimmt (Abs. 2 und 3) ferner:
"Kahlschläge und Holznutzungen, die in ihren Wirkungen Kahlschlägen nahekommen, sind in Hochwaldungen nur mit Bewilligung der zuständigen kantonalen Instanzen gestattet.
Die Kantone erlassen die nötigen Ausführungsbestimmungen."
2. Der Beschwerdeführer bestreitet, dass sein Wald "Hochwald" im Sinne des Gesetzes sei, denn "Inwil liegt im flachsten Mittelland". Der Einwand geht fehl. Nicht Standort oder Höhenlage (Hochland, Gebirge) geben der Hochwaldung nach forstwirtschaftlichem Sprachgebrauch ihre Bezeichnung. Wie dieser versteht das Forstpolizeigesetz sowohl in Art. 29 wie in Art. 30 Abs. 2 unter dem Begriff der "Hochwaldungen "("futaies", "foreste ad alto fusto"), was durch den französischen und italienischen Gesetzestext eindeutig bestätigt wird, eine bestimmte forstwirtschaftliche Betriebsart (Waldbestandesform), nämlich jene (auf den Wuchs hochstämmiger Bäume gerichtete) Waldungen, deren Baumbestände sich aus Samen entwickelt haben (Kernwüchse) und sich aus Samen verjüngen, sei es in natürlicher Verjüngung durch Besamung von Altholz her oder auf "künstliche" Weise durch Waldanbau mittels Aussaat von Samen oder Pflanzung von aus Samen erzogenen Jungbäumen. Den Gegensatz hiezu bildet der Niederwald, der vorwiegend auf der Fähigkeit des Laubholzes beruht, nach dem Abhieb aus Stöcken und Wurzeln Ausschläge zu entwickeln und damit einen neuen Bestand zu bilden (vgl. "Die forstlichen Verhältnisse der Schweiz", herausgegeben vom Schweizerischen Forstverein 1925 S. 97 ff. sowie Anhang S. 22 unter dem Stichwort "Hochwald"; ferner Handbuch der schweizerischen Volkswirtschaft, Ausgabe 1955 Bd. I S. 478 /79). Kein Zweifel kann darüber bestehen, dass Fichten- und Tannenwald, wie er hier in Frage steht, als Hochwaldung zu gelten hat.
3. Dem Entscheid der Vorinstanz liegt die für den Kassationshof verbindliche tatsächliche Feststellung zu Grunde, dass durch die massive Abholzung stellenweiser Kahlschlag, der sich schädlich auf Boden und Nachbarbestände auswirkt, erfolgte und auf eine Fläche von zehn Aren Jungwuchs vernichtet wurde. Danach kann aber nicht die Rede davon sein, und der Beschwerdeführer behauptet dies mit Recht auch nicht, dass die Vorinstanz den Begriff des Kahlschlages oder der in ihrer Wirkung einem Kahlschlag nahe kommenden Holznutzung verkannt habe. Der unbefugte Holzschlag stellt eine Widerhandlung gegen Art. 30 Abs. 2 FPolG dar.
4. Nach Art. 46 Abs. 1 Ziff. 7 FPolG werden verbotene Abholzungen mit Busse von Fr. 5.- bis Fr. 20.- für jeden Festmeter bestraft. Weder Wortlaut noch Sinn des Gesetzes schränken den Anwendungsbereich dieser Bestimmung auf unbefugte Holznutzungen in Schutzwaldungen ein. Kein Grund besteht, die Strafdrohung nicht gleicherweise auf verbotene Abholzungen in Nichtschutzwaldungen anzuwenden. Sie hier auszuschliessen, würde dem Willen des Gesetzgebers ebenso widersprechen wie beispielsweise die Annahme, die Strafdrohung von Art. 46 Abs. 1 Ziff. 6 oder Ziff. 8 finde auf Widerhandlungen in Nichtschutzwaldgebiet keine Anwendung, trotzdem die Pflicht zur Wiederaufforstung (Art. 32) und das Verbot der Ausreutung (Art. 31) auch für dieses Gebiet besteht. Dass Art. 30 den Art. 46 nicht ausdrücklich erwähnt, heisst nicht, der Gesetzgeber habe davon abgesehen, die Durchsetzung der in Art. 30 enthaltenen Vorschriften strafrechtlich zu sichern. Die Strafbestimmungen des Art. 46 gelten vielmehr allgemein für "Übertretungen gegenwärtigen Gesetzes" und nehmen die in Nichtschutzwaldungen begangenen Widerhandlungen nicht aus.
5. Da die verbotene Abholzung unmittelbar den Tatbestand des Art. 30 Abs. 2 FPolG erfüllt, stellt sich die Frage nicht, ob kantonale Ausführungsbestimmungen (Abs. 3) dem in Art. 30 Abs. 2 statuierten Verbot einen weitern, durch die Strafdrohung des Art. 46 Abs. 1 Ziff. 7 ebenfalls geschützten Inhalt geben können, wie dies der Kassationshof in BGE 80 IV 193 ff. für kantonales Recht angenommen hat, das in Ausführung der in Art. 29 FPolG enthaltenen Weisungen Abholzungen in Schutzwaldungen verbietet.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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Art. 2 cp. 1, 29, 30 cp. 2, 46 cp. 1 cifra 7 della legge federale 11 ottobre 1902 concernente l'alta vigilanza della Confederazione sulla polizia delle foreste. 1. Anche le foreste non protettrici sono soggette all'alta vigilanza della Confederazione (consid. 1).
2. Definizione di foresta ad alto fusto (consid. 2).
3. L'art. 46 cp. 1 cifra 7 della legge 11 ottobre 1902 è parimente applicabile ai tagli (qui taglio raso) nelle foreste non protettrici (consid. 4).
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Erwägungen ab Seite 319
Estratto dei considerandi:
4. L'applicazione dell'art. 32 cifra 1 LPesc. pone tuttavia un problema, a sapere come debba essere determinata la pena in caso di recidiva e quale ne debba essere l'importo massimo. Il problema, che non è stato sollevato nel ricorso, può e dev'essere nondimeno esaminato d'ufficio, la Corte di cassazione federale non essendo vincolata dai motivi fatti valere dalle parti (art. 277bis cp. 2 PPF; RU 72 IV 112 e 76 IV 28).
Nella sua sentenza RU 42 I 226 il Tribunale federale ha interpretato l'art. 32 cifra 1 LPesc. nel senso del raddoppiamento puro e semplice della multa precedente, ritenuto però che anche nel caso di recidiva l'importo della multa non doveva oltrepassare quello massimo comminato dall'art. 31 LPesc. Questa giurisprudenza dev'essere abbandonata. Il raddoppiamento automatico della multa precedentemente inflitta, senza alcun riguardo alla gravità dell'atto incriminato, non è compatibile con il principio della colpevolezza, cui è informato il codice penale federale. In ossequio a tale principio il giudice deve dapprima commisurare - entro il minimo e il massimo della multa previsti dall'art. 31 LPesc. - la pena che dovrebbe essere inflitta per l'atto incriminato ad un reo non recidivo, poi raddoppiarla per tener conto della recidiva. Siccome la gravità dell'infrazione può meritare il massimo della pena comminata, il raddoppiamento obbligatorio prescritto dall'art. 32 cp. 1 LPesc. ha per conseguenza che in caso di recidiva il massimo della pena deve corrispondere al doppio della pena massima comminata dall'art. 31 LPesc. La contravvenzione reiterata d'insozzamento delle acque pescose, che qui interessa, è quindi passibile d'una multa fino a 800 franchi. Tutt'altra interpretazione toglierebbe ogni efficacia al disposto dell'art. 32 cifra 1 LPesc. proprio nei casi di recidiva più gravi, quando già l'atto incriminato merita, indipendentemente dall'aggravamento della pena per la reiterazione, il massimo della multa ordinaria comminata all'infrazione.
Un siffatto caso è appunto quello che ne occupa. Confermando la multa di 800 franchi inflitta alla ricorrente, la Corte cantonale non ha quindi violato il diritto federale e tanto meno ecceduto nell'esercizio del proprio potere discrezionale.
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Art. 32 Ziff. 1 Fisch G. Bemessung und Höchstbetrag der Busse im Wiederholungsfalle.
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Erwägungen ab Seite 319
Estratto dei considerandi:
4. L'applicazione dell'art. 32 cifra 1 LPesc. pone tuttavia un problema, a sapere come debba essere determinata la pena in caso di recidiva e quale ne debba essere l'importo massimo. Il problema, che non è stato sollevato nel ricorso, può e dev'essere nondimeno esaminato d'ufficio, la Corte di cassazione federale non essendo vincolata dai motivi fatti valere dalle parti (art. 277bis cp. 2 PPF; RU 72 IV 112 e 76 IV 28).
Nella sua sentenza RU 42 I 226 il Tribunale federale ha interpretato l'art. 32 cifra 1 LPesc. nel senso del raddoppiamento puro e semplice della multa precedente, ritenuto però che anche nel caso di recidiva l'importo della multa non doveva oltrepassare quello massimo comminato dall'art. 31 LPesc. Questa giurisprudenza dev'essere abbandonata. Il raddoppiamento automatico della multa precedentemente inflitta, senza alcun riguardo alla gravità dell'atto incriminato, non è compatibile con il principio della colpevolezza, cui è informato il codice penale federale. In ossequio a tale principio il giudice deve dapprima commisurare - entro il minimo e il massimo della multa previsti dall'art. 31 LPesc. - la pena che dovrebbe essere inflitta per l'atto incriminato ad un reo non recidivo, poi raddoppiarla per tener conto della recidiva. Siccome la gravità dell'infrazione può meritare il massimo della pena comminata, il raddoppiamento obbligatorio prescritto dall'art. 32 cp. 1 LPesc. ha per conseguenza che in caso di recidiva il massimo della pena deve corrispondere al doppio della pena massima comminata dall'art. 31 LPesc. La contravvenzione reiterata d'insozzamento delle acque pescose, che qui interessa, è quindi passibile d'una multa fino a 800 franchi. Tutt'altra interpretazione toglierebbe ogni efficacia al disposto dell'art. 32 cifra 1 LPesc. proprio nei casi di recidiva più gravi, quando già l'atto incriminato merita, indipendentemente dall'aggravamento della pena per la reiterazione, il massimo della multa ordinaria comminata all'infrazione.
Un siffatto caso è appunto quello che ne occupa. Confermando la multa di 800 franchi inflitta alla ricorrente, la Corte cantonale non ha quindi violato il diritto federale e tanto meno ecceduto nell'esercizio del proprio potere discrezionale.
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Art. 32 ch. 1 de la loi sur la pêche. Mesure et maximum de l'amende en cas de récidive.
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Erwägungen ab Seite 319
Estratto dei considerandi:
4. L'applicazione dell'art. 32 cifra 1 LPesc. pone tuttavia un problema, a sapere come debba essere determinata la pena in caso di recidiva e quale ne debba essere l'importo massimo. Il problema, che non è stato sollevato nel ricorso, può e dev'essere nondimeno esaminato d'ufficio, la Corte di cassazione federale non essendo vincolata dai motivi fatti valere dalle parti (art. 277bis cp. 2 PPF; RU 72 IV 112 e 76 IV 28).
Nella sua sentenza RU 42 I 226 il Tribunale federale ha interpretato l'art. 32 cifra 1 LPesc. nel senso del raddoppiamento puro e semplice della multa precedente, ritenuto però che anche nel caso di recidiva l'importo della multa non doveva oltrepassare quello massimo comminato dall'art. 31 LPesc. Questa giurisprudenza dev'essere abbandonata. Il raddoppiamento automatico della multa precedentemente inflitta, senza alcun riguardo alla gravità dell'atto incriminato, non è compatibile con il principio della colpevolezza, cui è informato il codice penale federale. In ossequio a tale principio il giudice deve dapprima commisurare - entro il minimo e il massimo della multa previsti dall'art. 31 LPesc. - la pena che dovrebbe essere inflitta per l'atto incriminato ad un reo non recidivo, poi raddoppiarla per tener conto della recidiva. Siccome la gravità dell'infrazione può meritare il massimo della pena comminata, il raddoppiamento obbligatorio prescritto dall'art. 32 cp. 1 LPesc. ha per conseguenza che in caso di recidiva il massimo della pena deve corrispondere al doppio della pena massima comminata dall'art. 31 LPesc. La contravvenzione reiterata d'insozzamento delle acque pescose, che qui interessa, è quindi passibile d'una multa fino a 800 franchi. Tutt'altra interpretazione toglierebbe ogni efficacia al disposto dell'art. 32 cifra 1 LPesc. proprio nei casi di recidiva più gravi, quando già l'atto incriminato merita, indipendentemente dall'aggravamento della pena per la reiterazione, il massimo della multa ordinaria comminata all'infrazione.
Un siffatto caso è appunto quello che ne occupa. Confermando la multa di 800 franchi inflitta alla ricorrente, la Corte cantonale non ha quindi violato il diritto federale e tanto meno ecceduto nell'esercizio del proprio potere discrezionale.
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Art. 32 cifra 1 LPesc. Commisurazione e massimo della multa in caso di recidiva.
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Sachverhalt ab Seite 321
A.- Berthold Kuj wurde am 21. Oktober 1954 durch einen Motorfahrzeugzusammenstoss, an dem Henri Wenger beteiligt war, verletzt. Mit Eingabe vom 20. Januar 1955, die um 18 Uhr der Post übergeben und am 21. Januar 1955 der Bezirksanwaltschaft Zürich zugestellt wurde, beantragte Kuj die Bestrafung Wengers wegen fahrlässiger Körperverletzung. Am 16. Mai 1955 erhob die Bezirksanwaltschaft Anklage beim Bezirksgericht Zürich.
B.- Mit Verfügung vom 11. Juni 1955 verweigerte der Vorstand des Bezirksgerichts Zürich die Zulassung der Anklage mit der Begründung, der Strafantrag sei erst am Tag nach Ablauf der Antragsfrist der zuständigen Behörde zugegangen und deshalb verspätet; es genüge nicht, den Antrag am letzten Tag der Frist der Post aufzugeben.
Der vom Geschädigten gegen diese Verfügung eingereichte Rekurs wurde vom Obergericht des Kantons Zürich mit Beschluss vom 22. Juli 1955 abgewiesen.
C.- Kuj führt Nichtigkeitsbeschwerde an das Bundesgericht mit dem Antrag, der Beschluss des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache zur Zulassung der Anklage an die kantonalen Behörden zurückzuweisen.
Wenger und die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich beantragen Abweisung der Beschwerde.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
Die Frist von drei Monaten, innert welcher das Strafantragsrecht ausgeübt werden kann, ist eine bundesrechtliche (Art. 29, 110 Ziff. 6 StGB). Beginn und Ende dieser Frist werden daher vom eidg. Recht bestimmt. Nach diesem ist auch zu entscheiden, ob ein Strafantrag vor Ablauf der Frist der Behörde zugegangen sein muss oder ob es genügt, wenn er innert der Frist der schweiz. Post zur Weiterleitung übergeben wird. Denn ob ein Strafantrag rechtzeitig gestellt wurde, ist eine Frage der Fristberechnung, welche unabhängig davon zu beurteilen ist, ob der Antrag als solcher den Formerfordernissen des kantonalen Rechts entspricht.
Das StGB enthält keine dem Art. 32 Abs. 3 OG entsprechende Bestimmung, wonach eine Frist als eingehalten gilt, wenn schriftliche Eingaben am letzten Tag in den Besitz der zuständigen Stelle gelangen oder zu deren Handen der schweiz. Post übergeben werden. Daraus würde folgen, dass die Frist zur Einreichung des Strafantrages nur gewahrt ist, wenn er vor deren Ablauf der Behörde zugegangen ist. Indessen kann nicht übersehen werden, dass die in verschiedenen Bundesgesetzen (OG, BZP, BStP, SchKG) und kantonalen Prozessordnungen enthaltene Bestimmung, derzufolge die Postaufgabe genügt, sich in der Praxis eingelebt und die Bedeutung eines allgemein gültigen Grundsatzes erlangt hat. Diese Regelung hat den Vorteil einer Vereinfachung der Fristberechnung, indem die Gefahr der verspäteten Zustellung von Eingaben durch die Post wegfällt; sie trägt auch dem Bedürfnis Rechnung, dass die Frist, ungeachtet der kantonal zum Teil unterschiedlich geregelten Bureauzeit, bis 24 Uhr des letzten Tages voll ausgenützt werden kann. Es liegt im Interesse der einheitlichen Rechtsanwendung, auch die Frist zur Stellung des Strafantrages als eingehalten gelten zu lassen, wenn der schriftliche Antrag vor Ablauf des letzten Tages bei einer schweiz. Poststelle aufgegeben wird.
Der vom Beschwerdeführer am letzten Tag der Antragsfrist der Post übergebene, aber erst am folgenden Tag der Untersuchungsbehörde zugegangene Strafantrag ist somit rechtzeitig gestellt worden. Die Verweigerung der Zulassung der Anklage aus dem von den Vorinstanzen angegebenen Grund ist unzulässig.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, der Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich vom 22. Juli 1955 aufgehoben und die Sache zur neuen Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.
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Art. 29 StGB. Der Strafantrag ist rechtzeitig gestellt, wenn er am letzten Tag der Frist der Post übergeben wird.
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Sachverhalt ab Seite 321
A.- Berthold Kuj wurde am 21. Oktober 1954 durch einen Motorfahrzeugzusammenstoss, an dem Henri Wenger beteiligt war, verletzt. Mit Eingabe vom 20. Januar 1955, die um 18 Uhr der Post übergeben und am 21. Januar 1955 der Bezirksanwaltschaft Zürich zugestellt wurde, beantragte Kuj die Bestrafung Wengers wegen fahrlässiger Körperverletzung. Am 16. Mai 1955 erhob die Bezirksanwaltschaft Anklage beim Bezirksgericht Zürich.
B.- Mit Verfügung vom 11. Juni 1955 verweigerte der Vorstand des Bezirksgerichts Zürich die Zulassung der Anklage mit der Begründung, der Strafantrag sei erst am Tag nach Ablauf der Antragsfrist der zuständigen Behörde zugegangen und deshalb verspätet; es genüge nicht, den Antrag am letzten Tag der Frist der Post aufzugeben.
Der vom Geschädigten gegen diese Verfügung eingereichte Rekurs wurde vom Obergericht des Kantons Zürich mit Beschluss vom 22. Juli 1955 abgewiesen.
C.- Kuj führt Nichtigkeitsbeschwerde an das Bundesgericht mit dem Antrag, der Beschluss des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache zur Zulassung der Anklage an die kantonalen Behörden zurückzuweisen.
Wenger und die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich beantragen Abweisung der Beschwerde.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
Die Frist von drei Monaten, innert welcher das Strafantragsrecht ausgeübt werden kann, ist eine bundesrechtliche (Art. 29, 110 Ziff. 6 StGB). Beginn und Ende dieser Frist werden daher vom eidg. Recht bestimmt. Nach diesem ist auch zu entscheiden, ob ein Strafantrag vor Ablauf der Frist der Behörde zugegangen sein muss oder ob es genügt, wenn er innert der Frist der schweiz. Post zur Weiterleitung übergeben wird. Denn ob ein Strafantrag rechtzeitig gestellt wurde, ist eine Frage der Fristberechnung, welche unabhängig davon zu beurteilen ist, ob der Antrag als solcher den Formerfordernissen des kantonalen Rechts entspricht.
Das StGB enthält keine dem Art. 32 Abs. 3 OG entsprechende Bestimmung, wonach eine Frist als eingehalten gilt, wenn schriftliche Eingaben am letzten Tag in den Besitz der zuständigen Stelle gelangen oder zu deren Handen der schweiz. Post übergeben werden. Daraus würde folgen, dass die Frist zur Einreichung des Strafantrages nur gewahrt ist, wenn er vor deren Ablauf der Behörde zugegangen ist. Indessen kann nicht übersehen werden, dass die in verschiedenen Bundesgesetzen (OG, BZP, BStP, SchKG) und kantonalen Prozessordnungen enthaltene Bestimmung, derzufolge die Postaufgabe genügt, sich in der Praxis eingelebt und die Bedeutung eines allgemein gültigen Grundsatzes erlangt hat. Diese Regelung hat den Vorteil einer Vereinfachung der Fristberechnung, indem die Gefahr der verspäteten Zustellung von Eingaben durch die Post wegfällt; sie trägt auch dem Bedürfnis Rechnung, dass die Frist, ungeachtet der kantonal zum Teil unterschiedlich geregelten Bureauzeit, bis 24 Uhr des letzten Tages voll ausgenützt werden kann. Es liegt im Interesse der einheitlichen Rechtsanwendung, auch die Frist zur Stellung des Strafantrages als eingehalten gelten zu lassen, wenn der schriftliche Antrag vor Ablauf des letzten Tages bei einer schweiz. Poststelle aufgegeben wird.
Der vom Beschwerdeführer am letzten Tag der Antragsfrist der Post übergebene, aber erst am folgenden Tag der Untersuchungsbehörde zugegangene Strafantrag ist somit rechtzeitig gestellt worden. Die Verweigerung der Zulassung der Anklage aus dem von den Vorinstanzen angegebenen Grund ist unzulässig.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, der Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich vom 22. Juli 1955 aufgehoben und die Sache zur neuen Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.
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Art. 29 CP. La plainte du lésé a été portée en temps utile, lorsqu'elle a été consignée à la poste le dernier jour du délai.
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Sachverhalt ab Seite 321
A.- Berthold Kuj wurde am 21. Oktober 1954 durch einen Motorfahrzeugzusammenstoss, an dem Henri Wenger beteiligt war, verletzt. Mit Eingabe vom 20. Januar 1955, die um 18 Uhr der Post übergeben und am 21. Januar 1955 der Bezirksanwaltschaft Zürich zugestellt wurde, beantragte Kuj die Bestrafung Wengers wegen fahrlässiger Körperverletzung. Am 16. Mai 1955 erhob die Bezirksanwaltschaft Anklage beim Bezirksgericht Zürich.
B.- Mit Verfügung vom 11. Juni 1955 verweigerte der Vorstand des Bezirksgerichts Zürich die Zulassung der Anklage mit der Begründung, der Strafantrag sei erst am Tag nach Ablauf der Antragsfrist der zuständigen Behörde zugegangen und deshalb verspätet; es genüge nicht, den Antrag am letzten Tag der Frist der Post aufzugeben.
Der vom Geschädigten gegen diese Verfügung eingereichte Rekurs wurde vom Obergericht des Kantons Zürich mit Beschluss vom 22. Juli 1955 abgewiesen.
C.- Kuj führt Nichtigkeitsbeschwerde an das Bundesgericht mit dem Antrag, der Beschluss des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache zur Zulassung der Anklage an die kantonalen Behörden zurückzuweisen.
Wenger und die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich beantragen Abweisung der Beschwerde.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
Die Frist von drei Monaten, innert welcher das Strafantragsrecht ausgeübt werden kann, ist eine bundesrechtliche (Art. 29, 110 Ziff. 6 StGB). Beginn und Ende dieser Frist werden daher vom eidg. Recht bestimmt. Nach diesem ist auch zu entscheiden, ob ein Strafantrag vor Ablauf der Frist der Behörde zugegangen sein muss oder ob es genügt, wenn er innert der Frist der schweiz. Post zur Weiterleitung übergeben wird. Denn ob ein Strafantrag rechtzeitig gestellt wurde, ist eine Frage der Fristberechnung, welche unabhängig davon zu beurteilen ist, ob der Antrag als solcher den Formerfordernissen des kantonalen Rechts entspricht.
Das StGB enthält keine dem Art. 32 Abs. 3 OG entsprechende Bestimmung, wonach eine Frist als eingehalten gilt, wenn schriftliche Eingaben am letzten Tag in den Besitz der zuständigen Stelle gelangen oder zu deren Handen der schweiz. Post übergeben werden. Daraus würde folgen, dass die Frist zur Einreichung des Strafantrages nur gewahrt ist, wenn er vor deren Ablauf der Behörde zugegangen ist. Indessen kann nicht übersehen werden, dass die in verschiedenen Bundesgesetzen (OG, BZP, BStP, SchKG) und kantonalen Prozessordnungen enthaltene Bestimmung, derzufolge die Postaufgabe genügt, sich in der Praxis eingelebt und die Bedeutung eines allgemein gültigen Grundsatzes erlangt hat. Diese Regelung hat den Vorteil einer Vereinfachung der Fristberechnung, indem die Gefahr der verspäteten Zustellung von Eingaben durch die Post wegfällt; sie trägt auch dem Bedürfnis Rechnung, dass die Frist, ungeachtet der kantonal zum Teil unterschiedlich geregelten Bureauzeit, bis 24 Uhr des letzten Tages voll ausgenützt werden kann. Es liegt im Interesse der einheitlichen Rechtsanwendung, auch die Frist zur Stellung des Strafantrages als eingehalten gelten zu lassen, wenn der schriftliche Antrag vor Ablauf des letzten Tages bei einer schweiz. Poststelle aufgegeben wird.
Der vom Beschwerdeführer am letzten Tag der Antragsfrist der Post übergebene, aber erst am folgenden Tag der Untersuchungsbehörde zugegangene Strafantrag ist somit rechtzeitig gestellt worden. Die Verweigerung der Zulassung der Anklage aus dem von den Vorinstanzen angegebenen Grund ist unzulässig.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, der Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich vom 22. Juli 1955 aufgehoben und die Sache zur neuen Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.
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Art. 29 CP. La querela della persona lesa è tempestiva se è stata consegnata alla posta l'ultimo giorno del termine.
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Sachverhalt ab Seite 323
Aus dem Tatbestand:
Die Beklagten machten S. die Anzeige, Keller habe jeder von ihnen unter vier Augen erklärt, die Tochter von S. sei nicht an Grippe-Lungenentzündung gestorben, sondern wegen unseriösen Lebenswandels und Kindesabtreibung. Keller bestritt, dass er sich in diesem Sinne geäussert habe, und klagte wegen Verleumdung.
Während das Bezirksgericht Gossau das Vorliegen eines Ehrverletzungstatbestandes verneinte, verurteilte das Kantonsgericht St. Gallen die Beklagten wegen übler Nachrede.
Mit der Nichtigkeitsbeschwerde wird u.a. geltend gemacht, die Beklagten seien zur Mitteilung berechtigt gewesen.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2. Die Beklagten bringen vor, sie hätten gestützt auf die Bestimmung des Art. 32 StGB rechtmässig gehandelt. Sie anerkennen, dass keine ausdrückliche Gesetzesvorschrift besteht, nach der sie zur Anzeige verpflichtet gewesen wären; sie glauben aber, die Berechtigung zur Mitteilung an S. ergebe sich aus Art. 173 ff. StGB. Denn der in seiner Ehre Verletzte könne seine Ansprüche nur geltend machen, wenn ihm ein Dritter die Ehrverletzung und die Person des Täters zur Kenntnis bringe. Der Dritte müsse daher zur Mitteilung berechtigt sein, ohne Gefahr zu laufen, selber vom Täter wegen Ehrverletzung eingeklagt zu werden.
Diese Auffassung ist nicht haltbar. Der Umstand, dass eine Verleumdung oder üble Nachrede vielfach erst geahndet werden kann, wenn sie dem Verletzten durch einen Dritten zur Kenntnis gebracht wird, berechtigt diesen nicht, den Urheber der Äusserung in seiner Ehre zu verletzen. Wer dies tut, indem er eine ehrverletzende Äusserung, die er von einem andern unter vier Augen gehört haben will, dem Verletzten zuträgt, unterliegt den allgemeinen Bestimmungen der Art. 173 ff. StGB. Will er vermeiden, dass er im Falle seiner Verfolgung die Tatsache der behaupteten Äusserung nicht beweisen kann, so hat er entweder von ihrer Mitteilung an den Verletzten abzusehen oder aber die zu seinem Schutz notwendigen Vorsichtsmassnahmen zu treffen. Wollte man der Ansicht der Beklagten folgen, so müsste in solchen Fällen der Dritte, selbst wenn er den andern wider besseres Wissen beschuldigte, stets ohne Strafe bleiben. Das widerspräche dem Sinn und Zweck der Art. 173 ff. StGB.
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Art. 173 ff. StGB. Wer die ehrenrührige Äusserung eines andern dem Verletzten mitteilt, unterliegt den allgemeinen Bestimmungen der Art. 173 ff. StGB.
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Sachverhalt ab Seite 323
Aus dem Tatbestand:
Die Beklagten machten S. die Anzeige, Keller habe jeder von ihnen unter vier Augen erklärt, die Tochter von S. sei nicht an Grippe-Lungenentzündung gestorben, sondern wegen unseriösen Lebenswandels und Kindesabtreibung. Keller bestritt, dass er sich in diesem Sinne geäussert habe, und klagte wegen Verleumdung.
Während das Bezirksgericht Gossau das Vorliegen eines Ehrverletzungstatbestandes verneinte, verurteilte das Kantonsgericht St. Gallen die Beklagten wegen übler Nachrede.
Mit der Nichtigkeitsbeschwerde wird u.a. geltend gemacht, die Beklagten seien zur Mitteilung berechtigt gewesen.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2. Die Beklagten bringen vor, sie hätten gestützt auf die Bestimmung des Art. 32 StGB rechtmässig gehandelt. Sie anerkennen, dass keine ausdrückliche Gesetzesvorschrift besteht, nach der sie zur Anzeige verpflichtet gewesen wären; sie glauben aber, die Berechtigung zur Mitteilung an S. ergebe sich aus Art. 173 ff. StGB. Denn der in seiner Ehre Verletzte könne seine Ansprüche nur geltend machen, wenn ihm ein Dritter die Ehrverletzung und die Person des Täters zur Kenntnis bringe. Der Dritte müsse daher zur Mitteilung berechtigt sein, ohne Gefahr zu laufen, selber vom Täter wegen Ehrverletzung eingeklagt zu werden.
Diese Auffassung ist nicht haltbar. Der Umstand, dass eine Verleumdung oder üble Nachrede vielfach erst geahndet werden kann, wenn sie dem Verletzten durch einen Dritten zur Kenntnis gebracht wird, berechtigt diesen nicht, den Urheber der Äusserung in seiner Ehre zu verletzen. Wer dies tut, indem er eine ehrverletzende Äusserung, die er von einem andern unter vier Augen gehört haben will, dem Verletzten zuträgt, unterliegt den allgemeinen Bestimmungen der Art. 173 ff. StGB. Will er vermeiden, dass er im Falle seiner Verfolgung die Tatsache der behaupteten Äusserung nicht beweisen kann, so hat er entweder von ihrer Mitteilung an den Verletzten abzusehen oder aber die zu seinem Schutz notwendigen Vorsichtsmassnahmen zu treffen. Wollte man der Ansicht der Beklagten folgen, so müsste in solchen Fällen der Dritte, selbst wenn er den andern wider besseres Wissen beschuldigte, stets ohne Strafe bleiben. Das widerspräche dem Sinn und Zweck der Art. 173 ff. StGB.
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Art. 173 ss. CP. Tombe sous le coup de ces dispositions celui qui, s'adressant à un tiers, aura accusé une personne d'avoir porté atteinte à l'honneur de ce tiers.
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Sachverhalt ab Seite 323
Aus dem Tatbestand:
Die Beklagten machten S. die Anzeige, Keller habe jeder von ihnen unter vier Augen erklärt, die Tochter von S. sei nicht an Grippe-Lungenentzündung gestorben, sondern wegen unseriösen Lebenswandels und Kindesabtreibung. Keller bestritt, dass er sich in diesem Sinne geäussert habe, und klagte wegen Verleumdung.
Während das Bezirksgericht Gossau das Vorliegen eines Ehrverletzungstatbestandes verneinte, verurteilte das Kantonsgericht St. Gallen die Beklagten wegen übler Nachrede.
Mit der Nichtigkeitsbeschwerde wird u.a. geltend gemacht, die Beklagten seien zur Mitteilung berechtigt gewesen.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2. Die Beklagten bringen vor, sie hätten gestützt auf die Bestimmung des Art. 32 StGB rechtmässig gehandelt. Sie anerkennen, dass keine ausdrückliche Gesetzesvorschrift besteht, nach der sie zur Anzeige verpflichtet gewesen wären; sie glauben aber, die Berechtigung zur Mitteilung an S. ergebe sich aus Art. 173 ff. StGB. Denn der in seiner Ehre Verletzte könne seine Ansprüche nur geltend machen, wenn ihm ein Dritter die Ehrverletzung und die Person des Täters zur Kenntnis bringe. Der Dritte müsse daher zur Mitteilung berechtigt sein, ohne Gefahr zu laufen, selber vom Täter wegen Ehrverletzung eingeklagt zu werden.
Diese Auffassung ist nicht haltbar. Der Umstand, dass eine Verleumdung oder üble Nachrede vielfach erst geahndet werden kann, wenn sie dem Verletzten durch einen Dritten zur Kenntnis gebracht wird, berechtigt diesen nicht, den Urheber der Äusserung in seiner Ehre zu verletzen. Wer dies tut, indem er eine ehrverletzende Äusserung, die er von einem andern unter vier Augen gehört haben will, dem Verletzten zuträgt, unterliegt den allgemeinen Bestimmungen der Art. 173 ff. StGB. Will er vermeiden, dass er im Falle seiner Verfolgung die Tatsache der behaupteten Äusserung nicht beweisen kann, so hat er entweder von ihrer Mitteilung an den Verletzten abzusehen oder aber die zu seinem Schutz notwendigen Vorsichtsmassnahmen zu treffen. Wollte man der Ansicht der Beklagten folgen, so müsste in solchen Fällen der Dritte, selbst wenn er den andern wider besseres Wissen beschuldigte, stets ohne Strafe bleiben. Das widerspräche dem Sinn und Zweck der Art. 173 ff. StGB.
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Art. 173 sgg. CP. Queste disposizioni sono applicabili a chiunque incolpa, comunicando con un terzo, una persona di avere nociuto alla riputazione di questo terzo.
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Sachverhalt ab Seite 325
A.- Im März 1954 pfändete das Betreibungsamt Zürich bei Küttel verschiedene Gegenstände, unter anderem einen Skirucksack. Küttel verkaufte den Rucksack in der Folge.
Am 2. Oktober 1954 erhielt er eine Steigerungsanzeige, in welcher die Wegnahme der im März gepfändeten Gegenstände auf den 5. Oktober 1954 angekündigt wurde. Am angekündigten Zeitpunkt war er nirgends anzutreffen, und die Wegnahme der gepfändeten Gegenstände konnte nicht erfolgen. Am 8. Oktober 1954 wurde er auf das Betreibungsamt vorgeführt und nach dem Verbleib der im März 1954 gepfändeten Gegenstände befragt. Er erklärte, teilweise wahrheitswidrig, diese Gegenstände seien nicht mehr an seinem Wohnort, eine Kontrolle dieser Angabe lasse er nicht zu, im übrigen verweigere er die Auskunft.
B.- Durch Urteil des Bezirksgerichtes Zürich vom 24. Mai 1955 wurde Küttel verurteilt wegen Verfügung über eine gepfändete Sache und Hinderung einer Amtshandlung. Auf Appellation hin sprach das Obergericht Küttel von der Hinderung einer Amtshandlung gemäss Art. 286 StGB frei. Es begründete dies im wesentlichen damit, dass die reinen Ungehorsamsdelikte im Betreibungs- und Konkursverfahren, bei welchen sich das Verhalten des Angeschuldigten in passiver Renitenz erschöpft, in Art. 323 und 324 StGB abschliessend geordnet seien, sodass eine Anwendung von Art. 286 StGB nicht mehr in Frage komme. Erst wenn der Schuldner sich durch Gewalt oder Drohung einer Amtshandlung widersetze oder durch persönliche Behinderung die Durchsetzung verunmögliche, kämen die Art. 285 (Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte) und 286 (Hinderung einer Amtshandlung) zur Anwendung. Das Verhalten Küttels habe sich jedoch in passiver Renitenz erschöpft. Er könne daher nicht nach Art. 286 StGB verurteilt werden.
C.- Gegen dieses Urteil reichte die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich Nichtigkeitsbeschwerde beim Kassationshof ein. Sie beantragt Aufhebung des obergerichtlichen Urteils und Rückweisung des Straffalls zur Verurteilung von Küttel wegen Hinderung einer Amtshandlung. Die Beschwerdeführerin macht geltend, Art. 286 StGB sei auch für das Betreibungsverfahren anwendbar, gleich wie nach der Praxis der allgemeine Ungehorsamstatbestand von Art. 292 StGB. Die Art. 323 und 324 StGB reichten nicht aus, um eine reibungslose Durchführung des Betreibungsverfahrens zu gewährleisten. Das Abschliessen des Hauses und die Verweigerung der Auskunft seien schwerwiegender als die blossen Ungehorsamstatbestände gemäss Art. 323 und 324 StGB. Das Verhalten des Beschwerdegegners liege ungefähr in der Mitte zwischen einfachem Ungehorsam und den qualifizierten Tatbeständen gemäss Art. 169 StGB (Verfügung über gepfändete Sachen) und Art. 289 StGB (Bruch amtlicher Beschlagnahme). Der Beschwerdegegner habe durch sein Verhalten die Wegnahme der gepfändeten Gegenstände, soweit über diese nicht verfügt worden sei, verhindert. Eine Verurteilung wegen Hinderung einer Amtshandlung sei daher gerechtfertigt.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Es ist in erster Linie zu prüfen, in welchem Verhältnis der Tatbestand der Hinderung einer Amtshandlung gemäss Art. 286 StGB zu den Bestimmungen über den Ungehorsam im Betreibungs- und Konkursverfahren, Art. 323 und 324 StGB, steht. Soweit es sich um Ungehorsam handelt, der sich in einem passiven Verhalten erschöpft, ist die Anwendbarkeit von Art. 286 im Betreibungs- und Konkursverfahren zu verneinen. Die im Titel "Übertretungen bundesrechtlicher Bestimmungen" enthaltenen Art. 323 und 324 StGB lassen diesen Tatbeständen eine eingehende Regelung zukommen. Nach Art. 323 Ziff. 1 StGB wird mit Haft bis zu 14 Tagen oder Busse bestraft der Schuldner, der einer ihm ordnungsgemäss angekündigten Pfändung oder Aufnahme eines Güterverzeichnisses weder selber beiwohnt, noch sich dabei vertreten lässt, ebenso der Schuldner, der bei der Pfändung, der Aufnahme eines Güterverzeichnisses oder im Konkurs seine Vermögensgegenstände, Rechte und Forderungen nicht angibt (Art. 323 Ziff. 2 bis 4), ferner der Gemeinschuldner, der während des Konkursverfahrens nicht zur Verfügung der Konkursverwaltung steht (Art. 323 Ziff. 5). In Art. 324 StGB wird der Ungehorsam von Drittpersonen im Betreibungs- und Konkursverfahren in verschiedenen Fällen mit Strafe bedroht. Aus der eingehenden Regelung des einfachen Ungehorsams im Betreibungs- und Konkursverfahren in den Art. 323 und 324 StGB muss der Schluss gezogen werden, dass diese Bestimmungen ein geschlossenes System von Normen für diese Art von Tatbeständen bilden. Auch die Marginalien der Art. 323 und 324 StGB "Ungehorsam des Schuldners im Betreibungs- und Konkursverfahren" und "Ungehorsam dritter Personen im Betreibungs- und Konkursverfahren" sprechen dafür, dass der einfache Ungehorsam im Betreibungs- und Konkursverfahren durch diese Bestimmungen nach allen Richtungen hin geordnet werden sollte. Schliesslich sprechen auch die angedrohten Strafen für diese Auslegung. Es wäre nicht verständlich, wenn ein Schuldner, der bei der Pfändung nicht anwesend ist, oder der Gemeinschuldner, welcher sich nicht zur Verfügung der Konkursverwaltung hält, mit Busse oder Haft bis zu 14 Tagen bestraft würde, während ein Schuldner, welcher der Wegnahme gepfändeter Gegenstände fernbleibt und somit einen praktisch gleichartigen Ungehorsamstatbestand erfüllt, wegen Hinderung einer Amtshandlung gemäss Art. 286 StGB wesentlich schärfer, mit Gefängnis bis zu einem Monat, bestraft werden könnte.
2. Da der rein passive Ungehorsam im Betreibungs- und Konkursverfahren in den Art. 323 und 324 StGB geregelt ist, können allfällige Lücken in diesem System nicht durch Heranziehung der Vorschrift über die Hinderung einer Amtshandlung ausgefüllt werden. Hier bleibt einzig der allgemeine Ungehorsamstatbestand gegen amtliche Verfügungen, Art. 292 StGB, vorbehalten, gemäss dem Wortlaut der Bestimmung allerdings nur, wenn in der amtlichen Verfügung dem Betroffenen für den Fall des Ungehorsams die in Art. 292 StGB vorgesehenen Strafen ausdrücklich angedroht werden. Dass Art. 292 StGB auch im Betreibungs- und Konkursverfahren anwendbar ist, hat das Bundesgericht bereits in BGE 70 IV 179 f. entschieden.
3. Das Verhalten des Beschwerdegegners war ein rein passives. Er hat die Wegnahme der gepfändeten Gegenstände dadurch verhindert, dass er am angekündigten Zeitpunkt bei abgeschlossener Wohnung der Wegnahme fernblieb und später die Auskunft über den Verbleib der gepfändeten Gegenstände verweigerte. Er kann daher nicht wegen Hinderung einer Amtshandlung bestraft werden. In dem vom Kassationshof am 24. Juni 1955 beurteilten Falle Magnin war demgegenüber Art. 286 zur Anwendung gelangt, weil nicht lediglich passive Renitenz vorlag, sondern die Vornahme von Betreibungshandlungen durch aktiven Widerstand verhindert wurde. Die Befürchtung der Staatsanwaltschaft, dass durch diese Rechtslage die ordnungsgemässe Durchführung des Betreibungsverfahrens in Frage gestellt werde, ist nicht begründet. Den Betreibungsbehörden steht frei, gleichzeitig mit der Ankündigung der Wegnahme gepfändeter Gegenstände (allfällig formularmässig) die Verfügung zu erlassen, dass der Schuldner persönlich anwesend zu sein habe oder dafür
sorgen müsse, dass die Wegnahme auch in seiner Abwesenheit erfolgen könne, und an diese Verfügung die Strafandrohung gemäss Art. 292 StGB zu knüpfen.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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Verhältnis der Art. 286 und 292 StGB zu den Bestimmungen über den Ungehorsam im Betreibungs- und Konkursverfahren (Art. 323 und 324 StGB).
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criminal law and criminal procedure
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81 IV 325
Sachverhalt ab Seite 325
A.- Im März 1954 pfändete das Betreibungsamt Zürich bei Küttel verschiedene Gegenstände, unter anderem einen Skirucksack. Küttel verkaufte den Rucksack in der Folge.
Am 2. Oktober 1954 erhielt er eine Steigerungsanzeige, in welcher die Wegnahme der im März gepfändeten Gegenstände auf den 5. Oktober 1954 angekündigt wurde. Am angekündigten Zeitpunkt war er nirgends anzutreffen, und die Wegnahme der gepfändeten Gegenstände konnte nicht erfolgen. Am 8. Oktober 1954 wurde er auf das Betreibungsamt vorgeführt und nach dem Verbleib der im März 1954 gepfändeten Gegenstände befragt. Er erklärte, teilweise wahrheitswidrig, diese Gegenstände seien nicht mehr an seinem Wohnort, eine Kontrolle dieser Angabe lasse er nicht zu, im übrigen verweigere er die Auskunft.
B.- Durch Urteil des Bezirksgerichtes Zürich vom 24. Mai 1955 wurde Küttel verurteilt wegen Verfügung über eine gepfändete Sache und Hinderung einer Amtshandlung. Auf Appellation hin sprach das Obergericht Küttel von der Hinderung einer Amtshandlung gemäss Art. 286 StGB frei. Es begründete dies im wesentlichen damit, dass die reinen Ungehorsamsdelikte im Betreibungs- und Konkursverfahren, bei welchen sich das Verhalten des Angeschuldigten in passiver Renitenz erschöpft, in Art. 323 und 324 StGB abschliessend geordnet seien, sodass eine Anwendung von Art. 286 StGB nicht mehr in Frage komme. Erst wenn der Schuldner sich durch Gewalt oder Drohung einer Amtshandlung widersetze oder durch persönliche Behinderung die Durchsetzung verunmögliche, kämen die Art. 285 (Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte) und 286 (Hinderung einer Amtshandlung) zur Anwendung. Das Verhalten Küttels habe sich jedoch in passiver Renitenz erschöpft. Er könne daher nicht nach Art. 286 StGB verurteilt werden.
C.- Gegen dieses Urteil reichte die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich Nichtigkeitsbeschwerde beim Kassationshof ein. Sie beantragt Aufhebung des obergerichtlichen Urteils und Rückweisung des Straffalls zur Verurteilung von Küttel wegen Hinderung einer Amtshandlung. Die Beschwerdeführerin macht geltend, Art. 286 StGB sei auch für das Betreibungsverfahren anwendbar, gleich wie nach der Praxis der allgemeine Ungehorsamstatbestand von Art. 292 StGB. Die Art. 323 und 324 StGB reichten nicht aus, um eine reibungslose Durchführung des Betreibungsverfahrens zu gewährleisten. Das Abschliessen des Hauses und die Verweigerung der Auskunft seien schwerwiegender als die blossen Ungehorsamstatbestände gemäss Art. 323 und 324 StGB. Das Verhalten des Beschwerdegegners liege ungefähr in der Mitte zwischen einfachem Ungehorsam und den qualifizierten Tatbeständen gemäss Art. 169 StGB (Verfügung über gepfändete Sachen) und Art. 289 StGB (Bruch amtlicher Beschlagnahme). Der Beschwerdegegner habe durch sein Verhalten die Wegnahme der gepfändeten Gegenstände, soweit über diese nicht verfügt worden sei, verhindert. Eine Verurteilung wegen Hinderung einer Amtshandlung sei daher gerechtfertigt.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Es ist in erster Linie zu prüfen, in welchem Verhältnis der Tatbestand der Hinderung einer Amtshandlung gemäss Art. 286 StGB zu den Bestimmungen über den Ungehorsam im Betreibungs- und Konkursverfahren, Art. 323 und 324 StGB, steht. Soweit es sich um Ungehorsam handelt, der sich in einem passiven Verhalten erschöpft, ist die Anwendbarkeit von Art. 286 im Betreibungs- und Konkursverfahren zu verneinen. Die im Titel "Übertretungen bundesrechtlicher Bestimmungen" enthaltenen Art. 323 und 324 StGB lassen diesen Tatbeständen eine eingehende Regelung zukommen. Nach Art. 323 Ziff. 1 StGB wird mit Haft bis zu 14 Tagen oder Busse bestraft der Schuldner, der einer ihm ordnungsgemäss angekündigten Pfändung oder Aufnahme eines Güterverzeichnisses weder selber beiwohnt, noch sich dabei vertreten lässt, ebenso der Schuldner, der bei der Pfändung, der Aufnahme eines Güterverzeichnisses oder im Konkurs seine Vermögensgegenstände, Rechte und Forderungen nicht angibt (Art. 323 Ziff. 2 bis 4), ferner der Gemeinschuldner, der während des Konkursverfahrens nicht zur Verfügung der Konkursverwaltung steht (Art. 323 Ziff. 5). In Art. 324 StGB wird der Ungehorsam von Drittpersonen im Betreibungs- und Konkursverfahren in verschiedenen Fällen mit Strafe bedroht. Aus der eingehenden Regelung des einfachen Ungehorsams im Betreibungs- und Konkursverfahren in den Art. 323 und 324 StGB muss der Schluss gezogen werden, dass diese Bestimmungen ein geschlossenes System von Normen für diese Art von Tatbeständen bilden. Auch die Marginalien der Art. 323 und 324 StGB "Ungehorsam des Schuldners im Betreibungs- und Konkursverfahren" und "Ungehorsam dritter Personen im Betreibungs- und Konkursverfahren" sprechen dafür, dass der einfache Ungehorsam im Betreibungs- und Konkursverfahren durch diese Bestimmungen nach allen Richtungen hin geordnet werden sollte. Schliesslich sprechen auch die angedrohten Strafen für diese Auslegung. Es wäre nicht verständlich, wenn ein Schuldner, der bei der Pfändung nicht anwesend ist, oder der Gemeinschuldner, welcher sich nicht zur Verfügung der Konkursverwaltung hält, mit Busse oder Haft bis zu 14 Tagen bestraft würde, während ein Schuldner, welcher der Wegnahme gepfändeter Gegenstände fernbleibt und somit einen praktisch gleichartigen Ungehorsamstatbestand erfüllt, wegen Hinderung einer Amtshandlung gemäss Art. 286 StGB wesentlich schärfer, mit Gefängnis bis zu einem Monat, bestraft werden könnte.
2. Da der rein passive Ungehorsam im Betreibungs- und Konkursverfahren in den Art. 323 und 324 StGB geregelt ist, können allfällige Lücken in diesem System nicht durch Heranziehung der Vorschrift über die Hinderung einer Amtshandlung ausgefüllt werden. Hier bleibt einzig der allgemeine Ungehorsamstatbestand gegen amtliche Verfügungen, Art. 292 StGB, vorbehalten, gemäss dem Wortlaut der Bestimmung allerdings nur, wenn in der amtlichen Verfügung dem Betroffenen für den Fall des Ungehorsams die in Art. 292 StGB vorgesehenen Strafen ausdrücklich angedroht werden. Dass Art. 292 StGB auch im Betreibungs- und Konkursverfahren anwendbar ist, hat das Bundesgericht bereits in BGE 70 IV 179 f. entschieden.
3. Das Verhalten des Beschwerdegegners war ein rein passives. Er hat die Wegnahme der gepfändeten Gegenstände dadurch verhindert, dass er am angekündigten Zeitpunkt bei abgeschlossener Wohnung der Wegnahme fernblieb und später die Auskunft über den Verbleib der gepfändeten Gegenstände verweigerte. Er kann daher nicht wegen Hinderung einer Amtshandlung bestraft werden. In dem vom Kassationshof am 24. Juni 1955 beurteilten Falle Magnin war demgegenüber Art. 286 zur Anwendung gelangt, weil nicht lediglich passive Renitenz vorlag, sondern die Vornahme von Betreibungshandlungen durch aktiven Widerstand verhindert wurde. Die Befürchtung der Staatsanwaltschaft, dass durch diese Rechtslage die ordnungsgemässe Durchführung des Betreibungsverfahrens in Frage gestellt werde, ist nicht begründet. Den Betreibungsbehörden steht frei, gleichzeitig mit der Ankündigung der Wegnahme gepfändeter Gegenstände (allfällig formularmässig) die Verfügung zu erlassen, dass der Schuldner persönlich anwesend zu sein habe oder dafür
sorgen müsse, dass die Wegnahme auch in seiner Abwesenheit erfolgen könne, und an diese Verfügung die Strafandrohung gemäss Art. 292 StGB zu knüpfen.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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Rapport entre les art. 286 et 292 CP, d'une part, et les dispositions relatives à l'inobservation des règles de la procédure de poursuite pour dette et de faillite, d'autre part (art. 323 et 324 CP).
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Sachverhalt ab Seite 325
A.- Im März 1954 pfändete das Betreibungsamt Zürich bei Küttel verschiedene Gegenstände, unter anderem einen Skirucksack. Küttel verkaufte den Rucksack in der Folge.
Am 2. Oktober 1954 erhielt er eine Steigerungsanzeige, in welcher die Wegnahme der im März gepfändeten Gegenstände auf den 5. Oktober 1954 angekündigt wurde. Am angekündigten Zeitpunkt war er nirgends anzutreffen, und die Wegnahme der gepfändeten Gegenstände konnte nicht erfolgen. Am 8. Oktober 1954 wurde er auf das Betreibungsamt vorgeführt und nach dem Verbleib der im März 1954 gepfändeten Gegenstände befragt. Er erklärte, teilweise wahrheitswidrig, diese Gegenstände seien nicht mehr an seinem Wohnort, eine Kontrolle dieser Angabe lasse er nicht zu, im übrigen verweigere er die Auskunft.
B.- Durch Urteil des Bezirksgerichtes Zürich vom 24. Mai 1955 wurde Küttel verurteilt wegen Verfügung über eine gepfändete Sache und Hinderung einer Amtshandlung. Auf Appellation hin sprach das Obergericht Küttel von der Hinderung einer Amtshandlung gemäss Art. 286 StGB frei. Es begründete dies im wesentlichen damit, dass die reinen Ungehorsamsdelikte im Betreibungs- und Konkursverfahren, bei welchen sich das Verhalten des Angeschuldigten in passiver Renitenz erschöpft, in Art. 323 und 324 StGB abschliessend geordnet seien, sodass eine Anwendung von Art. 286 StGB nicht mehr in Frage komme. Erst wenn der Schuldner sich durch Gewalt oder Drohung einer Amtshandlung widersetze oder durch persönliche Behinderung die Durchsetzung verunmögliche, kämen die Art. 285 (Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte) und 286 (Hinderung einer Amtshandlung) zur Anwendung. Das Verhalten Küttels habe sich jedoch in passiver Renitenz erschöpft. Er könne daher nicht nach Art. 286 StGB verurteilt werden.
C.- Gegen dieses Urteil reichte die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich Nichtigkeitsbeschwerde beim Kassationshof ein. Sie beantragt Aufhebung des obergerichtlichen Urteils und Rückweisung des Straffalls zur Verurteilung von Küttel wegen Hinderung einer Amtshandlung. Die Beschwerdeführerin macht geltend, Art. 286 StGB sei auch für das Betreibungsverfahren anwendbar, gleich wie nach der Praxis der allgemeine Ungehorsamstatbestand von Art. 292 StGB. Die Art. 323 und 324 StGB reichten nicht aus, um eine reibungslose Durchführung des Betreibungsverfahrens zu gewährleisten. Das Abschliessen des Hauses und die Verweigerung der Auskunft seien schwerwiegender als die blossen Ungehorsamstatbestände gemäss Art. 323 und 324 StGB. Das Verhalten des Beschwerdegegners liege ungefähr in der Mitte zwischen einfachem Ungehorsam und den qualifizierten Tatbeständen gemäss Art. 169 StGB (Verfügung über gepfändete Sachen) und Art. 289 StGB (Bruch amtlicher Beschlagnahme). Der Beschwerdegegner habe durch sein Verhalten die Wegnahme der gepfändeten Gegenstände, soweit über diese nicht verfügt worden sei, verhindert. Eine Verurteilung wegen Hinderung einer Amtshandlung sei daher gerechtfertigt.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Es ist in erster Linie zu prüfen, in welchem Verhältnis der Tatbestand der Hinderung einer Amtshandlung gemäss Art. 286 StGB zu den Bestimmungen über den Ungehorsam im Betreibungs- und Konkursverfahren, Art. 323 und 324 StGB, steht. Soweit es sich um Ungehorsam handelt, der sich in einem passiven Verhalten erschöpft, ist die Anwendbarkeit von Art. 286 im Betreibungs- und Konkursverfahren zu verneinen. Die im Titel "Übertretungen bundesrechtlicher Bestimmungen" enthaltenen Art. 323 und 324 StGB lassen diesen Tatbeständen eine eingehende Regelung zukommen. Nach Art. 323 Ziff. 1 StGB wird mit Haft bis zu 14 Tagen oder Busse bestraft der Schuldner, der einer ihm ordnungsgemäss angekündigten Pfändung oder Aufnahme eines Güterverzeichnisses weder selber beiwohnt, noch sich dabei vertreten lässt, ebenso der Schuldner, der bei der Pfändung, der Aufnahme eines Güterverzeichnisses oder im Konkurs seine Vermögensgegenstände, Rechte und Forderungen nicht angibt (Art. 323 Ziff. 2 bis 4), ferner der Gemeinschuldner, der während des Konkursverfahrens nicht zur Verfügung der Konkursverwaltung steht (Art. 323 Ziff. 5). In Art. 324 StGB wird der Ungehorsam von Drittpersonen im Betreibungs- und Konkursverfahren in verschiedenen Fällen mit Strafe bedroht. Aus der eingehenden Regelung des einfachen Ungehorsams im Betreibungs- und Konkursverfahren in den Art. 323 und 324 StGB muss der Schluss gezogen werden, dass diese Bestimmungen ein geschlossenes System von Normen für diese Art von Tatbeständen bilden. Auch die Marginalien der Art. 323 und 324 StGB "Ungehorsam des Schuldners im Betreibungs- und Konkursverfahren" und "Ungehorsam dritter Personen im Betreibungs- und Konkursverfahren" sprechen dafür, dass der einfache Ungehorsam im Betreibungs- und Konkursverfahren durch diese Bestimmungen nach allen Richtungen hin geordnet werden sollte. Schliesslich sprechen auch die angedrohten Strafen für diese Auslegung. Es wäre nicht verständlich, wenn ein Schuldner, der bei der Pfändung nicht anwesend ist, oder der Gemeinschuldner, welcher sich nicht zur Verfügung der Konkursverwaltung hält, mit Busse oder Haft bis zu 14 Tagen bestraft würde, während ein Schuldner, welcher der Wegnahme gepfändeter Gegenstände fernbleibt und somit einen praktisch gleichartigen Ungehorsamstatbestand erfüllt, wegen Hinderung einer Amtshandlung gemäss Art. 286 StGB wesentlich schärfer, mit Gefängnis bis zu einem Monat, bestraft werden könnte.
2. Da der rein passive Ungehorsam im Betreibungs- und Konkursverfahren in den Art. 323 und 324 StGB geregelt ist, können allfällige Lücken in diesem System nicht durch Heranziehung der Vorschrift über die Hinderung einer Amtshandlung ausgefüllt werden. Hier bleibt einzig der allgemeine Ungehorsamstatbestand gegen amtliche Verfügungen, Art. 292 StGB, vorbehalten, gemäss dem Wortlaut der Bestimmung allerdings nur, wenn in der amtlichen Verfügung dem Betroffenen für den Fall des Ungehorsams die in Art. 292 StGB vorgesehenen Strafen ausdrücklich angedroht werden. Dass Art. 292 StGB auch im Betreibungs- und Konkursverfahren anwendbar ist, hat das Bundesgericht bereits in BGE 70 IV 179 f. entschieden.
3. Das Verhalten des Beschwerdegegners war ein rein passives. Er hat die Wegnahme der gepfändeten Gegenstände dadurch verhindert, dass er am angekündigten Zeitpunkt bei abgeschlossener Wohnung der Wegnahme fernblieb und später die Auskunft über den Verbleib der gepfändeten Gegenstände verweigerte. Er kann daher nicht wegen Hinderung einer Amtshandlung bestraft werden. In dem vom Kassationshof am 24. Juni 1955 beurteilten Falle Magnin war demgegenüber Art. 286 zur Anwendung gelangt, weil nicht lediglich passive Renitenz vorlag, sondern die Vornahme von Betreibungshandlungen durch aktiven Widerstand verhindert wurde. Die Befürchtung der Staatsanwaltschaft, dass durch diese Rechtslage die ordnungsgemässe Durchführung des Betreibungsverfahrens in Frage gestellt werde, ist nicht begründet. Den Betreibungsbehörden steht frei, gleichzeitig mit der Ankündigung der Wegnahme gepfändeter Gegenstände (allfällig formularmässig) die Verfügung zu erlassen, dass der Schuldner persönlich anwesend zu sein habe oder dafür
sorgen müsse, dass die Wegnahme auch in seiner Abwesenheit erfolgen könne, und an diese Verfügung die Strafandrohung gemäss Art. 292 StGB zu knüpfen.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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Rapporto tra gli art. 286 e 292 CP, da una parte, e i disposti relativi all'inosservanza delle norme della procedura di esecuzione e fallimenti, dall'altra (art. 323 e 324 CP).
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81 IV 329
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81 IV 329
Sachverhalt ab Seite 329
A.- Das Obergericht des Kantons Appenzell A.Rh. verurteilte am 25. Juli 1955 Hans Altherr wegen fortgesetzter Hinderung einer Amtshandlung und fortgesetzter Amtspflichtverletzung gemäss Art. 39 des Einführungsgesetzes zum StGB zu Fr. 200.-- Busse. Die Amtspflichtverletzung erblickte es darin, dass Altherr als Untersuchungsrichter der Gemeinde Gais wiederholt Straffälle unter Umgehung der Justizdirektion oder des Justizdirektors überwiesen und, ohne dazu befugt gewesen zu sein, verschiedene Verfahren eingestellt habe.
B.- Gegen dieses Urteil reichte Altherr Nichtigkeitsbeschwerde ein mit den Anträgen, es sei aufzuheben und das Obergericht anzuweisen, ihn freizusprechen. Er macht u.a. geltend, Art. 39 EGzStGB, welcher die vorsätzliche oder grob fahrlässige Amtspflichtverletzung mit Haft oder Busse bedrohe, sofern nicht andere Strafbestimmungen zur
Anwendung gelangen, sei bundesrechtswidrig. Der Bundesgesetzgeber habe die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Beamten abschliessend geregelt.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
Der Beschwerdeführer ist von der Vorinstanz auch in Anwendung von Art. 39 des kantonalen Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch wegen Amtspflichtverletzung verurteilt worden. In der Nichtigkeitsbeschwerde wird geltend gemacht, die bundesrechtliche Ordnung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit der Beamten sei abschliessend. Die Kantone seien daher nicht befugt, Amtspflichtverletzungen als Übertretungen mit Strafe zu bedrohen.
Ob Amtspflichtverletzungen, welche nicht unter die Vorschriften des eidg. Strafgesetzbuches fallen, von den Kantonen als Übertretungen bestraft werden können, hat das Bundesgericht bisher offen lassen können (BGE 74 IV 158), ist aber unbedenklich zu bejahen. Dafür spricht schon, dass es sich dabei um die Übertretung kantonaler Verwaltungsvorschriften handelt, die mit Strafe zu bedrohen Art. 335 Ziff. 1 Abs. 2 StGB den Kantonen unbeschränkt vorbehält. Sodann ist die ersatzlose Streichung des bezüglichen Vergehenstatbestandes der Art. 223 bzw. 232 der Vorentwürfe von 1903 bzw. 1908 durch die zweite Expertenkommission (Protokolle 5 S. 402 ff., 6 S. 149 ff.) wesentlich bloss auf die Schwierigkeiten der Abgrenzung gegenüber dem Disziplinarstrafrecht zurückzuführen. Wenn dabei darauf hingewiesen wurde, dass "regelmässig" die Disziplinarbestimmungen ausreichen, um die in den vorhergehenden Artikeln (jetzt Art. 312 ff. StGB, sowie Art. 57 des Post- und Art. 39 des Telegraphen- und Telephonverkehrsgesetzes) nicht besonders mit Strafe bedrohten Amtspflichtverletzungen zu ahnden, also deswegen davon abgesehen wurde, von Bundes wegen die kantonalen Beamten einem derartigen Blankettgesetz zu unterwerfen, so ergibt sich daraus gar nichts gegen die Zulässigkeit eines entsprechenden kantonalen Übertretungstatbestandes, auf den
doch diejenigen Kantone angewiesen sind, die (abweichend von der erwähnten "Regel") keine ausreichenden Disziplinarbestimmungen aufgestellt haben. Den Kantonen aber von Bundes wegen eine ausreichende Ausgestaltung ihres Disziplinarrechts aufzudrängen, geht nicht an; vielmehr muss es ihnen anheimgestellt bleiben, darüber zu befinden, inwieweit sie die Ahndung von nicht im StGB geordneten Amtspflichtverletzungen kantonaler Beamter ihren Strafgerichten anvertrauen wollen anstatt bloss den vorgesetzten Behörden, denen das Disziplinarrecht zu handhaben obliegt. Dass der Bundesgesetzgeber auf den bisherigen Übertretungstatbestand des Art. 53 litt. f des Bundesstrafrechts-Gesetzes von 1853 gänzlich verzichtete, erklärt sich zwanglos daraus, dass er es selbst in der Hand hat, das Disziplinarrecht für die Bundesbeamten als genügenden Ersatz dafür auszugestalten. Somit ist die Regelung des Strafgesetzbuches, welches nur bestimmte, besonders qualifizierte und schwere Amtspflichtverletzungen als Verbrechen oder Vergehen mit Strafe bedroht, nicht als abschliessend zu betrachten. Den Kantonen bleibt vorbehalten, für leichtere Amtspflichtverletzungen ihrer öffentlichen Funktionäre nicht nur zusätzliche Disziplinar-, sondern auch Übertretungstatbestände zu schaffen. Dies ist in vielen Kantonen, so auch in Appenzell A.Rh. geschehen (vgl. HAFTER: Besonderer Teil S. 826 /827). Art. 39 des EG zum StGB des Kantons Appenzell A.Rh., welcher bestimmt, dass die Behördenmitglieder und Beamte, die ihre Amtspflichten vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzen, sofern nicht andere Strafbestimmungen zur Anwendung gelangen, mit Haft oder Busse bestraft werden, ist nach dem Gesagten nicht bundesrechtswidrig. Ob die Vorinstanz das kantonale Strafrecht richtig angewendet hat, kann der Kassationshof nicht überprüfen (Art. 269 Abs. 1 BStP).
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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Art. 335 Ziff. 1 Abs. 1 StGB. Die Kantone dürfen Amtspflichtverletzungen, welche nicht unter die Vorschriften des StGB fallen, als übertretung mit Strafe bedrohen.
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81 IV 329
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81 IV 329
Sachverhalt ab Seite 329
A.- Das Obergericht des Kantons Appenzell A.Rh. verurteilte am 25. Juli 1955 Hans Altherr wegen fortgesetzter Hinderung einer Amtshandlung und fortgesetzter Amtspflichtverletzung gemäss Art. 39 des Einführungsgesetzes zum StGB zu Fr. 200.-- Busse. Die Amtspflichtverletzung erblickte es darin, dass Altherr als Untersuchungsrichter der Gemeinde Gais wiederholt Straffälle unter Umgehung der Justizdirektion oder des Justizdirektors überwiesen und, ohne dazu befugt gewesen zu sein, verschiedene Verfahren eingestellt habe.
B.- Gegen dieses Urteil reichte Altherr Nichtigkeitsbeschwerde ein mit den Anträgen, es sei aufzuheben und das Obergericht anzuweisen, ihn freizusprechen. Er macht u.a. geltend, Art. 39 EGzStGB, welcher die vorsätzliche oder grob fahrlässige Amtspflichtverletzung mit Haft oder Busse bedrohe, sofern nicht andere Strafbestimmungen zur
Anwendung gelangen, sei bundesrechtswidrig. Der Bundesgesetzgeber habe die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Beamten abschliessend geregelt.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
Der Beschwerdeführer ist von der Vorinstanz auch in Anwendung von Art. 39 des kantonalen Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch wegen Amtspflichtverletzung verurteilt worden. In der Nichtigkeitsbeschwerde wird geltend gemacht, die bundesrechtliche Ordnung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit der Beamten sei abschliessend. Die Kantone seien daher nicht befugt, Amtspflichtverletzungen als Übertretungen mit Strafe zu bedrohen.
Ob Amtspflichtverletzungen, welche nicht unter die Vorschriften des eidg. Strafgesetzbuches fallen, von den Kantonen als Übertretungen bestraft werden können, hat das Bundesgericht bisher offen lassen können (BGE 74 IV 158), ist aber unbedenklich zu bejahen. Dafür spricht schon, dass es sich dabei um die Übertretung kantonaler Verwaltungsvorschriften handelt, die mit Strafe zu bedrohen Art. 335 Ziff. 1 Abs. 2 StGB den Kantonen unbeschränkt vorbehält. Sodann ist die ersatzlose Streichung des bezüglichen Vergehenstatbestandes der Art. 223 bzw. 232 der Vorentwürfe von 1903 bzw. 1908 durch die zweite Expertenkommission (Protokolle 5 S. 402 ff., 6 S. 149 ff.) wesentlich bloss auf die Schwierigkeiten der Abgrenzung gegenüber dem Disziplinarstrafrecht zurückzuführen. Wenn dabei darauf hingewiesen wurde, dass "regelmässig" die Disziplinarbestimmungen ausreichen, um die in den vorhergehenden Artikeln (jetzt Art. 312 ff. StGB, sowie Art. 57 des Post- und Art. 39 des Telegraphen- und Telephonverkehrsgesetzes) nicht besonders mit Strafe bedrohten Amtspflichtverletzungen zu ahnden, also deswegen davon abgesehen wurde, von Bundes wegen die kantonalen Beamten einem derartigen Blankettgesetz zu unterwerfen, so ergibt sich daraus gar nichts gegen die Zulässigkeit eines entsprechenden kantonalen Übertretungstatbestandes, auf den
doch diejenigen Kantone angewiesen sind, die (abweichend von der erwähnten "Regel") keine ausreichenden Disziplinarbestimmungen aufgestellt haben. Den Kantonen aber von Bundes wegen eine ausreichende Ausgestaltung ihres Disziplinarrechts aufzudrängen, geht nicht an; vielmehr muss es ihnen anheimgestellt bleiben, darüber zu befinden, inwieweit sie die Ahndung von nicht im StGB geordneten Amtspflichtverletzungen kantonaler Beamter ihren Strafgerichten anvertrauen wollen anstatt bloss den vorgesetzten Behörden, denen das Disziplinarrecht zu handhaben obliegt. Dass der Bundesgesetzgeber auf den bisherigen Übertretungstatbestand des Art. 53 litt. f des Bundesstrafrechts-Gesetzes von 1853 gänzlich verzichtete, erklärt sich zwanglos daraus, dass er es selbst in der Hand hat, das Disziplinarrecht für die Bundesbeamten als genügenden Ersatz dafür auszugestalten. Somit ist die Regelung des Strafgesetzbuches, welches nur bestimmte, besonders qualifizierte und schwere Amtspflichtverletzungen als Verbrechen oder Vergehen mit Strafe bedroht, nicht als abschliessend zu betrachten. Den Kantonen bleibt vorbehalten, für leichtere Amtspflichtverletzungen ihrer öffentlichen Funktionäre nicht nur zusätzliche Disziplinar-, sondern auch Übertretungstatbestände zu schaffen. Dies ist in vielen Kantonen, so auch in Appenzell A.Rh. geschehen (vgl. HAFTER: Besonderer Teil S. 826 /827). Art. 39 des EG zum StGB des Kantons Appenzell A.Rh., welcher bestimmt, dass die Behördenmitglieder und Beamte, die ihre Amtspflichten vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzen, sofern nicht andere Strafbestimmungen zur Anwendung gelangen, mit Haft oder Busse bestraft werden, ist nach dem Gesagten nicht bundesrechtswidrig. Ob die Vorinstanz das kantonale Strafrecht richtig angewendet hat, kann der Kassationshof nicht überprüfen (Art. 269 Abs. 1 BStP).
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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Art. 335 ch. 1 al. 1 CP. Les cantons peuvent réprimer au titre de contravention les violations de devoirs de fonctions qui ne tombent pas sous le coup des prescriptions du Code pénal.
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https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F81-IV-329%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document
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81 IV 329
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81 IV 329
Sachverhalt ab Seite 329
A.- Das Obergericht des Kantons Appenzell A.Rh. verurteilte am 25. Juli 1955 Hans Altherr wegen fortgesetzter Hinderung einer Amtshandlung und fortgesetzter Amtspflichtverletzung gemäss Art. 39 des Einführungsgesetzes zum StGB zu Fr. 200.-- Busse. Die Amtspflichtverletzung erblickte es darin, dass Altherr als Untersuchungsrichter der Gemeinde Gais wiederholt Straffälle unter Umgehung der Justizdirektion oder des Justizdirektors überwiesen und, ohne dazu befugt gewesen zu sein, verschiedene Verfahren eingestellt habe.
B.- Gegen dieses Urteil reichte Altherr Nichtigkeitsbeschwerde ein mit den Anträgen, es sei aufzuheben und das Obergericht anzuweisen, ihn freizusprechen. Er macht u.a. geltend, Art. 39 EGzStGB, welcher die vorsätzliche oder grob fahrlässige Amtspflichtverletzung mit Haft oder Busse bedrohe, sofern nicht andere Strafbestimmungen zur
Anwendung gelangen, sei bundesrechtswidrig. Der Bundesgesetzgeber habe die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Beamten abschliessend geregelt.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
Der Beschwerdeführer ist von der Vorinstanz auch in Anwendung von Art. 39 des kantonalen Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch wegen Amtspflichtverletzung verurteilt worden. In der Nichtigkeitsbeschwerde wird geltend gemacht, die bundesrechtliche Ordnung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit der Beamten sei abschliessend. Die Kantone seien daher nicht befugt, Amtspflichtverletzungen als Übertretungen mit Strafe zu bedrohen.
Ob Amtspflichtverletzungen, welche nicht unter die Vorschriften des eidg. Strafgesetzbuches fallen, von den Kantonen als Übertretungen bestraft werden können, hat das Bundesgericht bisher offen lassen können (BGE 74 IV 158), ist aber unbedenklich zu bejahen. Dafür spricht schon, dass es sich dabei um die Übertretung kantonaler Verwaltungsvorschriften handelt, die mit Strafe zu bedrohen Art. 335 Ziff. 1 Abs. 2 StGB den Kantonen unbeschränkt vorbehält. Sodann ist die ersatzlose Streichung des bezüglichen Vergehenstatbestandes der Art. 223 bzw. 232 der Vorentwürfe von 1903 bzw. 1908 durch die zweite Expertenkommission (Protokolle 5 S. 402 ff., 6 S. 149 ff.) wesentlich bloss auf die Schwierigkeiten der Abgrenzung gegenüber dem Disziplinarstrafrecht zurückzuführen. Wenn dabei darauf hingewiesen wurde, dass "regelmässig" die Disziplinarbestimmungen ausreichen, um die in den vorhergehenden Artikeln (jetzt Art. 312 ff. StGB, sowie Art. 57 des Post- und Art. 39 des Telegraphen- und Telephonverkehrsgesetzes) nicht besonders mit Strafe bedrohten Amtspflichtverletzungen zu ahnden, also deswegen davon abgesehen wurde, von Bundes wegen die kantonalen Beamten einem derartigen Blankettgesetz zu unterwerfen, so ergibt sich daraus gar nichts gegen die Zulässigkeit eines entsprechenden kantonalen Übertretungstatbestandes, auf den
doch diejenigen Kantone angewiesen sind, die (abweichend von der erwähnten "Regel") keine ausreichenden Disziplinarbestimmungen aufgestellt haben. Den Kantonen aber von Bundes wegen eine ausreichende Ausgestaltung ihres Disziplinarrechts aufzudrängen, geht nicht an; vielmehr muss es ihnen anheimgestellt bleiben, darüber zu befinden, inwieweit sie die Ahndung von nicht im StGB geordneten Amtspflichtverletzungen kantonaler Beamter ihren Strafgerichten anvertrauen wollen anstatt bloss den vorgesetzten Behörden, denen das Disziplinarrecht zu handhaben obliegt. Dass der Bundesgesetzgeber auf den bisherigen Übertretungstatbestand des Art. 53 litt. f des Bundesstrafrechts-Gesetzes von 1853 gänzlich verzichtete, erklärt sich zwanglos daraus, dass er es selbst in der Hand hat, das Disziplinarrecht für die Bundesbeamten als genügenden Ersatz dafür auszugestalten. Somit ist die Regelung des Strafgesetzbuches, welches nur bestimmte, besonders qualifizierte und schwere Amtspflichtverletzungen als Verbrechen oder Vergehen mit Strafe bedroht, nicht als abschliessend zu betrachten. Den Kantonen bleibt vorbehalten, für leichtere Amtspflichtverletzungen ihrer öffentlichen Funktionäre nicht nur zusätzliche Disziplinar-, sondern auch Übertretungstatbestände zu schaffen. Dies ist in vielen Kantonen, so auch in Appenzell A.Rh. geschehen (vgl. HAFTER: Besonderer Teil S. 826 /827). Art. 39 des EG zum StGB des Kantons Appenzell A.Rh., welcher bestimmt, dass die Behördenmitglieder und Beamte, die ihre Amtspflichten vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzen, sofern nicht andere Strafbestimmungen zur Anwendung gelangen, mit Haft oder Busse bestraft werden, ist nach dem Gesagten nicht bundesrechtswidrig. Ob die Vorinstanz das kantonale Strafrecht richtig angewendet hat, kann der Kassationshof nicht überprüfen (Art. 269 Abs. 1 BStP).
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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de
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Art. 335 cifra 1 cp. 1 CP. I Cantoni possono reprimere a titolo di contravvenzione le violazioni degli obblighi d'ufficio che non sono sottoposte alle prescrizioni del Codice penale.
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81 IV 34
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Sachverhalt ab Seite 34
A.- Jean Leutwyler verkaufte Mitte Dezember 1952 dem Schweizer Max Brodmann für Fr. 200.-- einen auf Walter Businger von Stans lautenden Reisepass, den ihm Businger als Sicherheit für eine Forderung übergeben hatte. Leutwyler wusste, dass Brodmann den Pass kaufte, um ihn widerrechtlich als Ausweis zur Ausreise aus der Schweiz zu benützen. Am Abend des gleichen Tages führte er Brodmann auf seinem Motorroller an die schweizerisch-französische Grenze bei Flüh. Brodmann überschritt sie.
B.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt erhob gegen Leutwyler Anklage wegen Widerhandlung gegen Art. 23 Abs. 1 al. 3 des Bundesgesetzes über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer vom 26. März 1931/8. Oktober 1948 (ANAG).
Das Strafgericht des Kantons Basel-Stadt lehnte mit Urteil vom 2. März 1954 die Anwendung dieser Bestimmung ab, da nicht ein fremdenpolizeilicher Tatbestand vorliege, verurteilte den Angeklagten dagegen gemäss Art. 252 Ziff. 2 StGB wegen Handels mit Ausweisschriften zu sechzig Tagen Gefängnis und erklärte die Fr. 200.-- Verkaufserlös gemäss Art. 59 Abs. 1 StGB als dem Staate verfallen.
Das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt, an das Leutwyler appellierte, hielt mit Urteil vom 19. Mai 1954 Art. 252 Ziff. 2 StGB nicht für erfüllt, da unter Handeltreiben im Sinne dieser Bestimmung nur der Erwerb eines Gegenstandes zur Weiterveräusserung verstanden werden könne, jedoch nicht feststehe, dass Leutwyler den Pass mit dieser Absicht erworben habe. Das Appellationsgericht verurteilte Leutwyler dagegen wegen Gehilfenschaft zum Missbrauch eines Ausweispapiers im Sinne von Art. 252 Ziff. 1 Abs. 4 und Art. 25 StGB zu einem Monat Gefängnis und bestätigte den Verfall des gelösten Betrages.
C.- Leutwyler führt gegen das Urteil des Appellationsgerichts Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, es sei aufzuheben und die Sache zur Freisprechung des Beschwerdeführers zurückzuweisen. Er macht geltend, aus den Akten ergäben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass Brodmann den Pass schweizerischen Grenzstellen vorgewiesen habe; die Aussagen Brodmanns sprächen vielmehr für das Gegenteil. Habe Brodmann die Ausweisschrift nur im Ausland gegenüber ausländischen Behörden gebraucht, so könnte er gemäss Art. 6 StGB in der Schweiz nur bestraft werden, wenn die Tat auch in Frankreich strafbar und ausserdem Auslieferungsdelikt wäre. Das treffe nicht zu. Folglich könne auch gegen den Gehilfen nicht vorgegangen werden.
D.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt stellt keinen Antrag.
Das Appellationsgericht beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
2. Nach Art. 252 Ziff. 2 StGB, den die Staatsanwaltschaft auch im Beschwerdeverfahren noch für erfüllt hält, ist strafbar, wer Ausweisschriften, Zeugnisse, Bescheinigungen gewerbsmässig fälscht oder verfälscht oder mit solchen Schriften Handel treibt.
Gewerbsmässig vergeht sich nur, wer - in der Absicht, zu einem Erwerbseinkommen zu gelangen, und mit der Bereitschaft, gegen unbestimmt viele zu handeln - die Tat wiederholt (BGE 79 IV 11, 118). Da somit die einmalige Fälschung einer Ausweisschrift nicht als gewerbsmässige Tat zu würdigen und deshalb nur nach Art. 252 Ziff. 1 StGB strafbar ist, wo als Strafe wahlweise Gefängnis ohne bestimmte Mindestdauer und Busse angedroht sind, kann auch ein einmaliges Geschäft mit einer Ausweisschrift, das doch grundsätzlich weniger schwer wiegt als eine Fälschung, jedenfalls dann nicht mit der in Ziffer 2 vorgesehenen Mindeststrafe von einem Monat Gefängnis bedroht sein, wenn der Täter nicht die Absicht hat, die Tat zu wiederholen. Der gewöhnliche Sprachgebrauch stimmt mit dieser Auslegung überein. Wer nur ein vereinzeltes Geschäft abschliesst und weitere auch nicht beabsichtigt, gilt nicht als Händler. Dass bei diesem Sinne der Bestimmung ein einmaliger Geschäftsabschluss nur als Gehilfenschaft zum Missbrauch eines Ausweises strafbar ist, also nur unter der Voraussetzung des widerrechtlichen Gebrauches der Schrift durch den Erwerber oder einen späteren Besitzer erfasst wird, während schon die erste Fälschung als solche unter Strafandrohung steht, spricht nicht gegen diese Auslegung; denn die Unterscheidung lässt sich sachlich rechtfertigen. Auch den Gesetzesmaterialien lässt sich nichts entnehmen, was auf einen anderen Sinn hinweisen würde.
Da dem Beschwerdeführer nicht vorgeworfen wird, er habe Geschäfte der vorliegenden Art wiederholt oder zu wiederholen beabsichtigt, ist er mit Recht nicht nach Art. 252 Ziff. 2 StGB bestraft worden.
3. Wegen Gehilfenschaft zum Missbrauch einer echten Ausweisschrift im Sinne des Art. 252 Ziff. 1 Abs. 4 in Verbindung mit Art. 25 StGB ist der Beschwerdeführer nur strafbar, wenn Brodmann, dem er den Pass des Businger bewusst und gewollt zum Zwecke der Ausreise nach Frankreich verkauft hat, diese Ausweisschrift zur Täuschung missbraucht hat und seine Tat nach schweizerischem Recht strafbar ist.
Letztere Voraussetzung trifft nicht zu, wenn Brodmann den Pass lediglich gegenüber der französischen Grenzwacht, also in Frankreich gebraucht hat. Denn gemäss Art. 6 StGB ist der Schweizer, der die Tat im Auslande verübt, in der Schweiz nur strafbar, wenn sie ein Verbrechen oder Vergehen ist, für das das schweizerische Recht die Auslieferung zulässt. Eine solche Tat ist die in Art. 252 Ziff. 1 Abs. 4 StGB umschriebene nicht. Der Missbrauch echter Ausweisschriften ist weder im Vertrag vom 9. Juli 1869 zwischen der Schweiz und Frankreich über gegenseitige Auslieferung von Verbrechern, noch im Bundesgesetz vom 22. Januar 1892 betreffend die Auslieferung gegenüber dem Auslande unter den Delikten aufgezählt, die zur Auslieferung des Täters führen müssten oder könnten. Insbesondere fällt dieses Vergehen nicht unter den Begriff des "Missbrauchs echter Siegel, Stempel, Marken, Klischees" im Sinne von Art. 3 Ziff. 24 des Auslieferungsgesetzes. Darunter ist nur der Missbrauch des technischen Hilfsmittels (Siegels, Stempels, Klischees) oder des amtlichen Zeichens (Marken) zu verstehen, mit dem Beamte oder Personen öffentlichen Glaubens eine Schrift zu beglaubigen oder eine bestimmte Tatsache, z.B. das Ergebnis einer Prüfung, festzustellen oder eine Rechtshandlung, z.B. eine Genehmigung, zum Ausdruck zu bringen haben. Widerrechtliche Verwendung der Schrift oder des Gegenstandes, auf dem der Abdruck des Siegels, Stempels, Klischees oder das amtliche Zeichen befugterweise angebracht ist, steht dem Missbrauch des Siegels usw. nicht gleich.
Ob Brodmann den Pass auch der schweizerischen Grenzwacht vorgewiesen, also ihn auf schweizerischem Gebiet zur Täuschung missbraucht hat, haben die kantonalen Gerichte nicht festgestellt. Von selbst versteht sich das nicht, zumal sich weder aus dem Urteil des Strafgerichts noch aus dem des Appellationsgerichts ergibt, dass der Beschwerdeführer den Brodmann mit dem Motorroller bis jenseits der Grenze begleitet habe und beide der gegenüber Benützern von Motorfahrzeugen üblichen Kontrolle unterworfen worden seien. Die Sache ist daher an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit sie feststelle, ob Brodmann den Pass der schweizerischen Grenzwacht vorgewiesen hat. Wenn nein, ist der Beschwerdeführer freizusprechen.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird dahin gutgeheissen, dass das Urteil des Ausschusses des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 19. Mai 1954 aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen wird.
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de
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1. Art. 252 Ziff. 2 StGB. Begriff des Handeltreibens (Erw. 2). 2. Art. 3 Ziff. 24 BG vom 22. Januar 1892 betreffend die Auslieferung gegenüber dem Auslande. Das Vergehen des Art. 252 Ziff. 1 Abs. 4 StGB (Missbrauch echter Ausweisschriften) ist nicht Auslieferungsdelikt (Erw. 3).
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81 IV 34
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Sachverhalt ab Seite 34
A.- Jean Leutwyler verkaufte Mitte Dezember 1952 dem Schweizer Max Brodmann für Fr. 200.-- einen auf Walter Businger von Stans lautenden Reisepass, den ihm Businger als Sicherheit für eine Forderung übergeben hatte. Leutwyler wusste, dass Brodmann den Pass kaufte, um ihn widerrechtlich als Ausweis zur Ausreise aus der Schweiz zu benützen. Am Abend des gleichen Tages führte er Brodmann auf seinem Motorroller an die schweizerisch-französische Grenze bei Flüh. Brodmann überschritt sie.
B.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt erhob gegen Leutwyler Anklage wegen Widerhandlung gegen Art. 23 Abs. 1 al. 3 des Bundesgesetzes über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer vom 26. März 1931/8. Oktober 1948 (ANAG).
Das Strafgericht des Kantons Basel-Stadt lehnte mit Urteil vom 2. März 1954 die Anwendung dieser Bestimmung ab, da nicht ein fremdenpolizeilicher Tatbestand vorliege, verurteilte den Angeklagten dagegen gemäss Art. 252 Ziff. 2 StGB wegen Handels mit Ausweisschriften zu sechzig Tagen Gefängnis und erklärte die Fr. 200.-- Verkaufserlös gemäss Art. 59 Abs. 1 StGB als dem Staate verfallen.
Das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt, an das Leutwyler appellierte, hielt mit Urteil vom 19. Mai 1954 Art. 252 Ziff. 2 StGB nicht für erfüllt, da unter Handeltreiben im Sinne dieser Bestimmung nur der Erwerb eines Gegenstandes zur Weiterveräusserung verstanden werden könne, jedoch nicht feststehe, dass Leutwyler den Pass mit dieser Absicht erworben habe. Das Appellationsgericht verurteilte Leutwyler dagegen wegen Gehilfenschaft zum Missbrauch eines Ausweispapiers im Sinne von Art. 252 Ziff. 1 Abs. 4 und Art. 25 StGB zu einem Monat Gefängnis und bestätigte den Verfall des gelösten Betrages.
C.- Leutwyler führt gegen das Urteil des Appellationsgerichts Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, es sei aufzuheben und die Sache zur Freisprechung des Beschwerdeführers zurückzuweisen. Er macht geltend, aus den Akten ergäben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass Brodmann den Pass schweizerischen Grenzstellen vorgewiesen habe; die Aussagen Brodmanns sprächen vielmehr für das Gegenteil. Habe Brodmann die Ausweisschrift nur im Ausland gegenüber ausländischen Behörden gebraucht, so könnte er gemäss Art. 6 StGB in der Schweiz nur bestraft werden, wenn die Tat auch in Frankreich strafbar und ausserdem Auslieferungsdelikt wäre. Das treffe nicht zu. Folglich könne auch gegen den Gehilfen nicht vorgegangen werden.
D.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt stellt keinen Antrag.
Das Appellationsgericht beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
2. Nach Art. 252 Ziff. 2 StGB, den die Staatsanwaltschaft auch im Beschwerdeverfahren noch für erfüllt hält, ist strafbar, wer Ausweisschriften, Zeugnisse, Bescheinigungen gewerbsmässig fälscht oder verfälscht oder mit solchen Schriften Handel treibt.
Gewerbsmässig vergeht sich nur, wer - in der Absicht, zu einem Erwerbseinkommen zu gelangen, und mit der Bereitschaft, gegen unbestimmt viele zu handeln - die Tat wiederholt (BGE 79 IV 11, 118). Da somit die einmalige Fälschung einer Ausweisschrift nicht als gewerbsmässige Tat zu würdigen und deshalb nur nach Art. 252 Ziff. 1 StGB strafbar ist, wo als Strafe wahlweise Gefängnis ohne bestimmte Mindestdauer und Busse angedroht sind, kann auch ein einmaliges Geschäft mit einer Ausweisschrift, das doch grundsätzlich weniger schwer wiegt als eine Fälschung, jedenfalls dann nicht mit der in Ziffer 2 vorgesehenen Mindeststrafe von einem Monat Gefängnis bedroht sein, wenn der Täter nicht die Absicht hat, die Tat zu wiederholen. Der gewöhnliche Sprachgebrauch stimmt mit dieser Auslegung überein. Wer nur ein vereinzeltes Geschäft abschliesst und weitere auch nicht beabsichtigt, gilt nicht als Händler. Dass bei diesem Sinne der Bestimmung ein einmaliger Geschäftsabschluss nur als Gehilfenschaft zum Missbrauch eines Ausweises strafbar ist, also nur unter der Voraussetzung des widerrechtlichen Gebrauches der Schrift durch den Erwerber oder einen späteren Besitzer erfasst wird, während schon die erste Fälschung als solche unter Strafandrohung steht, spricht nicht gegen diese Auslegung; denn die Unterscheidung lässt sich sachlich rechtfertigen. Auch den Gesetzesmaterialien lässt sich nichts entnehmen, was auf einen anderen Sinn hinweisen würde.
Da dem Beschwerdeführer nicht vorgeworfen wird, er habe Geschäfte der vorliegenden Art wiederholt oder zu wiederholen beabsichtigt, ist er mit Recht nicht nach Art. 252 Ziff. 2 StGB bestraft worden.
3. Wegen Gehilfenschaft zum Missbrauch einer echten Ausweisschrift im Sinne des Art. 252 Ziff. 1 Abs. 4 in Verbindung mit Art. 25 StGB ist der Beschwerdeführer nur strafbar, wenn Brodmann, dem er den Pass des Businger bewusst und gewollt zum Zwecke der Ausreise nach Frankreich verkauft hat, diese Ausweisschrift zur Täuschung missbraucht hat und seine Tat nach schweizerischem Recht strafbar ist.
Letztere Voraussetzung trifft nicht zu, wenn Brodmann den Pass lediglich gegenüber der französischen Grenzwacht, also in Frankreich gebraucht hat. Denn gemäss Art. 6 StGB ist der Schweizer, der die Tat im Auslande verübt, in der Schweiz nur strafbar, wenn sie ein Verbrechen oder Vergehen ist, für das das schweizerische Recht die Auslieferung zulässt. Eine solche Tat ist die in Art. 252 Ziff. 1 Abs. 4 StGB umschriebene nicht. Der Missbrauch echter Ausweisschriften ist weder im Vertrag vom 9. Juli 1869 zwischen der Schweiz und Frankreich über gegenseitige Auslieferung von Verbrechern, noch im Bundesgesetz vom 22. Januar 1892 betreffend die Auslieferung gegenüber dem Auslande unter den Delikten aufgezählt, die zur Auslieferung des Täters führen müssten oder könnten. Insbesondere fällt dieses Vergehen nicht unter den Begriff des "Missbrauchs echter Siegel, Stempel, Marken, Klischees" im Sinne von Art. 3 Ziff. 24 des Auslieferungsgesetzes. Darunter ist nur der Missbrauch des technischen Hilfsmittels (Siegels, Stempels, Klischees) oder des amtlichen Zeichens (Marken) zu verstehen, mit dem Beamte oder Personen öffentlichen Glaubens eine Schrift zu beglaubigen oder eine bestimmte Tatsache, z.B. das Ergebnis einer Prüfung, festzustellen oder eine Rechtshandlung, z.B. eine Genehmigung, zum Ausdruck zu bringen haben. Widerrechtliche Verwendung der Schrift oder des Gegenstandes, auf dem der Abdruck des Siegels, Stempels, Klischees oder das amtliche Zeichen befugterweise angebracht ist, steht dem Missbrauch des Siegels usw. nicht gleich.
Ob Brodmann den Pass auch der schweizerischen Grenzwacht vorgewiesen, also ihn auf schweizerischem Gebiet zur Täuschung missbraucht hat, haben die kantonalen Gerichte nicht festgestellt. Von selbst versteht sich das nicht, zumal sich weder aus dem Urteil des Strafgerichts noch aus dem des Appellationsgerichts ergibt, dass der Beschwerdeführer den Brodmann mit dem Motorroller bis jenseits der Grenze begleitet habe und beide der gegenüber Benützern von Motorfahrzeugen üblichen Kontrolle unterworfen worden seien. Die Sache ist daher an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit sie feststelle, ob Brodmann den Pass der schweizerischen Grenzwacht vorgewiesen hat. Wenn nein, ist der Beschwerdeführer freizusprechen.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird dahin gutgeheissen, dass das Urteil des Ausschusses des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 19. Mai 1954 aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen wird.
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1. Art. 252 ch. 2 CP. Notion du trafic (consid. 2). 2. Art. 3 ch. 24 de la loi fédérale du 22 janvier 1892 sur l'extradition aux Etats étrangers. Le délit visé par l'art. 252 ch. 1 al. 4 CP (abus de pièces de légitimation véritables) ne donne pas lieu à l'extradition (consid. 3).
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Sachverhalt ab Seite 34
A.- Jean Leutwyler verkaufte Mitte Dezember 1952 dem Schweizer Max Brodmann für Fr. 200.-- einen auf Walter Businger von Stans lautenden Reisepass, den ihm Businger als Sicherheit für eine Forderung übergeben hatte. Leutwyler wusste, dass Brodmann den Pass kaufte, um ihn widerrechtlich als Ausweis zur Ausreise aus der Schweiz zu benützen. Am Abend des gleichen Tages führte er Brodmann auf seinem Motorroller an die schweizerisch-französische Grenze bei Flüh. Brodmann überschritt sie.
B.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt erhob gegen Leutwyler Anklage wegen Widerhandlung gegen Art. 23 Abs. 1 al. 3 des Bundesgesetzes über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer vom 26. März 1931/8. Oktober 1948 (ANAG).
Das Strafgericht des Kantons Basel-Stadt lehnte mit Urteil vom 2. März 1954 die Anwendung dieser Bestimmung ab, da nicht ein fremdenpolizeilicher Tatbestand vorliege, verurteilte den Angeklagten dagegen gemäss Art. 252 Ziff. 2 StGB wegen Handels mit Ausweisschriften zu sechzig Tagen Gefängnis und erklärte die Fr. 200.-- Verkaufserlös gemäss Art. 59 Abs. 1 StGB als dem Staate verfallen.
Das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt, an das Leutwyler appellierte, hielt mit Urteil vom 19. Mai 1954 Art. 252 Ziff. 2 StGB nicht für erfüllt, da unter Handeltreiben im Sinne dieser Bestimmung nur der Erwerb eines Gegenstandes zur Weiterveräusserung verstanden werden könne, jedoch nicht feststehe, dass Leutwyler den Pass mit dieser Absicht erworben habe. Das Appellationsgericht verurteilte Leutwyler dagegen wegen Gehilfenschaft zum Missbrauch eines Ausweispapiers im Sinne von Art. 252 Ziff. 1 Abs. 4 und Art. 25 StGB zu einem Monat Gefängnis und bestätigte den Verfall des gelösten Betrages.
C.- Leutwyler führt gegen das Urteil des Appellationsgerichts Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, es sei aufzuheben und die Sache zur Freisprechung des Beschwerdeführers zurückzuweisen. Er macht geltend, aus den Akten ergäben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass Brodmann den Pass schweizerischen Grenzstellen vorgewiesen habe; die Aussagen Brodmanns sprächen vielmehr für das Gegenteil. Habe Brodmann die Ausweisschrift nur im Ausland gegenüber ausländischen Behörden gebraucht, so könnte er gemäss Art. 6 StGB in der Schweiz nur bestraft werden, wenn die Tat auch in Frankreich strafbar und ausserdem Auslieferungsdelikt wäre. Das treffe nicht zu. Folglich könne auch gegen den Gehilfen nicht vorgegangen werden.
D.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt stellt keinen Antrag.
Das Appellationsgericht beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
2. Nach Art. 252 Ziff. 2 StGB, den die Staatsanwaltschaft auch im Beschwerdeverfahren noch für erfüllt hält, ist strafbar, wer Ausweisschriften, Zeugnisse, Bescheinigungen gewerbsmässig fälscht oder verfälscht oder mit solchen Schriften Handel treibt.
Gewerbsmässig vergeht sich nur, wer - in der Absicht, zu einem Erwerbseinkommen zu gelangen, und mit der Bereitschaft, gegen unbestimmt viele zu handeln - die Tat wiederholt (BGE 79 IV 11, 118). Da somit die einmalige Fälschung einer Ausweisschrift nicht als gewerbsmässige Tat zu würdigen und deshalb nur nach Art. 252 Ziff. 1 StGB strafbar ist, wo als Strafe wahlweise Gefängnis ohne bestimmte Mindestdauer und Busse angedroht sind, kann auch ein einmaliges Geschäft mit einer Ausweisschrift, das doch grundsätzlich weniger schwer wiegt als eine Fälschung, jedenfalls dann nicht mit der in Ziffer 2 vorgesehenen Mindeststrafe von einem Monat Gefängnis bedroht sein, wenn der Täter nicht die Absicht hat, die Tat zu wiederholen. Der gewöhnliche Sprachgebrauch stimmt mit dieser Auslegung überein. Wer nur ein vereinzeltes Geschäft abschliesst und weitere auch nicht beabsichtigt, gilt nicht als Händler. Dass bei diesem Sinne der Bestimmung ein einmaliger Geschäftsabschluss nur als Gehilfenschaft zum Missbrauch eines Ausweises strafbar ist, also nur unter der Voraussetzung des widerrechtlichen Gebrauches der Schrift durch den Erwerber oder einen späteren Besitzer erfasst wird, während schon die erste Fälschung als solche unter Strafandrohung steht, spricht nicht gegen diese Auslegung; denn die Unterscheidung lässt sich sachlich rechtfertigen. Auch den Gesetzesmaterialien lässt sich nichts entnehmen, was auf einen anderen Sinn hinweisen würde.
Da dem Beschwerdeführer nicht vorgeworfen wird, er habe Geschäfte der vorliegenden Art wiederholt oder zu wiederholen beabsichtigt, ist er mit Recht nicht nach Art. 252 Ziff. 2 StGB bestraft worden.
3. Wegen Gehilfenschaft zum Missbrauch einer echten Ausweisschrift im Sinne des Art. 252 Ziff. 1 Abs. 4 in Verbindung mit Art. 25 StGB ist der Beschwerdeführer nur strafbar, wenn Brodmann, dem er den Pass des Businger bewusst und gewollt zum Zwecke der Ausreise nach Frankreich verkauft hat, diese Ausweisschrift zur Täuschung missbraucht hat und seine Tat nach schweizerischem Recht strafbar ist.
Letztere Voraussetzung trifft nicht zu, wenn Brodmann den Pass lediglich gegenüber der französischen Grenzwacht, also in Frankreich gebraucht hat. Denn gemäss Art. 6 StGB ist der Schweizer, der die Tat im Auslande verübt, in der Schweiz nur strafbar, wenn sie ein Verbrechen oder Vergehen ist, für das das schweizerische Recht die Auslieferung zulässt. Eine solche Tat ist die in Art. 252 Ziff. 1 Abs. 4 StGB umschriebene nicht. Der Missbrauch echter Ausweisschriften ist weder im Vertrag vom 9. Juli 1869 zwischen der Schweiz und Frankreich über gegenseitige Auslieferung von Verbrechern, noch im Bundesgesetz vom 22. Januar 1892 betreffend die Auslieferung gegenüber dem Auslande unter den Delikten aufgezählt, die zur Auslieferung des Täters führen müssten oder könnten. Insbesondere fällt dieses Vergehen nicht unter den Begriff des "Missbrauchs echter Siegel, Stempel, Marken, Klischees" im Sinne von Art. 3 Ziff. 24 des Auslieferungsgesetzes. Darunter ist nur der Missbrauch des technischen Hilfsmittels (Siegels, Stempels, Klischees) oder des amtlichen Zeichens (Marken) zu verstehen, mit dem Beamte oder Personen öffentlichen Glaubens eine Schrift zu beglaubigen oder eine bestimmte Tatsache, z.B. das Ergebnis einer Prüfung, festzustellen oder eine Rechtshandlung, z.B. eine Genehmigung, zum Ausdruck zu bringen haben. Widerrechtliche Verwendung der Schrift oder des Gegenstandes, auf dem der Abdruck des Siegels, Stempels, Klischees oder das amtliche Zeichen befugterweise angebracht ist, steht dem Missbrauch des Siegels usw. nicht gleich.
Ob Brodmann den Pass auch der schweizerischen Grenzwacht vorgewiesen, also ihn auf schweizerischem Gebiet zur Täuschung missbraucht hat, haben die kantonalen Gerichte nicht festgestellt. Von selbst versteht sich das nicht, zumal sich weder aus dem Urteil des Strafgerichts noch aus dem des Appellationsgerichts ergibt, dass der Beschwerdeführer den Brodmann mit dem Motorroller bis jenseits der Grenze begleitet habe und beide der gegenüber Benützern von Motorfahrzeugen üblichen Kontrolle unterworfen worden seien. Die Sache ist daher an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit sie feststelle, ob Brodmann den Pass der schweizerischen Grenzwacht vorgewiesen hat. Wenn nein, ist der Beschwerdeführer freizusprechen.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird dahin gutgeheissen, dass das Urteil des Ausschusses des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 19. Mai 1954 aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen wird.
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1. Art. 252 cifra 2 CP. Nozione del "fare commercio" (consid. 2). 2. Art. 3 cifra 24 della legge federale 22 gennaio 1892 sull'estradizione agli Stati stranieri. Il delitto previsto nell'art. 252 cifra 1 cp. 4 CP (abuso di carte di legittimazione autentiche) non dà luogo all'estradizione (consid. 3).
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81 IV 39
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Sachverhalt ab Seite 39
A.- Der in einer Metzgerei angestellte Rudin verkaufte am 22. März 1953, ohne im Besitz des erforderlichen Viehhandelspatentes zu sein, für Rechnung des Viehhändlers Vogelsang dem Landwirt Keller zwei Kühe und kaufte von ihm eine Kuh und ein Kalb. In der gegen ihn wegen unbefugter Ausübung des Viehhandels durchgeführten Strafuntersuchung bestimmte er den Landwirt Keller, bei der Einvernahme durch die Strafuntersuchungsbehörde als Zeuge die falsche Aussage zu machen, er habe den erwähnten Handel nicht mit Rudin, sondern direkt mit Vogelsang besprochen und abgeschlossen.
B.- Das Kriminalgericht des Kantons Aargau sprach deswegen mit Urteil vom 13. April 1954 Rudin der Anstiftung zu falschem Zeugnis schuldig und bestrafte ihn unter Berücksichtigung einer Strafschärfung wegen Rückfalls mit 7 Monaten Gefängnis.
C.- Die von Rudin gegen dieses Urteil wegen Nichtanwendung von Art. 308 Abs. 2 StGB erhobene Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1. Nach Art. 308 Abs. 2 StGB kann der Richter die Strafe nach freiem Ermessen mildern, wenn ein Zeuge in einem gerichtlichen Verfahren deshalb eine falsche Aussage gemacht hat, weil er durch die wahrheitsgemässe Aussage sich oder seine Angehörigen der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung ausgesetzt hätte. Diese Bestimmung gilt nach der Rechtsprechung nur für den Täter, also den Zeugen selbst; ihre entsprechende Anwendung auf den Anstifter, der als Angeklagter im Strafverfahren durch die wahre Aussage des Zeugen belastet würde, ist dagegen abgelehnt worden (vgl.BGE 73 IV 245).
a) Der Beschwerdeführer ficht diese Rechtsprechung an. Er anerkennt zwar, dass eine Bestrafung des Angeklagten, der einen Zeugen anstiftet, zu seinen Gunsten falsch auszusagen, am Platze ist, weil er durch seine Anstiftung einen Dritten zum Verbrecher macht, was bei der straflosen falschen Parteiaussage durch ihn selber nicht der Fall ist. Dagegen bezeichnet er es als stossend, dass einem solchen Anstifter, der sich doch vom gleichen Selbstschutzbestreben leiten lasse wie der lügende Angeklagte, nicht einmal die Strafmilderung zugebilligt werde, die das Gesetz dem ebenfalls aus Gründen des Selbstschutzes falsch aussagenden Zeugen gewähre.
Allein der Beschwerdeführer lässt völlig ausser acht, dass sich der Anstifter zu falschem Zeugnis nicht in der gleichen Zwangslage befindet wie der Zeuge, der ohne sein Dazutun in eine Strafuntersuchung hineingezogen wird und sich darum vor die Wahl gestellt sieht, gegen sich selber bzw. gegen seine Angehörigen auszusagen oder falsches Zeugnis abzulegen. Diesen Entschuldigungsgrund des sog. Ehrennotstandes kann der Angeschuldigte, der einen Zeugen zu falscher Aussage anstiftet, nicht für sich in Anspruch nehmen. Er handelt, prozessual gesehen, spontan.
b) Der Beschwerdeführer vertritt weiter die Auffassung, die durchBGE 73 IV 245begründete Rechtsprechung stehe im Widerspruch zu dem (später ergangenen) UrteilBGE 73 IV 241Erw. 2, wonach beim Delikt der Begünstigung nicht nur der Begünstiger selber, der zum Begünstigten in nahen Beziehungen steht, sondern auch der Anstifter, der jemand zu seiner eigenen Begünstigung anstiftet, auf Grund von Art. 305 Abs. 2 StGB straffrei gelassen werden könne. Nach der Rechtsprechung sei also dem Anstifter, der den Begünstiger dazu anstifte ihn zu begünstigen, die entschuldbare Versuchung, die sein Verschulden geringer erscheinen lasse, zu Gute zu halten, obwohl auch in diesem Falle ein Dritter in die Angelegenheit hineingezogen werde. Dann sei es aber auch geboten, den der gleichen Versuchung erliegenden Anstifter zu falschem Zeugnis milder zu bestrafen.
Die Anstiftung zu falschem Zeugnis kann aber der Anstiftung zu Begünstigung schon deshalb nicht gleichgesetzt werden, weil falsches Zeugnis im Gegensatz zur Begünstigung nicht ein Vergehen, sondern ein Verbrechen darstellt (Art. 9 StGB). Anstiftung zu einem Verbrechen ist unabhängig davon strafbar, ob es in der Folge zur (versuchten oder vollendeten) Haupttat des Angestifteten gekommen ist. Sie ist also - im Gegensatz zur Anstiftung zu einem Vergehen oder einer Übertretung - dem Prinzip der Akzessorietät nicht unterworfen (vgl. HAFTER, Allg. Teil S. 227 ff.). Das Gesetz bringt dies auch dadurch zum Ausdruck, dass es in Art. 24 Abs. 2 strafbar erklärt, wer jemand zu einem Verbrechen zu bestimmen versucht. Entfällt aber bei der Anstiftung zu einem Verbrechen die Akzessorietät und ist sie selbständig strafbar, so darf daraus, dass das Gesetz in Art. 308 Abs. 2 für den Angeklagten als Anstifter im Gegensatz zum Zeugen eine Strafmilderung nicht vorsieht, auch gefolgert werden, dass die Strafmilderung für ihn nicht gelten solle.
Zudem ist zu beachten, dass nur die Anstiftung zur Begünstigung allein straflos gelassen werden kann, nicht dagegen auch die Anstiftung zu weiteren Straftaten als Mittel der Begünstigung. Wer einen Dritten zur Begehung von Sachbeschädigung, Körperverletzung, Widerstand gegen Beamte oder dergleichen anstiftet, um die Entdeckung oder Verhaftung des Anstifters zu verhindern, kann sich somit nicht auf Art. 305 Abs. 2 StGB berufen. Dann ist aber auch nicht ersichtlich, wieso die Anstiftung zu falschem Zeugnis als Mittel der Begünstigung des Anstifters Strafmilderung nach Art. 308 Abs. 2 StGB recht fertigen sollte.
c) Selbst wenn man übrigens grundsätzlich die Anwendbarkeit von Art. 308 Abs. 2 StGB auf den Anstifter zu falschem Zeugnis bejahen wollte, wäre der Beschwerde der Erfolg versagt, weil die Vorschrift, wie ihr Wortlaut zeigt, den Richter nicht zwingt, sondern ihn bloss ermächtigt, die Strafe nach freiem Ermessen zu mildern. In der Nichtgewährung der Strafmilderung läge also noch keine Verletzung von Bundesrecht.
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de
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Art. 307, 308 Abs. 2 StGB. Anstiftung zu falschem Zeugnis. Art. 308 Abs. 2 ist nicht anwendbar auf den Angeklagten, der einen Zeugen anstiftet, zu seinen Gunsten falsch auszusagen.
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criminal law and criminal procedure
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IV
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81 IV 39
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Sachverhalt ab Seite 39
A.- Der in einer Metzgerei angestellte Rudin verkaufte am 22. März 1953, ohne im Besitz des erforderlichen Viehhandelspatentes zu sein, für Rechnung des Viehhändlers Vogelsang dem Landwirt Keller zwei Kühe und kaufte von ihm eine Kuh und ein Kalb. In der gegen ihn wegen unbefugter Ausübung des Viehhandels durchgeführten Strafuntersuchung bestimmte er den Landwirt Keller, bei der Einvernahme durch die Strafuntersuchungsbehörde als Zeuge die falsche Aussage zu machen, er habe den erwähnten Handel nicht mit Rudin, sondern direkt mit Vogelsang besprochen und abgeschlossen.
B.- Das Kriminalgericht des Kantons Aargau sprach deswegen mit Urteil vom 13. April 1954 Rudin der Anstiftung zu falschem Zeugnis schuldig und bestrafte ihn unter Berücksichtigung einer Strafschärfung wegen Rückfalls mit 7 Monaten Gefängnis.
C.- Die von Rudin gegen dieses Urteil wegen Nichtanwendung von Art. 308 Abs. 2 StGB erhobene Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1. Nach Art. 308 Abs. 2 StGB kann der Richter die Strafe nach freiem Ermessen mildern, wenn ein Zeuge in einem gerichtlichen Verfahren deshalb eine falsche Aussage gemacht hat, weil er durch die wahrheitsgemässe Aussage sich oder seine Angehörigen der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung ausgesetzt hätte. Diese Bestimmung gilt nach der Rechtsprechung nur für den Täter, also den Zeugen selbst; ihre entsprechende Anwendung auf den Anstifter, der als Angeklagter im Strafverfahren durch die wahre Aussage des Zeugen belastet würde, ist dagegen abgelehnt worden (vgl.BGE 73 IV 245).
a) Der Beschwerdeführer ficht diese Rechtsprechung an. Er anerkennt zwar, dass eine Bestrafung des Angeklagten, der einen Zeugen anstiftet, zu seinen Gunsten falsch auszusagen, am Platze ist, weil er durch seine Anstiftung einen Dritten zum Verbrecher macht, was bei der straflosen falschen Parteiaussage durch ihn selber nicht der Fall ist. Dagegen bezeichnet er es als stossend, dass einem solchen Anstifter, der sich doch vom gleichen Selbstschutzbestreben leiten lasse wie der lügende Angeklagte, nicht einmal die Strafmilderung zugebilligt werde, die das Gesetz dem ebenfalls aus Gründen des Selbstschutzes falsch aussagenden Zeugen gewähre.
Allein der Beschwerdeführer lässt völlig ausser acht, dass sich der Anstifter zu falschem Zeugnis nicht in der gleichen Zwangslage befindet wie der Zeuge, der ohne sein Dazutun in eine Strafuntersuchung hineingezogen wird und sich darum vor die Wahl gestellt sieht, gegen sich selber bzw. gegen seine Angehörigen auszusagen oder falsches Zeugnis abzulegen. Diesen Entschuldigungsgrund des sog. Ehrennotstandes kann der Angeschuldigte, der einen Zeugen zu falscher Aussage anstiftet, nicht für sich in Anspruch nehmen. Er handelt, prozessual gesehen, spontan.
b) Der Beschwerdeführer vertritt weiter die Auffassung, die durchBGE 73 IV 245begründete Rechtsprechung stehe im Widerspruch zu dem (später ergangenen) UrteilBGE 73 IV 241Erw. 2, wonach beim Delikt der Begünstigung nicht nur der Begünstiger selber, der zum Begünstigten in nahen Beziehungen steht, sondern auch der Anstifter, der jemand zu seiner eigenen Begünstigung anstiftet, auf Grund von Art. 305 Abs. 2 StGB straffrei gelassen werden könne. Nach der Rechtsprechung sei also dem Anstifter, der den Begünstiger dazu anstifte ihn zu begünstigen, die entschuldbare Versuchung, die sein Verschulden geringer erscheinen lasse, zu Gute zu halten, obwohl auch in diesem Falle ein Dritter in die Angelegenheit hineingezogen werde. Dann sei es aber auch geboten, den der gleichen Versuchung erliegenden Anstifter zu falschem Zeugnis milder zu bestrafen.
Die Anstiftung zu falschem Zeugnis kann aber der Anstiftung zu Begünstigung schon deshalb nicht gleichgesetzt werden, weil falsches Zeugnis im Gegensatz zur Begünstigung nicht ein Vergehen, sondern ein Verbrechen darstellt (Art. 9 StGB). Anstiftung zu einem Verbrechen ist unabhängig davon strafbar, ob es in der Folge zur (versuchten oder vollendeten) Haupttat des Angestifteten gekommen ist. Sie ist also - im Gegensatz zur Anstiftung zu einem Vergehen oder einer Übertretung - dem Prinzip der Akzessorietät nicht unterworfen (vgl. HAFTER, Allg. Teil S. 227 ff.). Das Gesetz bringt dies auch dadurch zum Ausdruck, dass es in Art. 24 Abs. 2 strafbar erklärt, wer jemand zu einem Verbrechen zu bestimmen versucht. Entfällt aber bei der Anstiftung zu einem Verbrechen die Akzessorietät und ist sie selbständig strafbar, so darf daraus, dass das Gesetz in Art. 308 Abs. 2 für den Angeklagten als Anstifter im Gegensatz zum Zeugen eine Strafmilderung nicht vorsieht, auch gefolgert werden, dass die Strafmilderung für ihn nicht gelten solle.
Zudem ist zu beachten, dass nur die Anstiftung zur Begünstigung allein straflos gelassen werden kann, nicht dagegen auch die Anstiftung zu weiteren Straftaten als Mittel der Begünstigung. Wer einen Dritten zur Begehung von Sachbeschädigung, Körperverletzung, Widerstand gegen Beamte oder dergleichen anstiftet, um die Entdeckung oder Verhaftung des Anstifters zu verhindern, kann sich somit nicht auf Art. 305 Abs. 2 StGB berufen. Dann ist aber auch nicht ersichtlich, wieso die Anstiftung zu falschem Zeugnis als Mittel der Begünstigung des Anstifters Strafmilderung nach Art. 308 Abs. 2 StGB recht fertigen sollte.
c) Selbst wenn man übrigens grundsätzlich die Anwendbarkeit von Art. 308 Abs. 2 StGB auf den Anstifter zu falschem Zeugnis bejahen wollte, wäre der Beschwerde der Erfolg versagt, weil die Vorschrift, wie ihr Wortlaut zeigt, den Richter nicht zwingt, sondern ihn bloss ermächtigt, die Strafe nach freiem Ermessen zu mildern. In der Nichtgewährung der Strafmilderung läge also noch keine Verletzung von Bundesrecht.
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Art. 307 et 308 al. 2 CP. Instigation au faux témoignage. L'art. 308 al. 2 CP n'est pas applicable à l'inculpé qui incite un témoin à faire une fausse déposition en sa faveur.
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81 IV 39
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Sachverhalt ab Seite 39
A.- Der in einer Metzgerei angestellte Rudin verkaufte am 22. März 1953, ohne im Besitz des erforderlichen Viehhandelspatentes zu sein, für Rechnung des Viehhändlers Vogelsang dem Landwirt Keller zwei Kühe und kaufte von ihm eine Kuh und ein Kalb. In der gegen ihn wegen unbefugter Ausübung des Viehhandels durchgeführten Strafuntersuchung bestimmte er den Landwirt Keller, bei der Einvernahme durch die Strafuntersuchungsbehörde als Zeuge die falsche Aussage zu machen, er habe den erwähnten Handel nicht mit Rudin, sondern direkt mit Vogelsang besprochen und abgeschlossen.
B.- Das Kriminalgericht des Kantons Aargau sprach deswegen mit Urteil vom 13. April 1954 Rudin der Anstiftung zu falschem Zeugnis schuldig und bestrafte ihn unter Berücksichtigung einer Strafschärfung wegen Rückfalls mit 7 Monaten Gefängnis.
C.- Die von Rudin gegen dieses Urteil wegen Nichtanwendung von Art. 308 Abs. 2 StGB erhobene Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1. Nach Art. 308 Abs. 2 StGB kann der Richter die Strafe nach freiem Ermessen mildern, wenn ein Zeuge in einem gerichtlichen Verfahren deshalb eine falsche Aussage gemacht hat, weil er durch die wahrheitsgemässe Aussage sich oder seine Angehörigen der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung ausgesetzt hätte. Diese Bestimmung gilt nach der Rechtsprechung nur für den Täter, also den Zeugen selbst; ihre entsprechende Anwendung auf den Anstifter, der als Angeklagter im Strafverfahren durch die wahre Aussage des Zeugen belastet würde, ist dagegen abgelehnt worden (vgl.BGE 73 IV 245).
a) Der Beschwerdeführer ficht diese Rechtsprechung an. Er anerkennt zwar, dass eine Bestrafung des Angeklagten, der einen Zeugen anstiftet, zu seinen Gunsten falsch auszusagen, am Platze ist, weil er durch seine Anstiftung einen Dritten zum Verbrecher macht, was bei der straflosen falschen Parteiaussage durch ihn selber nicht der Fall ist. Dagegen bezeichnet er es als stossend, dass einem solchen Anstifter, der sich doch vom gleichen Selbstschutzbestreben leiten lasse wie der lügende Angeklagte, nicht einmal die Strafmilderung zugebilligt werde, die das Gesetz dem ebenfalls aus Gründen des Selbstschutzes falsch aussagenden Zeugen gewähre.
Allein der Beschwerdeführer lässt völlig ausser acht, dass sich der Anstifter zu falschem Zeugnis nicht in der gleichen Zwangslage befindet wie der Zeuge, der ohne sein Dazutun in eine Strafuntersuchung hineingezogen wird und sich darum vor die Wahl gestellt sieht, gegen sich selber bzw. gegen seine Angehörigen auszusagen oder falsches Zeugnis abzulegen. Diesen Entschuldigungsgrund des sog. Ehrennotstandes kann der Angeschuldigte, der einen Zeugen zu falscher Aussage anstiftet, nicht für sich in Anspruch nehmen. Er handelt, prozessual gesehen, spontan.
b) Der Beschwerdeführer vertritt weiter die Auffassung, die durchBGE 73 IV 245begründete Rechtsprechung stehe im Widerspruch zu dem (später ergangenen) UrteilBGE 73 IV 241Erw. 2, wonach beim Delikt der Begünstigung nicht nur der Begünstiger selber, der zum Begünstigten in nahen Beziehungen steht, sondern auch der Anstifter, der jemand zu seiner eigenen Begünstigung anstiftet, auf Grund von Art. 305 Abs. 2 StGB straffrei gelassen werden könne. Nach der Rechtsprechung sei also dem Anstifter, der den Begünstiger dazu anstifte ihn zu begünstigen, die entschuldbare Versuchung, die sein Verschulden geringer erscheinen lasse, zu Gute zu halten, obwohl auch in diesem Falle ein Dritter in die Angelegenheit hineingezogen werde. Dann sei es aber auch geboten, den der gleichen Versuchung erliegenden Anstifter zu falschem Zeugnis milder zu bestrafen.
Die Anstiftung zu falschem Zeugnis kann aber der Anstiftung zu Begünstigung schon deshalb nicht gleichgesetzt werden, weil falsches Zeugnis im Gegensatz zur Begünstigung nicht ein Vergehen, sondern ein Verbrechen darstellt (Art. 9 StGB). Anstiftung zu einem Verbrechen ist unabhängig davon strafbar, ob es in der Folge zur (versuchten oder vollendeten) Haupttat des Angestifteten gekommen ist. Sie ist also - im Gegensatz zur Anstiftung zu einem Vergehen oder einer Übertretung - dem Prinzip der Akzessorietät nicht unterworfen (vgl. HAFTER, Allg. Teil S. 227 ff.). Das Gesetz bringt dies auch dadurch zum Ausdruck, dass es in Art. 24 Abs. 2 strafbar erklärt, wer jemand zu einem Verbrechen zu bestimmen versucht. Entfällt aber bei der Anstiftung zu einem Verbrechen die Akzessorietät und ist sie selbständig strafbar, so darf daraus, dass das Gesetz in Art. 308 Abs. 2 für den Angeklagten als Anstifter im Gegensatz zum Zeugen eine Strafmilderung nicht vorsieht, auch gefolgert werden, dass die Strafmilderung für ihn nicht gelten solle.
Zudem ist zu beachten, dass nur die Anstiftung zur Begünstigung allein straflos gelassen werden kann, nicht dagegen auch die Anstiftung zu weiteren Straftaten als Mittel der Begünstigung. Wer einen Dritten zur Begehung von Sachbeschädigung, Körperverletzung, Widerstand gegen Beamte oder dergleichen anstiftet, um die Entdeckung oder Verhaftung des Anstifters zu verhindern, kann sich somit nicht auf Art. 305 Abs. 2 StGB berufen. Dann ist aber auch nicht ersichtlich, wieso die Anstiftung zu falschem Zeugnis als Mittel der Begünstigung des Anstifters Strafmilderung nach Art. 308 Abs. 2 StGB recht fertigen sollte.
c) Selbst wenn man übrigens grundsätzlich die Anwendbarkeit von Art. 308 Abs. 2 StGB auf den Anstifter zu falschem Zeugnis bejahen wollte, wäre der Beschwerde der Erfolg versagt, weil die Vorschrift, wie ihr Wortlaut zeigt, den Richter nicht zwingt, sondern ihn bloss ermächtigt, die Strafe nach freiem Ermessen zu mildern. In der Nichtgewährung der Strafmilderung läge also noch keine Verletzung von Bundesrecht.
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Art. 307 e 308 cp. 2 CP. Istigazione alla falsa testimonianza. L'art. 308 cp. 2 CP non è applicabile all'accusato che incita un testimonio a fare una falsa deposizione in suo favore.
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81 IV 42
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Sachverhalt ab Seite 42
A.- W., der am 13. Februar 1951 vom Bezirksgericht Horgen wegen widernatürlicher Unzucht, Versuchs wider natürlicher Unzucht und Unzucht mit Kindern zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von sieben Monaten verurteilt worden war, verführte im Jahre 1953 während der ihm auferlegten Probezeit unter zwei Malen erneut einen Minderjährigen, mit dem er Autofahrten unternahm, zu widernatürlicher Unzucht und wurde daher erstinstanzlich vom Bezirksgericht Affoltern am 13. Februar 1954 und oberinstanzlich von der II. Strafkammer des Obergerichtes des Kantons Zürich am 30. März 1954 in Anwendung von Art. 194 Abs. 1 StGB zu fünf Monaten Gefängnis verurteilt.
B.- W. liess sich am 23. Juni 1954 vom Psychiater Dr. med. Knoepfel ein Gutachten erstatten, in dem dieser zum Schlusse kam, W. habe sowohl die vom Bezirksgericht Horgen als auch die vom Bezirksgericht Affoltern und der II. Strafkammer des Obergerichts beurteilten Handlungen im Zustande leichter Verminderung der Zurechnungsfähigkeit begangen. Unter Berufung auf dieses Gutachten ersuchte er am 25. Juni 1954 das Gesamtobergericht des Kantons Zürich, die Wiederaufnahme der beiden Strafverfahren zu bewilligen.
Das Gesamtobergericht wies ihn an, die Wiederaufnahme des ersten Verfahrens bei der II. Strafkammer des Obergerichts in einer besonderen Eingabe nachzusuchen. Soweit er die Wiederaufnahme des zweiten Verfahrens verlangte, trat es dagegen auf das Gesuch ein und wies es am 3. November 1954 ab. Zur Begründung führte es aus: Der Entscheid darüber, ob die neu geltend gemachten Tatsachen oder Beweismittel eine mildere Bestrafung rechtfertigten, sei einzig Sache der Revisionsinstanz. Das Bezirksgericht Affoltern und die II. Strafkammer des Obergerichtes hätten keine Verminderung der Zurechnungsfähigkeit des Gesuchstellers angenommen. Selbst wenn man aber dem Gutachten Dr. Knoepfels folge und dem Gesuchsteller eine leichte Verminderung der Zurechnungsfähigkeit zubillige, erscheine die ausgesprochene Strafe von fünf Monaten Gefängnis mit Rücksicht auf den Rückfall, den der Gesuchsteller dadurch leicht hätte vermeiden können, dass er den Geschädigten nicht auf Autofahrten mitgenommen hätte, immer noch als angemessen.
C.- W. führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, der Beschluss vom 3. November 1954 sei aufzuheben, die Wiederaufnahme des Verfahrens gegenüber dem Urteil der II. Strafkammer des Obergerichtes vom 30. März 1954 zu beschliessen und die Sache zur Ausfällung eines neuen Urteils an die II. Strafkammer, eventuell zur Gutheissung des Wiederaufnahmegesuches an das Gesamtobergericht zurückzuweisen. Er macht geltend, der angefochtene Beschluss verletze Art. 397 und 11 StGB. Da das Obergericht die Erheblichkeit und Beweiskraft des Gutachtens Knoepfel vorausgesetzt habe, hätte es das Revisionsgesuch gutheissen sollen. Zur Festsetzung des Strafmasses sei es nicht befugt gewesen; diese bleibe unter allen Umständen dem erkennenden Richter vorbehalten. Eine Milderung müsse im vorliegenden Falle eintreten. Im Sachurteil sei sie noch nicht erfolgt, Art. 11 StGB aber schreibe sie zwingend vor, lege nur ihr Ausmass in das Ermessen des Richters. Eventuell sei, wie schon im Revisionsgesuch beantragt, zum Nachweis der verminderten Zurechnungsfähigkeit des Beschwerdeführers eine gerichtliche Expertise anzuordnen.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Art. 397 StGB gebietet die Wiederaufnahme des Strafverfahrens zugunsten eines in Anwendung eidgenössischen Rechts Verurteilten, wenn erhebliche Tatsachen, die dem Gerichte zur Zeit des früheren Verfahrens nicht bekannt waren, glaubhaft gemacht werden (BGE 73 IV 44,BGE 77 IV 214,BGE 78 IV 55), oder wenn zum Nachweis erheblicher Tatsachen, die bereits im früheren Verfahren geltend gemacht worden sind, erhebliche neue Beweismittel beigebracht werden.
2. Das vom Beschwerdeführer eingelegte Gutachten ist nicht neues Beweismittel zu Tatsachen, die bereits im Verfahren vor dem Bezirksgericht Affoltern und der II. Strafkammer des Obergerichtes behauptet worden wären; denn abgesehen davon, dass das Bundesgericht in Gutachten überhaupt nicht neue Beweismittel zu früher angerufenen Tatsachen sieht (BGE 76 IV 37,BGE 78 IV 56), hatte der Beschwerdeführer vor den erwähnten Gerichten nicht geltend gemacht, er habe die Tat im Zustande verminderter Zurechnungsfähigkeit begangen.
3. Ob das Gutachten neue Tatsachen aufdecke oder zum mindestens glaubhaft mache, die auf Verminderung der Zurechnungsfähigkeit hinweisen würden, kann dahingestellt bleiben. Auch wenn das zutreffen sollte, verstösst die Abweisung des Wiederaufnahmegesuches nicht gegen eidgenössisches Recht. Denn "erheblich" im Sinne des Art. 397 StGB wären die angeblichen Tatsachen nur, wenn sie zu einer bedeutend milderen Bestrafung des Beschwerdeführers führen könnten (BGE 69 IV 139Erw. 6). Das verneint das Obergericht mit einer Begründung, die nicht gegen Bundesrecht verstösst.
Indem es ausführt, die von der II. Strafkammer ausgefällten fünf Monate Gefängnis wären mit Rücksicht auf den Rückfall auch bei leichter Verminderung der Zurechnungsfähigkeit des Beschwerdeführers immer noch angemessen, will es sagen, dass die Wiederaufnahme des Verfahrens nicht zu einer Herabsetzung der Strafe führen würde. Ob es diese Würdigung des Verschuldens und der Angemessenheit der Strafe vorausnehmen durfte oder der II. Strafkammer zu überlassen hatte, die im Falle der Wiederaufnahme des Verfahrens das neue Sachurteil zu fällen hätte, ist eine Frage des kantonalen Rechts. Art. 397 StGB verbietet nicht, dass der über das Wiederaufnahmegesuch entscheidende Richter eine Frage vorweg beurteile, die normalerweise in das Erkenntnisgebiet des Sachrichters im wiederaufgenommenen Verfahren fallen würde. Denn diese Bestimmung greift in den Grundsatz, dass die Organisation der Gerichte und des gerichtlichen Verfahrens, also auch die Ordnung der sachlichen Zuständigkeit den Kantonen zukommt (Art. 64 bis Abs. 2 BV, Art. 345, 365 StGB), nicht ein. Ob das Obergericht sich an die vom kantonalen Recht gewollte Zuständigkeitsordnung gehalten oder durch Beurteilung der erwähnten Vorfrage, wie der Beschwerdeführer behauptet, gegen eine entgegenstehende Praxis des Zürcher Kassationsgerichts verstossen habe, hat das Bundesgericht auf Nichtigkeitsbeschwerde hin nicht zu beurteilen, da mit diesem Rechtsmittel nur die Verletzung eidgenössischen Rechts gerügt werden kann (Art. 269 Abs. 1, 273 Abs. 1 lit. b BStP).
Bundesrecht ist auch nicht deshalb verletzt, weil Art. 11 StGB die Milderung der Strafe vorschreibt, wenn der Täter die Tat im Zustande verminderter Zurechnungsfähigkeit begangen hat. Das heisst nur, dass Verminderung der Zurechnungsfähigkeit überhaupt das Verschulden mindere und im Strafmass - innerhalb des angedrohten ordentlichen Strafrahmens oder durch Übergang zu einer milderen Strafart (BGE 71 IV 69) - zugunsten des Angeklagten berücksichtigt werden müsse'nicht auch, dass der Richter, der dieses Verschulden wägt und sich über die Angemessenheit der Strafe ausspricht, die von einem anderen Richter in der gleichen Sache geäusserte Auffassung als verbindlichen Ausgangspunkt für die Milderung zu nehmen habe. So verlangt Art. 11 StGB z.B. nicht, dass ein Appellationsgericht die vom erstinstanzlichen Richter ausgefällte Strafe herabsetze, wenn die Verminderung der Zurechnungsfähigkeit erst im Appellationsverfahren aufgedeckt wird (vgl. BGE 80 IV 158). Etwas anderes gilt auch nicht im Falle der Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens. Der Sachrichter im wiederaufgenommenen Verfahren ist von Bundesrechts wegen frei, trotz Annahme verminderter Zurechnungsfähigkeit den Täter gleich streng zu bestrafen, wie es im ersten Urteil geschehen ist, und daher braucht auch der über das Wiederaufnahmegesuch entscheidende Richter nicht notwendigerweise von Bundesrechts wegen vorauszusetzen, dass der Sachrichter wegen der neu aufgedeckten Verminderung der Zurechnungs fähigkeit die früher ausgefällte Strafe herabsetzen würde.
Hält er diese nach wie vor für gerecht, so verletzt er eidgenössisches Recht nur dann, wenn sie, unter Mit berücksichtigung der Verminderung der Zurechnungsfähigkeit, aus dem Rahmen des Ermessens fällt, in das der Kassationshof nach ständiger Rechtsprechung (vgl.BGE 68 IV 21,BGE 78 IV 72) nicht einzugreifen hat. Davon kann hier keine Rede sein. Der Beschwerdeführer macht das auch gar nicht geltend.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit auf sie einzutreten ist.
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Art. 11, 345, 365, 397 StGB. a) Ob die Revisionsinstanz die Erheblichkeit neuer Tatsachen für die Strafzumessung selber prüfen kann oder diesen Entscheid dem Sachrichter im wiederaufzunehmenden Verfahren vorzubehalten hat, bestimmt das kantonale Recht.
b) Eine durch Revisionsgesuch aufgedeckte Verminderung der Zurechnungsfähigkeit führt nicht notwendigerweise zur Herabsetzung der ausgefällten Strafe.
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81 IV 42
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Sachverhalt ab Seite 42
A.- W., der am 13. Februar 1951 vom Bezirksgericht Horgen wegen widernatürlicher Unzucht, Versuchs wider natürlicher Unzucht und Unzucht mit Kindern zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von sieben Monaten verurteilt worden war, verführte im Jahre 1953 während der ihm auferlegten Probezeit unter zwei Malen erneut einen Minderjährigen, mit dem er Autofahrten unternahm, zu widernatürlicher Unzucht und wurde daher erstinstanzlich vom Bezirksgericht Affoltern am 13. Februar 1954 und oberinstanzlich von der II. Strafkammer des Obergerichtes des Kantons Zürich am 30. März 1954 in Anwendung von Art. 194 Abs. 1 StGB zu fünf Monaten Gefängnis verurteilt.
B.- W. liess sich am 23. Juni 1954 vom Psychiater Dr. med. Knoepfel ein Gutachten erstatten, in dem dieser zum Schlusse kam, W. habe sowohl die vom Bezirksgericht Horgen als auch die vom Bezirksgericht Affoltern und der II. Strafkammer des Obergerichts beurteilten Handlungen im Zustande leichter Verminderung der Zurechnungsfähigkeit begangen. Unter Berufung auf dieses Gutachten ersuchte er am 25. Juni 1954 das Gesamtobergericht des Kantons Zürich, die Wiederaufnahme der beiden Strafverfahren zu bewilligen.
Das Gesamtobergericht wies ihn an, die Wiederaufnahme des ersten Verfahrens bei der II. Strafkammer des Obergerichts in einer besonderen Eingabe nachzusuchen. Soweit er die Wiederaufnahme des zweiten Verfahrens verlangte, trat es dagegen auf das Gesuch ein und wies es am 3. November 1954 ab. Zur Begründung führte es aus: Der Entscheid darüber, ob die neu geltend gemachten Tatsachen oder Beweismittel eine mildere Bestrafung rechtfertigten, sei einzig Sache der Revisionsinstanz. Das Bezirksgericht Affoltern und die II. Strafkammer des Obergerichtes hätten keine Verminderung der Zurechnungsfähigkeit des Gesuchstellers angenommen. Selbst wenn man aber dem Gutachten Dr. Knoepfels folge und dem Gesuchsteller eine leichte Verminderung der Zurechnungsfähigkeit zubillige, erscheine die ausgesprochene Strafe von fünf Monaten Gefängnis mit Rücksicht auf den Rückfall, den der Gesuchsteller dadurch leicht hätte vermeiden können, dass er den Geschädigten nicht auf Autofahrten mitgenommen hätte, immer noch als angemessen.
C.- W. führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, der Beschluss vom 3. November 1954 sei aufzuheben, die Wiederaufnahme des Verfahrens gegenüber dem Urteil der II. Strafkammer des Obergerichtes vom 30. März 1954 zu beschliessen und die Sache zur Ausfällung eines neuen Urteils an die II. Strafkammer, eventuell zur Gutheissung des Wiederaufnahmegesuches an das Gesamtobergericht zurückzuweisen. Er macht geltend, der angefochtene Beschluss verletze Art. 397 und 11 StGB. Da das Obergericht die Erheblichkeit und Beweiskraft des Gutachtens Knoepfel vorausgesetzt habe, hätte es das Revisionsgesuch gutheissen sollen. Zur Festsetzung des Strafmasses sei es nicht befugt gewesen; diese bleibe unter allen Umständen dem erkennenden Richter vorbehalten. Eine Milderung müsse im vorliegenden Falle eintreten. Im Sachurteil sei sie noch nicht erfolgt, Art. 11 StGB aber schreibe sie zwingend vor, lege nur ihr Ausmass in das Ermessen des Richters. Eventuell sei, wie schon im Revisionsgesuch beantragt, zum Nachweis der verminderten Zurechnungsfähigkeit des Beschwerdeführers eine gerichtliche Expertise anzuordnen.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Art. 397 StGB gebietet die Wiederaufnahme des Strafverfahrens zugunsten eines in Anwendung eidgenössischen Rechts Verurteilten, wenn erhebliche Tatsachen, die dem Gerichte zur Zeit des früheren Verfahrens nicht bekannt waren, glaubhaft gemacht werden (BGE 73 IV 44,BGE 77 IV 214,BGE 78 IV 55), oder wenn zum Nachweis erheblicher Tatsachen, die bereits im früheren Verfahren geltend gemacht worden sind, erhebliche neue Beweismittel beigebracht werden.
2. Das vom Beschwerdeführer eingelegte Gutachten ist nicht neues Beweismittel zu Tatsachen, die bereits im Verfahren vor dem Bezirksgericht Affoltern und der II. Strafkammer des Obergerichtes behauptet worden wären; denn abgesehen davon, dass das Bundesgericht in Gutachten überhaupt nicht neue Beweismittel zu früher angerufenen Tatsachen sieht (BGE 76 IV 37,BGE 78 IV 56), hatte der Beschwerdeführer vor den erwähnten Gerichten nicht geltend gemacht, er habe die Tat im Zustande verminderter Zurechnungsfähigkeit begangen.
3. Ob das Gutachten neue Tatsachen aufdecke oder zum mindestens glaubhaft mache, die auf Verminderung der Zurechnungsfähigkeit hinweisen würden, kann dahingestellt bleiben. Auch wenn das zutreffen sollte, verstösst die Abweisung des Wiederaufnahmegesuches nicht gegen eidgenössisches Recht. Denn "erheblich" im Sinne des Art. 397 StGB wären die angeblichen Tatsachen nur, wenn sie zu einer bedeutend milderen Bestrafung des Beschwerdeführers führen könnten (BGE 69 IV 139Erw. 6). Das verneint das Obergericht mit einer Begründung, die nicht gegen Bundesrecht verstösst.
Indem es ausführt, die von der II. Strafkammer ausgefällten fünf Monate Gefängnis wären mit Rücksicht auf den Rückfall auch bei leichter Verminderung der Zurechnungsfähigkeit des Beschwerdeführers immer noch angemessen, will es sagen, dass die Wiederaufnahme des Verfahrens nicht zu einer Herabsetzung der Strafe führen würde. Ob es diese Würdigung des Verschuldens und der Angemessenheit der Strafe vorausnehmen durfte oder der II. Strafkammer zu überlassen hatte, die im Falle der Wiederaufnahme des Verfahrens das neue Sachurteil zu fällen hätte, ist eine Frage des kantonalen Rechts. Art. 397 StGB verbietet nicht, dass der über das Wiederaufnahmegesuch entscheidende Richter eine Frage vorweg beurteile, die normalerweise in das Erkenntnisgebiet des Sachrichters im wiederaufgenommenen Verfahren fallen würde. Denn diese Bestimmung greift in den Grundsatz, dass die Organisation der Gerichte und des gerichtlichen Verfahrens, also auch die Ordnung der sachlichen Zuständigkeit den Kantonen zukommt (Art. 64 bis Abs. 2 BV, Art. 345, 365 StGB), nicht ein. Ob das Obergericht sich an die vom kantonalen Recht gewollte Zuständigkeitsordnung gehalten oder durch Beurteilung der erwähnten Vorfrage, wie der Beschwerdeführer behauptet, gegen eine entgegenstehende Praxis des Zürcher Kassationsgerichts verstossen habe, hat das Bundesgericht auf Nichtigkeitsbeschwerde hin nicht zu beurteilen, da mit diesem Rechtsmittel nur die Verletzung eidgenössischen Rechts gerügt werden kann (Art. 269 Abs. 1, 273 Abs. 1 lit. b BStP).
Bundesrecht ist auch nicht deshalb verletzt, weil Art. 11 StGB die Milderung der Strafe vorschreibt, wenn der Täter die Tat im Zustande verminderter Zurechnungsfähigkeit begangen hat. Das heisst nur, dass Verminderung der Zurechnungsfähigkeit überhaupt das Verschulden mindere und im Strafmass - innerhalb des angedrohten ordentlichen Strafrahmens oder durch Übergang zu einer milderen Strafart (BGE 71 IV 69) - zugunsten des Angeklagten berücksichtigt werden müsse'nicht auch, dass der Richter, der dieses Verschulden wägt und sich über die Angemessenheit der Strafe ausspricht, die von einem anderen Richter in der gleichen Sache geäusserte Auffassung als verbindlichen Ausgangspunkt für die Milderung zu nehmen habe. So verlangt Art. 11 StGB z.B. nicht, dass ein Appellationsgericht die vom erstinstanzlichen Richter ausgefällte Strafe herabsetze, wenn die Verminderung der Zurechnungsfähigkeit erst im Appellationsverfahren aufgedeckt wird (vgl. BGE 80 IV 158). Etwas anderes gilt auch nicht im Falle der Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens. Der Sachrichter im wiederaufgenommenen Verfahren ist von Bundesrechts wegen frei, trotz Annahme verminderter Zurechnungsfähigkeit den Täter gleich streng zu bestrafen, wie es im ersten Urteil geschehen ist, und daher braucht auch der über das Wiederaufnahmegesuch entscheidende Richter nicht notwendigerweise von Bundesrechts wegen vorauszusetzen, dass der Sachrichter wegen der neu aufgedeckten Verminderung der Zurechnungs fähigkeit die früher ausgefällte Strafe herabsetzen würde.
Hält er diese nach wie vor für gerecht, so verletzt er eidgenössisches Recht nur dann, wenn sie, unter Mit berücksichtigung der Verminderung der Zurechnungsfähigkeit, aus dem Rahmen des Ermessens fällt, in das der Kassationshof nach ständiger Rechtsprechung (vgl.BGE 68 IV 21,BGE 78 IV 72) nicht einzugreifen hat. Davon kann hier keine Rede sein. Der Beschwerdeführer macht das auch gar nicht geltend.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit auf sie einzutreten ist.
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Art. 11, 345, 365, 397 CP. a) Il appartient au droit cantonal de déterminer si la juridiction de revision peut examiner elle-même l'importance de faits nouveaux pour la fixation de la peine ou si elle doit laisser au juge du fond le soin de prendre cette décision dans le procès qui doit être repris.
b) Une diminution de la responsabilité pénale découverte à la suite d'une requête de revision ne conduit pas nécessairement à une réduct ion de la peine prononcée.
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81 IV 42
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Sachverhalt ab Seite 42
A.- W., der am 13. Februar 1951 vom Bezirksgericht Horgen wegen widernatürlicher Unzucht, Versuchs wider natürlicher Unzucht und Unzucht mit Kindern zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von sieben Monaten verurteilt worden war, verführte im Jahre 1953 während der ihm auferlegten Probezeit unter zwei Malen erneut einen Minderjährigen, mit dem er Autofahrten unternahm, zu widernatürlicher Unzucht und wurde daher erstinstanzlich vom Bezirksgericht Affoltern am 13. Februar 1954 und oberinstanzlich von der II. Strafkammer des Obergerichtes des Kantons Zürich am 30. März 1954 in Anwendung von Art. 194 Abs. 1 StGB zu fünf Monaten Gefängnis verurteilt.
B.- W. liess sich am 23. Juni 1954 vom Psychiater Dr. med. Knoepfel ein Gutachten erstatten, in dem dieser zum Schlusse kam, W. habe sowohl die vom Bezirksgericht Horgen als auch die vom Bezirksgericht Affoltern und der II. Strafkammer des Obergerichts beurteilten Handlungen im Zustande leichter Verminderung der Zurechnungsfähigkeit begangen. Unter Berufung auf dieses Gutachten ersuchte er am 25. Juni 1954 das Gesamtobergericht des Kantons Zürich, die Wiederaufnahme der beiden Strafverfahren zu bewilligen.
Das Gesamtobergericht wies ihn an, die Wiederaufnahme des ersten Verfahrens bei der II. Strafkammer des Obergerichts in einer besonderen Eingabe nachzusuchen. Soweit er die Wiederaufnahme des zweiten Verfahrens verlangte, trat es dagegen auf das Gesuch ein und wies es am 3. November 1954 ab. Zur Begründung führte es aus: Der Entscheid darüber, ob die neu geltend gemachten Tatsachen oder Beweismittel eine mildere Bestrafung rechtfertigten, sei einzig Sache der Revisionsinstanz. Das Bezirksgericht Affoltern und die II. Strafkammer des Obergerichtes hätten keine Verminderung der Zurechnungsfähigkeit des Gesuchstellers angenommen. Selbst wenn man aber dem Gutachten Dr. Knoepfels folge und dem Gesuchsteller eine leichte Verminderung der Zurechnungsfähigkeit zubillige, erscheine die ausgesprochene Strafe von fünf Monaten Gefängnis mit Rücksicht auf den Rückfall, den der Gesuchsteller dadurch leicht hätte vermeiden können, dass er den Geschädigten nicht auf Autofahrten mitgenommen hätte, immer noch als angemessen.
C.- W. führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, der Beschluss vom 3. November 1954 sei aufzuheben, die Wiederaufnahme des Verfahrens gegenüber dem Urteil der II. Strafkammer des Obergerichtes vom 30. März 1954 zu beschliessen und die Sache zur Ausfällung eines neuen Urteils an die II. Strafkammer, eventuell zur Gutheissung des Wiederaufnahmegesuches an das Gesamtobergericht zurückzuweisen. Er macht geltend, der angefochtene Beschluss verletze Art. 397 und 11 StGB. Da das Obergericht die Erheblichkeit und Beweiskraft des Gutachtens Knoepfel vorausgesetzt habe, hätte es das Revisionsgesuch gutheissen sollen. Zur Festsetzung des Strafmasses sei es nicht befugt gewesen; diese bleibe unter allen Umständen dem erkennenden Richter vorbehalten. Eine Milderung müsse im vorliegenden Falle eintreten. Im Sachurteil sei sie noch nicht erfolgt, Art. 11 StGB aber schreibe sie zwingend vor, lege nur ihr Ausmass in das Ermessen des Richters. Eventuell sei, wie schon im Revisionsgesuch beantragt, zum Nachweis der verminderten Zurechnungsfähigkeit des Beschwerdeführers eine gerichtliche Expertise anzuordnen.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Art. 397 StGB gebietet die Wiederaufnahme des Strafverfahrens zugunsten eines in Anwendung eidgenössischen Rechts Verurteilten, wenn erhebliche Tatsachen, die dem Gerichte zur Zeit des früheren Verfahrens nicht bekannt waren, glaubhaft gemacht werden (BGE 73 IV 44,BGE 77 IV 214,BGE 78 IV 55), oder wenn zum Nachweis erheblicher Tatsachen, die bereits im früheren Verfahren geltend gemacht worden sind, erhebliche neue Beweismittel beigebracht werden.
2. Das vom Beschwerdeführer eingelegte Gutachten ist nicht neues Beweismittel zu Tatsachen, die bereits im Verfahren vor dem Bezirksgericht Affoltern und der II. Strafkammer des Obergerichtes behauptet worden wären; denn abgesehen davon, dass das Bundesgericht in Gutachten überhaupt nicht neue Beweismittel zu früher angerufenen Tatsachen sieht (BGE 76 IV 37,BGE 78 IV 56), hatte der Beschwerdeführer vor den erwähnten Gerichten nicht geltend gemacht, er habe die Tat im Zustande verminderter Zurechnungsfähigkeit begangen.
3. Ob das Gutachten neue Tatsachen aufdecke oder zum mindestens glaubhaft mache, die auf Verminderung der Zurechnungsfähigkeit hinweisen würden, kann dahingestellt bleiben. Auch wenn das zutreffen sollte, verstösst die Abweisung des Wiederaufnahmegesuches nicht gegen eidgenössisches Recht. Denn "erheblich" im Sinne des Art. 397 StGB wären die angeblichen Tatsachen nur, wenn sie zu einer bedeutend milderen Bestrafung des Beschwerdeführers führen könnten (BGE 69 IV 139Erw. 6). Das verneint das Obergericht mit einer Begründung, die nicht gegen Bundesrecht verstösst.
Indem es ausführt, die von der II. Strafkammer ausgefällten fünf Monate Gefängnis wären mit Rücksicht auf den Rückfall auch bei leichter Verminderung der Zurechnungsfähigkeit des Beschwerdeführers immer noch angemessen, will es sagen, dass die Wiederaufnahme des Verfahrens nicht zu einer Herabsetzung der Strafe führen würde. Ob es diese Würdigung des Verschuldens und der Angemessenheit der Strafe vorausnehmen durfte oder der II. Strafkammer zu überlassen hatte, die im Falle der Wiederaufnahme des Verfahrens das neue Sachurteil zu fällen hätte, ist eine Frage des kantonalen Rechts. Art. 397 StGB verbietet nicht, dass der über das Wiederaufnahmegesuch entscheidende Richter eine Frage vorweg beurteile, die normalerweise in das Erkenntnisgebiet des Sachrichters im wiederaufgenommenen Verfahren fallen würde. Denn diese Bestimmung greift in den Grundsatz, dass die Organisation der Gerichte und des gerichtlichen Verfahrens, also auch die Ordnung der sachlichen Zuständigkeit den Kantonen zukommt (Art. 64 bis Abs. 2 BV, Art. 345, 365 StGB), nicht ein. Ob das Obergericht sich an die vom kantonalen Recht gewollte Zuständigkeitsordnung gehalten oder durch Beurteilung der erwähnten Vorfrage, wie der Beschwerdeführer behauptet, gegen eine entgegenstehende Praxis des Zürcher Kassationsgerichts verstossen habe, hat das Bundesgericht auf Nichtigkeitsbeschwerde hin nicht zu beurteilen, da mit diesem Rechtsmittel nur die Verletzung eidgenössischen Rechts gerügt werden kann (Art. 269 Abs. 1, 273 Abs. 1 lit. b BStP).
Bundesrecht ist auch nicht deshalb verletzt, weil Art. 11 StGB die Milderung der Strafe vorschreibt, wenn der Täter die Tat im Zustande verminderter Zurechnungsfähigkeit begangen hat. Das heisst nur, dass Verminderung der Zurechnungsfähigkeit überhaupt das Verschulden mindere und im Strafmass - innerhalb des angedrohten ordentlichen Strafrahmens oder durch Übergang zu einer milderen Strafart (BGE 71 IV 69) - zugunsten des Angeklagten berücksichtigt werden müsse'nicht auch, dass der Richter, der dieses Verschulden wägt und sich über die Angemessenheit der Strafe ausspricht, die von einem anderen Richter in der gleichen Sache geäusserte Auffassung als verbindlichen Ausgangspunkt für die Milderung zu nehmen habe. So verlangt Art. 11 StGB z.B. nicht, dass ein Appellationsgericht die vom erstinstanzlichen Richter ausgefällte Strafe herabsetze, wenn die Verminderung der Zurechnungsfähigkeit erst im Appellationsverfahren aufgedeckt wird (vgl. BGE 80 IV 158). Etwas anderes gilt auch nicht im Falle der Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens. Der Sachrichter im wiederaufgenommenen Verfahren ist von Bundesrechts wegen frei, trotz Annahme verminderter Zurechnungsfähigkeit den Täter gleich streng zu bestrafen, wie es im ersten Urteil geschehen ist, und daher braucht auch der über das Wiederaufnahmegesuch entscheidende Richter nicht notwendigerweise von Bundesrechts wegen vorauszusetzen, dass der Sachrichter wegen der neu aufgedeckten Verminderung der Zurechnungs fähigkeit die früher ausgefällte Strafe herabsetzen würde.
Hält er diese nach wie vor für gerecht, so verletzt er eidgenössisches Recht nur dann, wenn sie, unter Mit berücksichtigung der Verminderung der Zurechnungsfähigkeit, aus dem Rahmen des Ermessens fällt, in das der Kassationshof nach ständiger Rechtsprechung (vgl.BGE 68 IV 21,BGE 78 IV 72) nicht einzugreifen hat. Davon kann hier keine Rede sein. Der Beschwerdeführer macht das auch gar nicht geltend.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit auf sie einzutreten ist.
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Art. 11, 345, 365, 397 CP. a) Spetta al diritto cantonale stabilire se la giurisdizione di revisione può esaminare essa stessa la rilevanza di nuovi fatti per la commisurazione della pena o se deve lasciare tale compito al giudice del merito nel procedimento di revisione.
b) L'accertamento in sede di revisione di una responsabilità scemata non ha necessariamente per effetto di ridurre la pena pronunciata.
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81 IV 47
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Sachverhalt ab Seite 48
A.- Hans Zaugg fuhr am 17. April 1954 um 15 Uhr in Basel mit einem Motorrad durch die Gellertstrasse Richtung St. Albantor. Bei der Einmündung des St. Albanrings in die Gellertstrasse versuchte er vergeblich, vor den in gleicher Richtung fahrenden Personenwagen des Dr. Monsch zu kommen. Später gelang ihm dieses Unternehmen. Vor der Einmündung der Gellertstrasse in die Zürcherstrasse stoppte er das Motorrad plötzlich ab, um den hinter ihm fahrenden Dr. Monsch zu ärgern, weil dieser ihn angeblich am Überholen gehindert hatte. Dr. Monsch konnte einen Zusammenstoss nur dadurch verhindern, dass auch er blitzschnell anhielt.
B.- In teilweiser Bestätigung eines Urteils des Polizeigerichtspräsidenten erklärte das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt Zaugg am 22. Juli 1954 des vorschriftswidrigen Motorfahrens schuldig und verurteilte ihn in Anwendung von Art. 25 Abs. 1, 26 Abs. 3, 27 Abs. 1 MFG zu drei Tagen Haft.
C.- Zaugg führt Nichtigkeitsbeschwerde mit den Anträgen, das Urteil sei aufzuheben und er sei freizusprechen.
D.- Das Polizeiinspektorat von Basel-Stadt und der Statthalter des Appellationsgerichts beantragen, die Beschwerde sei abzuweisen.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
2. Auf die Behauptung des Beschwerdeführers, er habe Dr. Monsch nicht bei der Einmündung des St. Albanrings in die Gellertstrasse, sondern etwa hundert Meter vor der Einmündung erfolglos zu überholen versucht, ist nicht einzutreten. Die Feststellung des Appellationsgerichtes, wonach dieser Versuch auf der Höhe der erwähnten Einmündung gemacht wurde, ist tatsächlicher Natur und bindet daher den Kassationshof; sie kann mit der Nichtigkeitsbeschwerde nicht angefochten werden, auch nicht mit der Behauptung, sie finde im Sitzungsprotokoll keine Stütze (Art. 277 bis Abs. 1, 273 Abs. 1 lit. b BStP).
Wird von dieser Feststellung ausgegangen, so ist der Beschwerdeführer zu Recht der Übertretung des Art. 26 Abs. 3 MFG schuldig erklärt worden:
a) Unter Strassenkreuzungen, an denen nach dieser Bestimmung nicht überholt werden darf, sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtes auch Stellen zu verstehen, an denen eine Strasse in eine andere einmündet (BGE 64 II 317,BGE 75 IV 29, 128,BGE 79 IV 70). Das gilt nicht nur dann, wenn die Seitenstrasse von rechts, sondern auch, wenn sie von links auf die andere trifft. Das Verbot will einer Anhäufung von Gefahren an Kreuzungen (Einmündungen) vorbeugen, denen die Aufmerksamkeit des einen oder anderen Strassenbenützers, sei es des überholten oder des überholenden, sei es eines von der Seite her eintreffenden, nicht gewachsen sein könnte. Dieser Grund trifft bei Einmündungen von links in gleicher Weise zu wie bei Einmündungen von rechts. Dass bei ersteren das überholende und das überholte Fahrzeug gegenüber einem allenfalls einmündenden den Vortritt haben, ändert nichts. Umsogrösser ist hier die Gefahr, wenn das zu überholende abbiegen will, da es in diesem Falle, im Gegensatze zum Falle der Abzweigung nach rechts, die Fahrbahn des überholenden zu schneiden hat. Das grundlegende erste und zwei weitere der erwähnten vier Präjudizien betreffen denn auch verbotenes Überholen an Einmündungen von links. Auch der Einwand hält nicht stand, dass Art. 1 StGB dieser Rechtsprechung im Wege stehe. Diese Bestimmung verbietet nicht, das Strafgesetz ausdehnend auszulegen, d.h. ihm einen auf den ersten Blick durch den Buchstaben scheinbar nicht gedeckten Sinn zu entnehmen (BGE 71 IV 148,BGE 72 IV 103); der Grundsatz "keine Strafe ohne Gesetz" steht lediglich dem Analogieschlusse im Wege. Einen solchen trifft das Bundesgericht nicht, wenn es unter einer Strassenkreuzung im Sinne des Art. 26 Abs. 3 MFG auch die bloss rudimentäre Kreuzung versteht, wie sie in der Form einer sogenannten Einmündung vorliegt.
b) Dem Schuldspruch steht auch nicht im Wege, dass der Beschwerdeführer das Überholen an der Einmündung des St. Albanrings nicht beendet hat. Seine Auffassung, die Tat sei damit nur bis zum Versuch im Sinne des Strafgesetzbuches (Art. 21 ff.) gediehen und als Versuch einer blossen Übertretung nicht strafbar (Art. 104 Abs. 1 StGB), hält nicht stand. Art. 26 Abs. 3 MFG verbietet das Überholen an Strassenkreuzungen nicht um des Enderfolges willen, d.h. weil die Bestimmung verhindern möchte, dass das hintere Fahrzeug schliesslich vorne sei, sondern wegen der im ganzen Unternehmen liegenden abstrakten oder konkreten Gefahren. Der vollendeten Übertretung macht sich daher auch schuldig, wer an einer Strassenkreuzung (Einmündung) nur einen Teil des ganzen Manövers ausführt, d.h. wer an solcher Stelle in der Absicht, einem anderen vorzufahren, die neben diesem verlaufende Fahrbahn in Anspruch zu nehmen beginnt; denn schon dadurch schafft er von den mit dem Überholen verbundenen Gefahren, insbesondere die Möglichkeit eines Zusammenstosses mit einem von links oder rechts einbiegenden Fahrzeug. Ein strafloser blosser Versuch liegt nur dann vor, wenn der Täter zwar den entscheidenden Schritt einleitet, um an einer Strassenkreuzung in der Absicht des Überholens die rechte Seite der Fahrbahn zu verlassen, diesen Schritt aber nicht vollendet, z.B. weil ihn ein Fahrgast, ins Steuer greifend, daran verhindert.
3. a) Art. 48 Abs. 1 MFV bestimmt: "Hintereinander fahrende Motorfahrzeuge dürfen nur so nahe aufschliessen, dass sich beim plötzlichen Anhalten des vordern Fahrzeugs kein Zusammenstoss ereignen kann". Obschon dieser Wortlaut und auch die romanischen Texte ("Les véhicules automobiles circulant à la file laisseront entre eux ..." "Quando più autoveicoli circolano in colonna devono mantenere tra loro ...") sich nicht nur an den Führer des oder der hinteren, sondern an den Führer beider bezw. aller Fahrzeuge der Kolonne wenden, geht der Sinn der Bestimmung dahin, dass allein der Führer des hinteren Fahrzeuges für den nötigen Abstand vom vorderen zu sorgen hat. Das ergibt sich nicht nur aus der Natur der Sache, da jeder Führer entsprechend der Haltung, die er auf seinem Sitze normalerweise einnimmt, in erster Linie nach vorn und nach der Seite zu beobachten hat und oft auch gar nicht ohne Gefährdung des Verkehrs in der Lage wäre, durch Beschleunigung der Fahrt den Abstand vom hinteren Fahrzeug genügend zu vergrössern, sondern auch daraus, dass der deutsche Text von "aufschliessen" spricht. Wenn der Abstand zu gering ist, übertritt daher nur der Führer des hinteren Fahrzeuges, nicht auch der des vorderen die erwähnte Bestimmung. Etwas anderes gilt auch dann nicht, wenn ein anfänglich angemessener Abstand dadurch zu gering wird, dass der Führer des vorderen Fahrzeuges die Geschwindigkeit herabsetzt. Der Führer des hinteren hat in diesem Falle seinerseits zu verzögern und für die Wiederherstellung eines angemessenen Abstandes zu sorgen. Damit er sich dieser Pflicht rechtzeitig bewusst werde, müssen Motorwagen mit einem orangefarbigen Stopplicht ausgerüstet sein (Art. 13 Abs. 1 lit. d MFV).
b) Das bedeutet indessen nicht, der Führer des vorderen Fahrzeuges dürfe sich über die Gefahr hinwegsetzen, der er die Benützer des hinteren durch plötzliches Anhalten oder Verzögern der Fahrt aussetzen kann. Das widerspräche dem Sinne des Art. 25 Abs. 1 MFG. Dass diese Bestimmung dem Führer im besonderen gebietet, überall da, wo das Fahrzeug Anlass zu Verkehrsstörung, Belästigung des Publikums oder Unfällen bieten könnte, "den Lauf zu mässigen oder nötigenfalls anzuhalten", heisst nicht, dass eine Pflicht zur Schonung der anderen Strassenbenützer nur bestehe, wenn das geeignete Mittel dazu in der Mässigung des Laufes oder im Anhalten liegt. Die Bestimmung verlangt allgemein, dass der Führer das "Fahrzeug ständig beherrsche und die Geschwindigkeit den gegebenen Strassen- und Verkehrsverhältnissen anpasse", d.h. die Maschine so führe, dass sie anderen nicht zum Verhängnis werden könne. Wer ohne Not durch heftiges Bremsen unversehens anhält oder plötzlich die Fahrt verzögert, obschon er weiss oder wissen muss, dass er dadurch andere gefährdet, verletzt diese Pflicht. Wenn seine Aufmerksamkeit nicht durch Beobachtung nach vorn und nach der Seite voll beansprucht wird und er nicht wegen einer drohenden Gefahr zu raschem Handeln genötigt ist, kann ihm zugemutet werden, nicht plötzlich stark zu verlangsamen oder anzuhalten, ohne sich im Rückblickspiegel oder sonstwie überzeugt zu haben, dass er damit keinen hinter ihm Fahrenden gefährde. Denn es kommt immer wieder vor, dass der Führer des hinteren Fahrzeuges seiner Verpflichtung aus Art. 48 Abs. 1 MFV nicht voll gerecht wird. Solchem Versagen - das hiermit in keiner Weise entschuldigt werden soll - hat der Führer des vorderen Fahrzeuges im Rahmen des Zumutbaren Rechnung zu tragen, sei es durch Beobachtung nach hinten, sei es, indem er die Geschwindigkeit nur allmählich herabsetzt, damit der Führer des hinteren, durch das Stopplicht oder sonstwie gewarnt, die nötige Zeit habe, seinerseits langsamer zu fahren. Die I. Zivilabteilung hat freilich am 30. März 1954 i.S. Mayer gegen Paley entschieden, der ordnungsgemäss rechts fahrende Führer habe sich nicht darum zu kümmern, was hinter seinem Wagen vor sich gehe, ja er dürfe ohne Warnung der Führer nachfolgender Fahrzeuge nach Belieben die Geschwindigkeit herabsetzen und sogar plötzlich anhalten. In einem Meinungsaustausch mit dem Kassationshof hat sie jedoch am 22. Dezember 1954 erklärt, dass sie an dieser Auffassung nicht festhalte, sondern ihrerseits Art. 25 Abs. 1 MFG im Sinne obiger Erwägungen auslege.
c) Nach der verbindlichen Feststellung der Vorinstanz hat der Beschwerdeführer vor der Einmündung in die Zürcherstrasse plötzlich abgestoppt, um den hinter ihm fahrenden Dr. Monsch, der ihn angeblich vorher am Vorfahren gehindert hatte, zu ärgern. Er hat somit ohne Not gehandelt. Seine Einwendung, bei der Einfahrt in eine andere Strasse müsse oft plötzlich angehalten werden, um anderen den Vortritt zu lassen, ist gegenstandslos, behauptet er ja selber nicht, dass ihm ein Vortrittsberechtigter Anlass zu plötzlichem Anhalten gegeben habe. Festgestellt und nicht bestritten ist auch, dass die Tat des Beschwerdeführers für Dr. Monsch gefährlich geworden ist und dieser einen Zusammenstoss nur dadurch hat vermeiden können, dass er seinerseits blitzschnell angehalten hat. Der Beschwerdeführer ist daher zu Recht wegen Übertretung des Art. 25 Abs. 1 MFG bestraft worden.
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Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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1. Art. 26 Abs. 3 MFG. a) Diese Bestimmung verbietet das Überholen auch an Einmündungen.
b) Wann ist das Verbot übertreten, wann die Übertretung nur versucht?
2. Art. 48 Abs. 1 MFV. Wer hat für den nötigen Abstand der Fahrzeuge einer Kolonne zu sorgen?
3. Art. 25 Abs. 1 MFG. Wer ohne Not durch heftiges Bremsen unversehens anhält oder plötzlich die Fahrt verzögert, obschon er weiss oder wissen muss, dass er dadurch andere gefährdet, übertritt diese Bestimmung.
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Sachverhalt ab Seite 48
A.- Hans Zaugg fuhr am 17. April 1954 um 15 Uhr in Basel mit einem Motorrad durch die Gellertstrasse Richtung St. Albantor. Bei der Einmündung des St. Albanrings in die Gellertstrasse versuchte er vergeblich, vor den in gleicher Richtung fahrenden Personenwagen des Dr. Monsch zu kommen. Später gelang ihm dieses Unternehmen. Vor der Einmündung der Gellertstrasse in die Zürcherstrasse stoppte er das Motorrad plötzlich ab, um den hinter ihm fahrenden Dr. Monsch zu ärgern, weil dieser ihn angeblich am Überholen gehindert hatte. Dr. Monsch konnte einen Zusammenstoss nur dadurch verhindern, dass auch er blitzschnell anhielt.
B.- In teilweiser Bestätigung eines Urteils des Polizeigerichtspräsidenten erklärte das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt Zaugg am 22. Juli 1954 des vorschriftswidrigen Motorfahrens schuldig und verurteilte ihn in Anwendung von Art. 25 Abs. 1, 26 Abs. 3, 27 Abs. 1 MFG zu drei Tagen Haft.
C.- Zaugg führt Nichtigkeitsbeschwerde mit den Anträgen, das Urteil sei aufzuheben und er sei freizusprechen.
D.- Das Polizeiinspektorat von Basel-Stadt und der Statthalter des Appellationsgerichts beantragen, die Beschwerde sei abzuweisen.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
2. Auf die Behauptung des Beschwerdeführers, er habe Dr. Monsch nicht bei der Einmündung des St. Albanrings in die Gellertstrasse, sondern etwa hundert Meter vor der Einmündung erfolglos zu überholen versucht, ist nicht einzutreten. Die Feststellung des Appellationsgerichtes, wonach dieser Versuch auf der Höhe der erwähnten Einmündung gemacht wurde, ist tatsächlicher Natur und bindet daher den Kassationshof; sie kann mit der Nichtigkeitsbeschwerde nicht angefochten werden, auch nicht mit der Behauptung, sie finde im Sitzungsprotokoll keine Stütze (Art. 277 bis Abs. 1, 273 Abs. 1 lit. b BStP).
Wird von dieser Feststellung ausgegangen, so ist der Beschwerdeführer zu Recht der Übertretung des Art. 26 Abs. 3 MFG schuldig erklärt worden:
a) Unter Strassenkreuzungen, an denen nach dieser Bestimmung nicht überholt werden darf, sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtes auch Stellen zu verstehen, an denen eine Strasse in eine andere einmündet (BGE 64 II 317,BGE 75 IV 29, 128,BGE 79 IV 70). Das gilt nicht nur dann, wenn die Seitenstrasse von rechts, sondern auch, wenn sie von links auf die andere trifft. Das Verbot will einer Anhäufung von Gefahren an Kreuzungen (Einmündungen) vorbeugen, denen die Aufmerksamkeit des einen oder anderen Strassenbenützers, sei es des überholten oder des überholenden, sei es eines von der Seite her eintreffenden, nicht gewachsen sein könnte. Dieser Grund trifft bei Einmündungen von links in gleicher Weise zu wie bei Einmündungen von rechts. Dass bei ersteren das überholende und das überholte Fahrzeug gegenüber einem allenfalls einmündenden den Vortritt haben, ändert nichts. Umsogrösser ist hier die Gefahr, wenn das zu überholende abbiegen will, da es in diesem Falle, im Gegensatze zum Falle der Abzweigung nach rechts, die Fahrbahn des überholenden zu schneiden hat. Das grundlegende erste und zwei weitere der erwähnten vier Präjudizien betreffen denn auch verbotenes Überholen an Einmündungen von links. Auch der Einwand hält nicht stand, dass Art. 1 StGB dieser Rechtsprechung im Wege stehe. Diese Bestimmung verbietet nicht, das Strafgesetz ausdehnend auszulegen, d.h. ihm einen auf den ersten Blick durch den Buchstaben scheinbar nicht gedeckten Sinn zu entnehmen (BGE 71 IV 148,BGE 72 IV 103); der Grundsatz "keine Strafe ohne Gesetz" steht lediglich dem Analogieschlusse im Wege. Einen solchen trifft das Bundesgericht nicht, wenn es unter einer Strassenkreuzung im Sinne des Art. 26 Abs. 3 MFG auch die bloss rudimentäre Kreuzung versteht, wie sie in der Form einer sogenannten Einmündung vorliegt.
b) Dem Schuldspruch steht auch nicht im Wege, dass der Beschwerdeführer das Überholen an der Einmündung des St. Albanrings nicht beendet hat. Seine Auffassung, die Tat sei damit nur bis zum Versuch im Sinne des Strafgesetzbuches (Art. 21 ff.) gediehen und als Versuch einer blossen Übertretung nicht strafbar (Art. 104 Abs. 1 StGB), hält nicht stand. Art. 26 Abs. 3 MFG verbietet das Überholen an Strassenkreuzungen nicht um des Enderfolges willen, d.h. weil die Bestimmung verhindern möchte, dass das hintere Fahrzeug schliesslich vorne sei, sondern wegen der im ganzen Unternehmen liegenden abstrakten oder konkreten Gefahren. Der vollendeten Übertretung macht sich daher auch schuldig, wer an einer Strassenkreuzung (Einmündung) nur einen Teil des ganzen Manövers ausführt, d.h. wer an solcher Stelle in der Absicht, einem anderen vorzufahren, die neben diesem verlaufende Fahrbahn in Anspruch zu nehmen beginnt; denn schon dadurch schafft er von den mit dem Überholen verbundenen Gefahren, insbesondere die Möglichkeit eines Zusammenstosses mit einem von links oder rechts einbiegenden Fahrzeug. Ein strafloser blosser Versuch liegt nur dann vor, wenn der Täter zwar den entscheidenden Schritt einleitet, um an einer Strassenkreuzung in der Absicht des Überholens die rechte Seite der Fahrbahn zu verlassen, diesen Schritt aber nicht vollendet, z.B. weil ihn ein Fahrgast, ins Steuer greifend, daran verhindert.
3. a) Art. 48 Abs. 1 MFV bestimmt: "Hintereinander fahrende Motorfahrzeuge dürfen nur so nahe aufschliessen, dass sich beim plötzlichen Anhalten des vordern Fahrzeugs kein Zusammenstoss ereignen kann". Obschon dieser Wortlaut und auch die romanischen Texte ("Les véhicules automobiles circulant à la file laisseront entre eux ..." "Quando più autoveicoli circolano in colonna devono mantenere tra loro ...") sich nicht nur an den Führer des oder der hinteren, sondern an den Führer beider bezw. aller Fahrzeuge der Kolonne wenden, geht der Sinn der Bestimmung dahin, dass allein der Führer des hinteren Fahrzeuges für den nötigen Abstand vom vorderen zu sorgen hat. Das ergibt sich nicht nur aus der Natur der Sache, da jeder Führer entsprechend der Haltung, die er auf seinem Sitze normalerweise einnimmt, in erster Linie nach vorn und nach der Seite zu beobachten hat und oft auch gar nicht ohne Gefährdung des Verkehrs in der Lage wäre, durch Beschleunigung der Fahrt den Abstand vom hinteren Fahrzeug genügend zu vergrössern, sondern auch daraus, dass der deutsche Text von "aufschliessen" spricht. Wenn der Abstand zu gering ist, übertritt daher nur der Führer des hinteren Fahrzeuges, nicht auch der des vorderen die erwähnte Bestimmung. Etwas anderes gilt auch dann nicht, wenn ein anfänglich angemessener Abstand dadurch zu gering wird, dass der Führer des vorderen Fahrzeuges die Geschwindigkeit herabsetzt. Der Führer des hinteren hat in diesem Falle seinerseits zu verzögern und für die Wiederherstellung eines angemessenen Abstandes zu sorgen. Damit er sich dieser Pflicht rechtzeitig bewusst werde, müssen Motorwagen mit einem orangefarbigen Stopplicht ausgerüstet sein (Art. 13 Abs. 1 lit. d MFV).
b) Das bedeutet indessen nicht, der Führer des vorderen Fahrzeuges dürfe sich über die Gefahr hinwegsetzen, der er die Benützer des hinteren durch plötzliches Anhalten oder Verzögern der Fahrt aussetzen kann. Das widerspräche dem Sinne des Art. 25 Abs. 1 MFG. Dass diese Bestimmung dem Führer im besonderen gebietet, überall da, wo das Fahrzeug Anlass zu Verkehrsstörung, Belästigung des Publikums oder Unfällen bieten könnte, "den Lauf zu mässigen oder nötigenfalls anzuhalten", heisst nicht, dass eine Pflicht zur Schonung der anderen Strassenbenützer nur bestehe, wenn das geeignete Mittel dazu in der Mässigung des Laufes oder im Anhalten liegt. Die Bestimmung verlangt allgemein, dass der Führer das "Fahrzeug ständig beherrsche und die Geschwindigkeit den gegebenen Strassen- und Verkehrsverhältnissen anpasse", d.h. die Maschine so führe, dass sie anderen nicht zum Verhängnis werden könne. Wer ohne Not durch heftiges Bremsen unversehens anhält oder plötzlich die Fahrt verzögert, obschon er weiss oder wissen muss, dass er dadurch andere gefährdet, verletzt diese Pflicht. Wenn seine Aufmerksamkeit nicht durch Beobachtung nach vorn und nach der Seite voll beansprucht wird und er nicht wegen einer drohenden Gefahr zu raschem Handeln genötigt ist, kann ihm zugemutet werden, nicht plötzlich stark zu verlangsamen oder anzuhalten, ohne sich im Rückblickspiegel oder sonstwie überzeugt zu haben, dass er damit keinen hinter ihm Fahrenden gefährde. Denn es kommt immer wieder vor, dass der Führer des hinteren Fahrzeuges seiner Verpflichtung aus Art. 48 Abs. 1 MFV nicht voll gerecht wird. Solchem Versagen - das hiermit in keiner Weise entschuldigt werden soll - hat der Führer des vorderen Fahrzeuges im Rahmen des Zumutbaren Rechnung zu tragen, sei es durch Beobachtung nach hinten, sei es, indem er die Geschwindigkeit nur allmählich herabsetzt, damit der Führer des hinteren, durch das Stopplicht oder sonstwie gewarnt, die nötige Zeit habe, seinerseits langsamer zu fahren. Die I. Zivilabteilung hat freilich am 30. März 1954 i.S. Mayer gegen Paley entschieden, der ordnungsgemäss rechts fahrende Führer habe sich nicht darum zu kümmern, was hinter seinem Wagen vor sich gehe, ja er dürfe ohne Warnung der Führer nachfolgender Fahrzeuge nach Belieben die Geschwindigkeit herabsetzen und sogar plötzlich anhalten. In einem Meinungsaustausch mit dem Kassationshof hat sie jedoch am 22. Dezember 1954 erklärt, dass sie an dieser Auffassung nicht festhalte, sondern ihrerseits Art. 25 Abs. 1 MFG im Sinne obiger Erwägungen auslege.
c) Nach der verbindlichen Feststellung der Vorinstanz hat der Beschwerdeführer vor der Einmündung in die Zürcherstrasse plötzlich abgestoppt, um den hinter ihm fahrenden Dr. Monsch, der ihn angeblich vorher am Vorfahren gehindert hatte, zu ärgern. Er hat somit ohne Not gehandelt. Seine Einwendung, bei der Einfahrt in eine andere Strasse müsse oft plötzlich angehalten werden, um anderen den Vortritt zu lassen, ist gegenstandslos, behauptet er ja selber nicht, dass ihm ein Vortrittsberechtigter Anlass zu plötzlichem Anhalten gegeben habe. Festgestellt und nicht bestritten ist auch, dass die Tat des Beschwerdeführers für Dr. Monsch gefährlich geworden ist und dieser einen Zusammenstoss nur dadurch hat vermeiden können, dass er seinerseits blitzschnell angehalten hat. Der Beschwerdeführer ist daher zu Recht wegen Übertretung des Art. 25 Abs. 1 MFG bestraft worden.
...
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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1. Art. 26 al. 3 LA. a) Cette disposition interdit également le dépassement au débouché d'une voie dans une autre.
b) Quand l'interdiction est-elle violée, quand n'y a-t-il que tentative?
2. Art. 48 al. 1 RA. Qui est-ce qui doit veiller à ce qu'il y ait une distance suffisante entre des véhicules circulant en colonne?
3. Art. 25 al. 1 LA. Viole cette disposition celui qui, sans nécessité, en freinant violemment, s'arrête inopinément ou ralentit soudain son allure, bien qu'il sache ou doive savoir qu'il met ainsi des tiers en danger.
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81 IV 47
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Sachverhalt ab Seite 48
A.- Hans Zaugg fuhr am 17. April 1954 um 15 Uhr in Basel mit einem Motorrad durch die Gellertstrasse Richtung St. Albantor. Bei der Einmündung des St. Albanrings in die Gellertstrasse versuchte er vergeblich, vor den in gleicher Richtung fahrenden Personenwagen des Dr. Monsch zu kommen. Später gelang ihm dieses Unternehmen. Vor der Einmündung der Gellertstrasse in die Zürcherstrasse stoppte er das Motorrad plötzlich ab, um den hinter ihm fahrenden Dr. Monsch zu ärgern, weil dieser ihn angeblich am Überholen gehindert hatte. Dr. Monsch konnte einen Zusammenstoss nur dadurch verhindern, dass auch er blitzschnell anhielt.
B.- In teilweiser Bestätigung eines Urteils des Polizeigerichtspräsidenten erklärte das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt Zaugg am 22. Juli 1954 des vorschriftswidrigen Motorfahrens schuldig und verurteilte ihn in Anwendung von Art. 25 Abs. 1, 26 Abs. 3, 27 Abs. 1 MFG zu drei Tagen Haft.
C.- Zaugg führt Nichtigkeitsbeschwerde mit den Anträgen, das Urteil sei aufzuheben und er sei freizusprechen.
D.- Das Polizeiinspektorat von Basel-Stadt und der Statthalter des Appellationsgerichts beantragen, die Beschwerde sei abzuweisen.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
2. Auf die Behauptung des Beschwerdeführers, er habe Dr. Monsch nicht bei der Einmündung des St. Albanrings in die Gellertstrasse, sondern etwa hundert Meter vor der Einmündung erfolglos zu überholen versucht, ist nicht einzutreten. Die Feststellung des Appellationsgerichtes, wonach dieser Versuch auf der Höhe der erwähnten Einmündung gemacht wurde, ist tatsächlicher Natur und bindet daher den Kassationshof; sie kann mit der Nichtigkeitsbeschwerde nicht angefochten werden, auch nicht mit der Behauptung, sie finde im Sitzungsprotokoll keine Stütze (Art. 277 bis Abs. 1, 273 Abs. 1 lit. b BStP).
Wird von dieser Feststellung ausgegangen, so ist der Beschwerdeführer zu Recht der Übertretung des Art. 26 Abs. 3 MFG schuldig erklärt worden:
a) Unter Strassenkreuzungen, an denen nach dieser Bestimmung nicht überholt werden darf, sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtes auch Stellen zu verstehen, an denen eine Strasse in eine andere einmündet (BGE 64 II 317,BGE 75 IV 29, 128,BGE 79 IV 70). Das gilt nicht nur dann, wenn die Seitenstrasse von rechts, sondern auch, wenn sie von links auf die andere trifft. Das Verbot will einer Anhäufung von Gefahren an Kreuzungen (Einmündungen) vorbeugen, denen die Aufmerksamkeit des einen oder anderen Strassenbenützers, sei es des überholten oder des überholenden, sei es eines von der Seite her eintreffenden, nicht gewachsen sein könnte. Dieser Grund trifft bei Einmündungen von links in gleicher Weise zu wie bei Einmündungen von rechts. Dass bei ersteren das überholende und das überholte Fahrzeug gegenüber einem allenfalls einmündenden den Vortritt haben, ändert nichts. Umsogrösser ist hier die Gefahr, wenn das zu überholende abbiegen will, da es in diesem Falle, im Gegensatze zum Falle der Abzweigung nach rechts, die Fahrbahn des überholenden zu schneiden hat. Das grundlegende erste und zwei weitere der erwähnten vier Präjudizien betreffen denn auch verbotenes Überholen an Einmündungen von links. Auch der Einwand hält nicht stand, dass Art. 1 StGB dieser Rechtsprechung im Wege stehe. Diese Bestimmung verbietet nicht, das Strafgesetz ausdehnend auszulegen, d.h. ihm einen auf den ersten Blick durch den Buchstaben scheinbar nicht gedeckten Sinn zu entnehmen (BGE 71 IV 148,BGE 72 IV 103); der Grundsatz "keine Strafe ohne Gesetz" steht lediglich dem Analogieschlusse im Wege. Einen solchen trifft das Bundesgericht nicht, wenn es unter einer Strassenkreuzung im Sinne des Art. 26 Abs. 3 MFG auch die bloss rudimentäre Kreuzung versteht, wie sie in der Form einer sogenannten Einmündung vorliegt.
b) Dem Schuldspruch steht auch nicht im Wege, dass der Beschwerdeführer das Überholen an der Einmündung des St. Albanrings nicht beendet hat. Seine Auffassung, die Tat sei damit nur bis zum Versuch im Sinne des Strafgesetzbuches (Art. 21 ff.) gediehen und als Versuch einer blossen Übertretung nicht strafbar (Art. 104 Abs. 1 StGB), hält nicht stand. Art. 26 Abs. 3 MFG verbietet das Überholen an Strassenkreuzungen nicht um des Enderfolges willen, d.h. weil die Bestimmung verhindern möchte, dass das hintere Fahrzeug schliesslich vorne sei, sondern wegen der im ganzen Unternehmen liegenden abstrakten oder konkreten Gefahren. Der vollendeten Übertretung macht sich daher auch schuldig, wer an einer Strassenkreuzung (Einmündung) nur einen Teil des ganzen Manövers ausführt, d.h. wer an solcher Stelle in der Absicht, einem anderen vorzufahren, die neben diesem verlaufende Fahrbahn in Anspruch zu nehmen beginnt; denn schon dadurch schafft er von den mit dem Überholen verbundenen Gefahren, insbesondere die Möglichkeit eines Zusammenstosses mit einem von links oder rechts einbiegenden Fahrzeug. Ein strafloser blosser Versuch liegt nur dann vor, wenn der Täter zwar den entscheidenden Schritt einleitet, um an einer Strassenkreuzung in der Absicht des Überholens die rechte Seite der Fahrbahn zu verlassen, diesen Schritt aber nicht vollendet, z.B. weil ihn ein Fahrgast, ins Steuer greifend, daran verhindert.
3. a) Art. 48 Abs. 1 MFV bestimmt: "Hintereinander fahrende Motorfahrzeuge dürfen nur so nahe aufschliessen, dass sich beim plötzlichen Anhalten des vordern Fahrzeugs kein Zusammenstoss ereignen kann". Obschon dieser Wortlaut und auch die romanischen Texte ("Les véhicules automobiles circulant à la file laisseront entre eux ..." "Quando più autoveicoli circolano in colonna devono mantenere tra loro ...") sich nicht nur an den Führer des oder der hinteren, sondern an den Führer beider bezw. aller Fahrzeuge der Kolonne wenden, geht der Sinn der Bestimmung dahin, dass allein der Führer des hinteren Fahrzeuges für den nötigen Abstand vom vorderen zu sorgen hat. Das ergibt sich nicht nur aus der Natur der Sache, da jeder Führer entsprechend der Haltung, die er auf seinem Sitze normalerweise einnimmt, in erster Linie nach vorn und nach der Seite zu beobachten hat und oft auch gar nicht ohne Gefährdung des Verkehrs in der Lage wäre, durch Beschleunigung der Fahrt den Abstand vom hinteren Fahrzeug genügend zu vergrössern, sondern auch daraus, dass der deutsche Text von "aufschliessen" spricht. Wenn der Abstand zu gering ist, übertritt daher nur der Führer des hinteren Fahrzeuges, nicht auch der des vorderen die erwähnte Bestimmung. Etwas anderes gilt auch dann nicht, wenn ein anfänglich angemessener Abstand dadurch zu gering wird, dass der Führer des vorderen Fahrzeuges die Geschwindigkeit herabsetzt. Der Führer des hinteren hat in diesem Falle seinerseits zu verzögern und für die Wiederherstellung eines angemessenen Abstandes zu sorgen. Damit er sich dieser Pflicht rechtzeitig bewusst werde, müssen Motorwagen mit einem orangefarbigen Stopplicht ausgerüstet sein (Art. 13 Abs. 1 lit. d MFV).
b) Das bedeutet indessen nicht, der Führer des vorderen Fahrzeuges dürfe sich über die Gefahr hinwegsetzen, der er die Benützer des hinteren durch plötzliches Anhalten oder Verzögern der Fahrt aussetzen kann. Das widerspräche dem Sinne des Art. 25 Abs. 1 MFG. Dass diese Bestimmung dem Führer im besonderen gebietet, überall da, wo das Fahrzeug Anlass zu Verkehrsstörung, Belästigung des Publikums oder Unfällen bieten könnte, "den Lauf zu mässigen oder nötigenfalls anzuhalten", heisst nicht, dass eine Pflicht zur Schonung der anderen Strassenbenützer nur bestehe, wenn das geeignete Mittel dazu in der Mässigung des Laufes oder im Anhalten liegt. Die Bestimmung verlangt allgemein, dass der Führer das "Fahrzeug ständig beherrsche und die Geschwindigkeit den gegebenen Strassen- und Verkehrsverhältnissen anpasse", d.h. die Maschine so führe, dass sie anderen nicht zum Verhängnis werden könne. Wer ohne Not durch heftiges Bremsen unversehens anhält oder plötzlich die Fahrt verzögert, obschon er weiss oder wissen muss, dass er dadurch andere gefährdet, verletzt diese Pflicht. Wenn seine Aufmerksamkeit nicht durch Beobachtung nach vorn und nach der Seite voll beansprucht wird und er nicht wegen einer drohenden Gefahr zu raschem Handeln genötigt ist, kann ihm zugemutet werden, nicht plötzlich stark zu verlangsamen oder anzuhalten, ohne sich im Rückblickspiegel oder sonstwie überzeugt zu haben, dass er damit keinen hinter ihm Fahrenden gefährde. Denn es kommt immer wieder vor, dass der Führer des hinteren Fahrzeuges seiner Verpflichtung aus Art. 48 Abs. 1 MFV nicht voll gerecht wird. Solchem Versagen - das hiermit in keiner Weise entschuldigt werden soll - hat der Führer des vorderen Fahrzeuges im Rahmen des Zumutbaren Rechnung zu tragen, sei es durch Beobachtung nach hinten, sei es, indem er die Geschwindigkeit nur allmählich herabsetzt, damit der Führer des hinteren, durch das Stopplicht oder sonstwie gewarnt, die nötige Zeit habe, seinerseits langsamer zu fahren. Die I. Zivilabteilung hat freilich am 30. März 1954 i.S. Mayer gegen Paley entschieden, der ordnungsgemäss rechts fahrende Führer habe sich nicht darum zu kümmern, was hinter seinem Wagen vor sich gehe, ja er dürfe ohne Warnung der Führer nachfolgender Fahrzeuge nach Belieben die Geschwindigkeit herabsetzen und sogar plötzlich anhalten. In einem Meinungsaustausch mit dem Kassationshof hat sie jedoch am 22. Dezember 1954 erklärt, dass sie an dieser Auffassung nicht festhalte, sondern ihrerseits Art. 25 Abs. 1 MFG im Sinne obiger Erwägungen auslege.
c) Nach der verbindlichen Feststellung der Vorinstanz hat der Beschwerdeführer vor der Einmündung in die Zürcherstrasse plötzlich abgestoppt, um den hinter ihm fahrenden Dr. Monsch, der ihn angeblich vorher am Vorfahren gehindert hatte, zu ärgern. Er hat somit ohne Not gehandelt. Seine Einwendung, bei der Einfahrt in eine andere Strasse müsse oft plötzlich angehalten werden, um anderen den Vortritt zu lassen, ist gegenstandslos, behauptet er ja selber nicht, dass ihm ein Vortrittsberechtigter Anlass zu plötzlichem Anhalten gegeben habe. Festgestellt und nicht bestritten ist auch, dass die Tat des Beschwerdeführers für Dr. Monsch gefährlich geworden ist und dieser einen Zusammenstoss nur dadurch hat vermeiden können, dass er seinerseits blitzschnell angehalten hat. Der Beschwerdeführer ist daher zu Recht wegen Übertretung des Art. 25 Abs. 1 MFG bestraft worden.
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Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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1. Art. 26 cp. 3 LA. a) Questa disposizione vieta di oltrepassare anche all'imbocco di una strada in un'altra.
b) Quando il divieto è violato, quando la contravvenzione è solo tentata?
2. Art. 48 cp. 1 RLA. Chi deve vigilare che la distanza sia sufficiente tra autoveicoli che circolano in colonna?
3. Art. 25 cp. 1 LA. Viola questa disposizione chi, senza necessità, azioni violentemente i freni e si fermi inaspettatamente oppure rallenti di colpo la corsa, sebbene sappia o debba sapere che espone terzi a pericolo.
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81 IV 54
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Sachverhalt ab Seite 54
A.- Am Nachmittag des 18. Juli 1953 fuhr Hans Wüger mit einem Personenwagen durch die Hohlstrasse in Zürich stadtauswärts. Als er sich der von rechts einmündenden Zufahrtstrasse zum Güterbahnhof Altstetten näherte, tauchte von dort her ein von Hans Lanker geführter Lastwagen auf. Da Lanker etwas weit in die Hohlstrasse hineinfuhr, ehe er anhielt, um dem Personenwagen den Vortritt zu lassen, bremste Wüger heftig. Der Personenwagen glitt deshalb auf der nassen Fahrbahn nach links, verletzte die auf einem Fahrrad stadteinwärts fahrende Frieda Steiner und prallte an einen Baum.
B.- Am 10. November 1953 stellte die Bezirksanwaltschaft Zürich die gegen Wüger und Lanker geführte Strafuntersuchung ein, weil, soweit fahrlässige Körperverletzung in Frage komme, Frieda Steiner auf einen Strafantrag verzichtet habe, und weil die wegen Störung des öffentlichen Verkehrs von Amtes wegen angehobene Untersuchung keinen zuverlässigen Beweis für ein strafrechtlich erhebliches Verschulden der beiden Angeschuldigten ergeben habe. In den Erwägungen führte die Bezirksanwaltschaft aus, die Akten seien dem Polizeirichteramt Zürich zu überweisen zur Prüfung, ob das Bundesgesetz über den Motorfahrzeug- und Fahrradverkehr übertreten worden sei.
Am 21. November 1953 genehmigte die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich die Verfügung.
C.- Am 18. Januar 1954 büsste der Polizeirichter der Stadt Zürich Wüger und Lanker wegen Übertretung des Art. 25 MFG mit je Fr. 20.-. Er warf ersterem vor, er sei zu schnell gefahren und habe deshalb sein Fahrzeug nicht beherrscht, letzterem dagegen, er habe es an der nötigen Vorsicht fehlen lassen.
Wüger und Lanker verlangten gerichtliche Beurteilung. D. - Der Einzelrichter des Bezirksgerichtes Zürich sprach am 23. September 1954 beide frei. Er liess offen, ob der Grundsatz "ne bis in idem" es ausschliesse, dass ein bestimmter Tatbestand, der unter dem Gesichtspunkt des Vergehens beurteilt wurde, in einem zweiten Verfahren noch als Übertretung beurteilt werden dürfe. Er begründete die Freisprechung damit, dass die Bestätigung der Bussenverfügungen des Polizeirichters gegen materielles Recht verstossen würde. Durch die rechtskräftig gewordene Einstellungsverfügung der Bezirksanwaltschaft und der Staatsanwaltschaft sei verbindlich festgestellt, dass die objektiven Voraussetzungen gegeben gewesen seien, um auf die Fahrweise der beiden Angeschuldigten Art. 237 StGB anzuwenden. Seien diese der Strafe entgangen, weil ein strafrechtlich erhebliches Verschulden verneint worden sei, so ändere das nichts daran, dass damit die heute den Angeschuldigten vorgeworfenen Übertretungen gemäss Art. 65 Abs. 4 MFG absorbiert blieben und das MFG gesondert nicht mehr angewendet werden könne.
E.- Das Polizeirichteramt der Stadt Zürich führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, der Entscheid des Einzelrichters sei aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung und zur Bestrafung der Angeschuldigten im Sinne der Bussenverfügung zurückzuweisen.
F.- Wüger und Lanker beantragen, die Nichtigkeitsbeschwerde sei abzuweisen.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
Art. 65 Abs. 4 MFG bestimmt: "Erfüllt eine der in diesem Titel genannten Handlungen einen Tatbestand, für den die eidgenössische oder kantonale Gesetzgebung eine schwerere Strafe vorsieht, so wird dieses angewendet".
Darnach darf, wenn ein und dieselbe Tat sowohl eine Bestimmung des Motorfahrzeuggesetzes als auch eine schwerere andere Strafbestimmung erfüllt, nur die letztere angewendet werden (BGE 71 IV 98, BGE 76 IV 175). Die beiden Bestimmungen konkurrieren unecht: die Bestrafung nach der schwereren schliesst die Anwendung der leichteren aus. Mehr sagt Art. 65 Abs. 4 MFG nicht. Insbesondere bestimmt er nicht, dass in Fällen, in denen der objektive Tatbestand der die schwerere Strafe androhenden Norm erfüllt ist, diese aber mangels der subjektiven Voraussetzungen nicht angewendet werden kann, auch die zutreffende Strafbestimmung des Motorfahrzeuggesetzes nicht angewendet werden dürfe. Dabei macht es keinen Unterschied aus, ob der Richter, der nach kantonalem Prozessrecht zur Anwendung des Motorfahrzeuggesetzes zuständig ist, selber zu beurteilen hat, ob die Voraussetzungen der schwereren Strafbestimmung erfüllt seien, oder ob hierüber ein anderer Richter entschieden hat. Das Motorfahrzeuggesetz verlangt, dass seine Strafbestimmungen immer dann, wenn sie zutreffen, angewendet werden, ausgenommen, wenn der Beschuldigte nach einer schwereren anderen Bestimmung zu Strafe verurteilt wird. Das hat der Einzelrichter verkannt. Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben und die Sache zurückzuweisen, damit er beurteile, ob die Beschwerdegegner Art. 25 MFG, wie ihnen das Polizeirichteramt vorwirft, objektiv und subjektiv übertreten haben, und sie gegebenenfalls bestrafe.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Einzelrichters in Strafsachen des Bezirksgerichtes Zürich vom 23. September 1954 aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
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Art. 65 Abs. 4 MFG bestimmt nicht, dass die mildere Strafbestimmung des MFG nicht angewendet werden dürfe, wenn der objektive Tatbestand der strengeren Norm erfüllt ist, diese aber mangels der subjektiven Voraussetzungen nicht angewendet werden kann.
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81 IV 54
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Sachverhalt ab Seite 54
A.- Am Nachmittag des 18. Juli 1953 fuhr Hans Wüger mit einem Personenwagen durch die Hohlstrasse in Zürich stadtauswärts. Als er sich der von rechts einmündenden Zufahrtstrasse zum Güterbahnhof Altstetten näherte, tauchte von dort her ein von Hans Lanker geführter Lastwagen auf. Da Lanker etwas weit in die Hohlstrasse hineinfuhr, ehe er anhielt, um dem Personenwagen den Vortritt zu lassen, bremste Wüger heftig. Der Personenwagen glitt deshalb auf der nassen Fahrbahn nach links, verletzte die auf einem Fahrrad stadteinwärts fahrende Frieda Steiner und prallte an einen Baum.
B.- Am 10. November 1953 stellte die Bezirksanwaltschaft Zürich die gegen Wüger und Lanker geführte Strafuntersuchung ein, weil, soweit fahrlässige Körperverletzung in Frage komme, Frieda Steiner auf einen Strafantrag verzichtet habe, und weil die wegen Störung des öffentlichen Verkehrs von Amtes wegen angehobene Untersuchung keinen zuverlässigen Beweis für ein strafrechtlich erhebliches Verschulden der beiden Angeschuldigten ergeben habe. In den Erwägungen führte die Bezirksanwaltschaft aus, die Akten seien dem Polizeirichteramt Zürich zu überweisen zur Prüfung, ob das Bundesgesetz über den Motorfahrzeug- und Fahrradverkehr übertreten worden sei.
Am 21. November 1953 genehmigte die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich die Verfügung.
C.- Am 18. Januar 1954 büsste der Polizeirichter der Stadt Zürich Wüger und Lanker wegen Übertretung des Art. 25 MFG mit je Fr. 20.-. Er warf ersterem vor, er sei zu schnell gefahren und habe deshalb sein Fahrzeug nicht beherrscht, letzterem dagegen, er habe es an der nötigen Vorsicht fehlen lassen.
Wüger und Lanker verlangten gerichtliche Beurteilung. D. - Der Einzelrichter des Bezirksgerichtes Zürich sprach am 23. September 1954 beide frei. Er liess offen, ob der Grundsatz "ne bis in idem" es ausschliesse, dass ein bestimmter Tatbestand, der unter dem Gesichtspunkt des Vergehens beurteilt wurde, in einem zweiten Verfahren noch als Übertretung beurteilt werden dürfe. Er begründete die Freisprechung damit, dass die Bestätigung der Bussenverfügungen des Polizeirichters gegen materielles Recht verstossen würde. Durch die rechtskräftig gewordene Einstellungsverfügung der Bezirksanwaltschaft und der Staatsanwaltschaft sei verbindlich festgestellt, dass die objektiven Voraussetzungen gegeben gewesen seien, um auf die Fahrweise der beiden Angeschuldigten Art. 237 StGB anzuwenden. Seien diese der Strafe entgangen, weil ein strafrechtlich erhebliches Verschulden verneint worden sei, so ändere das nichts daran, dass damit die heute den Angeschuldigten vorgeworfenen Übertretungen gemäss Art. 65 Abs. 4 MFG absorbiert blieben und das MFG gesondert nicht mehr angewendet werden könne.
E.- Das Polizeirichteramt der Stadt Zürich führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, der Entscheid des Einzelrichters sei aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung und zur Bestrafung der Angeschuldigten im Sinne der Bussenverfügung zurückzuweisen.
F.- Wüger und Lanker beantragen, die Nichtigkeitsbeschwerde sei abzuweisen.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
Art. 65 Abs. 4 MFG bestimmt: "Erfüllt eine der in diesem Titel genannten Handlungen einen Tatbestand, für den die eidgenössische oder kantonale Gesetzgebung eine schwerere Strafe vorsieht, so wird dieses angewendet".
Darnach darf, wenn ein und dieselbe Tat sowohl eine Bestimmung des Motorfahrzeuggesetzes als auch eine schwerere andere Strafbestimmung erfüllt, nur die letztere angewendet werden (BGE 71 IV 98, BGE 76 IV 175). Die beiden Bestimmungen konkurrieren unecht: die Bestrafung nach der schwereren schliesst die Anwendung der leichteren aus. Mehr sagt Art. 65 Abs. 4 MFG nicht. Insbesondere bestimmt er nicht, dass in Fällen, in denen der objektive Tatbestand der die schwerere Strafe androhenden Norm erfüllt ist, diese aber mangels der subjektiven Voraussetzungen nicht angewendet werden kann, auch die zutreffende Strafbestimmung des Motorfahrzeuggesetzes nicht angewendet werden dürfe. Dabei macht es keinen Unterschied aus, ob der Richter, der nach kantonalem Prozessrecht zur Anwendung des Motorfahrzeuggesetzes zuständig ist, selber zu beurteilen hat, ob die Voraussetzungen der schwereren Strafbestimmung erfüllt seien, oder ob hierüber ein anderer Richter entschieden hat. Das Motorfahrzeuggesetz verlangt, dass seine Strafbestimmungen immer dann, wenn sie zutreffen, angewendet werden, ausgenommen, wenn der Beschuldigte nach einer schwereren anderen Bestimmung zu Strafe verurteilt wird. Das hat der Einzelrichter verkannt. Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben und die Sache zurückzuweisen, damit er beurteile, ob die Beschwerdegegner Art. 25 MFG, wie ihnen das Polizeirichteramt vorwirft, objektiv und subjektiv übertreten haben, und sie gegebenenfalls bestrafe.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Einzelrichters in Strafsachen des Bezirksgerichtes Zürich vom 23. September 1954 aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
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L'art. 65 al. 4 LA ne prévoit pas que la disposition pénale plus douce contenue dans la LA est inapplicable quand les conditions objectives d'une norme plus sévère sont réunies mais que celle-ci ne peut être appliquée en raison du défaut des conditions subjectives.
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Sachverhalt ab Seite 54
A.- Am Nachmittag des 18. Juli 1953 fuhr Hans Wüger mit einem Personenwagen durch die Hohlstrasse in Zürich stadtauswärts. Als er sich der von rechts einmündenden Zufahrtstrasse zum Güterbahnhof Altstetten näherte, tauchte von dort her ein von Hans Lanker geführter Lastwagen auf. Da Lanker etwas weit in die Hohlstrasse hineinfuhr, ehe er anhielt, um dem Personenwagen den Vortritt zu lassen, bremste Wüger heftig. Der Personenwagen glitt deshalb auf der nassen Fahrbahn nach links, verletzte die auf einem Fahrrad stadteinwärts fahrende Frieda Steiner und prallte an einen Baum.
B.- Am 10. November 1953 stellte die Bezirksanwaltschaft Zürich die gegen Wüger und Lanker geführte Strafuntersuchung ein, weil, soweit fahrlässige Körperverletzung in Frage komme, Frieda Steiner auf einen Strafantrag verzichtet habe, und weil die wegen Störung des öffentlichen Verkehrs von Amtes wegen angehobene Untersuchung keinen zuverlässigen Beweis für ein strafrechtlich erhebliches Verschulden der beiden Angeschuldigten ergeben habe. In den Erwägungen führte die Bezirksanwaltschaft aus, die Akten seien dem Polizeirichteramt Zürich zu überweisen zur Prüfung, ob das Bundesgesetz über den Motorfahrzeug- und Fahrradverkehr übertreten worden sei.
Am 21. November 1953 genehmigte die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich die Verfügung.
C.- Am 18. Januar 1954 büsste der Polizeirichter der Stadt Zürich Wüger und Lanker wegen Übertretung des Art. 25 MFG mit je Fr. 20.-. Er warf ersterem vor, er sei zu schnell gefahren und habe deshalb sein Fahrzeug nicht beherrscht, letzterem dagegen, er habe es an der nötigen Vorsicht fehlen lassen.
Wüger und Lanker verlangten gerichtliche Beurteilung. D. - Der Einzelrichter des Bezirksgerichtes Zürich sprach am 23. September 1954 beide frei. Er liess offen, ob der Grundsatz "ne bis in idem" es ausschliesse, dass ein bestimmter Tatbestand, der unter dem Gesichtspunkt des Vergehens beurteilt wurde, in einem zweiten Verfahren noch als Übertretung beurteilt werden dürfe. Er begründete die Freisprechung damit, dass die Bestätigung der Bussenverfügungen des Polizeirichters gegen materielles Recht verstossen würde. Durch die rechtskräftig gewordene Einstellungsverfügung der Bezirksanwaltschaft und der Staatsanwaltschaft sei verbindlich festgestellt, dass die objektiven Voraussetzungen gegeben gewesen seien, um auf die Fahrweise der beiden Angeschuldigten Art. 237 StGB anzuwenden. Seien diese der Strafe entgangen, weil ein strafrechtlich erhebliches Verschulden verneint worden sei, so ändere das nichts daran, dass damit die heute den Angeschuldigten vorgeworfenen Übertretungen gemäss Art. 65 Abs. 4 MFG absorbiert blieben und das MFG gesondert nicht mehr angewendet werden könne.
E.- Das Polizeirichteramt der Stadt Zürich führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, der Entscheid des Einzelrichters sei aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung und zur Bestrafung der Angeschuldigten im Sinne der Bussenverfügung zurückzuweisen.
F.- Wüger und Lanker beantragen, die Nichtigkeitsbeschwerde sei abzuweisen.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
Art. 65 Abs. 4 MFG bestimmt: "Erfüllt eine der in diesem Titel genannten Handlungen einen Tatbestand, für den die eidgenössische oder kantonale Gesetzgebung eine schwerere Strafe vorsieht, so wird dieses angewendet".
Darnach darf, wenn ein und dieselbe Tat sowohl eine Bestimmung des Motorfahrzeuggesetzes als auch eine schwerere andere Strafbestimmung erfüllt, nur die letztere angewendet werden (BGE 71 IV 98, BGE 76 IV 175). Die beiden Bestimmungen konkurrieren unecht: die Bestrafung nach der schwereren schliesst die Anwendung der leichteren aus. Mehr sagt Art. 65 Abs. 4 MFG nicht. Insbesondere bestimmt er nicht, dass in Fällen, in denen der objektive Tatbestand der die schwerere Strafe androhenden Norm erfüllt ist, diese aber mangels der subjektiven Voraussetzungen nicht angewendet werden kann, auch die zutreffende Strafbestimmung des Motorfahrzeuggesetzes nicht angewendet werden dürfe. Dabei macht es keinen Unterschied aus, ob der Richter, der nach kantonalem Prozessrecht zur Anwendung des Motorfahrzeuggesetzes zuständig ist, selber zu beurteilen hat, ob die Voraussetzungen der schwereren Strafbestimmung erfüllt seien, oder ob hierüber ein anderer Richter entschieden hat. Das Motorfahrzeuggesetz verlangt, dass seine Strafbestimmungen immer dann, wenn sie zutreffen, angewendet werden, ausgenommen, wenn der Beschuldigte nach einer schwereren anderen Bestimmung zu Strafe verurteilt wird. Das hat der Einzelrichter verkannt. Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben und die Sache zurückzuweisen, damit er beurteile, ob die Beschwerdegegner Art. 25 MFG, wie ihnen das Polizeirichteramt vorwirft, objektiv und subjektiv übertreten haben, und sie gegebenenfalls bestrafe.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Einzelrichters in Strafsachen des Bezirksgerichtes Zürich vom 23. September 1954 aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
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L'art. 65 cp. 4 LA non esclude l'applicabilità della disposizione penale più lieve della LA quando sono realizzate le condizioni oggettive di una disposizione più severa che non può però essere applicata perchè non sono adempiute le condizioni soggettive.
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A.- En 1946 et 1947, le chauffeur Hofstetter, qui était l'employé de Güdel, scieur à Porrentruy, a transporté de Suisse en France, pour son patron, plusieurs chargements de bois. Il a déclaré ces bois à la douane comme provenant de la zone limitrophe (10 km à compter de la frontière), ce qui, d'après la Convention franco-suisse du 31 janvier 1938 sur les rapports de voisinage et la surveillance des forêts limitrophes, entraînait l'affranchissement de tous droits, taxes et autres charges imposés lors de l'importation.
Renvoyé devant le juge pénal pour contraventions douanières (art. 74 ch. 9 LD), trafic prohibé (art. 76 ch. 5 LD) et soustraction de l'impôt sur le chiffre d'affaires (art. 52 et 53 AChA), du fait qu'une partie des bois ainsi importés ne provenaient pas de la zone limitrophe, Hofstetter a été reconnu coupable, sur les trois chefs d'accusation, le 22 mars 1954, par le Président du Tribunal de Porrentruy, et condamné à une amende de 630 fr. 50.
Hofstetter ayant interjeté appel, la Cour suprême du canton de Berne l'a libéré, le 24 juin 1954, des chefs de contraventions douanières, de trafic prohibé et de soustraction de l'impôt sur le chiffre d'affaires, considérant qu'il n'était pas établi à satisfaction de droit que l'inculpé ait connu la provenance réelle des bois importés, que, sur ce point, le doute devait lui profiter, et qu'il y avait dès lors lieu de l'acquitter, faute de preuve suffisante.
B.- Le Ministère public fédéral s'est pourvu en nullité contre cet arrêt. Il conclut à l'annulation de l'arrêt attaqué et au renvoi de la cause au juge cantonal pour nouveau jugement. Son argumentation se résume comme il suit:
Les infractions douanières dont Hofstetter était accusé sont aussi punissables lorsqu'elles ont été commises par négligence. En ne l'admettant pas, le juge cantonal a violé les art. 75 al. 3 et 77 al. 4 LD. Les éléments objectifs des infractions étant donnés, il ne pouvait, sans violer les dispositions de droit fédéral précitées, "mettre à la charge de l'accusation le fardeau de la preuve pour la question de la connaissance qu'avait Hofstetter de la provenance du bois". Les actes commis par Hofstetter constituent non seulement des infractions douanières, mais également une soustraction de l'impôt sur le chiffre d'affaires, qui est aussi punissable lorsqu'elle a été commise par négligence et constitue, en concours avec les autres infractions, une circonstance aggravante (art. 52 al. 1 et 3 AChA).
C.- Hofstetter conclut au rejet du pourvoi.
Erwägungen
Considérant en droit:
1. La loi fédérale sur les douanes, du 1er octobre 1925, a soustrait la contravention douanière et le trafic prohibé à la catégorie des infractions purement matérielles, où les rangeait encore l'ancienne loi du 28 juin 1893. Implicitement tout au moins, ses art. 75 al. 3 et 77 al. 4 font apparaître la faute pénale comme un élément constitutif de l'infraction. Il est vrai que, sauf la preuve libératoire réservée à l'inculpé, cette faute se présume. Mais il s'agit là d'une simple règle du droit fédéral sur la preuve, qui n'exclut nullement le caractère constitutif de la faute. Celle-ci peut consister soit dans l'intention dolosive, soit même dans une simple négligence, comme il appert des dispositions légales précitées, qui caractérisent "notamment" comme une faute le simple fait de n'avoir pas "apporté toute son attention à l'observation des prescriptions" (RO 68 IV 168, c. 1).
2. Dans la présente espèce, les éléments objectifs des infractions douanières sont réunis. Seuls leurs éléments subjectifs sont litigieux. A cet égard, le juge cantonal a violé, sur deux points, les principes légaux rappelés ci-dessus.
Tout d'abord, en refusant d'admettre l'intention dolosive par le motif qu'elle n'était pas suffisamment établie, il a transgressé la règle selon laquelle, pour les contraventions douanières et le trafic prohibé, la faute pénale se présume, sauf à l'inculpé de fournir la preuve libératoire. De plus, en ne considérant que le dol, il a ignoré que ces infractions sont aussi punissables en cas de simple négligence.
Il est donc nécessaire de lui renvoyer la cause pour qu'il recherche si Hofstetter a fourni la preuve libératoire, renversant ainsi la présomption légale de dol et, le cas échéant, de négligence. Ce faisant, le juge considérera que si, en matière fiscale, l'autorité enquête d'office et ne peut dès lors, dans ses actes d'instruction, ignorer tout à fait les éléments subjectifs des infractions relevées (v., sur ce point, KIRCHHOFER: Probleme des Zollstrafrechtes, Revue pénale suisse, 1934, pp. 163 s.), l'application de ce principe général ne saurait néanmoins déplacer le fardeau de la preuve établi par une prescription spéciale de la loi.
3. Touchant la soustraction de l'impôt sur le chiffre d'affaires, la situation est identique. Seuls les éléments subjectifs de l'infraction sont litigieux. Le juge cantonal a libéré Hofstetter, la preuve du dol n'étant pas fournie; il n'a pas examiné la question de la négligence. Or, l'art. 52 al. 1 dernière phrase AChA est libellé dans des termes identiques à ceux des art. 75 al. 3 et 77 al. 4 LD et les mêmes principes en découlent à l'égard de la faute pénale et de sa preuve. L'arrêt attaqué viole donc le droit fédéral de la même façon s'agissant de soustraction de l'impôt sur le chiffre d'affaires et d'infractions douanières. Sur le premier de ces chefs aussi, par conséquent, il doit être renvoyé au juge cantonal par les mêmes motifs mutatis mutandis.
Dispositiv
Par ces motifs, la Cour de cassation pénale:
Admet le pourvoi, annule l'arrêt attaqué et renvoie la cause à l'autorité cantonale pour que celle-ci se prononce à nouveau.
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Art. 75 Abs. 3, 77 Abs. 4 ZG, Art. 52 Abs. 1 WUStB. 1. Zollübertretung und Bannbruch sind strafbar, wenn sie vorsätzlich oder fahrlässig begangen worden sind.
2. Gleiches gilt für die Hinterziehung der Warenumsatzsteuer.
3. Beweislast.
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A.- En 1946 et 1947, le chauffeur Hofstetter, qui était l'employé de Güdel, scieur à Porrentruy, a transporté de Suisse en France, pour son patron, plusieurs chargements de bois. Il a déclaré ces bois à la douane comme provenant de la zone limitrophe (10 km à compter de la frontière), ce qui, d'après la Convention franco-suisse du 31 janvier 1938 sur les rapports de voisinage et la surveillance des forêts limitrophes, entraînait l'affranchissement de tous droits, taxes et autres charges imposés lors de l'importation.
Renvoyé devant le juge pénal pour contraventions douanières (art. 74 ch. 9 LD), trafic prohibé (art. 76 ch. 5 LD) et soustraction de l'impôt sur le chiffre d'affaires (art. 52 et 53 AChA), du fait qu'une partie des bois ainsi importés ne provenaient pas de la zone limitrophe, Hofstetter a été reconnu coupable, sur les trois chefs d'accusation, le 22 mars 1954, par le Président du Tribunal de Porrentruy, et condamné à une amende de 630 fr. 50.
Hofstetter ayant interjeté appel, la Cour suprême du canton de Berne l'a libéré, le 24 juin 1954, des chefs de contraventions douanières, de trafic prohibé et de soustraction de l'impôt sur le chiffre d'affaires, considérant qu'il n'était pas établi à satisfaction de droit que l'inculpé ait connu la provenance réelle des bois importés, que, sur ce point, le doute devait lui profiter, et qu'il y avait dès lors lieu de l'acquitter, faute de preuve suffisante.
B.- Le Ministère public fédéral s'est pourvu en nullité contre cet arrêt. Il conclut à l'annulation de l'arrêt attaqué et au renvoi de la cause au juge cantonal pour nouveau jugement. Son argumentation se résume comme il suit:
Les infractions douanières dont Hofstetter était accusé sont aussi punissables lorsqu'elles ont été commises par négligence. En ne l'admettant pas, le juge cantonal a violé les art. 75 al. 3 et 77 al. 4 LD. Les éléments objectifs des infractions étant donnés, il ne pouvait, sans violer les dispositions de droit fédéral précitées, "mettre à la charge de l'accusation le fardeau de la preuve pour la question de la connaissance qu'avait Hofstetter de la provenance du bois". Les actes commis par Hofstetter constituent non seulement des infractions douanières, mais également une soustraction de l'impôt sur le chiffre d'affaires, qui est aussi punissable lorsqu'elle a été commise par négligence et constitue, en concours avec les autres infractions, une circonstance aggravante (art. 52 al. 1 et 3 AChA).
C.- Hofstetter conclut au rejet du pourvoi.
Erwägungen
Considérant en droit:
1. La loi fédérale sur les douanes, du 1er octobre 1925, a soustrait la contravention douanière et le trafic prohibé à la catégorie des infractions purement matérielles, où les rangeait encore l'ancienne loi du 28 juin 1893. Implicitement tout au moins, ses art. 75 al. 3 et 77 al. 4 font apparaître la faute pénale comme un élément constitutif de l'infraction. Il est vrai que, sauf la preuve libératoire réservée à l'inculpé, cette faute se présume. Mais il s'agit là d'une simple règle du droit fédéral sur la preuve, qui n'exclut nullement le caractère constitutif de la faute. Celle-ci peut consister soit dans l'intention dolosive, soit même dans une simple négligence, comme il appert des dispositions légales précitées, qui caractérisent "notamment" comme une faute le simple fait de n'avoir pas "apporté toute son attention à l'observation des prescriptions" (RO 68 IV 168, c. 1).
2. Dans la présente espèce, les éléments objectifs des infractions douanières sont réunis. Seuls leurs éléments subjectifs sont litigieux. A cet égard, le juge cantonal a violé, sur deux points, les principes légaux rappelés ci-dessus.
Tout d'abord, en refusant d'admettre l'intention dolosive par le motif qu'elle n'était pas suffisamment établie, il a transgressé la règle selon laquelle, pour les contraventions douanières et le trafic prohibé, la faute pénale se présume, sauf à l'inculpé de fournir la preuve libératoire. De plus, en ne considérant que le dol, il a ignoré que ces infractions sont aussi punissables en cas de simple négligence.
Il est donc nécessaire de lui renvoyer la cause pour qu'il recherche si Hofstetter a fourni la preuve libératoire, renversant ainsi la présomption légale de dol et, le cas échéant, de négligence. Ce faisant, le juge considérera que si, en matière fiscale, l'autorité enquête d'office et ne peut dès lors, dans ses actes d'instruction, ignorer tout à fait les éléments subjectifs des infractions relevées (v., sur ce point, KIRCHHOFER: Probleme des Zollstrafrechtes, Revue pénale suisse, 1934, pp. 163 s.), l'application de ce principe général ne saurait néanmoins déplacer le fardeau de la preuve établi par une prescription spéciale de la loi.
3. Touchant la soustraction de l'impôt sur le chiffre d'affaires, la situation est identique. Seuls les éléments subjectifs de l'infraction sont litigieux. Le juge cantonal a libéré Hofstetter, la preuve du dol n'étant pas fournie; il n'a pas examiné la question de la négligence. Or, l'art. 52 al. 1 dernière phrase AChA est libellé dans des termes identiques à ceux des art. 75 al. 3 et 77 al. 4 LD et les mêmes principes en découlent à l'égard de la faute pénale et de sa preuve. L'arrêt attaqué viole donc le droit fédéral de la même façon s'agissant de soustraction de l'impôt sur le chiffre d'affaires et d'infractions douanières. Sur le premier de ces chefs aussi, par conséquent, il doit être renvoyé au juge cantonal par les mêmes motifs mutatis mutandis.
Dispositiv
Par ces motifs, la Cour de cassation pénale:
Admet le pourvoi, annule l'arrêt attaqué et renvoie la cause à l'autorité cantonale pour que celle-ci se prononce à nouveau.
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Art. 75 al. 3, 77 al. 4 LD et 52 al. 1 AChA. 1. La contravention douanière et le trafic prohibé sont punissables lorsqu'ils ont été commis soit intentionnellement, soit par négligence.
2. Il en va de même de la soustraction de l'impôt sur le chiffre d'affaires.
3. Fardeau de la preuve.
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A.- En 1946 et 1947, le chauffeur Hofstetter, qui était l'employé de Güdel, scieur à Porrentruy, a transporté de Suisse en France, pour son patron, plusieurs chargements de bois. Il a déclaré ces bois à la douane comme provenant de la zone limitrophe (10 km à compter de la frontière), ce qui, d'après la Convention franco-suisse du 31 janvier 1938 sur les rapports de voisinage et la surveillance des forêts limitrophes, entraînait l'affranchissement de tous droits, taxes et autres charges imposés lors de l'importation.
Renvoyé devant le juge pénal pour contraventions douanières (art. 74 ch. 9 LD), trafic prohibé (art. 76 ch. 5 LD) et soustraction de l'impôt sur le chiffre d'affaires (art. 52 et 53 AChA), du fait qu'une partie des bois ainsi importés ne provenaient pas de la zone limitrophe, Hofstetter a été reconnu coupable, sur les trois chefs d'accusation, le 22 mars 1954, par le Président du Tribunal de Porrentruy, et condamné à une amende de 630 fr. 50.
Hofstetter ayant interjeté appel, la Cour suprême du canton de Berne l'a libéré, le 24 juin 1954, des chefs de contraventions douanières, de trafic prohibé et de soustraction de l'impôt sur le chiffre d'affaires, considérant qu'il n'était pas établi à satisfaction de droit que l'inculpé ait connu la provenance réelle des bois importés, que, sur ce point, le doute devait lui profiter, et qu'il y avait dès lors lieu de l'acquitter, faute de preuve suffisante.
B.- Le Ministère public fédéral s'est pourvu en nullité contre cet arrêt. Il conclut à l'annulation de l'arrêt attaqué et au renvoi de la cause au juge cantonal pour nouveau jugement. Son argumentation se résume comme il suit:
Les infractions douanières dont Hofstetter était accusé sont aussi punissables lorsqu'elles ont été commises par négligence. En ne l'admettant pas, le juge cantonal a violé les art. 75 al. 3 et 77 al. 4 LD. Les éléments objectifs des infractions étant donnés, il ne pouvait, sans violer les dispositions de droit fédéral précitées, "mettre à la charge de l'accusation le fardeau de la preuve pour la question de la connaissance qu'avait Hofstetter de la provenance du bois". Les actes commis par Hofstetter constituent non seulement des infractions douanières, mais également une soustraction de l'impôt sur le chiffre d'affaires, qui est aussi punissable lorsqu'elle a été commise par négligence et constitue, en concours avec les autres infractions, une circonstance aggravante (art. 52 al. 1 et 3 AChA).
C.- Hofstetter conclut au rejet du pourvoi.
Erwägungen
Considérant en droit:
1. La loi fédérale sur les douanes, du 1er octobre 1925, a soustrait la contravention douanière et le trafic prohibé à la catégorie des infractions purement matérielles, où les rangeait encore l'ancienne loi du 28 juin 1893. Implicitement tout au moins, ses art. 75 al. 3 et 77 al. 4 font apparaître la faute pénale comme un élément constitutif de l'infraction. Il est vrai que, sauf la preuve libératoire réservée à l'inculpé, cette faute se présume. Mais il s'agit là d'une simple règle du droit fédéral sur la preuve, qui n'exclut nullement le caractère constitutif de la faute. Celle-ci peut consister soit dans l'intention dolosive, soit même dans une simple négligence, comme il appert des dispositions légales précitées, qui caractérisent "notamment" comme une faute le simple fait de n'avoir pas "apporté toute son attention à l'observation des prescriptions" (RO 68 IV 168, c. 1).
2. Dans la présente espèce, les éléments objectifs des infractions douanières sont réunis. Seuls leurs éléments subjectifs sont litigieux. A cet égard, le juge cantonal a violé, sur deux points, les principes légaux rappelés ci-dessus.
Tout d'abord, en refusant d'admettre l'intention dolosive par le motif qu'elle n'était pas suffisamment établie, il a transgressé la règle selon laquelle, pour les contraventions douanières et le trafic prohibé, la faute pénale se présume, sauf à l'inculpé de fournir la preuve libératoire. De plus, en ne considérant que le dol, il a ignoré que ces infractions sont aussi punissables en cas de simple négligence.
Il est donc nécessaire de lui renvoyer la cause pour qu'il recherche si Hofstetter a fourni la preuve libératoire, renversant ainsi la présomption légale de dol et, le cas échéant, de négligence. Ce faisant, le juge considérera que si, en matière fiscale, l'autorité enquête d'office et ne peut dès lors, dans ses actes d'instruction, ignorer tout à fait les éléments subjectifs des infractions relevées (v., sur ce point, KIRCHHOFER: Probleme des Zollstrafrechtes, Revue pénale suisse, 1934, pp. 163 s.), l'application de ce principe général ne saurait néanmoins déplacer le fardeau de la preuve établi par une prescription spéciale de la loi.
3. Touchant la soustraction de l'impôt sur le chiffre d'affaires, la situation est identique. Seuls les éléments subjectifs de l'infraction sont litigieux. Le juge cantonal a libéré Hofstetter, la preuve du dol n'étant pas fournie; il n'a pas examiné la question de la négligence. Or, l'art. 52 al. 1 dernière phrase AChA est libellé dans des termes identiques à ceux des art. 75 al. 3 et 77 al. 4 LD et les mêmes principes en découlent à l'égard de la faute pénale et de sa preuve. L'arrêt attaqué viole donc le droit fédéral de la même façon s'agissant de soustraction de l'impôt sur le chiffre d'affaires et d'infractions douanières. Sur le premier de ces chefs aussi, par conséquent, il doit être renvoyé au juge cantonal par les mêmes motifs mutatis mutandis.
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Par ces motifs, la Cour de cassation pénale:
Admet le pourvoi, annule l'arrêt attaqué et renvoie la cause à l'autorité cantonale pour que celle-ci se prononce à nouveau.
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Art. 75 cp. 3, 77 cp. 4 LD e 52 cp. 1 DCA. 1. La contravvenzione doganale e l'infrazione dei divieti sono punibili se sono state commesse intenzionalmente o per negligenza.
2. Lo stesso vale per la sottrazione dell'imposta sulla cifra d'affari.
3. Onere della prova.
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81 IV 60
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Sachverhalt ab Seite 61
A.- David Gross und Juan Bogdanov Castillon kamen auf Vorschlag des ersteren überein, Photoapparate und Photomaterial von Deutschland nach Spanien zu schmuggeln. Gross bestellte solche Ware bei Jacobowicz in München, brachte etwa drei Viertel der Mittel auf, um sie bar zu zahlen, und verkaufte sie in Spanien weiter. Bogdanov Castillon beteiligte sich an der Finanzierung der Geschäfte zu etwa einem Viertel und sorgte für den Transport der Ware. Vom Gewinn erhielt jeder die Hälfte. In der Zeit vom 16. August 1952 bis 13. Februar 1953 führte Bogdanov Castillon auf Grund dieser Abmachung im Einvernehmen mit Gross in neun Fahrten etwa 540 kg Ware im Werte von etwa Fr. 170'280.-- in einem dazu hergerichteten Motorwagen ohne Bewilligung der Sektion für Ein- und Ausfuhr der Handelsabteilung des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements (Art. 1 BRB Nr. 65 über die Beschränkung der Einfuhr vom 3. November 1950) und unter Verletzung der Zollmeldepflicht in die Schweiz ein, wobei er ausser dem Zoll von Fr. 864.-- auch die Warenumsatzsteuer von Fr. 3283.20 und die Luxussteuer von Fr. 21'285.-- hinterzog. Nach der Einfahrt in die Schweiz traf er jeweilen in Zürich mit Gross zusammen. Meistens setzte er von dort aus die Fahrt nach Spanien in Begleitung des Gross fort, wobei die beiden die Schweiz in der Gegend von Genf verliessen, ohne die mitgeführte Ware zur Zollbehandlung anzumelden.
B.- Am 13. Oktober 1953 verfällte das Eidgenössische Finanz- und Zolldepartement Gross und Bogdanov Castillon in Anwendung der Art. 74 Ziff. 3, 76 Ziff. 2, 77, 82 Ziff. 5, 85 des BG vom 1. Oktober 1925 über das Zollwesen (ZG), Art. 52, 53 des BRB vom 29. Juli 1941 über die Warenumsatzsteuer (WUStB) und Art. 41, 42 des BRB vom 13. Oktober 1942 über die Euxussteuer (LStB) in je eine Busse von Fr. 102'168.--. Die Busse gegen Gross, der gerichtliche Beurteilung verlangte, wurde am 16. Juni 1954 vom Kantonsgericht und am 5. November 1954 vom Obergericht des Kantons Schaffhausen bestätigt.
C.- Gross führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an diese Instanz zurückzuweisen. Er macht geltend, es verletze Art. 81 Abs. 2 ZG in Verbindung mit Art. 333 Abs. 1 StGB. Nach ersterer Bestimmung, die als Sondernorm den allgemeinen Bestimmungen des Strafgesetzbuches vorgehe, könne er entgegen der Auffassung der kantonalen Instanzen nicht als Mittäter, sondern nur als Gehilfe bestraft werden; Täter sei nur Bogdanov Castillon, der die Ware über die Grenze geführt habe. Die Unmöglichkeit von Mittäterschaft bei rein subjektiver Teilnahme an der Entschliessung oder Planung im Zollstrafrecht erhelle aus der Feststellung, dass das Zollstrafrecht ursprünglich ein Verschulden des Täters gar nicht gekannt, sondern lediglich die formelle Zuwiderhandlung gestraft habe. Also habe nach Zollstrafrecht ein Nicht-Warenführer wegen Irrelevanz der subjektiven Verhältnisse unmöglich die Deklarationspflicht und Zahlungspflichten an der Grenze verletzen sondern nur Gehilfe sein können.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
2. Auch wenn sie [die Frage, ob Gross in bezug auf die dem Bogdanov Castillon zur Last fallenden Widerhandlungen Gehilfe oder vielmehr Mittäter sei] zu entscheiden wäre, könnte dem Beschwerdeführer unmöglich die Stellung eines blossen Gehilfen zuerkannt werden. Nach aussen als Käufer und Wiederverkäufer der Ware auftretend, verband er sich mit Bogdanov Castillon zu einer stillen Gesellschaft, um die Ware unter Begehung der strafbaren Handlungen von Deutschland durch die Schweiz nach Spanien zu verschieben. Er steht durch seine Teilnahme am Entschlusse, aus dem diese Handlungen hervorgegangen sind, ja als geistiger Urheber des ganzen Planes, in geradezu typischer Weise als Hauptbeteiligter da und wäre daher auch nach allgemeinem Strafrecht als Täter (Mittäter) zu bestrafen (BGE 69 IV 98, BGE 70 IV 102, BGE 76 IV 106). Eine Sonderbestimmung, die gemäss Art. 333 Abs. 1 StGB den allgemeinen Normen vorginge, enthält Art. 81 Abs. 2 ZG nicht. Art. 81 ZG will nicht die Täterschaft von der Gehilfenschaft abgrenzen, sondern lediglich bestimmen, dass auch Anstifter, Gehilfen und Begünstiger strafbar seien. In Abs. 1 werden diese drei Formen der Beteiligung umschrieben, und Abs. 2 stellt klar, als Gehilfe gelte insbesondere, "wer Waren liefert oder vermittelt, deren Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr verboten oder beschränkt ist und von denen er weiss oder annehmen muss, dass sie dazu bestimmt sind, unter Verletzung bestehender Verbote oder Beschränkungen über die Grenze geschafft zu werden." Damit wird nur gesagt, dass auch schon das blosse Liefern oder Vermitteln von Schmuggelware Gehilfenschaft sein könne, dass es also nicht etwa, weil der Lieferant oder Vermittler weder die Ware selber über die Grenze schafft, noch Auftrag dazu erteilt, straflos sei. Dass jemand, der die Ware liefert oder vermittelt, immer nur als Gehilfe zu bestrafen sei, auch wenn seine Beteiligung im einzelnen Falle die Merkmale der Mittäterschaft aufweist, wird damit nicht bestimmt. Zu einer solchen Privilegierung des Mittäters hätte auch sachlich gar kein Anlass bestanden. Inwiefern sodann daraus, dass die Zollübertretungen unter altem Zollgesetz Strafe auch ohne Verschulden nach sich zogen, die Unmöglichkeit strafbarer Mittäterschaft sich ergeben sollte, ist schon an sich unverständlich, ganz abgesehen davon, dass das geltende Zollgesetz auf dem Boden des Verschuldensstrafrechts steht, obschon es freilich den Exkulpationsbeweis dem Angeschuldigten auferlegt (Art. 75 Abs. 3, 77 Abs. 4 ZG). Die Auffassung des Verteidigers, nur der Warenführer könne Täter sein, wird zudem durch Art. 9 Abs. 1 ZG unmissverständlich widerlegt.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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de
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Art. 81 Abs. 2 ZG schliesst nicht aus, dass jemand statt als Gehilfe als Mittäter bestraft werde.
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criminal law and criminal procedure
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IV
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81 IV 60
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Sachverhalt ab Seite 61
A.- David Gross und Juan Bogdanov Castillon kamen auf Vorschlag des ersteren überein, Photoapparate und Photomaterial von Deutschland nach Spanien zu schmuggeln. Gross bestellte solche Ware bei Jacobowicz in München, brachte etwa drei Viertel der Mittel auf, um sie bar zu zahlen, und verkaufte sie in Spanien weiter. Bogdanov Castillon beteiligte sich an der Finanzierung der Geschäfte zu etwa einem Viertel und sorgte für den Transport der Ware. Vom Gewinn erhielt jeder die Hälfte. In der Zeit vom 16. August 1952 bis 13. Februar 1953 führte Bogdanov Castillon auf Grund dieser Abmachung im Einvernehmen mit Gross in neun Fahrten etwa 540 kg Ware im Werte von etwa Fr. 170'280.-- in einem dazu hergerichteten Motorwagen ohne Bewilligung der Sektion für Ein- und Ausfuhr der Handelsabteilung des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements (Art. 1 BRB Nr. 65 über die Beschränkung der Einfuhr vom 3. November 1950) und unter Verletzung der Zollmeldepflicht in die Schweiz ein, wobei er ausser dem Zoll von Fr. 864.-- auch die Warenumsatzsteuer von Fr. 3283.20 und die Luxussteuer von Fr. 21'285.-- hinterzog. Nach der Einfahrt in die Schweiz traf er jeweilen in Zürich mit Gross zusammen. Meistens setzte er von dort aus die Fahrt nach Spanien in Begleitung des Gross fort, wobei die beiden die Schweiz in der Gegend von Genf verliessen, ohne die mitgeführte Ware zur Zollbehandlung anzumelden.
B.- Am 13. Oktober 1953 verfällte das Eidgenössische Finanz- und Zolldepartement Gross und Bogdanov Castillon in Anwendung der Art. 74 Ziff. 3, 76 Ziff. 2, 77, 82 Ziff. 5, 85 des BG vom 1. Oktober 1925 über das Zollwesen (ZG), Art. 52, 53 des BRB vom 29. Juli 1941 über die Warenumsatzsteuer (WUStB) und Art. 41, 42 des BRB vom 13. Oktober 1942 über die Euxussteuer (LStB) in je eine Busse von Fr. 102'168.--. Die Busse gegen Gross, der gerichtliche Beurteilung verlangte, wurde am 16. Juni 1954 vom Kantonsgericht und am 5. November 1954 vom Obergericht des Kantons Schaffhausen bestätigt.
C.- Gross führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an diese Instanz zurückzuweisen. Er macht geltend, es verletze Art. 81 Abs. 2 ZG in Verbindung mit Art. 333 Abs. 1 StGB. Nach ersterer Bestimmung, die als Sondernorm den allgemeinen Bestimmungen des Strafgesetzbuches vorgehe, könne er entgegen der Auffassung der kantonalen Instanzen nicht als Mittäter, sondern nur als Gehilfe bestraft werden; Täter sei nur Bogdanov Castillon, der die Ware über die Grenze geführt habe. Die Unmöglichkeit von Mittäterschaft bei rein subjektiver Teilnahme an der Entschliessung oder Planung im Zollstrafrecht erhelle aus der Feststellung, dass das Zollstrafrecht ursprünglich ein Verschulden des Täters gar nicht gekannt, sondern lediglich die formelle Zuwiderhandlung gestraft habe. Also habe nach Zollstrafrecht ein Nicht-Warenführer wegen Irrelevanz der subjektiven Verhältnisse unmöglich die Deklarationspflicht und Zahlungspflichten an der Grenze verletzen sondern nur Gehilfe sein können.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
2. Auch wenn sie [die Frage, ob Gross in bezug auf die dem Bogdanov Castillon zur Last fallenden Widerhandlungen Gehilfe oder vielmehr Mittäter sei] zu entscheiden wäre, könnte dem Beschwerdeführer unmöglich die Stellung eines blossen Gehilfen zuerkannt werden. Nach aussen als Käufer und Wiederverkäufer der Ware auftretend, verband er sich mit Bogdanov Castillon zu einer stillen Gesellschaft, um die Ware unter Begehung der strafbaren Handlungen von Deutschland durch die Schweiz nach Spanien zu verschieben. Er steht durch seine Teilnahme am Entschlusse, aus dem diese Handlungen hervorgegangen sind, ja als geistiger Urheber des ganzen Planes, in geradezu typischer Weise als Hauptbeteiligter da und wäre daher auch nach allgemeinem Strafrecht als Täter (Mittäter) zu bestrafen (BGE 69 IV 98, BGE 70 IV 102, BGE 76 IV 106). Eine Sonderbestimmung, die gemäss Art. 333 Abs. 1 StGB den allgemeinen Normen vorginge, enthält Art. 81 Abs. 2 ZG nicht. Art. 81 ZG will nicht die Täterschaft von der Gehilfenschaft abgrenzen, sondern lediglich bestimmen, dass auch Anstifter, Gehilfen und Begünstiger strafbar seien. In Abs. 1 werden diese drei Formen der Beteiligung umschrieben, und Abs. 2 stellt klar, als Gehilfe gelte insbesondere, "wer Waren liefert oder vermittelt, deren Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr verboten oder beschränkt ist und von denen er weiss oder annehmen muss, dass sie dazu bestimmt sind, unter Verletzung bestehender Verbote oder Beschränkungen über die Grenze geschafft zu werden." Damit wird nur gesagt, dass auch schon das blosse Liefern oder Vermitteln von Schmuggelware Gehilfenschaft sein könne, dass es also nicht etwa, weil der Lieferant oder Vermittler weder die Ware selber über die Grenze schafft, noch Auftrag dazu erteilt, straflos sei. Dass jemand, der die Ware liefert oder vermittelt, immer nur als Gehilfe zu bestrafen sei, auch wenn seine Beteiligung im einzelnen Falle die Merkmale der Mittäterschaft aufweist, wird damit nicht bestimmt. Zu einer solchen Privilegierung des Mittäters hätte auch sachlich gar kein Anlass bestanden. Inwiefern sodann daraus, dass die Zollübertretungen unter altem Zollgesetz Strafe auch ohne Verschulden nach sich zogen, die Unmöglichkeit strafbarer Mittäterschaft sich ergeben sollte, ist schon an sich unverständlich, ganz abgesehen davon, dass das geltende Zollgesetz auf dem Boden des Verschuldensstrafrechts steht, obschon es freilich den Exkulpationsbeweis dem Angeschuldigten auferlegt (Art. 75 Abs. 3, 77 Abs. 4 ZG). Die Auffassung des Verteidigers, nur der Warenführer könne Täter sein, wird zudem durch Art. 9 Abs. 1 ZG unmissverständlich widerlegt.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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L'art. 81 al. 2 LD n'exclut pas qu'une personne puisse être condamnée comme coauteur au lieu de l'être comme complice.
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Sachverhalt ab Seite 61
A.- David Gross und Juan Bogdanov Castillon kamen auf Vorschlag des ersteren überein, Photoapparate und Photomaterial von Deutschland nach Spanien zu schmuggeln. Gross bestellte solche Ware bei Jacobowicz in München, brachte etwa drei Viertel der Mittel auf, um sie bar zu zahlen, und verkaufte sie in Spanien weiter. Bogdanov Castillon beteiligte sich an der Finanzierung der Geschäfte zu etwa einem Viertel und sorgte für den Transport der Ware. Vom Gewinn erhielt jeder die Hälfte. In der Zeit vom 16. August 1952 bis 13. Februar 1953 führte Bogdanov Castillon auf Grund dieser Abmachung im Einvernehmen mit Gross in neun Fahrten etwa 540 kg Ware im Werte von etwa Fr. 170'280.-- in einem dazu hergerichteten Motorwagen ohne Bewilligung der Sektion für Ein- und Ausfuhr der Handelsabteilung des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements (Art. 1 BRB Nr. 65 über die Beschränkung der Einfuhr vom 3. November 1950) und unter Verletzung der Zollmeldepflicht in die Schweiz ein, wobei er ausser dem Zoll von Fr. 864.-- auch die Warenumsatzsteuer von Fr. 3283.20 und die Luxussteuer von Fr. 21'285.-- hinterzog. Nach der Einfahrt in die Schweiz traf er jeweilen in Zürich mit Gross zusammen. Meistens setzte er von dort aus die Fahrt nach Spanien in Begleitung des Gross fort, wobei die beiden die Schweiz in der Gegend von Genf verliessen, ohne die mitgeführte Ware zur Zollbehandlung anzumelden.
B.- Am 13. Oktober 1953 verfällte das Eidgenössische Finanz- und Zolldepartement Gross und Bogdanov Castillon in Anwendung der Art. 74 Ziff. 3, 76 Ziff. 2, 77, 82 Ziff. 5, 85 des BG vom 1. Oktober 1925 über das Zollwesen (ZG), Art. 52, 53 des BRB vom 29. Juli 1941 über die Warenumsatzsteuer (WUStB) und Art. 41, 42 des BRB vom 13. Oktober 1942 über die Euxussteuer (LStB) in je eine Busse von Fr. 102'168.--. Die Busse gegen Gross, der gerichtliche Beurteilung verlangte, wurde am 16. Juni 1954 vom Kantonsgericht und am 5. November 1954 vom Obergericht des Kantons Schaffhausen bestätigt.
C.- Gross führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an diese Instanz zurückzuweisen. Er macht geltend, es verletze Art. 81 Abs. 2 ZG in Verbindung mit Art. 333 Abs. 1 StGB. Nach ersterer Bestimmung, die als Sondernorm den allgemeinen Bestimmungen des Strafgesetzbuches vorgehe, könne er entgegen der Auffassung der kantonalen Instanzen nicht als Mittäter, sondern nur als Gehilfe bestraft werden; Täter sei nur Bogdanov Castillon, der die Ware über die Grenze geführt habe. Die Unmöglichkeit von Mittäterschaft bei rein subjektiver Teilnahme an der Entschliessung oder Planung im Zollstrafrecht erhelle aus der Feststellung, dass das Zollstrafrecht ursprünglich ein Verschulden des Täters gar nicht gekannt, sondern lediglich die formelle Zuwiderhandlung gestraft habe. Also habe nach Zollstrafrecht ein Nicht-Warenführer wegen Irrelevanz der subjektiven Verhältnisse unmöglich die Deklarationspflicht und Zahlungspflichten an der Grenze verletzen sondern nur Gehilfe sein können.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
2. Auch wenn sie [die Frage, ob Gross in bezug auf die dem Bogdanov Castillon zur Last fallenden Widerhandlungen Gehilfe oder vielmehr Mittäter sei] zu entscheiden wäre, könnte dem Beschwerdeführer unmöglich die Stellung eines blossen Gehilfen zuerkannt werden. Nach aussen als Käufer und Wiederverkäufer der Ware auftretend, verband er sich mit Bogdanov Castillon zu einer stillen Gesellschaft, um die Ware unter Begehung der strafbaren Handlungen von Deutschland durch die Schweiz nach Spanien zu verschieben. Er steht durch seine Teilnahme am Entschlusse, aus dem diese Handlungen hervorgegangen sind, ja als geistiger Urheber des ganzen Planes, in geradezu typischer Weise als Hauptbeteiligter da und wäre daher auch nach allgemeinem Strafrecht als Täter (Mittäter) zu bestrafen (BGE 69 IV 98, BGE 70 IV 102, BGE 76 IV 106). Eine Sonderbestimmung, die gemäss Art. 333 Abs. 1 StGB den allgemeinen Normen vorginge, enthält Art. 81 Abs. 2 ZG nicht. Art. 81 ZG will nicht die Täterschaft von der Gehilfenschaft abgrenzen, sondern lediglich bestimmen, dass auch Anstifter, Gehilfen und Begünstiger strafbar seien. In Abs. 1 werden diese drei Formen der Beteiligung umschrieben, und Abs. 2 stellt klar, als Gehilfe gelte insbesondere, "wer Waren liefert oder vermittelt, deren Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr verboten oder beschränkt ist und von denen er weiss oder annehmen muss, dass sie dazu bestimmt sind, unter Verletzung bestehender Verbote oder Beschränkungen über die Grenze geschafft zu werden." Damit wird nur gesagt, dass auch schon das blosse Liefern oder Vermitteln von Schmuggelware Gehilfenschaft sein könne, dass es also nicht etwa, weil der Lieferant oder Vermittler weder die Ware selber über die Grenze schafft, noch Auftrag dazu erteilt, straflos sei. Dass jemand, der die Ware liefert oder vermittelt, immer nur als Gehilfe zu bestrafen sei, auch wenn seine Beteiligung im einzelnen Falle die Merkmale der Mittäterschaft aufweist, wird damit nicht bestimmt. Zu einer solchen Privilegierung des Mittäters hätte auch sachlich gar kein Anlass bestanden. Inwiefern sodann daraus, dass die Zollübertretungen unter altem Zollgesetz Strafe auch ohne Verschulden nach sich zogen, die Unmöglichkeit strafbarer Mittäterschaft sich ergeben sollte, ist schon an sich unverständlich, ganz abgesehen davon, dass das geltende Zollgesetz auf dem Boden des Verschuldensstrafrechts steht, obschon es freilich den Exkulpationsbeweis dem Angeschuldigten auferlegt (Art. 75 Abs. 3, 77 Abs. 4 ZG). Die Auffassung des Verteidigers, nur der Warenführer könne Täter sein, wird zudem durch Art. 9 Abs. 1 ZG unmissverständlich widerlegt.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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L'art. 81 cp. 2 LD non esclude che una persona possa essere condannata come coautore invece che come complice.
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81 IV 64
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Sachverhalt ab Seite 64
A.- La Société anonyme E. a été fondée à Genève en 1946. Ses administrateurs étaient alors Edouard A., à Genève, et Werner C., à Dietikon. Le 24 février 1950, le siège de la société fut transféré à Berne et C. fut remplacé au conseil d'administration par le directeur Arthur B., à Berne. Elle fut de nouveau domiciliée à Genève dès le 24 décembre 1952, date à partir de laquelle Hermann L. remplaça B. comme administrateur. La société fut déclarée en faillite, à Genève, le 30 mars 1953.
B.- L'activité que la société a déployée dans le Canton de Berne, par l'intermédiaire d'Arthur B., de Werner C. et du représentant Walther T., a donné lieu à des plaintes pénales de tierces personnes. Saisi de ces plaintes, le Juge d'instruction du district de Thoune a ouvert une enquête pénale, pour escroquerie, contre B., C. et T.
Le 23 novembre 1954, le juge bernois a inculpé Edouard A., Arthur B. et Werner C. de banqueroute simple et a joint cette nouvelle procédure à celle qui était déjà pendante.
C.- Par requête du 7 janvier 1955, Edouard A. demande à la Chambre d'accusation du Tribunal fédéral de déclarer les tribunaux genevois compétents pour connaître de l'action pénale ouverte pour banqueroute simple contre les organes de la société.
Le Juge d'instruction du district de Thoune conclut au rejet de la requête.
En revanche, le Procureur général du Canton de Berne propose que la procédure ouverte pour banqueroute simple soit dissociée et confiée aux autorités judiciaires genevoises.
Quant au Procureur général du Canton de Genève, il s'en remet à la décision de la Chambre d'accusation du Tribunal fédéral.
Erwägungen
Considérant en droit:
1. En ce qui concerne les délits d'escroquerie, tous les inculpés, savoir Arthur B., Werner C. et Walter T., relèvent du juge bernois. Il n'y a pas de contestation sur ce point.
2. Selon la jurisprudence du Tribunal fédéral, le délit de banqueroute simple doit être poursuivi, en principe, au domicile ou au siège social qu'avait le débiteur lors de la commission des infractions (RO 72 IV 91, 73 IV 57), c'est-à-dire à l'époque des actes ou des omissions que le juge entend incriminer pour établir la légèreté coupable, les dépenses exagérées, les spéculations hasardées ou la grave négligence de l'inculpé (art. 165 CP). Le Tribunal fédéral avait, cependant, réservé le cas où ce for ne coïncide pas avec celui de la faillite parce que, par exemple, comme en l'espèce, le siège social a changé depuis la commision des actes (RO 72 IV 92). Mais, même dans ce cas, il ne se justifie pas de s'écarter du principe établi par la jurisprudence et de désigner comme for de l'action pénale le lieu où la faillite a été ouverte. En fixant le for, en effet, il convient de s'en tenir autant que possible au centre de gravité de l'activité frauduleuse, car c'est là, en général, que se trouvent les preuves à administrer. Or, dans la banqueroute, ce centre de gravité est à l'endroit où le débiteur avait son domicile ou son siège social au moment des actes ou des omissions délictueux. Dès lors - sous réserve des dérogations que la Chambre d'accusation peut, dans les cas particuliers, apporter aux art. 346 et suiv. CP en vertu des art. 262 et 263 PPF - c'est ce lieu qui est décisif, même si le domicile du débiteur a changé après coup et si la faillite a été ouverte dans un autre endroit.
En l'espèce, Walter T. et Arthur B. relèvent du for bernois. En effet, le premier n'est inculpé que d'escroquerie et le second, inculpé également de banqueroute simple, n'a été administrateur de la société qu'à l'époque où elle avait son siège à Berne. Quant à Werner C., il relève du for bernois pour l'escroquerie et du for genevois pour le délit de banqueroute, puisque la société était domiciliée à Genève pendant son mandat d'administrateur. Mais l'escroquerie étant l'infraction la plus grave, c'est le premier de ces fors qui l'emporte (art. 350 al. 1 CP).
En ce qui concerne le requérant Edouard A., inculpé uniquement de banqueroute simple, il y a concours entre le for du Canton de Berne et celui du Canton de Genève, attendu que, durant l'époque où il a fait partie du conseil d'administration, la société a eu son siège successivement à Genève et à Berne. Mais, en vertu de l'art. 346 al. 2 CP, on doit admettre qu'il relève du juge où la première instruction a été ouverte, c'est-à-dire du juge bernois. Ainsi, l'application de la loi conduit, pour tous les inculpés et notamment pour le requérant A., à l'admission du for du Canton de Berne.
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Art. 346 StGB. Betrügerischer Konkurs und leichtsinniger Konkurs sind am Orte zu verfolgen, an dem der Schuldner zur Zeit der Begehung seinen Wohn- oder Geschäftssitz hatte, auch wenn der Konkurs an einem anderen Orte eröffnet worden ist.
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criminal law and criminal procedure
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Sachverhalt ab Seite 64
A.- La Société anonyme E. a été fondée à Genève en 1946. Ses administrateurs étaient alors Edouard A., à Genève, et Werner C., à Dietikon. Le 24 février 1950, le siège de la société fut transféré à Berne et C. fut remplacé au conseil d'administration par le directeur Arthur B., à Berne. Elle fut de nouveau domiciliée à Genève dès le 24 décembre 1952, date à partir de laquelle Hermann L. remplaça B. comme administrateur. La société fut déclarée en faillite, à Genève, le 30 mars 1953.
B.- L'activité que la société a déployée dans le Canton de Berne, par l'intermédiaire d'Arthur B., de Werner C. et du représentant Walther T., a donné lieu à des plaintes pénales de tierces personnes. Saisi de ces plaintes, le Juge d'instruction du district de Thoune a ouvert une enquête pénale, pour escroquerie, contre B., C. et T.
Le 23 novembre 1954, le juge bernois a inculpé Edouard A., Arthur B. et Werner C. de banqueroute simple et a joint cette nouvelle procédure à celle qui était déjà pendante.
C.- Par requête du 7 janvier 1955, Edouard A. demande à la Chambre d'accusation du Tribunal fédéral de déclarer les tribunaux genevois compétents pour connaître de l'action pénale ouverte pour banqueroute simple contre les organes de la société.
Le Juge d'instruction du district de Thoune conclut au rejet de la requête.
En revanche, le Procureur général du Canton de Berne propose que la procédure ouverte pour banqueroute simple soit dissociée et confiée aux autorités judiciaires genevoises.
Quant au Procureur général du Canton de Genève, il s'en remet à la décision de la Chambre d'accusation du Tribunal fédéral.
Erwägungen
Considérant en droit:
1. En ce qui concerne les délits d'escroquerie, tous les inculpés, savoir Arthur B., Werner C. et Walter T., relèvent du juge bernois. Il n'y a pas de contestation sur ce point.
2. Selon la jurisprudence du Tribunal fédéral, le délit de banqueroute simple doit être poursuivi, en principe, au domicile ou au siège social qu'avait le débiteur lors de la commission des infractions (RO 72 IV 91, 73 IV 57), c'est-à-dire à l'époque des actes ou des omissions que le juge entend incriminer pour établir la légèreté coupable, les dépenses exagérées, les spéculations hasardées ou la grave négligence de l'inculpé (art. 165 CP). Le Tribunal fédéral avait, cependant, réservé le cas où ce for ne coïncide pas avec celui de la faillite parce que, par exemple, comme en l'espèce, le siège social a changé depuis la commision des actes (RO 72 IV 92). Mais, même dans ce cas, il ne se justifie pas de s'écarter du principe établi par la jurisprudence et de désigner comme for de l'action pénale le lieu où la faillite a été ouverte. En fixant le for, en effet, il convient de s'en tenir autant que possible au centre de gravité de l'activité frauduleuse, car c'est là, en général, que se trouvent les preuves à administrer. Or, dans la banqueroute, ce centre de gravité est à l'endroit où le débiteur avait son domicile ou son siège social au moment des actes ou des omissions délictueux. Dès lors - sous réserve des dérogations que la Chambre d'accusation peut, dans les cas particuliers, apporter aux art. 346 et suiv. CP en vertu des art. 262 et 263 PPF - c'est ce lieu qui est décisif, même si le domicile du débiteur a changé après coup et si la faillite a été ouverte dans un autre endroit.
En l'espèce, Walter T. et Arthur B. relèvent du for bernois. En effet, le premier n'est inculpé que d'escroquerie et le second, inculpé également de banqueroute simple, n'a été administrateur de la société qu'à l'époque où elle avait son siège à Berne. Quant à Werner C., il relève du for bernois pour l'escroquerie et du for genevois pour le délit de banqueroute, puisque la société était domiciliée à Genève pendant son mandat d'administrateur. Mais l'escroquerie étant l'infraction la plus grave, c'est le premier de ces fors qui l'emporte (art. 350 al. 1 CP).
En ce qui concerne le requérant Edouard A., inculpé uniquement de banqueroute simple, il y a concours entre le for du Canton de Berne et celui du Canton de Genève, attendu que, durant l'époque où il a fait partie du conseil d'administration, la société a eu son siège successivement à Genève et à Berne. Mais, en vertu de l'art. 346 al. 2 CP, on doit admettre qu'il relève du juge où la première instruction a été ouverte, c'est-à-dire du juge bernois. Ainsi, l'application de la loi conduit, pour tous les inculpés et notamment pour le requérant A., à l'admission du for du Canton de Berne.
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Art. 346 CP. La banqueroute frauduleuse et la banqueroute simple doivent être poursuivies à l'endroit où le débiteur avait son domicile ou son siège social au moment de la commission des infractions.
Peu importe que la faillite ait été ouverte dans un autre lieu.
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Sachverhalt ab Seite 64
A.- La Société anonyme E. a été fondée à Genève en 1946. Ses administrateurs étaient alors Edouard A., à Genève, et Werner C., à Dietikon. Le 24 février 1950, le siège de la société fut transféré à Berne et C. fut remplacé au conseil d'administration par le directeur Arthur B., à Berne. Elle fut de nouveau domiciliée à Genève dès le 24 décembre 1952, date à partir de laquelle Hermann L. remplaça B. comme administrateur. La société fut déclarée en faillite, à Genève, le 30 mars 1953.
B.- L'activité que la société a déployée dans le Canton de Berne, par l'intermédiaire d'Arthur B., de Werner C. et du représentant Walther T., a donné lieu à des plaintes pénales de tierces personnes. Saisi de ces plaintes, le Juge d'instruction du district de Thoune a ouvert une enquête pénale, pour escroquerie, contre B., C. et T.
Le 23 novembre 1954, le juge bernois a inculpé Edouard A., Arthur B. et Werner C. de banqueroute simple et a joint cette nouvelle procédure à celle qui était déjà pendante.
C.- Par requête du 7 janvier 1955, Edouard A. demande à la Chambre d'accusation du Tribunal fédéral de déclarer les tribunaux genevois compétents pour connaître de l'action pénale ouverte pour banqueroute simple contre les organes de la société.
Le Juge d'instruction du district de Thoune conclut au rejet de la requête.
En revanche, le Procureur général du Canton de Berne propose que la procédure ouverte pour banqueroute simple soit dissociée et confiée aux autorités judiciaires genevoises.
Quant au Procureur général du Canton de Genève, il s'en remet à la décision de la Chambre d'accusation du Tribunal fédéral.
Erwägungen
Considérant en droit:
1. En ce qui concerne les délits d'escroquerie, tous les inculpés, savoir Arthur B., Werner C. et Walter T., relèvent du juge bernois. Il n'y a pas de contestation sur ce point.
2. Selon la jurisprudence du Tribunal fédéral, le délit de banqueroute simple doit être poursuivi, en principe, au domicile ou au siège social qu'avait le débiteur lors de la commission des infractions (RO 72 IV 91, 73 IV 57), c'est-à-dire à l'époque des actes ou des omissions que le juge entend incriminer pour établir la légèreté coupable, les dépenses exagérées, les spéculations hasardées ou la grave négligence de l'inculpé (art. 165 CP). Le Tribunal fédéral avait, cependant, réservé le cas où ce for ne coïncide pas avec celui de la faillite parce que, par exemple, comme en l'espèce, le siège social a changé depuis la commision des actes (RO 72 IV 92). Mais, même dans ce cas, il ne se justifie pas de s'écarter du principe établi par la jurisprudence et de désigner comme for de l'action pénale le lieu où la faillite a été ouverte. En fixant le for, en effet, il convient de s'en tenir autant que possible au centre de gravité de l'activité frauduleuse, car c'est là, en général, que se trouvent les preuves à administrer. Or, dans la banqueroute, ce centre de gravité est à l'endroit où le débiteur avait son domicile ou son siège social au moment des actes ou des omissions délictueux. Dès lors - sous réserve des dérogations que la Chambre d'accusation peut, dans les cas particuliers, apporter aux art. 346 et suiv. CP en vertu des art. 262 et 263 PPF - c'est ce lieu qui est décisif, même si le domicile du débiteur a changé après coup et si la faillite a été ouverte dans un autre endroit.
En l'espèce, Walter T. et Arthur B. relèvent du for bernois. En effet, le premier n'est inculpé que d'escroquerie et le second, inculpé également de banqueroute simple, n'a été administrateur de la société qu'à l'époque où elle avait son siège à Berne. Quant à Werner C., il relève du for bernois pour l'escroquerie et du for genevois pour le délit de banqueroute, puisque la société était domiciliée à Genève pendant son mandat d'administrateur. Mais l'escroquerie étant l'infraction la plus grave, c'est le premier de ces fors qui l'emporte (art. 350 al. 1 CP).
En ce qui concerne le requérant Edouard A., inculpé uniquement de banqueroute simple, il y a concours entre le for du Canton de Berne et celui du Canton de Genève, attendu que, durant l'époque où il a fait partie du conseil d'administration, la société a eu son siège successivement à Genève et à Berne. Mais, en vertu de l'art. 346 al. 2 CP, on doit admettre qu'il relève du juge où la première instruction a été ouverte, c'est-à-dire du juge bernois. Ainsi, l'application de la loi conduit, pour tous les inculpés et notamment pour le requérant A., à l'admission du for du Canton de Berne.
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Art. 346 CP. La bancarotta fraudolenta e la bancarotta semplice devono essere perseguite nel luogo in cui il debitore aveva il suo domicilio o la sua sede sociale quando il reato fu compiuto, anche se il fallimento è stato aperto in un altro luogo.
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81 IV 67
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Sachverhalt ab Seite 67
Dr. Schulthess erhob gegen Heinrich Stutz beim Untersuchungsrichteramt Bern Ehrverletzungsklage wegen Äusserungen, die Stutz als Zeuge vor dem Gerichtspräsidenten III in Bern und in einem von Hombrechtikon (Kanton Zürich) aus an den Anwalt des Klägers gerichteten Brief getan hatte. Der Generalprokurator des Kantons Bern anerkannte am 15. Dezember 1954 gestützt auf Art. 350 Ziff. 1 Abs. 2 StGB den bernischen Gerichtsstand. Stutz ficht diesen Entscheid bei der Anklagekammer des Bundesgerichts mit Bezug auf die im Kanton Zürich begangene Handlung an. Er anerkennt, dass beide Handlungen, die Gegenstand der Klage bilden, mit der gleichen Strafe bedroht sind, bestreitet jedoch, dass er mit Bezug auf die im Brief getane Äusserung im Sinne des Art. 350 Ziff. 1 Abs. 2 StGB "verfolgt" werde; denn nur die Behörden des Kantons Zürich seien zuständig, die Verfolgung dieser Handlung aufzunehmen.
Erwägungen
Die Anklagekammer zieht in Erwägung:
Art. 350 Ziff. 1 StGB ordnet den Gerichtsstand beim Zusammentreffen strafbarer Handlungen. Indem der zweite Absatz dieser Norm die Behörden des Ortes, wo die Untersuchung zuerst angehoben wird, für die Verfolgung aller mit der gleichen Strafe bedrohten Handlungen zuständig erklärt, bestimmt er, dass diese Behörden auch berechtigt und verpflichtet sind, den Täter wegen der im anderen Kanton verübten Handlungen zu verfolgen und zu beurteilen.
Ihnen steht daher auch zu, zu befinden, ob deren Verfolgung überhaupt stattzufinden hat. Dies jedenfalls in dem hier zutreffenden Falle, dass im anderen Kanton über diese Handlungen weder ein Urteil noch ein Einstellungsbeschluss ergangen ist, der Grundsatz "ne bis in idem" durch Aufnahme der Verfolgung in dem nach Art. 350 Ziff. 1 Abs. 2 StGB zuständigen Kanton also nicht verletzt werden kann. Den Kläger an die Behörden des Tatortes zu weisen, obschon feststeht, dass diese nach der genannten klaren Bestimmung zur Verfolgung nicht zuständig sind, weil ein anderer Kanton wegen einer mit gleicher Strafe bedrohten und in seinem Gebiete verübten Handlung bereits eine Untersuchung angehoben hat, wäre unsinnig. Die Behörden des nach Art. 350 Ziff. 1 Abs. 2 unzuständigen Kantons müssten sich darauf beschränken, ihre Unzuständigkeit festzustellen, zumal wenn die Tat nur auf Antrag zu verfolgen ist und daher die blosse Übermittlung der Akten an den anderen Kanton diesen nicht notwendigerweise (von Bundesrechts wegen) verpflichtet, das Verfahren fortzusetzen (vgl. BGE 73 IV 207). Daran ändert der Umstand nichts, dass der erste Absatz von Art. 350 Ziff. 1, an den der Wortlaut des zweiten Absatzes anknüpft, mit den Worten beginnt: "Wird jemand wegen mehrerer, an verschiedenen Orten verübter strafbarer Handlungen verfolgt, ....." Das heisst nicht, dass Art. 350 Ziff. 1 erst gelte, wenn an verschiedenen Orten Strafverfahren hängig sind. Es genügt, dass der Beschuldigte an verschiedenen Orten strafbare Handlungen begangen hat und die zuständige Behörde sie verfolgen will. Welche Behörde zuständig ist, sagt aber gerade Art. 350. Einer Ermächtigung der Behörde des Tatortes, die Verfolgung aufzunehmen, bedarf sie nicht; weder Art. 350 noch eine andere Bestimmung sieht das vor.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den in BGE 73 IV 205 ff. und BGE 75 IV 139 ff. veröffentlichten Entscheiden, auf die Stutz sich beruft. Ersterer betrifft einen Fall, in dem ein Kanton einen anderen nach Art. 346 StGB zur Übernahme einer Strafverfolgung verhalten wollte, in der Meinung, dessen Behörden hätten ihre Zuständigkeit bestritten, während sie die Verfolgung lediglich abgelehnt hatten, weil bei ihnen nicht nach den Vorschriften ihres Prozessrechts Strafantrag gestellt worden war. Ein Streit um den Gerichtsstand lag dort überhaupt nicht vor. In BGE 75 IV 139 ff. sodann wurde lediglich in Bezug auf den Fall eines negativen Gerichtsstandskonfliktes, wie er dort zu beurteilen war, ausgeführt, dass die Entscheidung darüber, ob ein Strafverfahren stattfinden solle, den Behörden des Tatortes zustehe. Das heisst nach dem Zusammenhange nur, dass den Behörden eines Kantons nicht eine Gesamtverfolgung nach Art. 350 Ziff. 1 StGB aufgenötigt werden kann im Hinblick auf eine in diesem Kanton verübte Tat, die sie nicht verfolgen wollen, sei es, dass sie die Eröffnung des Verfahrens abgelehnt, sei es, dass sie die Verfolgung - bevor der andere Kanton die Untersuchung wegen der anderen Handlungen angehoben hat (BGE 76 IV 206 Erw. 3) - eingestellt haben. Diese Auslegung des Gesetzes versteht sich. Ein Kanton soll nicht wegen Handlungen, die weder nach Art. 350 noch nach Art. 346 seiner Gerichtsbarkeit unterstehen und die der zuständige Kanton nicht verfolgen will, sich der Pflicht zur Verfolgung anderer, im eigenen Gebiete verübter Handlungen entziehen können. Daraus darf nicht abgeleitet werden, dass er auch nicht befugt sei, eine im andern Kanton verübte Handlung ohne dessen Ermächtigung gestützt auf Art. 350 Ziff. 1 zusammen mit den im eigenen Kanton verübten Handlungen zu verfolgen. Diesen Schluss haben denn auch die kantonalen Behörden in ihrer Praxis trotz der allgemeinen Fassung von BGE 75 IV 141 nie gezogen.
Dispositiv
Demnach erkennt die Anklagekammer:
Das Gesuch wird abgewiesen, und die Behörden des Kantons Bern werden zuständig erklärt, den Gesuchsteller auch für die im Kanton Zürich verübte Tat zu verfolgen und zu beurteilen.
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Art. 350 Ziff. 1 StGB. Der Kanton, der nach dieser Bestimmung zuständig ist, darf die in einem anderen Kanton verübten Handlungen ohne dessen Ermächtigung mitverfolgen.
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81 IV 67
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Sachverhalt ab Seite 67
Dr. Schulthess erhob gegen Heinrich Stutz beim Untersuchungsrichteramt Bern Ehrverletzungsklage wegen Äusserungen, die Stutz als Zeuge vor dem Gerichtspräsidenten III in Bern und in einem von Hombrechtikon (Kanton Zürich) aus an den Anwalt des Klägers gerichteten Brief getan hatte. Der Generalprokurator des Kantons Bern anerkannte am 15. Dezember 1954 gestützt auf Art. 350 Ziff. 1 Abs. 2 StGB den bernischen Gerichtsstand. Stutz ficht diesen Entscheid bei der Anklagekammer des Bundesgerichts mit Bezug auf die im Kanton Zürich begangene Handlung an. Er anerkennt, dass beide Handlungen, die Gegenstand der Klage bilden, mit der gleichen Strafe bedroht sind, bestreitet jedoch, dass er mit Bezug auf die im Brief getane Äusserung im Sinne des Art. 350 Ziff. 1 Abs. 2 StGB "verfolgt" werde; denn nur die Behörden des Kantons Zürich seien zuständig, die Verfolgung dieser Handlung aufzunehmen.
Erwägungen
Die Anklagekammer zieht in Erwägung:
Art. 350 Ziff. 1 StGB ordnet den Gerichtsstand beim Zusammentreffen strafbarer Handlungen. Indem der zweite Absatz dieser Norm die Behörden des Ortes, wo die Untersuchung zuerst angehoben wird, für die Verfolgung aller mit der gleichen Strafe bedrohten Handlungen zuständig erklärt, bestimmt er, dass diese Behörden auch berechtigt und verpflichtet sind, den Täter wegen der im anderen Kanton verübten Handlungen zu verfolgen und zu beurteilen.
Ihnen steht daher auch zu, zu befinden, ob deren Verfolgung überhaupt stattzufinden hat. Dies jedenfalls in dem hier zutreffenden Falle, dass im anderen Kanton über diese Handlungen weder ein Urteil noch ein Einstellungsbeschluss ergangen ist, der Grundsatz "ne bis in idem" durch Aufnahme der Verfolgung in dem nach Art. 350 Ziff. 1 Abs. 2 StGB zuständigen Kanton also nicht verletzt werden kann. Den Kläger an die Behörden des Tatortes zu weisen, obschon feststeht, dass diese nach der genannten klaren Bestimmung zur Verfolgung nicht zuständig sind, weil ein anderer Kanton wegen einer mit gleicher Strafe bedrohten und in seinem Gebiete verübten Handlung bereits eine Untersuchung angehoben hat, wäre unsinnig. Die Behörden des nach Art. 350 Ziff. 1 Abs. 2 unzuständigen Kantons müssten sich darauf beschränken, ihre Unzuständigkeit festzustellen, zumal wenn die Tat nur auf Antrag zu verfolgen ist und daher die blosse Übermittlung der Akten an den anderen Kanton diesen nicht notwendigerweise (von Bundesrechts wegen) verpflichtet, das Verfahren fortzusetzen (vgl. BGE 73 IV 207). Daran ändert der Umstand nichts, dass der erste Absatz von Art. 350 Ziff. 1, an den der Wortlaut des zweiten Absatzes anknüpft, mit den Worten beginnt: "Wird jemand wegen mehrerer, an verschiedenen Orten verübter strafbarer Handlungen verfolgt, ....." Das heisst nicht, dass Art. 350 Ziff. 1 erst gelte, wenn an verschiedenen Orten Strafverfahren hängig sind. Es genügt, dass der Beschuldigte an verschiedenen Orten strafbare Handlungen begangen hat und die zuständige Behörde sie verfolgen will. Welche Behörde zuständig ist, sagt aber gerade Art. 350. Einer Ermächtigung der Behörde des Tatortes, die Verfolgung aufzunehmen, bedarf sie nicht; weder Art. 350 noch eine andere Bestimmung sieht das vor.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den in BGE 73 IV 205 ff. und BGE 75 IV 139 ff. veröffentlichten Entscheiden, auf die Stutz sich beruft. Ersterer betrifft einen Fall, in dem ein Kanton einen anderen nach Art. 346 StGB zur Übernahme einer Strafverfolgung verhalten wollte, in der Meinung, dessen Behörden hätten ihre Zuständigkeit bestritten, während sie die Verfolgung lediglich abgelehnt hatten, weil bei ihnen nicht nach den Vorschriften ihres Prozessrechts Strafantrag gestellt worden war. Ein Streit um den Gerichtsstand lag dort überhaupt nicht vor. In BGE 75 IV 139 ff. sodann wurde lediglich in Bezug auf den Fall eines negativen Gerichtsstandskonfliktes, wie er dort zu beurteilen war, ausgeführt, dass die Entscheidung darüber, ob ein Strafverfahren stattfinden solle, den Behörden des Tatortes zustehe. Das heisst nach dem Zusammenhange nur, dass den Behörden eines Kantons nicht eine Gesamtverfolgung nach Art. 350 Ziff. 1 StGB aufgenötigt werden kann im Hinblick auf eine in diesem Kanton verübte Tat, die sie nicht verfolgen wollen, sei es, dass sie die Eröffnung des Verfahrens abgelehnt, sei es, dass sie die Verfolgung - bevor der andere Kanton die Untersuchung wegen der anderen Handlungen angehoben hat (BGE 76 IV 206 Erw. 3) - eingestellt haben. Diese Auslegung des Gesetzes versteht sich. Ein Kanton soll nicht wegen Handlungen, die weder nach Art. 350 noch nach Art. 346 seiner Gerichtsbarkeit unterstehen und die der zuständige Kanton nicht verfolgen will, sich der Pflicht zur Verfolgung anderer, im eigenen Gebiete verübter Handlungen entziehen können. Daraus darf nicht abgeleitet werden, dass er auch nicht befugt sei, eine im andern Kanton verübte Handlung ohne dessen Ermächtigung gestützt auf Art. 350 Ziff. 1 zusammen mit den im eigenen Kanton verübten Handlungen zu verfolgen. Diesen Schluss haben denn auch die kantonalen Behörden in ihrer Praxis trotz der allgemeinen Fassung von BGE 75 IV 141 nie gezogen.
Dispositiv
Demnach erkennt die Anklagekammer:
Das Gesuch wird abgewiesen, und die Behörden des Kantons Bern werden zuständig erklärt, den Gesuchsteller auch für die im Kanton Zürich verübte Tat zu verfolgen und zu beurteilen.
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Art. 350 ch. 1 CP. L'autorité cantonale qui est compétente de par cette disposition légale est autorisée à poursuivre les actes commis dans un autre canton sans l'autorisation de celui-ci.
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Sachverhalt ab Seite 67
Dr. Schulthess erhob gegen Heinrich Stutz beim Untersuchungsrichteramt Bern Ehrverletzungsklage wegen Äusserungen, die Stutz als Zeuge vor dem Gerichtspräsidenten III in Bern und in einem von Hombrechtikon (Kanton Zürich) aus an den Anwalt des Klägers gerichteten Brief getan hatte. Der Generalprokurator des Kantons Bern anerkannte am 15. Dezember 1954 gestützt auf Art. 350 Ziff. 1 Abs. 2 StGB den bernischen Gerichtsstand. Stutz ficht diesen Entscheid bei der Anklagekammer des Bundesgerichts mit Bezug auf die im Kanton Zürich begangene Handlung an. Er anerkennt, dass beide Handlungen, die Gegenstand der Klage bilden, mit der gleichen Strafe bedroht sind, bestreitet jedoch, dass er mit Bezug auf die im Brief getane Äusserung im Sinne des Art. 350 Ziff. 1 Abs. 2 StGB "verfolgt" werde; denn nur die Behörden des Kantons Zürich seien zuständig, die Verfolgung dieser Handlung aufzunehmen.
Erwägungen
Die Anklagekammer zieht in Erwägung:
Art. 350 Ziff. 1 StGB ordnet den Gerichtsstand beim Zusammentreffen strafbarer Handlungen. Indem der zweite Absatz dieser Norm die Behörden des Ortes, wo die Untersuchung zuerst angehoben wird, für die Verfolgung aller mit der gleichen Strafe bedrohten Handlungen zuständig erklärt, bestimmt er, dass diese Behörden auch berechtigt und verpflichtet sind, den Täter wegen der im anderen Kanton verübten Handlungen zu verfolgen und zu beurteilen.
Ihnen steht daher auch zu, zu befinden, ob deren Verfolgung überhaupt stattzufinden hat. Dies jedenfalls in dem hier zutreffenden Falle, dass im anderen Kanton über diese Handlungen weder ein Urteil noch ein Einstellungsbeschluss ergangen ist, der Grundsatz "ne bis in idem" durch Aufnahme der Verfolgung in dem nach Art. 350 Ziff. 1 Abs. 2 StGB zuständigen Kanton also nicht verletzt werden kann. Den Kläger an die Behörden des Tatortes zu weisen, obschon feststeht, dass diese nach der genannten klaren Bestimmung zur Verfolgung nicht zuständig sind, weil ein anderer Kanton wegen einer mit gleicher Strafe bedrohten und in seinem Gebiete verübten Handlung bereits eine Untersuchung angehoben hat, wäre unsinnig. Die Behörden des nach Art. 350 Ziff. 1 Abs. 2 unzuständigen Kantons müssten sich darauf beschränken, ihre Unzuständigkeit festzustellen, zumal wenn die Tat nur auf Antrag zu verfolgen ist und daher die blosse Übermittlung der Akten an den anderen Kanton diesen nicht notwendigerweise (von Bundesrechts wegen) verpflichtet, das Verfahren fortzusetzen (vgl. BGE 73 IV 207). Daran ändert der Umstand nichts, dass der erste Absatz von Art. 350 Ziff. 1, an den der Wortlaut des zweiten Absatzes anknüpft, mit den Worten beginnt: "Wird jemand wegen mehrerer, an verschiedenen Orten verübter strafbarer Handlungen verfolgt, ....." Das heisst nicht, dass Art. 350 Ziff. 1 erst gelte, wenn an verschiedenen Orten Strafverfahren hängig sind. Es genügt, dass der Beschuldigte an verschiedenen Orten strafbare Handlungen begangen hat und die zuständige Behörde sie verfolgen will. Welche Behörde zuständig ist, sagt aber gerade Art. 350. Einer Ermächtigung der Behörde des Tatortes, die Verfolgung aufzunehmen, bedarf sie nicht; weder Art. 350 noch eine andere Bestimmung sieht das vor.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den in BGE 73 IV 205 ff. und BGE 75 IV 139 ff. veröffentlichten Entscheiden, auf die Stutz sich beruft. Ersterer betrifft einen Fall, in dem ein Kanton einen anderen nach Art. 346 StGB zur Übernahme einer Strafverfolgung verhalten wollte, in der Meinung, dessen Behörden hätten ihre Zuständigkeit bestritten, während sie die Verfolgung lediglich abgelehnt hatten, weil bei ihnen nicht nach den Vorschriften ihres Prozessrechts Strafantrag gestellt worden war. Ein Streit um den Gerichtsstand lag dort überhaupt nicht vor. In BGE 75 IV 139 ff. sodann wurde lediglich in Bezug auf den Fall eines negativen Gerichtsstandskonfliktes, wie er dort zu beurteilen war, ausgeführt, dass die Entscheidung darüber, ob ein Strafverfahren stattfinden solle, den Behörden des Tatortes zustehe. Das heisst nach dem Zusammenhange nur, dass den Behörden eines Kantons nicht eine Gesamtverfolgung nach Art. 350 Ziff. 1 StGB aufgenötigt werden kann im Hinblick auf eine in diesem Kanton verübte Tat, die sie nicht verfolgen wollen, sei es, dass sie die Eröffnung des Verfahrens abgelehnt, sei es, dass sie die Verfolgung - bevor der andere Kanton die Untersuchung wegen der anderen Handlungen angehoben hat (BGE 76 IV 206 Erw. 3) - eingestellt haben. Diese Auslegung des Gesetzes versteht sich. Ein Kanton soll nicht wegen Handlungen, die weder nach Art. 350 noch nach Art. 346 seiner Gerichtsbarkeit unterstehen und die der zuständige Kanton nicht verfolgen will, sich der Pflicht zur Verfolgung anderer, im eigenen Gebiete verübter Handlungen entziehen können. Daraus darf nicht abgeleitet werden, dass er auch nicht befugt sei, eine im andern Kanton verübte Handlung ohne dessen Ermächtigung gestützt auf Art. 350 Ziff. 1 zusammen mit den im eigenen Kanton verübten Handlungen zu verfolgen. Diesen Schluss haben denn auch die kantonalen Behörden in ihrer Praxis trotz der allgemeinen Fassung von BGE 75 IV 141 nie gezogen.
Dispositiv
Demnach erkennt die Anklagekammer:
Das Gesuch wird abgewiesen, und die Behörden des Kantons Bern werden zuständig erklärt, den Gesuchsteller auch für die im Kanton Zürich verübte Tat zu verfolgen und zu beurteilen.
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Art. 350 cifra 1 CP. L'autorità cantonale competente in virtù di questa disposizione può perseguire i reati commessi in un altro Cantone senza chiedergliene l'autorizzazione.
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81 IV 70
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Sachverhalt ab Seite 70
A.- Am 30. Juli 1953 schloss in St. Gallen Hans Brunner als Bauherr mit Rosa Gyr-Baumann, vertreten durch den Ehemann Josef Gyr, als "Unternehmer und Bauherr-Vertreter" einen Werkvertrag über die Erstellung eines Geschäfts- und Wohnhauses in Watt-Niederteufen (Appenzell-A.Rh.) ab. Danach übernahm Josef Gyr bzw. dessen Ehefrau die Ausführung des Baues für Fr. 120'000.-- (zuzüglich eine allfällige Kostenüberschreitung von Fr. 5000.--). Auch die Finanzierung des Hauses übernahm Josef Gyr, wobei die Errichtung von drei Grundpfandverschreibungen über Fr. 85'000.--, Fr. 20'000.-- und Fr. 15'000.-- vorgesehen war. Durch Zusatzvertrag vom 3. April 1954, abgeschlossen in Watt-Niederteufen, erklärte sich Brunner unter bestimmten Bedingungen und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht bereit, die Bausumme von Fr. 120'000.-- auf Fr. 148'000.-- zu erhöhen.
B.- Am 7. Oktober 1954 erhob Brunner beim Untersuchungsrichteramt St. Gallen Strafklage gegen die Eheleute Gyr wegen Betruges. Er behauptet, zum Abschluss der Verträge vom 30. Juli 1953 und vom 3. April 1954 durch betrügerische Machenschaften der Beschuldigten verleitet worden und dadurch geschädigt zu sein. Die Schädigung sei vor allem eingetreten, indem Gyr den Erlös aus den in Teufen (Appenzell-A.Rh.) errichteten Grundpfandtiteln von Fr. 20'000.-- und Fr. 15'000.-- nicht zur Deckung der Bauhandwerkerforderungen, sondern zur Begleichung eigener Geschäftsschulden verwendet habe, worauf unbezahlte Bauhandwerker bisher für rund Fr. 20'000.-- Bauhandwerkerpfandrechte hätten eintragen lassen. Weiter habe Gyr auf die Verschreibung von Fr. 85'000.-- ohne Einverständnis des Grundpfandschuldners Brunner einen Einschlag von Fr. 7000.-- gewährt.
C.- Eine weitere Strafklage gegen Rosa Gyr, und zwar wegen Pfändungsbetruges, eventuell wegen leichtsinnigen Vermögensverfalls, wurde beim Untersuchungsrichteramt St. Gallen am 20. November 1954 von Frau Schönenberger, Malergeschäft St. Gallen, erhoben.
D.- Das Untersuchungsrichteramt St. Gallen hielt sich für unzuständig, die Eheleute Gyr zu verfolgen. Es nahm an, der in St. Gallen abgeschlossene Werkvertrag sei höchstens als Vorbereitungshandlung für die betrügerischen Machenschaften des Gyr zu betrachten; diese, wie die Schädigung, wären in Teufen erfolgt, weshalb die appenzellischen Behörden zuständig seien.
E.- Da das Verhöramt des Kantons Appenzell-A.Rh. die Übernahme der Strafverfolgung ablehnte, ersuchte die Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen mit Eingabe vom 15. Dezember 1954 die Anklagekammer des Bundesgerichtes, den zur Verfolgung und Beurteilung der Eheleute Gyr zuständigen Kanton zu bezeichnen. Die Gesuchstellerin hält daran fest, dass die Beschuldigten durch die Behörden des Kantons Appenzell-A.Rh. zu verfolgen seien.
F.- Die Justizdirektion des Kantons Appenzell-A.Rh. beantragt, die Behörden des Kantons St. Gallen zuständig zu erklären.
Der Strafkläger Hans Brunner schliesst sich diesem Antrag an.
Erwägungen
Die Anklagekammer zieht in Erwägung:
1. Die sanktgallischen und appenzellischen Behörden sind sich einig, dass jener Kanton, dem die Gerichtsbarkeit für die von Brunner erhobenen Anschuldigungen zukomme, Frau Gyr auch für die ihr von Frau Schönenberger zur Last gelegten Taten zu verfolgen und zu beurteilen habe.
2. Streitig ist, ob die Eheleute Gyr die ihnen von Brunner vorgeworfene strafbare Handlung nur im Kanton Appenzell-A.Rh. oder auch in andern Kantonen, vor allem in St. Gallen, ausgeführt haben. Vom Entscheid über diese Frage hängt ab, ob der Gerichtsstand nach der Regel des Abs. 1 des Art. 346 StGB zu bezeichnen, oder ob dafür Abs. 2 dieser Bestimmung massgebend sei.
Nach der Darstellung in der Strafklage war Gyr von Anfang an entschlossen, Brunner hereinzulegen, und hat er diesen bewusst und gewollt schon beim Abschluss des Vertrages vom 30. Juli 1953 in St. Gallen durch die Zusicherung getäuscht, dass er den Bau für Fr. 120'000.-- schlüsselfertig zur Ausführung übernehme. Trifft diese Sachdarstellung zu, so hat Gyr jedenfalls auch in St. Gallen Handlungen vorgenommen, die nicht als blosse Vorbereitungshandlungen zu würdigen sind, sondern zur Ausführung des Verbrechens gehören (vgl.BGE 71 IV 211;BGE 74 IV 133;BGE 75 IV 177). Zuständig zur Verfolgung und Beurteilung der Tat sind in diesem Falle nach der Regel des Art. 346 Abs. 2 StGB die Behörden des Kantons St. Gallen, da dort die Untersuchung durch die Einreichung der Strafklage (vgl.BGE 71 IV 59Erw. 3) zuerst angehoben worden ist.
3. Aus den Akten ergibt sich nun aber nicht, ob die angeführte Sachdarstellung des Strafklägers richtig sei. Anderseits steht es nicht der Anklagekammer zu, die zur Ermittlung der Ausführungsorte erforderlichen Erhebungen selber vorzunehmen; sie hat lediglich auf Grund der Akten zu entscheiden (BGE 73 IV 62Erw. 2).
Auf diese Erhebungen kann im vorliegenden Falle auch nicht etwa im Hinblick auf die Befugnis der Anklagekammer verzichtet werden, gestützt auf Art. 263 BStP aus Zweckmässigkeitsgründen vom Gerichtsstande des Art. 346 StGB abzuweichen (BGE 69 IV 43;BGE 71 IV 160). Für eine solche Entscheidung besteht im vorliegenden Falle kein genügender Anlass, da nach der Strafklage ein bedeutender Teil der betrügerischen Machenschaften in St. Gallen begangen worden sein kann. Hier wurde der Vertrag vom 30. Juli 1953 abgeschlossen, welcher die - eine Grundlage des Betruges bildende - Vollmacht zur Finanzierung des Bauvorhabens enthält. Gleichfalls in St. Gallen soll die Grundpfandverschreibung von Fr. 15'000.-- mit einem Einschlag von Fr. 3000.-- übergeben worden sein. Dazu kommt, dass die Beschuldigten nun im Kanton St. Gallen wohnen und dass sich der Strafkläger auf dort ansässige Zeugen beruft, worunter vor allem auf den bauleitenden Architekten, mit dem die Beschuldigten wohl oft in St. Gallen verhandelt haben. Diese Gründe lassen nicht zu, den Gerichtsstand St. Gallen von vorneherein auszuschliessen und die Behörden von Appenzell-A.Rh. zuständig zu erklären, nur weil die wichtigeren Ausführungshandlungen des Verbrechens in diesem Kanton vorgenommen worden sind (vgl.BGE 71 IV 59).
4. Es ist demnach unerlässlich, dass vorerst die zur Bestimmung des Gerichtsstandes nötigen Feststellungen getroffen werden, und zwar obliegt diese Aufgabe, da nicht ein Antragsdelikt in Frage steht, nicht etwa dem Strafkläger (BGE 73 IV 63). Es ist vielmehr Sache der sanktgallischen Behörden, an die sich der Strafkläger Brunner zuerst gewendet hat (vgl.BGE 71 IV 59Erw. 3), die Umstände der strafbaren Handlung, die den Beschuldigten Eheleuten Gyr vorgeworfen wird, soweit abzuklären, als es für die Bestimmung des Gerichtsstandes erforderlich ist. Stellt sich dabei heraus, dass die Beschuldigten in St. Gallen eine Ausführungshandlung vorgenommen haben, so sind die Behörden dieses Kantons verpflichtet, die Eheleute Gyr für alle ihnen zur Last gelegten strafbaren Handlungen zu verfolgen und zu beurteilen. Der sanktgallische Gerichtsstand ergibt sich dann aus Art. 346 Abs. 2 StGB. Falls dagegen die Erhebungen ergeben, dass die von Brunner verzeigte Tat restlos ausserhalb des Kantons St. Gallen ausgeführt worden ist, so sind die sanktgallischen Behörden nicht verpflichtet, die weitere Verfolgung und die Beurteilung zu übernehmen.
Dispositiv
Demnach erkennt die Anklagekammer:
Die Behörden des Kantons St. Gallen werden im Sinne der Erwägungen berechtigt und verpflichtet erklärt, Josef und Rosa Gyr-Baumann zu verfolgen und zu beurteilen.
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Art. 264 BStP, Art. 351 StGB. Die Behörden des Kantons, dem auf Grund des in der Anzeige behaupteten Sachverhaltes die Gerichtsbarkeit zu einer von Amtes wegen anzuhebenden Strafverfolgung zukäme, haben die für die Bestimmung des Gerichtsstandes erheblichen Tatsachen abzuklären.
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81 IV 70
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Sachverhalt ab Seite 70
A.- Am 30. Juli 1953 schloss in St. Gallen Hans Brunner als Bauherr mit Rosa Gyr-Baumann, vertreten durch den Ehemann Josef Gyr, als "Unternehmer und Bauherr-Vertreter" einen Werkvertrag über die Erstellung eines Geschäfts- und Wohnhauses in Watt-Niederteufen (Appenzell-A.Rh.) ab. Danach übernahm Josef Gyr bzw. dessen Ehefrau die Ausführung des Baues für Fr. 120'000.-- (zuzüglich eine allfällige Kostenüberschreitung von Fr. 5000.--). Auch die Finanzierung des Hauses übernahm Josef Gyr, wobei die Errichtung von drei Grundpfandverschreibungen über Fr. 85'000.--, Fr. 20'000.-- und Fr. 15'000.-- vorgesehen war. Durch Zusatzvertrag vom 3. April 1954, abgeschlossen in Watt-Niederteufen, erklärte sich Brunner unter bestimmten Bedingungen und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht bereit, die Bausumme von Fr. 120'000.-- auf Fr. 148'000.-- zu erhöhen.
B.- Am 7. Oktober 1954 erhob Brunner beim Untersuchungsrichteramt St. Gallen Strafklage gegen die Eheleute Gyr wegen Betruges. Er behauptet, zum Abschluss der Verträge vom 30. Juli 1953 und vom 3. April 1954 durch betrügerische Machenschaften der Beschuldigten verleitet worden und dadurch geschädigt zu sein. Die Schädigung sei vor allem eingetreten, indem Gyr den Erlös aus den in Teufen (Appenzell-A.Rh.) errichteten Grundpfandtiteln von Fr. 20'000.-- und Fr. 15'000.-- nicht zur Deckung der Bauhandwerkerforderungen, sondern zur Begleichung eigener Geschäftsschulden verwendet habe, worauf unbezahlte Bauhandwerker bisher für rund Fr. 20'000.-- Bauhandwerkerpfandrechte hätten eintragen lassen. Weiter habe Gyr auf die Verschreibung von Fr. 85'000.-- ohne Einverständnis des Grundpfandschuldners Brunner einen Einschlag von Fr. 7000.-- gewährt.
C.- Eine weitere Strafklage gegen Rosa Gyr, und zwar wegen Pfändungsbetruges, eventuell wegen leichtsinnigen Vermögensverfalls, wurde beim Untersuchungsrichteramt St. Gallen am 20. November 1954 von Frau Schönenberger, Malergeschäft St. Gallen, erhoben.
D.- Das Untersuchungsrichteramt St. Gallen hielt sich für unzuständig, die Eheleute Gyr zu verfolgen. Es nahm an, der in St. Gallen abgeschlossene Werkvertrag sei höchstens als Vorbereitungshandlung für die betrügerischen Machenschaften des Gyr zu betrachten; diese, wie die Schädigung, wären in Teufen erfolgt, weshalb die appenzellischen Behörden zuständig seien.
E.- Da das Verhöramt des Kantons Appenzell-A.Rh. die Übernahme der Strafverfolgung ablehnte, ersuchte die Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen mit Eingabe vom 15. Dezember 1954 die Anklagekammer des Bundesgerichtes, den zur Verfolgung und Beurteilung der Eheleute Gyr zuständigen Kanton zu bezeichnen. Die Gesuchstellerin hält daran fest, dass die Beschuldigten durch die Behörden des Kantons Appenzell-A.Rh. zu verfolgen seien.
F.- Die Justizdirektion des Kantons Appenzell-A.Rh. beantragt, die Behörden des Kantons St. Gallen zuständig zu erklären.
Der Strafkläger Hans Brunner schliesst sich diesem Antrag an.
Erwägungen
Die Anklagekammer zieht in Erwägung:
1. Die sanktgallischen und appenzellischen Behörden sind sich einig, dass jener Kanton, dem die Gerichtsbarkeit für die von Brunner erhobenen Anschuldigungen zukomme, Frau Gyr auch für die ihr von Frau Schönenberger zur Last gelegten Taten zu verfolgen und zu beurteilen habe.
2. Streitig ist, ob die Eheleute Gyr die ihnen von Brunner vorgeworfene strafbare Handlung nur im Kanton Appenzell-A.Rh. oder auch in andern Kantonen, vor allem in St. Gallen, ausgeführt haben. Vom Entscheid über diese Frage hängt ab, ob der Gerichtsstand nach der Regel des Abs. 1 des Art. 346 StGB zu bezeichnen, oder ob dafür Abs. 2 dieser Bestimmung massgebend sei.
Nach der Darstellung in der Strafklage war Gyr von Anfang an entschlossen, Brunner hereinzulegen, und hat er diesen bewusst und gewollt schon beim Abschluss des Vertrages vom 30. Juli 1953 in St. Gallen durch die Zusicherung getäuscht, dass er den Bau für Fr. 120'000.-- schlüsselfertig zur Ausführung übernehme. Trifft diese Sachdarstellung zu, so hat Gyr jedenfalls auch in St. Gallen Handlungen vorgenommen, die nicht als blosse Vorbereitungshandlungen zu würdigen sind, sondern zur Ausführung des Verbrechens gehören (vgl.BGE 71 IV 211;BGE 74 IV 133;BGE 75 IV 177). Zuständig zur Verfolgung und Beurteilung der Tat sind in diesem Falle nach der Regel des Art. 346 Abs. 2 StGB die Behörden des Kantons St. Gallen, da dort die Untersuchung durch die Einreichung der Strafklage (vgl.BGE 71 IV 59Erw. 3) zuerst angehoben worden ist.
3. Aus den Akten ergibt sich nun aber nicht, ob die angeführte Sachdarstellung des Strafklägers richtig sei. Anderseits steht es nicht der Anklagekammer zu, die zur Ermittlung der Ausführungsorte erforderlichen Erhebungen selber vorzunehmen; sie hat lediglich auf Grund der Akten zu entscheiden (BGE 73 IV 62Erw. 2).
Auf diese Erhebungen kann im vorliegenden Falle auch nicht etwa im Hinblick auf die Befugnis der Anklagekammer verzichtet werden, gestützt auf Art. 263 BStP aus Zweckmässigkeitsgründen vom Gerichtsstande des Art. 346 StGB abzuweichen (BGE 69 IV 43;BGE 71 IV 160). Für eine solche Entscheidung besteht im vorliegenden Falle kein genügender Anlass, da nach der Strafklage ein bedeutender Teil der betrügerischen Machenschaften in St. Gallen begangen worden sein kann. Hier wurde der Vertrag vom 30. Juli 1953 abgeschlossen, welcher die - eine Grundlage des Betruges bildende - Vollmacht zur Finanzierung des Bauvorhabens enthält. Gleichfalls in St. Gallen soll die Grundpfandverschreibung von Fr. 15'000.-- mit einem Einschlag von Fr. 3000.-- übergeben worden sein. Dazu kommt, dass die Beschuldigten nun im Kanton St. Gallen wohnen und dass sich der Strafkläger auf dort ansässige Zeugen beruft, worunter vor allem auf den bauleitenden Architekten, mit dem die Beschuldigten wohl oft in St. Gallen verhandelt haben. Diese Gründe lassen nicht zu, den Gerichtsstand St. Gallen von vorneherein auszuschliessen und die Behörden von Appenzell-A.Rh. zuständig zu erklären, nur weil die wichtigeren Ausführungshandlungen des Verbrechens in diesem Kanton vorgenommen worden sind (vgl.BGE 71 IV 59).
4. Es ist demnach unerlässlich, dass vorerst die zur Bestimmung des Gerichtsstandes nötigen Feststellungen getroffen werden, und zwar obliegt diese Aufgabe, da nicht ein Antragsdelikt in Frage steht, nicht etwa dem Strafkläger (BGE 73 IV 63). Es ist vielmehr Sache der sanktgallischen Behörden, an die sich der Strafkläger Brunner zuerst gewendet hat (vgl.BGE 71 IV 59Erw. 3), die Umstände der strafbaren Handlung, die den Beschuldigten Eheleuten Gyr vorgeworfen wird, soweit abzuklären, als es für die Bestimmung des Gerichtsstandes erforderlich ist. Stellt sich dabei heraus, dass die Beschuldigten in St. Gallen eine Ausführungshandlung vorgenommen haben, so sind die Behörden dieses Kantons verpflichtet, die Eheleute Gyr für alle ihnen zur Last gelegten strafbaren Handlungen zu verfolgen und zu beurteilen. Der sanktgallische Gerichtsstand ergibt sich dann aus Art. 346 Abs. 2 StGB. Falls dagegen die Erhebungen ergeben, dass die von Brunner verzeigte Tat restlos ausserhalb des Kantons St. Gallen ausgeführt worden ist, so sind die sanktgallischen Behörden nicht verpflichtet, die weitere Verfolgung und die Beurteilung zu übernehmen.
Dispositiv
Demnach erkennt die Anklagekammer:
Die Behörden des Kantons St. Gallen werden im Sinne der Erwägungen berechtigt und verpflichtet erklärt, Josef und Rosa Gyr-Baumann zu verfolgen und zu beurteilen.
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Art. 264 PPF et 351 CP. Les faits décisifs pour déterminer le for doivent être éclaircis par les autorités cantonales qui seraient, d'après l'état de fait exposé dans la dénonciation, compétentes pour poursuivre l'infraction d'office.
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Sachverhalt ab Seite 70
A.- Am 30. Juli 1953 schloss in St. Gallen Hans Brunner als Bauherr mit Rosa Gyr-Baumann, vertreten durch den Ehemann Josef Gyr, als "Unternehmer und Bauherr-Vertreter" einen Werkvertrag über die Erstellung eines Geschäfts- und Wohnhauses in Watt-Niederteufen (Appenzell-A.Rh.) ab. Danach übernahm Josef Gyr bzw. dessen Ehefrau die Ausführung des Baues für Fr. 120'000.-- (zuzüglich eine allfällige Kostenüberschreitung von Fr. 5000.--). Auch die Finanzierung des Hauses übernahm Josef Gyr, wobei die Errichtung von drei Grundpfandverschreibungen über Fr. 85'000.--, Fr. 20'000.-- und Fr. 15'000.-- vorgesehen war. Durch Zusatzvertrag vom 3. April 1954, abgeschlossen in Watt-Niederteufen, erklärte sich Brunner unter bestimmten Bedingungen und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht bereit, die Bausumme von Fr. 120'000.-- auf Fr. 148'000.-- zu erhöhen.
B.- Am 7. Oktober 1954 erhob Brunner beim Untersuchungsrichteramt St. Gallen Strafklage gegen die Eheleute Gyr wegen Betruges. Er behauptet, zum Abschluss der Verträge vom 30. Juli 1953 und vom 3. April 1954 durch betrügerische Machenschaften der Beschuldigten verleitet worden und dadurch geschädigt zu sein. Die Schädigung sei vor allem eingetreten, indem Gyr den Erlös aus den in Teufen (Appenzell-A.Rh.) errichteten Grundpfandtiteln von Fr. 20'000.-- und Fr. 15'000.-- nicht zur Deckung der Bauhandwerkerforderungen, sondern zur Begleichung eigener Geschäftsschulden verwendet habe, worauf unbezahlte Bauhandwerker bisher für rund Fr. 20'000.-- Bauhandwerkerpfandrechte hätten eintragen lassen. Weiter habe Gyr auf die Verschreibung von Fr. 85'000.-- ohne Einverständnis des Grundpfandschuldners Brunner einen Einschlag von Fr. 7000.-- gewährt.
C.- Eine weitere Strafklage gegen Rosa Gyr, und zwar wegen Pfändungsbetruges, eventuell wegen leichtsinnigen Vermögensverfalls, wurde beim Untersuchungsrichteramt St. Gallen am 20. November 1954 von Frau Schönenberger, Malergeschäft St. Gallen, erhoben.
D.- Das Untersuchungsrichteramt St. Gallen hielt sich für unzuständig, die Eheleute Gyr zu verfolgen. Es nahm an, der in St. Gallen abgeschlossene Werkvertrag sei höchstens als Vorbereitungshandlung für die betrügerischen Machenschaften des Gyr zu betrachten; diese, wie die Schädigung, wären in Teufen erfolgt, weshalb die appenzellischen Behörden zuständig seien.
E.- Da das Verhöramt des Kantons Appenzell-A.Rh. die Übernahme der Strafverfolgung ablehnte, ersuchte die Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen mit Eingabe vom 15. Dezember 1954 die Anklagekammer des Bundesgerichtes, den zur Verfolgung und Beurteilung der Eheleute Gyr zuständigen Kanton zu bezeichnen. Die Gesuchstellerin hält daran fest, dass die Beschuldigten durch die Behörden des Kantons Appenzell-A.Rh. zu verfolgen seien.
F.- Die Justizdirektion des Kantons Appenzell-A.Rh. beantragt, die Behörden des Kantons St. Gallen zuständig zu erklären.
Der Strafkläger Hans Brunner schliesst sich diesem Antrag an.
Erwägungen
Die Anklagekammer zieht in Erwägung:
1. Die sanktgallischen und appenzellischen Behörden sind sich einig, dass jener Kanton, dem die Gerichtsbarkeit für die von Brunner erhobenen Anschuldigungen zukomme, Frau Gyr auch für die ihr von Frau Schönenberger zur Last gelegten Taten zu verfolgen und zu beurteilen habe.
2. Streitig ist, ob die Eheleute Gyr die ihnen von Brunner vorgeworfene strafbare Handlung nur im Kanton Appenzell-A.Rh. oder auch in andern Kantonen, vor allem in St. Gallen, ausgeführt haben. Vom Entscheid über diese Frage hängt ab, ob der Gerichtsstand nach der Regel des Abs. 1 des Art. 346 StGB zu bezeichnen, oder ob dafür Abs. 2 dieser Bestimmung massgebend sei.
Nach der Darstellung in der Strafklage war Gyr von Anfang an entschlossen, Brunner hereinzulegen, und hat er diesen bewusst und gewollt schon beim Abschluss des Vertrages vom 30. Juli 1953 in St. Gallen durch die Zusicherung getäuscht, dass er den Bau für Fr. 120'000.-- schlüsselfertig zur Ausführung übernehme. Trifft diese Sachdarstellung zu, so hat Gyr jedenfalls auch in St. Gallen Handlungen vorgenommen, die nicht als blosse Vorbereitungshandlungen zu würdigen sind, sondern zur Ausführung des Verbrechens gehören (vgl.BGE 71 IV 211;BGE 74 IV 133;BGE 75 IV 177). Zuständig zur Verfolgung und Beurteilung der Tat sind in diesem Falle nach der Regel des Art. 346 Abs. 2 StGB die Behörden des Kantons St. Gallen, da dort die Untersuchung durch die Einreichung der Strafklage (vgl.BGE 71 IV 59Erw. 3) zuerst angehoben worden ist.
3. Aus den Akten ergibt sich nun aber nicht, ob die angeführte Sachdarstellung des Strafklägers richtig sei. Anderseits steht es nicht der Anklagekammer zu, die zur Ermittlung der Ausführungsorte erforderlichen Erhebungen selber vorzunehmen; sie hat lediglich auf Grund der Akten zu entscheiden (BGE 73 IV 62Erw. 2).
Auf diese Erhebungen kann im vorliegenden Falle auch nicht etwa im Hinblick auf die Befugnis der Anklagekammer verzichtet werden, gestützt auf Art. 263 BStP aus Zweckmässigkeitsgründen vom Gerichtsstande des Art. 346 StGB abzuweichen (BGE 69 IV 43;BGE 71 IV 160). Für eine solche Entscheidung besteht im vorliegenden Falle kein genügender Anlass, da nach der Strafklage ein bedeutender Teil der betrügerischen Machenschaften in St. Gallen begangen worden sein kann. Hier wurde der Vertrag vom 30. Juli 1953 abgeschlossen, welcher die - eine Grundlage des Betruges bildende - Vollmacht zur Finanzierung des Bauvorhabens enthält. Gleichfalls in St. Gallen soll die Grundpfandverschreibung von Fr. 15'000.-- mit einem Einschlag von Fr. 3000.-- übergeben worden sein. Dazu kommt, dass die Beschuldigten nun im Kanton St. Gallen wohnen und dass sich der Strafkläger auf dort ansässige Zeugen beruft, worunter vor allem auf den bauleitenden Architekten, mit dem die Beschuldigten wohl oft in St. Gallen verhandelt haben. Diese Gründe lassen nicht zu, den Gerichtsstand St. Gallen von vorneherein auszuschliessen und die Behörden von Appenzell-A.Rh. zuständig zu erklären, nur weil die wichtigeren Ausführungshandlungen des Verbrechens in diesem Kanton vorgenommen worden sind (vgl.BGE 71 IV 59).
4. Es ist demnach unerlässlich, dass vorerst die zur Bestimmung des Gerichtsstandes nötigen Feststellungen getroffen werden, und zwar obliegt diese Aufgabe, da nicht ein Antragsdelikt in Frage steht, nicht etwa dem Strafkläger (BGE 73 IV 63). Es ist vielmehr Sache der sanktgallischen Behörden, an die sich der Strafkläger Brunner zuerst gewendet hat (vgl.BGE 71 IV 59Erw. 3), die Umstände der strafbaren Handlung, die den Beschuldigten Eheleuten Gyr vorgeworfen wird, soweit abzuklären, als es für die Bestimmung des Gerichtsstandes erforderlich ist. Stellt sich dabei heraus, dass die Beschuldigten in St. Gallen eine Ausführungshandlung vorgenommen haben, so sind die Behörden dieses Kantons verpflichtet, die Eheleute Gyr für alle ihnen zur Last gelegten strafbaren Handlungen zu verfolgen und zu beurteilen. Der sanktgallische Gerichtsstand ergibt sich dann aus Art. 346 Abs. 2 StGB. Falls dagegen die Erhebungen ergeben, dass die von Brunner verzeigte Tat restlos ausserhalb des Kantons St. Gallen ausgeführt worden ist, so sind die sanktgallischen Behörden nicht verpflichtet, die weitere Verfolgung und die Beurteilung zu übernehmen.
Dispositiv
Demnach erkennt die Anklagekammer:
Die Behörden des Kantons St. Gallen werden im Sinne der Erwägungen berechtigt und verpflichtet erklärt, Josef und Rosa Gyr-Baumann zu verfolgen und zu beurteilen.
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Art. 264 PPF e 351 CP. I fatti decisivi per la determinazione del foro devono essere chiariti dalle autorità cantonali che sarebbero competenti, in base alla fattispecie esposta nella denuncia, a perseguire il reato d'ufficio.
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criminal law and criminal procedure
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81 IV 74
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Sachverhalt ab Seite 74
A.- Das Kriminalgericht des Kantons Aargau verurteilte Hans Hugelshofer am 18. Februar 1953 wegen wiederholter Urkundenfälschung, Anstiftung hiezu und Veruntreuung zu vierzehn Monaten Gefängnis, abzüglich
113 Tage Untersuchungshaft.
Am 10. und 25. Mai 1954 ersuchte Hugelshofer das Kassationsgericht des Kantons Aargau um Wiederaufnahme des Verfahren. Das erste Gesuch richtete sich gegen die Strafzumessung wegen Urkundenfälschung, das zweite gegen die Verurteilung wegen Veruntreuung.
Das Kassationsgericht des Kantons Aargau wies mit Urteil vom 2. Juli 1954 (redaktionell berichtigt am 29. Oktober 1954) das zweite Gesuch ab, hiess dagegen das erste gut, hob das Urteil des Kriminalgerichts auf und wies die Sache zu neuer Beurteilung an das Kriminalgericht zurück.
B.- Hugelshofer legte am 30. Oktober 1954 gegen den Entscheid des Kassationsgerichts rechtzeitig eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde ein mit dem Antrag, er sei wegen Verletzung des Art. 397 StGB insoweit aufzuheben, als er das zweite Wiederaufnahmegesuch betreffe, und die Sache sei zur Gutheissung dieses Gesuches an das Kassationsgericht zurückzuweisen.
Am 3. Februar 1955 starb Hugelshofer. Seine Ehefrau Eva Hugelshofer geb. Höpfner erklärte in der Folge, dass sie im Sinne des Art. 270 Abs. 2 BStP in das Beschwerdeverfahren eintrete.
C.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
Gemäss Art. 270 Abs. 2 BStP steht die Nichtigkeitsbeschwerde nach dem Tode des Angeklagten seinen Verwandten und Verschwägerten in auf- und absteigender Linie, seinen Geschwistern und dem Ehegatten zu. Eva Hugelshofer geb. Höpfner ist darnach befugt, in das von ihrem Ehemanne veranlasste Beschwerdeverfahren als Partei einzutreten.
Dieses kann indessen nicht fortgesetzt werden. Das Kassationsgericht hat das Urteil des Kriminalgerichtes aufgehoben und die Sache zu neuer Beurteilung zurückgewiesen. Hugelshofer ist also nicht mehr verurteilt, sondern steht gleich da, wie wenn das Strafverfahren nie abgeschlossen worden wäre. Die Abweisung des zweiten Wiederaufnahmegesuches durch das Kassationsgericht hat lediglich den Sinn eines Zwischenentscheides darüber, dass der Sachrichter, wenn der Angeklagte noch lebte, im neuen Urteil wiederum die Rechtsfolgen der Veruntreuung aussprechen müsste. Da Hugelshofer inzwischen gestorben ist, sind sie indessen nicht mehr zu verhängen (unveröffentlichtes Urteil des Kassationshofes vom 9. Dezember 1949 i.S. Höntzsch). Die Frage, ob das zweite Wiederaufnahmegesuch gutzuheissen sei und das Kriminalgericht über die Anklage der Veruntreuung neu zu urteilen habe, entbehrt daher jeden rechtlichen Interesses, wie es Voraussetzung der Nichtigkeitsbeschwerde ist. Wie immer diese Frage entschieden werden müsste, würde am Endergebnis nichts geändert. Lediglich zur (unmittelbaren oder mittelbaren) Beseitigung eines Schuldspruches, der keine Rechtsfolgen mehr haben kann, ist die Nichtigkeitsbeschwerde nicht zulässig. Dass der Schuldspruch im Urteil des Kriminalgerichtes vom 18. Februar 1953 im sogenannten Dispositiv steht, ändert nichts; denn auch so hat er nach ständiger Rechtsprechung lediglich die Bedeutung eines Urteilsgrundes, den das Bundesgericht auf Nichtigkeitsbeschwerde hin nur zu überprüfen hat, wenn die veränderte rechtliche Würdigung an den ausgesprochenen Rechtsfolgen (Strafen, Massnahmen) etwas zu ändern vermag (BGE 69 IV 112, 150, BGE 70 IV 50, BGE 72 IV 188, BGE 73 IV 263, BGE 75 IV 180, BGE 77 IV 61, 93, BGE 78 IV 130, BGE 79 IV 89). Das ideelle Interesse, das Art. 270 Abs. 2 BStP schützt, indem es gewisse Angehörige eines Angeklagten nach dessen Tode zur Nichtigkeitsbeschwerde legitimiert, gibt ihnen keine weitergehenden Rechte als dem Angeklagten selbst. Ihr Beschwerderecht hat die gleichen Grenzen wie das jedes anderen Beschwerdeführers.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Auf die Nichtigkeitsbeschwerde wird nicht eingetreten.
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Art. 269 Abs. 1, 270 Abs. 2 BStP. Auch nach dem Tode des Angeklagten setzt das Beschwerdeverfahren ein rechtliches Interesse an der Abänderung des angefochtenen Urteils voraus.
Ein solches Interesse fehlt, wenn die Beschwerde nur auf (unmittelbare oder mittelbare) Beseitigung eines Schuldspruches abzielt, an den Rechtsfolgen weder geknüpft sind noch geknüpft werden können.
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Sachverhalt ab Seite 74
A.- Das Kriminalgericht des Kantons Aargau verurteilte Hans Hugelshofer am 18. Februar 1953 wegen wiederholter Urkundenfälschung, Anstiftung hiezu und Veruntreuung zu vierzehn Monaten Gefängnis, abzüglich
113 Tage Untersuchungshaft.
Am 10. und 25. Mai 1954 ersuchte Hugelshofer das Kassationsgericht des Kantons Aargau um Wiederaufnahme des Verfahren. Das erste Gesuch richtete sich gegen die Strafzumessung wegen Urkundenfälschung, das zweite gegen die Verurteilung wegen Veruntreuung.
Das Kassationsgericht des Kantons Aargau wies mit Urteil vom 2. Juli 1954 (redaktionell berichtigt am 29. Oktober 1954) das zweite Gesuch ab, hiess dagegen das erste gut, hob das Urteil des Kriminalgerichts auf und wies die Sache zu neuer Beurteilung an das Kriminalgericht zurück.
B.- Hugelshofer legte am 30. Oktober 1954 gegen den Entscheid des Kassationsgerichts rechtzeitig eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde ein mit dem Antrag, er sei wegen Verletzung des Art. 397 StGB insoweit aufzuheben, als er das zweite Wiederaufnahmegesuch betreffe, und die Sache sei zur Gutheissung dieses Gesuches an das Kassationsgericht zurückzuweisen.
Am 3. Februar 1955 starb Hugelshofer. Seine Ehefrau Eva Hugelshofer geb. Höpfner erklärte in der Folge, dass sie im Sinne des Art. 270 Abs. 2 BStP in das Beschwerdeverfahren eintrete.
C.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
Gemäss Art. 270 Abs. 2 BStP steht die Nichtigkeitsbeschwerde nach dem Tode des Angeklagten seinen Verwandten und Verschwägerten in auf- und absteigender Linie, seinen Geschwistern und dem Ehegatten zu. Eva Hugelshofer geb. Höpfner ist darnach befugt, in das von ihrem Ehemanne veranlasste Beschwerdeverfahren als Partei einzutreten.
Dieses kann indessen nicht fortgesetzt werden. Das Kassationsgericht hat das Urteil des Kriminalgerichtes aufgehoben und die Sache zu neuer Beurteilung zurückgewiesen. Hugelshofer ist also nicht mehr verurteilt, sondern steht gleich da, wie wenn das Strafverfahren nie abgeschlossen worden wäre. Die Abweisung des zweiten Wiederaufnahmegesuches durch das Kassationsgericht hat lediglich den Sinn eines Zwischenentscheides darüber, dass der Sachrichter, wenn der Angeklagte noch lebte, im neuen Urteil wiederum die Rechtsfolgen der Veruntreuung aussprechen müsste. Da Hugelshofer inzwischen gestorben ist, sind sie indessen nicht mehr zu verhängen (unveröffentlichtes Urteil des Kassationshofes vom 9. Dezember 1949 i.S. Höntzsch). Die Frage, ob das zweite Wiederaufnahmegesuch gutzuheissen sei und das Kriminalgericht über die Anklage der Veruntreuung neu zu urteilen habe, entbehrt daher jeden rechtlichen Interesses, wie es Voraussetzung der Nichtigkeitsbeschwerde ist. Wie immer diese Frage entschieden werden müsste, würde am Endergebnis nichts geändert. Lediglich zur (unmittelbaren oder mittelbaren) Beseitigung eines Schuldspruches, der keine Rechtsfolgen mehr haben kann, ist die Nichtigkeitsbeschwerde nicht zulässig. Dass der Schuldspruch im Urteil des Kriminalgerichtes vom 18. Februar 1953 im sogenannten Dispositiv steht, ändert nichts; denn auch so hat er nach ständiger Rechtsprechung lediglich die Bedeutung eines Urteilsgrundes, den das Bundesgericht auf Nichtigkeitsbeschwerde hin nur zu überprüfen hat, wenn die veränderte rechtliche Würdigung an den ausgesprochenen Rechtsfolgen (Strafen, Massnahmen) etwas zu ändern vermag (BGE 69 IV 112, 150, BGE 70 IV 50, BGE 72 IV 188, BGE 73 IV 263, BGE 75 IV 180, BGE 77 IV 61, 93, BGE 78 IV 130, BGE 79 IV 89). Das ideelle Interesse, das Art. 270 Abs. 2 BStP schützt, indem es gewisse Angehörige eines Angeklagten nach dessen Tode zur Nichtigkeitsbeschwerde legitimiert, gibt ihnen keine weitergehenden Rechte als dem Angeklagten selbst. Ihr Beschwerderecht hat die gleichen Grenzen wie das jedes anderen Beschwerdeführers.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Auf die Nichtigkeitsbeschwerde wird nicht eingetreten.
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Art. 269 al. 1, 270 al. 2 PPF. Même après la mort de l'inculpé, il faut, pour que l'on puisse procéder sur le pourvoi, qu'il existe un intérêt juridique à la modification du jugement entrepris.
Cet intérêt n'existe pas lorsque le pourvoi ne tend (d'une manière directe ou indirecte) qu'à la suppression d'une déclaration de culpabilité qui n'emporte ni ne peut emporter de conséquences juridiques.
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Sachverhalt ab Seite 74
A.- Das Kriminalgericht des Kantons Aargau verurteilte Hans Hugelshofer am 18. Februar 1953 wegen wiederholter Urkundenfälschung, Anstiftung hiezu und Veruntreuung zu vierzehn Monaten Gefängnis, abzüglich
113 Tage Untersuchungshaft.
Am 10. und 25. Mai 1954 ersuchte Hugelshofer das Kassationsgericht des Kantons Aargau um Wiederaufnahme des Verfahren. Das erste Gesuch richtete sich gegen die Strafzumessung wegen Urkundenfälschung, das zweite gegen die Verurteilung wegen Veruntreuung.
Das Kassationsgericht des Kantons Aargau wies mit Urteil vom 2. Juli 1954 (redaktionell berichtigt am 29. Oktober 1954) das zweite Gesuch ab, hiess dagegen das erste gut, hob das Urteil des Kriminalgerichts auf und wies die Sache zu neuer Beurteilung an das Kriminalgericht zurück.
B.- Hugelshofer legte am 30. Oktober 1954 gegen den Entscheid des Kassationsgerichts rechtzeitig eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde ein mit dem Antrag, er sei wegen Verletzung des Art. 397 StGB insoweit aufzuheben, als er das zweite Wiederaufnahmegesuch betreffe, und die Sache sei zur Gutheissung dieses Gesuches an das Kassationsgericht zurückzuweisen.
Am 3. Februar 1955 starb Hugelshofer. Seine Ehefrau Eva Hugelshofer geb. Höpfner erklärte in der Folge, dass sie im Sinne des Art. 270 Abs. 2 BStP in das Beschwerdeverfahren eintrete.
C.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
Gemäss Art. 270 Abs. 2 BStP steht die Nichtigkeitsbeschwerde nach dem Tode des Angeklagten seinen Verwandten und Verschwägerten in auf- und absteigender Linie, seinen Geschwistern und dem Ehegatten zu. Eva Hugelshofer geb. Höpfner ist darnach befugt, in das von ihrem Ehemanne veranlasste Beschwerdeverfahren als Partei einzutreten.
Dieses kann indessen nicht fortgesetzt werden. Das Kassationsgericht hat das Urteil des Kriminalgerichtes aufgehoben und die Sache zu neuer Beurteilung zurückgewiesen. Hugelshofer ist also nicht mehr verurteilt, sondern steht gleich da, wie wenn das Strafverfahren nie abgeschlossen worden wäre. Die Abweisung des zweiten Wiederaufnahmegesuches durch das Kassationsgericht hat lediglich den Sinn eines Zwischenentscheides darüber, dass der Sachrichter, wenn der Angeklagte noch lebte, im neuen Urteil wiederum die Rechtsfolgen der Veruntreuung aussprechen müsste. Da Hugelshofer inzwischen gestorben ist, sind sie indessen nicht mehr zu verhängen (unveröffentlichtes Urteil des Kassationshofes vom 9. Dezember 1949 i.S. Höntzsch). Die Frage, ob das zweite Wiederaufnahmegesuch gutzuheissen sei und das Kriminalgericht über die Anklage der Veruntreuung neu zu urteilen habe, entbehrt daher jeden rechtlichen Interesses, wie es Voraussetzung der Nichtigkeitsbeschwerde ist. Wie immer diese Frage entschieden werden müsste, würde am Endergebnis nichts geändert. Lediglich zur (unmittelbaren oder mittelbaren) Beseitigung eines Schuldspruches, der keine Rechtsfolgen mehr haben kann, ist die Nichtigkeitsbeschwerde nicht zulässig. Dass der Schuldspruch im Urteil des Kriminalgerichtes vom 18. Februar 1953 im sogenannten Dispositiv steht, ändert nichts; denn auch so hat er nach ständiger Rechtsprechung lediglich die Bedeutung eines Urteilsgrundes, den das Bundesgericht auf Nichtigkeitsbeschwerde hin nur zu überprüfen hat, wenn die veränderte rechtliche Würdigung an den ausgesprochenen Rechtsfolgen (Strafen, Massnahmen) etwas zu ändern vermag (BGE 69 IV 112, 150, BGE 70 IV 50, BGE 72 IV 188, BGE 73 IV 263, BGE 75 IV 180, BGE 77 IV 61, 93, BGE 78 IV 130, BGE 79 IV 89). Das ideelle Interesse, das Art. 270 Abs. 2 BStP schützt, indem es gewisse Angehörige eines Angeklagten nach dessen Tode zur Nichtigkeitsbeschwerde legitimiert, gibt ihnen keine weitergehenden Rechte als dem Angeklagten selbst. Ihr Beschwerderecht hat die gleichen Grenzen wie das jedes anderen Beschwerdeführers.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Auf die Nichtigkeitsbeschwerde wird nicht eingetreten.
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Art. 269 cp. 1, 270 cp. 2 PPF. Anche dopo la morte dell'accusato la procedura di ricorso presuppone un interesse giuridico alla modificazione della sentenza impugnata.
Tale interesse non esiste se il ricorso tende (direttamente o indirettamente) soltanto all'annullamento di una dichiarazione di colpevolezza che non ha nè può avere conseguenze giuridiche.
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criminal law and criminal procedure
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81 IV 77
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Sachverhalt ab Seite 77
A.- Robert Schmid raste am 20. Dezember 1953 um 00.35 Uhr bei leicht nebligem Wetter am Steuer eines Personenwagens mit 60 bis 65 km/Std. ein wenig links gestaffelt mit 10 bis 15 m Abstand hinter einem von Hans Mäder geführten ungefähr gleich schnell fahrenden Personenwagen von der Hardbrücke in Zürich herab über die Kreuzung mit der Neugasse und der Pfingstweidstrasse in die schlecht beleuchtete etwas mehr als 12 m breite Fahrbahn der Hardstrasse hinein, deren Oberfläche nass und dunkel war. Auf der Höhe der Neugasse ging der annähernd 75 Jahre alte angetrunkene Christian Strahm Richtung Pfingstweidstrasse, also von den beiden Fahrzeugen aus gesehen von rechts nach links, gemächlichen Schrittes, d.h. mit einer Geschwindigkeit von 3,5 bis 4 km/Std., vor dem Wagen des Mäder hindurch in die Fahrbahn der Hardstrasse hinaus. Weil die abgeblendeten Scheinwerfer des Wagens Schmid die Fahrbahn nur auf 30 m und in einer Breite von 6 m erhellten und Schmid dem Verkehr nicht die nötige Aufmerksamkeit schenkte, erblickte er Strahm erst, als er ihm auf 1-2 m nahe war. Er fegte ihn mit der rechten Seite des Wagens 3-4 m vom rechten Randstein der Hardstrasse entfernt weg und tötete ihn.
B.- Am 10. September 1954 erklärte das Obergericht des Kantons Zürich Schmid der fahrlässigen Tötung und der fahrlässigen Störung des öffentlichen Verkehrs schuldig und verurteilte ihn zu acht Monaten Gefängnis.
C.- Der Anwalt des Verurteilten führte kantonale und eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde. Letztere begründete er am 19. November 1954, wobei er ein Doppel der kantonalen Nichtigkeitsbeschwerde beifügte und es zum integrierenden Bestandteil der eidgenössischen Beschwerde erklärte.
Die kantonale Nichtigkeitsbeschwerde wurde vom Kassationsgericht des Kantons Zürich am 29. Dezember 1954 abgewiesen, soweit auf sie eingetreten werden konnte.
Am 12. Januar 1955 sandte der Präsident des Kassationshofes dem Anwalt des Beschwerdeführers die zur Begründung der eidgenössischen Beschwerde eingereichten Rechtsschriften zurück mit dem Hinweis, dass gemäss Art. 277bis, 273 Abs. 1 lit. b BStP tatsächliche Feststellungen der kantonalen Behörde nicht angefochten werden dürften und auch die Beilegung eines Doppels der kantonalen Nichtigkeitsbeschwerde als integrierenden Bestandteil, deren Inhalt nicht die Darlegung einer Bundesrechtsverletzung sein könne, unzulässig sei. Gemäss Art. 273 Abs. 2 BStP setzte er Frist bis 22. Januar 1955 zur Verbesserung der Beschwerde und drohte dem Beschwerdeführer an, dass bei Nichtbefolgen auf sie nicht eingetreten würde, zumal auch dann, wenn die neue Beschwerdebegründung wiederum unzulässige Ausführungen enthalten sollte. Auf Ansuchen des Anwaltes wurde die Frist in der Folge bis 31. Januar 1955 erstreckt.
An diesem Tage reichte der Anwalt des Beschwerdeführers eine neue Begründungsschrift ein.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Das Obergericht führt aus, Strahm könne als 75 jähriger angetrunkener Mann nicht anders als gemächlichen Schrittes dahergekommen sein; mehr als einen Meter in der Sekunde, was 3,5-4 km in der Stunde entspreche, dürfte er nicht zurückgelegt haben. Damit lehnt es eine schnellere Gangart Strahms ab, was sich deutlich auch daraus ergibt, dass es in anderem Zusammenhang ausführt, er habe auf jeden Fall 3-4 Sekunden benötigt, um die 3-4 m vom Randstein bis zur Unfallstelle zurückzulegen. Darauf stellt es denn auch in der rechtlichen Würdigung des Sachverhaltes ab. Der Anwalt des Beschwerdeführers geht seinerseits davon aus, wenn er geltend macht, Strahm hätte nach den Ausführungen des Obergerichts 6 Sekunden benötigt, um die Hälfte der Fahrbahn zu überqueren. An anderer Stelle passt ihm jedoch diese Berechnung nicht. Hier versucht er ihr eine andere unterzuschieben, indem er geltend macht, wenn man von einem durchschnittlichen Fussgängertempo von 5 km/Std. ausgehe, habe Strahm 2 1/2 Sekunden benötigt, um die 3, 7 m vom Betreten der Strasse bis zur Stelle des Zusammenstosses zurückzulegen. Wiederum anderswo geht er von einer Zeitspanne von 2 1/2 bis 3 1/2 Sekunden aus, statt auf die vom Obergericht verbindlich ermittelten 3-4 Sekunden abzustellen. Der Anwalt des Beschwerdeführers hat somit die vom Präsidenten des Kassationshofes erteilte Weisung, die Anfechtung tatsächlicher Feststellungen aus der Beschwerde auszuscheiden, insofern nicht befolgt. Schon das allein schliesst gemäss Art. 273 Abs. 2 BStP aus, dass der Kassationshof auf die Beschwerde eintrete.
4. Wie in BGE 79 IV 92 ausgeführt wurde, dient die Nachfrist des Art. 273 Abs. 2 BStP nur dazu, die unzulässigen Anbringen aus der fristgemäss eingereichten Beschwerdeschrift zu entfernen; sie ist nicht bestimmt, dem Beschwerdeführer nach Ablauf der Frist des Art. 272 Abs. 2 BStP Gelegenheit zur Ergänzung der Begründung zu geben.
Die Beschwerdeschrift vom 31. Januar 1955 enthält auch Anbringen, die unter diesem Gesichtspunkt unzulässig sind. Der Beschwerdeführer hat in die neue Begründung z.B. zahlenmässige Angaben und Berechnungen aufgenommen, die in der zurückgewiesenen Eingabe fehlten. Wollte er im Hinblick auf seine kantonale Nichtigkeitsbeschwerde sie in der eidgenössischen Beschwerde ursprünglich nicht so vortragen, so berechtigte ihn das nicht, die Nachfrist des Art. 273 Abs. 2 BStP zu benützen, um nach der Abweisung der kantonalen Nichtigkeitsbeschwerde Front zu wechseln. Neu sind unter anderem auch die Rüge der Verletzung der Rechtsgleichheit, die Erörterungen über die westlich der Hardstrasse liegenden Heimgärten und der Standpunkt, es habe kein reger Fahrzeugverkehr geherrscht und deshalb die Geschwindigkeit nicht stark gemässigt zu werden brauchen. Wäre dem Beschwerdeführer im Schreiben des Präsidenten des Kassationshofes angedroht worden, dass auch die unzulässige Ergänzung der Beschwerdebegründung Nichteintreten zur Folge hätte, so wäre auf die Beschwerde auch wegen der neuen Anbringen nicht einzutreten. Denn die Zurückweisung einer Beschwerdeschrift gemäss Art. 273 Abs. 2 BStP würde ihren Zweck der Vereinfachung des Beschwerdeverfahrens verfehlen, wenn der Beschwerdeführer, ohne einen Rechtsnachteil gewärtigen zu müssen, in der "verbesserten" Beschwerdeschrift an Stelle der dem Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP widersprechenden Anbringen solche machen dürfte, die unter einem anderen Gesichtspunkt, nämlich wegen Ablaufs der Frist des Art. 272 Abs. 2 BStP, unzulässig sind.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Auf die Nichtigkeitsbeschwerde wird nicht eingetreten.
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Art. 273 Abs. 2 BStP. Wenn der Beschwerdeführer in der neuen Beschwerdeschrift wieder gegen Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP verstösst, ist auf die Beschwerde nicht einzutreten (Erw. 1), desgleichen wenn er darin nach Ablauf der Frist des Art. 272 Abs. 2 BStP ergänzende Anbringen macht, obwohl ihm der Präsident des Kassationshofes angedroht hatte, dass auch solche das Nichteintreten zur Folge hätten (Erw. 4).
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Sachverhalt ab Seite 77
A.- Robert Schmid raste am 20. Dezember 1953 um 00.35 Uhr bei leicht nebligem Wetter am Steuer eines Personenwagens mit 60 bis 65 km/Std. ein wenig links gestaffelt mit 10 bis 15 m Abstand hinter einem von Hans Mäder geführten ungefähr gleich schnell fahrenden Personenwagen von der Hardbrücke in Zürich herab über die Kreuzung mit der Neugasse und der Pfingstweidstrasse in die schlecht beleuchtete etwas mehr als 12 m breite Fahrbahn der Hardstrasse hinein, deren Oberfläche nass und dunkel war. Auf der Höhe der Neugasse ging der annähernd 75 Jahre alte angetrunkene Christian Strahm Richtung Pfingstweidstrasse, also von den beiden Fahrzeugen aus gesehen von rechts nach links, gemächlichen Schrittes, d.h. mit einer Geschwindigkeit von 3,5 bis 4 km/Std., vor dem Wagen des Mäder hindurch in die Fahrbahn der Hardstrasse hinaus. Weil die abgeblendeten Scheinwerfer des Wagens Schmid die Fahrbahn nur auf 30 m und in einer Breite von 6 m erhellten und Schmid dem Verkehr nicht die nötige Aufmerksamkeit schenkte, erblickte er Strahm erst, als er ihm auf 1-2 m nahe war. Er fegte ihn mit der rechten Seite des Wagens 3-4 m vom rechten Randstein der Hardstrasse entfernt weg und tötete ihn.
B.- Am 10. September 1954 erklärte das Obergericht des Kantons Zürich Schmid der fahrlässigen Tötung und der fahrlässigen Störung des öffentlichen Verkehrs schuldig und verurteilte ihn zu acht Monaten Gefängnis.
C.- Der Anwalt des Verurteilten führte kantonale und eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde. Letztere begründete er am 19. November 1954, wobei er ein Doppel der kantonalen Nichtigkeitsbeschwerde beifügte und es zum integrierenden Bestandteil der eidgenössischen Beschwerde erklärte.
Die kantonale Nichtigkeitsbeschwerde wurde vom Kassationsgericht des Kantons Zürich am 29. Dezember 1954 abgewiesen, soweit auf sie eingetreten werden konnte.
Am 12. Januar 1955 sandte der Präsident des Kassationshofes dem Anwalt des Beschwerdeführers die zur Begründung der eidgenössischen Beschwerde eingereichten Rechtsschriften zurück mit dem Hinweis, dass gemäss Art. 277bis, 273 Abs. 1 lit. b BStP tatsächliche Feststellungen der kantonalen Behörde nicht angefochten werden dürften und auch die Beilegung eines Doppels der kantonalen Nichtigkeitsbeschwerde als integrierenden Bestandteil, deren Inhalt nicht die Darlegung einer Bundesrechtsverletzung sein könne, unzulässig sei. Gemäss Art. 273 Abs. 2 BStP setzte er Frist bis 22. Januar 1955 zur Verbesserung der Beschwerde und drohte dem Beschwerdeführer an, dass bei Nichtbefolgen auf sie nicht eingetreten würde, zumal auch dann, wenn die neue Beschwerdebegründung wiederum unzulässige Ausführungen enthalten sollte. Auf Ansuchen des Anwaltes wurde die Frist in der Folge bis 31. Januar 1955 erstreckt.
An diesem Tage reichte der Anwalt des Beschwerdeführers eine neue Begründungsschrift ein.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Das Obergericht führt aus, Strahm könne als 75 jähriger angetrunkener Mann nicht anders als gemächlichen Schrittes dahergekommen sein; mehr als einen Meter in der Sekunde, was 3,5-4 km in der Stunde entspreche, dürfte er nicht zurückgelegt haben. Damit lehnt es eine schnellere Gangart Strahms ab, was sich deutlich auch daraus ergibt, dass es in anderem Zusammenhang ausführt, er habe auf jeden Fall 3-4 Sekunden benötigt, um die 3-4 m vom Randstein bis zur Unfallstelle zurückzulegen. Darauf stellt es denn auch in der rechtlichen Würdigung des Sachverhaltes ab. Der Anwalt des Beschwerdeführers geht seinerseits davon aus, wenn er geltend macht, Strahm hätte nach den Ausführungen des Obergerichts 6 Sekunden benötigt, um die Hälfte der Fahrbahn zu überqueren. An anderer Stelle passt ihm jedoch diese Berechnung nicht. Hier versucht er ihr eine andere unterzuschieben, indem er geltend macht, wenn man von einem durchschnittlichen Fussgängertempo von 5 km/Std. ausgehe, habe Strahm 2 1/2 Sekunden benötigt, um die 3, 7 m vom Betreten der Strasse bis zur Stelle des Zusammenstosses zurückzulegen. Wiederum anderswo geht er von einer Zeitspanne von 2 1/2 bis 3 1/2 Sekunden aus, statt auf die vom Obergericht verbindlich ermittelten 3-4 Sekunden abzustellen. Der Anwalt des Beschwerdeführers hat somit die vom Präsidenten des Kassationshofes erteilte Weisung, die Anfechtung tatsächlicher Feststellungen aus der Beschwerde auszuscheiden, insofern nicht befolgt. Schon das allein schliesst gemäss Art. 273 Abs. 2 BStP aus, dass der Kassationshof auf die Beschwerde eintrete.
4. Wie in BGE 79 IV 92 ausgeführt wurde, dient die Nachfrist des Art. 273 Abs. 2 BStP nur dazu, die unzulässigen Anbringen aus der fristgemäss eingereichten Beschwerdeschrift zu entfernen; sie ist nicht bestimmt, dem Beschwerdeführer nach Ablauf der Frist des Art. 272 Abs. 2 BStP Gelegenheit zur Ergänzung der Begründung zu geben.
Die Beschwerdeschrift vom 31. Januar 1955 enthält auch Anbringen, die unter diesem Gesichtspunkt unzulässig sind. Der Beschwerdeführer hat in die neue Begründung z.B. zahlenmässige Angaben und Berechnungen aufgenommen, die in der zurückgewiesenen Eingabe fehlten. Wollte er im Hinblick auf seine kantonale Nichtigkeitsbeschwerde sie in der eidgenössischen Beschwerde ursprünglich nicht so vortragen, so berechtigte ihn das nicht, die Nachfrist des Art. 273 Abs. 2 BStP zu benützen, um nach der Abweisung der kantonalen Nichtigkeitsbeschwerde Front zu wechseln. Neu sind unter anderem auch die Rüge der Verletzung der Rechtsgleichheit, die Erörterungen über die westlich der Hardstrasse liegenden Heimgärten und der Standpunkt, es habe kein reger Fahrzeugverkehr geherrscht und deshalb die Geschwindigkeit nicht stark gemässigt zu werden brauchen. Wäre dem Beschwerdeführer im Schreiben des Präsidenten des Kassationshofes angedroht worden, dass auch die unzulässige Ergänzung der Beschwerdebegründung Nichteintreten zur Folge hätte, so wäre auf die Beschwerde auch wegen der neuen Anbringen nicht einzutreten. Denn die Zurückweisung einer Beschwerdeschrift gemäss Art. 273 Abs. 2 BStP würde ihren Zweck der Vereinfachung des Beschwerdeverfahrens verfehlen, wenn der Beschwerdeführer, ohne einen Rechtsnachteil gewärtigen zu müssen, in der "verbesserten" Beschwerdeschrift an Stelle der dem Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP widersprechenden Anbringen solche machen dürfte, die unter einem anderen Gesichtspunkt, nämlich wegen Ablaufs der Frist des Art. 272 Abs. 2 BStP, unzulässig sind.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Auf die Nichtigkeitsbeschwerde wird nicht eingetreten.
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Art. 273 al. 2 PPF. Si, dans son nouveau mémoire, le recourant enfreint derechef l'art. 273 al. 1 litt. b PPF, le pourvoi en nullité est irrecevable (consid. 1).
Il en est de même si, après l'expiration du délai de l'art. 272 al. 2 PPF, le recourant insère des motifs complémentaires dans son nouveau mémoire, bien que le président de la Cour de cassation l'ait averti que de telles adjonctions entraîneraient également l'irrecevabilité du recours (consid. 4).
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Sachverhalt ab Seite 77
A.- Robert Schmid raste am 20. Dezember 1953 um 00.35 Uhr bei leicht nebligem Wetter am Steuer eines Personenwagens mit 60 bis 65 km/Std. ein wenig links gestaffelt mit 10 bis 15 m Abstand hinter einem von Hans Mäder geführten ungefähr gleich schnell fahrenden Personenwagen von der Hardbrücke in Zürich herab über die Kreuzung mit der Neugasse und der Pfingstweidstrasse in die schlecht beleuchtete etwas mehr als 12 m breite Fahrbahn der Hardstrasse hinein, deren Oberfläche nass und dunkel war. Auf der Höhe der Neugasse ging der annähernd 75 Jahre alte angetrunkene Christian Strahm Richtung Pfingstweidstrasse, also von den beiden Fahrzeugen aus gesehen von rechts nach links, gemächlichen Schrittes, d.h. mit einer Geschwindigkeit von 3,5 bis 4 km/Std., vor dem Wagen des Mäder hindurch in die Fahrbahn der Hardstrasse hinaus. Weil die abgeblendeten Scheinwerfer des Wagens Schmid die Fahrbahn nur auf 30 m und in einer Breite von 6 m erhellten und Schmid dem Verkehr nicht die nötige Aufmerksamkeit schenkte, erblickte er Strahm erst, als er ihm auf 1-2 m nahe war. Er fegte ihn mit der rechten Seite des Wagens 3-4 m vom rechten Randstein der Hardstrasse entfernt weg und tötete ihn.
B.- Am 10. September 1954 erklärte das Obergericht des Kantons Zürich Schmid der fahrlässigen Tötung und der fahrlässigen Störung des öffentlichen Verkehrs schuldig und verurteilte ihn zu acht Monaten Gefängnis.
C.- Der Anwalt des Verurteilten führte kantonale und eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde. Letztere begründete er am 19. November 1954, wobei er ein Doppel der kantonalen Nichtigkeitsbeschwerde beifügte und es zum integrierenden Bestandteil der eidgenössischen Beschwerde erklärte.
Die kantonale Nichtigkeitsbeschwerde wurde vom Kassationsgericht des Kantons Zürich am 29. Dezember 1954 abgewiesen, soweit auf sie eingetreten werden konnte.
Am 12. Januar 1955 sandte der Präsident des Kassationshofes dem Anwalt des Beschwerdeführers die zur Begründung der eidgenössischen Beschwerde eingereichten Rechtsschriften zurück mit dem Hinweis, dass gemäss Art. 277bis, 273 Abs. 1 lit. b BStP tatsächliche Feststellungen der kantonalen Behörde nicht angefochten werden dürften und auch die Beilegung eines Doppels der kantonalen Nichtigkeitsbeschwerde als integrierenden Bestandteil, deren Inhalt nicht die Darlegung einer Bundesrechtsverletzung sein könne, unzulässig sei. Gemäss Art. 273 Abs. 2 BStP setzte er Frist bis 22. Januar 1955 zur Verbesserung der Beschwerde und drohte dem Beschwerdeführer an, dass bei Nichtbefolgen auf sie nicht eingetreten würde, zumal auch dann, wenn die neue Beschwerdebegründung wiederum unzulässige Ausführungen enthalten sollte. Auf Ansuchen des Anwaltes wurde die Frist in der Folge bis 31. Januar 1955 erstreckt.
An diesem Tage reichte der Anwalt des Beschwerdeführers eine neue Begründungsschrift ein.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Das Obergericht führt aus, Strahm könne als 75 jähriger angetrunkener Mann nicht anders als gemächlichen Schrittes dahergekommen sein; mehr als einen Meter in der Sekunde, was 3,5-4 km in der Stunde entspreche, dürfte er nicht zurückgelegt haben. Damit lehnt es eine schnellere Gangart Strahms ab, was sich deutlich auch daraus ergibt, dass es in anderem Zusammenhang ausführt, er habe auf jeden Fall 3-4 Sekunden benötigt, um die 3-4 m vom Randstein bis zur Unfallstelle zurückzulegen. Darauf stellt es denn auch in der rechtlichen Würdigung des Sachverhaltes ab. Der Anwalt des Beschwerdeführers geht seinerseits davon aus, wenn er geltend macht, Strahm hätte nach den Ausführungen des Obergerichts 6 Sekunden benötigt, um die Hälfte der Fahrbahn zu überqueren. An anderer Stelle passt ihm jedoch diese Berechnung nicht. Hier versucht er ihr eine andere unterzuschieben, indem er geltend macht, wenn man von einem durchschnittlichen Fussgängertempo von 5 km/Std. ausgehe, habe Strahm 2 1/2 Sekunden benötigt, um die 3, 7 m vom Betreten der Strasse bis zur Stelle des Zusammenstosses zurückzulegen. Wiederum anderswo geht er von einer Zeitspanne von 2 1/2 bis 3 1/2 Sekunden aus, statt auf die vom Obergericht verbindlich ermittelten 3-4 Sekunden abzustellen. Der Anwalt des Beschwerdeführers hat somit die vom Präsidenten des Kassationshofes erteilte Weisung, die Anfechtung tatsächlicher Feststellungen aus der Beschwerde auszuscheiden, insofern nicht befolgt. Schon das allein schliesst gemäss Art. 273 Abs. 2 BStP aus, dass der Kassationshof auf die Beschwerde eintrete.
4. Wie in BGE 79 IV 92 ausgeführt wurde, dient die Nachfrist des Art. 273 Abs. 2 BStP nur dazu, die unzulässigen Anbringen aus der fristgemäss eingereichten Beschwerdeschrift zu entfernen; sie ist nicht bestimmt, dem Beschwerdeführer nach Ablauf der Frist des Art. 272 Abs. 2 BStP Gelegenheit zur Ergänzung der Begründung zu geben.
Die Beschwerdeschrift vom 31. Januar 1955 enthält auch Anbringen, die unter diesem Gesichtspunkt unzulässig sind. Der Beschwerdeführer hat in die neue Begründung z.B. zahlenmässige Angaben und Berechnungen aufgenommen, die in der zurückgewiesenen Eingabe fehlten. Wollte er im Hinblick auf seine kantonale Nichtigkeitsbeschwerde sie in der eidgenössischen Beschwerde ursprünglich nicht so vortragen, so berechtigte ihn das nicht, die Nachfrist des Art. 273 Abs. 2 BStP zu benützen, um nach der Abweisung der kantonalen Nichtigkeitsbeschwerde Front zu wechseln. Neu sind unter anderem auch die Rüge der Verletzung der Rechtsgleichheit, die Erörterungen über die westlich der Hardstrasse liegenden Heimgärten und der Standpunkt, es habe kein reger Fahrzeugverkehr geherrscht und deshalb die Geschwindigkeit nicht stark gemässigt zu werden brauchen. Wäre dem Beschwerdeführer im Schreiben des Präsidenten des Kassationshofes angedroht worden, dass auch die unzulässige Ergänzung der Beschwerdebegründung Nichteintreten zur Folge hätte, so wäre auf die Beschwerde auch wegen der neuen Anbringen nicht einzutreten. Denn die Zurückweisung einer Beschwerdeschrift gemäss Art. 273 Abs. 2 BStP würde ihren Zweck der Vereinfachung des Beschwerdeverfahrens verfehlen, wenn der Beschwerdeführer, ohne einen Rechtsnachteil gewärtigen zu müssen, in der "verbesserten" Beschwerdeschrift an Stelle der dem Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP widersprechenden Anbringen solche machen dürfte, die unter einem anderen Gesichtspunkt, nämlich wegen Ablaufs der Frist des Art. 272 Abs. 2 BStP, unzulässig sind.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Auf die Nichtigkeitsbeschwerde wird nicht eingetreten.
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Art. 273 cp. 2 PPF. Se nel nuovo atto di motivazione il ricorrente contravviene ancora una volta alla disposizione dell'art. 273 cp. 1 lett. b PPF, il ricorso per cassazione è irricevibile (consid. 1).
Lo stesso dicasi se dopo la scadenza del termine dell'art. 272 cp. 2 PPF il ricorrente inserisce nel suo nuovo atto di motivazione indicazioni completive, nonostante il presidente della Corte di cassazione l'abbia avvertito che anche siffatte aggiunte comporterebbero l'irricevibilità del ricorso (consid. 4).
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81 IV 81
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Sachverhalt ab Seite 81
A.- Auf Strafantrag des Juan Jolis verurteilte das Bezirksgericht Zürich Ernst Schärer am 14. Januar 1954 in Abwesenheit des Angeklagten wegen Zechprellerei (Art. 150 StGB) zu vier Wochen Gefängnis.
Schärer wurde zwecks Verbüssung der Strafe zur Verhaftung ausgeschrieben, festgenommen und dem Polizeikommando des Kantons Zürich zugeführt. Dort wurde ihm am 24. Juni 1954 das Urteil eröffnet. Am gleichen Tage verlangte Schärer die Durchführung des ordentlichen Verfahrens und überreichte eine schriftliche Erklärung des Jolis, wonach dieser den Strafantrag zurückziehe. Am 26. August 1954 hob daher das Bezirksgericht das Urteil vom 14. Januar 1954 auf und schrieb den Prozess als durch Rückzug des Strafantrages erledigt ab.
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich rekurrierte an das Obergericht mit dem Antrag, der Beschluss sei aufzuheben und das Bezirksgericht anzuweisen, die Sache durch Urteil zu erledigen. Das Obergericht wies den Rekurs am 31. Januar 1955 ab. Zur Begründung führte es aus, ein Versäumnisurteil stehe nicht einem Strafbefehl gleich, nach dessen Verkündung gemässBGE 78 IV 151der Strafantrag nicht mehr zurückgezogen werden könne. Der Strafbefehl schaffe nach Ablauf einer kurzen Einsprachefrist einen klaren Rechtszustand, während das Versäumnisurteil einen Schwebezustand von unbestimmter Dauer bewirken könne. Auch bringe das Begehren um Durchführung des ordentlichen Verfahrens das Versäumnisurteil nicht vor eine höhere oder eine andere Instanz als jene, die es gefällt habe. Zudem spiele das ordentliche Verfahren sich nach den gleichen Vorschriften ab wie das Verfahren gegen den Abwesenden. Es müsse also als erstinstanzliches Verfahren im Sinne von Art. 31 Abs. 1 StGB betrachtet werden. Das habe zur Folge, dass der Strafantrag noch im Verlaufe des ordentlichen Verfahrens zurückgezogen werden könne.
B.- Die Staatsanwaltschaft führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, der Beschluss des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache zur materiellen Beurteilung zurückzuweisen. Sie macht geltend, der Beschluss verletze Art. 31 Abs. 1 StGB.
C.- Schärer, dem die Beschwerdeschrift eingeschrieben zur Vernehmlassung zugestellt worden ist, hat die Sendung auf der Post nicht abgeholt und keine Gegenbemerkungen eingereicht.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Der Berechtigte kann einen Strafantrag nur zurückziehen, solange das Urteil erster Instanz noch nicht verkündet ist (Art. 31 Abs. 1 StGB).
Urteil im Sinne dieser Bestimmung ist jeder Entscheid der zuständigen Behörde, der verbindlich darüber erkennt, ob der Beschuldigte sich einer strafbaren Handlung schuldig gemacht hat, und der gegebenenfalls die Rechtsfolgen bestimmt, die diese Handlung nach sich zieht (BGE 78 IV 151und BGE 81 IV 14).
Verbindlich erkannt hat die Behörde nicht nur dann, wenn ihr Entscheid von keiner Partei mehr angefochten werden kann, sondern schon dann, wenn die Behörde nicht mehr von sich aus auf ihn zurückkommen kann, wie das bei Verfügungen prozessleitender Natur, z.B. einer vorläufigen Meinungsäusserung des Richters zur Einrede der Verjährung (vgl.BGE 72 IV 89f.), zutrifft; denn indem Art. 31 Abs. 1 StGB von einem Urteil erster Instanz spricht, ist die Bestimmung insbesondere gerade für jene Fälle aufgestellt worden, in denen der Entscheid von einer Partei angefochten und daher das Verfahren fortgesetzt wird. Ein Urteil liegt selbst dann vor, wenn die Behörde, die es gefällt hat, auf Begehren einer Partei die Akten nicht einer anderen, insbesondere einer oberen Behörde übermitteln, sondern das weitere Verfahren selber durchführen muss. Art. 31 Abs. 1 verlangt nicht, dass das Urteil in der betreffenden (ersten) Instanz der letzte, endgültige Entscheid sei. Indem die Bestimmung von einem Urteil erster Instanz spricht, will sie lediglich sagen, dass der Strafantrag nicht etwa noch bis zur Verkündung des Endurteils, das diesfalls gewöhnlich erst von einer oberen Instanz gefällt wird, zurückgezogen werden könne, sondern schon die Verkündung eines erstinstanzlichen Urteils genüge, um dem Antragsteller den Rückzug abzuschneiden. Der Grund, weshalb Art. 31 Abs. 1 diesen von einem gewissen Zeitpunkt an nicht mehr zulässt, liegt nicht etwa darin, dass Abschreibungsbeschlüsse zwar noch der unteren, nicht aber mehr der oberen Instanz zugemutet werden können, sondern darin, dass der Verletzte sich nicht erst durch die in einem verbindlichen Entscheide zum Ausdruck gekommene Auffassung der zuständigen Behörde, sei es auch bloss einer ersten Instanz, zum Rückzug entschliessen soll. Die Bestimmung will das ominöse Markten zwischen Täter und Verletztem um den Rückzug des Strafantrages ausschliessen, nachdem der Staat durch eine Behörde über die Rechtsfolgen der strafbaren Handlung entschieden und das Urteil verkündet hat (Prot. 2. ExpK 1 178 f., Votum Geel). Deshalb stellt Art. 31 Abs. 1 denn auch weder auf den Ablauf einer Rechtsmittelfrist, noch auf die Fällung des Urteils, sondern auf dessen Verkündung ab, durch die die Parteien erfahren, wie es um die Sache steht.
2. Das zürcherische Gesetz betreffend den Strafprozess bestimmt:
"Bleibt ein Angeklagter ohne genügende Entschuldigung aus, oder lässt er sich, wenn das persönliche Erscheinen nicht nötig ist oder erlassen wurde, nicht vertreten, so wird das Urteil auf Grund der Akten gefällt" (§ 195 Abs. 1).
"Das Gericht kann in diesem Falle den Angeklagten verurteilen oder freisprechen oder auch die Beurteilung der Sache so lange verschieben, bis der Angeklagte sich stellt oder ergriffen wird" (§ 196 Satz 1).
"Wird ein Angeklagter, der in seiner Abwesenheit verurteilt wurde, ergriffen oder stellt er sich freiwillig, so fällt auf sein Verlangen das Urteil dahin und es wird das ordentliche Verfahren durchgeführt, wenn er das Begehren binnen fünf Tagen von der Übergabe des Urteilsdispositivs an stellt.
War dem Angeklagten das Erscheinen vor Gericht erlassen (§ 172), so kann er die Wiederaufnahme nicht verlangen" (§ 197).
Aus diesen Bestimmungen ergibt sich, dass die Verurteilung eines Abwesenden nicht lediglich prozessleitende Verfügung ist, auf die das Gericht nach Belieben zurückkommen könnte. Nur das Wiedereinsetzungsbegehren des Angeklagten (oder die Ergreifung eines ordentlichen Rechtsmittels durch eine Partei gemäss §§ 395 ff. StPO) kann es zu Fall bringen. Es liegt daher ein verbindlicher, wenn auch nicht notwendigerweise endgültiger Entscheid über die Schuld des Angeklagten und deren Rechtsfolgen, also ein Urteil im Sinne des Art. 31 Abs. 1 StGB vor. Dass bis zu seiner Verkündung ein unbestimmte Zeit dauernder "Schwebezustand" besteht, weil erst sie die fünftägige Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsbegehrens in Gang bringt, ändert nichts; denn die Behörde bleibt während dieses Zustandes nichtsdestoweniger an ihren Entscheid gebunden. Übrigens bleiben auch andere Urteile "in der Schwebe", wenn Ausfällung und Verkündung nicht zeitlich zusammenfallen. Dass dieser Zustand bei der Verurteilung eines Abwesenden unbestimmte Zeit dauern kann, wenn der Aufenthaltsort des Verurteilten nicht bekannt ist, ist keine Besonderheit, die dem Entscheid die Natur eines Urteils zu nehmen vermöchte. Ebensowenig geht ihm diese Eigenschaft deshalb ab, weil nach der Stellung des Wiedereinsetzungsbegehrens die gleiche Behörde und nach gleichen Verfahrensvorschriften urteilen muss wie bei Verurteilung des Abwesenden.
Der Rückzug des Strafantrages war daher nicht mehr zulässig, nachdem das Urteil vom 14. Januar 1954 dem Beschwerdegegner am 24. Juni 1954 verkündet war. Ob nicht schon die Verkündung an die Staatsanwaltschaft den Rückzug ausgeschlossen hätte, kann dahingestellt bleiben.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 31. Januar 1955 aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
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Art. 31 Abs. 1 StGB. Nach der Verkündung eines zürcherischen Versäumnisurteils erster Instanz kann der Strafantrag auch dann nicht mehr zurückgezogen werden, wenn es auf Begehren des Verurteilten hin aufgehoben worden ist.
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81 IV 81
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Sachverhalt ab Seite 81
A.- Auf Strafantrag des Juan Jolis verurteilte das Bezirksgericht Zürich Ernst Schärer am 14. Januar 1954 in Abwesenheit des Angeklagten wegen Zechprellerei (Art. 150 StGB) zu vier Wochen Gefängnis.
Schärer wurde zwecks Verbüssung der Strafe zur Verhaftung ausgeschrieben, festgenommen und dem Polizeikommando des Kantons Zürich zugeführt. Dort wurde ihm am 24. Juni 1954 das Urteil eröffnet. Am gleichen Tage verlangte Schärer die Durchführung des ordentlichen Verfahrens und überreichte eine schriftliche Erklärung des Jolis, wonach dieser den Strafantrag zurückziehe. Am 26. August 1954 hob daher das Bezirksgericht das Urteil vom 14. Januar 1954 auf und schrieb den Prozess als durch Rückzug des Strafantrages erledigt ab.
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich rekurrierte an das Obergericht mit dem Antrag, der Beschluss sei aufzuheben und das Bezirksgericht anzuweisen, die Sache durch Urteil zu erledigen. Das Obergericht wies den Rekurs am 31. Januar 1955 ab. Zur Begründung führte es aus, ein Versäumnisurteil stehe nicht einem Strafbefehl gleich, nach dessen Verkündung gemässBGE 78 IV 151der Strafantrag nicht mehr zurückgezogen werden könne. Der Strafbefehl schaffe nach Ablauf einer kurzen Einsprachefrist einen klaren Rechtszustand, während das Versäumnisurteil einen Schwebezustand von unbestimmter Dauer bewirken könne. Auch bringe das Begehren um Durchführung des ordentlichen Verfahrens das Versäumnisurteil nicht vor eine höhere oder eine andere Instanz als jene, die es gefällt habe. Zudem spiele das ordentliche Verfahren sich nach den gleichen Vorschriften ab wie das Verfahren gegen den Abwesenden. Es müsse also als erstinstanzliches Verfahren im Sinne von Art. 31 Abs. 1 StGB betrachtet werden. Das habe zur Folge, dass der Strafantrag noch im Verlaufe des ordentlichen Verfahrens zurückgezogen werden könne.
B.- Die Staatsanwaltschaft führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, der Beschluss des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache zur materiellen Beurteilung zurückzuweisen. Sie macht geltend, der Beschluss verletze Art. 31 Abs. 1 StGB.
C.- Schärer, dem die Beschwerdeschrift eingeschrieben zur Vernehmlassung zugestellt worden ist, hat die Sendung auf der Post nicht abgeholt und keine Gegenbemerkungen eingereicht.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Der Berechtigte kann einen Strafantrag nur zurückziehen, solange das Urteil erster Instanz noch nicht verkündet ist (Art. 31 Abs. 1 StGB).
Urteil im Sinne dieser Bestimmung ist jeder Entscheid der zuständigen Behörde, der verbindlich darüber erkennt, ob der Beschuldigte sich einer strafbaren Handlung schuldig gemacht hat, und der gegebenenfalls die Rechtsfolgen bestimmt, die diese Handlung nach sich zieht (BGE 78 IV 151und BGE 81 IV 14).
Verbindlich erkannt hat die Behörde nicht nur dann, wenn ihr Entscheid von keiner Partei mehr angefochten werden kann, sondern schon dann, wenn die Behörde nicht mehr von sich aus auf ihn zurückkommen kann, wie das bei Verfügungen prozessleitender Natur, z.B. einer vorläufigen Meinungsäusserung des Richters zur Einrede der Verjährung (vgl.BGE 72 IV 89f.), zutrifft; denn indem Art. 31 Abs. 1 StGB von einem Urteil erster Instanz spricht, ist die Bestimmung insbesondere gerade für jene Fälle aufgestellt worden, in denen der Entscheid von einer Partei angefochten und daher das Verfahren fortgesetzt wird. Ein Urteil liegt selbst dann vor, wenn die Behörde, die es gefällt hat, auf Begehren einer Partei die Akten nicht einer anderen, insbesondere einer oberen Behörde übermitteln, sondern das weitere Verfahren selber durchführen muss. Art. 31 Abs. 1 verlangt nicht, dass das Urteil in der betreffenden (ersten) Instanz der letzte, endgültige Entscheid sei. Indem die Bestimmung von einem Urteil erster Instanz spricht, will sie lediglich sagen, dass der Strafantrag nicht etwa noch bis zur Verkündung des Endurteils, das diesfalls gewöhnlich erst von einer oberen Instanz gefällt wird, zurückgezogen werden könne, sondern schon die Verkündung eines erstinstanzlichen Urteils genüge, um dem Antragsteller den Rückzug abzuschneiden. Der Grund, weshalb Art. 31 Abs. 1 diesen von einem gewissen Zeitpunkt an nicht mehr zulässt, liegt nicht etwa darin, dass Abschreibungsbeschlüsse zwar noch der unteren, nicht aber mehr der oberen Instanz zugemutet werden können, sondern darin, dass der Verletzte sich nicht erst durch die in einem verbindlichen Entscheide zum Ausdruck gekommene Auffassung der zuständigen Behörde, sei es auch bloss einer ersten Instanz, zum Rückzug entschliessen soll. Die Bestimmung will das ominöse Markten zwischen Täter und Verletztem um den Rückzug des Strafantrages ausschliessen, nachdem der Staat durch eine Behörde über die Rechtsfolgen der strafbaren Handlung entschieden und das Urteil verkündet hat (Prot. 2. ExpK 1 178 f., Votum Geel). Deshalb stellt Art. 31 Abs. 1 denn auch weder auf den Ablauf einer Rechtsmittelfrist, noch auf die Fällung des Urteils, sondern auf dessen Verkündung ab, durch die die Parteien erfahren, wie es um die Sache steht.
2. Das zürcherische Gesetz betreffend den Strafprozess bestimmt:
"Bleibt ein Angeklagter ohne genügende Entschuldigung aus, oder lässt er sich, wenn das persönliche Erscheinen nicht nötig ist oder erlassen wurde, nicht vertreten, so wird das Urteil auf Grund der Akten gefällt" (§ 195 Abs. 1).
"Das Gericht kann in diesem Falle den Angeklagten verurteilen oder freisprechen oder auch die Beurteilung der Sache so lange verschieben, bis der Angeklagte sich stellt oder ergriffen wird" (§ 196 Satz 1).
"Wird ein Angeklagter, der in seiner Abwesenheit verurteilt wurde, ergriffen oder stellt er sich freiwillig, so fällt auf sein Verlangen das Urteil dahin und es wird das ordentliche Verfahren durchgeführt, wenn er das Begehren binnen fünf Tagen von der Übergabe des Urteilsdispositivs an stellt.
War dem Angeklagten das Erscheinen vor Gericht erlassen (§ 172), so kann er die Wiederaufnahme nicht verlangen" (§ 197).
Aus diesen Bestimmungen ergibt sich, dass die Verurteilung eines Abwesenden nicht lediglich prozessleitende Verfügung ist, auf die das Gericht nach Belieben zurückkommen könnte. Nur das Wiedereinsetzungsbegehren des Angeklagten (oder die Ergreifung eines ordentlichen Rechtsmittels durch eine Partei gemäss §§ 395 ff. StPO) kann es zu Fall bringen. Es liegt daher ein verbindlicher, wenn auch nicht notwendigerweise endgültiger Entscheid über die Schuld des Angeklagten und deren Rechtsfolgen, also ein Urteil im Sinne des Art. 31 Abs. 1 StGB vor. Dass bis zu seiner Verkündung ein unbestimmte Zeit dauernder "Schwebezustand" besteht, weil erst sie die fünftägige Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsbegehrens in Gang bringt, ändert nichts; denn die Behörde bleibt während dieses Zustandes nichtsdestoweniger an ihren Entscheid gebunden. Übrigens bleiben auch andere Urteile "in der Schwebe", wenn Ausfällung und Verkündung nicht zeitlich zusammenfallen. Dass dieser Zustand bei der Verurteilung eines Abwesenden unbestimmte Zeit dauern kann, wenn der Aufenthaltsort des Verurteilten nicht bekannt ist, ist keine Besonderheit, die dem Entscheid die Natur eines Urteils zu nehmen vermöchte. Ebensowenig geht ihm diese Eigenschaft deshalb ab, weil nach der Stellung des Wiedereinsetzungsbegehrens die gleiche Behörde und nach gleichen Verfahrensvorschriften urteilen muss wie bei Verurteilung des Abwesenden.
Der Rückzug des Strafantrages war daher nicht mehr zulässig, nachdem das Urteil vom 14. Januar 1954 dem Beschwerdegegner am 24. Juni 1954 verkündet war. Ob nicht schon die Verkündung an die Staatsanwaltschaft den Rückzug ausgeschlossen hätte, kann dahingestellt bleiben.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 31. Januar 1955 aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
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de
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Art. 31 al. 1 CP. Lorsque, dans le canton de Zurich, un jugement contumacial a été prononcé en première instance, la plainte ne peut plus être retirée même s'il a été annulé à la demande du condamné.
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81 IV 81
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Sachverhalt ab Seite 81
A.- Auf Strafantrag des Juan Jolis verurteilte das Bezirksgericht Zürich Ernst Schärer am 14. Januar 1954 in Abwesenheit des Angeklagten wegen Zechprellerei (Art. 150 StGB) zu vier Wochen Gefängnis.
Schärer wurde zwecks Verbüssung der Strafe zur Verhaftung ausgeschrieben, festgenommen und dem Polizeikommando des Kantons Zürich zugeführt. Dort wurde ihm am 24. Juni 1954 das Urteil eröffnet. Am gleichen Tage verlangte Schärer die Durchführung des ordentlichen Verfahrens und überreichte eine schriftliche Erklärung des Jolis, wonach dieser den Strafantrag zurückziehe. Am 26. August 1954 hob daher das Bezirksgericht das Urteil vom 14. Januar 1954 auf und schrieb den Prozess als durch Rückzug des Strafantrages erledigt ab.
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich rekurrierte an das Obergericht mit dem Antrag, der Beschluss sei aufzuheben und das Bezirksgericht anzuweisen, die Sache durch Urteil zu erledigen. Das Obergericht wies den Rekurs am 31. Januar 1955 ab. Zur Begründung führte es aus, ein Versäumnisurteil stehe nicht einem Strafbefehl gleich, nach dessen Verkündung gemässBGE 78 IV 151der Strafantrag nicht mehr zurückgezogen werden könne. Der Strafbefehl schaffe nach Ablauf einer kurzen Einsprachefrist einen klaren Rechtszustand, während das Versäumnisurteil einen Schwebezustand von unbestimmter Dauer bewirken könne. Auch bringe das Begehren um Durchführung des ordentlichen Verfahrens das Versäumnisurteil nicht vor eine höhere oder eine andere Instanz als jene, die es gefällt habe. Zudem spiele das ordentliche Verfahren sich nach den gleichen Vorschriften ab wie das Verfahren gegen den Abwesenden. Es müsse also als erstinstanzliches Verfahren im Sinne von Art. 31 Abs. 1 StGB betrachtet werden. Das habe zur Folge, dass der Strafantrag noch im Verlaufe des ordentlichen Verfahrens zurückgezogen werden könne.
B.- Die Staatsanwaltschaft führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, der Beschluss des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache zur materiellen Beurteilung zurückzuweisen. Sie macht geltend, der Beschluss verletze Art. 31 Abs. 1 StGB.
C.- Schärer, dem die Beschwerdeschrift eingeschrieben zur Vernehmlassung zugestellt worden ist, hat die Sendung auf der Post nicht abgeholt und keine Gegenbemerkungen eingereicht.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Der Berechtigte kann einen Strafantrag nur zurückziehen, solange das Urteil erster Instanz noch nicht verkündet ist (Art. 31 Abs. 1 StGB).
Urteil im Sinne dieser Bestimmung ist jeder Entscheid der zuständigen Behörde, der verbindlich darüber erkennt, ob der Beschuldigte sich einer strafbaren Handlung schuldig gemacht hat, und der gegebenenfalls die Rechtsfolgen bestimmt, die diese Handlung nach sich zieht (BGE 78 IV 151und BGE 81 IV 14).
Verbindlich erkannt hat die Behörde nicht nur dann, wenn ihr Entscheid von keiner Partei mehr angefochten werden kann, sondern schon dann, wenn die Behörde nicht mehr von sich aus auf ihn zurückkommen kann, wie das bei Verfügungen prozessleitender Natur, z.B. einer vorläufigen Meinungsäusserung des Richters zur Einrede der Verjährung (vgl.BGE 72 IV 89f.), zutrifft; denn indem Art. 31 Abs. 1 StGB von einem Urteil erster Instanz spricht, ist die Bestimmung insbesondere gerade für jene Fälle aufgestellt worden, in denen der Entscheid von einer Partei angefochten und daher das Verfahren fortgesetzt wird. Ein Urteil liegt selbst dann vor, wenn die Behörde, die es gefällt hat, auf Begehren einer Partei die Akten nicht einer anderen, insbesondere einer oberen Behörde übermitteln, sondern das weitere Verfahren selber durchführen muss. Art. 31 Abs. 1 verlangt nicht, dass das Urteil in der betreffenden (ersten) Instanz der letzte, endgültige Entscheid sei. Indem die Bestimmung von einem Urteil erster Instanz spricht, will sie lediglich sagen, dass der Strafantrag nicht etwa noch bis zur Verkündung des Endurteils, das diesfalls gewöhnlich erst von einer oberen Instanz gefällt wird, zurückgezogen werden könne, sondern schon die Verkündung eines erstinstanzlichen Urteils genüge, um dem Antragsteller den Rückzug abzuschneiden. Der Grund, weshalb Art. 31 Abs. 1 diesen von einem gewissen Zeitpunkt an nicht mehr zulässt, liegt nicht etwa darin, dass Abschreibungsbeschlüsse zwar noch der unteren, nicht aber mehr der oberen Instanz zugemutet werden können, sondern darin, dass der Verletzte sich nicht erst durch die in einem verbindlichen Entscheide zum Ausdruck gekommene Auffassung der zuständigen Behörde, sei es auch bloss einer ersten Instanz, zum Rückzug entschliessen soll. Die Bestimmung will das ominöse Markten zwischen Täter und Verletztem um den Rückzug des Strafantrages ausschliessen, nachdem der Staat durch eine Behörde über die Rechtsfolgen der strafbaren Handlung entschieden und das Urteil verkündet hat (Prot. 2. ExpK 1 178 f., Votum Geel). Deshalb stellt Art. 31 Abs. 1 denn auch weder auf den Ablauf einer Rechtsmittelfrist, noch auf die Fällung des Urteils, sondern auf dessen Verkündung ab, durch die die Parteien erfahren, wie es um die Sache steht.
2. Das zürcherische Gesetz betreffend den Strafprozess bestimmt:
"Bleibt ein Angeklagter ohne genügende Entschuldigung aus, oder lässt er sich, wenn das persönliche Erscheinen nicht nötig ist oder erlassen wurde, nicht vertreten, so wird das Urteil auf Grund der Akten gefällt" (§ 195 Abs. 1).
"Das Gericht kann in diesem Falle den Angeklagten verurteilen oder freisprechen oder auch die Beurteilung der Sache so lange verschieben, bis der Angeklagte sich stellt oder ergriffen wird" (§ 196 Satz 1).
"Wird ein Angeklagter, der in seiner Abwesenheit verurteilt wurde, ergriffen oder stellt er sich freiwillig, so fällt auf sein Verlangen das Urteil dahin und es wird das ordentliche Verfahren durchgeführt, wenn er das Begehren binnen fünf Tagen von der Übergabe des Urteilsdispositivs an stellt.
War dem Angeklagten das Erscheinen vor Gericht erlassen (§ 172), so kann er die Wiederaufnahme nicht verlangen" (§ 197).
Aus diesen Bestimmungen ergibt sich, dass die Verurteilung eines Abwesenden nicht lediglich prozessleitende Verfügung ist, auf die das Gericht nach Belieben zurückkommen könnte. Nur das Wiedereinsetzungsbegehren des Angeklagten (oder die Ergreifung eines ordentlichen Rechtsmittels durch eine Partei gemäss §§ 395 ff. StPO) kann es zu Fall bringen. Es liegt daher ein verbindlicher, wenn auch nicht notwendigerweise endgültiger Entscheid über die Schuld des Angeklagten und deren Rechtsfolgen, also ein Urteil im Sinne des Art. 31 Abs. 1 StGB vor. Dass bis zu seiner Verkündung ein unbestimmte Zeit dauernder "Schwebezustand" besteht, weil erst sie die fünftägige Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsbegehrens in Gang bringt, ändert nichts; denn die Behörde bleibt während dieses Zustandes nichtsdestoweniger an ihren Entscheid gebunden. Übrigens bleiben auch andere Urteile "in der Schwebe", wenn Ausfällung und Verkündung nicht zeitlich zusammenfallen. Dass dieser Zustand bei der Verurteilung eines Abwesenden unbestimmte Zeit dauern kann, wenn der Aufenthaltsort des Verurteilten nicht bekannt ist, ist keine Besonderheit, die dem Entscheid die Natur eines Urteils zu nehmen vermöchte. Ebensowenig geht ihm diese Eigenschaft deshalb ab, weil nach der Stellung des Wiedereinsetzungsbegehrens die gleiche Behörde und nach gleichen Verfahrensvorschriften urteilen muss wie bei Verurteilung des Abwesenden.
Der Rückzug des Strafantrages war daher nicht mehr zulässig, nachdem das Urteil vom 14. Januar 1954 dem Beschwerdegegner am 24. Juni 1954 verkündet war. Ob nicht schon die Verkündung an die Staatsanwaltschaft den Rückzug ausgeschlossen hätte, kann dahingestellt bleiben.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 31. Januar 1955 aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
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Art. 31 cp. 1 CP. Quando, nel cantone di Zurigo, un giudizio contumaciale di prima istanza è stato pronunciato, il querelante non ha più la facoltà di desistere dalla querela, e ciò anche se il giudizio è stato annullato a richiesta del condannato.
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81 IV 85
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Sachverhalt ab Seite 86
A.- Le 30 août 1953, vers 23 h. 15, par temps sec et clair, von Gunten descendait à bicyclette la route de Tramelan à Tavannes. Peu avant l'entrée de cette dernière localité, il fut rejoint par une automobile Citroën, que pilotait Lesniak, dit Sadel. Pris de vin (1,7 en poids d'alcool dans le sang), il roulait à gauche de la chaussée, en oscillant. Comme il ne réagissait pas aux signaux lumineux de l'automobiliste, celui-ci donna trois coups de klaxon. Le cycliste appuya d'abord davantage sur la gauche, puis traversa la route. Aucun véhicule n'arrivant en sens inverse, Sadel amorça alors un dépassement. Pendant la manoeuvre, opérée à une vitesse n'excédant pas 30 à 40 km/h (vitesse légèrement supérieure à celle du cycliste), un des occupants de la voiture s'écria: "Il vient contre nous". Entendant aussitôt après un bruit de ferraille, Sadel s'arrêta. Von Gunten qui, du corps, avait frôlé l'arrière de la voiture et avait perdu l'équilibre, gisait sur la route, le crâne fracturé. Il décéda environ une heure plus tard.
A l'endroit de l'accident, la route est rectiligne, large de 5 m 50, asphaltée et en très bon état.
B.- Réformant un jugement du Tribunal du district de Moutier, qui avait infligé à Sadel une amende de 300 fr. pour homicide par négligence et entrave à la circulation publique, la 1e Chambre pénale de la Cour suprême du canton de Berne a libéré le prévenu, le 4 novembre 1954. Considérant que, au début du dépassement, la Citroën, large d'1 m 80, se trouvait à 40 cm du bord gauche de la route et que von Gunten roulait à 1 m 50 du bord droit, elle a jugé possible que la distance entre l'automobile et les roues de la bicyclette eût été d'1 m 80 et d'1 m 55 entre l'automobile et le cycliste; elle a constaté en outre que rien en tout cas ne permet d'admettre que cette distance ait été moindre, ni que Sadel ait repris sa droite trop tôt. Selon la Chambre bernoise, il a pris toutes les précautions exigées par les circonstances; en particulier, il a observé une distance suffisante par rapport au cycliste.
C.- Le Ministère public s'est pourvu en nullité au Tribunal fédéral. A son avis, c'était une négligence de dépasser von Gunten aussi longtemps qu'il ne tenait pas mieux sa droite.
D.- L'intimé conclut au rejet du pourvoi.
Erwägungen
Considérant en droit:
1. Le Ministère public a conclu au renvoi de la cause à la juridiction bernoise pour qu'elle condamne le prévenu, mais sans préciser pour quelle infraction. Il ressort toutefois des dernières lignes du pourvoi que Sadel se serait rendu coupable d'homicide par négligence, la négligence ayant consisté dans une contravention aux art. 25 al. 1, 26 al. 4 LA et 46 al. 3 RA.
2. Le dépassement n'est autorisé que si le parcours nécessaire est libre et bien visible, notamment lorsque aucun véhicule ne vient en sens inverse (art. 46 al. 1 RA). Tel était le cas en l'espèce. La route sur laquelle circulait Sadel était droite; il n'avait aucun obstacle devant lui.
3. Cependant, celui qui se trouve dans ce cas doit, au besoin, avant de dépasser, signaler son approche et attendre que l'autre lui donne la route libre (art. 26 al. 4 LA). Sadel a satisfait à cette obligation. Constatant l'inefficacité de ses signaux lumineux, il a donné trois signaux acoustiques, sur quoi le cycliste a gagné la partie droite de la chaussée. Certes, von Gunten ne s'est pas rangé à l'extrême droite, mais à 1 m 50 du bord de la route. Cependant, il laissait à sa gauche un espace de 3 m 75 (4 m à partir des roues de sa bicyclette). Cela suffisait; large d'1 m 80, la voiture avait la route libre au sens de l'art. 26 al. 4 LA. Le recourant estime à tort que le prévenu aurait dû s'abstenir de dépasser aussi longtemps que von Gunten ne se serrait pas davantage sur sa droite. Est déterminante, non pas la distance entre le véhicule à dépasser et le bord droit de la chaussée, mais l'espace libre à gauche de ce véhicule. Sadel avait donc le droit de dépasser.
4. Le droit de dépasser ne dispense pas de toute précaution. Le conducteur qui exécute cette manoeuvre doit au contraire circuler avec une prudence particulière et avoir égard aux autres usagers (art. 46 al. 3 RA).
Par rapport à von Gunten, Sadel devait, d'une part, observer une "distance appropriée" (art. 25 al. 1 i. f. LA), d'autre part, reprendre sa droite de manière à ne l'exposer à aucun danger (art. 46 al. 1 RA).
Selon l'arrêt attaqué, il n'est pas établi que le prévenu aurait repris sa droite trop tôt. Le recourant ne le lui reproche du reste pas.
Il reste à savoir s'il a observé, par rapport au cycliste une distance latérale appropriée. Malgré la descente, le prévenu devait s'attendre à des écarts de la bicyclette, car il avait remarqué qu'elle ne roulait pas en ligne droite et il avait conjecturé que le cycliste était pris de boisson. Cette circonstance lui commandait de prendre une marge de sécurité sensiblement plus grande que pour doubler un cycliste de sang-froid, bien que von Gunten eût manifestement tiré à droite pour le laisser passer.
Adoptant l'avis de l'expert Streun, la Cour bernoise a jugé que, pour dépasser un cycliste sans danger, un automobiliste qui, comme le faisait Sadel, roule à une vitesse de 30 à 40 km/h, doit observer normalement une distance latérale de 60 cm, ce qui représente 90 cm entre le côté droit de la voiture et les roues du vélocipède, et qu'il y a lieu de doubler cet intervalle en cas d'ébriété du cycliste.
L'intervalle de 60 cm peut être jugé suffisant lorsque le dépassement se fait sur une route droite, à l'allure indiquée, et que rien ne fait prévoir une déviation du cycliste sur la gauche. Il n'est pas nécessaire de décider en l'espèce s'il suffit de doubler cette mesure dans le cas où le cycliste est en équilibre instable. Car l'intervalle d'1 m 55, que Sadel a mis entre le côté droit de son véhicule et le côté gauche de von Gunten, satisfaisait en tout cas à l'exigence de l'art. 25 al. 1 i. f. LA dans la présente espèce. L'intimé pouvait donc raisonnablement admettre que, malgré le comportement insolite du cycliste, une telle distance prévenait tout risque d'accrochage.
On ne saurait dès lors lui reprocher - le recourant s'en abstient d'ailleurs - de n'avoir pas circulé plus à gauche. Sa voiture était à 40 cm du bord gauche de la route, de sorte qu'il aurait pu s'en approcher davantage. Mais, dès lors qu'il y avait déjà un espace suffisant entre lui et le cycliste, il n'était pas nécessaire d'augmenter cet espace, d'autant moins que, de nuit, on ne roule pas sans péril à l'extrême bord de la chaussée.
5. Le Ministère public relève que le danger de collision subsistait aussi longtemps que l'automobile n'avait pas entièrement dépassé la bicyclette. Ce danger croissait avec la longueur, mais surtout avec la durée du trajet que les deux véhicules devaient parcourir dans cette position, l'un par rapport à l'autre. Etant donné que leur longueur totale était de 6 m (4 m 20 + 1 m 80), que l'automobile roulait entre 30 et 40 km/h et la bicyclette à une vitesse légèrement inférieure, la longueur et la durée de ce trajet auraient été de 18 m parcourus en 2,1 sec. dans le cas le plus favorable (voiture 30 et bicyclette 20 km/h) ou de 48 m parcourus en 4,3 sec. dans le cas le moins favorable (voiture 40 et bicyclette 35 km/h). Sadel aurait pu réduire le danger, voire éviter la collision, en accélérant pour dépasser plus vite et l'on peut se demander s'il n'aurait pas dû le faire, c'est-à-dire si une vitesse plus grande n'aurait pas été seule adaptée aux conditions de la route et de la circulation (art. 25 al. 1 LA).
Après coup, il apparaît que cette mesure se recommandait objectivement. Mais, pour décider si c'était une faute de ne pas y recourir, il faut se placer dans les circonstances de l'espèce. Eu égard à l'obscurité et à la distance qui séparaient latéralement les deux véhicules, Sadel était fondé à admettre que cette précaution supplémentaire ne s'imposait pas. En continuant sa route sans accélérer, il n'a pas commis d'imprévoyance coupable. Le recourant lui-même n'a pas soutenu le contraire.
6. Sadel ayant été, en l'absence de faute, libéré à juste titre par la juridiction bernoise, il n'est pas nécessaire de rechercher si son comportement était propre, dans le cours ordinaire des choses, à entraîner la chute du cycliste. De toute façon d'ailleurs, la question ne se poserait pas si, au lieu de la théorie de la causalité adéquate, dont la légitimité n'est pas aussi évidente en droit pénal qu'en droit civil, on adoptait la théorie de l'équivalence des conditions (cf. notamment GUEx, La relation de cause à effet dans les obligations extracontractuelles, thèse, Lausanne 1904, pp. 104 ss.; HÄBERLIN, Das eigene Verschulden des Geschädigten im schweizerischen Schadenersatzrecht, thèse, Bern 1924, pp. 33 à 39).
Dispositiv
Par ces motifs, la Cour de cassation pénale
rejette le pourvoi.
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1. Frage des Kausalzusammenhangs im Strafrecht (Erw. 6). 2. Überholen:
a) Unter welchen Voraussetzungen darf überholt werden (Erw. 2 und 3)?
b) Gebotene Vorsicht, insbesondere zum Überholen eines angetrunkenen Radfahrers; seitlicher Abstand der Fahrzeuge, Beschleunigung (Erw. 4 und 5).
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A.- Le 30 août 1953, vers 23 h. 15, par temps sec et clair, von Gunten descendait à bicyclette la route de Tramelan à Tavannes. Peu avant l'entrée de cette dernière localité, il fut rejoint par une automobile Citroën, que pilotait Lesniak, dit Sadel. Pris de vin (1,7 en poids d'alcool dans le sang), il roulait à gauche de la chaussée, en oscillant. Comme il ne réagissait pas aux signaux lumineux de l'automobiliste, celui-ci donna trois coups de klaxon. Le cycliste appuya d'abord davantage sur la gauche, puis traversa la route. Aucun véhicule n'arrivant en sens inverse, Sadel amorça alors un dépassement. Pendant la manoeuvre, opérée à une vitesse n'excédant pas 30 à 40 km/h (vitesse légèrement supérieure à celle du cycliste), un des occupants de la voiture s'écria: "Il vient contre nous". Entendant aussitôt après un bruit de ferraille, Sadel s'arrêta. Von Gunten qui, du corps, avait frôlé l'arrière de la voiture et avait perdu l'équilibre, gisait sur la route, le crâne fracturé. Il décéda environ une heure plus tard.
A l'endroit de l'accident, la route est rectiligne, large de 5 m 50, asphaltée et en très bon état.
B.- Réformant un jugement du Tribunal du district de Moutier, qui avait infligé à Sadel une amende de 300 fr. pour homicide par négligence et entrave à la circulation publique, la 1e Chambre pénale de la Cour suprême du canton de Berne a libéré le prévenu, le 4 novembre 1954. Considérant que, au début du dépassement, la Citroën, large d'1 m 80, se trouvait à 40 cm du bord gauche de la route et que von Gunten roulait à 1 m 50 du bord droit, elle a jugé possible que la distance entre l'automobile et les roues de la bicyclette eût été d'1 m 80 et d'1 m 55 entre l'automobile et le cycliste; elle a constaté en outre que rien en tout cas ne permet d'admettre que cette distance ait été moindre, ni que Sadel ait repris sa droite trop tôt. Selon la Chambre bernoise, il a pris toutes les précautions exigées par les circonstances; en particulier, il a observé une distance suffisante par rapport au cycliste.
C.- Le Ministère public s'est pourvu en nullité au Tribunal fédéral. A son avis, c'était une négligence de dépasser von Gunten aussi longtemps qu'il ne tenait pas mieux sa droite.
D.- L'intimé conclut au rejet du pourvoi.
Erwägungen
Considérant en droit:
1. Le Ministère public a conclu au renvoi de la cause à la juridiction bernoise pour qu'elle condamne le prévenu, mais sans préciser pour quelle infraction. Il ressort toutefois des dernières lignes du pourvoi que Sadel se serait rendu coupable d'homicide par négligence, la négligence ayant consisté dans une contravention aux art. 25 al. 1, 26 al. 4 LA et 46 al. 3 RA.
2. Le dépassement n'est autorisé que si le parcours nécessaire est libre et bien visible, notamment lorsque aucun véhicule ne vient en sens inverse (art. 46 al. 1 RA). Tel était le cas en l'espèce. La route sur laquelle circulait Sadel était droite; il n'avait aucun obstacle devant lui.
3. Cependant, celui qui se trouve dans ce cas doit, au besoin, avant de dépasser, signaler son approche et attendre que l'autre lui donne la route libre (art. 26 al. 4 LA). Sadel a satisfait à cette obligation. Constatant l'inefficacité de ses signaux lumineux, il a donné trois signaux acoustiques, sur quoi le cycliste a gagné la partie droite de la chaussée. Certes, von Gunten ne s'est pas rangé à l'extrême droite, mais à 1 m 50 du bord de la route. Cependant, il laissait à sa gauche un espace de 3 m 75 (4 m à partir des roues de sa bicyclette). Cela suffisait; large d'1 m 80, la voiture avait la route libre au sens de l'art. 26 al. 4 LA. Le recourant estime à tort que le prévenu aurait dû s'abstenir de dépasser aussi longtemps que von Gunten ne se serrait pas davantage sur sa droite. Est déterminante, non pas la distance entre le véhicule à dépasser et le bord droit de la chaussée, mais l'espace libre à gauche de ce véhicule. Sadel avait donc le droit de dépasser.
4. Le droit de dépasser ne dispense pas de toute précaution. Le conducteur qui exécute cette manoeuvre doit au contraire circuler avec une prudence particulière et avoir égard aux autres usagers (art. 46 al. 3 RA).
Par rapport à von Gunten, Sadel devait, d'une part, observer une "distance appropriée" (art. 25 al. 1 i. f. LA), d'autre part, reprendre sa droite de manière à ne l'exposer à aucun danger (art. 46 al. 1 RA).
Selon l'arrêt attaqué, il n'est pas établi que le prévenu aurait repris sa droite trop tôt. Le recourant ne le lui reproche du reste pas.
Il reste à savoir s'il a observé, par rapport au cycliste une distance latérale appropriée. Malgré la descente, le prévenu devait s'attendre à des écarts de la bicyclette, car il avait remarqué qu'elle ne roulait pas en ligne droite et il avait conjecturé que le cycliste était pris de boisson. Cette circonstance lui commandait de prendre une marge de sécurité sensiblement plus grande que pour doubler un cycliste de sang-froid, bien que von Gunten eût manifestement tiré à droite pour le laisser passer.
Adoptant l'avis de l'expert Streun, la Cour bernoise a jugé que, pour dépasser un cycliste sans danger, un automobiliste qui, comme le faisait Sadel, roule à une vitesse de 30 à 40 km/h, doit observer normalement une distance latérale de 60 cm, ce qui représente 90 cm entre le côté droit de la voiture et les roues du vélocipède, et qu'il y a lieu de doubler cet intervalle en cas d'ébriété du cycliste.
L'intervalle de 60 cm peut être jugé suffisant lorsque le dépassement se fait sur une route droite, à l'allure indiquée, et que rien ne fait prévoir une déviation du cycliste sur la gauche. Il n'est pas nécessaire de décider en l'espèce s'il suffit de doubler cette mesure dans le cas où le cycliste est en équilibre instable. Car l'intervalle d'1 m 55, que Sadel a mis entre le côté droit de son véhicule et le côté gauche de von Gunten, satisfaisait en tout cas à l'exigence de l'art. 25 al. 1 i. f. LA dans la présente espèce. L'intimé pouvait donc raisonnablement admettre que, malgré le comportement insolite du cycliste, une telle distance prévenait tout risque d'accrochage.
On ne saurait dès lors lui reprocher - le recourant s'en abstient d'ailleurs - de n'avoir pas circulé plus à gauche. Sa voiture était à 40 cm du bord gauche de la route, de sorte qu'il aurait pu s'en approcher davantage. Mais, dès lors qu'il y avait déjà un espace suffisant entre lui et le cycliste, il n'était pas nécessaire d'augmenter cet espace, d'autant moins que, de nuit, on ne roule pas sans péril à l'extrême bord de la chaussée.
5. Le Ministère public relève que le danger de collision subsistait aussi longtemps que l'automobile n'avait pas entièrement dépassé la bicyclette. Ce danger croissait avec la longueur, mais surtout avec la durée du trajet que les deux véhicules devaient parcourir dans cette position, l'un par rapport à l'autre. Etant donné que leur longueur totale était de 6 m (4 m 20 + 1 m 80), que l'automobile roulait entre 30 et 40 km/h et la bicyclette à une vitesse légèrement inférieure, la longueur et la durée de ce trajet auraient été de 18 m parcourus en 2,1 sec. dans le cas le plus favorable (voiture 30 et bicyclette 20 km/h) ou de 48 m parcourus en 4,3 sec. dans le cas le moins favorable (voiture 40 et bicyclette 35 km/h). Sadel aurait pu réduire le danger, voire éviter la collision, en accélérant pour dépasser plus vite et l'on peut se demander s'il n'aurait pas dû le faire, c'est-à-dire si une vitesse plus grande n'aurait pas été seule adaptée aux conditions de la route et de la circulation (art. 25 al. 1 LA).
Après coup, il apparaît que cette mesure se recommandait objectivement. Mais, pour décider si c'était une faute de ne pas y recourir, il faut se placer dans les circonstances de l'espèce. Eu égard à l'obscurité et à la distance qui séparaient latéralement les deux véhicules, Sadel était fondé à admettre que cette précaution supplémentaire ne s'imposait pas. En continuant sa route sans accélérer, il n'a pas commis d'imprévoyance coupable. Le recourant lui-même n'a pas soutenu le contraire.
6. Sadel ayant été, en l'absence de faute, libéré à juste titre par la juridiction bernoise, il n'est pas nécessaire de rechercher si son comportement était propre, dans le cours ordinaire des choses, à entraîner la chute du cycliste. De toute façon d'ailleurs, la question ne se poserait pas si, au lieu de la théorie de la causalité adéquate, dont la légitimité n'est pas aussi évidente en droit pénal qu'en droit civil, on adoptait la théorie de l'équivalence des conditions (cf. notamment GUEx, La relation de cause à effet dans les obligations extracontractuelles, thèse, Lausanne 1904, pp. 104 ss.; HÄBERLIN, Das eigene Verschulden des Geschädigten im schweizerischen Schadenersatzrecht, thèse, Bern 1924, pp. 33 à 39).
Dispositiv
Par ces motifs, la Cour de cassation pénale
rejette le pourvoi.
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1. Question de la causalité en droit pénal (consid. 6). 2. Dépassement:
a) Dans quelles conditions le dépassement est-il autorisé (consid. 2 et 3)?
b) Précautions à prendre, en particulier pour le dépassement d'un cycliste pris de boisson; écartement latéral des véhicules, accélération (consid. 4 et 5).
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81 IV 85
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Sachverhalt ab Seite 86
A.- Le 30 août 1953, vers 23 h. 15, par temps sec et clair, von Gunten descendait à bicyclette la route de Tramelan à Tavannes. Peu avant l'entrée de cette dernière localité, il fut rejoint par une automobile Citroën, que pilotait Lesniak, dit Sadel. Pris de vin (1,7 en poids d'alcool dans le sang), il roulait à gauche de la chaussée, en oscillant. Comme il ne réagissait pas aux signaux lumineux de l'automobiliste, celui-ci donna trois coups de klaxon. Le cycliste appuya d'abord davantage sur la gauche, puis traversa la route. Aucun véhicule n'arrivant en sens inverse, Sadel amorça alors un dépassement. Pendant la manoeuvre, opérée à une vitesse n'excédant pas 30 à 40 km/h (vitesse légèrement supérieure à celle du cycliste), un des occupants de la voiture s'écria: "Il vient contre nous". Entendant aussitôt après un bruit de ferraille, Sadel s'arrêta. Von Gunten qui, du corps, avait frôlé l'arrière de la voiture et avait perdu l'équilibre, gisait sur la route, le crâne fracturé. Il décéda environ une heure plus tard.
A l'endroit de l'accident, la route est rectiligne, large de 5 m 50, asphaltée et en très bon état.
B.- Réformant un jugement du Tribunal du district de Moutier, qui avait infligé à Sadel une amende de 300 fr. pour homicide par négligence et entrave à la circulation publique, la 1e Chambre pénale de la Cour suprême du canton de Berne a libéré le prévenu, le 4 novembre 1954. Considérant que, au début du dépassement, la Citroën, large d'1 m 80, se trouvait à 40 cm du bord gauche de la route et que von Gunten roulait à 1 m 50 du bord droit, elle a jugé possible que la distance entre l'automobile et les roues de la bicyclette eût été d'1 m 80 et d'1 m 55 entre l'automobile et le cycliste; elle a constaté en outre que rien en tout cas ne permet d'admettre que cette distance ait été moindre, ni que Sadel ait repris sa droite trop tôt. Selon la Chambre bernoise, il a pris toutes les précautions exigées par les circonstances; en particulier, il a observé une distance suffisante par rapport au cycliste.
C.- Le Ministère public s'est pourvu en nullité au Tribunal fédéral. A son avis, c'était une négligence de dépasser von Gunten aussi longtemps qu'il ne tenait pas mieux sa droite.
D.- L'intimé conclut au rejet du pourvoi.
Erwägungen
Considérant en droit:
1. Le Ministère public a conclu au renvoi de la cause à la juridiction bernoise pour qu'elle condamne le prévenu, mais sans préciser pour quelle infraction. Il ressort toutefois des dernières lignes du pourvoi que Sadel se serait rendu coupable d'homicide par négligence, la négligence ayant consisté dans une contravention aux art. 25 al. 1, 26 al. 4 LA et 46 al. 3 RA.
2. Le dépassement n'est autorisé que si le parcours nécessaire est libre et bien visible, notamment lorsque aucun véhicule ne vient en sens inverse (art. 46 al. 1 RA). Tel était le cas en l'espèce. La route sur laquelle circulait Sadel était droite; il n'avait aucun obstacle devant lui.
3. Cependant, celui qui se trouve dans ce cas doit, au besoin, avant de dépasser, signaler son approche et attendre que l'autre lui donne la route libre (art. 26 al. 4 LA). Sadel a satisfait à cette obligation. Constatant l'inefficacité de ses signaux lumineux, il a donné trois signaux acoustiques, sur quoi le cycliste a gagné la partie droite de la chaussée. Certes, von Gunten ne s'est pas rangé à l'extrême droite, mais à 1 m 50 du bord de la route. Cependant, il laissait à sa gauche un espace de 3 m 75 (4 m à partir des roues de sa bicyclette). Cela suffisait; large d'1 m 80, la voiture avait la route libre au sens de l'art. 26 al. 4 LA. Le recourant estime à tort que le prévenu aurait dû s'abstenir de dépasser aussi longtemps que von Gunten ne se serrait pas davantage sur sa droite. Est déterminante, non pas la distance entre le véhicule à dépasser et le bord droit de la chaussée, mais l'espace libre à gauche de ce véhicule. Sadel avait donc le droit de dépasser.
4. Le droit de dépasser ne dispense pas de toute précaution. Le conducteur qui exécute cette manoeuvre doit au contraire circuler avec une prudence particulière et avoir égard aux autres usagers (art. 46 al. 3 RA).
Par rapport à von Gunten, Sadel devait, d'une part, observer une "distance appropriée" (art. 25 al. 1 i. f. LA), d'autre part, reprendre sa droite de manière à ne l'exposer à aucun danger (art. 46 al. 1 RA).
Selon l'arrêt attaqué, il n'est pas établi que le prévenu aurait repris sa droite trop tôt. Le recourant ne le lui reproche du reste pas.
Il reste à savoir s'il a observé, par rapport au cycliste une distance latérale appropriée. Malgré la descente, le prévenu devait s'attendre à des écarts de la bicyclette, car il avait remarqué qu'elle ne roulait pas en ligne droite et il avait conjecturé que le cycliste était pris de boisson. Cette circonstance lui commandait de prendre une marge de sécurité sensiblement plus grande que pour doubler un cycliste de sang-froid, bien que von Gunten eût manifestement tiré à droite pour le laisser passer.
Adoptant l'avis de l'expert Streun, la Cour bernoise a jugé que, pour dépasser un cycliste sans danger, un automobiliste qui, comme le faisait Sadel, roule à une vitesse de 30 à 40 km/h, doit observer normalement une distance latérale de 60 cm, ce qui représente 90 cm entre le côté droit de la voiture et les roues du vélocipède, et qu'il y a lieu de doubler cet intervalle en cas d'ébriété du cycliste.
L'intervalle de 60 cm peut être jugé suffisant lorsque le dépassement se fait sur une route droite, à l'allure indiquée, et que rien ne fait prévoir une déviation du cycliste sur la gauche. Il n'est pas nécessaire de décider en l'espèce s'il suffit de doubler cette mesure dans le cas où le cycliste est en équilibre instable. Car l'intervalle d'1 m 55, que Sadel a mis entre le côté droit de son véhicule et le côté gauche de von Gunten, satisfaisait en tout cas à l'exigence de l'art. 25 al. 1 i. f. LA dans la présente espèce. L'intimé pouvait donc raisonnablement admettre que, malgré le comportement insolite du cycliste, une telle distance prévenait tout risque d'accrochage.
On ne saurait dès lors lui reprocher - le recourant s'en abstient d'ailleurs - de n'avoir pas circulé plus à gauche. Sa voiture était à 40 cm du bord gauche de la route, de sorte qu'il aurait pu s'en approcher davantage. Mais, dès lors qu'il y avait déjà un espace suffisant entre lui et le cycliste, il n'était pas nécessaire d'augmenter cet espace, d'autant moins que, de nuit, on ne roule pas sans péril à l'extrême bord de la chaussée.
5. Le Ministère public relève que le danger de collision subsistait aussi longtemps que l'automobile n'avait pas entièrement dépassé la bicyclette. Ce danger croissait avec la longueur, mais surtout avec la durée du trajet que les deux véhicules devaient parcourir dans cette position, l'un par rapport à l'autre. Etant donné que leur longueur totale était de 6 m (4 m 20 + 1 m 80), que l'automobile roulait entre 30 et 40 km/h et la bicyclette à une vitesse légèrement inférieure, la longueur et la durée de ce trajet auraient été de 18 m parcourus en 2,1 sec. dans le cas le plus favorable (voiture 30 et bicyclette 20 km/h) ou de 48 m parcourus en 4,3 sec. dans le cas le moins favorable (voiture 40 et bicyclette 35 km/h). Sadel aurait pu réduire le danger, voire éviter la collision, en accélérant pour dépasser plus vite et l'on peut se demander s'il n'aurait pas dû le faire, c'est-à-dire si une vitesse plus grande n'aurait pas été seule adaptée aux conditions de la route et de la circulation (art. 25 al. 1 LA).
Après coup, il apparaît que cette mesure se recommandait objectivement. Mais, pour décider si c'était une faute de ne pas y recourir, il faut se placer dans les circonstances de l'espèce. Eu égard à l'obscurité et à la distance qui séparaient latéralement les deux véhicules, Sadel était fondé à admettre que cette précaution supplémentaire ne s'imposait pas. En continuant sa route sans accélérer, il n'a pas commis d'imprévoyance coupable. Le recourant lui-même n'a pas soutenu le contraire.
6. Sadel ayant été, en l'absence de faute, libéré à juste titre par la juridiction bernoise, il n'est pas nécessaire de rechercher si son comportement était propre, dans le cours ordinaire des choses, à entraîner la chute du cycliste. De toute façon d'ailleurs, la question ne se poserait pas si, au lieu de la théorie de la causalité adéquate, dont la légitimité n'est pas aussi évidente en droit pénal qu'en droit civil, on adoptait la théorie de l'équivalence des conditions (cf. notamment GUEx, La relation de cause à effet dans les obligations extracontractuelles, thèse, Lausanne 1904, pp. 104 ss.; HÄBERLIN, Das eigene Verschulden des Geschädigten im schweizerischen Schadenersatzrecht, thèse, Bern 1924, pp. 33 à 39).
Dispositiv
Par ces motifs, la Cour de cassation pénale
rejette le pourvoi.
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1. Questione del nesso causale nel diritto penale (consid. 6). 2. Dell'oltrepassare:
a) A quali condizioni è permesso oltrepassare (consid. 2 e 3 )?
b) Precauzioni che devono essere prese, segnatamente per oltrepassare un ciclista ebbro; distanza laterale dei veicoli, acceleramento (consid. 4 e 5).
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81 IV 90
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Sachverhalt ab Seite 90
A.- Anna Foschi kaufte von Ende Mai bis Anfang Dezember 1953 dem Giulio Realini fortwährend Tafelbutter und Eier ab, obschon sie wusste, dass er sie seinem Arbeitgeber Hans Suter, Landwirt und Milchhändler, mit dem er in Hausgemeinschaft lebte, gestohlen hatte.
B.- Da Suter den gegen Realini gestellten Strafantrag wegen Diebstahls (Art. 137 Ziff. 3 StGB) zurückzog, wurde die Strafuntersuchung gegenüber Realini am 2. Februar 1954 eingestellt. Anna Foschi dagegen wurde am 13. April 1954 vom Bezirksgericht Dielsdorf und auf Appellation am 25. Juni 1954 vom Obergericht des Kantons Zürich wegen Hehlerei (Art. 144 Abs. 1 StGB) zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von vierzehn Tagen verurteilt.
C.- Anna Foschi führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das oberinstanzliche Urteil sei aufzuheben und die Sache zur Freisprechung an das Obergericht zurückzuweisen. Sie macht geltend, Realini habe, da der Strafantrag Strafbarkeitsbedingung sei, keine "strafbare Handlung" begangen und folglich liege Hehlerei nicht vor.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Hehlerei (Art. 144 StGB) ist selbständiges Verbrechen und wird stets von Amtes wegen verfolgt, auch wenn die strafbare Handlung des Vortäters Antragsdelikt ist. Art. 31 Abs. 3 StGB, wonach der Rückzug des Strafantrages "für alle Beschuldigten" gilt, auch wenn er nur gegenüber einem von ihnen erklärt wird, kommt daher dem Hehler nicht zugute, ganz abgesehen davon, dass diese Bestimmung unter den "Beschuldigten" nur die "an der Tat Beteiligten" im Sinne des Art. 30 StGB, nämlich die Mittäter, Anstifter und Gehülfen (Art. 24, 25 StGB) versteht (BGE 69 IV 74 Erw. 6, BGE 80 IV 211). Aus Art. 31 Abs. 3 StGB kann daher die Beschwerdeführerin nichts zu ihren Gunsten ableiten.
2. Hehlerei setzt voraus, dass der Vortäter die Sache durch "strafbare Handlung" erlangt habe (Art. 144 Abs. 1 StGB).
Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn das dem Vortäter zur Last fallende Tun oder Unterlassen die objektiven Merkmale einer im Gesetz mit Strafe bedrohten Handlung (infraction, reato) aufweist. Die Handlung muss abstrakt strafbar sein. Dass der Vortäter bestraft werden könne, also konkrete Strafbarkeit vorliege, verlangt Art. 144 Abs. 1 StGB nicht (BGE 73 IV 98 Erw. 2). Etwas anderes ergibt sich auch nicht für den Fall, dass die Bestrafung des Vortäters einzig am Fehlen eines Strafantrages scheitert. Der Zweck des Antragserfordernisses verlangt nicht, dass in diesem Falle nicht nur die Verfolgung des Vortäters, sondern auch jene des Hehlers unterbleibe. Gewiss kann das zur Folge haben, dass der Verletzte wegen des gegen den Hehler durchzuführenden Verfahrens der Polizei und dem Richter Einblick in seine Verhältnisse gestatten muss, was er vielleicht durch Unterlassung eines Strafantrages gegen den Vortäter vermeiden wollte. Anspruch darauf, dass der "Schleier des Geheimnisses" nicht von Amtes wegen "zerrissen" werde, hat er aber nur soweit, als das Gesetz die Handlung zum Antragsdelikt stempelt. Da das für die Hehlerei nicht zutrifft, muss der Verletzte sich die Einmischung der Behörden auch gegen seinen Willen gefallen lassen, sobald der Vortäter einen Hehler gefunden hat. Hier geht das öffentliche Interesse an der Bekämpfung der Hehlerei dem privaten Interesse des -Verletzten auf Wahrung seiner Geheimsphäre vor, wie ja letzteres meistens vor dem Interesse des Staates an der Verfolgung von Rechtsbrechern zurückzutreten hat. Das Antragserfordernis in Bezug auf die Verfolgung des Vortäters behält dennoch seinen guten Sinn, ermöglicht es doch dem Verletzten, eine ihm als Angehöriger oder Familiengenosse nahe stehende Person zu schonen. Inwiefern auch der Hehler, mit dem der Verletzte ja regelmässig nicht durch solche Bande verbunden ist, daraus sollte Nutzen ziehen müssen, ist nicht zu ersehen.
3. Dass aber eine vom Vortäter begangene mit Strafe bedrohte Handlung (infraction, reato) nicht vorliege, wenn der vorgeschriebene Strafantrag nicht gestellt oder zurückgezogen worden ist, und dass folglich aus begriffiichen Gründen in diesem Falle auch der Hehler nicht verfolgt und bestraft werden könne, ist eine Auffassung, die der Kassationshof schon wiederholt abgelehnt hat (BGE 69 IV 72, BGE 73 IV 97). Es besteht kein Grund, diese Rechtsprechung zu ändern.
a) Die Auffassung der Beschwerdeführerin widerspricht schon jedem natürlichen Empfinden. Das freilich weniger deshalb, weil der Strafantrag zur Strafwürdigkeit gar nichts beiträgt, als vielmehr deshalb, weil er im Gegensatz zu der sog. Strafbarkeitsbedingung (Bedingung der Strafbarkeit im abstrakten Sinne) nicht auf der Seite des Täters oder der Tat liegt, sondern in einer Willenserklärung des Verletzten besteht, also der Willkür einer an der Verfolgung oder Nichtverfolgung interessierten Person anheimgegeben ist. Es verstösst geradezu gegen die Logik, die Tat erst dann als abstrakt strafbar gelten zu lassen, wenn der Verletzte die Bestrafung des Täters verlangt hat, und in ihr wiederum eine nicht mit Strafe bedrohte Handlung zu sehen, wenn der Verletzte den Antrag zurückgezogen hat. Die im Strafantrag oder dessen Rückzug liegende Willenserklärung des Verletzten ist immer auf Bestrafung bezw. Nichtbestrafung eines bestimmten Täters gerichtet. Von ihr hängt ab, ob im konkreten Falle Strafe ausgefällt werden darf. Für die abstrakte Würdigung der Tat als mit Strafe bedrohte oder nicht mit Strafe bedrohte Handlung ist sie dagegen begriffiich belanglos. Dass erst die Willenserklärung des Verletzten die Tat rechtswidrig (und damit strafbar) mache und eine solche Willenserklärung (Rückzug) ihr die Rechtswidrigkeit (und Strafbarkeit) auch wieder nehme, entsprechend dem Satze "volenti non fit iniuria", ist eine aus dem Zivilrecht hergeholte Überlegung, die für das Strafrecht abwegig ist. Der Strafantrag trägt zur abstrakten Strafbarkeit der Tat umsoweniger etwas bei, als er nur gültig ist, wenn er binnen drei Monaten gestellt wird (Art. 29), eine Voraussetzung, die nur aus prozessualen Gründen aufgestellt worden sein kann. Wie die Beschwerdeführerin aus der Befristung des Antragsrechts gerade das Gegenteil schliessen kann, ist unverständlich.
Der Strafantrag spielt die gleiche Rolle wie z.B. die Ermächtigung des Bundesrates für die Verfolgung politischer Vergehen nach Art. 105 BStP und die Verfolgung der Vergehen des sechzehnten Titels des Strafgesetzbuches (Art. 302 StGB), nämlich die Rolle einer Voraussetzung für die Eröffnung des Strafverfahrens und die Ausfällung eines Strafurteils, d.h. der Strafbarkeit des konkreten Täters.
b) Hiegegen ist nicht aufzukommen mit der Auffassung, das Strafgesetzbuch sehe im Strafantrag eine Strafbarkeitsbedingung, weil es in Art. 28 Abs. 1 bestimmt: "Ist eine Tat nur auf Antrag strafbar, so kann jeder, der durch sie verletzt worden ist, die Bestrafung des Täters beantragen." Nichts spricht dafür, dass diese Bestimmung unter "strafbar" das gleiche verstehe wie Art. 144 Abs. 1, nämlich "mit Strafe bedroht", d.h. abstrakt strafbar. "Ist eine Tat nur auf Antrag strafbar" kann durchaus dahin verstanden werden: "Ist wegen einer Tat nur auf Antrag Strafe auszufällen". So verstanden, ist "strafbar" eine vereinfachte Wendung für "der Ausfällung eines Strafurteils zugänglich", hat also rein prozessuale Bedeutung, keineswegs dagegen den Sinn, dass erst der Antrag die Tat zu einer vom Gesetz verpönten, zu einer mit Strafe bedrohten mache, sodass z.B. der Vorwurf an den diebischen Familiengenossen (Art. 137 Ziff. 3 StGB), er habe eine strafbare Handlung (infraction, reato) begangen, solange unwahr wäre, als ein Strafantrag nicht gestellt worden ist, dagegen wahr würde, sobald ein solcher vorliegt, oder dass erst der Strafantrag die Verfolgungsverjährung in Gang setzen könnte, weil ja vorher eine "strafbare Tätigkeit", ein "strafbares Verhalten" (siehe Art. 71 StGB) noch gar nicht vorliegen würde.
Die romanischen Texte zeigen denn auch deutlich, dass Art. 28 Abs. 1 im Strafantrag nicht eine abstrakte Strafbarkeitsbedingung sieht. "Tat" ist hier mit "infraction" bezw. "reato" wiedergegeben, was gleichbedeutend ist mit einer Handlung, die das Gesetz an sich als strafbar erachtet und anderswo deutsch als "strafbare Handlung" bezeichnet (siehe z.B. Art. 9, 27 Ziff. 1, 144 Abs. 1, 339 Ziff. 2 Abs. 1, 345 ff.). Die französische Wendung "lorsqu'une infraction n'est punie que sur plainte" und der italienische Text "se un reato è punibile solo a querela di parte" können daher unmöglich den Sinn haben, dass erst der Strafantrag (plainte, querela) die Tat zur strafbaren Handlung mache, liegt doch der Begriff der Strafbarkeit der Handlung schon in den Worten "infraction" und "reato". Das Wort "puni" bezw. "punibile" weist hier auf den rein prozessualen Vorgang des Ausfällens einer Strafe hin, nicht auf eine abstrakte Strafbarkeitsbedingung, die erst die Handlung zu einer mit Strafe bedrohten (infraction, reato) machen würde.
c) Aus der Entstehungsgeschichte lässt sich schlechterdings nichts anderes ableiten. Gewiss vertrat der Verfasser des ersten Vorentwurfes die Auffassung, es gebe keine "strafbaren Handlungen in abstracto", wenn also mangels Strafantrages die Verfolgung des Täters ausgeschlossen sei, liege auch keine strafbare Handlung vor (CARL STOOSS, Lehrbuch des österreichischen Strafrechts, Wien 1910 146), und begann deshalb Art. 2 der Vorentwürfe von 1893 und 1894 mit den Worten: "Ist die Strafbarkeit einer Handlung durch einen Antrag bedingt ..." bezw. "ist eine Handlung auf Antrag strafbar ...". Ferner ist richtig, dass auch die Expertenkommissionen dem Strafantrag die Bedeutung einer Bedingung der Strafbarkeit der Handlung beilegten (Verhandl. 1. ExpK 1 20 f.; Protokoll 2. ExpK 1 174). Der Vorentwurf 1916 (Art. 29) und der Entwurf des Bundesrates von 1918 (Art. 27) wichen aber durch die Worte "ist eine Tat nur auf Antrag zu verfolgen..." unmissverständlich von der früheren Auffassung ab. Daran ändert auch die Äusserung des Berichterstatters im Nationalrat, Prof. Logoz, nichts. -Dieser erklärte, das Strafgesetzbuch müsse die allgemeinen Bedingungen der Ausübung des Antragsrechtes umschreiben, wenigstens wenn es den Strafantrag als eine "condition de la naissance du droit de punir de l'Etat" betrachte (StenBull Sonderausgabe S. 98). Das heisst lediglich, der sogenannte Strafanspruch des Staates, d.h. das Recht, den konkreten Täter zu bestrafen (ius puniendi), hange von einem Strafantrag ab. Dass die Handlung des Täters, solange ein Strafantrag nicht gestellt sei, nicht die Merkmale einer im Gesetz mit Strafe bedrohten Handlung (infraction, reato) aufweise, kann aus dieser Äusserung unmöglich herausgelesen werden, ganz abgesehen davon, dass sie am klaren Wortlaut des Entwurfes, der in der parlamentarischen Beratung gutgeheissen wurde, nichts zu ändern vermocht hätte. Erst die Redaktionskommission von 1937 ersetzte die Worte "auf Antrag zu verfolgen" durch "auf Antrag strafbar". Es liegt auf der Hand, dass sie am Sinne der Bestimmung nicht rütteln wollte und auch die eidgenössischen Räte nicht annahmen, sie wolle es tun. Art. 8 des Bundesgesetzes vom 9. Oktober 1902 über den Geschäftsverkehr zwischen Nationalrat, Ständerat und Bundesrat sowie über die Form des Erlasses und der Bekanntmachung von Gesetzen und Beschlüssen erklärt die Redaktionskommissionen ausdrücklich zu sachlichen Änderungen an den Schlussnahmen der Räte als nicht befugt. Tatsächlich hat die Redaktionskommission den Sinn der Bestimmung nicht geändert, wenn sie, wie bereits dargelegt, unter dem "strafbar" die Strafbarkeit in concreto, d.h. die Voraussetzung, unter der der Richter ein Strafurteil ausfällen darf, versteht. Dass in anderen Fällen materielle Änderungen auf Antrag der Redaktionskommission vorgenommen wurden (z.B. Art. 273), widerlegt diese Auffassung nicht; materielle Änderungen wurden immer als solche gekennzeichnet und damit in den Räten zur Diskussion gestellt. Dass das in bezug auf Art. 28 nicht geschehen ist, bestätigt die rein formale Natur der Abweichung vom Entwurfe. Zu einer anderen Auslegung könnte das Vorgehen der Redaktionskommission nur Anlass geben, wenn der neue Wortlaut die Annahme, der Strafantrag sei blosse Voraussetzung zur Verfolgung und Bestrafung des konkreten Täters, geradezu ausschlösse.
d) Davon kann, wie schon in BGE 69 IV 72 ausgeführt worden ist, auch deshalb keine Rede sein, weil der besondere Teil des Strafgesetzbuches verschiedene Bestimmungen enthält, die im Strafantrag deutlich eine Voraussetzung der Verfolgung des Täters sehen (Art. 137 Ziff. 3, 140 Ziff. 3, 148 Abs. 3, 159 Abs. 3, 165 Ziff. 2, 254 Abs. 2), und weil er überall dort von "verfolgen", nicht von "bestrafen" spricht, wo durch die Wendung "von Amtes wegen" hervorgehoben wird, dass ein Strafantrag nicht erforderlich ist (Art. 123 Ziff. 1 Abs. 2, 125 Abs. 2, 145 Abs. 2, 183 Abs. 3). Dass daneben im besonderen Teil auch Bestimmungen zu finden sind, die im Zusammenhang mit dem Strafantrag nicht von Verfolgen, sondern von Bestrafen sprechen, ändert nichts; denn das Wort "bestrafen" musste dort verwendet werden, weil zugleich gesagt wurde, welche Strafe das Gesetz verlangt (z.B. Art. 123 Ziff. 1 Abs. 1); man konnte doch nicht sagen: "Wer... wird, auf Antrag, mit Gefängnis verfolgt." Gerade die Wendung "auf Antrag bestraft" erweckt übrigens die Vorstellung eines rein prozessualen Vorganges, nämlich der vom Verletzten verlangten Ausfällung eines Strafurteils. Dass die Handlung auch ohne Antrag eine mit Strafe bedrohte (infraction, reato) sei, ist damit nicht im geringsten gesagt.
Wie wenig aus Art. 28 Abs. 1 geschlossen werden darf, erst der Strafantrag mache die Handlung zu einer "strafbaren" (mit Strafe bedrohten), zeigt auch Art. 339, wo wahllos "strafbar", "zu verfolgen" und "Verfolgung" nebeneinander stehen und "strafbar" in Ziffer 3 allgemein und ohne Unterscheidung darnach verwendet ist, ob und wieweit die kantonalen Rechte den Antrag als Prozessvoraussetzung oder als abstrakte Strafbarkeitsbedingung behandelten. Übrigens kann auch hier unter Strafbarkeit die Befugnis des Richters verstanden werden, gegenüber einem Täter für eine konkrete Tat Strafe auszufällen, womit keineswegs gesagt ist, dass diese Tat beim Fehlen eines Strafantrages nicht zu jenen gezählt werden könne, die das Gesetz, insbesondere Art. 144 Abs. 1 StGB, als "strafbare Handlungen" (infractions, reati) bezeichnet.
Über die Bestimmungen des zweiten und des dritten Buches kann nicht mit der Begründung, der Entscheid der Streitfrage habe in Art. 28 getroffen werden müssen, hinweggesehen werden. Er hätte in Art. 28 nebenbei getroffen werden können. Zu sagen, diese Bestimmung wolle in erster Linie die Rechtsnatur des Strafantrages regeln, ist jedoch angesichts ihres ganzen Inhaltes, der vom ersten bis zum letzten Absatz die Frage der Legitimation zum Strafantrag (Randtitel "Antragsrecht") betrifft, offensichtlich verfehlt.
e) Die Auffassung, der Strafantrag sei nicht Prozessvoraussetzung, sondern erst er mache die Handlung überhaupt zu einer mit Strafe bedrohten, widerspricht auch dem Art. 270 Abs. 1 Satz 2 BStP, wo von "den Fällen, die nur auf Antrag des Verletzten verfolgt werden", die Rede ist. Da diese Bestimmung erst durch Art. 168 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege vom 16. Dezember 1943, also nach Erlass des Strafgesetzbuches, wieder eingeführt worden ist (der Bundesbeschluss vom 11. Dezember 1941 betreffend vorläufige Änderungen in der Bundesrechtspflege hatte sie aufgehoben), ginge sie dem Strafgesetzbuch für den Entscheid der streitigen Frage vor, wenn es noch irgendwelche Zweifel aufkommen liesse.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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Art. 144 StGB. Rückzug des Strafantrages gegen den Vortäter hindert die Bestrafung des Hehlers nicht.
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criminal law and criminal procedure
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IV
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81 IV 90
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Sachverhalt ab Seite 90
A.- Anna Foschi kaufte von Ende Mai bis Anfang Dezember 1953 dem Giulio Realini fortwährend Tafelbutter und Eier ab, obschon sie wusste, dass er sie seinem Arbeitgeber Hans Suter, Landwirt und Milchhändler, mit dem er in Hausgemeinschaft lebte, gestohlen hatte.
B.- Da Suter den gegen Realini gestellten Strafantrag wegen Diebstahls (Art. 137 Ziff. 3 StGB) zurückzog, wurde die Strafuntersuchung gegenüber Realini am 2. Februar 1954 eingestellt. Anna Foschi dagegen wurde am 13. April 1954 vom Bezirksgericht Dielsdorf und auf Appellation am 25. Juni 1954 vom Obergericht des Kantons Zürich wegen Hehlerei (Art. 144 Abs. 1 StGB) zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von vierzehn Tagen verurteilt.
C.- Anna Foschi führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das oberinstanzliche Urteil sei aufzuheben und die Sache zur Freisprechung an das Obergericht zurückzuweisen. Sie macht geltend, Realini habe, da der Strafantrag Strafbarkeitsbedingung sei, keine "strafbare Handlung" begangen und folglich liege Hehlerei nicht vor.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Hehlerei (Art. 144 StGB) ist selbständiges Verbrechen und wird stets von Amtes wegen verfolgt, auch wenn die strafbare Handlung des Vortäters Antragsdelikt ist. Art. 31 Abs. 3 StGB, wonach der Rückzug des Strafantrages "für alle Beschuldigten" gilt, auch wenn er nur gegenüber einem von ihnen erklärt wird, kommt daher dem Hehler nicht zugute, ganz abgesehen davon, dass diese Bestimmung unter den "Beschuldigten" nur die "an der Tat Beteiligten" im Sinne des Art. 30 StGB, nämlich die Mittäter, Anstifter und Gehülfen (Art. 24, 25 StGB) versteht (BGE 69 IV 74 Erw. 6, BGE 80 IV 211). Aus Art. 31 Abs. 3 StGB kann daher die Beschwerdeführerin nichts zu ihren Gunsten ableiten.
2. Hehlerei setzt voraus, dass der Vortäter die Sache durch "strafbare Handlung" erlangt habe (Art. 144 Abs. 1 StGB).
Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn das dem Vortäter zur Last fallende Tun oder Unterlassen die objektiven Merkmale einer im Gesetz mit Strafe bedrohten Handlung (infraction, reato) aufweist. Die Handlung muss abstrakt strafbar sein. Dass der Vortäter bestraft werden könne, also konkrete Strafbarkeit vorliege, verlangt Art. 144 Abs. 1 StGB nicht (BGE 73 IV 98 Erw. 2). Etwas anderes ergibt sich auch nicht für den Fall, dass die Bestrafung des Vortäters einzig am Fehlen eines Strafantrages scheitert. Der Zweck des Antragserfordernisses verlangt nicht, dass in diesem Falle nicht nur die Verfolgung des Vortäters, sondern auch jene des Hehlers unterbleibe. Gewiss kann das zur Folge haben, dass der Verletzte wegen des gegen den Hehler durchzuführenden Verfahrens der Polizei und dem Richter Einblick in seine Verhältnisse gestatten muss, was er vielleicht durch Unterlassung eines Strafantrages gegen den Vortäter vermeiden wollte. Anspruch darauf, dass der "Schleier des Geheimnisses" nicht von Amtes wegen "zerrissen" werde, hat er aber nur soweit, als das Gesetz die Handlung zum Antragsdelikt stempelt. Da das für die Hehlerei nicht zutrifft, muss der Verletzte sich die Einmischung der Behörden auch gegen seinen Willen gefallen lassen, sobald der Vortäter einen Hehler gefunden hat. Hier geht das öffentliche Interesse an der Bekämpfung der Hehlerei dem privaten Interesse des -Verletzten auf Wahrung seiner Geheimsphäre vor, wie ja letzteres meistens vor dem Interesse des Staates an der Verfolgung von Rechtsbrechern zurückzutreten hat. Das Antragserfordernis in Bezug auf die Verfolgung des Vortäters behält dennoch seinen guten Sinn, ermöglicht es doch dem Verletzten, eine ihm als Angehöriger oder Familiengenosse nahe stehende Person zu schonen. Inwiefern auch der Hehler, mit dem der Verletzte ja regelmässig nicht durch solche Bande verbunden ist, daraus sollte Nutzen ziehen müssen, ist nicht zu ersehen.
3. Dass aber eine vom Vortäter begangene mit Strafe bedrohte Handlung (infraction, reato) nicht vorliege, wenn der vorgeschriebene Strafantrag nicht gestellt oder zurückgezogen worden ist, und dass folglich aus begriffiichen Gründen in diesem Falle auch der Hehler nicht verfolgt und bestraft werden könne, ist eine Auffassung, die der Kassationshof schon wiederholt abgelehnt hat (BGE 69 IV 72, BGE 73 IV 97). Es besteht kein Grund, diese Rechtsprechung zu ändern.
a) Die Auffassung der Beschwerdeführerin widerspricht schon jedem natürlichen Empfinden. Das freilich weniger deshalb, weil der Strafantrag zur Strafwürdigkeit gar nichts beiträgt, als vielmehr deshalb, weil er im Gegensatz zu der sog. Strafbarkeitsbedingung (Bedingung der Strafbarkeit im abstrakten Sinne) nicht auf der Seite des Täters oder der Tat liegt, sondern in einer Willenserklärung des Verletzten besteht, also der Willkür einer an der Verfolgung oder Nichtverfolgung interessierten Person anheimgegeben ist. Es verstösst geradezu gegen die Logik, die Tat erst dann als abstrakt strafbar gelten zu lassen, wenn der Verletzte die Bestrafung des Täters verlangt hat, und in ihr wiederum eine nicht mit Strafe bedrohte Handlung zu sehen, wenn der Verletzte den Antrag zurückgezogen hat. Die im Strafantrag oder dessen Rückzug liegende Willenserklärung des Verletzten ist immer auf Bestrafung bezw. Nichtbestrafung eines bestimmten Täters gerichtet. Von ihr hängt ab, ob im konkreten Falle Strafe ausgefällt werden darf. Für die abstrakte Würdigung der Tat als mit Strafe bedrohte oder nicht mit Strafe bedrohte Handlung ist sie dagegen begriffiich belanglos. Dass erst die Willenserklärung des Verletzten die Tat rechtswidrig (und damit strafbar) mache und eine solche Willenserklärung (Rückzug) ihr die Rechtswidrigkeit (und Strafbarkeit) auch wieder nehme, entsprechend dem Satze "volenti non fit iniuria", ist eine aus dem Zivilrecht hergeholte Überlegung, die für das Strafrecht abwegig ist. Der Strafantrag trägt zur abstrakten Strafbarkeit der Tat umsoweniger etwas bei, als er nur gültig ist, wenn er binnen drei Monaten gestellt wird (Art. 29), eine Voraussetzung, die nur aus prozessualen Gründen aufgestellt worden sein kann. Wie die Beschwerdeführerin aus der Befristung des Antragsrechts gerade das Gegenteil schliessen kann, ist unverständlich.
Der Strafantrag spielt die gleiche Rolle wie z.B. die Ermächtigung des Bundesrates für die Verfolgung politischer Vergehen nach Art. 105 BStP und die Verfolgung der Vergehen des sechzehnten Titels des Strafgesetzbuches (Art. 302 StGB), nämlich die Rolle einer Voraussetzung für die Eröffnung des Strafverfahrens und die Ausfällung eines Strafurteils, d.h. der Strafbarkeit des konkreten Täters.
b) Hiegegen ist nicht aufzukommen mit der Auffassung, das Strafgesetzbuch sehe im Strafantrag eine Strafbarkeitsbedingung, weil es in Art. 28 Abs. 1 bestimmt: "Ist eine Tat nur auf Antrag strafbar, so kann jeder, der durch sie verletzt worden ist, die Bestrafung des Täters beantragen." Nichts spricht dafür, dass diese Bestimmung unter "strafbar" das gleiche verstehe wie Art. 144 Abs. 1, nämlich "mit Strafe bedroht", d.h. abstrakt strafbar. "Ist eine Tat nur auf Antrag strafbar" kann durchaus dahin verstanden werden: "Ist wegen einer Tat nur auf Antrag Strafe auszufällen". So verstanden, ist "strafbar" eine vereinfachte Wendung für "der Ausfällung eines Strafurteils zugänglich", hat also rein prozessuale Bedeutung, keineswegs dagegen den Sinn, dass erst der Antrag die Tat zu einer vom Gesetz verpönten, zu einer mit Strafe bedrohten mache, sodass z.B. der Vorwurf an den diebischen Familiengenossen (Art. 137 Ziff. 3 StGB), er habe eine strafbare Handlung (infraction, reato) begangen, solange unwahr wäre, als ein Strafantrag nicht gestellt worden ist, dagegen wahr würde, sobald ein solcher vorliegt, oder dass erst der Strafantrag die Verfolgungsverjährung in Gang setzen könnte, weil ja vorher eine "strafbare Tätigkeit", ein "strafbares Verhalten" (siehe Art. 71 StGB) noch gar nicht vorliegen würde.
Die romanischen Texte zeigen denn auch deutlich, dass Art. 28 Abs. 1 im Strafantrag nicht eine abstrakte Strafbarkeitsbedingung sieht. "Tat" ist hier mit "infraction" bezw. "reato" wiedergegeben, was gleichbedeutend ist mit einer Handlung, die das Gesetz an sich als strafbar erachtet und anderswo deutsch als "strafbare Handlung" bezeichnet (siehe z.B. Art. 9, 27 Ziff. 1, 144 Abs. 1, 339 Ziff. 2 Abs. 1, 345 ff.). Die französische Wendung "lorsqu'une infraction n'est punie que sur plainte" und der italienische Text "se un reato è punibile solo a querela di parte" können daher unmöglich den Sinn haben, dass erst der Strafantrag (plainte, querela) die Tat zur strafbaren Handlung mache, liegt doch der Begriff der Strafbarkeit der Handlung schon in den Worten "infraction" und "reato". Das Wort "puni" bezw. "punibile" weist hier auf den rein prozessualen Vorgang des Ausfällens einer Strafe hin, nicht auf eine abstrakte Strafbarkeitsbedingung, die erst die Handlung zu einer mit Strafe bedrohten (infraction, reato) machen würde.
c) Aus der Entstehungsgeschichte lässt sich schlechterdings nichts anderes ableiten. Gewiss vertrat der Verfasser des ersten Vorentwurfes die Auffassung, es gebe keine "strafbaren Handlungen in abstracto", wenn also mangels Strafantrages die Verfolgung des Täters ausgeschlossen sei, liege auch keine strafbare Handlung vor (CARL STOOSS, Lehrbuch des österreichischen Strafrechts, Wien 1910 146), und begann deshalb Art. 2 der Vorentwürfe von 1893 und 1894 mit den Worten: "Ist die Strafbarkeit einer Handlung durch einen Antrag bedingt ..." bezw. "ist eine Handlung auf Antrag strafbar ...". Ferner ist richtig, dass auch die Expertenkommissionen dem Strafantrag die Bedeutung einer Bedingung der Strafbarkeit der Handlung beilegten (Verhandl. 1. ExpK 1 20 f.; Protokoll 2. ExpK 1 174). Der Vorentwurf 1916 (Art. 29) und der Entwurf des Bundesrates von 1918 (Art. 27) wichen aber durch die Worte "ist eine Tat nur auf Antrag zu verfolgen..." unmissverständlich von der früheren Auffassung ab. Daran ändert auch die Äusserung des Berichterstatters im Nationalrat, Prof. Logoz, nichts. -Dieser erklärte, das Strafgesetzbuch müsse die allgemeinen Bedingungen der Ausübung des Antragsrechtes umschreiben, wenigstens wenn es den Strafantrag als eine "condition de la naissance du droit de punir de l'Etat" betrachte (StenBull Sonderausgabe S. 98). Das heisst lediglich, der sogenannte Strafanspruch des Staates, d.h. das Recht, den konkreten Täter zu bestrafen (ius puniendi), hange von einem Strafantrag ab. Dass die Handlung des Täters, solange ein Strafantrag nicht gestellt sei, nicht die Merkmale einer im Gesetz mit Strafe bedrohten Handlung (infraction, reato) aufweise, kann aus dieser Äusserung unmöglich herausgelesen werden, ganz abgesehen davon, dass sie am klaren Wortlaut des Entwurfes, der in der parlamentarischen Beratung gutgeheissen wurde, nichts zu ändern vermocht hätte. Erst die Redaktionskommission von 1937 ersetzte die Worte "auf Antrag zu verfolgen" durch "auf Antrag strafbar". Es liegt auf der Hand, dass sie am Sinne der Bestimmung nicht rütteln wollte und auch die eidgenössischen Räte nicht annahmen, sie wolle es tun. Art. 8 des Bundesgesetzes vom 9. Oktober 1902 über den Geschäftsverkehr zwischen Nationalrat, Ständerat und Bundesrat sowie über die Form des Erlasses und der Bekanntmachung von Gesetzen und Beschlüssen erklärt die Redaktionskommissionen ausdrücklich zu sachlichen Änderungen an den Schlussnahmen der Räte als nicht befugt. Tatsächlich hat die Redaktionskommission den Sinn der Bestimmung nicht geändert, wenn sie, wie bereits dargelegt, unter dem "strafbar" die Strafbarkeit in concreto, d.h. die Voraussetzung, unter der der Richter ein Strafurteil ausfällen darf, versteht. Dass in anderen Fällen materielle Änderungen auf Antrag der Redaktionskommission vorgenommen wurden (z.B. Art. 273), widerlegt diese Auffassung nicht; materielle Änderungen wurden immer als solche gekennzeichnet und damit in den Räten zur Diskussion gestellt. Dass das in bezug auf Art. 28 nicht geschehen ist, bestätigt die rein formale Natur der Abweichung vom Entwurfe. Zu einer anderen Auslegung könnte das Vorgehen der Redaktionskommission nur Anlass geben, wenn der neue Wortlaut die Annahme, der Strafantrag sei blosse Voraussetzung zur Verfolgung und Bestrafung des konkreten Täters, geradezu ausschlösse.
d) Davon kann, wie schon in BGE 69 IV 72 ausgeführt worden ist, auch deshalb keine Rede sein, weil der besondere Teil des Strafgesetzbuches verschiedene Bestimmungen enthält, die im Strafantrag deutlich eine Voraussetzung der Verfolgung des Täters sehen (Art. 137 Ziff. 3, 140 Ziff. 3, 148 Abs. 3, 159 Abs. 3, 165 Ziff. 2, 254 Abs. 2), und weil er überall dort von "verfolgen", nicht von "bestrafen" spricht, wo durch die Wendung "von Amtes wegen" hervorgehoben wird, dass ein Strafantrag nicht erforderlich ist (Art. 123 Ziff. 1 Abs. 2, 125 Abs. 2, 145 Abs. 2, 183 Abs. 3). Dass daneben im besonderen Teil auch Bestimmungen zu finden sind, die im Zusammenhang mit dem Strafantrag nicht von Verfolgen, sondern von Bestrafen sprechen, ändert nichts; denn das Wort "bestrafen" musste dort verwendet werden, weil zugleich gesagt wurde, welche Strafe das Gesetz verlangt (z.B. Art. 123 Ziff. 1 Abs. 1); man konnte doch nicht sagen: "Wer... wird, auf Antrag, mit Gefängnis verfolgt." Gerade die Wendung "auf Antrag bestraft" erweckt übrigens die Vorstellung eines rein prozessualen Vorganges, nämlich der vom Verletzten verlangten Ausfällung eines Strafurteils. Dass die Handlung auch ohne Antrag eine mit Strafe bedrohte (infraction, reato) sei, ist damit nicht im geringsten gesagt.
Wie wenig aus Art. 28 Abs. 1 geschlossen werden darf, erst der Strafantrag mache die Handlung zu einer "strafbaren" (mit Strafe bedrohten), zeigt auch Art. 339, wo wahllos "strafbar", "zu verfolgen" und "Verfolgung" nebeneinander stehen und "strafbar" in Ziffer 3 allgemein und ohne Unterscheidung darnach verwendet ist, ob und wieweit die kantonalen Rechte den Antrag als Prozessvoraussetzung oder als abstrakte Strafbarkeitsbedingung behandelten. Übrigens kann auch hier unter Strafbarkeit die Befugnis des Richters verstanden werden, gegenüber einem Täter für eine konkrete Tat Strafe auszufällen, womit keineswegs gesagt ist, dass diese Tat beim Fehlen eines Strafantrages nicht zu jenen gezählt werden könne, die das Gesetz, insbesondere Art. 144 Abs. 1 StGB, als "strafbare Handlungen" (infractions, reati) bezeichnet.
Über die Bestimmungen des zweiten und des dritten Buches kann nicht mit der Begründung, der Entscheid der Streitfrage habe in Art. 28 getroffen werden müssen, hinweggesehen werden. Er hätte in Art. 28 nebenbei getroffen werden können. Zu sagen, diese Bestimmung wolle in erster Linie die Rechtsnatur des Strafantrages regeln, ist jedoch angesichts ihres ganzen Inhaltes, der vom ersten bis zum letzten Absatz die Frage der Legitimation zum Strafantrag (Randtitel "Antragsrecht") betrifft, offensichtlich verfehlt.
e) Die Auffassung, der Strafantrag sei nicht Prozessvoraussetzung, sondern erst er mache die Handlung überhaupt zu einer mit Strafe bedrohten, widerspricht auch dem Art. 270 Abs. 1 Satz 2 BStP, wo von "den Fällen, die nur auf Antrag des Verletzten verfolgt werden", die Rede ist. Da diese Bestimmung erst durch Art. 168 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege vom 16. Dezember 1943, also nach Erlass des Strafgesetzbuches, wieder eingeführt worden ist (der Bundesbeschluss vom 11. Dezember 1941 betreffend vorläufige Änderungen in der Bundesrechtspflege hatte sie aufgehoben), ginge sie dem Strafgesetzbuch für den Entscheid der streitigen Frage vor, wenn es noch irgendwelche Zweifel aufkommen liesse.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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Art. 144 CP. Le retrait de la plainte contre l'auteur de l'infraction d'où proviennent les objets recelés n'exclut pas la punition du receleur.
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Sachverhalt ab Seite 90
A.- Anna Foschi kaufte von Ende Mai bis Anfang Dezember 1953 dem Giulio Realini fortwährend Tafelbutter und Eier ab, obschon sie wusste, dass er sie seinem Arbeitgeber Hans Suter, Landwirt und Milchhändler, mit dem er in Hausgemeinschaft lebte, gestohlen hatte.
B.- Da Suter den gegen Realini gestellten Strafantrag wegen Diebstahls (Art. 137 Ziff. 3 StGB) zurückzog, wurde die Strafuntersuchung gegenüber Realini am 2. Februar 1954 eingestellt. Anna Foschi dagegen wurde am 13. April 1954 vom Bezirksgericht Dielsdorf und auf Appellation am 25. Juni 1954 vom Obergericht des Kantons Zürich wegen Hehlerei (Art. 144 Abs. 1 StGB) zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von vierzehn Tagen verurteilt.
C.- Anna Foschi führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das oberinstanzliche Urteil sei aufzuheben und die Sache zur Freisprechung an das Obergericht zurückzuweisen. Sie macht geltend, Realini habe, da der Strafantrag Strafbarkeitsbedingung sei, keine "strafbare Handlung" begangen und folglich liege Hehlerei nicht vor.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Hehlerei (Art. 144 StGB) ist selbständiges Verbrechen und wird stets von Amtes wegen verfolgt, auch wenn die strafbare Handlung des Vortäters Antragsdelikt ist. Art. 31 Abs. 3 StGB, wonach der Rückzug des Strafantrages "für alle Beschuldigten" gilt, auch wenn er nur gegenüber einem von ihnen erklärt wird, kommt daher dem Hehler nicht zugute, ganz abgesehen davon, dass diese Bestimmung unter den "Beschuldigten" nur die "an der Tat Beteiligten" im Sinne des Art. 30 StGB, nämlich die Mittäter, Anstifter und Gehülfen (Art. 24, 25 StGB) versteht (BGE 69 IV 74 Erw. 6, BGE 80 IV 211). Aus Art. 31 Abs. 3 StGB kann daher die Beschwerdeführerin nichts zu ihren Gunsten ableiten.
2. Hehlerei setzt voraus, dass der Vortäter die Sache durch "strafbare Handlung" erlangt habe (Art. 144 Abs. 1 StGB).
Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn das dem Vortäter zur Last fallende Tun oder Unterlassen die objektiven Merkmale einer im Gesetz mit Strafe bedrohten Handlung (infraction, reato) aufweist. Die Handlung muss abstrakt strafbar sein. Dass der Vortäter bestraft werden könne, also konkrete Strafbarkeit vorliege, verlangt Art. 144 Abs. 1 StGB nicht (BGE 73 IV 98 Erw. 2). Etwas anderes ergibt sich auch nicht für den Fall, dass die Bestrafung des Vortäters einzig am Fehlen eines Strafantrages scheitert. Der Zweck des Antragserfordernisses verlangt nicht, dass in diesem Falle nicht nur die Verfolgung des Vortäters, sondern auch jene des Hehlers unterbleibe. Gewiss kann das zur Folge haben, dass der Verletzte wegen des gegen den Hehler durchzuführenden Verfahrens der Polizei und dem Richter Einblick in seine Verhältnisse gestatten muss, was er vielleicht durch Unterlassung eines Strafantrages gegen den Vortäter vermeiden wollte. Anspruch darauf, dass der "Schleier des Geheimnisses" nicht von Amtes wegen "zerrissen" werde, hat er aber nur soweit, als das Gesetz die Handlung zum Antragsdelikt stempelt. Da das für die Hehlerei nicht zutrifft, muss der Verletzte sich die Einmischung der Behörden auch gegen seinen Willen gefallen lassen, sobald der Vortäter einen Hehler gefunden hat. Hier geht das öffentliche Interesse an der Bekämpfung der Hehlerei dem privaten Interesse des -Verletzten auf Wahrung seiner Geheimsphäre vor, wie ja letzteres meistens vor dem Interesse des Staates an der Verfolgung von Rechtsbrechern zurückzutreten hat. Das Antragserfordernis in Bezug auf die Verfolgung des Vortäters behält dennoch seinen guten Sinn, ermöglicht es doch dem Verletzten, eine ihm als Angehöriger oder Familiengenosse nahe stehende Person zu schonen. Inwiefern auch der Hehler, mit dem der Verletzte ja regelmässig nicht durch solche Bande verbunden ist, daraus sollte Nutzen ziehen müssen, ist nicht zu ersehen.
3. Dass aber eine vom Vortäter begangene mit Strafe bedrohte Handlung (infraction, reato) nicht vorliege, wenn der vorgeschriebene Strafantrag nicht gestellt oder zurückgezogen worden ist, und dass folglich aus begriffiichen Gründen in diesem Falle auch der Hehler nicht verfolgt und bestraft werden könne, ist eine Auffassung, die der Kassationshof schon wiederholt abgelehnt hat (BGE 69 IV 72, BGE 73 IV 97). Es besteht kein Grund, diese Rechtsprechung zu ändern.
a) Die Auffassung der Beschwerdeführerin widerspricht schon jedem natürlichen Empfinden. Das freilich weniger deshalb, weil der Strafantrag zur Strafwürdigkeit gar nichts beiträgt, als vielmehr deshalb, weil er im Gegensatz zu der sog. Strafbarkeitsbedingung (Bedingung der Strafbarkeit im abstrakten Sinne) nicht auf der Seite des Täters oder der Tat liegt, sondern in einer Willenserklärung des Verletzten besteht, also der Willkür einer an der Verfolgung oder Nichtverfolgung interessierten Person anheimgegeben ist. Es verstösst geradezu gegen die Logik, die Tat erst dann als abstrakt strafbar gelten zu lassen, wenn der Verletzte die Bestrafung des Täters verlangt hat, und in ihr wiederum eine nicht mit Strafe bedrohte Handlung zu sehen, wenn der Verletzte den Antrag zurückgezogen hat. Die im Strafantrag oder dessen Rückzug liegende Willenserklärung des Verletzten ist immer auf Bestrafung bezw. Nichtbestrafung eines bestimmten Täters gerichtet. Von ihr hängt ab, ob im konkreten Falle Strafe ausgefällt werden darf. Für die abstrakte Würdigung der Tat als mit Strafe bedrohte oder nicht mit Strafe bedrohte Handlung ist sie dagegen begriffiich belanglos. Dass erst die Willenserklärung des Verletzten die Tat rechtswidrig (und damit strafbar) mache und eine solche Willenserklärung (Rückzug) ihr die Rechtswidrigkeit (und Strafbarkeit) auch wieder nehme, entsprechend dem Satze "volenti non fit iniuria", ist eine aus dem Zivilrecht hergeholte Überlegung, die für das Strafrecht abwegig ist. Der Strafantrag trägt zur abstrakten Strafbarkeit der Tat umsoweniger etwas bei, als er nur gültig ist, wenn er binnen drei Monaten gestellt wird (Art. 29), eine Voraussetzung, die nur aus prozessualen Gründen aufgestellt worden sein kann. Wie die Beschwerdeführerin aus der Befristung des Antragsrechts gerade das Gegenteil schliessen kann, ist unverständlich.
Der Strafantrag spielt die gleiche Rolle wie z.B. die Ermächtigung des Bundesrates für die Verfolgung politischer Vergehen nach Art. 105 BStP und die Verfolgung der Vergehen des sechzehnten Titels des Strafgesetzbuches (Art. 302 StGB), nämlich die Rolle einer Voraussetzung für die Eröffnung des Strafverfahrens und die Ausfällung eines Strafurteils, d.h. der Strafbarkeit des konkreten Täters.
b) Hiegegen ist nicht aufzukommen mit der Auffassung, das Strafgesetzbuch sehe im Strafantrag eine Strafbarkeitsbedingung, weil es in Art. 28 Abs. 1 bestimmt: "Ist eine Tat nur auf Antrag strafbar, so kann jeder, der durch sie verletzt worden ist, die Bestrafung des Täters beantragen." Nichts spricht dafür, dass diese Bestimmung unter "strafbar" das gleiche verstehe wie Art. 144 Abs. 1, nämlich "mit Strafe bedroht", d.h. abstrakt strafbar. "Ist eine Tat nur auf Antrag strafbar" kann durchaus dahin verstanden werden: "Ist wegen einer Tat nur auf Antrag Strafe auszufällen". So verstanden, ist "strafbar" eine vereinfachte Wendung für "der Ausfällung eines Strafurteils zugänglich", hat also rein prozessuale Bedeutung, keineswegs dagegen den Sinn, dass erst der Antrag die Tat zu einer vom Gesetz verpönten, zu einer mit Strafe bedrohten mache, sodass z.B. der Vorwurf an den diebischen Familiengenossen (Art. 137 Ziff. 3 StGB), er habe eine strafbare Handlung (infraction, reato) begangen, solange unwahr wäre, als ein Strafantrag nicht gestellt worden ist, dagegen wahr würde, sobald ein solcher vorliegt, oder dass erst der Strafantrag die Verfolgungsverjährung in Gang setzen könnte, weil ja vorher eine "strafbare Tätigkeit", ein "strafbares Verhalten" (siehe Art. 71 StGB) noch gar nicht vorliegen würde.
Die romanischen Texte zeigen denn auch deutlich, dass Art. 28 Abs. 1 im Strafantrag nicht eine abstrakte Strafbarkeitsbedingung sieht. "Tat" ist hier mit "infraction" bezw. "reato" wiedergegeben, was gleichbedeutend ist mit einer Handlung, die das Gesetz an sich als strafbar erachtet und anderswo deutsch als "strafbare Handlung" bezeichnet (siehe z.B. Art. 9, 27 Ziff. 1, 144 Abs. 1, 339 Ziff. 2 Abs. 1, 345 ff.). Die französische Wendung "lorsqu'une infraction n'est punie que sur plainte" und der italienische Text "se un reato è punibile solo a querela di parte" können daher unmöglich den Sinn haben, dass erst der Strafantrag (plainte, querela) die Tat zur strafbaren Handlung mache, liegt doch der Begriff der Strafbarkeit der Handlung schon in den Worten "infraction" und "reato". Das Wort "puni" bezw. "punibile" weist hier auf den rein prozessualen Vorgang des Ausfällens einer Strafe hin, nicht auf eine abstrakte Strafbarkeitsbedingung, die erst die Handlung zu einer mit Strafe bedrohten (infraction, reato) machen würde.
c) Aus der Entstehungsgeschichte lässt sich schlechterdings nichts anderes ableiten. Gewiss vertrat der Verfasser des ersten Vorentwurfes die Auffassung, es gebe keine "strafbaren Handlungen in abstracto", wenn also mangels Strafantrages die Verfolgung des Täters ausgeschlossen sei, liege auch keine strafbare Handlung vor (CARL STOOSS, Lehrbuch des österreichischen Strafrechts, Wien 1910 146), und begann deshalb Art. 2 der Vorentwürfe von 1893 und 1894 mit den Worten: "Ist die Strafbarkeit einer Handlung durch einen Antrag bedingt ..." bezw. "ist eine Handlung auf Antrag strafbar ...". Ferner ist richtig, dass auch die Expertenkommissionen dem Strafantrag die Bedeutung einer Bedingung der Strafbarkeit der Handlung beilegten (Verhandl. 1. ExpK 1 20 f.; Protokoll 2. ExpK 1 174). Der Vorentwurf 1916 (Art. 29) und der Entwurf des Bundesrates von 1918 (Art. 27) wichen aber durch die Worte "ist eine Tat nur auf Antrag zu verfolgen..." unmissverständlich von der früheren Auffassung ab. Daran ändert auch die Äusserung des Berichterstatters im Nationalrat, Prof. Logoz, nichts. -Dieser erklärte, das Strafgesetzbuch müsse die allgemeinen Bedingungen der Ausübung des Antragsrechtes umschreiben, wenigstens wenn es den Strafantrag als eine "condition de la naissance du droit de punir de l'Etat" betrachte (StenBull Sonderausgabe S. 98). Das heisst lediglich, der sogenannte Strafanspruch des Staates, d.h. das Recht, den konkreten Täter zu bestrafen (ius puniendi), hange von einem Strafantrag ab. Dass die Handlung des Täters, solange ein Strafantrag nicht gestellt sei, nicht die Merkmale einer im Gesetz mit Strafe bedrohten Handlung (infraction, reato) aufweise, kann aus dieser Äusserung unmöglich herausgelesen werden, ganz abgesehen davon, dass sie am klaren Wortlaut des Entwurfes, der in der parlamentarischen Beratung gutgeheissen wurde, nichts zu ändern vermocht hätte. Erst die Redaktionskommission von 1937 ersetzte die Worte "auf Antrag zu verfolgen" durch "auf Antrag strafbar". Es liegt auf der Hand, dass sie am Sinne der Bestimmung nicht rütteln wollte und auch die eidgenössischen Räte nicht annahmen, sie wolle es tun. Art. 8 des Bundesgesetzes vom 9. Oktober 1902 über den Geschäftsverkehr zwischen Nationalrat, Ständerat und Bundesrat sowie über die Form des Erlasses und der Bekanntmachung von Gesetzen und Beschlüssen erklärt die Redaktionskommissionen ausdrücklich zu sachlichen Änderungen an den Schlussnahmen der Räte als nicht befugt. Tatsächlich hat die Redaktionskommission den Sinn der Bestimmung nicht geändert, wenn sie, wie bereits dargelegt, unter dem "strafbar" die Strafbarkeit in concreto, d.h. die Voraussetzung, unter der der Richter ein Strafurteil ausfällen darf, versteht. Dass in anderen Fällen materielle Änderungen auf Antrag der Redaktionskommission vorgenommen wurden (z.B. Art. 273), widerlegt diese Auffassung nicht; materielle Änderungen wurden immer als solche gekennzeichnet und damit in den Räten zur Diskussion gestellt. Dass das in bezug auf Art. 28 nicht geschehen ist, bestätigt die rein formale Natur der Abweichung vom Entwurfe. Zu einer anderen Auslegung könnte das Vorgehen der Redaktionskommission nur Anlass geben, wenn der neue Wortlaut die Annahme, der Strafantrag sei blosse Voraussetzung zur Verfolgung und Bestrafung des konkreten Täters, geradezu ausschlösse.
d) Davon kann, wie schon in BGE 69 IV 72 ausgeführt worden ist, auch deshalb keine Rede sein, weil der besondere Teil des Strafgesetzbuches verschiedene Bestimmungen enthält, die im Strafantrag deutlich eine Voraussetzung der Verfolgung des Täters sehen (Art. 137 Ziff. 3, 140 Ziff. 3, 148 Abs. 3, 159 Abs. 3, 165 Ziff. 2, 254 Abs. 2), und weil er überall dort von "verfolgen", nicht von "bestrafen" spricht, wo durch die Wendung "von Amtes wegen" hervorgehoben wird, dass ein Strafantrag nicht erforderlich ist (Art. 123 Ziff. 1 Abs. 2, 125 Abs. 2, 145 Abs. 2, 183 Abs. 3). Dass daneben im besonderen Teil auch Bestimmungen zu finden sind, die im Zusammenhang mit dem Strafantrag nicht von Verfolgen, sondern von Bestrafen sprechen, ändert nichts; denn das Wort "bestrafen" musste dort verwendet werden, weil zugleich gesagt wurde, welche Strafe das Gesetz verlangt (z.B. Art. 123 Ziff. 1 Abs. 1); man konnte doch nicht sagen: "Wer... wird, auf Antrag, mit Gefängnis verfolgt." Gerade die Wendung "auf Antrag bestraft" erweckt übrigens die Vorstellung eines rein prozessualen Vorganges, nämlich der vom Verletzten verlangten Ausfällung eines Strafurteils. Dass die Handlung auch ohne Antrag eine mit Strafe bedrohte (infraction, reato) sei, ist damit nicht im geringsten gesagt.
Wie wenig aus Art. 28 Abs. 1 geschlossen werden darf, erst der Strafantrag mache die Handlung zu einer "strafbaren" (mit Strafe bedrohten), zeigt auch Art. 339, wo wahllos "strafbar", "zu verfolgen" und "Verfolgung" nebeneinander stehen und "strafbar" in Ziffer 3 allgemein und ohne Unterscheidung darnach verwendet ist, ob und wieweit die kantonalen Rechte den Antrag als Prozessvoraussetzung oder als abstrakte Strafbarkeitsbedingung behandelten. Übrigens kann auch hier unter Strafbarkeit die Befugnis des Richters verstanden werden, gegenüber einem Täter für eine konkrete Tat Strafe auszufällen, womit keineswegs gesagt ist, dass diese Tat beim Fehlen eines Strafantrages nicht zu jenen gezählt werden könne, die das Gesetz, insbesondere Art. 144 Abs. 1 StGB, als "strafbare Handlungen" (infractions, reati) bezeichnet.
Über die Bestimmungen des zweiten und des dritten Buches kann nicht mit der Begründung, der Entscheid der Streitfrage habe in Art. 28 getroffen werden müssen, hinweggesehen werden. Er hätte in Art. 28 nebenbei getroffen werden können. Zu sagen, diese Bestimmung wolle in erster Linie die Rechtsnatur des Strafantrages regeln, ist jedoch angesichts ihres ganzen Inhaltes, der vom ersten bis zum letzten Absatz die Frage der Legitimation zum Strafantrag (Randtitel "Antragsrecht") betrifft, offensichtlich verfehlt.
e) Die Auffassung, der Strafantrag sei nicht Prozessvoraussetzung, sondern erst er mache die Handlung überhaupt zu einer mit Strafe bedrohten, widerspricht auch dem Art. 270 Abs. 1 Satz 2 BStP, wo von "den Fällen, die nur auf Antrag des Verletzten verfolgt werden", die Rede ist. Da diese Bestimmung erst durch Art. 168 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege vom 16. Dezember 1943, also nach Erlass des Strafgesetzbuches, wieder eingeführt worden ist (der Bundesbeschluss vom 11. Dezember 1941 betreffend vorläufige Änderungen in der Bundesrechtspflege hatte sie aufgehoben), ginge sie dem Strafgesetzbuch für den Entscheid der streitigen Frage vor, wenn es noch irgendwelche Zweifel aufkommen liesse.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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Art. 144 CP. Il ritiro della querela contro l'autore del reato da cui provengono gli oggetti ricettati non esclude la punizione del ricettatore.
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81 IV 99
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Erwägungen ab Seite 99
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
Warenfälschung (Art. 153 StGB) setzt objektiv voraus, dass der Täter eine Ware nachmache, verfälsche oder im Werte verringere.
Das tut, wer der Ware einen geringeren Wert verleiht, als sie hätte, wenn sie so beschaffen wäre, wie ihr Aussehen, ihre Bezeichnung oder ihre Aufmachung vortäuschen. Dabei genügt ein Unterschied im Handelswert. Nicht nötig ist, dass die nachgemachte, verfälschte oder verringerte Ware beim Gebrauche oder Verbrauche geringere Dienste leiste als die vollwertige, z.B. dass ihr Geschmack, ihr Nährwert, ihre Heilwirkung, ja überhaupt ihre Zweckbestimmung in irgendwelcher Richtung beeinträchtigt sei. Art. 153 StGB will nicht der öffentlichen Gesundheit oder sonstwie dem körperlichen oder geistigen Wohlbefinden des Volkes dienen, d.h. es vor dem Gebrauche oder Verbrauche von Waren schützen, die sachliche Mängel aufweisen. Die Bestimmung dient dem Schutze des Vermögens (siehe Überschrift zum zweiten Teil, Art. 137 ff.). Sie erfasst eine das Inverkehrbringen gefälschter Ware (Art. 154 StGB) vorbereitende Handlung, also das Vorstadium eines betrugsähnlichen Tatbestandes. Sie soll Gewähr bieten, dass der Erwerber nicht eine Ware erhalte, die er nur zu geringerem Preise oder überhaupt nicht erstehen würde, wenn sie so zusammengesetzt wäre, wie ihr Aussehen, ihre Bezeichnung oder ihre Aufmachung vortäuschen.
Die Auffassung des Beschwerdeführers Rolli, er hätte nur dann eine Ware nachgemacht oder im Werte verringert, wenn der teilweise aus französischem, teilweise aus schweizerischem Rohmaterial hergestellte, aber als Schweizer Schachtelkäse bezeichnete und aufgemachte Schmelzkäse nach Geschmack und Zusammensetzung einem ausschliesslich aus Schweizerkäse hergestellten Erzeugnis unterlegen gewesen wäre, hält deshalb nicht stand. Mit Recht sieht das Obergericht den Wertunterschied darin, dass ein nur aus Rohmaterial schweizerischer Herkunft hergestellter Schachtelkäse im Handel mehr gelte als einer, der teilweise (oder ausschliesslich) ausländisches Material enthält. Dass aber, wer "Schweizer Schachtelkäse" kauft, Anspruch auf eine ausschliesslich aus Rohmaterial schweizerischer Herkunft erzeugte Ware hat, steht ausser Frage. Die Bezeichnung des Schachtelkäses als "schweizerisch" sagt in erster Linie, dass die Milch als Ausgangsprodukt und der Käse als Zwischenprodukt in der Schweiz erzeugt worden seien, nicht lediglich, dass die Verarbeitung des letzteren zu Schachtelkäse hier stattgefunden habe. Das ergibt sich insbesondere auch aus Art. 82 Abs. 2 Satz 2 LMV, wonach ganz oder teilweise aus ausländischem Käse hergestellte Schmelzkäse ausdrücklich als "ausländische" zu kennzeichnen sind. Der Fall unterscheidet sich von den vom Beschwerdeführer erwähnten Beispielen der Schweizer Schokolade und der Schweizer Uhren; denn wer diese Erzeugnisse kauft, setzt nur voraus, dass das Endprodukt in der Schweiz hergestellt, nicht auch, dass das Rohmaterial hier gewonnen worden sei.
Der Tatbestand des Art. 153 ist daher von Rolli objektiv erfüllt worden, wobei unerheblich ist, ob man dem Beschwerdeführer, wie das Obergericht es tut, vorwerfe, er habe das schweizerische Rohprodukt durch Mitverwendung von Käse ausländischer Herkunft im Wert verringert, oder ob man, weil das Endprodukt (Schmelzkäse) ein anderes war als die beiden Rohstoffe (Käse schlechthin), die Tat als Nachmachen eines schweizerischen Endproduktes bezeichne. Dass nicht lediglich die lebensmittelpolizeiliche Strafbestimmung gegen Falschdeklaration (Art. 41 LMG) anzuwenden ist, wenn Art. 153 oder 154 StGB zutrifft, ist schon in BGE 72 IV 165 ff. entschieden worden. An dieser Rechtsprechung, die der Beschwerdeführer nicht zu entkräften versucht, ist festzuhalten.
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Art. 153, 154 StGB. a) Die Ware ist schon dann nachgemacht, verfälscht oder im Werte verringert, wenn sie einen geringeren Handelswert hat, als ihr Aussehen, ihre Bezeichnung oder ihre Aufmachung vortäuschen.
b) Verhältnis der Warenfälschung und des Inverkehrbringens gefälschter Ware zur Strafbestimmung über Falschdeklaration (Art. 41 LMG).
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Erwägungen ab Seite 99
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
Warenfälschung (Art. 153 StGB) setzt objektiv voraus, dass der Täter eine Ware nachmache, verfälsche oder im Werte verringere.
Das tut, wer der Ware einen geringeren Wert verleiht, als sie hätte, wenn sie so beschaffen wäre, wie ihr Aussehen, ihre Bezeichnung oder ihre Aufmachung vortäuschen. Dabei genügt ein Unterschied im Handelswert. Nicht nötig ist, dass die nachgemachte, verfälschte oder verringerte Ware beim Gebrauche oder Verbrauche geringere Dienste leiste als die vollwertige, z.B. dass ihr Geschmack, ihr Nährwert, ihre Heilwirkung, ja überhaupt ihre Zweckbestimmung in irgendwelcher Richtung beeinträchtigt sei. Art. 153 StGB will nicht der öffentlichen Gesundheit oder sonstwie dem körperlichen oder geistigen Wohlbefinden des Volkes dienen, d.h. es vor dem Gebrauche oder Verbrauche von Waren schützen, die sachliche Mängel aufweisen. Die Bestimmung dient dem Schutze des Vermögens (siehe Überschrift zum zweiten Teil, Art. 137 ff.). Sie erfasst eine das Inverkehrbringen gefälschter Ware (Art. 154 StGB) vorbereitende Handlung, also das Vorstadium eines betrugsähnlichen Tatbestandes. Sie soll Gewähr bieten, dass der Erwerber nicht eine Ware erhalte, die er nur zu geringerem Preise oder überhaupt nicht erstehen würde, wenn sie so zusammengesetzt wäre, wie ihr Aussehen, ihre Bezeichnung oder ihre Aufmachung vortäuschen.
Die Auffassung des Beschwerdeführers Rolli, er hätte nur dann eine Ware nachgemacht oder im Werte verringert, wenn der teilweise aus französischem, teilweise aus schweizerischem Rohmaterial hergestellte, aber als Schweizer Schachtelkäse bezeichnete und aufgemachte Schmelzkäse nach Geschmack und Zusammensetzung einem ausschliesslich aus Schweizerkäse hergestellten Erzeugnis unterlegen gewesen wäre, hält deshalb nicht stand. Mit Recht sieht das Obergericht den Wertunterschied darin, dass ein nur aus Rohmaterial schweizerischer Herkunft hergestellter Schachtelkäse im Handel mehr gelte als einer, der teilweise (oder ausschliesslich) ausländisches Material enthält. Dass aber, wer "Schweizer Schachtelkäse" kauft, Anspruch auf eine ausschliesslich aus Rohmaterial schweizerischer Herkunft erzeugte Ware hat, steht ausser Frage. Die Bezeichnung des Schachtelkäses als "schweizerisch" sagt in erster Linie, dass die Milch als Ausgangsprodukt und der Käse als Zwischenprodukt in der Schweiz erzeugt worden seien, nicht lediglich, dass die Verarbeitung des letzteren zu Schachtelkäse hier stattgefunden habe. Das ergibt sich insbesondere auch aus Art. 82 Abs. 2 Satz 2 LMV, wonach ganz oder teilweise aus ausländischem Käse hergestellte Schmelzkäse ausdrücklich als "ausländische" zu kennzeichnen sind. Der Fall unterscheidet sich von den vom Beschwerdeführer erwähnten Beispielen der Schweizer Schokolade und der Schweizer Uhren; denn wer diese Erzeugnisse kauft, setzt nur voraus, dass das Endprodukt in der Schweiz hergestellt, nicht auch, dass das Rohmaterial hier gewonnen worden sei.
Der Tatbestand des Art. 153 ist daher von Rolli objektiv erfüllt worden, wobei unerheblich ist, ob man dem Beschwerdeführer, wie das Obergericht es tut, vorwerfe, er habe das schweizerische Rohprodukt durch Mitverwendung von Käse ausländischer Herkunft im Wert verringert, oder ob man, weil das Endprodukt (Schmelzkäse) ein anderes war als die beiden Rohstoffe (Käse schlechthin), die Tat als Nachmachen eines schweizerischen Endproduktes bezeichne. Dass nicht lediglich die lebensmittelpolizeiliche Strafbestimmung gegen Falschdeklaration (Art. 41 LMG) anzuwenden ist, wenn Art. 153 oder 154 StGB zutrifft, ist schon in BGE 72 IV 165 ff. entschieden worden. An dieser Rechtsprechung, die der Beschwerdeführer nicht zu entkräften versucht, ist festzuhalten.
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Art. 153, 154 CP. a) La marchandise est contrefaite, falsifiée ou dépréciée dès lors que sa valeur est moindre que ne le font croire son apparence, sa désignation ou sa présentation.
b) Rapport de la falsification de marchandises et de la mise en circulation de marchandises falsifiées avec la disposition pénale touchant la fausse déclaration (art. 41 LCDA).
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Der Kassationshof zieht in Erwägung:
Warenfälschung (Art. 153 StGB) setzt objektiv voraus, dass der Täter eine Ware nachmache, verfälsche oder im Werte verringere.
Das tut, wer der Ware einen geringeren Wert verleiht, als sie hätte, wenn sie so beschaffen wäre, wie ihr Aussehen, ihre Bezeichnung oder ihre Aufmachung vortäuschen. Dabei genügt ein Unterschied im Handelswert. Nicht nötig ist, dass die nachgemachte, verfälschte oder verringerte Ware beim Gebrauche oder Verbrauche geringere Dienste leiste als die vollwertige, z.B. dass ihr Geschmack, ihr Nährwert, ihre Heilwirkung, ja überhaupt ihre Zweckbestimmung in irgendwelcher Richtung beeinträchtigt sei. Art. 153 StGB will nicht der öffentlichen Gesundheit oder sonstwie dem körperlichen oder geistigen Wohlbefinden des Volkes dienen, d.h. es vor dem Gebrauche oder Verbrauche von Waren schützen, die sachliche Mängel aufweisen. Die Bestimmung dient dem Schutze des Vermögens (siehe Überschrift zum zweiten Teil, Art. 137 ff.). Sie erfasst eine das Inverkehrbringen gefälschter Ware (Art. 154 StGB) vorbereitende Handlung, also das Vorstadium eines betrugsähnlichen Tatbestandes. Sie soll Gewähr bieten, dass der Erwerber nicht eine Ware erhalte, die er nur zu geringerem Preise oder überhaupt nicht erstehen würde, wenn sie so zusammengesetzt wäre, wie ihr Aussehen, ihre Bezeichnung oder ihre Aufmachung vortäuschen.
Die Auffassung des Beschwerdeführers Rolli, er hätte nur dann eine Ware nachgemacht oder im Werte verringert, wenn der teilweise aus französischem, teilweise aus schweizerischem Rohmaterial hergestellte, aber als Schweizer Schachtelkäse bezeichnete und aufgemachte Schmelzkäse nach Geschmack und Zusammensetzung einem ausschliesslich aus Schweizerkäse hergestellten Erzeugnis unterlegen gewesen wäre, hält deshalb nicht stand. Mit Recht sieht das Obergericht den Wertunterschied darin, dass ein nur aus Rohmaterial schweizerischer Herkunft hergestellter Schachtelkäse im Handel mehr gelte als einer, der teilweise (oder ausschliesslich) ausländisches Material enthält. Dass aber, wer "Schweizer Schachtelkäse" kauft, Anspruch auf eine ausschliesslich aus Rohmaterial schweizerischer Herkunft erzeugte Ware hat, steht ausser Frage. Die Bezeichnung des Schachtelkäses als "schweizerisch" sagt in erster Linie, dass die Milch als Ausgangsprodukt und der Käse als Zwischenprodukt in der Schweiz erzeugt worden seien, nicht lediglich, dass die Verarbeitung des letzteren zu Schachtelkäse hier stattgefunden habe. Das ergibt sich insbesondere auch aus Art. 82 Abs. 2 Satz 2 LMV, wonach ganz oder teilweise aus ausländischem Käse hergestellte Schmelzkäse ausdrücklich als "ausländische" zu kennzeichnen sind. Der Fall unterscheidet sich von den vom Beschwerdeführer erwähnten Beispielen der Schweizer Schokolade und der Schweizer Uhren; denn wer diese Erzeugnisse kauft, setzt nur voraus, dass das Endprodukt in der Schweiz hergestellt, nicht auch, dass das Rohmaterial hier gewonnen worden sei.
Der Tatbestand des Art. 153 ist daher von Rolli objektiv erfüllt worden, wobei unerheblich ist, ob man dem Beschwerdeführer, wie das Obergericht es tut, vorwerfe, er habe das schweizerische Rohprodukt durch Mitverwendung von Käse ausländischer Herkunft im Wert verringert, oder ob man, weil das Endprodukt (Schmelzkäse) ein anderes war als die beiden Rohstoffe (Käse schlechthin), die Tat als Nachmachen eines schweizerischen Endproduktes bezeichne. Dass nicht lediglich die lebensmittelpolizeiliche Strafbestimmung gegen Falschdeklaration (Art. 41 LMG) anzuwenden ist, wenn Art. 153 oder 154 StGB zutrifft, ist schon in BGE 72 IV 165 ff. entschieden worden. An dieser Rechtsprechung, die der Beschwerdeführer nicht zu entkräften versucht, ist festzuhalten.
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Art. 153, 154 CP. a) La merce è contraffatta, falsificata o svalutata già quando il suo valore è inferiore a quello che fanno presupporre le sue apparenze, la sua designazione o la sua presentazione.
b) Rapporto della contraffazione di merci e della messa in circolazione di merci contraffatte con la disposizione penale concernente la falsa dichiarazione (art. 41 legge sulle derrate alimentari).
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82 I 1
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82 I 1
Sachverhalt ab Seite 2
A.- Der Beschwerdeführer, der seinen Wohnsitz in den Vereinigten Staaten von Amerika hat, ist Eigentümer dreier Liegenschaften in Zürich. Er wurde für diesen Grundbesitz und das Einkommen daraus der Wehrsteuer unterworfen. Bei der umstrittenen Einschätzung für die VII. Periode wurden vom Rohertrag ein pauschaler Betrag für die Kosten des Unterhalts der Grundstücke und ein verhältnismässiger Teil der Schuldzinsen abgezogen. Der so ermittelte Reinertrag wurde als steuerbares Einkommen behandelt. Die Steuersätze wurden nach Massgabe des Gesamteinkommens und des Gesamtvermögens bestimmt. Die Beschwerde des Steuerpflichtigen wurde von der kantonalen Rekurskommission am 30. März 1955 abgewiesen.
Die Behörde führte aus, da man es nicht mit einem geschäftlichen Betriebe zu tun habe, seien Abschreibungen nach dem Wehrsteuerrecht nicht zulässig; aus dem schweizerisch-amerikanischen Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Einkommenssteuern (im folgenden: Abkommen) ergebe sich nichts anderes. Der Beschwerdeführer leite aus dem Abkommen zu Unrecht ab, dass die Steuersätze ausschliesslich nach Massgabe des in der Schweiz gelegenen Vermögens und des daraus fliessenden Ertrages zu bestimmen seien.
B.- Gegen diesen Entscheid erhebt der Steuerpflichtige Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Begehren, die Einschätzung sei in verschiedenen Punkten zu berichtigen. Er macht u.a. geltend, die Auffassung der Rekurskommission, dass eine im Verfahren nach Art. XVII des Abkommens getroffene Verständigung für sie nicht verbindlich wäre, sei befremdlich. Der bewilligte Pauschalabzug von 2 1/2% für Gebäudeunterhalt sei ungenügend; nach Art. IX Abs. 2 des Abkommens sei auch, wie für Betriebsstätten, eine Abschreibung wegen Wertverminderung zuzulassen; in den Vereinigten Staaten werde ein Pauschalsatz von mehr als 3% angerechnet. Das Abkommen schliesse nach richtiger Auslegung aus, dass für die Bestimmung des Steuersatzes das ausländische Einkommen mitberücksichtigt werde; das ergebe sich namentlich, durch Umkehrschluss, aus Art. XV Abs. 1 lit. b daselbst. Da der Beschwerdeführer nach dem Abkommen so einzuschätzen sei, wie wenn der Ertrag seiner schweizerischen Liegenschaften sein ganzes Einkommen wäre, sei ihm der in Art. 25 WStB vorgesehene Abzug zu gewähren. Aus Gründen der Billigkeit sei auch der Satz der Vermögenssteuer ausschliesslich nach Massgabe der in der Schweiz liegenden Werte festzulegen.
C.- Die kantonalen Behörden und die eidg. Steuerverwaltung schliessen auf Abweisung der Beschwerde.
Das Bundesgericht folgt diesem Antrag.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2. Nach Art. XVII des Abkommens kann ein Steuerpflichtiger, der glaubt, dass ihm gegenüber eine den Bestimmungen des Abkommens widersprechende Doppelbesteuerung vorliege, seinen Fall dem Staate unterbreiten, dem er angehört oder in dem er Wohnsitz hat; erachtet die zuständige Behörde des angerufenen Staates den Einspruch als begründet, so hat sie eine Verständigung mit der zuständigen Behörde des anderen Staates über eine angemessene Vermeidung der Doppelbesteuerung anzustreben. Der Beschwerdeführer könnte sich gestützt auf diese Bestimmung an die zuständige Behörde der Vereinigten Staaten wenden, wo er seinen Wohnsitz hat. Diese Möglichkeit hindert ihn jedoch nicht, den in der eidg. Gesetzgebung vorgesehenen Weg der Beschwerde zu beschreiten, mit der geltend gemacht werden kann, der angefochtene Entscheid der schweizerischen Behörde verletze das Bundesrecht, zu dem auch jenes Abkommen gehört. Das Bundesgericht hat daher über die vorliegende Beschwerde zu entscheiden, auch soweit damit eine Verletzung des Abkommens geltend gemacht wird. Was von der Auffassung der Rekurskommission, dass eine im Verfahren nach Art. XVII des Abkommens getroffene Verständigung für die schweizerische Beschwerdeinstanz nicht verbindlich sei, zu halten ist, kann offen gelassen werden, da ein solches Verfahren hier nicht eröffnet worden ist.
5. Das Abkommen betrifft nur die Steuern vom Einkommen, nicht auch diejenigen vom Vermögen (Art. I). Es ist durch die angefochtene Veranlagung zur Wehrsteuer vom Einkommen nicht verletzt.
a) Nach Art. IX Abs. 1 des Abkommens sollen Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen nur in dem Vertragsstaate besteuert werden, in welchem dieses Vermögen liegt. Damit ist der Grundsatz anerkannt, dass die Grundstücke, auch hinsichtlich der Steuer, ausschliesslich der Hoheit des Staates unterliegen, in dessen Gebiet sie sich befinden. Für die Besteuerung des Einkommens aus solchem Vermögen soll grundsätzlich im vollen Umfange das Recht dieses Staates, als des Trägers der Gebietshoheit, anwendbar sein. Indessen kann nach Art. IX Abs. 2 jemand, der Wohnsitz in einem der Vertragsstaaten hat und Einkünfte aus im andern Vertragsstaate gelegenem unbeweglichen Vermögen bezieht, für jedes Steuerjahr verlangen, in diesem Staate "auf Grund des Nettoeinkommens, d.h. so besteuert zu werden, wie wenn er während des Steuerjahres in diesem andern Staate Geschäftsbeziehungen durch eine Betriebsstätte unterhalten hätte". Der Steuerpflichtige kann demnach beanspruchen, dass die betreffenden Einkünfte gesondert berechnet werden, in dem Sinne, dass vom Rohertrag der Grundstücke die sie belastenden Aufwendungen abgezogen werden, als ob es sich um einen selbständigen Vermögenskomplex handelte. Wie in diesem Falle das Nettoeinkommen zu berechnen ist, sagt das Abkommen nicht. Art. IX Abs. 2 bedeutet nicht etwa, dass die Bestimmungen des Art. III über die Berechnung der Gewinne einer Betriebsstätte, die ein Unternehmen eines der Vertragsstaaten im Gebiete des andern Staates unterhält, anzuwenden sind. Nach Art. II Abs. 2 wird bei Anwendung der Bestimmungen des Abkommens "jeder Vertragsstaat, sofern sich aus dem Zusammenhang nicht etwas anderes ergibt, jedem nicht anders umschriebenen Begriff den Sinn beilegen, der ihm unter der eigenen Steuergesetzgebung zukommt". Danach hat, falls der Pflichtige gemäss Art. IX Abs. 2 des Abkommens die Nettobesteuerung begehrt, der Staat, in dessen Gebiet das unbewegliche Vermögen liegt, das Reineinkommen daraus auf Grund der Bestimmungen des internen Rechtes zu berechnen. Art. IX Abs. 2 wurde in das Abkommen aufgenommen mit Rücksicht darauf, dass nach der Gesetzgebung der Vereinigten Staaten Einkünfte aus dort gelegenem unbeweglichem Vermögen, die an Ausländer mit Wohnsitz im Ausland fliessen, einer Quellensteuer von 30% unterliegen, so dass die Einkommensempfänger unter Umständen ein Interesse an einer Nettobesteuerung haben (LOCHER, Handbuch der schweizerisch-amerikanischen Doppelbesteuerungsabkommen, S. 102 f.; I. BLUMENSTEIN in ASA Bd. 20, S. 327). Dagegen hat die Bestimmung für die eidg. Wehrsteuer keine praktische Bedeutung. In der Tat ist nach dem Wehrsteuerbeschluss (Art. 21/22) die Steuer auf den Einkünften, die eine im Ausland wohnende Person aus in der Schweiz liegendem unbeweglichem Vermögen bezieht, ohnehin nur vom Reineinkommen zu berechnen. Diese Ordnung ist daher auch gegenüber Personen mit Wohnsitz in den Vereinigten Staaten ausnahmslos anwendbar. Das Abkommen hat daran nichts geändert.
Übrigens würde die von der Rekurskommission bestätigte Berechnung des wehrsteuerpflichtigen Einkommens auch dann standhalten, wenn die Vorschriften des Art. III des Abkommens über die Ermittlung der Gewinne aus Betriebsstätten analog anzuwenden wären. Was die Kürzungen des Rohertrages anbelangt, wird dort in Abs. 4 lediglich bestimmt: "Bei der Festsetzung der Gewinne aus gewerblicher oder kaufmännischer Tätigkeit einer Betriebsstätte sollen alle billigerweise der Betriebsstätte zurechenbaren Auslagen, mit Einschluss von Geschäftsführungs- und allgemeinen Verwaltungsunkosten, zum Abzuge zugelassen werden." Das Abkommen enthält keine Vorschrift, wonach Abschreibungen dort zugelassen werden müssten, wo die Gesetzgebung des Landes sie ausschliesst. Und hinsichtlich des Abzugs der Schuldzinsen ist die Ordnung des Wehrsteuerrechts genauer und für den Beschwerdeführer jedenfalls nicht ungünstiger als die unbestimmt lautende Regel in Art. III Abs. 4 des Abkommens.
b) Das Abkommen teilt das Recht zur Besteuerung des Einkommens nach Gegenständen auf. Es enthält auch gewisse Bestimmungen über die Berechnung des dem einen oder andern Staate zur Besteuerung zugewiesenen Einkommens. Dagegen schränkt es die Vertragsstaaten in der Bestimmung des Steuermasses, insbesondere des Steuersatzes, grundsätzlich nicht ein; eine Ausnahme macht es nur für die Quellensteuern auf Dividenden (Art. VI) und auf Schuldzinsen (Art. VII). Daraus, dass im vorliegenden Falle der Satz der Einkommenssteuer nach Massgabe des Gesamteinkommens bestimmt wird (Art. 44 WStB), ergibt sich keine Doppelbesteuerung im Sinne des Abkommens. Der so ermittelte Satz wird nur angewandt auf das Einkommen, das die Schweiz nach Art. IX des Abkommens besteuern darf. Diese Bestimmung regelt das Steuermass nicht; sie lässt die hierüber in der Landesgesetzgebung getroffene Ordnung unberührt.
Auch Art. III des Abkommens, der die Besteuerung der Betriebstätten betrifft, enthält keine Bestimmung über das Steuermass. Daraus, dass nach Abs. 3 und 4 daselbst die Betriebsstätte wie ein selbständiges Unternehmen zu behandeln, nach der sog. direkten Methode (méthode de la comptabilité séparée) zu besteuern ist (LOCHER, a.a.O. S. 88 a/89), wäre zwar nach dem in BGE 73 I 202 vertretenen Standpunkt zu schliessen, dass der zur Besteuerung berechtigte Staat bei der Festsetzung des Steuersatzes den Auslandsgewinn nicht zum Inlandsgewinn hinzurechnen dürfe. Ob an diesem Standpunkt, der im hier angefochtenen Entscheide bekämpft wird und auch in der Literatur auf Kritik gestossen ist (I. BLUMENSTEIN in ASA Bd. 17, S. 444, N. 106), festgehalten werden könne, erscheint indessen als zweifelhaft. Die Frage braucht aber im vorliegenden Fall nicht näher erörtert zu werden, da hier Art. III des Abkommens nicht anwendbar ist.
c) Auf das Abkommen können sich berufen die natürlichen Personen, die in einem der Vertragsstaaten Wohnsitz haben, und die nach schweizerischem oder amerikanischem Recht errichteten oder organisierten Unternehmen. Die Vorschriften, die bestimmte Einkommensteile dem Vertragsstaate zuweisen, in dem der Steuerpflichtige nicht seinen Wohnsitz oder Hauptsitz hat, ordnen das Recht dieses Staates zur Besteuerung der betreffenden Objekte erschöpfend. Das gilt insbesondere für Art. IX, ebenso für Art. III. Dagegen sind die Rechte und Pflichten des andern Vertragsstaates, der nach diesen Bestimmungen die darin erfassten Gegenstände grundsätzlich nicht besteuern darf, ausserdem in Art. XV Abs. 1 geordnet. Die ergänzende Regelung ist indessen für die beiden Vertragsstaaten verschieden. Art. XV Abs. 1 lit. b schreibt im wesentlichen vor, dass die Schweiz, soweit Personen mit Wohnsitz in diesem Staate oder schweizerische Unternehmen in Frage stehen, die Einkommensteile, die nach den einschlägigen besonderen Bestimmungen des Abkommens (Art. III, IX usw.) den Vereinigten Staaten zur Besteuerung zugewiesen sind, "von der Bemessungsgrundlage ausnehmen" wird. Damit werden einfach jene Kollisionsnormen für einen besonderen Fall bestätigt (I. BLUMENSTEIN, ASA Bd. 20, S. 285 ff.). Anderseits erlaubt Art. XV Abs. 1 lit. a den Vereinigten Staaten, bei der Besteuerung ihrer Staatsangehörigen, der auf ihrem Gebiete wohnenden Personen und der amerikanischen Gesellschaften "ungeachtet anderer Bestimmungen des Abkommens" alle Einkommensteile "in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen", die nach der amerikanischen Gesetzgebung steuerbar wären, wenn das Abkommen nicht in Kraft stände; von den auf dieser Basis berechneten amerikanischen Steuern ist jedoch der Betrag der im Abkommen bezeichneten schweizerischen Steuern abzuziehen. Mit der "Bemessungsgrundlage" sind hier sowohl die Elemente für die Berechnung des steuerbaren Einkommens als auch die das Steuermass bestimmenden Faktoren gemeint. Dagegen hat der gleiche Ausdruck in lit. b einen engeren Sinn; er betrifft dort nur die Berechnung des der Schweiz zur Besteuerung zugeteilten Einkommens, nicht auch das Steuermass. Das wird verdeutlicht durch den Schlusssatz der lit. b: "Die Schweiz behält dagegen bei der Festsetzung des anwendbaren Steuersatzes das Recht, auch die gemäss diesem Absatz von der Bemessungsgrundlage ausgenommenen Einkommensteile in Rechnung zu stellen."
Der Beschwerdeführer vertritt unter Berufung auf eine Auskunft des amerikanischen Treasury Department (International Tax Relations Division) den Standpunkt, die Schweiz dürfe für die Bestimmung des Steuersatzes die den Vereinigten Staaten zur Besteuerung zugewiesenen Einkommensteile nur gegenüber Personen mit Wohnsitz in der Schweiz und schweizerischen Gesellschaften berücksichtigen, auf die sich Art. XV Abs. 1 lit. b einzig beziehe; sie sei hiezu bei der Besteuerung von Personen mit Wohnsitz in den Vereinigten Staaten für die unter Art. IX oder III fallenden Einkünfte aus schweizerischem Grundeigentum oder schweizerischen Betriebsstätten nicht berechtigt, weil das Abkommen für diese Fälle eine dem Schlusssatz in Art XV Abs. 1 lit. b entsprechende Vorschrift nicht enthalte. Dieser Schlusssatz hat jedoch nicht die Tragweite, die ihm die Beschwerde beilegt. Er bestätigt lediglich den Grundsatz, dass das Abkommen die Vertragsstaaten in der Bestimmung des Steuersatzes nicht beschränkt. Er soll verhindern, dass der in lit. b des Art. XV gebrauchte Ausdruck "Bemessungsgrundlage" missverstanden, in dem weiten Sinne gedeutet wird, der ihm in lit a daselbst zukommt. Im übrigen brauchte jener Grundsatz im Abkommen nicht besonders ausgesprochen zu werden. Er ergibt sich ohne weiteres aus dessen System. Er gilt im Bereich des Abkommens allgemein, soweit dieses nicht etwas anderes vorschreibt (Art. VI und VII). Er ist auch für die Anwendung der entsprechenden Verträge der Schweiz mit anderen Staaten massgebend, selbst wenn er darin nicht, wie in den Abkommen mit Frankreich (Art. 12 Abs. 3, BS 12, 633) und mit Schweden (Schlussprotokoll zu Art. 2-8, AS 1949, 444), ausdrücklich erwähnt wird. Hätte man der Schweiz das Recht zur Bestimmung des Steuersatzes nach Massgabe des Gesamteinkommens - Recht, das sie nach dem Wortlaut von Art. XV Abs. 1 lit. b des Abkommens "behält" - gegenüber den nicht unter diese Bestimmung fallenden Steuerpflichtigen nehmen wollen, so hätte das im Abkommen, sei es in den einzelnen Vorschriften über die Ausscheidung des Besteuerungsrechts nach Gegenständen (Art. III, IX usw.), sei es in einer Generalklausel, zum Ausdruck kommen müssen, was nicht geschehen ist.
Der Beschwerdeführer macht geltend, die Festlegung des Steuersatzes nach Massgabe des Gesamteinkommens sei dem Rechte der Vereinigten Staaten fremd; die Beibehaltung dieses Systems sei der Schweiz in dem in Art. XV Abs. 1 lit. b des Abkommens bestimmt umschriebenen Umfange bewilligt worden, weil man ihr einen gewissen Ausgleich für die den Vereinigten Staaten in lit. a eingeräumten Vorteile habe bieten wollen; das Entgegenkommen gegenüber der Schweiz sei aber auf die in lit. b bezeichneten Fälle beschränkt. Diesen Sinn kann jedoch Art. XV nicht haben. Das Abkommen greift in das Recht der Vertragsstaaten, das Steuermass nach der eigenen Gesetzgebung festzulegen, nicht ein, soweit es nicht ausdrücklich und unzweideutig etwas Abweichendes bestimmt. Es berücksichtigt vielmehr die Verschiedenheiten der beidseitigen Besteuerungssysteme, indem es, namentlich in Art. XV, besondere Bestimmungen für die Schweiz einer- und für die Vereinigten Staaten anderseits aufstellt. Es verpflichtet die Schweiz in Abs. 1 lit. b ebenda nicht, sich so weitgehend, wie der Beschwerdeführer behauptet, dem System der Vereinigten Staaten anzupassen. Diese Bestimmung betrifft nur die Besteuerung von Personen mit Wohnsitz in der Schweiz und von schweizerischen Unternehmen. Den hier vorliegenden Fall des Steuerpflichtigen mit Wohnsitz in den Vereinigten Staaten und Grundeigentum in der Schweiz erfasst sie gar nicht. Hiefür ist die Kollisionsnorm des Art. IX massgebend, die über das Steuermass nichts bestimmt, woraus zu schliessen ist, dass in dieser Beziehung, nach dem das Abkommen beherrschenden - in Art. XV Abs. 1 lit. b bestätigten - Grundsatz, ausschliesslich die interne Gesetzgebung des zur Besteuerung berechtigten Staates gilt.
d) Die Frage, ob und inwieweit der Steuerpflichtige Sozialabzüge und Steuerbefreiungen, wie sie in Art. 25 Abs. 1 und Art. 26 WStB vorgesehen sind, beanspruchen könne, betrifft ebenfalls die Steuerbelastung, das Steuermass, nicht die Aufteilung des Besteuerungsrechts und auch nicht die Berechnung des Nettoeinkommens im Sinne des Art. IX des Abkommens. Ihre Ordnung ist der Landesgesetzgebung überlassen. Das Abkommen legt den Vertragsstaaten in dieser Beziehung keine Schranken auf (Art. XVIII Abs. 2).
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Wehrsteuer; schweizerisch-amerikanisches Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen (AS 1951, 892). 1. Die Möglichkeit, das Verständigungsverfahren nach Art. XVII des Abkommens einleiten zu lassen, hindert den Steuerpflichtigen nicht, den in der Landesgesetzgebung vorgesehenen Weg der Beschwerde zu beschreiten (Erw. 2).
2. Besteuerung einer in den Vereinigten Staaten wohnenden Person für schweizerischen Grundbesitz und dessen Ertrag.
a) Berechnung des steuerbaren Einkommens. Anspruch auf Nettobesteuerung (Art. IX des Abkommens). Abschreibungen auf Liegenschaften, die nicht zu einem geschäftlichen Betrieb gehören? Analoge Anwendung des Art. III des Abkommens (Betriebsstätten)? (Erw. 5 a).
b) Mass der Einkommenssteuer. Das Abkommen lässt die einschlägige Ordnung der Landesgesetzgebung unberührt. Es schliesst nicht aus, dass der Steuersatz nach Massgabe des Gesamteinkommens bestimmt wird. Tragweite des Art. XV des Abkommens (Erw. 5 b-d).
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Sachverhalt ab Seite 2
A.- Der Beschwerdeführer, der seinen Wohnsitz in den Vereinigten Staaten von Amerika hat, ist Eigentümer dreier Liegenschaften in Zürich. Er wurde für diesen Grundbesitz und das Einkommen daraus der Wehrsteuer unterworfen. Bei der umstrittenen Einschätzung für die VII. Periode wurden vom Rohertrag ein pauschaler Betrag für die Kosten des Unterhalts der Grundstücke und ein verhältnismässiger Teil der Schuldzinsen abgezogen. Der so ermittelte Reinertrag wurde als steuerbares Einkommen behandelt. Die Steuersätze wurden nach Massgabe des Gesamteinkommens und des Gesamtvermögens bestimmt. Die Beschwerde des Steuerpflichtigen wurde von der kantonalen Rekurskommission am 30. März 1955 abgewiesen.
Die Behörde führte aus, da man es nicht mit einem geschäftlichen Betriebe zu tun habe, seien Abschreibungen nach dem Wehrsteuerrecht nicht zulässig; aus dem schweizerisch-amerikanischen Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Einkommenssteuern (im folgenden: Abkommen) ergebe sich nichts anderes. Der Beschwerdeführer leite aus dem Abkommen zu Unrecht ab, dass die Steuersätze ausschliesslich nach Massgabe des in der Schweiz gelegenen Vermögens und des daraus fliessenden Ertrages zu bestimmen seien.
B.- Gegen diesen Entscheid erhebt der Steuerpflichtige Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Begehren, die Einschätzung sei in verschiedenen Punkten zu berichtigen. Er macht u.a. geltend, die Auffassung der Rekurskommission, dass eine im Verfahren nach Art. XVII des Abkommens getroffene Verständigung für sie nicht verbindlich wäre, sei befremdlich. Der bewilligte Pauschalabzug von 2 1/2% für Gebäudeunterhalt sei ungenügend; nach Art. IX Abs. 2 des Abkommens sei auch, wie für Betriebsstätten, eine Abschreibung wegen Wertverminderung zuzulassen; in den Vereinigten Staaten werde ein Pauschalsatz von mehr als 3% angerechnet. Das Abkommen schliesse nach richtiger Auslegung aus, dass für die Bestimmung des Steuersatzes das ausländische Einkommen mitberücksichtigt werde; das ergebe sich namentlich, durch Umkehrschluss, aus Art. XV Abs. 1 lit. b daselbst. Da der Beschwerdeführer nach dem Abkommen so einzuschätzen sei, wie wenn der Ertrag seiner schweizerischen Liegenschaften sein ganzes Einkommen wäre, sei ihm der in Art. 25 WStB vorgesehene Abzug zu gewähren. Aus Gründen der Billigkeit sei auch der Satz der Vermögenssteuer ausschliesslich nach Massgabe der in der Schweiz liegenden Werte festzulegen.
C.- Die kantonalen Behörden und die eidg. Steuerverwaltung schliessen auf Abweisung der Beschwerde.
Das Bundesgericht folgt diesem Antrag.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2. Nach Art. XVII des Abkommens kann ein Steuerpflichtiger, der glaubt, dass ihm gegenüber eine den Bestimmungen des Abkommens widersprechende Doppelbesteuerung vorliege, seinen Fall dem Staate unterbreiten, dem er angehört oder in dem er Wohnsitz hat; erachtet die zuständige Behörde des angerufenen Staates den Einspruch als begründet, so hat sie eine Verständigung mit der zuständigen Behörde des anderen Staates über eine angemessene Vermeidung der Doppelbesteuerung anzustreben. Der Beschwerdeführer könnte sich gestützt auf diese Bestimmung an die zuständige Behörde der Vereinigten Staaten wenden, wo er seinen Wohnsitz hat. Diese Möglichkeit hindert ihn jedoch nicht, den in der eidg. Gesetzgebung vorgesehenen Weg der Beschwerde zu beschreiten, mit der geltend gemacht werden kann, der angefochtene Entscheid der schweizerischen Behörde verletze das Bundesrecht, zu dem auch jenes Abkommen gehört. Das Bundesgericht hat daher über die vorliegende Beschwerde zu entscheiden, auch soweit damit eine Verletzung des Abkommens geltend gemacht wird. Was von der Auffassung der Rekurskommission, dass eine im Verfahren nach Art. XVII des Abkommens getroffene Verständigung für die schweizerische Beschwerdeinstanz nicht verbindlich sei, zu halten ist, kann offen gelassen werden, da ein solches Verfahren hier nicht eröffnet worden ist.
5. Das Abkommen betrifft nur die Steuern vom Einkommen, nicht auch diejenigen vom Vermögen (Art. I). Es ist durch die angefochtene Veranlagung zur Wehrsteuer vom Einkommen nicht verletzt.
a) Nach Art. IX Abs. 1 des Abkommens sollen Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen nur in dem Vertragsstaate besteuert werden, in welchem dieses Vermögen liegt. Damit ist der Grundsatz anerkannt, dass die Grundstücke, auch hinsichtlich der Steuer, ausschliesslich der Hoheit des Staates unterliegen, in dessen Gebiet sie sich befinden. Für die Besteuerung des Einkommens aus solchem Vermögen soll grundsätzlich im vollen Umfange das Recht dieses Staates, als des Trägers der Gebietshoheit, anwendbar sein. Indessen kann nach Art. IX Abs. 2 jemand, der Wohnsitz in einem der Vertragsstaaten hat und Einkünfte aus im andern Vertragsstaate gelegenem unbeweglichen Vermögen bezieht, für jedes Steuerjahr verlangen, in diesem Staate "auf Grund des Nettoeinkommens, d.h. so besteuert zu werden, wie wenn er während des Steuerjahres in diesem andern Staate Geschäftsbeziehungen durch eine Betriebsstätte unterhalten hätte". Der Steuerpflichtige kann demnach beanspruchen, dass die betreffenden Einkünfte gesondert berechnet werden, in dem Sinne, dass vom Rohertrag der Grundstücke die sie belastenden Aufwendungen abgezogen werden, als ob es sich um einen selbständigen Vermögenskomplex handelte. Wie in diesem Falle das Nettoeinkommen zu berechnen ist, sagt das Abkommen nicht. Art. IX Abs. 2 bedeutet nicht etwa, dass die Bestimmungen des Art. III über die Berechnung der Gewinne einer Betriebsstätte, die ein Unternehmen eines der Vertragsstaaten im Gebiete des andern Staates unterhält, anzuwenden sind. Nach Art. II Abs. 2 wird bei Anwendung der Bestimmungen des Abkommens "jeder Vertragsstaat, sofern sich aus dem Zusammenhang nicht etwas anderes ergibt, jedem nicht anders umschriebenen Begriff den Sinn beilegen, der ihm unter der eigenen Steuergesetzgebung zukommt". Danach hat, falls der Pflichtige gemäss Art. IX Abs. 2 des Abkommens die Nettobesteuerung begehrt, der Staat, in dessen Gebiet das unbewegliche Vermögen liegt, das Reineinkommen daraus auf Grund der Bestimmungen des internen Rechtes zu berechnen. Art. IX Abs. 2 wurde in das Abkommen aufgenommen mit Rücksicht darauf, dass nach der Gesetzgebung der Vereinigten Staaten Einkünfte aus dort gelegenem unbeweglichem Vermögen, die an Ausländer mit Wohnsitz im Ausland fliessen, einer Quellensteuer von 30% unterliegen, so dass die Einkommensempfänger unter Umständen ein Interesse an einer Nettobesteuerung haben (LOCHER, Handbuch der schweizerisch-amerikanischen Doppelbesteuerungsabkommen, S. 102 f.; I. BLUMENSTEIN in ASA Bd. 20, S. 327). Dagegen hat die Bestimmung für die eidg. Wehrsteuer keine praktische Bedeutung. In der Tat ist nach dem Wehrsteuerbeschluss (Art. 21/22) die Steuer auf den Einkünften, die eine im Ausland wohnende Person aus in der Schweiz liegendem unbeweglichem Vermögen bezieht, ohnehin nur vom Reineinkommen zu berechnen. Diese Ordnung ist daher auch gegenüber Personen mit Wohnsitz in den Vereinigten Staaten ausnahmslos anwendbar. Das Abkommen hat daran nichts geändert.
Übrigens würde die von der Rekurskommission bestätigte Berechnung des wehrsteuerpflichtigen Einkommens auch dann standhalten, wenn die Vorschriften des Art. III des Abkommens über die Ermittlung der Gewinne aus Betriebsstätten analog anzuwenden wären. Was die Kürzungen des Rohertrages anbelangt, wird dort in Abs. 4 lediglich bestimmt: "Bei der Festsetzung der Gewinne aus gewerblicher oder kaufmännischer Tätigkeit einer Betriebsstätte sollen alle billigerweise der Betriebsstätte zurechenbaren Auslagen, mit Einschluss von Geschäftsführungs- und allgemeinen Verwaltungsunkosten, zum Abzuge zugelassen werden." Das Abkommen enthält keine Vorschrift, wonach Abschreibungen dort zugelassen werden müssten, wo die Gesetzgebung des Landes sie ausschliesst. Und hinsichtlich des Abzugs der Schuldzinsen ist die Ordnung des Wehrsteuerrechts genauer und für den Beschwerdeführer jedenfalls nicht ungünstiger als die unbestimmt lautende Regel in Art. III Abs. 4 des Abkommens.
b) Das Abkommen teilt das Recht zur Besteuerung des Einkommens nach Gegenständen auf. Es enthält auch gewisse Bestimmungen über die Berechnung des dem einen oder andern Staate zur Besteuerung zugewiesenen Einkommens. Dagegen schränkt es die Vertragsstaaten in der Bestimmung des Steuermasses, insbesondere des Steuersatzes, grundsätzlich nicht ein; eine Ausnahme macht es nur für die Quellensteuern auf Dividenden (Art. VI) und auf Schuldzinsen (Art. VII). Daraus, dass im vorliegenden Falle der Satz der Einkommenssteuer nach Massgabe des Gesamteinkommens bestimmt wird (Art. 44 WStB), ergibt sich keine Doppelbesteuerung im Sinne des Abkommens. Der so ermittelte Satz wird nur angewandt auf das Einkommen, das die Schweiz nach Art. IX des Abkommens besteuern darf. Diese Bestimmung regelt das Steuermass nicht; sie lässt die hierüber in der Landesgesetzgebung getroffene Ordnung unberührt.
Auch Art. III des Abkommens, der die Besteuerung der Betriebstätten betrifft, enthält keine Bestimmung über das Steuermass. Daraus, dass nach Abs. 3 und 4 daselbst die Betriebsstätte wie ein selbständiges Unternehmen zu behandeln, nach der sog. direkten Methode (méthode de la comptabilité séparée) zu besteuern ist (LOCHER, a.a.O. S. 88 a/89), wäre zwar nach dem in BGE 73 I 202 vertretenen Standpunkt zu schliessen, dass der zur Besteuerung berechtigte Staat bei der Festsetzung des Steuersatzes den Auslandsgewinn nicht zum Inlandsgewinn hinzurechnen dürfe. Ob an diesem Standpunkt, der im hier angefochtenen Entscheide bekämpft wird und auch in der Literatur auf Kritik gestossen ist (I. BLUMENSTEIN in ASA Bd. 17, S. 444, N. 106), festgehalten werden könne, erscheint indessen als zweifelhaft. Die Frage braucht aber im vorliegenden Fall nicht näher erörtert zu werden, da hier Art. III des Abkommens nicht anwendbar ist.
c) Auf das Abkommen können sich berufen die natürlichen Personen, die in einem der Vertragsstaaten Wohnsitz haben, und die nach schweizerischem oder amerikanischem Recht errichteten oder organisierten Unternehmen. Die Vorschriften, die bestimmte Einkommensteile dem Vertragsstaate zuweisen, in dem der Steuerpflichtige nicht seinen Wohnsitz oder Hauptsitz hat, ordnen das Recht dieses Staates zur Besteuerung der betreffenden Objekte erschöpfend. Das gilt insbesondere für Art. IX, ebenso für Art. III. Dagegen sind die Rechte und Pflichten des andern Vertragsstaates, der nach diesen Bestimmungen die darin erfassten Gegenstände grundsätzlich nicht besteuern darf, ausserdem in Art. XV Abs. 1 geordnet. Die ergänzende Regelung ist indessen für die beiden Vertragsstaaten verschieden. Art. XV Abs. 1 lit. b schreibt im wesentlichen vor, dass die Schweiz, soweit Personen mit Wohnsitz in diesem Staate oder schweizerische Unternehmen in Frage stehen, die Einkommensteile, die nach den einschlägigen besonderen Bestimmungen des Abkommens (Art. III, IX usw.) den Vereinigten Staaten zur Besteuerung zugewiesen sind, "von der Bemessungsgrundlage ausnehmen" wird. Damit werden einfach jene Kollisionsnormen für einen besonderen Fall bestätigt (I. BLUMENSTEIN, ASA Bd. 20, S. 285 ff.). Anderseits erlaubt Art. XV Abs. 1 lit. a den Vereinigten Staaten, bei der Besteuerung ihrer Staatsangehörigen, der auf ihrem Gebiete wohnenden Personen und der amerikanischen Gesellschaften "ungeachtet anderer Bestimmungen des Abkommens" alle Einkommensteile "in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen", die nach der amerikanischen Gesetzgebung steuerbar wären, wenn das Abkommen nicht in Kraft stände; von den auf dieser Basis berechneten amerikanischen Steuern ist jedoch der Betrag der im Abkommen bezeichneten schweizerischen Steuern abzuziehen. Mit der "Bemessungsgrundlage" sind hier sowohl die Elemente für die Berechnung des steuerbaren Einkommens als auch die das Steuermass bestimmenden Faktoren gemeint. Dagegen hat der gleiche Ausdruck in lit. b einen engeren Sinn; er betrifft dort nur die Berechnung des der Schweiz zur Besteuerung zugeteilten Einkommens, nicht auch das Steuermass. Das wird verdeutlicht durch den Schlusssatz der lit. b: "Die Schweiz behält dagegen bei der Festsetzung des anwendbaren Steuersatzes das Recht, auch die gemäss diesem Absatz von der Bemessungsgrundlage ausgenommenen Einkommensteile in Rechnung zu stellen."
Der Beschwerdeführer vertritt unter Berufung auf eine Auskunft des amerikanischen Treasury Department (International Tax Relations Division) den Standpunkt, die Schweiz dürfe für die Bestimmung des Steuersatzes die den Vereinigten Staaten zur Besteuerung zugewiesenen Einkommensteile nur gegenüber Personen mit Wohnsitz in der Schweiz und schweizerischen Gesellschaften berücksichtigen, auf die sich Art. XV Abs. 1 lit. b einzig beziehe; sie sei hiezu bei der Besteuerung von Personen mit Wohnsitz in den Vereinigten Staaten für die unter Art. IX oder III fallenden Einkünfte aus schweizerischem Grundeigentum oder schweizerischen Betriebsstätten nicht berechtigt, weil das Abkommen für diese Fälle eine dem Schlusssatz in Art XV Abs. 1 lit. b entsprechende Vorschrift nicht enthalte. Dieser Schlusssatz hat jedoch nicht die Tragweite, die ihm die Beschwerde beilegt. Er bestätigt lediglich den Grundsatz, dass das Abkommen die Vertragsstaaten in der Bestimmung des Steuersatzes nicht beschränkt. Er soll verhindern, dass der in lit. b des Art. XV gebrauchte Ausdruck "Bemessungsgrundlage" missverstanden, in dem weiten Sinne gedeutet wird, der ihm in lit a daselbst zukommt. Im übrigen brauchte jener Grundsatz im Abkommen nicht besonders ausgesprochen zu werden. Er ergibt sich ohne weiteres aus dessen System. Er gilt im Bereich des Abkommens allgemein, soweit dieses nicht etwas anderes vorschreibt (Art. VI und VII). Er ist auch für die Anwendung der entsprechenden Verträge der Schweiz mit anderen Staaten massgebend, selbst wenn er darin nicht, wie in den Abkommen mit Frankreich (Art. 12 Abs. 3, BS 12, 633) und mit Schweden (Schlussprotokoll zu Art. 2-8, AS 1949, 444), ausdrücklich erwähnt wird. Hätte man der Schweiz das Recht zur Bestimmung des Steuersatzes nach Massgabe des Gesamteinkommens - Recht, das sie nach dem Wortlaut von Art. XV Abs. 1 lit. b des Abkommens "behält" - gegenüber den nicht unter diese Bestimmung fallenden Steuerpflichtigen nehmen wollen, so hätte das im Abkommen, sei es in den einzelnen Vorschriften über die Ausscheidung des Besteuerungsrechts nach Gegenständen (Art. III, IX usw.), sei es in einer Generalklausel, zum Ausdruck kommen müssen, was nicht geschehen ist.
Der Beschwerdeführer macht geltend, die Festlegung des Steuersatzes nach Massgabe des Gesamteinkommens sei dem Rechte der Vereinigten Staaten fremd; die Beibehaltung dieses Systems sei der Schweiz in dem in Art. XV Abs. 1 lit. b des Abkommens bestimmt umschriebenen Umfange bewilligt worden, weil man ihr einen gewissen Ausgleich für die den Vereinigten Staaten in lit. a eingeräumten Vorteile habe bieten wollen; das Entgegenkommen gegenüber der Schweiz sei aber auf die in lit. b bezeichneten Fälle beschränkt. Diesen Sinn kann jedoch Art. XV nicht haben. Das Abkommen greift in das Recht der Vertragsstaaten, das Steuermass nach der eigenen Gesetzgebung festzulegen, nicht ein, soweit es nicht ausdrücklich und unzweideutig etwas Abweichendes bestimmt. Es berücksichtigt vielmehr die Verschiedenheiten der beidseitigen Besteuerungssysteme, indem es, namentlich in Art. XV, besondere Bestimmungen für die Schweiz einer- und für die Vereinigten Staaten anderseits aufstellt. Es verpflichtet die Schweiz in Abs. 1 lit. b ebenda nicht, sich so weitgehend, wie der Beschwerdeführer behauptet, dem System der Vereinigten Staaten anzupassen. Diese Bestimmung betrifft nur die Besteuerung von Personen mit Wohnsitz in der Schweiz und von schweizerischen Unternehmen. Den hier vorliegenden Fall des Steuerpflichtigen mit Wohnsitz in den Vereinigten Staaten und Grundeigentum in der Schweiz erfasst sie gar nicht. Hiefür ist die Kollisionsnorm des Art. IX massgebend, die über das Steuermass nichts bestimmt, woraus zu schliessen ist, dass in dieser Beziehung, nach dem das Abkommen beherrschenden - in Art. XV Abs. 1 lit. b bestätigten - Grundsatz, ausschliesslich die interne Gesetzgebung des zur Besteuerung berechtigten Staates gilt.
d) Die Frage, ob und inwieweit der Steuerpflichtige Sozialabzüge und Steuerbefreiungen, wie sie in Art. 25 Abs. 1 und Art. 26 WStB vorgesehen sind, beanspruchen könne, betrifft ebenfalls die Steuerbelastung, das Steuermass, nicht die Aufteilung des Besteuerungsrechts und auch nicht die Berechnung des Nettoeinkommens im Sinne des Art. IX des Abkommens. Ihre Ordnung ist der Landesgesetzgebung überlassen. Das Abkommen legt den Vertragsstaaten in dieser Beziehung keine Schranken auf (Art. XVIII Abs. 2).
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Impôt pour la défense nationale; convention entre la Suisse et les Etats-Unis d'Amérique en vue d'éviter les doubles impositions dans le domaine des impôts sur le revenu. 1. Lorsque la voie de l'entente que vise l'art. XVII de la convention est ouverte, le contribuable peut néanmoins user des moyens de droit prévus par la législation du pays qui l'impose (consid. 2).
2. Imposition d'une personne domiciliée aux Etats-Unis sur les immeubles qu'elle possède en Suisse, ainsi que sur leur rendement.
a) Calcul du revenu imposable. Droit à l'imposition sur le revenu net (art. IX de la convention). Amortissements sur les immeubles qui ne font pas partie d'une fortune commerciale? Application par analogie de l'art. III de la convention (établissements stables)? (consid. 5 a).
b) Montant de l'impôt sur le revenu. La convention ne fait pas obstacle à l'application de la loi du pays qui impose. Elle ne s'oppose pas à ce que le taux de l'imposition soit fixé selon le revenu total. Portée de l'art. XV de la convention (consid. 5 b-d).
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Sachverhalt ab Seite 2
A.- Der Beschwerdeführer, der seinen Wohnsitz in den Vereinigten Staaten von Amerika hat, ist Eigentümer dreier Liegenschaften in Zürich. Er wurde für diesen Grundbesitz und das Einkommen daraus der Wehrsteuer unterworfen. Bei der umstrittenen Einschätzung für die VII. Periode wurden vom Rohertrag ein pauschaler Betrag für die Kosten des Unterhalts der Grundstücke und ein verhältnismässiger Teil der Schuldzinsen abgezogen. Der so ermittelte Reinertrag wurde als steuerbares Einkommen behandelt. Die Steuersätze wurden nach Massgabe des Gesamteinkommens und des Gesamtvermögens bestimmt. Die Beschwerde des Steuerpflichtigen wurde von der kantonalen Rekurskommission am 30. März 1955 abgewiesen.
Die Behörde führte aus, da man es nicht mit einem geschäftlichen Betriebe zu tun habe, seien Abschreibungen nach dem Wehrsteuerrecht nicht zulässig; aus dem schweizerisch-amerikanischen Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Einkommenssteuern (im folgenden: Abkommen) ergebe sich nichts anderes. Der Beschwerdeführer leite aus dem Abkommen zu Unrecht ab, dass die Steuersätze ausschliesslich nach Massgabe des in der Schweiz gelegenen Vermögens und des daraus fliessenden Ertrages zu bestimmen seien.
B.- Gegen diesen Entscheid erhebt der Steuerpflichtige Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Begehren, die Einschätzung sei in verschiedenen Punkten zu berichtigen. Er macht u.a. geltend, die Auffassung der Rekurskommission, dass eine im Verfahren nach Art. XVII des Abkommens getroffene Verständigung für sie nicht verbindlich wäre, sei befremdlich. Der bewilligte Pauschalabzug von 2 1/2% für Gebäudeunterhalt sei ungenügend; nach Art. IX Abs. 2 des Abkommens sei auch, wie für Betriebsstätten, eine Abschreibung wegen Wertverminderung zuzulassen; in den Vereinigten Staaten werde ein Pauschalsatz von mehr als 3% angerechnet. Das Abkommen schliesse nach richtiger Auslegung aus, dass für die Bestimmung des Steuersatzes das ausländische Einkommen mitberücksichtigt werde; das ergebe sich namentlich, durch Umkehrschluss, aus Art. XV Abs. 1 lit. b daselbst. Da der Beschwerdeführer nach dem Abkommen so einzuschätzen sei, wie wenn der Ertrag seiner schweizerischen Liegenschaften sein ganzes Einkommen wäre, sei ihm der in Art. 25 WStB vorgesehene Abzug zu gewähren. Aus Gründen der Billigkeit sei auch der Satz der Vermögenssteuer ausschliesslich nach Massgabe der in der Schweiz liegenden Werte festzulegen.
C.- Die kantonalen Behörden und die eidg. Steuerverwaltung schliessen auf Abweisung der Beschwerde.
Das Bundesgericht folgt diesem Antrag.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2. Nach Art. XVII des Abkommens kann ein Steuerpflichtiger, der glaubt, dass ihm gegenüber eine den Bestimmungen des Abkommens widersprechende Doppelbesteuerung vorliege, seinen Fall dem Staate unterbreiten, dem er angehört oder in dem er Wohnsitz hat; erachtet die zuständige Behörde des angerufenen Staates den Einspruch als begründet, so hat sie eine Verständigung mit der zuständigen Behörde des anderen Staates über eine angemessene Vermeidung der Doppelbesteuerung anzustreben. Der Beschwerdeführer könnte sich gestützt auf diese Bestimmung an die zuständige Behörde der Vereinigten Staaten wenden, wo er seinen Wohnsitz hat. Diese Möglichkeit hindert ihn jedoch nicht, den in der eidg. Gesetzgebung vorgesehenen Weg der Beschwerde zu beschreiten, mit der geltend gemacht werden kann, der angefochtene Entscheid der schweizerischen Behörde verletze das Bundesrecht, zu dem auch jenes Abkommen gehört. Das Bundesgericht hat daher über die vorliegende Beschwerde zu entscheiden, auch soweit damit eine Verletzung des Abkommens geltend gemacht wird. Was von der Auffassung der Rekurskommission, dass eine im Verfahren nach Art. XVII des Abkommens getroffene Verständigung für die schweizerische Beschwerdeinstanz nicht verbindlich sei, zu halten ist, kann offen gelassen werden, da ein solches Verfahren hier nicht eröffnet worden ist.
5. Das Abkommen betrifft nur die Steuern vom Einkommen, nicht auch diejenigen vom Vermögen (Art. I). Es ist durch die angefochtene Veranlagung zur Wehrsteuer vom Einkommen nicht verletzt.
a) Nach Art. IX Abs. 1 des Abkommens sollen Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen nur in dem Vertragsstaate besteuert werden, in welchem dieses Vermögen liegt. Damit ist der Grundsatz anerkannt, dass die Grundstücke, auch hinsichtlich der Steuer, ausschliesslich der Hoheit des Staates unterliegen, in dessen Gebiet sie sich befinden. Für die Besteuerung des Einkommens aus solchem Vermögen soll grundsätzlich im vollen Umfange das Recht dieses Staates, als des Trägers der Gebietshoheit, anwendbar sein. Indessen kann nach Art. IX Abs. 2 jemand, der Wohnsitz in einem der Vertragsstaaten hat und Einkünfte aus im andern Vertragsstaate gelegenem unbeweglichen Vermögen bezieht, für jedes Steuerjahr verlangen, in diesem Staate "auf Grund des Nettoeinkommens, d.h. so besteuert zu werden, wie wenn er während des Steuerjahres in diesem andern Staate Geschäftsbeziehungen durch eine Betriebsstätte unterhalten hätte". Der Steuerpflichtige kann demnach beanspruchen, dass die betreffenden Einkünfte gesondert berechnet werden, in dem Sinne, dass vom Rohertrag der Grundstücke die sie belastenden Aufwendungen abgezogen werden, als ob es sich um einen selbständigen Vermögenskomplex handelte. Wie in diesem Falle das Nettoeinkommen zu berechnen ist, sagt das Abkommen nicht. Art. IX Abs. 2 bedeutet nicht etwa, dass die Bestimmungen des Art. III über die Berechnung der Gewinne einer Betriebsstätte, die ein Unternehmen eines der Vertragsstaaten im Gebiete des andern Staates unterhält, anzuwenden sind. Nach Art. II Abs. 2 wird bei Anwendung der Bestimmungen des Abkommens "jeder Vertragsstaat, sofern sich aus dem Zusammenhang nicht etwas anderes ergibt, jedem nicht anders umschriebenen Begriff den Sinn beilegen, der ihm unter der eigenen Steuergesetzgebung zukommt". Danach hat, falls der Pflichtige gemäss Art. IX Abs. 2 des Abkommens die Nettobesteuerung begehrt, der Staat, in dessen Gebiet das unbewegliche Vermögen liegt, das Reineinkommen daraus auf Grund der Bestimmungen des internen Rechtes zu berechnen. Art. IX Abs. 2 wurde in das Abkommen aufgenommen mit Rücksicht darauf, dass nach der Gesetzgebung der Vereinigten Staaten Einkünfte aus dort gelegenem unbeweglichem Vermögen, die an Ausländer mit Wohnsitz im Ausland fliessen, einer Quellensteuer von 30% unterliegen, so dass die Einkommensempfänger unter Umständen ein Interesse an einer Nettobesteuerung haben (LOCHER, Handbuch der schweizerisch-amerikanischen Doppelbesteuerungsabkommen, S. 102 f.; I. BLUMENSTEIN in ASA Bd. 20, S. 327). Dagegen hat die Bestimmung für die eidg. Wehrsteuer keine praktische Bedeutung. In der Tat ist nach dem Wehrsteuerbeschluss (Art. 21/22) die Steuer auf den Einkünften, die eine im Ausland wohnende Person aus in der Schweiz liegendem unbeweglichem Vermögen bezieht, ohnehin nur vom Reineinkommen zu berechnen. Diese Ordnung ist daher auch gegenüber Personen mit Wohnsitz in den Vereinigten Staaten ausnahmslos anwendbar. Das Abkommen hat daran nichts geändert.
Übrigens würde die von der Rekurskommission bestätigte Berechnung des wehrsteuerpflichtigen Einkommens auch dann standhalten, wenn die Vorschriften des Art. III des Abkommens über die Ermittlung der Gewinne aus Betriebsstätten analog anzuwenden wären. Was die Kürzungen des Rohertrages anbelangt, wird dort in Abs. 4 lediglich bestimmt: "Bei der Festsetzung der Gewinne aus gewerblicher oder kaufmännischer Tätigkeit einer Betriebsstätte sollen alle billigerweise der Betriebsstätte zurechenbaren Auslagen, mit Einschluss von Geschäftsführungs- und allgemeinen Verwaltungsunkosten, zum Abzuge zugelassen werden." Das Abkommen enthält keine Vorschrift, wonach Abschreibungen dort zugelassen werden müssten, wo die Gesetzgebung des Landes sie ausschliesst. Und hinsichtlich des Abzugs der Schuldzinsen ist die Ordnung des Wehrsteuerrechts genauer und für den Beschwerdeführer jedenfalls nicht ungünstiger als die unbestimmt lautende Regel in Art. III Abs. 4 des Abkommens.
b) Das Abkommen teilt das Recht zur Besteuerung des Einkommens nach Gegenständen auf. Es enthält auch gewisse Bestimmungen über die Berechnung des dem einen oder andern Staate zur Besteuerung zugewiesenen Einkommens. Dagegen schränkt es die Vertragsstaaten in der Bestimmung des Steuermasses, insbesondere des Steuersatzes, grundsätzlich nicht ein; eine Ausnahme macht es nur für die Quellensteuern auf Dividenden (Art. VI) und auf Schuldzinsen (Art. VII). Daraus, dass im vorliegenden Falle der Satz der Einkommenssteuer nach Massgabe des Gesamteinkommens bestimmt wird (Art. 44 WStB), ergibt sich keine Doppelbesteuerung im Sinne des Abkommens. Der so ermittelte Satz wird nur angewandt auf das Einkommen, das die Schweiz nach Art. IX des Abkommens besteuern darf. Diese Bestimmung regelt das Steuermass nicht; sie lässt die hierüber in der Landesgesetzgebung getroffene Ordnung unberührt.
Auch Art. III des Abkommens, der die Besteuerung der Betriebstätten betrifft, enthält keine Bestimmung über das Steuermass. Daraus, dass nach Abs. 3 und 4 daselbst die Betriebsstätte wie ein selbständiges Unternehmen zu behandeln, nach der sog. direkten Methode (méthode de la comptabilité séparée) zu besteuern ist (LOCHER, a.a.O. S. 88 a/89), wäre zwar nach dem in BGE 73 I 202 vertretenen Standpunkt zu schliessen, dass der zur Besteuerung berechtigte Staat bei der Festsetzung des Steuersatzes den Auslandsgewinn nicht zum Inlandsgewinn hinzurechnen dürfe. Ob an diesem Standpunkt, der im hier angefochtenen Entscheide bekämpft wird und auch in der Literatur auf Kritik gestossen ist (I. BLUMENSTEIN in ASA Bd. 17, S. 444, N. 106), festgehalten werden könne, erscheint indessen als zweifelhaft. Die Frage braucht aber im vorliegenden Fall nicht näher erörtert zu werden, da hier Art. III des Abkommens nicht anwendbar ist.
c) Auf das Abkommen können sich berufen die natürlichen Personen, die in einem der Vertragsstaaten Wohnsitz haben, und die nach schweizerischem oder amerikanischem Recht errichteten oder organisierten Unternehmen. Die Vorschriften, die bestimmte Einkommensteile dem Vertragsstaate zuweisen, in dem der Steuerpflichtige nicht seinen Wohnsitz oder Hauptsitz hat, ordnen das Recht dieses Staates zur Besteuerung der betreffenden Objekte erschöpfend. Das gilt insbesondere für Art. IX, ebenso für Art. III. Dagegen sind die Rechte und Pflichten des andern Vertragsstaates, der nach diesen Bestimmungen die darin erfassten Gegenstände grundsätzlich nicht besteuern darf, ausserdem in Art. XV Abs. 1 geordnet. Die ergänzende Regelung ist indessen für die beiden Vertragsstaaten verschieden. Art. XV Abs. 1 lit. b schreibt im wesentlichen vor, dass die Schweiz, soweit Personen mit Wohnsitz in diesem Staate oder schweizerische Unternehmen in Frage stehen, die Einkommensteile, die nach den einschlägigen besonderen Bestimmungen des Abkommens (Art. III, IX usw.) den Vereinigten Staaten zur Besteuerung zugewiesen sind, "von der Bemessungsgrundlage ausnehmen" wird. Damit werden einfach jene Kollisionsnormen für einen besonderen Fall bestätigt (I. BLUMENSTEIN, ASA Bd. 20, S. 285 ff.). Anderseits erlaubt Art. XV Abs. 1 lit. a den Vereinigten Staaten, bei der Besteuerung ihrer Staatsangehörigen, der auf ihrem Gebiete wohnenden Personen und der amerikanischen Gesellschaften "ungeachtet anderer Bestimmungen des Abkommens" alle Einkommensteile "in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen", die nach der amerikanischen Gesetzgebung steuerbar wären, wenn das Abkommen nicht in Kraft stände; von den auf dieser Basis berechneten amerikanischen Steuern ist jedoch der Betrag der im Abkommen bezeichneten schweizerischen Steuern abzuziehen. Mit der "Bemessungsgrundlage" sind hier sowohl die Elemente für die Berechnung des steuerbaren Einkommens als auch die das Steuermass bestimmenden Faktoren gemeint. Dagegen hat der gleiche Ausdruck in lit. b einen engeren Sinn; er betrifft dort nur die Berechnung des der Schweiz zur Besteuerung zugeteilten Einkommens, nicht auch das Steuermass. Das wird verdeutlicht durch den Schlusssatz der lit. b: "Die Schweiz behält dagegen bei der Festsetzung des anwendbaren Steuersatzes das Recht, auch die gemäss diesem Absatz von der Bemessungsgrundlage ausgenommenen Einkommensteile in Rechnung zu stellen."
Der Beschwerdeführer vertritt unter Berufung auf eine Auskunft des amerikanischen Treasury Department (International Tax Relations Division) den Standpunkt, die Schweiz dürfe für die Bestimmung des Steuersatzes die den Vereinigten Staaten zur Besteuerung zugewiesenen Einkommensteile nur gegenüber Personen mit Wohnsitz in der Schweiz und schweizerischen Gesellschaften berücksichtigen, auf die sich Art. XV Abs. 1 lit. b einzig beziehe; sie sei hiezu bei der Besteuerung von Personen mit Wohnsitz in den Vereinigten Staaten für die unter Art. IX oder III fallenden Einkünfte aus schweizerischem Grundeigentum oder schweizerischen Betriebsstätten nicht berechtigt, weil das Abkommen für diese Fälle eine dem Schlusssatz in Art XV Abs. 1 lit. b entsprechende Vorschrift nicht enthalte. Dieser Schlusssatz hat jedoch nicht die Tragweite, die ihm die Beschwerde beilegt. Er bestätigt lediglich den Grundsatz, dass das Abkommen die Vertragsstaaten in der Bestimmung des Steuersatzes nicht beschränkt. Er soll verhindern, dass der in lit. b des Art. XV gebrauchte Ausdruck "Bemessungsgrundlage" missverstanden, in dem weiten Sinne gedeutet wird, der ihm in lit a daselbst zukommt. Im übrigen brauchte jener Grundsatz im Abkommen nicht besonders ausgesprochen zu werden. Er ergibt sich ohne weiteres aus dessen System. Er gilt im Bereich des Abkommens allgemein, soweit dieses nicht etwas anderes vorschreibt (Art. VI und VII). Er ist auch für die Anwendung der entsprechenden Verträge der Schweiz mit anderen Staaten massgebend, selbst wenn er darin nicht, wie in den Abkommen mit Frankreich (Art. 12 Abs. 3, BS 12, 633) und mit Schweden (Schlussprotokoll zu Art. 2-8, AS 1949, 444), ausdrücklich erwähnt wird. Hätte man der Schweiz das Recht zur Bestimmung des Steuersatzes nach Massgabe des Gesamteinkommens - Recht, das sie nach dem Wortlaut von Art. XV Abs. 1 lit. b des Abkommens "behält" - gegenüber den nicht unter diese Bestimmung fallenden Steuerpflichtigen nehmen wollen, so hätte das im Abkommen, sei es in den einzelnen Vorschriften über die Ausscheidung des Besteuerungsrechts nach Gegenständen (Art. III, IX usw.), sei es in einer Generalklausel, zum Ausdruck kommen müssen, was nicht geschehen ist.
Der Beschwerdeführer macht geltend, die Festlegung des Steuersatzes nach Massgabe des Gesamteinkommens sei dem Rechte der Vereinigten Staaten fremd; die Beibehaltung dieses Systems sei der Schweiz in dem in Art. XV Abs. 1 lit. b des Abkommens bestimmt umschriebenen Umfange bewilligt worden, weil man ihr einen gewissen Ausgleich für die den Vereinigten Staaten in lit. a eingeräumten Vorteile habe bieten wollen; das Entgegenkommen gegenüber der Schweiz sei aber auf die in lit. b bezeichneten Fälle beschränkt. Diesen Sinn kann jedoch Art. XV nicht haben. Das Abkommen greift in das Recht der Vertragsstaaten, das Steuermass nach der eigenen Gesetzgebung festzulegen, nicht ein, soweit es nicht ausdrücklich und unzweideutig etwas Abweichendes bestimmt. Es berücksichtigt vielmehr die Verschiedenheiten der beidseitigen Besteuerungssysteme, indem es, namentlich in Art. XV, besondere Bestimmungen für die Schweiz einer- und für die Vereinigten Staaten anderseits aufstellt. Es verpflichtet die Schweiz in Abs. 1 lit. b ebenda nicht, sich so weitgehend, wie der Beschwerdeführer behauptet, dem System der Vereinigten Staaten anzupassen. Diese Bestimmung betrifft nur die Besteuerung von Personen mit Wohnsitz in der Schweiz und von schweizerischen Unternehmen. Den hier vorliegenden Fall des Steuerpflichtigen mit Wohnsitz in den Vereinigten Staaten und Grundeigentum in der Schweiz erfasst sie gar nicht. Hiefür ist die Kollisionsnorm des Art. IX massgebend, die über das Steuermass nichts bestimmt, woraus zu schliessen ist, dass in dieser Beziehung, nach dem das Abkommen beherrschenden - in Art. XV Abs. 1 lit. b bestätigten - Grundsatz, ausschliesslich die interne Gesetzgebung des zur Besteuerung berechtigten Staates gilt.
d) Die Frage, ob und inwieweit der Steuerpflichtige Sozialabzüge und Steuerbefreiungen, wie sie in Art. 25 Abs. 1 und Art. 26 WStB vorgesehen sind, beanspruchen könne, betrifft ebenfalls die Steuerbelastung, das Steuermass, nicht die Aufteilung des Besteuerungsrechts und auch nicht die Berechnung des Nettoeinkommens im Sinne des Art. IX des Abkommens. Ihre Ordnung ist der Landesgesetzgebung überlassen. Das Abkommen legt den Vertragsstaaten in dieser Beziehung keine Schranken auf (Art. XVIII Abs. 2).
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Imposta per la difesa nazionale; convenzione tra la Svizzera e gli Stati Uniti d'America intesa a evitare la doppia imposizione in materia di imposte sul reddito. 1. La possibilità di promuovere la procedura in via bonale contemplata nell'art. XVII della convenzione non impedisce al contribuente di avvalersi dei rimedi previsti dalla legislazione del paese d'imposizione (consid. 2).
2. Assoggettamento all'imposta di una persona domiciliata negli Stati Uniti per gli immobili che possiede in Svizzera, come pure per il loro reddito.
a) Calcolo del reddito imponibile. Diritto all'imposizione sul reddito netto (art. IX della convenzione). Ammortamenti sugli immobili che non fanno parte di un'azienda commerciale? Applicazione per analogia dell'art. III della convenzione (sedi stabili)? (consid. 5 a).
b) Importo dell'imposta sul reddito. La convenzione non si oppone all'applicazione della legge vigente nel paese d'imposizione. Essa non esclude che il tasso d'imposta sia fissato secondo il reddito totale. Portata dell'art. XV della convenzione (consid. 5 b-d).
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82 I 102
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82 I 102
Sachverhalt ab Seite 102
A.- Der Beschwerdeführer Emil Matter-Gehring ist Eigentümer des Grundstückes Nr. 1192 an der Hauptstrasse in Füllinsdorf. Die Parzelle liegt etwas vor dem Dorfkern von Füllinsdorf auf einem Landsporn am Hange gegen die Ergolz. Der Beschwerdeführer will darauf ein Holzchalet im Brienzerstil erstellen und beauftragte die Firma Gyger-Brack A.-G. in Zofingen mit der Erstellung der Pläne und des Kostenvoranschlages. Die Pläne sehen ein zweistöckiges Chalet von 6.75/12.70 m mit breiter Vorderfront, ziemlich breit ausladendem Dach und stumpfem Firstwinkel vor. Die kantonale Baudirektion holte das Gutachten der staatlichen Kommission für Heimatschutz ein, die das Bauvorhaben ablehnte, weil es sich um einen ortsfremden Stil handle, d.h. um einen Haustypus, wie er meist im Berner Oberland anzutreffen, im Kanton Basel-Landschaft aber mit den vorgesehenen Dachvorsprüngen und Knaggen sowie den über die Fassaden vorragenden Balkenknöpfen nicht heimisch sei. Die Baudirektion lehnte daher das Baugesuch ab. Der Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft ist mit Entscheid vom 22. Juli 1955 auf eine Beschwerde hiegegen nicht eingetreten. In der Begründung des Entscheides wird ausgeführt: Nach § 22 des kantonalen Baugesetzes sei im ganzen Kanton der bisherige Baucharakter möglichst zu wahren, und nach § 5 der Verordnung betreffend Natur-, Pflanzen- und Heimatschutz sei die Errichtung von Gebäuden untersagt, die das Orts-, Strassen- und Landschaftsbild verunstalten. Gerade die Ortschaft Füllinsdorf mit ihrer von weither sichtbaren Hanglage bedürfe einer gut abgewogenen Überbauung. Ein Berner Chalet unmittelbar vor dem alten Dorfkern müsste als Beeinträchtigung des Orts- und Landschaftsbildes erscheinen. Der projektierte Chaletbau schlage jeder saubern Baugesinnung im Gebiet des Kantons ins Gesicht. Ausserdem sei diese Art von Chalets an sich etwas Unehrliches. Denn sie wollten nach aussen hin etwas sein, dem das Innere nicht entspreche. Die Bauten, auf die der Gesuchsteller vergleichshalber hinweise, seien wesentlich zurückhaltender. Dass im Kanton noch hie und da Chaletbauten anzutreffen seien, sei zu bedauern. Jedenfalls könnten sie aber kein Präjudiz bilden für eine weitere Verunstaltung der Landschaft.
B.- Mit staatsrechtlicher Beschwerde beantragt Emil Matter, den Entscheid des Regierungsrates aufzuheben und diesen zu verhalten, die nachgesuchte Baubewilligung zu erteilen, eventuell selbst eine materielle Entscheidung zu treffen. Es wird Verletzung von Art. 4 BV und von § 9 KV (Schutz wohlerworbener Rechte) geltend gemacht und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt: Es sei willkürlich, anzunehmen, das projektierte Chalet würde das Orts-, Strassen- oder Landschaftsbild verunstalten. Das früher hübsche Ortsbild sei durch eine moderne Siedlung, in der Nähe des Bauplatzes durch eine turmähnliche Transformatorenstation, sowie durch zwei Flachdachhäuser bereits beeinträchtigt worden und biete heute keinen heimatschützlerisch wertvollen Anblick mehr. Der Beschwerdeführer werde durch die Verweigerung der Baubewilligung auch rechtsungleich behandelt, weil andere Chaletbauten bisher unbeanstandet zugelassen worden seien.
C.- Der Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft beantragt die Abweisung der Beschwerde.
D.- Die Instruktionskommission des Bundesgerichtes hat in Anwesenheit der Parteien, der Heimatschutzkommission und einer Vertretung des Gemeinderates von Füllinsdorf eine Lokalbesichtigung vorgenommen, und das Bundesgericht hat diese Besichtigung nach einer ersten Beratung wiederholt. Dabei hat sich ergeben: Das Chalet des Beschwerdeführers käme unterhalb der von der Ergolz zum Dorfkern von Füllinsdorf führenden Strasse, in einigem Abstand von dieser auf einen Landsporn zu stehen, unter welchem das Gelände wieder stark abfällt, in nördlicher Richtung gegen ein Tälchen, das, in einigem Abstand hinter dem Bauplatz, als Kehrichtablagerungsplatz benützt wird. Dazwischen steht eine turmartige Transformatorenstation und südlich oberhalb des Platzes ein Wohnhaus mit ganz unsymetrischen Dachlukarnen. Von der Strasse aus ist das mit der Hauptfront gegen das Tal zu gerichtete Haus nur teilweise sichtbar. Seine Vorderfront wäre dagegen erkennbar von der etwa 700 m weit entfernten Durchgangsstrasse Liestal-Basel, indes offenbar nicht mit ihren Einzelheiten. Von dort aus bietet sich das Dorf als Hangdorf mit einem Dorfkern von zu einem Teil nicht im Landschäfter Stil errichteten Häusern, rechts am Hang mit einer neuern Wohnsiedlung einheitlichen Baustils. Unterhalb des Dorfes ist die Bebauung unregelmässig. An der zum Dorfkern führenden Hauptstrasse befindet sich ein neueres Holzhaus, ein weiteres, teilweise aus Holz erstelltes nördlich der erwähnten Wohnkolonie. Eine neuere Chaletbaute (Chalet F. Jaggi-Leuthold) hat das Bundesgericht auf Veranlassung des Beschwerdeführers am Osthang von Liestal besichtigt. In den bezüglichen, vom Regierungsrat eingereichten Bauakten heisst es, die Knaggen seien überall wegzulassen, um das Gebäude der heimatlichen Bauweise anzupassen.
E.- § 97 des EG ZGB ermächtigt den Landrat, Vorschriften aufzustellen über die Erhaltung von Altertümern, Kunstdenkmälern und seltenen Pflanzen sowie gegen Verunstaltung von Landschafts- und Ortschaftsbildern sowie Aussichtspunkten. Gestützt darauf hat der Landrat die Verordnung betreffend Natur-, Pflanzen- und Heimatschutz vom 29. Septemner 1924 erlassen, die in § 5 bestimmt:
Die Errichtung sowie die Erweiterung und Erhöhung bestehender Gebaude ist untersagt, sofern dadurch das Orts-, Strassen- und Landschaftsbild oder Aussichtspunkte verunstaltet werden...
Das kantonale Gesetz betreffend das Bauwesen vom 15. Mai 1941 bestimmt unter dem Titel: Hochbauvorschriften in § 22:
Im ganzen Kanton soll der bisherige Baucharakter moglichst gewahrt werden.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Der Entscheid des Regierungsrates stellt nach seinem Dispositiv einen Nichteintretensentscheid dar. Nach den darin angestellten Erwägungen wird aber damit ohne Zweifel auf die Beschwerde materiell eingetreten und in der Sache selbst entschieden. Auch der Regierungsrat stellt übrigens in der Vernehmlassung fest, dass er mit dem Entscheid das Baugesuch materiell behandelt und abgelehnt habe. Die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte durch Verweigerung einer Baubewilligung konnte deshalb an diesen Entscheid angeschlossen werden.
2. Die Eigentumsgarantie, über deren Verletzung der Beschwerdeführer sich beschwert, schützt das Eigentum nicht als unbeschränkte Herrschaft über die Sache, sondern nur mit demjenigen Inhalt, den das Vermögensrecht nach der jeweiligen Rechtsordnung hat. Sie schützt daher nur vor Beschränkungen ohne Grundlage im positiven (Gesetzes- oder Verordnungs-) Recht (BGE 60 I 271,BGE 69 I 241, Urteile vom 15. Juli 1937 i.S. Einwohnergemeinde Beinwil, 3. Juni 1946 i.S. Le Fort und vom 20. März 1947 i.S. Teilkirchgemeinde Möriken; Kirchhofer, Eigentumsgarantie, Eigentumsbeschränkung und Enteignung, ZSR n. F. 58, 140). Die gesetzliche Grundlage mangelt nicht bloss, wenn es an einer positiven Vorschrift überhaupt fehlt, welche die Beschränkung des Eigentums vorsehen oder rechtfertigen würde, sondern auch, wenn die kantonale Behörde auf eine Vorschrift abstellt, aus der sich die Zulässigkeit der Einschränkung schlechterdings nicht ergibt und nicht ohne sachlich nicht haltbare Auslegung oder Anwendung abgeleitet werden kann. Insoweit fällt die Rüge der Verletzung der Eigentumsgarantie mit derjenigen der Verletzung von Art. 4 BV, d.h. des Verbotes der Willkür und rechtsungleicher Behandlung, zusammen.
Hier ist streitig, ob § 97 EG ZGB nebst der darauf fussenden Verordnung über den Naturschutz, eventuell ob § 22 des kantonalen Baugesetzes für das Bauverbot eine gesetzliche Grundlage zu bilden vermögen.
3. Indem § 22 des Baugesetzes die kantonalen Baubehörden anweist, den bisherigen Baucharakter möglichst zu wahren, vermöchte er für das Verbot eines Hauses, das dem bisherigen Baucharakter nicht entspricht, eine hinreichende Grundlage abzugeben. Es kommt jedoch nicht allein auf den Wortlaut der Vorschrift an, sondern es darf auch nicht unbeachtet bleiben, wie die kantonalen Behörden in 15jähriger Praxis zum Baugesetz die Vorschrift ausgelegt und angewendet haben und wie sie sie in Zukunft zu handhaben gedenken. Sie im einen Falle so, im andern anders auszulegen, würde das Verbot rechtsungleicher Behandlung verletzen. Wie die Lokalbesichtigung gezeigt hat und sich aus der Vernehmlassung des Regierungsrates und den Äusserungen seiner Vertreter anlässlich des Augenscheins ergibt, sind in neuerer und neuester Zeit, also seit dem Inkrafttreten des geltenden Baugesetzes, im Kanton Bauten bewilligt worden, die vom bisherigen Baucharakter ganz wesentlich abweichen. Die Behörden haben Bauten nicht beanstandet, die den verschiedensten Baustilen angehören, vom einfachen Holzchalet bis zur Pultdach- und Flachdachkonstruktion und zum Schwedenhaus. In der Vernehmlassung wird dazu ausgeführt, man könne Häuser wie das letztere nicht einfach deshalb verbieten, weil sie modern seien. Denn sie müssten - im Gegensatz zum Chalet des Beschwerdeführers - als echte und zeitgemässe Erscheinungsformen der Baukunst gelten. Das wird zutreffen, ändert aber nichts daran, dass damit der bisherige Baucharakter nicht gewahrt worden ist, und es zeigt gleichzeitig, dass auch in Zukunft als zeitgemäss betrachtete Neukonstruktionen, selbst wenn sie bisher im Kanton nicht heimisch waren, und damit vom hochgiebligen Landschäftlerhaus wesentlich abweichende Bautypen, nicht beanstandet werden, sofern sie nur für das Landschafts- oder Strassenbild nicht im Sinne einer Verunstaltung wirken (dazu Vernehmlassung des Regierungsrates S. 12 und die bezüglichen Erklärungen seiner Vertreter bei der Lokalbesichtigung). Ob das angefochtene Verbot eine gesetzliche Grundlage habe, fällt bei diesem Vorbehalt mit der Antwort auf die andere Frage zusammen, ob das Bauverbot auf § 97 EG und die Naturschutzverordnung abgestellt werden könne. Trifft das nicht zu, so kann § 22 des Baugesetzes nicht als gesetzliche Grundlage angesprochen werden.
4. § 97 EG ZGB und die Naturschutzverordnung rechtfertigen das Bauverbot, wenn das Chalet das Strassen-, Orts- oder Landschaftsbild verunstalten würde. Im Begriff der Verunstaltung liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtes, dass es sich um eine erheblich ungünstige Wirkung auf das Landschaftsbild handeln müsste, also um mehr als ein blosses "nicht verschönern" oder "leicht beeinträchtigen". Es muss ein Gegensatz zu Bestehendem vorhanden sein, der erheblich stört. Der Massstab muss dabei in Anschauungen von einer gewissen Verbreitung und Allgemeingültigkeit gefunden werden, nicht im Denken und Fühlen bloss einzelner Personen von besonderer aesthetischer Empfindlichkeit und spezieller Geschmacksrichtung. Bei Auslegung des Begriffs darf sich die zuständige Behörde nicht auf ihr subjektives Empfinden verlassen, sondern muss in der Lage sein, sich auf objektive und grundsätzliche Kriterien zu stützen und darzutun, dass deren Anwendung auf einen bestimmten Sachverhalt zur Geltendmachung des verordnungsmässigen Bauverbotes führen muss (Urteile vom 11. Juli 1935 i.S. Fankhauser, Erw. 3, 15. Juli 1937 i.S. Einwohnergemeinde Beinwil S. 23, 22. März 1950 i.S. Leu, Erw. 3 und vom 22. Oktober 1954 i.S. Bader, S. 13). Das bisherige Orts- und Landschaftsbild spielt dabei naturgemäss eine wesentliche Rolle. Ein besonders schönes Bild kann unter Umständen durch bauliche Vorkehren beeinträchtigt werden, wo sonst eine Verunstaltung nicht notwendigerweise eintreten würde. Dass das ursprüngliche Bild bereits in bloss untergeordneter Weise eine gewisse Störung erfahren hat, schliesst die Schutzwürdigkeit nicht aus, wenn die Behörde willens ist, die Schutzwürdigkeit im übrigen zu erhalten (das erwähnte Urteil i.S. Leu und die dortigen Zitate). Ob im Einzelfall eine Verunstaltung angenommen werden dürfe, lässt als Tatfrage dem Ermessen der kantonalen Behörde einen erheblichen Spielraum. Das Bundesgericht kann nur einschreiten, wenn die kantonalen Behörden dieses Ermessen augenscheinlich überschritten haben (BGE 60 I 273, Urteil vom 20. März 1947 i.S. Teilkirchgemeinde Möriken Erw. 4).
5. Eine derartige Verunstaltung kann zum vorneherein nicht deshalb angenommen werden, weil das projektierte Chalet keine "echte und ehrliche Erscheinungsform" des Bauens darstelle, d.h. weil es nach aussen etwas sein wolle, dem das Innere nicht entspreche (Keller mit Betonmauern, geplättelte Badezimmer, moderner Komfort usw.). Denn das Strassen- und Ortschaftsbild könnte nur durch etwas aussen Sichtbares, nicht durch die innere Ausstattung des Hauses beeinträchtigt werden. Dagegen hätte eine Verunstaltung ohne Ermessensüberschreitung dann angenommen werden können, wenn der Beschwerdeführer beabsichtigt hätte, das Chalet in den Dorfkern von Füllinsdorf zu stellen, wo der bisherige Baucharakter im allgemeinen noch ordentlich gut gewahrt ist. Denn hier würde es, neben die vorhandenen Landschäftlerhäuser gestellt, störend wirken. Das Chalet soll jedoch nicht hieher, sondern an den Rand des Dorfes gestellt werden, auf einen von der Strasse abliegenden und ausserdem etwas tiefer gelegenen Bauplatz, mit Hauptfassade vom Dorfe weg. Es würde von der Strasse und vom Dorfe her nur von der hintern und obern Seite wahrnehmbar sein. Davon, dass diese Ansicht hässlich wäre oder einen erhaltungswürdigen Blick gegen Westen beeinträchtigen würde, kann nicht gesprochen werden. Wenn bei dem von der Dorfstrasse bis zur Ergolz zum Teil ziemlich steil abfallenden und zudem durch ein Tälchen eingeschnittenen Gebiet von einem einheitlichen Quartier gesprochen werden könnte, was als fraglich erscheint, so könnte doch jedenfalls zur Zeit nicht von einem einheitlichen oder gar ansprechenden Quartier die Rede sein. In der erwähnten Talmulde liegt der offene Kehrichtablagerungsplatz der Gemeinde. Ferner sind hier eine unsymetrische Lukarnenausbaute, eine turmähnliche Transformatorenstation, ein Pultdach und eine Wellblechgarage ersichtlich, neben denen das Chalet des Beschwerdeführers sicherlich nicht hässlich wirken könnte.
Der Regierungsrat scheint übrigens eine Verunstaltung weniger deshalb anzunehmen, weil das Strassen- oder Quartierbild von der Ortschaft aus betrachtet beeinträchtigt würde, als deshalb, weil die Neubaute von der Kantonsstrasse Liestal-Basel aus störend wirke. Dass ein Ortsbild beim Anblick von einem bestimmten Punkt ausserhalb des Dorfes beeinträchtigt werden kann, ist natürlich durchaus möglich. Doch darf auch dabei nicht ausser Betracht bleiben, welches Bild sich dem Beschauer schon bisher bot. In dieser Hinsicht wären gewisse Zweifel angebracht angesichts der obigen Feststellungen über das Bild, das die Gegend zwischen Strasse und Ergolz zur Zeit bietet. Es ist aber anzuerkennen, dass Einzelheiten nicht deutlich in die Augen springen. Aus dem gleichen Grunde könnte jedoch eine Verunstaltung durch das Chalet selbst dann nicht angenommen werden, wenn es im Ortsbild als störend empfunden werden könnte. Denn die Strasse befindet sich vom Dorfkern etwa 700 m entfernt. Auf diese Entfernung sind wohl die breite Form der Hauptfassade, der etwas flachere Dachwinkel und das weiter ausladende Dach erkennbar, und es wäre auch ersichtlich, dass sich das Haus in Material und Farbe von den oberhalb stehenden Steinhäusern unterscheiden würde. Das letztere wirkt aber für das Dorfbild keineswegs im Sinne einer Verunstaltung. In den Häusergruppen finden sich bereits Bauten im Chaletstil, ohne dass das Dorfbild aus diesem Grunde unschön oder hässlich wirken würde. Die entscheidende Abweichung in der Dachgestaltung aber hebt sich auf die festgestellte Entfernung nicht besonders ab und lässt sich schlechterdings nicht als verunstaltend bewerten. Von der Stelle des Beschauers präsentiert sich dem Blick nicht bloss der Dorfkern von Füllinsdorf, der oberhalb des Bauplatzes liegt, sondern das Dorf als Gesamtes, das nicht von besonderer Einheitlichkeit ist, und Bauelemente aus verschiedenen Zeitepochen nebeneinander aufweist. Das Chalet des Beschwerdeführers würde von der Strasse aus gesehen nicht anders wirken als andere Bauten, insbesondere die Chalets, von denen der Regierungsrat erklären liess, er würde sie wieder bewilligen.
Legt man also an den Begriff der Verunstaltung nicht einen allzu subjektiven Massstab an, und lässt man sich auch nicht durch Beanstandungen mitbestimmen, die für die Frage nach der Verunstaltung eines Ortsbildes überhaupt nicht in Betracht fallen können, so erweist sich die Anwendung des Begriffes der Verunstaltung auf das vom Beschwerdeführer projektierte Holzchalet als nicht haltbar. Damit entfällt aber die erforderliche gesetzliche Grundlage sowohl aus dem Gesichtspunkt von § 22 des Baugesetzes als aus demjenigen von § 97 EG ZGB und der Naturschutzverordnung.
Ob der Beschwerdeführer im Verhältnis zu den Eigentümern, denen die Erstellung von Chalets bewilligt wurde, rechtsungleich behandelt worden sei, kann dahingestellt bleiben.
6. Bei Verweigerung einer Polizeibewilligung durch eine kantonale Behörde kann das Bundesgericht diese anweisen, die verweigerte Baubewilligung zu erteilen. Das rechtfertigt sich auch hier. Vorbehalten bleibt das Recht des Regierungsrates, zu prüfen, ob die aufgehobene Weigerung nicht aus andern, von ihm nicht geltendgemachten Gründen wieder verfugt werden dürfe. Bisher sind derartige Gründe nicht angeführt worden.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird gutgeheissen, der Beschluss des Regierungsrates vom 22. Juli 1955 aufgehoben und der Regierungsrat angewiesen, dem Beschwerdeführer die verlangte Baubewilligung zu erteilen.
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Bauverbot: Erfordernis der gesetzlichen Grundlage für ein Bauverbot; Bedeutung der bisherigen Auslegung der Vorschrift. Begriff der Verunstaltung; Rücksichtnahme auf das bisherige Landschaftsbild; Ausscheidung nicht zulässiger Kriterien.
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Sachverhalt ab Seite 102
A.- Der Beschwerdeführer Emil Matter-Gehring ist Eigentümer des Grundstückes Nr. 1192 an der Hauptstrasse in Füllinsdorf. Die Parzelle liegt etwas vor dem Dorfkern von Füllinsdorf auf einem Landsporn am Hange gegen die Ergolz. Der Beschwerdeführer will darauf ein Holzchalet im Brienzerstil erstellen und beauftragte die Firma Gyger-Brack A.-G. in Zofingen mit der Erstellung der Pläne und des Kostenvoranschlages. Die Pläne sehen ein zweistöckiges Chalet von 6.75/12.70 m mit breiter Vorderfront, ziemlich breit ausladendem Dach und stumpfem Firstwinkel vor. Die kantonale Baudirektion holte das Gutachten der staatlichen Kommission für Heimatschutz ein, die das Bauvorhaben ablehnte, weil es sich um einen ortsfremden Stil handle, d.h. um einen Haustypus, wie er meist im Berner Oberland anzutreffen, im Kanton Basel-Landschaft aber mit den vorgesehenen Dachvorsprüngen und Knaggen sowie den über die Fassaden vorragenden Balkenknöpfen nicht heimisch sei. Die Baudirektion lehnte daher das Baugesuch ab. Der Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft ist mit Entscheid vom 22. Juli 1955 auf eine Beschwerde hiegegen nicht eingetreten. In der Begründung des Entscheides wird ausgeführt: Nach § 22 des kantonalen Baugesetzes sei im ganzen Kanton der bisherige Baucharakter möglichst zu wahren, und nach § 5 der Verordnung betreffend Natur-, Pflanzen- und Heimatschutz sei die Errichtung von Gebäuden untersagt, die das Orts-, Strassen- und Landschaftsbild verunstalten. Gerade die Ortschaft Füllinsdorf mit ihrer von weither sichtbaren Hanglage bedürfe einer gut abgewogenen Überbauung. Ein Berner Chalet unmittelbar vor dem alten Dorfkern müsste als Beeinträchtigung des Orts- und Landschaftsbildes erscheinen. Der projektierte Chaletbau schlage jeder saubern Baugesinnung im Gebiet des Kantons ins Gesicht. Ausserdem sei diese Art von Chalets an sich etwas Unehrliches. Denn sie wollten nach aussen hin etwas sein, dem das Innere nicht entspreche. Die Bauten, auf die der Gesuchsteller vergleichshalber hinweise, seien wesentlich zurückhaltender. Dass im Kanton noch hie und da Chaletbauten anzutreffen seien, sei zu bedauern. Jedenfalls könnten sie aber kein Präjudiz bilden für eine weitere Verunstaltung der Landschaft.
B.- Mit staatsrechtlicher Beschwerde beantragt Emil Matter, den Entscheid des Regierungsrates aufzuheben und diesen zu verhalten, die nachgesuchte Baubewilligung zu erteilen, eventuell selbst eine materielle Entscheidung zu treffen. Es wird Verletzung von Art. 4 BV und von § 9 KV (Schutz wohlerworbener Rechte) geltend gemacht und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt: Es sei willkürlich, anzunehmen, das projektierte Chalet würde das Orts-, Strassen- oder Landschaftsbild verunstalten. Das früher hübsche Ortsbild sei durch eine moderne Siedlung, in der Nähe des Bauplatzes durch eine turmähnliche Transformatorenstation, sowie durch zwei Flachdachhäuser bereits beeinträchtigt worden und biete heute keinen heimatschützlerisch wertvollen Anblick mehr. Der Beschwerdeführer werde durch die Verweigerung der Baubewilligung auch rechtsungleich behandelt, weil andere Chaletbauten bisher unbeanstandet zugelassen worden seien.
C.- Der Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft beantragt die Abweisung der Beschwerde.
D.- Die Instruktionskommission des Bundesgerichtes hat in Anwesenheit der Parteien, der Heimatschutzkommission und einer Vertretung des Gemeinderates von Füllinsdorf eine Lokalbesichtigung vorgenommen, und das Bundesgericht hat diese Besichtigung nach einer ersten Beratung wiederholt. Dabei hat sich ergeben: Das Chalet des Beschwerdeführers käme unterhalb der von der Ergolz zum Dorfkern von Füllinsdorf führenden Strasse, in einigem Abstand von dieser auf einen Landsporn zu stehen, unter welchem das Gelände wieder stark abfällt, in nördlicher Richtung gegen ein Tälchen, das, in einigem Abstand hinter dem Bauplatz, als Kehrichtablagerungsplatz benützt wird. Dazwischen steht eine turmartige Transformatorenstation und südlich oberhalb des Platzes ein Wohnhaus mit ganz unsymetrischen Dachlukarnen. Von der Strasse aus ist das mit der Hauptfront gegen das Tal zu gerichtete Haus nur teilweise sichtbar. Seine Vorderfront wäre dagegen erkennbar von der etwa 700 m weit entfernten Durchgangsstrasse Liestal-Basel, indes offenbar nicht mit ihren Einzelheiten. Von dort aus bietet sich das Dorf als Hangdorf mit einem Dorfkern von zu einem Teil nicht im Landschäfter Stil errichteten Häusern, rechts am Hang mit einer neuern Wohnsiedlung einheitlichen Baustils. Unterhalb des Dorfes ist die Bebauung unregelmässig. An der zum Dorfkern führenden Hauptstrasse befindet sich ein neueres Holzhaus, ein weiteres, teilweise aus Holz erstelltes nördlich der erwähnten Wohnkolonie. Eine neuere Chaletbaute (Chalet F. Jaggi-Leuthold) hat das Bundesgericht auf Veranlassung des Beschwerdeführers am Osthang von Liestal besichtigt. In den bezüglichen, vom Regierungsrat eingereichten Bauakten heisst es, die Knaggen seien überall wegzulassen, um das Gebäude der heimatlichen Bauweise anzupassen.
E.- § 97 des EG ZGB ermächtigt den Landrat, Vorschriften aufzustellen über die Erhaltung von Altertümern, Kunstdenkmälern und seltenen Pflanzen sowie gegen Verunstaltung von Landschafts- und Ortschaftsbildern sowie Aussichtspunkten. Gestützt darauf hat der Landrat die Verordnung betreffend Natur-, Pflanzen- und Heimatschutz vom 29. Septemner 1924 erlassen, die in § 5 bestimmt:
Die Errichtung sowie die Erweiterung und Erhöhung bestehender Gebaude ist untersagt, sofern dadurch das Orts-, Strassen- und Landschaftsbild oder Aussichtspunkte verunstaltet werden...
Das kantonale Gesetz betreffend das Bauwesen vom 15. Mai 1941 bestimmt unter dem Titel: Hochbauvorschriften in § 22:
Im ganzen Kanton soll der bisherige Baucharakter moglichst gewahrt werden.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Der Entscheid des Regierungsrates stellt nach seinem Dispositiv einen Nichteintretensentscheid dar. Nach den darin angestellten Erwägungen wird aber damit ohne Zweifel auf die Beschwerde materiell eingetreten und in der Sache selbst entschieden. Auch der Regierungsrat stellt übrigens in der Vernehmlassung fest, dass er mit dem Entscheid das Baugesuch materiell behandelt und abgelehnt habe. Die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte durch Verweigerung einer Baubewilligung konnte deshalb an diesen Entscheid angeschlossen werden.
2. Die Eigentumsgarantie, über deren Verletzung der Beschwerdeführer sich beschwert, schützt das Eigentum nicht als unbeschränkte Herrschaft über die Sache, sondern nur mit demjenigen Inhalt, den das Vermögensrecht nach der jeweiligen Rechtsordnung hat. Sie schützt daher nur vor Beschränkungen ohne Grundlage im positiven (Gesetzes- oder Verordnungs-) Recht (BGE 60 I 271,BGE 69 I 241, Urteile vom 15. Juli 1937 i.S. Einwohnergemeinde Beinwil, 3. Juni 1946 i.S. Le Fort und vom 20. März 1947 i.S. Teilkirchgemeinde Möriken; Kirchhofer, Eigentumsgarantie, Eigentumsbeschränkung und Enteignung, ZSR n. F. 58, 140). Die gesetzliche Grundlage mangelt nicht bloss, wenn es an einer positiven Vorschrift überhaupt fehlt, welche die Beschränkung des Eigentums vorsehen oder rechtfertigen würde, sondern auch, wenn die kantonale Behörde auf eine Vorschrift abstellt, aus der sich die Zulässigkeit der Einschränkung schlechterdings nicht ergibt und nicht ohne sachlich nicht haltbare Auslegung oder Anwendung abgeleitet werden kann. Insoweit fällt die Rüge der Verletzung der Eigentumsgarantie mit derjenigen der Verletzung von Art. 4 BV, d.h. des Verbotes der Willkür und rechtsungleicher Behandlung, zusammen.
Hier ist streitig, ob § 97 EG ZGB nebst der darauf fussenden Verordnung über den Naturschutz, eventuell ob § 22 des kantonalen Baugesetzes für das Bauverbot eine gesetzliche Grundlage zu bilden vermögen.
3. Indem § 22 des Baugesetzes die kantonalen Baubehörden anweist, den bisherigen Baucharakter möglichst zu wahren, vermöchte er für das Verbot eines Hauses, das dem bisherigen Baucharakter nicht entspricht, eine hinreichende Grundlage abzugeben. Es kommt jedoch nicht allein auf den Wortlaut der Vorschrift an, sondern es darf auch nicht unbeachtet bleiben, wie die kantonalen Behörden in 15jähriger Praxis zum Baugesetz die Vorschrift ausgelegt und angewendet haben und wie sie sie in Zukunft zu handhaben gedenken. Sie im einen Falle so, im andern anders auszulegen, würde das Verbot rechtsungleicher Behandlung verletzen. Wie die Lokalbesichtigung gezeigt hat und sich aus der Vernehmlassung des Regierungsrates und den Äusserungen seiner Vertreter anlässlich des Augenscheins ergibt, sind in neuerer und neuester Zeit, also seit dem Inkrafttreten des geltenden Baugesetzes, im Kanton Bauten bewilligt worden, die vom bisherigen Baucharakter ganz wesentlich abweichen. Die Behörden haben Bauten nicht beanstandet, die den verschiedensten Baustilen angehören, vom einfachen Holzchalet bis zur Pultdach- und Flachdachkonstruktion und zum Schwedenhaus. In der Vernehmlassung wird dazu ausgeführt, man könne Häuser wie das letztere nicht einfach deshalb verbieten, weil sie modern seien. Denn sie müssten - im Gegensatz zum Chalet des Beschwerdeführers - als echte und zeitgemässe Erscheinungsformen der Baukunst gelten. Das wird zutreffen, ändert aber nichts daran, dass damit der bisherige Baucharakter nicht gewahrt worden ist, und es zeigt gleichzeitig, dass auch in Zukunft als zeitgemäss betrachtete Neukonstruktionen, selbst wenn sie bisher im Kanton nicht heimisch waren, und damit vom hochgiebligen Landschäftlerhaus wesentlich abweichende Bautypen, nicht beanstandet werden, sofern sie nur für das Landschafts- oder Strassenbild nicht im Sinne einer Verunstaltung wirken (dazu Vernehmlassung des Regierungsrates S. 12 und die bezüglichen Erklärungen seiner Vertreter bei der Lokalbesichtigung). Ob das angefochtene Verbot eine gesetzliche Grundlage habe, fällt bei diesem Vorbehalt mit der Antwort auf die andere Frage zusammen, ob das Bauverbot auf § 97 EG und die Naturschutzverordnung abgestellt werden könne. Trifft das nicht zu, so kann § 22 des Baugesetzes nicht als gesetzliche Grundlage angesprochen werden.
4. § 97 EG ZGB und die Naturschutzverordnung rechtfertigen das Bauverbot, wenn das Chalet das Strassen-, Orts- oder Landschaftsbild verunstalten würde. Im Begriff der Verunstaltung liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtes, dass es sich um eine erheblich ungünstige Wirkung auf das Landschaftsbild handeln müsste, also um mehr als ein blosses "nicht verschönern" oder "leicht beeinträchtigen". Es muss ein Gegensatz zu Bestehendem vorhanden sein, der erheblich stört. Der Massstab muss dabei in Anschauungen von einer gewissen Verbreitung und Allgemeingültigkeit gefunden werden, nicht im Denken und Fühlen bloss einzelner Personen von besonderer aesthetischer Empfindlichkeit und spezieller Geschmacksrichtung. Bei Auslegung des Begriffs darf sich die zuständige Behörde nicht auf ihr subjektives Empfinden verlassen, sondern muss in der Lage sein, sich auf objektive und grundsätzliche Kriterien zu stützen und darzutun, dass deren Anwendung auf einen bestimmten Sachverhalt zur Geltendmachung des verordnungsmässigen Bauverbotes führen muss (Urteile vom 11. Juli 1935 i.S. Fankhauser, Erw. 3, 15. Juli 1937 i.S. Einwohnergemeinde Beinwil S. 23, 22. März 1950 i.S. Leu, Erw. 3 und vom 22. Oktober 1954 i.S. Bader, S. 13). Das bisherige Orts- und Landschaftsbild spielt dabei naturgemäss eine wesentliche Rolle. Ein besonders schönes Bild kann unter Umständen durch bauliche Vorkehren beeinträchtigt werden, wo sonst eine Verunstaltung nicht notwendigerweise eintreten würde. Dass das ursprüngliche Bild bereits in bloss untergeordneter Weise eine gewisse Störung erfahren hat, schliesst die Schutzwürdigkeit nicht aus, wenn die Behörde willens ist, die Schutzwürdigkeit im übrigen zu erhalten (das erwähnte Urteil i.S. Leu und die dortigen Zitate). Ob im Einzelfall eine Verunstaltung angenommen werden dürfe, lässt als Tatfrage dem Ermessen der kantonalen Behörde einen erheblichen Spielraum. Das Bundesgericht kann nur einschreiten, wenn die kantonalen Behörden dieses Ermessen augenscheinlich überschritten haben (BGE 60 I 273, Urteil vom 20. März 1947 i.S. Teilkirchgemeinde Möriken Erw. 4).
5. Eine derartige Verunstaltung kann zum vorneherein nicht deshalb angenommen werden, weil das projektierte Chalet keine "echte und ehrliche Erscheinungsform" des Bauens darstelle, d.h. weil es nach aussen etwas sein wolle, dem das Innere nicht entspreche (Keller mit Betonmauern, geplättelte Badezimmer, moderner Komfort usw.). Denn das Strassen- und Ortschaftsbild könnte nur durch etwas aussen Sichtbares, nicht durch die innere Ausstattung des Hauses beeinträchtigt werden. Dagegen hätte eine Verunstaltung ohne Ermessensüberschreitung dann angenommen werden können, wenn der Beschwerdeführer beabsichtigt hätte, das Chalet in den Dorfkern von Füllinsdorf zu stellen, wo der bisherige Baucharakter im allgemeinen noch ordentlich gut gewahrt ist. Denn hier würde es, neben die vorhandenen Landschäftlerhäuser gestellt, störend wirken. Das Chalet soll jedoch nicht hieher, sondern an den Rand des Dorfes gestellt werden, auf einen von der Strasse abliegenden und ausserdem etwas tiefer gelegenen Bauplatz, mit Hauptfassade vom Dorfe weg. Es würde von der Strasse und vom Dorfe her nur von der hintern und obern Seite wahrnehmbar sein. Davon, dass diese Ansicht hässlich wäre oder einen erhaltungswürdigen Blick gegen Westen beeinträchtigen würde, kann nicht gesprochen werden. Wenn bei dem von der Dorfstrasse bis zur Ergolz zum Teil ziemlich steil abfallenden und zudem durch ein Tälchen eingeschnittenen Gebiet von einem einheitlichen Quartier gesprochen werden könnte, was als fraglich erscheint, so könnte doch jedenfalls zur Zeit nicht von einem einheitlichen oder gar ansprechenden Quartier die Rede sein. In der erwähnten Talmulde liegt der offene Kehrichtablagerungsplatz der Gemeinde. Ferner sind hier eine unsymetrische Lukarnenausbaute, eine turmähnliche Transformatorenstation, ein Pultdach und eine Wellblechgarage ersichtlich, neben denen das Chalet des Beschwerdeführers sicherlich nicht hässlich wirken könnte.
Der Regierungsrat scheint übrigens eine Verunstaltung weniger deshalb anzunehmen, weil das Strassen- oder Quartierbild von der Ortschaft aus betrachtet beeinträchtigt würde, als deshalb, weil die Neubaute von der Kantonsstrasse Liestal-Basel aus störend wirke. Dass ein Ortsbild beim Anblick von einem bestimmten Punkt ausserhalb des Dorfes beeinträchtigt werden kann, ist natürlich durchaus möglich. Doch darf auch dabei nicht ausser Betracht bleiben, welches Bild sich dem Beschauer schon bisher bot. In dieser Hinsicht wären gewisse Zweifel angebracht angesichts der obigen Feststellungen über das Bild, das die Gegend zwischen Strasse und Ergolz zur Zeit bietet. Es ist aber anzuerkennen, dass Einzelheiten nicht deutlich in die Augen springen. Aus dem gleichen Grunde könnte jedoch eine Verunstaltung durch das Chalet selbst dann nicht angenommen werden, wenn es im Ortsbild als störend empfunden werden könnte. Denn die Strasse befindet sich vom Dorfkern etwa 700 m entfernt. Auf diese Entfernung sind wohl die breite Form der Hauptfassade, der etwas flachere Dachwinkel und das weiter ausladende Dach erkennbar, und es wäre auch ersichtlich, dass sich das Haus in Material und Farbe von den oberhalb stehenden Steinhäusern unterscheiden würde. Das letztere wirkt aber für das Dorfbild keineswegs im Sinne einer Verunstaltung. In den Häusergruppen finden sich bereits Bauten im Chaletstil, ohne dass das Dorfbild aus diesem Grunde unschön oder hässlich wirken würde. Die entscheidende Abweichung in der Dachgestaltung aber hebt sich auf die festgestellte Entfernung nicht besonders ab und lässt sich schlechterdings nicht als verunstaltend bewerten. Von der Stelle des Beschauers präsentiert sich dem Blick nicht bloss der Dorfkern von Füllinsdorf, der oberhalb des Bauplatzes liegt, sondern das Dorf als Gesamtes, das nicht von besonderer Einheitlichkeit ist, und Bauelemente aus verschiedenen Zeitepochen nebeneinander aufweist. Das Chalet des Beschwerdeführers würde von der Strasse aus gesehen nicht anders wirken als andere Bauten, insbesondere die Chalets, von denen der Regierungsrat erklären liess, er würde sie wieder bewilligen.
Legt man also an den Begriff der Verunstaltung nicht einen allzu subjektiven Massstab an, und lässt man sich auch nicht durch Beanstandungen mitbestimmen, die für die Frage nach der Verunstaltung eines Ortsbildes überhaupt nicht in Betracht fallen können, so erweist sich die Anwendung des Begriffes der Verunstaltung auf das vom Beschwerdeführer projektierte Holzchalet als nicht haltbar. Damit entfällt aber die erforderliche gesetzliche Grundlage sowohl aus dem Gesichtspunkt von § 22 des Baugesetzes als aus demjenigen von § 97 EG ZGB und der Naturschutzverordnung.
Ob der Beschwerdeführer im Verhältnis zu den Eigentümern, denen die Erstellung von Chalets bewilligt wurde, rechtsungleich behandelt worden sei, kann dahingestellt bleiben.
6. Bei Verweigerung einer Polizeibewilligung durch eine kantonale Behörde kann das Bundesgericht diese anweisen, die verweigerte Baubewilligung zu erteilen. Das rechtfertigt sich auch hier. Vorbehalten bleibt das Recht des Regierungsrates, zu prüfen, ob die aufgehobene Weigerung nicht aus andern, von ihm nicht geltendgemachten Gründen wieder verfugt werden dürfe. Bisher sind derartige Gründe nicht angeführt worden.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird gutgeheissen, der Beschluss des Regierungsrates vom 22. Juli 1955 aufgehoben und der Regierungsrat angewiesen, dem Beschwerdeführer die verlangte Baubewilligung zu erteilen.
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de
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Interdiction de construire: Nécessité d'une base légale; importance de l'interprétation précédemment donnée de la disposition légale applicable. Notion de l'enlaidissement; prise en considération du paysage préexistant; exclusion de facteurs d'appréciation inadmissibles.
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fr
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constitutional law and administrative law and public international law
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I
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https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F82-I-102%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document
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82 I 102
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82 I 102
Sachverhalt ab Seite 102
A.- Der Beschwerdeführer Emil Matter-Gehring ist Eigentümer des Grundstückes Nr. 1192 an der Hauptstrasse in Füllinsdorf. Die Parzelle liegt etwas vor dem Dorfkern von Füllinsdorf auf einem Landsporn am Hange gegen die Ergolz. Der Beschwerdeführer will darauf ein Holzchalet im Brienzerstil erstellen und beauftragte die Firma Gyger-Brack A.-G. in Zofingen mit der Erstellung der Pläne und des Kostenvoranschlages. Die Pläne sehen ein zweistöckiges Chalet von 6.75/12.70 m mit breiter Vorderfront, ziemlich breit ausladendem Dach und stumpfem Firstwinkel vor. Die kantonale Baudirektion holte das Gutachten der staatlichen Kommission für Heimatschutz ein, die das Bauvorhaben ablehnte, weil es sich um einen ortsfremden Stil handle, d.h. um einen Haustypus, wie er meist im Berner Oberland anzutreffen, im Kanton Basel-Landschaft aber mit den vorgesehenen Dachvorsprüngen und Knaggen sowie den über die Fassaden vorragenden Balkenknöpfen nicht heimisch sei. Die Baudirektion lehnte daher das Baugesuch ab. Der Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft ist mit Entscheid vom 22. Juli 1955 auf eine Beschwerde hiegegen nicht eingetreten. In der Begründung des Entscheides wird ausgeführt: Nach § 22 des kantonalen Baugesetzes sei im ganzen Kanton der bisherige Baucharakter möglichst zu wahren, und nach § 5 der Verordnung betreffend Natur-, Pflanzen- und Heimatschutz sei die Errichtung von Gebäuden untersagt, die das Orts-, Strassen- und Landschaftsbild verunstalten. Gerade die Ortschaft Füllinsdorf mit ihrer von weither sichtbaren Hanglage bedürfe einer gut abgewogenen Überbauung. Ein Berner Chalet unmittelbar vor dem alten Dorfkern müsste als Beeinträchtigung des Orts- und Landschaftsbildes erscheinen. Der projektierte Chaletbau schlage jeder saubern Baugesinnung im Gebiet des Kantons ins Gesicht. Ausserdem sei diese Art von Chalets an sich etwas Unehrliches. Denn sie wollten nach aussen hin etwas sein, dem das Innere nicht entspreche. Die Bauten, auf die der Gesuchsteller vergleichshalber hinweise, seien wesentlich zurückhaltender. Dass im Kanton noch hie und da Chaletbauten anzutreffen seien, sei zu bedauern. Jedenfalls könnten sie aber kein Präjudiz bilden für eine weitere Verunstaltung der Landschaft.
B.- Mit staatsrechtlicher Beschwerde beantragt Emil Matter, den Entscheid des Regierungsrates aufzuheben und diesen zu verhalten, die nachgesuchte Baubewilligung zu erteilen, eventuell selbst eine materielle Entscheidung zu treffen. Es wird Verletzung von Art. 4 BV und von § 9 KV (Schutz wohlerworbener Rechte) geltend gemacht und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt: Es sei willkürlich, anzunehmen, das projektierte Chalet würde das Orts-, Strassen- oder Landschaftsbild verunstalten. Das früher hübsche Ortsbild sei durch eine moderne Siedlung, in der Nähe des Bauplatzes durch eine turmähnliche Transformatorenstation, sowie durch zwei Flachdachhäuser bereits beeinträchtigt worden und biete heute keinen heimatschützlerisch wertvollen Anblick mehr. Der Beschwerdeführer werde durch die Verweigerung der Baubewilligung auch rechtsungleich behandelt, weil andere Chaletbauten bisher unbeanstandet zugelassen worden seien.
C.- Der Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft beantragt die Abweisung der Beschwerde.
D.- Die Instruktionskommission des Bundesgerichtes hat in Anwesenheit der Parteien, der Heimatschutzkommission und einer Vertretung des Gemeinderates von Füllinsdorf eine Lokalbesichtigung vorgenommen, und das Bundesgericht hat diese Besichtigung nach einer ersten Beratung wiederholt. Dabei hat sich ergeben: Das Chalet des Beschwerdeführers käme unterhalb der von der Ergolz zum Dorfkern von Füllinsdorf führenden Strasse, in einigem Abstand von dieser auf einen Landsporn zu stehen, unter welchem das Gelände wieder stark abfällt, in nördlicher Richtung gegen ein Tälchen, das, in einigem Abstand hinter dem Bauplatz, als Kehrichtablagerungsplatz benützt wird. Dazwischen steht eine turmartige Transformatorenstation und südlich oberhalb des Platzes ein Wohnhaus mit ganz unsymetrischen Dachlukarnen. Von der Strasse aus ist das mit der Hauptfront gegen das Tal zu gerichtete Haus nur teilweise sichtbar. Seine Vorderfront wäre dagegen erkennbar von der etwa 700 m weit entfernten Durchgangsstrasse Liestal-Basel, indes offenbar nicht mit ihren Einzelheiten. Von dort aus bietet sich das Dorf als Hangdorf mit einem Dorfkern von zu einem Teil nicht im Landschäfter Stil errichteten Häusern, rechts am Hang mit einer neuern Wohnsiedlung einheitlichen Baustils. Unterhalb des Dorfes ist die Bebauung unregelmässig. An der zum Dorfkern führenden Hauptstrasse befindet sich ein neueres Holzhaus, ein weiteres, teilweise aus Holz erstelltes nördlich der erwähnten Wohnkolonie. Eine neuere Chaletbaute (Chalet F. Jaggi-Leuthold) hat das Bundesgericht auf Veranlassung des Beschwerdeführers am Osthang von Liestal besichtigt. In den bezüglichen, vom Regierungsrat eingereichten Bauakten heisst es, die Knaggen seien überall wegzulassen, um das Gebäude der heimatlichen Bauweise anzupassen.
E.- § 97 des EG ZGB ermächtigt den Landrat, Vorschriften aufzustellen über die Erhaltung von Altertümern, Kunstdenkmälern und seltenen Pflanzen sowie gegen Verunstaltung von Landschafts- und Ortschaftsbildern sowie Aussichtspunkten. Gestützt darauf hat der Landrat die Verordnung betreffend Natur-, Pflanzen- und Heimatschutz vom 29. Septemner 1924 erlassen, die in § 5 bestimmt:
Die Errichtung sowie die Erweiterung und Erhöhung bestehender Gebaude ist untersagt, sofern dadurch das Orts-, Strassen- und Landschaftsbild oder Aussichtspunkte verunstaltet werden...
Das kantonale Gesetz betreffend das Bauwesen vom 15. Mai 1941 bestimmt unter dem Titel: Hochbauvorschriften in § 22:
Im ganzen Kanton soll der bisherige Baucharakter moglichst gewahrt werden.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Der Entscheid des Regierungsrates stellt nach seinem Dispositiv einen Nichteintretensentscheid dar. Nach den darin angestellten Erwägungen wird aber damit ohne Zweifel auf die Beschwerde materiell eingetreten und in der Sache selbst entschieden. Auch der Regierungsrat stellt übrigens in der Vernehmlassung fest, dass er mit dem Entscheid das Baugesuch materiell behandelt und abgelehnt habe. Die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte durch Verweigerung einer Baubewilligung konnte deshalb an diesen Entscheid angeschlossen werden.
2. Die Eigentumsgarantie, über deren Verletzung der Beschwerdeführer sich beschwert, schützt das Eigentum nicht als unbeschränkte Herrschaft über die Sache, sondern nur mit demjenigen Inhalt, den das Vermögensrecht nach der jeweiligen Rechtsordnung hat. Sie schützt daher nur vor Beschränkungen ohne Grundlage im positiven (Gesetzes- oder Verordnungs-) Recht (BGE 60 I 271,BGE 69 I 241, Urteile vom 15. Juli 1937 i.S. Einwohnergemeinde Beinwil, 3. Juni 1946 i.S. Le Fort und vom 20. März 1947 i.S. Teilkirchgemeinde Möriken; Kirchhofer, Eigentumsgarantie, Eigentumsbeschränkung und Enteignung, ZSR n. F. 58, 140). Die gesetzliche Grundlage mangelt nicht bloss, wenn es an einer positiven Vorschrift überhaupt fehlt, welche die Beschränkung des Eigentums vorsehen oder rechtfertigen würde, sondern auch, wenn die kantonale Behörde auf eine Vorschrift abstellt, aus der sich die Zulässigkeit der Einschränkung schlechterdings nicht ergibt und nicht ohne sachlich nicht haltbare Auslegung oder Anwendung abgeleitet werden kann. Insoweit fällt die Rüge der Verletzung der Eigentumsgarantie mit derjenigen der Verletzung von Art. 4 BV, d.h. des Verbotes der Willkür und rechtsungleicher Behandlung, zusammen.
Hier ist streitig, ob § 97 EG ZGB nebst der darauf fussenden Verordnung über den Naturschutz, eventuell ob § 22 des kantonalen Baugesetzes für das Bauverbot eine gesetzliche Grundlage zu bilden vermögen.
3. Indem § 22 des Baugesetzes die kantonalen Baubehörden anweist, den bisherigen Baucharakter möglichst zu wahren, vermöchte er für das Verbot eines Hauses, das dem bisherigen Baucharakter nicht entspricht, eine hinreichende Grundlage abzugeben. Es kommt jedoch nicht allein auf den Wortlaut der Vorschrift an, sondern es darf auch nicht unbeachtet bleiben, wie die kantonalen Behörden in 15jähriger Praxis zum Baugesetz die Vorschrift ausgelegt und angewendet haben und wie sie sie in Zukunft zu handhaben gedenken. Sie im einen Falle so, im andern anders auszulegen, würde das Verbot rechtsungleicher Behandlung verletzen. Wie die Lokalbesichtigung gezeigt hat und sich aus der Vernehmlassung des Regierungsrates und den Äusserungen seiner Vertreter anlässlich des Augenscheins ergibt, sind in neuerer und neuester Zeit, also seit dem Inkrafttreten des geltenden Baugesetzes, im Kanton Bauten bewilligt worden, die vom bisherigen Baucharakter ganz wesentlich abweichen. Die Behörden haben Bauten nicht beanstandet, die den verschiedensten Baustilen angehören, vom einfachen Holzchalet bis zur Pultdach- und Flachdachkonstruktion und zum Schwedenhaus. In der Vernehmlassung wird dazu ausgeführt, man könne Häuser wie das letztere nicht einfach deshalb verbieten, weil sie modern seien. Denn sie müssten - im Gegensatz zum Chalet des Beschwerdeführers - als echte und zeitgemässe Erscheinungsformen der Baukunst gelten. Das wird zutreffen, ändert aber nichts daran, dass damit der bisherige Baucharakter nicht gewahrt worden ist, und es zeigt gleichzeitig, dass auch in Zukunft als zeitgemäss betrachtete Neukonstruktionen, selbst wenn sie bisher im Kanton nicht heimisch waren, und damit vom hochgiebligen Landschäftlerhaus wesentlich abweichende Bautypen, nicht beanstandet werden, sofern sie nur für das Landschafts- oder Strassenbild nicht im Sinne einer Verunstaltung wirken (dazu Vernehmlassung des Regierungsrates S. 12 und die bezüglichen Erklärungen seiner Vertreter bei der Lokalbesichtigung). Ob das angefochtene Verbot eine gesetzliche Grundlage habe, fällt bei diesem Vorbehalt mit der Antwort auf die andere Frage zusammen, ob das Bauverbot auf § 97 EG und die Naturschutzverordnung abgestellt werden könne. Trifft das nicht zu, so kann § 22 des Baugesetzes nicht als gesetzliche Grundlage angesprochen werden.
4. § 97 EG ZGB und die Naturschutzverordnung rechtfertigen das Bauverbot, wenn das Chalet das Strassen-, Orts- oder Landschaftsbild verunstalten würde. Im Begriff der Verunstaltung liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtes, dass es sich um eine erheblich ungünstige Wirkung auf das Landschaftsbild handeln müsste, also um mehr als ein blosses "nicht verschönern" oder "leicht beeinträchtigen". Es muss ein Gegensatz zu Bestehendem vorhanden sein, der erheblich stört. Der Massstab muss dabei in Anschauungen von einer gewissen Verbreitung und Allgemeingültigkeit gefunden werden, nicht im Denken und Fühlen bloss einzelner Personen von besonderer aesthetischer Empfindlichkeit und spezieller Geschmacksrichtung. Bei Auslegung des Begriffs darf sich die zuständige Behörde nicht auf ihr subjektives Empfinden verlassen, sondern muss in der Lage sein, sich auf objektive und grundsätzliche Kriterien zu stützen und darzutun, dass deren Anwendung auf einen bestimmten Sachverhalt zur Geltendmachung des verordnungsmässigen Bauverbotes führen muss (Urteile vom 11. Juli 1935 i.S. Fankhauser, Erw. 3, 15. Juli 1937 i.S. Einwohnergemeinde Beinwil S. 23, 22. März 1950 i.S. Leu, Erw. 3 und vom 22. Oktober 1954 i.S. Bader, S. 13). Das bisherige Orts- und Landschaftsbild spielt dabei naturgemäss eine wesentliche Rolle. Ein besonders schönes Bild kann unter Umständen durch bauliche Vorkehren beeinträchtigt werden, wo sonst eine Verunstaltung nicht notwendigerweise eintreten würde. Dass das ursprüngliche Bild bereits in bloss untergeordneter Weise eine gewisse Störung erfahren hat, schliesst die Schutzwürdigkeit nicht aus, wenn die Behörde willens ist, die Schutzwürdigkeit im übrigen zu erhalten (das erwähnte Urteil i.S. Leu und die dortigen Zitate). Ob im Einzelfall eine Verunstaltung angenommen werden dürfe, lässt als Tatfrage dem Ermessen der kantonalen Behörde einen erheblichen Spielraum. Das Bundesgericht kann nur einschreiten, wenn die kantonalen Behörden dieses Ermessen augenscheinlich überschritten haben (BGE 60 I 273, Urteil vom 20. März 1947 i.S. Teilkirchgemeinde Möriken Erw. 4).
5. Eine derartige Verunstaltung kann zum vorneherein nicht deshalb angenommen werden, weil das projektierte Chalet keine "echte und ehrliche Erscheinungsform" des Bauens darstelle, d.h. weil es nach aussen etwas sein wolle, dem das Innere nicht entspreche (Keller mit Betonmauern, geplättelte Badezimmer, moderner Komfort usw.). Denn das Strassen- und Ortschaftsbild könnte nur durch etwas aussen Sichtbares, nicht durch die innere Ausstattung des Hauses beeinträchtigt werden. Dagegen hätte eine Verunstaltung ohne Ermessensüberschreitung dann angenommen werden können, wenn der Beschwerdeführer beabsichtigt hätte, das Chalet in den Dorfkern von Füllinsdorf zu stellen, wo der bisherige Baucharakter im allgemeinen noch ordentlich gut gewahrt ist. Denn hier würde es, neben die vorhandenen Landschäftlerhäuser gestellt, störend wirken. Das Chalet soll jedoch nicht hieher, sondern an den Rand des Dorfes gestellt werden, auf einen von der Strasse abliegenden und ausserdem etwas tiefer gelegenen Bauplatz, mit Hauptfassade vom Dorfe weg. Es würde von der Strasse und vom Dorfe her nur von der hintern und obern Seite wahrnehmbar sein. Davon, dass diese Ansicht hässlich wäre oder einen erhaltungswürdigen Blick gegen Westen beeinträchtigen würde, kann nicht gesprochen werden. Wenn bei dem von der Dorfstrasse bis zur Ergolz zum Teil ziemlich steil abfallenden und zudem durch ein Tälchen eingeschnittenen Gebiet von einem einheitlichen Quartier gesprochen werden könnte, was als fraglich erscheint, so könnte doch jedenfalls zur Zeit nicht von einem einheitlichen oder gar ansprechenden Quartier die Rede sein. In der erwähnten Talmulde liegt der offene Kehrichtablagerungsplatz der Gemeinde. Ferner sind hier eine unsymetrische Lukarnenausbaute, eine turmähnliche Transformatorenstation, ein Pultdach und eine Wellblechgarage ersichtlich, neben denen das Chalet des Beschwerdeführers sicherlich nicht hässlich wirken könnte.
Der Regierungsrat scheint übrigens eine Verunstaltung weniger deshalb anzunehmen, weil das Strassen- oder Quartierbild von der Ortschaft aus betrachtet beeinträchtigt würde, als deshalb, weil die Neubaute von der Kantonsstrasse Liestal-Basel aus störend wirke. Dass ein Ortsbild beim Anblick von einem bestimmten Punkt ausserhalb des Dorfes beeinträchtigt werden kann, ist natürlich durchaus möglich. Doch darf auch dabei nicht ausser Betracht bleiben, welches Bild sich dem Beschauer schon bisher bot. In dieser Hinsicht wären gewisse Zweifel angebracht angesichts der obigen Feststellungen über das Bild, das die Gegend zwischen Strasse und Ergolz zur Zeit bietet. Es ist aber anzuerkennen, dass Einzelheiten nicht deutlich in die Augen springen. Aus dem gleichen Grunde könnte jedoch eine Verunstaltung durch das Chalet selbst dann nicht angenommen werden, wenn es im Ortsbild als störend empfunden werden könnte. Denn die Strasse befindet sich vom Dorfkern etwa 700 m entfernt. Auf diese Entfernung sind wohl die breite Form der Hauptfassade, der etwas flachere Dachwinkel und das weiter ausladende Dach erkennbar, und es wäre auch ersichtlich, dass sich das Haus in Material und Farbe von den oberhalb stehenden Steinhäusern unterscheiden würde. Das letztere wirkt aber für das Dorfbild keineswegs im Sinne einer Verunstaltung. In den Häusergruppen finden sich bereits Bauten im Chaletstil, ohne dass das Dorfbild aus diesem Grunde unschön oder hässlich wirken würde. Die entscheidende Abweichung in der Dachgestaltung aber hebt sich auf die festgestellte Entfernung nicht besonders ab und lässt sich schlechterdings nicht als verunstaltend bewerten. Von der Stelle des Beschauers präsentiert sich dem Blick nicht bloss der Dorfkern von Füllinsdorf, der oberhalb des Bauplatzes liegt, sondern das Dorf als Gesamtes, das nicht von besonderer Einheitlichkeit ist, und Bauelemente aus verschiedenen Zeitepochen nebeneinander aufweist. Das Chalet des Beschwerdeführers würde von der Strasse aus gesehen nicht anders wirken als andere Bauten, insbesondere die Chalets, von denen der Regierungsrat erklären liess, er würde sie wieder bewilligen.
Legt man also an den Begriff der Verunstaltung nicht einen allzu subjektiven Massstab an, und lässt man sich auch nicht durch Beanstandungen mitbestimmen, die für die Frage nach der Verunstaltung eines Ortsbildes überhaupt nicht in Betracht fallen können, so erweist sich die Anwendung des Begriffes der Verunstaltung auf das vom Beschwerdeführer projektierte Holzchalet als nicht haltbar. Damit entfällt aber die erforderliche gesetzliche Grundlage sowohl aus dem Gesichtspunkt von § 22 des Baugesetzes als aus demjenigen von § 97 EG ZGB und der Naturschutzverordnung.
Ob der Beschwerdeführer im Verhältnis zu den Eigentümern, denen die Erstellung von Chalets bewilligt wurde, rechtsungleich behandelt worden sei, kann dahingestellt bleiben.
6. Bei Verweigerung einer Polizeibewilligung durch eine kantonale Behörde kann das Bundesgericht diese anweisen, die verweigerte Baubewilligung zu erteilen. Das rechtfertigt sich auch hier. Vorbehalten bleibt das Recht des Regierungsrates, zu prüfen, ob die aufgehobene Weigerung nicht aus andern, von ihm nicht geltendgemachten Gründen wieder verfugt werden dürfe. Bisher sind derartige Gründe nicht angeführt worden.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird gutgeheissen, der Beschluss des Regierungsrates vom 22. Juli 1955 aufgehoben und der Regierungsrat angewiesen, dem Beschwerdeführer die verlangte Baubewilligung zu erteilen.
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Divieto di costruire; necessità di una base legale; importanza che riveste la precedente interpretazione della prescrizione legale. Nozione di deturpamento; presa in considerazione del paesaggio quale si presentava in precedenza; esclusione di fattori di valutazione inammissibili.
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constitutional law and administrative law and public international law
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https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F82-I-102%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document
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82 I 11
Sachverhalt ab Seite 11
A.- La fondation de famille F. (en abrégé: la Fondation) a été créée à Genève, le 2 mars 1950, conformément aux art. 80 ss. CC. Elle n'est ni soumise au contrôle de l'autorité de surveillance (art. 87 al. 1 CC), ni inscrite au registre du commerce (art. 52 al. 2 CC).
Considérant qu'il n'avait appris l'existence de cette personne morale qu'au mois de novembre 1955 et que le gérant ne pouvait avoir ignoré qu'elle était en principe assujettie à l'impôt pour la défense nationale, le fisc genevois ouvrit la procédure prévue en cas de soustraction d'impôt; il taxa la contribuable pour les 5e, 6e, 7e et 8e périodes et la condamna à une amende. La somme totale réclamée se montait à 18 107 fr. 10. La contribuable recourut contre cette décision devant la Commission genevoise de recours.
Le 28 février 1956 l'Administration genevoise de l'impôt pour la défense nationale a ordonné à la Fondation, en vertu des art. 118 et 119 AIN, de fournir des sûretés pour 17 748 fr. "en garantie de l'impôt pour la défense nationale dû ... pour les années fiscales 1950 à 1956".
B.- Le 29 février 1956, la Fondation recourut contre la demande de sûretés en alléguant qu'elle n'avait ni soustrait, ni voulu soustraire aucun impôt effectivement dû, que, du reste, au début de la 6e période de l'impôt pour la défense nationale, elle s'était mise en rapport avec le fisc en produisant l'acte de fondation et l'état des engagements; qu'on lui avait alors affirmé qu'elle n'était pas imposable. Avec son recours, elle produisit ses bilans et comptes de pertes et profits pour les années 1950 à 1955. Au passif figurent uniquement, outre le capital de 10 000 fr. et le solde du compte de pertes et profits, deux dettes, l'une en francs suisses, l'autre en dollars des Etats-Unis d'Amérique et qui ont passé de 488 154 fr. 90 en 1950 à 665 772 fr. 85 en 1955. La recourante allègue que le titulaire de ces créances serait un étranger domicilié à l'étranger; elle ne le nomme pas mais offre de produire, pour prouver sa véracité sur ce point, un certificat émanant d'une société fiduciaire. L'actif est constitué essentiellement par des titres, des comptes en banque et un dépôt d'or peu important.
C.- L'Administration genevoise de l'impôt pour la défense nationale estime que la décision entreprise est en tous points justifiée. Son argumentation se résume comme il suit:
La Fondation a été créée par des personnes de nationalité étrangère domiciliées à l'étranger et en leur faveur. Elle ne pouvait cependant ignorer ses obligations fiscales, étant domiciliée à la Société de banque suisse, à Genève, et gérée par un ancien directeur de cet établissement. Elle n'a jamais soumis la question au fisc genevois. Au cours de la procédure, elle n'a jamais fait mention d'un créancier étranger, ni d'intérêts payés; les bilans et comptes de pertes et profits n'ont pas été produits. En l'espèce, les droits du fisc sont menacés, au sens de l'art. 118 AIN, directement et indirectement. La recourante, tout d'abord, s'est soustraite à l'impôt. En outre, son inscription au registre du commerce n'étant pas nécessaire, elle peut disparaître immédiatement; une simple décision du conseil peut entraîner la disparition de tous les actifs. Or, précisément, son attitude semble insolite. Elle n'a jamais mentionné sa créance étrangère dans ses déclarations, ni dans les relevés bancaires qui lui ont été demandés sur le vu de ses déclarations. Elle n'a produit ses bilans et ses comptes de pertes et profits qu'à l'occasion du recours qu'elle a formé, devant la Commission genevoise, contre les taxations et amendes prononcées par l'administration.
L'Administration fédérale des contributions conclut au rejet du recours et argumente dans le même sens:
On peut admettre que ce sont des préoccupations d'ordre fiscal qui ont déterminé la forme juridique et le domicile, à première vue insolite, d'une institution qui ne semble pas avoir de liens particuliers avec la Suisse. Du fait que la Fondation peut disparaître sans éveiller l'attention du fisc, on se trouve pratiquement dans une situation identique à celle du contribuable qui n'a pas de domicile en Suisse. En outre, les agissements de la recourante paraissent menacer les droits du fisc, comme l'a montré l'administration cantonale: la Fondation a refusé d'indiquer le nom d'un créancier; elle ne peut y suppléer en produisant une attestation d'une société fiduciaire; en outre elle a négligé sciemment de déposer les déclarations, comme elle aurait dû le faire, et s'est rendue coupable de soustraction d'impôt.
D.- Dans sa réplique, la recourante persiste à conclure à l'admission du recours.
Erwägungen
Considérant en droit:
1. - Selon l'art. 118 AIN, l'administration cantonale de l'impôt pour la défense nationale peut exiger des sûretés en tout temps, même avant la fixation définitive du montant de l'impôt, si le contribuable n'a pas de domicile en Suisse ou si ses agissements paraissent menacer les droits du fisc.
Pour que des sûretés puissent être exigées, il faut tout d'abord que celui auquel on les réclame soit personnellement contribuable et que la dette fiscale alléguée par l'administration existe effectivement. Dans la présente espèce, les montants réclamés par le fisc ne sont pas encore fixés définitivement; la taxation a eu lieu, mais un recours est encore pendant. Toutefois, la loi permettant de réclamer les sûretés "même avant la fixation définitive du montant de l'impôt", le Tribunal doit examiner néanmoins si la dette fiscale existe, mais il ne peut le faire que préjudiciellement, c'est-à-dire sans préjuger la décision que l'autorité compétente prendra ultérieurement; son examen, en outre, ne sera que prima facie (RO 81 I 152, consid. 2).
La Fondation, tout d'abord, est assujettie à l'impôt en tant que personne morale (art. 51 al. 1 lit. a AIN). Mais elle conteste devoir un impôt, sa fortune propre, abstraction faite de ses dettes, et son revenu brut, après déduction des frais et des intérêts de ses dettes, n'atteignant pas les montants imposables. Dans la procédure de taxation, toutefois, elle a refusé d'indiquer le nom de son créancier, se contentant de dire qu'il s'agissait d'un étranger domicilié à l'étranger. Elle a sans doute proposé de produire, à titre de preuve sur ce point, un certificat d'une société fiduciaire, mais, comme l'objecte à bon droit l'Administration fédérale des contributions, un tel certificat n'a aucune valeur probante légale; de plus, le Tribunal fédéral a dit que le contribuable qui fait état de dettes et d'intérêts passifs dans sa déclaration doit fournir au fisc tous documents propres à en établir l'existence et en particulier indiquer le nom de ses créanciers (Archives de droit fiscal suisse, t. 23, p. 176). Dans la procédure devant le Tribunal fédéral, la recourante n'a pas non plus nommé les titulaires des créances inscrites au passif de son bilan. Il s'agit donc là de créances anonymes, dont le principal ne peut, à la vérité, être pris en considération dans le calcul du capital imposable, ni dans celui du taux de l'imposition (art. 57 AIN), mais dont les intérêts ne peuvent pas non plus être déduits dans le calcul du bénéfice imposable (v. l'arrêt précité). En conséquence l'autorité fiscale apparaît fondée, dans l'état actuel de la cause et sous réserve de la procédure pendante devant la Commission de recours, à reprendre les intérêts passifs des dettes de la recourante pour les ajouter au bénéfice. L'argumentation de la recourante n'est pas admissible et l'existence de la dette fiscale sur laquelle se fonde la demande de sûretés est établie avec une vraisemblance suffisante.
2. - Lorsque, comme en l'espèce, ce point est acquis, la loi autorise l'administration à requérir des sûretés tout d'abord dans le cas où le contribuable n'a point de domicile en Suisse.
La recourante a son siège à Genève, de sorte que cette condition n'est apparemment pas réalisée. Mais l'Administration fédérale des contributions objecte que le cas est néanmoins assimilable à celui où le contribuable n'a pas de domicile en Suisse, car, dit-elle, la Fondation a été créée par des étrangers et en faveur d'étrangers, tous domiciliés hors de Suisse; les fondateurs ont agi pour des motifs d'ordre fiscal et dans des conditions qui permettent de faire disparaître très rapidement la Fondation sans formalités et à l'insu du fisc.
Alors même que la forme juridique adoptée servirait, en l'espèce, à des fins économiques pour lesquelles elle n'a pas été créée, il n'en resterait pas moins que la recourante a son domicile en Suisse. On ne peut en même temps affirmer ce domicile pour créer l'assujettissement et le nier pour exiger des sûretés, ni même refuser d'en tenir compte par une fiction. Ce domicile, du reste, se traduit dans la réalité en ce sens que les biens de la recourante se trouvent à Genève. Peu importe, du point de vue du domicile, qu'ils puissent ou non être rapidement transférés à l'étranger.
3. - L'autre cas où la loi autorise la réquisition de sûretés est celui où les agissements du contribuable paraissent menacer les droits du fisc. Il faut donc, tout d'abord, pour que l'on se trouve dans ce cas, une menace sur les droits du fisc; il n'est pas nécessaire qu'ils soient d'ores et déjà compromis. Il suffit, du reste, que cette menace soit rendue vraisemblable. Mais il faut qu'elle soit une conséquence d'"agissements" de la part du contribuable, c'est-à-dire d'actes précis qui risquent de le soustraire luimême ou de soustraire ses biens à l'atteinte du fisc. Des sûretés ne sauraient lui être réclamées par exemple du simple fait de son impécuniosité. Peu importe, cependant, le mobile qui détermine le contribuable dans ses agissements. Même si le contribuable n'a pas eu l'intention de menacer les droits du fisc, dès lors que ses agissements paraissent avoir cet effet, des sûretés pourront être requises (RO 64 I 286).
L'administration voit des agissements qui paraissent menacer les droits du fisc dans le fait que la recourante n'a pas déposé de déclarations d'impôt (art. 82 AIN), et a entravé les enquêtes dans les procédures relatives à sa taxation et à la soustraction d'impôt en refusant de nommer son créancier et en ne produisant ni ses bilans ni ses comptes de pertes et profits (art. 89 AIN). C'est à tort. L'omission ou même le refus de déposer une déclaration et de fournir les renseignements requis complique la procédure de taxation, mais ne compromet pas, en général, les droits du fisc eux-mêmes. Aussi bien, le législateur a-t-il, dans ces cas, prévu la sanction de l'amende (arrêt Stauffer, du 20 décembre 1946, Rev. dr. adm. et fisc. 1947, p. 154 s.). Il arrivera sans doute que le contribuable qui cherche à entraver la taxation tentera en même temps et par avance d'éluder la perception de l'impôt. Les sûretés seront exigibles dans ce cas, mais uniquement en raison de la menace qui pèse sur le recouvrement de la créance. De ce qu'un contribuable cherche à entraver la taxation, on ne saurait déduire, à défaut d'autres indices, qu'il s'efforce ou s'efforcera, le cas échéant, de rendre la créance du fisc irrecouvrable.
L'administration allègue aussi comme menaçant les droits du fisc le fait que la Fondation pourrait disparaître immédiatement et sans formalités, à l'insu du fisc. S'agissant d'une fondation de famille qui est dispensée de l'inscription au registre du commerce (art. 52 al. 2 CC) et n'est soumise au contrôle d'aucune autorité de surveillance (art. 87 CC), il est clair que la personne et son patrimoine peuvent disparaître avec rapidité et sans que l'attention d'aucune autorité soit éveillée (EGGER, Comm. ad art. 88 et 89 CC, n. 2). Une telle opération serait d'autant plus praticable, dans la présente espèce, que l'actif se compose de créances bancaires, de titres et d'un dépôt d'or, tous biens rapidement réalisables. Mais il s'agit là de circonstances inhérentes à l'institution elle-même ou qui, du moins, sont communes à un grand nombre de fondations de famille. On ne saurait dire en particulier que la composition de l'actif soit le résultat d'agissements qui mettent en danger la créance du fisc. Le risque d'un transfert subit des biens à l'étranger existe dans tous les cas où un patrimoine est constitué de la même façon. Cela ne suffit pas à justifier une demande de sûretés selon l'art. 118 AIN.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral:
Admet le recours, annule la décision attaquée.
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Art. 118WStB.Voraussetzungen der Sicherstellung: - Bestand der Steuerschuld; Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts (Erw. 1).
- Mangel eines Wohnsitzes in der Schweiz? Fall der von einem Ausländer gegründeten Stiftung zugunsten von Ausländern, die alle ausser der Schweiz wohnen (Erw. 2).
- Verhalten des Steuerpflichtigen, durch das die Steuerschuld als gefährdet erscheint? (Erw. 3).
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constitutional law and administrative law and public international law
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https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F82-I-11%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document
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82 I 11
Sachverhalt ab Seite 11
A.- La fondation de famille F. (en abrégé: la Fondation) a été créée à Genève, le 2 mars 1950, conformément aux art. 80 ss. CC. Elle n'est ni soumise au contrôle de l'autorité de surveillance (art. 87 al. 1 CC), ni inscrite au registre du commerce (art. 52 al. 2 CC).
Considérant qu'il n'avait appris l'existence de cette personne morale qu'au mois de novembre 1955 et que le gérant ne pouvait avoir ignoré qu'elle était en principe assujettie à l'impôt pour la défense nationale, le fisc genevois ouvrit la procédure prévue en cas de soustraction d'impôt; il taxa la contribuable pour les 5e, 6e, 7e et 8e périodes et la condamna à une amende. La somme totale réclamée se montait à 18 107 fr. 10. La contribuable recourut contre cette décision devant la Commission genevoise de recours.
Le 28 février 1956 l'Administration genevoise de l'impôt pour la défense nationale a ordonné à la Fondation, en vertu des art. 118 et 119 AIN, de fournir des sûretés pour 17 748 fr. "en garantie de l'impôt pour la défense nationale dû ... pour les années fiscales 1950 à 1956".
B.- Le 29 février 1956, la Fondation recourut contre la demande de sûretés en alléguant qu'elle n'avait ni soustrait, ni voulu soustraire aucun impôt effectivement dû, que, du reste, au début de la 6e période de l'impôt pour la défense nationale, elle s'était mise en rapport avec le fisc en produisant l'acte de fondation et l'état des engagements; qu'on lui avait alors affirmé qu'elle n'était pas imposable. Avec son recours, elle produisit ses bilans et comptes de pertes et profits pour les années 1950 à 1955. Au passif figurent uniquement, outre le capital de 10 000 fr. et le solde du compte de pertes et profits, deux dettes, l'une en francs suisses, l'autre en dollars des Etats-Unis d'Amérique et qui ont passé de 488 154 fr. 90 en 1950 à 665 772 fr. 85 en 1955. La recourante allègue que le titulaire de ces créances serait un étranger domicilié à l'étranger; elle ne le nomme pas mais offre de produire, pour prouver sa véracité sur ce point, un certificat émanant d'une société fiduciaire. L'actif est constitué essentiellement par des titres, des comptes en banque et un dépôt d'or peu important.
C.- L'Administration genevoise de l'impôt pour la défense nationale estime que la décision entreprise est en tous points justifiée. Son argumentation se résume comme il suit:
La Fondation a été créée par des personnes de nationalité étrangère domiciliées à l'étranger et en leur faveur. Elle ne pouvait cependant ignorer ses obligations fiscales, étant domiciliée à la Société de banque suisse, à Genève, et gérée par un ancien directeur de cet établissement. Elle n'a jamais soumis la question au fisc genevois. Au cours de la procédure, elle n'a jamais fait mention d'un créancier étranger, ni d'intérêts payés; les bilans et comptes de pertes et profits n'ont pas été produits. En l'espèce, les droits du fisc sont menacés, au sens de l'art. 118 AIN, directement et indirectement. La recourante, tout d'abord, s'est soustraite à l'impôt. En outre, son inscription au registre du commerce n'étant pas nécessaire, elle peut disparaître immédiatement; une simple décision du conseil peut entraîner la disparition de tous les actifs. Or, précisément, son attitude semble insolite. Elle n'a jamais mentionné sa créance étrangère dans ses déclarations, ni dans les relevés bancaires qui lui ont été demandés sur le vu de ses déclarations. Elle n'a produit ses bilans et ses comptes de pertes et profits qu'à l'occasion du recours qu'elle a formé, devant la Commission genevoise, contre les taxations et amendes prononcées par l'administration.
L'Administration fédérale des contributions conclut au rejet du recours et argumente dans le même sens:
On peut admettre que ce sont des préoccupations d'ordre fiscal qui ont déterminé la forme juridique et le domicile, à première vue insolite, d'une institution qui ne semble pas avoir de liens particuliers avec la Suisse. Du fait que la Fondation peut disparaître sans éveiller l'attention du fisc, on se trouve pratiquement dans une situation identique à celle du contribuable qui n'a pas de domicile en Suisse. En outre, les agissements de la recourante paraissent menacer les droits du fisc, comme l'a montré l'administration cantonale: la Fondation a refusé d'indiquer le nom d'un créancier; elle ne peut y suppléer en produisant une attestation d'une société fiduciaire; en outre elle a négligé sciemment de déposer les déclarations, comme elle aurait dû le faire, et s'est rendue coupable de soustraction d'impôt.
D.- Dans sa réplique, la recourante persiste à conclure à l'admission du recours.
Erwägungen
Considérant en droit:
1. - Selon l'art. 118 AIN, l'administration cantonale de l'impôt pour la défense nationale peut exiger des sûretés en tout temps, même avant la fixation définitive du montant de l'impôt, si le contribuable n'a pas de domicile en Suisse ou si ses agissements paraissent menacer les droits du fisc.
Pour que des sûretés puissent être exigées, il faut tout d'abord que celui auquel on les réclame soit personnellement contribuable et que la dette fiscale alléguée par l'administration existe effectivement. Dans la présente espèce, les montants réclamés par le fisc ne sont pas encore fixés définitivement; la taxation a eu lieu, mais un recours est encore pendant. Toutefois, la loi permettant de réclamer les sûretés "même avant la fixation définitive du montant de l'impôt", le Tribunal doit examiner néanmoins si la dette fiscale existe, mais il ne peut le faire que préjudiciellement, c'est-à-dire sans préjuger la décision que l'autorité compétente prendra ultérieurement; son examen, en outre, ne sera que prima facie (RO 81 I 152, consid. 2).
La Fondation, tout d'abord, est assujettie à l'impôt en tant que personne morale (art. 51 al. 1 lit. a AIN). Mais elle conteste devoir un impôt, sa fortune propre, abstraction faite de ses dettes, et son revenu brut, après déduction des frais et des intérêts de ses dettes, n'atteignant pas les montants imposables. Dans la procédure de taxation, toutefois, elle a refusé d'indiquer le nom de son créancier, se contentant de dire qu'il s'agissait d'un étranger domicilié à l'étranger. Elle a sans doute proposé de produire, à titre de preuve sur ce point, un certificat d'une société fiduciaire, mais, comme l'objecte à bon droit l'Administration fédérale des contributions, un tel certificat n'a aucune valeur probante légale; de plus, le Tribunal fédéral a dit que le contribuable qui fait état de dettes et d'intérêts passifs dans sa déclaration doit fournir au fisc tous documents propres à en établir l'existence et en particulier indiquer le nom de ses créanciers (Archives de droit fiscal suisse, t. 23, p. 176). Dans la procédure devant le Tribunal fédéral, la recourante n'a pas non plus nommé les titulaires des créances inscrites au passif de son bilan. Il s'agit donc là de créances anonymes, dont le principal ne peut, à la vérité, être pris en considération dans le calcul du capital imposable, ni dans celui du taux de l'imposition (art. 57 AIN), mais dont les intérêts ne peuvent pas non plus être déduits dans le calcul du bénéfice imposable (v. l'arrêt précité). En conséquence l'autorité fiscale apparaît fondée, dans l'état actuel de la cause et sous réserve de la procédure pendante devant la Commission de recours, à reprendre les intérêts passifs des dettes de la recourante pour les ajouter au bénéfice. L'argumentation de la recourante n'est pas admissible et l'existence de la dette fiscale sur laquelle se fonde la demande de sûretés est établie avec une vraisemblance suffisante.
2. - Lorsque, comme en l'espèce, ce point est acquis, la loi autorise l'administration à requérir des sûretés tout d'abord dans le cas où le contribuable n'a point de domicile en Suisse.
La recourante a son siège à Genève, de sorte que cette condition n'est apparemment pas réalisée. Mais l'Administration fédérale des contributions objecte que le cas est néanmoins assimilable à celui où le contribuable n'a pas de domicile en Suisse, car, dit-elle, la Fondation a été créée par des étrangers et en faveur d'étrangers, tous domiciliés hors de Suisse; les fondateurs ont agi pour des motifs d'ordre fiscal et dans des conditions qui permettent de faire disparaître très rapidement la Fondation sans formalités et à l'insu du fisc.
Alors même que la forme juridique adoptée servirait, en l'espèce, à des fins économiques pour lesquelles elle n'a pas été créée, il n'en resterait pas moins que la recourante a son domicile en Suisse. On ne peut en même temps affirmer ce domicile pour créer l'assujettissement et le nier pour exiger des sûretés, ni même refuser d'en tenir compte par une fiction. Ce domicile, du reste, se traduit dans la réalité en ce sens que les biens de la recourante se trouvent à Genève. Peu importe, du point de vue du domicile, qu'ils puissent ou non être rapidement transférés à l'étranger.
3. - L'autre cas où la loi autorise la réquisition de sûretés est celui où les agissements du contribuable paraissent menacer les droits du fisc. Il faut donc, tout d'abord, pour que l'on se trouve dans ce cas, une menace sur les droits du fisc; il n'est pas nécessaire qu'ils soient d'ores et déjà compromis. Il suffit, du reste, que cette menace soit rendue vraisemblable. Mais il faut qu'elle soit une conséquence d'"agissements" de la part du contribuable, c'est-à-dire d'actes précis qui risquent de le soustraire luimême ou de soustraire ses biens à l'atteinte du fisc. Des sûretés ne sauraient lui être réclamées par exemple du simple fait de son impécuniosité. Peu importe, cependant, le mobile qui détermine le contribuable dans ses agissements. Même si le contribuable n'a pas eu l'intention de menacer les droits du fisc, dès lors que ses agissements paraissent avoir cet effet, des sûretés pourront être requises (RO 64 I 286).
L'administration voit des agissements qui paraissent menacer les droits du fisc dans le fait que la recourante n'a pas déposé de déclarations d'impôt (art. 82 AIN), et a entravé les enquêtes dans les procédures relatives à sa taxation et à la soustraction d'impôt en refusant de nommer son créancier et en ne produisant ni ses bilans ni ses comptes de pertes et profits (art. 89 AIN). C'est à tort. L'omission ou même le refus de déposer une déclaration et de fournir les renseignements requis complique la procédure de taxation, mais ne compromet pas, en général, les droits du fisc eux-mêmes. Aussi bien, le législateur a-t-il, dans ces cas, prévu la sanction de l'amende (arrêt Stauffer, du 20 décembre 1946, Rev. dr. adm. et fisc. 1947, p. 154 s.). Il arrivera sans doute que le contribuable qui cherche à entraver la taxation tentera en même temps et par avance d'éluder la perception de l'impôt. Les sûretés seront exigibles dans ce cas, mais uniquement en raison de la menace qui pèse sur le recouvrement de la créance. De ce qu'un contribuable cherche à entraver la taxation, on ne saurait déduire, à défaut d'autres indices, qu'il s'efforce ou s'efforcera, le cas échéant, de rendre la créance du fisc irrecouvrable.
L'administration allègue aussi comme menaçant les droits du fisc le fait que la Fondation pourrait disparaître immédiatement et sans formalités, à l'insu du fisc. S'agissant d'une fondation de famille qui est dispensée de l'inscription au registre du commerce (art. 52 al. 2 CC) et n'est soumise au contrôle d'aucune autorité de surveillance (art. 87 CC), il est clair que la personne et son patrimoine peuvent disparaître avec rapidité et sans que l'attention d'aucune autorité soit éveillée (EGGER, Comm. ad art. 88 et 89 CC, n. 2). Une telle opération serait d'autant plus praticable, dans la présente espèce, que l'actif se compose de créances bancaires, de titres et d'un dépôt d'or, tous biens rapidement réalisables. Mais il s'agit là de circonstances inhérentes à l'institution elle-même ou qui, du moins, sont communes à un grand nombre de fondations de famille. On ne saurait dire en particulier que la composition de l'actif soit le résultat d'agissements qui mettent en danger la créance du fisc. Le risque d'un transfert subit des biens à l'étranger existe dans tous les cas où un patrimoine est constitué de la même façon. Cela ne suffit pas à justifier une demande de sûretés selon l'art. 118 AIN.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral:
Admet le recours, annule la décision attaquée.
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Art. 118 AIN; conditions qui justifient une demande de sûretés: - Existence de la dette fiscale; pouvoir d'examen du Tribunal fédéral (consid. 1).
- Défaut d'un domicile en Suisse? Cas de la fondation créée par un étranger et en faveur d'étrangers, tous domiciliés hors de Suisse (consid. 2).
- Agissements du contribuable paraissant menacer les droits de flsc? (consid. 3).
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https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F82-I-11%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document
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Sachverhalt ab Seite 11
A.- La fondation de famille F. (en abrégé: la Fondation) a été créée à Genève, le 2 mars 1950, conformément aux art. 80 ss. CC. Elle n'est ni soumise au contrôle de l'autorité de surveillance (art. 87 al. 1 CC), ni inscrite au registre du commerce (art. 52 al. 2 CC).
Considérant qu'il n'avait appris l'existence de cette personne morale qu'au mois de novembre 1955 et que le gérant ne pouvait avoir ignoré qu'elle était en principe assujettie à l'impôt pour la défense nationale, le fisc genevois ouvrit la procédure prévue en cas de soustraction d'impôt; il taxa la contribuable pour les 5e, 6e, 7e et 8e périodes et la condamna à une amende. La somme totale réclamée se montait à 18 107 fr. 10. La contribuable recourut contre cette décision devant la Commission genevoise de recours.
Le 28 février 1956 l'Administration genevoise de l'impôt pour la défense nationale a ordonné à la Fondation, en vertu des art. 118 et 119 AIN, de fournir des sûretés pour 17 748 fr. "en garantie de l'impôt pour la défense nationale dû ... pour les années fiscales 1950 à 1956".
B.- Le 29 février 1956, la Fondation recourut contre la demande de sûretés en alléguant qu'elle n'avait ni soustrait, ni voulu soustraire aucun impôt effectivement dû, que, du reste, au début de la 6e période de l'impôt pour la défense nationale, elle s'était mise en rapport avec le fisc en produisant l'acte de fondation et l'état des engagements; qu'on lui avait alors affirmé qu'elle n'était pas imposable. Avec son recours, elle produisit ses bilans et comptes de pertes et profits pour les années 1950 à 1955. Au passif figurent uniquement, outre le capital de 10 000 fr. et le solde du compte de pertes et profits, deux dettes, l'une en francs suisses, l'autre en dollars des Etats-Unis d'Amérique et qui ont passé de 488 154 fr. 90 en 1950 à 665 772 fr. 85 en 1955. La recourante allègue que le titulaire de ces créances serait un étranger domicilié à l'étranger; elle ne le nomme pas mais offre de produire, pour prouver sa véracité sur ce point, un certificat émanant d'une société fiduciaire. L'actif est constitué essentiellement par des titres, des comptes en banque et un dépôt d'or peu important.
C.- L'Administration genevoise de l'impôt pour la défense nationale estime que la décision entreprise est en tous points justifiée. Son argumentation se résume comme il suit:
La Fondation a été créée par des personnes de nationalité étrangère domiciliées à l'étranger et en leur faveur. Elle ne pouvait cependant ignorer ses obligations fiscales, étant domiciliée à la Société de banque suisse, à Genève, et gérée par un ancien directeur de cet établissement. Elle n'a jamais soumis la question au fisc genevois. Au cours de la procédure, elle n'a jamais fait mention d'un créancier étranger, ni d'intérêts payés; les bilans et comptes de pertes et profits n'ont pas été produits. En l'espèce, les droits du fisc sont menacés, au sens de l'art. 118 AIN, directement et indirectement. La recourante, tout d'abord, s'est soustraite à l'impôt. En outre, son inscription au registre du commerce n'étant pas nécessaire, elle peut disparaître immédiatement; une simple décision du conseil peut entraîner la disparition de tous les actifs. Or, précisément, son attitude semble insolite. Elle n'a jamais mentionné sa créance étrangère dans ses déclarations, ni dans les relevés bancaires qui lui ont été demandés sur le vu de ses déclarations. Elle n'a produit ses bilans et ses comptes de pertes et profits qu'à l'occasion du recours qu'elle a formé, devant la Commission genevoise, contre les taxations et amendes prononcées par l'administration.
L'Administration fédérale des contributions conclut au rejet du recours et argumente dans le même sens:
On peut admettre que ce sont des préoccupations d'ordre fiscal qui ont déterminé la forme juridique et le domicile, à première vue insolite, d'une institution qui ne semble pas avoir de liens particuliers avec la Suisse. Du fait que la Fondation peut disparaître sans éveiller l'attention du fisc, on se trouve pratiquement dans une situation identique à celle du contribuable qui n'a pas de domicile en Suisse. En outre, les agissements de la recourante paraissent menacer les droits du fisc, comme l'a montré l'administration cantonale: la Fondation a refusé d'indiquer le nom d'un créancier; elle ne peut y suppléer en produisant une attestation d'une société fiduciaire; en outre elle a négligé sciemment de déposer les déclarations, comme elle aurait dû le faire, et s'est rendue coupable de soustraction d'impôt.
D.- Dans sa réplique, la recourante persiste à conclure à l'admission du recours.
Erwägungen
Considérant en droit:
1. - Selon l'art. 118 AIN, l'administration cantonale de l'impôt pour la défense nationale peut exiger des sûretés en tout temps, même avant la fixation définitive du montant de l'impôt, si le contribuable n'a pas de domicile en Suisse ou si ses agissements paraissent menacer les droits du fisc.
Pour que des sûretés puissent être exigées, il faut tout d'abord que celui auquel on les réclame soit personnellement contribuable et que la dette fiscale alléguée par l'administration existe effectivement. Dans la présente espèce, les montants réclamés par le fisc ne sont pas encore fixés définitivement; la taxation a eu lieu, mais un recours est encore pendant. Toutefois, la loi permettant de réclamer les sûretés "même avant la fixation définitive du montant de l'impôt", le Tribunal doit examiner néanmoins si la dette fiscale existe, mais il ne peut le faire que préjudiciellement, c'est-à-dire sans préjuger la décision que l'autorité compétente prendra ultérieurement; son examen, en outre, ne sera que prima facie (RO 81 I 152, consid. 2).
La Fondation, tout d'abord, est assujettie à l'impôt en tant que personne morale (art. 51 al. 1 lit. a AIN). Mais elle conteste devoir un impôt, sa fortune propre, abstraction faite de ses dettes, et son revenu brut, après déduction des frais et des intérêts de ses dettes, n'atteignant pas les montants imposables. Dans la procédure de taxation, toutefois, elle a refusé d'indiquer le nom de son créancier, se contentant de dire qu'il s'agissait d'un étranger domicilié à l'étranger. Elle a sans doute proposé de produire, à titre de preuve sur ce point, un certificat d'une société fiduciaire, mais, comme l'objecte à bon droit l'Administration fédérale des contributions, un tel certificat n'a aucune valeur probante légale; de plus, le Tribunal fédéral a dit que le contribuable qui fait état de dettes et d'intérêts passifs dans sa déclaration doit fournir au fisc tous documents propres à en établir l'existence et en particulier indiquer le nom de ses créanciers (Archives de droit fiscal suisse, t. 23, p. 176). Dans la procédure devant le Tribunal fédéral, la recourante n'a pas non plus nommé les titulaires des créances inscrites au passif de son bilan. Il s'agit donc là de créances anonymes, dont le principal ne peut, à la vérité, être pris en considération dans le calcul du capital imposable, ni dans celui du taux de l'imposition (art. 57 AIN), mais dont les intérêts ne peuvent pas non plus être déduits dans le calcul du bénéfice imposable (v. l'arrêt précité). En conséquence l'autorité fiscale apparaît fondée, dans l'état actuel de la cause et sous réserve de la procédure pendante devant la Commission de recours, à reprendre les intérêts passifs des dettes de la recourante pour les ajouter au bénéfice. L'argumentation de la recourante n'est pas admissible et l'existence de la dette fiscale sur laquelle se fonde la demande de sûretés est établie avec une vraisemblance suffisante.
2. - Lorsque, comme en l'espèce, ce point est acquis, la loi autorise l'administration à requérir des sûretés tout d'abord dans le cas où le contribuable n'a point de domicile en Suisse.
La recourante a son siège à Genève, de sorte que cette condition n'est apparemment pas réalisée. Mais l'Administration fédérale des contributions objecte que le cas est néanmoins assimilable à celui où le contribuable n'a pas de domicile en Suisse, car, dit-elle, la Fondation a été créée par des étrangers et en faveur d'étrangers, tous domiciliés hors de Suisse; les fondateurs ont agi pour des motifs d'ordre fiscal et dans des conditions qui permettent de faire disparaître très rapidement la Fondation sans formalités et à l'insu du fisc.
Alors même que la forme juridique adoptée servirait, en l'espèce, à des fins économiques pour lesquelles elle n'a pas été créée, il n'en resterait pas moins que la recourante a son domicile en Suisse. On ne peut en même temps affirmer ce domicile pour créer l'assujettissement et le nier pour exiger des sûretés, ni même refuser d'en tenir compte par une fiction. Ce domicile, du reste, se traduit dans la réalité en ce sens que les biens de la recourante se trouvent à Genève. Peu importe, du point de vue du domicile, qu'ils puissent ou non être rapidement transférés à l'étranger.
3. - L'autre cas où la loi autorise la réquisition de sûretés est celui où les agissements du contribuable paraissent menacer les droits du fisc. Il faut donc, tout d'abord, pour que l'on se trouve dans ce cas, une menace sur les droits du fisc; il n'est pas nécessaire qu'ils soient d'ores et déjà compromis. Il suffit, du reste, que cette menace soit rendue vraisemblable. Mais il faut qu'elle soit une conséquence d'"agissements" de la part du contribuable, c'est-à-dire d'actes précis qui risquent de le soustraire luimême ou de soustraire ses biens à l'atteinte du fisc. Des sûretés ne sauraient lui être réclamées par exemple du simple fait de son impécuniosité. Peu importe, cependant, le mobile qui détermine le contribuable dans ses agissements. Même si le contribuable n'a pas eu l'intention de menacer les droits du fisc, dès lors que ses agissements paraissent avoir cet effet, des sûretés pourront être requises (RO 64 I 286).
L'administration voit des agissements qui paraissent menacer les droits du fisc dans le fait que la recourante n'a pas déposé de déclarations d'impôt (art. 82 AIN), et a entravé les enquêtes dans les procédures relatives à sa taxation et à la soustraction d'impôt en refusant de nommer son créancier et en ne produisant ni ses bilans ni ses comptes de pertes et profits (art. 89 AIN). C'est à tort. L'omission ou même le refus de déposer une déclaration et de fournir les renseignements requis complique la procédure de taxation, mais ne compromet pas, en général, les droits du fisc eux-mêmes. Aussi bien, le législateur a-t-il, dans ces cas, prévu la sanction de l'amende (arrêt Stauffer, du 20 décembre 1946, Rev. dr. adm. et fisc. 1947, p. 154 s.). Il arrivera sans doute que le contribuable qui cherche à entraver la taxation tentera en même temps et par avance d'éluder la perception de l'impôt. Les sûretés seront exigibles dans ce cas, mais uniquement en raison de la menace qui pèse sur le recouvrement de la créance. De ce qu'un contribuable cherche à entraver la taxation, on ne saurait déduire, à défaut d'autres indices, qu'il s'efforce ou s'efforcera, le cas échéant, de rendre la créance du fisc irrecouvrable.
L'administration allègue aussi comme menaçant les droits du fisc le fait que la Fondation pourrait disparaître immédiatement et sans formalités, à l'insu du fisc. S'agissant d'une fondation de famille qui est dispensée de l'inscription au registre du commerce (art. 52 al. 2 CC) et n'est soumise au contrôle d'aucune autorité de surveillance (art. 87 CC), il est clair que la personne et son patrimoine peuvent disparaître avec rapidité et sans que l'attention d'aucune autorité soit éveillée (EGGER, Comm. ad art. 88 et 89 CC, n. 2). Une telle opération serait d'autant plus praticable, dans la présente espèce, que l'actif se compose de créances bancaires, de titres et d'un dépôt d'or, tous biens rapidement réalisables. Mais il s'agit là de circonstances inhérentes à l'institution elle-même ou qui, du moins, sont communes à un grand nombre de fondations de famille. On ne saurait dire en particulier que la composition de l'actif soit le résultat d'agissements qui mettent en danger la créance du fisc. Le risque d'un transfert subit des biens à l'étranger existe dans tous les cas où un patrimoine est constitué de la même façon. Cela ne suffit pas à justifier une demande de sûretés selon l'art. 118 AIN.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral:
Admet le recours, annule la décision attaquée.
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Art. 118 DIN. Presupposti della garanzia: - Esistenza del debito fiscale; sindacato del Tribunale federale (consid. 1).
- Mancanza di un domicilio nella Svizzera? Caso della fondazione istituita da uno straniero e a favore di stranieri, tutti domiciliati fuori della Svizzera (consid. 2).
- Contegno del contribuente che sembra pregiudicare i diritti del fisco? (consid. 3).
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constitutional law and administrative law and public international law
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https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F82-I-11%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document
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82 I 112
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82 I 112
Sachverhalt ab Seite 112
A.- L. betrieb auf einer Liegenschaft, die er im Jahre 1927 für Fr. 130'000.-- erworben hatte, ein Restaurant.
Er war im Handelsregister eingetragen. Im Oktober 1953 starb er. Seine Erben sind die Ehefrau und zwei Töchter.
Das Ammannamt schätzte für das Nachlassinventar den Verkehrswert der Wirtschaftsliegenschaft auf Fr. 150'000.--, denjenigen der Warenvorräte und des Geschäftsmobiliars auf Fr. 12'866.90. Die Erben vereinbarten indessen im Inventars- und Teilungsakt, die Liegenschaft mit Fr. 185'000.-- zu bewerten. Auf dieser Grundlage ergab sich bei der Inventur ein Reinvermögen von Fr. 159'774.95. Der güterrechtliche Anspruch der überlebenden Ehefrau wurde mit Fr. 151'039.25 berechnet, wovon Fr. 12'000.-- auf das eingebrachte Gut, Fr. 138'699.25 auf den ihr durch Ehevertrag gestützt auf Art. 214 Abs. 2 ZGB zugewiesenen ganzen Vorschlag und der Rest auf Sondergut entfallen. Von dem nach Abzug der Beerdigungskosten bleibenden Nachlassvermögen von Fr. 7038.70 erbten die Witwe 1/4 und die Töchter je 3/8. Die Witwe übernahm auf Rechnung ihrer güter- und erbrechtlichen Ansprüche die gesamte im Inventar verzeichnete Habschaft zu Alleineigentum und verpflichtete sich anderseits, sämtliche Schulden zu bezahlen. Die Töchter behielten sich für ihre Erbansprüche obligatorische Forderungen gegenüber der Mutter vor und räumten dieser daran das lebenslängliche Nutzniessungsrecht ein. Als Teilungstag wurde im Inventar der Tag des Todes des Erblassers bestimmt.
Die Witwe führte den Wirtschaftsbetrieb zunächst weiter und wurde daher ebenfalls im Handelsregister eingetragen. In der Betriebsbuchhaltung übernahm sie die in der letzten Bilanz vor dem Tode des Ehemannes vorgenommenen Bewertungen, insbesondere den Buchwert der Liegenschaft mit Fr. 120'000.--. Am 2. April 1954 verkaufte sie die Wirtschaft.
B.- Die Veranlagungsbehörde schätzte Frau L. für einen bei dieser Veräusserung erzielten Liquidationsgewinn zu einer vollen Jahressteuer gemäss Art. 43 WStB ein, auf Grund folgender Berechnung:
Erlös: Fr. Fr.
Liegenschaft und Zugehör 200'000.--
Waren, Mobiliar und Debitoren 12'537.65 212'537.65
Abzüglich Buchwert gemäss Bilanz per
30. April 1954:
Liegenschaft 120'000.--
übrige Aktiven 13'293.65 133'293.65
Liquidationsgewinn 79'244.--
Abzug nach Art. 25 Abs. 1 lit. a WStB 2'000.--
Steuerbarer Liquidationsgewinn 77'244.--
Die Steuerpflichtige erhob Beschwerde bei der kantonalen Rekurskommission mit dem Begehren, die Taxation sei gänzlich aufzuheben, eventuell in der Weise herabzusetzen, dass der Einstandswert der Liegenschaft mit Fr. 185'000.-- in Rechnung gestellt werde. Die Rekursinstanz setzte den steuerbaren Gewinn auf Fr. 76, 188.-- herab, indem sie noch Gebühren und Kosten gemäss Nachlassinventar in Abzug brachte. Die weitergehenden Begehren der Pflichtigen wie sie ab (Entscheid vom 22. November 1955).
C.- Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt Frau L. zu erkennen, dass sie keinen Liquidationsgewinn zu versteuern habe. Sie macht geltend, das veräusserte Vermögen sei schon beim Tode des Ehemannes gleich viel wert gewesen wie bei dem nur einige Monate später vorgenommenen Verkauf, den sie von Anfang an beabsichtigt habe. Der ganze in Frage stehende Mehrwert sei bereits zu Lebzeiten des Ehemannes entstanden und der Beschwerdeführerin infolgedessen durch Erbgang zugefallen, weshalb er nach Art. 21 Abs. 3 WStB nicht zu ihrem steuerbaren Einkommen gerechnet werden dürfe. Die Rekurskommission berufe sich zu Unrecht auf Art. 21 Abs. 1 lit. d WStB und den Grundsatz der Bilanzkontinuität.
D.- Die Rekurskommission und die eidg. Steuerverwaltung schliessen auf Abweisung der Beschwerde.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Kapitalgewinne, die im Betriebe eines buchführungspflichtigen Unternehmens bei der Veräusserung oder Verwertung von Vermögenstücken erzielt werden, wie Liquidationsgewinne bei Aufgabe oder Veräusserung eines Unternehmens, sind nach Art. 21 Abs. 1 lit. d WStB als Einkommen zu versteuern. Sie werden entweder in die ordentliche Steuerberechnung (Art. 41 WStB) einbezogen oder, bei Aufhören der Steuerpflicht und bei Vornahme einer Zwischenveranlagung, durch Einschätzung zu einer besonderen Jahressteuer erfasst (Art. 43 WStB).
Ein Liquidationsgewinn ist erzielt, wenn der Reinerlös aus der Veräusserung des liquidierten Gegenstandes die Gestehungskosten übersteigt. Indessen ist dort, wo während des Betriebes zu Lasten des jeweiligen Reingewinns Abschreibungen oder Rückstellungen auf den Gestehungskosten beansprucht und bei der periodischen Einkommensbesteuerung zugelassen worden sind, bei der Berechnung des Liquidationsgewinns von dem um die anerkannten Abschreibungen oder Rückstellungen herabgesetzten Buchwerte auszugehen, der sich aus der letzten ordentlichen Bilanz ergibt (BGE 70 I 186Erw. 3,BGE 76 I 210Erw. 2,BGE 79 I 367). Das folgt aus dem System, nach welchem der Wehrsteuerbeschluss das Einkommen buchführungspflichtiger Unternehmungen erfasst. Der Liquidationsgewinn, der besteuert wird, beruht auf Wertvermehrungen, die vor der Liquidation entstanden sind, aber zunächst vielfach als mehr oder weniger unsicher erscheinen mochten. Das Gesetz unterwirft solche Mehrwerte erst dann der Einkommenssteuer, wenn sie durch Veräusserung oder Verwertung des Vermögensobjektes (Art. 21 Abs. 1 lit. d WStB) oder durch buchmässige Aufwertung (lit. f daselbst) realisiert werden und sich so als endgültig erworben erweisen. Es ist mit gerade die Funktion der Vorschrift über die Besteuerung des Liquidationsgewinns, Reserven, die nach und nach angesammelt worden sind, schliesslich als Einkommen zu erfassen. Die Besteuerung wird auf den Zeitpunkt der Realisierung verlegt, um zu vermeiden, dass der Unternehmer für Einkommen aus dem Geschäftsbetrieb belastet wird, das ihm unter Umständen noch nicht vollständig gesichert ist. Zudem wäre die Erfassung in einem früheren Zeitpunkte praktisch nicht leicht durchzuführen. Der Wehrsteuerbeschluss stellt mit der Ordnung, die er in Art. 21 Abs. 1 lit. d und f sowie Art. 22 Abs. 1 lit. b und c für die Besteuerung des Einkommens buchführungspflichtiger Unternehmungen vorsieht, weitgehend auf die Massnahmen ab, die der Unternehmer selbst im Rahmen seines geschäftlichen Ermessens trifft, Massnahmen, die in der Buchhaltung zum Ausdruck kommen. Anderseits wird diese Ordnung, die dem Steuerpflichtigen erhebliche Bewegungsfreiheit lässt, ergänzt durch die Besteuerung des Gewinns, der bei der tatsächlichen oder buchmässigen Realisierung eines bisher in Reserve gehaltenen Mehrwerts in Erscheinung tritt (BGE 76 I 64f.). Daher ist jedenfalls dann, wenn bei den früheren ordentlichen Veranlagungen das Geschäftseinkommen auf Grund der Buchhaltung (nicht etwa pauschal, nach Ermessen, vgl.BGE 70 I 187) berechnet worden ist, bei der Ermittlung des steuerbaren Liquidationsgewinns ebenfalls vom Buchwert auszugehen.
2. Die Ordnung der Wehrsteuer vom Einkommen buchführungspflichtiger Betriebe gilt auch für den Fall, wo der Betrieb sich vererbt. Die Steuer erfasst die im Zeitpunkt des Todes des bisherigen Inhabers vorhandenen Reserven, die ihr bislang nicht unterworfen waren, erst im Zeitpunkte der Realisierung. Eine solche wird indessen durch den Erbgang an sich noch nicht bewirkt. Er kann allerdings, muss aber nicht Anlass zu Massnahmen geben, die eine Realisierung darstellen. Das Geschäftsvermögen gelangt zunächst, kraft Gesetzes (Art. 560 ZGB), unverändert in die Erbschaft. Der Wehrsteuerbeschluss erlaubt nicht, den Erbgang einer Realisierung gleichzustellen mit der Folge, dass die bei der Inventur festgestellten Reserven dem letzten steuerbaren Einkommen des Erblassers als des "Veräusserers" zuzurechnen wären. Er enthält, im Unterschied etwa zum Basler Steuergesetz von 1949 (§ 41 Abs. 2), keine Grundlage zu einer derartigen Erfassung von Mehrwerten im Inventarfall. Dagegen sind die Mehrwerte als Einkommen des Erben zu besteuern, sobald er sie buchmässig oder durch Veräusserung oder Verwertung realisiert. Er und niemand anders erzielt solchenfalls einen Gewinn; es handelt sich um Einkommen, das auf eine Massnahme (Verbuchung bzw. Veräusserung oder Verwertung) des Erben zurückzuführen ist. Der Erbe übernimmt das Geschäftsvermögen, vom Standpunkt der Einkommenssteuer aus gesehen, im Zeitpunkt des Erbganges zum gleichen Wert, der beim Erblasser der Einkommensbesteuerung zuletzt zugrunde gelegt worden ist, d.h. in der Regel zum Buchwert. Der (höhere) Verkehrswert, der dem betreffenden Vermögensstück schon vor der Realisierung zugeschrieben wurde, ist nur für die Vermögenssteuer oder eine allfällige Erbschaftssteuer massgebend (BGE 76 I 62).
Dass Reserven, die zu Lebzeiten des Erblassers gebildet und zunächst nicht der Einkommenssteuer unterworfen worden sind, bei der Realisierung durch den Erben als dessen Einkommen erfasst werden, steht nicht im Widerspruch zu Art. 21 Abs. 3 WStB, wonach die Eingänge aus Erbschaft, Vermächtnis und Schenkung nicht als steuerbares Einkommen gelten. Der durch solche Reserven verkörperte Wertzuwachs wird, solange er nicht realisiert ist, unter dem Gesichtspunkte der Wehrsteuer auf dem Einkommen nicht als eingenommen, eingegangen betrachtet, sondern nur als eine nicht steuerbare Gewinnchance angesehen. "Eingang aus Erbschaft" im Sinne von Art. 21 Abs. 3 WStB ist in diesem Falle nur der Buchwert, zu dem der Erbe das Geschäft übernimmt. Dieser Wert darf daher weder anlässlich des Erbgangs noch bei einer späteren Realisierung des betreffenden Geschäftsvermögens durch den Erben als von diesem erzieltes Einkommen besteuert werden. Dagegen berührt Art. 21 Abs. 3 WStB die Besteuerung des Mehrwerts nicht. Ihn von der Einkommenssteuer auszunehmen, liefe dem System, nach dem das Gesetz buchführungspflichtige Unternehmungen dieser Steuer unterwirft, zuwider und wäre sachlich unbefriedigend. In der Tat wäre es mit dem Gebot der Rechtsgleichheit nicht vereinbar, wenn die Steuerpflicht davon abhängig wäre, ob der Mehrwert zu Lebzeiten des Erblassers oder erst nachher realisiert worden ist.
Entsprechend ist der Fall zu behandeln, wo der Geschäftsbetrieb infolge Todes des bisherigen Inhabers kraft ehelichen Güterrechts auf den überlebenden Ehegatten übergeht. Auch dieser Anfall bewirkt an sich noch keine Realisierung; er kann aber zu einer solchen unter Umständen Anlass geben.
3. Der Betrieb des Restaurants L. war, was nicht bestritten ist, ein buchführungspflichtiges Unternehmen. Das Einkommen daraus ist, wie mangels entgegenstehender Anhaltspunkte anzunehmen ist, jeweils auf Grund der Buchhaltung zur Wehrsteuer eingeschätzt worden. Die Beschwerdeführerin hat das Geschäft infolge des Todes ihres Ehemannes auf Rechnung ihrer güter- und erbrechtlichen Ansprüche übernommen, mit Wirkung vom Todestag an und zu den bisherigen Buchwerten. Dieser Übergang hat an sich keine Realisierung bedeutet und zunächst auch keine solche nach sich gezogen. Die Beschwerdeführerin hat keine buchmässige Aufwertung vorgenommen und vorerst auch keinerlei Geschäftsvermögen veräussert oder verwertet. Den Buchwert der Geschäftsliegenschaft hat sie mit Fr. 120'000.-- unverändert beibehalten. Die beim Tode des Ehemannes im Betriebsvermögen enthaltenen, bis dahin nicht als Einkommen versteuerten stillen Reserven sind durchweg erst durch den Verkauf vom 2. April 1954 realisiert worden. Sie waren daher in diesem Zeitpunkte als Einkommen des Verkäufers zu erfassen, indem dieser gemäss Art. 21 Abs. 1 lit. d WStB für einen Liquidationsgewinn zu besteuern war. Der Steuerberechnung wurden richtigerweise die vom Verkäufer in der letzten Bilanz ausgewiesenen Buchwerte zugrunde gelegt.
Es kann nicht etwa angenommen werden, infolge der im Nachlassinventar festgehaltenen Vereinbarung der Erben, die Liegenschaft zu Fr. 185'000.-- zu bewerten, sei bereits vor dem Verkauf vom 2. April 1954 eine teilweise Realisierung jener Reserven vorgenommen worden. Auf diese Vereinbarung kann nichts ankommen, zumal da die Beschwerdeführerin praktisch dann doch das ganze im Nachlassinventar aufgezeichnete Vermögen - mit Einschluss der Nutzniessung am verhältnismässig unbedeutenden Erbteil der Töchter - erhalten hat. Entscheidend ist, dass die Beschwerdeführerin, offenbar im Einverständnis mit den Töchtern, das Geschäft im bisherigen Umfang weitergeführt und dabei die Buchwerte, insbesondere auch den der Liegenschaft, übernommen hat. Ausschliesslich sie hat, als alleinige Übernehmerin, das Geschäft verkauft und damit jene Reserven realisiert. Sie war daher auch allein für den dabei erzielten Liquidationsgewinn zu besteuern.
Die Bemessung des steuerbaren Gewinns im angefochtenen Entscheid ist im einzelnen nicht angefochten; es besteht in der Tat kein Grund, sie zu beanstanden. Die Beschwerdeführerin wendet sich auch, mit Recht, nicht dagegen, dass der Gewinn der Sondersteuer gemäss Art. 43 WStB unterworfen wird.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen.
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Wehrsteuer: Bemessung des steuerbaren Liquidationsgewinns bei Veräusserung eines buchführungspflichtigen Unternehmens, das der Verkäufer infolge Todes des Ehegatten auf Rechnung der güter- und erbrechtlichen Ansprüche zum bisherigen Buchwert übernommen und weitergeführt hat.
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constitutional law and administrative law and public international law
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82 I 112
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82 I 112
Sachverhalt ab Seite 112
A.- L. betrieb auf einer Liegenschaft, die er im Jahre 1927 für Fr. 130'000.-- erworben hatte, ein Restaurant.
Er war im Handelsregister eingetragen. Im Oktober 1953 starb er. Seine Erben sind die Ehefrau und zwei Töchter.
Das Ammannamt schätzte für das Nachlassinventar den Verkehrswert der Wirtschaftsliegenschaft auf Fr. 150'000.--, denjenigen der Warenvorräte und des Geschäftsmobiliars auf Fr. 12'866.90. Die Erben vereinbarten indessen im Inventars- und Teilungsakt, die Liegenschaft mit Fr. 185'000.-- zu bewerten. Auf dieser Grundlage ergab sich bei der Inventur ein Reinvermögen von Fr. 159'774.95. Der güterrechtliche Anspruch der überlebenden Ehefrau wurde mit Fr. 151'039.25 berechnet, wovon Fr. 12'000.-- auf das eingebrachte Gut, Fr. 138'699.25 auf den ihr durch Ehevertrag gestützt auf Art. 214 Abs. 2 ZGB zugewiesenen ganzen Vorschlag und der Rest auf Sondergut entfallen. Von dem nach Abzug der Beerdigungskosten bleibenden Nachlassvermögen von Fr. 7038.70 erbten die Witwe 1/4 und die Töchter je 3/8. Die Witwe übernahm auf Rechnung ihrer güter- und erbrechtlichen Ansprüche die gesamte im Inventar verzeichnete Habschaft zu Alleineigentum und verpflichtete sich anderseits, sämtliche Schulden zu bezahlen. Die Töchter behielten sich für ihre Erbansprüche obligatorische Forderungen gegenüber der Mutter vor und räumten dieser daran das lebenslängliche Nutzniessungsrecht ein. Als Teilungstag wurde im Inventar der Tag des Todes des Erblassers bestimmt.
Die Witwe führte den Wirtschaftsbetrieb zunächst weiter und wurde daher ebenfalls im Handelsregister eingetragen. In der Betriebsbuchhaltung übernahm sie die in der letzten Bilanz vor dem Tode des Ehemannes vorgenommenen Bewertungen, insbesondere den Buchwert der Liegenschaft mit Fr. 120'000.--. Am 2. April 1954 verkaufte sie die Wirtschaft.
B.- Die Veranlagungsbehörde schätzte Frau L. für einen bei dieser Veräusserung erzielten Liquidationsgewinn zu einer vollen Jahressteuer gemäss Art. 43 WStB ein, auf Grund folgender Berechnung:
Erlös: Fr. Fr.
Liegenschaft und Zugehör 200'000.--
Waren, Mobiliar und Debitoren 12'537.65 212'537.65
Abzüglich Buchwert gemäss Bilanz per
30. April 1954:
Liegenschaft 120'000.--
übrige Aktiven 13'293.65 133'293.65
Liquidationsgewinn 79'244.--
Abzug nach Art. 25 Abs. 1 lit. a WStB 2'000.--
Steuerbarer Liquidationsgewinn 77'244.--
Die Steuerpflichtige erhob Beschwerde bei der kantonalen Rekurskommission mit dem Begehren, die Taxation sei gänzlich aufzuheben, eventuell in der Weise herabzusetzen, dass der Einstandswert der Liegenschaft mit Fr. 185'000.-- in Rechnung gestellt werde. Die Rekursinstanz setzte den steuerbaren Gewinn auf Fr. 76, 188.-- herab, indem sie noch Gebühren und Kosten gemäss Nachlassinventar in Abzug brachte. Die weitergehenden Begehren der Pflichtigen wie sie ab (Entscheid vom 22. November 1955).
C.- Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt Frau L. zu erkennen, dass sie keinen Liquidationsgewinn zu versteuern habe. Sie macht geltend, das veräusserte Vermögen sei schon beim Tode des Ehemannes gleich viel wert gewesen wie bei dem nur einige Monate später vorgenommenen Verkauf, den sie von Anfang an beabsichtigt habe. Der ganze in Frage stehende Mehrwert sei bereits zu Lebzeiten des Ehemannes entstanden und der Beschwerdeführerin infolgedessen durch Erbgang zugefallen, weshalb er nach Art. 21 Abs. 3 WStB nicht zu ihrem steuerbaren Einkommen gerechnet werden dürfe. Die Rekurskommission berufe sich zu Unrecht auf Art. 21 Abs. 1 lit. d WStB und den Grundsatz der Bilanzkontinuität.
D.- Die Rekurskommission und die eidg. Steuerverwaltung schliessen auf Abweisung der Beschwerde.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Kapitalgewinne, die im Betriebe eines buchführungspflichtigen Unternehmens bei der Veräusserung oder Verwertung von Vermögenstücken erzielt werden, wie Liquidationsgewinne bei Aufgabe oder Veräusserung eines Unternehmens, sind nach Art. 21 Abs. 1 lit. d WStB als Einkommen zu versteuern. Sie werden entweder in die ordentliche Steuerberechnung (Art. 41 WStB) einbezogen oder, bei Aufhören der Steuerpflicht und bei Vornahme einer Zwischenveranlagung, durch Einschätzung zu einer besonderen Jahressteuer erfasst (Art. 43 WStB).
Ein Liquidationsgewinn ist erzielt, wenn der Reinerlös aus der Veräusserung des liquidierten Gegenstandes die Gestehungskosten übersteigt. Indessen ist dort, wo während des Betriebes zu Lasten des jeweiligen Reingewinns Abschreibungen oder Rückstellungen auf den Gestehungskosten beansprucht und bei der periodischen Einkommensbesteuerung zugelassen worden sind, bei der Berechnung des Liquidationsgewinns von dem um die anerkannten Abschreibungen oder Rückstellungen herabgesetzten Buchwerte auszugehen, der sich aus der letzten ordentlichen Bilanz ergibt (BGE 70 I 186Erw. 3,BGE 76 I 210Erw. 2,BGE 79 I 367). Das folgt aus dem System, nach welchem der Wehrsteuerbeschluss das Einkommen buchführungspflichtiger Unternehmungen erfasst. Der Liquidationsgewinn, der besteuert wird, beruht auf Wertvermehrungen, die vor der Liquidation entstanden sind, aber zunächst vielfach als mehr oder weniger unsicher erscheinen mochten. Das Gesetz unterwirft solche Mehrwerte erst dann der Einkommenssteuer, wenn sie durch Veräusserung oder Verwertung des Vermögensobjektes (Art. 21 Abs. 1 lit. d WStB) oder durch buchmässige Aufwertung (lit. f daselbst) realisiert werden und sich so als endgültig erworben erweisen. Es ist mit gerade die Funktion der Vorschrift über die Besteuerung des Liquidationsgewinns, Reserven, die nach und nach angesammelt worden sind, schliesslich als Einkommen zu erfassen. Die Besteuerung wird auf den Zeitpunkt der Realisierung verlegt, um zu vermeiden, dass der Unternehmer für Einkommen aus dem Geschäftsbetrieb belastet wird, das ihm unter Umständen noch nicht vollständig gesichert ist. Zudem wäre die Erfassung in einem früheren Zeitpunkte praktisch nicht leicht durchzuführen. Der Wehrsteuerbeschluss stellt mit der Ordnung, die er in Art. 21 Abs. 1 lit. d und f sowie Art. 22 Abs. 1 lit. b und c für die Besteuerung des Einkommens buchführungspflichtiger Unternehmungen vorsieht, weitgehend auf die Massnahmen ab, die der Unternehmer selbst im Rahmen seines geschäftlichen Ermessens trifft, Massnahmen, die in der Buchhaltung zum Ausdruck kommen. Anderseits wird diese Ordnung, die dem Steuerpflichtigen erhebliche Bewegungsfreiheit lässt, ergänzt durch die Besteuerung des Gewinns, der bei der tatsächlichen oder buchmässigen Realisierung eines bisher in Reserve gehaltenen Mehrwerts in Erscheinung tritt (BGE 76 I 64f.). Daher ist jedenfalls dann, wenn bei den früheren ordentlichen Veranlagungen das Geschäftseinkommen auf Grund der Buchhaltung (nicht etwa pauschal, nach Ermessen, vgl.BGE 70 I 187) berechnet worden ist, bei der Ermittlung des steuerbaren Liquidationsgewinns ebenfalls vom Buchwert auszugehen.
2. Die Ordnung der Wehrsteuer vom Einkommen buchführungspflichtiger Betriebe gilt auch für den Fall, wo der Betrieb sich vererbt. Die Steuer erfasst die im Zeitpunkt des Todes des bisherigen Inhabers vorhandenen Reserven, die ihr bislang nicht unterworfen waren, erst im Zeitpunkte der Realisierung. Eine solche wird indessen durch den Erbgang an sich noch nicht bewirkt. Er kann allerdings, muss aber nicht Anlass zu Massnahmen geben, die eine Realisierung darstellen. Das Geschäftsvermögen gelangt zunächst, kraft Gesetzes (Art. 560 ZGB), unverändert in die Erbschaft. Der Wehrsteuerbeschluss erlaubt nicht, den Erbgang einer Realisierung gleichzustellen mit der Folge, dass die bei der Inventur festgestellten Reserven dem letzten steuerbaren Einkommen des Erblassers als des "Veräusserers" zuzurechnen wären. Er enthält, im Unterschied etwa zum Basler Steuergesetz von 1949 (§ 41 Abs. 2), keine Grundlage zu einer derartigen Erfassung von Mehrwerten im Inventarfall. Dagegen sind die Mehrwerte als Einkommen des Erben zu besteuern, sobald er sie buchmässig oder durch Veräusserung oder Verwertung realisiert. Er und niemand anders erzielt solchenfalls einen Gewinn; es handelt sich um Einkommen, das auf eine Massnahme (Verbuchung bzw. Veräusserung oder Verwertung) des Erben zurückzuführen ist. Der Erbe übernimmt das Geschäftsvermögen, vom Standpunkt der Einkommenssteuer aus gesehen, im Zeitpunkt des Erbganges zum gleichen Wert, der beim Erblasser der Einkommensbesteuerung zuletzt zugrunde gelegt worden ist, d.h. in der Regel zum Buchwert. Der (höhere) Verkehrswert, der dem betreffenden Vermögensstück schon vor der Realisierung zugeschrieben wurde, ist nur für die Vermögenssteuer oder eine allfällige Erbschaftssteuer massgebend (BGE 76 I 62).
Dass Reserven, die zu Lebzeiten des Erblassers gebildet und zunächst nicht der Einkommenssteuer unterworfen worden sind, bei der Realisierung durch den Erben als dessen Einkommen erfasst werden, steht nicht im Widerspruch zu Art. 21 Abs. 3 WStB, wonach die Eingänge aus Erbschaft, Vermächtnis und Schenkung nicht als steuerbares Einkommen gelten. Der durch solche Reserven verkörperte Wertzuwachs wird, solange er nicht realisiert ist, unter dem Gesichtspunkte der Wehrsteuer auf dem Einkommen nicht als eingenommen, eingegangen betrachtet, sondern nur als eine nicht steuerbare Gewinnchance angesehen. "Eingang aus Erbschaft" im Sinne von Art. 21 Abs. 3 WStB ist in diesem Falle nur der Buchwert, zu dem der Erbe das Geschäft übernimmt. Dieser Wert darf daher weder anlässlich des Erbgangs noch bei einer späteren Realisierung des betreffenden Geschäftsvermögens durch den Erben als von diesem erzieltes Einkommen besteuert werden. Dagegen berührt Art. 21 Abs. 3 WStB die Besteuerung des Mehrwerts nicht. Ihn von der Einkommenssteuer auszunehmen, liefe dem System, nach dem das Gesetz buchführungspflichtige Unternehmungen dieser Steuer unterwirft, zuwider und wäre sachlich unbefriedigend. In der Tat wäre es mit dem Gebot der Rechtsgleichheit nicht vereinbar, wenn die Steuerpflicht davon abhängig wäre, ob der Mehrwert zu Lebzeiten des Erblassers oder erst nachher realisiert worden ist.
Entsprechend ist der Fall zu behandeln, wo der Geschäftsbetrieb infolge Todes des bisherigen Inhabers kraft ehelichen Güterrechts auf den überlebenden Ehegatten übergeht. Auch dieser Anfall bewirkt an sich noch keine Realisierung; er kann aber zu einer solchen unter Umständen Anlass geben.
3. Der Betrieb des Restaurants L. war, was nicht bestritten ist, ein buchführungspflichtiges Unternehmen. Das Einkommen daraus ist, wie mangels entgegenstehender Anhaltspunkte anzunehmen ist, jeweils auf Grund der Buchhaltung zur Wehrsteuer eingeschätzt worden. Die Beschwerdeführerin hat das Geschäft infolge des Todes ihres Ehemannes auf Rechnung ihrer güter- und erbrechtlichen Ansprüche übernommen, mit Wirkung vom Todestag an und zu den bisherigen Buchwerten. Dieser Übergang hat an sich keine Realisierung bedeutet und zunächst auch keine solche nach sich gezogen. Die Beschwerdeführerin hat keine buchmässige Aufwertung vorgenommen und vorerst auch keinerlei Geschäftsvermögen veräussert oder verwertet. Den Buchwert der Geschäftsliegenschaft hat sie mit Fr. 120'000.-- unverändert beibehalten. Die beim Tode des Ehemannes im Betriebsvermögen enthaltenen, bis dahin nicht als Einkommen versteuerten stillen Reserven sind durchweg erst durch den Verkauf vom 2. April 1954 realisiert worden. Sie waren daher in diesem Zeitpunkte als Einkommen des Verkäufers zu erfassen, indem dieser gemäss Art. 21 Abs. 1 lit. d WStB für einen Liquidationsgewinn zu besteuern war. Der Steuerberechnung wurden richtigerweise die vom Verkäufer in der letzten Bilanz ausgewiesenen Buchwerte zugrunde gelegt.
Es kann nicht etwa angenommen werden, infolge der im Nachlassinventar festgehaltenen Vereinbarung der Erben, die Liegenschaft zu Fr. 185'000.-- zu bewerten, sei bereits vor dem Verkauf vom 2. April 1954 eine teilweise Realisierung jener Reserven vorgenommen worden. Auf diese Vereinbarung kann nichts ankommen, zumal da die Beschwerdeführerin praktisch dann doch das ganze im Nachlassinventar aufgezeichnete Vermögen - mit Einschluss der Nutzniessung am verhältnismässig unbedeutenden Erbteil der Töchter - erhalten hat. Entscheidend ist, dass die Beschwerdeführerin, offenbar im Einverständnis mit den Töchtern, das Geschäft im bisherigen Umfang weitergeführt und dabei die Buchwerte, insbesondere auch den der Liegenschaft, übernommen hat. Ausschliesslich sie hat, als alleinige Übernehmerin, das Geschäft verkauft und damit jene Reserven realisiert. Sie war daher auch allein für den dabei erzielten Liquidationsgewinn zu besteuern.
Die Bemessung des steuerbaren Gewinns im angefochtenen Entscheid ist im einzelnen nicht angefochten; es besteht in der Tat kein Grund, sie zu beanstanden. Die Beschwerdeführerin wendet sich auch, mit Recht, nicht dagegen, dass der Gewinn der Sondersteuer gemäss Art. 43 WStB unterworfen wird.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen.
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Impôt pour la défense nationale: Fixation du bénéfice de liquidation en cas de remise d'une exploitation astreinte à tenir des livres et que le vendeur avait lui-même acquise de la succession de son époux pour la valeur comptable précédemment admise et à valoir sur ses droits dans la liquidation du régime matrimonial et dans la succession.
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constitutional law and administrative law and public international law
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https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F82-I-112%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document
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82 I 112
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82 I 112
Sachverhalt ab Seite 112
A.- L. betrieb auf einer Liegenschaft, die er im Jahre 1927 für Fr. 130'000.-- erworben hatte, ein Restaurant.
Er war im Handelsregister eingetragen. Im Oktober 1953 starb er. Seine Erben sind die Ehefrau und zwei Töchter.
Das Ammannamt schätzte für das Nachlassinventar den Verkehrswert der Wirtschaftsliegenschaft auf Fr. 150'000.--, denjenigen der Warenvorräte und des Geschäftsmobiliars auf Fr. 12'866.90. Die Erben vereinbarten indessen im Inventars- und Teilungsakt, die Liegenschaft mit Fr. 185'000.-- zu bewerten. Auf dieser Grundlage ergab sich bei der Inventur ein Reinvermögen von Fr. 159'774.95. Der güterrechtliche Anspruch der überlebenden Ehefrau wurde mit Fr. 151'039.25 berechnet, wovon Fr. 12'000.-- auf das eingebrachte Gut, Fr. 138'699.25 auf den ihr durch Ehevertrag gestützt auf Art. 214 Abs. 2 ZGB zugewiesenen ganzen Vorschlag und der Rest auf Sondergut entfallen. Von dem nach Abzug der Beerdigungskosten bleibenden Nachlassvermögen von Fr. 7038.70 erbten die Witwe 1/4 und die Töchter je 3/8. Die Witwe übernahm auf Rechnung ihrer güter- und erbrechtlichen Ansprüche die gesamte im Inventar verzeichnete Habschaft zu Alleineigentum und verpflichtete sich anderseits, sämtliche Schulden zu bezahlen. Die Töchter behielten sich für ihre Erbansprüche obligatorische Forderungen gegenüber der Mutter vor und räumten dieser daran das lebenslängliche Nutzniessungsrecht ein. Als Teilungstag wurde im Inventar der Tag des Todes des Erblassers bestimmt.
Die Witwe führte den Wirtschaftsbetrieb zunächst weiter und wurde daher ebenfalls im Handelsregister eingetragen. In der Betriebsbuchhaltung übernahm sie die in der letzten Bilanz vor dem Tode des Ehemannes vorgenommenen Bewertungen, insbesondere den Buchwert der Liegenschaft mit Fr. 120'000.--. Am 2. April 1954 verkaufte sie die Wirtschaft.
B.- Die Veranlagungsbehörde schätzte Frau L. für einen bei dieser Veräusserung erzielten Liquidationsgewinn zu einer vollen Jahressteuer gemäss Art. 43 WStB ein, auf Grund folgender Berechnung:
Erlös: Fr. Fr.
Liegenschaft und Zugehör 200'000.--
Waren, Mobiliar und Debitoren 12'537.65 212'537.65
Abzüglich Buchwert gemäss Bilanz per
30. April 1954:
Liegenschaft 120'000.--
übrige Aktiven 13'293.65 133'293.65
Liquidationsgewinn 79'244.--
Abzug nach Art. 25 Abs. 1 lit. a WStB 2'000.--
Steuerbarer Liquidationsgewinn 77'244.--
Die Steuerpflichtige erhob Beschwerde bei der kantonalen Rekurskommission mit dem Begehren, die Taxation sei gänzlich aufzuheben, eventuell in der Weise herabzusetzen, dass der Einstandswert der Liegenschaft mit Fr. 185'000.-- in Rechnung gestellt werde. Die Rekursinstanz setzte den steuerbaren Gewinn auf Fr. 76, 188.-- herab, indem sie noch Gebühren und Kosten gemäss Nachlassinventar in Abzug brachte. Die weitergehenden Begehren der Pflichtigen wie sie ab (Entscheid vom 22. November 1955).
C.- Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt Frau L. zu erkennen, dass sie keinen Liquidationsgewinn zu versteuern habe. Sie macht geltend, das veräusserte Vermögen sei schon beim Tode des Ehemannes gleich viel wert gewesen wie bei dem nur einige Monate später vorgenommenen Verkauf, den sie von Anfang an beabsichtigt habe. Der ganze in Frage stehende Mehrwert sei bereits zu Lebzeiten des Ehemannes entstanden und der Beschwerdeführerin infolgedessen durch Erbgang zugefallen, weshalb er nach Art. 21 Abs. 3 WStB nicht zu ihrem steuerbaren Einkommen gerechnet werden dürfe. Die Rekurskommission berufe sich zu Unrecht auf Art. 21 Abs. 1 lit. d WStB und den Grundsatz der Bilanzkontinuität.
D.- Die Rekurskommission und die eidg. Steuerverwaltung schliessen auf Abweisung der Beschwerde.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Kapitalgewinne, die im Betriebe eines buchführungspflichtigen Unternehmens bei der Veräusserung oder Verwertung von Vermögenstücken erzielt werden, wie Liquidationsgewinne bei Aufgabe oder Veräusserung eines Unternehmens, sind nach Art. 21 Abs. 1 lit. d WStB als Einkommen zu versteuern. Sie werden entweder in die ordentliche Steuerberechnung (Art. 41 WStB) einbezogen oder, bei Aufhören der Steuerpflicht und bei Vornahme einer Zwischenveranlagung, durch Einschätzung zu einer besonderen Jahressteuer erfasst (Art. 43 WStB).
Ein Liquidationsgewinn ist erzielt, wenn der Reinerlös aus der Veräusserung des liquidierten Gegenstandes die Gestehungskosten übersteigt. Indessen ist dort, wo während des Betriebes zu Lasten des jeweiligen Reingewinns Abschreibungen oder Rückstellungen auf den Gestehungskosten beansprucht und bei der periodischen Einkommensbesteuerung zugelassen worden sind, bei der Berechnung des Liquidationsgewinns von dem um die anerkannten Abschreibungen oder Rückstellungen herabgesetzten Buchwerte auszugehen, der sich aus der letzten ordentlichen Bilanz ergibt (BGE 70 I 186Erw. 3,BGE 76 I 210Erw. 2,BGE 79 I 367). Das folgt aus dem System, nach welchem der Wehrsteuerbeschluss das Einkommen buchführungspflichtiger Unternehmungen erfasst. Der Liquidationsgewinn, der besteuert wird, beruht auf Wertvermehrungen, die vor der Liquidation entstanden sind, aber zunächst vielfach als mehr oder weniger unsicher erscheinen mochten. Das Gesetz unterwirft solche Mehrwerte erst dann der Einkommenssteuer, wenn sie durch Veräusserung oder Verwertung des Vermögensobjektes (Art. 21 Abs. 1 lit. d WStB) oder durch buchmässige Aufwertung (lit. f daselbst) realisiert werden und sich so als endgültig erworben erweisen. Es ist mit gerade die Funktion der Vorschrift über die Besteuerung des Liquidationsgewinns, Reserven, die nach und nach angesammelt worden sind, schliesslich als Einkommen zu erfassen. Die Besteuerung wird auf den Zeitpunkt der Realisierung verlegt, um zu vermeiden, dass der Unternehmer für Einkommen aus dem Geschäftsbetrieb belastet wird, das ihm unter Umständen noch nicht vollständig gesichert ist. Zudem wäre die Erfassung in einem früheren Zeitpunkte praktisch nicht leicht durchzuführen. Der Wehrsteuerbeschluss stellt mit der Ordnung, die er in Art. 21 Abs. 1 lit. d und f sowie Art. 22 Abs. 1 lit. b und c für die Besteuerung des Einkommens buchführungspflichtiger Unternehmungen vorsieht, weitgehend auf die Massnahmen ab, die der Unternehmer selbst im Rahmen seines geschäftlichen Ermessens trifft, Massnahmen, die in der Buchhaltung zum Ausdruck kommen. Anderseits wird diese Ordnung, die dem Steuerpflichtigen erhebliche Bewegungsfreiheit lässt, ergänzt durch die Besteuerung des Gewinns, der bei der tatsächlichen oder buchmässigen Realisierung eines bisher in Reserve gehaltenen Mehrwerts in Erscheinung tritt (BGE 76 I 64f.). Daher ist jedenfalls dann, wenn bei den früheren ordentlichen Veranlagungen das Geschäftseinkommen auf Grund der Buchhaltung (nicht etwa pauschal, nach Ermessen, vgl.BGE 70 I 187) berechnet worden ist, bei der Ermittlung des steuerbaren Liquidationsgewinns ebenfalls vom Buchwert auszugehen.
2. Die Ordnung der Wehrsteuer vom Einkommen buchführungspflichtiger Betriebe gilt auch für den Fall, wo der Betrieb sich vererbt. Die Steuer erfasst die im Zeitpunkt des Todes des bisherigen Inhabers vorhandenen Reserven, die ihr bislang nicht unterworfen waren, erst im Zeitpunkte der Realisierung. Eine solche wird indessen durch den Erbgang an sich noch nicht bewirkt. Er kann allerdings, muss aber nicht Anlass zu Massnahmen geben, die eine Realisierung darstellen. Das Geschäftsvermögen gelangt zunächst, kraft Gesetzes (Art. 560 ZGB), unverändert in die Erbschaft. Der Wehrsteuerbeschluss erlaubt nicht, den Erbgang einer Realisierung gleichzustellen mit der Folge, dass die bei der Inventur festgestellten Reserven dem letzten steuerbaren Einkommen des Erblassers als des "Veräusserers" zuzurechnen wären. Er enthält, im Unterschied etwa zum Basler Steuergesetz von 1949 (§ 41 Abs. 2), keine Grundlage zu einer derartigen Erfassung von Mehrwerten im Inventarfall. Dagegen sind die Mehrwerte als Einkommen des Erben zu besteuern, sobald er sie buchmässig oder durch Veräusserung oder Verwertung realisiert. Er und niemand anders erzielt solchenfalls einen Gewinn; es handelt sich um Einkommen, das auf eine Massnahme (Verbuchung bzw. Veräusserung oder Verwertung) des Erben zurückzuführen ist. Der Erbe übernimmt das Geschäftsvermögen, vom Standpunkt der Einkommenssteuer aus gesehen, im Zeitpunkt des Erbganges zum gleichen Wert, der beim Erblasser der Einkommensbesteuerung zuletzt zugrunde gelegt worden ist, d.h. in der Regel zum Buchwert. Der (höhere) Verkehrswert, der dem betreffenden Vermögensstück schon vor der Realisierung zugeschrieben wurde, ist nur für die Vermögenssteuer oder eine allfällige Erbschaftssteuer massgebend (BGE 76 I 62).
Dass Reserven, die zu Lebzeiten des Erblassers gebildet und zunächst nicht der Einkommenssteuer unterworfen worden sind, bei der Realisierung durch den Erben als dessen Einkommen erfasst werden, steht nicht im Widerspruch zu Art. 21 Abs. 3 WStB, wonach die Eingänge aus Erbschaft, Vermächtnis und Schenkung nicht als steuerbares Einkommen gelten. Der durch solche Reserven verkörperte Wertzuwachs wird, solange er nicht realisiert ist, unter dem Gesichtspunkte der Wehrsteuer auf dem Einkommen nicht als eingenommen, eingegangen betrachtet, sondern nur als eine nicht steuerbare Gewinnchance angesehen. "Eingang aus Erbschaft" im Sinne von Art. 21 Abs. 3 WStB ist in diesem Falle nur der Buchwert, zu dem der Erbe das Geschäft übernimmt. Dieser Wert darf daher weder anlässlich des Erbgangs noch bei einer späteren Realisierung des betreffenden Geschäftsvermögens durch den Erben als von diesem erzieltes Einkommen besteuert werden. Dagegen berührt Art. 21 Abs. 3 WStB die Besteuerung des Mehrwerts nicht. Ihn von der Einkommenssteuer auszunehmen, liefe dem System, nach dem das Gesetz buchführungspflichtige Unternehmungen dieser Steuer unterwirft, zuwider und wäre sachlich unbefriedigend. In der Tat wäre es mit dem Gebot der Rechtsgleichheit nicht vereinbar, wenn die Steuerpflicht davon abhängig wäre, ob der Mehrwert zu Lebzeiten des Erblassers oder erst nachher realisiert worden ist.
Entsprechend ist der Fall zu behandeln, wo der Geschäftsbetrieb infolge Todes des bisherigen Inhabers kraft ehelichen Güterrechts auf den überlebenden Ehegatten übergeht. Auch dieser Anfall bewirkt an sich noch keine Realisierung; er kann aber zu einer solchen unter Umständen Anlass geben.
3. Der Betrieb des Restaurants L. war, was nicht bestritten ist, ein buchführungspflichtiges Unternehmen. Das Einkommen daraus ist, wie mangels entgegenstehender Anhaltspunkte anzunehmen ist, jeweils auf Grund der Buchhaltung zur Wehrsteuer eingeschätzt worden. Die Beschwerdeführerin hat das Geschäft infolge des Todes ihres Ehemannes auf Rechnung ihrer güter- und erbrechtlichen Ansprüche übernommen, mit Wirkung vom Todestag an und zu den bisherigen Buchwerten. Dieser Übergang hat an sich keine Realisierung bedeutet und zunächst auch keine solche nach sich gezogen. Die Beschwerdeführerin hat keine buchmässige Aufwertung vorgenommen und vorerst auch keinerlei Geschäftsvermögen veräussert oder verwertet. Den Buchwert der Geschäftsliegenschaft hat sie mit Fr. 120'000.-- unverändert beibehalten. Die beim Tode des Ehemannes im Betriebsvermögen enthaltenen, bis dahin nicht als Einkommen versteuerten stillen Reserven sind durchweg erst durch den Verkauf vom 2. April 1954 realisiert worden. Sie waren daher in diesem Zeitpunkte als Einkommen des Verkäufers zu erfassen, indem dieser gemäss Art. 21 Abs. 1 lit. d WStB für einen Liquidationsgewinn zu besteuern war. Der Steuerberechnung wurden richtigerweise die vom Verkäufer in der letzten Bilanz ausgewiesenen Buchwerte zugrunde gelegt.
Es kann nicht etwa angenommen werden, infolge der im Nachlassinventar festgehaltenen Vereinbarung der Erben, die Liegenschaft zu Fr. 185'000.-- zu bewerten, sei bereits vor dem Verkauf vom 2. April 1954 eine teilweise Realisierung jener Reserven vorgenommen worden. Auf diese Vereinbarung kann nichts ankommen, zumal da die Beschwerdeführerin praktisch dann doch das ganze im Nachlassinventar aufgezeichnete Vermögen - mit Einschluss der Nutzniessung am verhältnismässig unbedeutenden Erbteil der Töchter - erhalten hat. Entscheidend ist, dass die Beschwerdeführerin, offenbar im Einverständnis mit den Töchtern, das Geschäft im bisherigen Umfang weitergeführt und dabei die Buchwerte, insbesondere auch den der Liegenschaft, übernommen hat. Ausschliesslich sie hat, als alleinige Übernehmerin, das Geschäft verkauft und damit jene Reserven realisiert. Sie war daher auch allein für den dabei erzielten Liquidationsgewinn zu besteuern.
Die Bemessung des steuerbaren Gewinns im angefochtenen Entscheid ist im einzelnen nicht angefochten; es besteht in der Tat kein Grund, sie zu beanstanden. Die Beschwerdeführerin wendet sich auch, mit Recht, nicht dagegen, dass der Gewinn der Sondersteuer gemäss Art. 43 WStB unterworfen wird.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen.
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Imposta per la difesa nazionale: Determinazione dell'utile di liquidazione realizzato mediante l'alienazione d'un'azienda avente l'obbligo di tenere una contabilità, azienda che l'alienante aveva ripresa in seguito alla morte del coniuge al valore contabile precedentemente ammesso e a valere sui propri diritti nella liquidazione del regime matrimoniale e nella successione.
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constitutional law and administrative law and public international law
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https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F82-I-112%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document
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82 I 119
Sachverhalt ab Seite 120
A.- Die B. A.-G. schloss am 1. Oktober 1947 mit der Versicherungsgesellschaft PATRIA eine gemischte Lebensversicherung für Fr. 100'000.-- auf das Leben ihres Geschäftsleiters und Hauptaktionärs P. B. ab. Im Erlebensfalle sollte die Versicherungssumme an die A.-G. als Versicherungsnehmerin ausbezahlt werden; im Todesfalle waren Begünstigte die Ehefrau und bei deren Fehlen die gesetzlichen Erben des Versicherten. Durch einen Zusatz vom 22. November 1947 wurde vereinbart, dass die Versicherungssumme bei Tod innert der ersten fünf Jahre eine abgestufte Reduktion erfahren solle. Die A.-G. verbuchte die in den Jahren 1947-1950 geleisteten Prämien als Unkosten. Den nach Ablauf von drei Jahren entstandenen Rückkaufswert von Fr. 14'000.-- gab sie in der Steuererklärung für die Wehrsteuer der VI. Periode als im Jahre 1950 erzielten Reingewinn an. Im Jahre 1951 starb P. B. Die gemäss Zusatzvertrag reduzierte Versicherungssumme von Fr.66'667.-- wurde von der PATRIA an seine Witwe ausbezahlt.
Die Wehrsteuerverwaltung Basel-Stadt betrachtete die Differenz zwischen dieser Summe und dem als Ertrag versteuerten Rückkaufswert von Fr. 14'000.-- als verdeckte Gewinnausschüttung an eine einem Aktionär nahestehende Person und rechnete daher bei der Wehrsteuer VII den Betrag von Fr. 52'000.-- zum steuerbaren Reingewinn der B. A.-G. im Jahre 1951.
Eine Beschwerde der A.-G. gegen diese Aufrechnung wurde von der Kantonalen Rekurskommission Basel-Stadt (KRK) mit Entscheid vom 6. Dezember 1955 geschützt. Darin wurde ausgeführt, durch den Tod des Versicherten sei seiner Witwe als Begünstigter ohne Zutun der A.-G. ein eigenes Recht auf die Versicherungssumme erwachsen. Die A.-G. habe nie einen Anspruch hierauf, sondern nur auf den Rückkaufswert gehabt. Da sie den Rückkaufswert verloren habe und er in einen Teil der Versicherungssumme umgewandelt worden sei, könne allerdings angenommen werden, dass sie in diesem Umfange eine geldwerte Leistung an eine einem Aktionär nahestehende Person erbracht habe. Nachdem der Rückkaufswert aber bereits als Ertrag versteuert worden sei, komme eine nochmalige Besteuerung nicht in Frage. Auf den Mehrbetrag habe zu Lebzeiten des Versicherten nur eine Anwartschaft bestanden, die kein steuerlich erfassbarer Vermögenswert sei. Diese Differenz sei der A.-G. nie zugeflossen; ihre Besteuerung als Gewinn der A.-G. wäre nicht nur unbillig, sondern unrichtig.
B.- Gegen diesen Entscheid erhebt die eidg. Steuerverwaltung (EStV) Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, die Aufrechnung der Fr. 52'000.-- wiederherzustellen. Sie bringt vor, der Vertrag mit der PATRIA sei von der B. A.-G. als Versicherungsnehmerin geschlossen und der daraus fliessende Anspruch von ihr durch die Prämienzahlungen geschaffen worden; das Recht auf die Versicherungsleistung habe zunächst ihr allein zugestanden. Durch die Begünstigungsklausel habe sie sich dieses Rechtes für den Todesfall zugunsten der Witwe begeben. Die Entäusserung sei noch nicht endgültig gewesen wegen der Möglichkeit des Widerrufes der Begünstigung und derjenigen des Erlebensfalles, wo die Versicherungssumme der A.-G. zugekommen wäre. Erst durch den Tod von P. B. sei der Verlust eingetreten. Seine Ursache liege ausschliesslich in der Begünstigungserklärung. Diese sei nur deshalb abgegeben worden, weil der Versicherte Hauptaktionär gewesen sei; ein derartiger Verzicht auf den potentiellen Versicherungsgewinn zugunsten einer unbeteiligten Person wäre undenkbar. Die B. A.-G. habe zwar geltend gemacht, die Begünstigung habe bezweckt, im Falle vorzeitigen Todes von P. B. seinen Erben die Rückzahlung eines ihm von der A.-G. gewährten namhaften Darlehens zu erleichtern; allein auch dazu wäre einem unbeteiligten Schuldner ein solcher Vorteil nicht ohne Gegenleistung eingeräumt worden. Ohne die Begünstigungsklausel hätte die A.-G. beim Tode von P. B. die Versicherungssumme erhalten und damit einen Gewinn erzielt, der im Betrage der Differenz zwischen Versicherungssumme und Rückkaufswert der Wehrsteuer unterlegen hätte. Ihr Verzicht darauf zugunsten der Witwe des Hauptaktionärs sei eine "freiwillige Zuwendung an Dritte" die nach Art. 49 Abs. 1 lit. b WStB ihrem steuerbaren Reingewinn zuzurechnen sei.
C.- Die B. A.-G. beantragt Abweisung der Beschwerde. Sie macht geltend, durch die Begünstigungserklärung habe sie nicht auf ein Recht verzichtet, dessen Ausübung zur Erhöhung ihres Reingewinnes geführt hätte. Sie habe nie beabsichtigt, mit der Lebensversicherung ein Geschäft zu machen; sie habe damit lediglich im Falle des Todes des Versicherten seinen Erben die teilweise Rückzahlung ihres grossen Darlehens ermöglichen wollen. Die gleiche Lösung wäre auch zugunsten eines an der Gesellschaft nicht beteiligten Schuldners denkbar und zweckmässig. Die A.-G. habe seither analoge Versicherungen auch für ihre weiteren, am Aktienkapital nicht beteiligten Arbeitnehmer abgeschlossen, wobei die Versicherungssummen natürlich nach deren Stellung abgestuft seien. Von einer fehlenden Gegenleistung könnte höchstens gesprochen werden mit Bezug auf die Differenz zwischen aufgewendeten Prämien und Rückkaufswert, nicht aber für die Differenz zwischen jenen und der Versicherungssumme; die Gesellschaft könne doch nicht eine Gegenleistung verlangen für eine Leistung, die nicht sie, sondern ein Dritter ihrem Aktionär erbringen müsse. Es könne genau errechnet werden, um wieviel der Reingewinn der A.-G. durch die Prämienzahlung geschmälert und durch die Aktivierung des Rückkaufswertes verbessert worden sei. Der Betrag, den die Versicherung aus eigenen Mitteln aufgebracht habe, könne aber nicht dem Reingewinn der A.-G. zugerechnet werden, die mit der Versicherung ein vernünftiges Ziel verfolgt habe.
D.- Die KRK beantragt ebenfalls Abweisung der Beschwerde. Sie führt ergänzend aus, eine verdeckte Gewinnausschüttung setze einen Übergang aus dem Vermögen der A.-G. in dasjenige des Aktionärs oder der ihm nahestehenden Person voraus; daran fehle es beim Verzicht auf eine blosse Anwartschaft. Hätte die Gesellschaft einem Aktionär ein Lotterielos geschenkt, so bestände die verdeckte Gewinnausschüttung im Kaufpreis des Loses und nicht in dem darauf gefallenen Treffer; so kämen auch hier als Leistung nur die bezahlten Prämien in Betracht, nicht aber die schliesslich fällig gewordene Versicherungsleistung. Unrichtig sei auch, dass der Verzicht auf den potentiellen Versicherungsgewinn zugunsten einer unbeteiligten Person nicht denkbar sei; der KRK seien solche Fälle bekannt, z.B. der Abschluss einer Versicherung auf das Leben eines neu eingetretenen Direktors durch eine Gesellschaft, wobei der Anteil der Erben an der Versicherungssumme während zehn Jahren degressiv abgestuft worden sei.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut
Erwägungen
in Erwägung:
1. Die gemischte Lebensversicherung, welche die B. A.-G. auf das Leeben ihres Geschäftsleiters und Hauptaktionärs abgeschlossen hat, enthält zwei Elemente. Für den Erlebensfall, wo die Versicherungssumme an die A.-G. ausbezahlt werden soll, stellt sie eine Selbstversicherung oder eigentlich eine Kapitalanlage dar. Für den Todesfall, wo die Witwe bzw. die Erben der versicherten Person als Begünstigte bezeichnet sind, handelt es sich um eine Versicherung zugunsten Dritter (die allerdings jederzeit durch Widerruf der Begünstigung ebenfalls in eine Selbstversicherung umgewandelt werden kann). Wäre nur eines der beiden Elemente gewählt und konsequent durchgeführt worden, so wäre die Lage von Anfang an klar und die steuerliche Behandlung einfach gewesen. Eine reine Selbstversicherung wäre gegeben, wenn die Versicherungssumme auch im Todesfalle an die A.-G. auszuzahlen wäre; damit hätte sich diese für das Risiko versichert, das der Tod ihres Geschäftsleiters für sie bedeutet hätte. Dann wären die Prämien auch unter dem Gesichtspunkt der Besteuerung mit Recht als Unkosten verbucht worden; der dadurch geschaffene Rückkaufswert und bei Eintritt des versicherten Ereignisses (im Todes- wie im Erlebensfalle) der Mehrbetrag der Versicherungssumme über den Rückkaufswert wären von der A.-G. als Gewinn zu versteuern. Umgekehrt läge eine konsequente Versicherung zugunsten Dritter vor, wenn auch im Erlebensfalle die Versicherungssumme an die Begünstigten (dann wohl an die versicherte Person selber) fallen sollte und der Widerruf der Begünstigung in den Formen von Art. 77 Abs. 2 VVG ausgeschlossen worden wäre; dann hätte die A.-G. die Versicherung für ihren Hauptaktionär abgeschlossen, und nur dieser bzw. dessen Erben hätten Ansprüche daraus. Bei der Besteuerung wären dann die von der A.-G. bezahlten Prämien als freiwillige Zuwendungen an Dritte gemäss Art. 49 Abs. 1 lit. b WStB zum jeweiligen Jahresgewinn der A.-G. hinzuzurechnen; dagegen würde die an die Begünstigten ausbezahlte Versicherungssumme die A.-G. überhaupt nicht berühren.
Angesichts der komplexen Natur der tatsächlich abgeschlossenen Versicherung musste einstweilen eine der in Frage kommenden steuerlichen Behandlungen gewählt werden. Die B. A.-G. hat sich für diejenige entschieden, welche der für den Erlebensfall gegebenen Selbstversicherung entspricht, und die Steuerbehörden sind ihr gefolgt. Nun ist jedoch der Todesfall eingetreten und demgemäss die Versicherungssumme an die Witwe von P. B. ausbezahlt worden. Die Besteuerung dieser Summe ist Gegenstand des vorliegenden Streites.
2. Eine Versicherung zugunsten eines Dritten stellt eine Zuwendung des Versicherungsnehmers an den Begünstigten dar. Die von der B. A.-G. abgeschlossene Versicherung auf das Leben von P. B. enthielt also für den - nunmehr eingetretenen - Todesfall eine Zuwendung an seine Witwe. Das ist an sich nicht bestritten, ebenso dass der Zuwendung keine Gegenleistung entsprach. Insbesondere ist nie behauptet worden, dass die Versicherung etwa ein Entgelt für die Tätigkeit von P. B. als Geschäftsleiter der A.-G. gewesen sei; dafür wurde er in Salär und Spesenvergütung reichlich entschädigt. Ebensowenig handelt es sich um eine steuerfreie Aufwendung zu Personalwohlfahrtszwecken (Art. 49 Abs. 2 WStB); denn begünstigt wurde eine dem Hauptaktionär nahestehende Person, und Leistungen an solche werden unter jenem Titel nicht zugelassen. Es ist denn auch grundsätzlich unbestritten, dass eine nach Art. 49 Abs. 1 lit. b WStB steuerbare freiwillige Zuwendung an Dritte vorliegt. Der Streit geht lediglich darum, ob diese Zuwendung auf den Betrag des Rückkaufswertes der Versicherung bzw. der dafür bezahlten Prämien beschränkt ist oder ob sie sich auf die ganze von der PATRIA an die Witwe B. ausbezahlte Versicherungssumme erstreckt. Die zu entscheidende Frage ist, ob in der Versicherungssumme (genauer in deren Mehrbetrag über den Rückkaufswert) eine Leistung der B. A.-G. an die Begünstigte liegt, durch welche der Reingewinn der Gesellschaft geschmälert wurde.
Die EStV bejaht das mit der Begründung, der Anspruch auf die Versicherungsleistungen sei durch die Prämienzahlungen der B. A.-G. geschaffen worden, habe zunächst dieser zugestanden und sei von ihr durch die Begünstigungsklausel und den Verzicht auf deren Widerruf der Witwe B. zugewendet worden. Die KRK hält dem entgegen, die B. A.-G. habe nie Anspruch auf die Versicherungssumme gehabt; bis zum Tode von P. B. habe nur eine Anwartschaft bestanden, und dann sei gemäss Art. 78 VVG der Begünstigten ein eigenes Recht auf den Versicherungsanspruch erwachsen. Unbestreitbar und unbestritten ist, dass dieser Anspruch durch die Versicherungsnehmerin geschaffen wurde und der Witwe B. nur auf Grund der von jener verfügten Begünstigung zukam. Bestritten wird hingegen, dass die B. A.-G. damit eine Zuwendung aus ihrem Vermögen gemacht, ihren Reingewinn geschmälert habe. Richtig ist, dass bis zum Eintritt des versicherten Ereignisses nur eine Anwartschaft bestand, von der zudem ungewiss war, ob sie zu einem Anspruch des Versicherungsnehmers oder der Begünstigten führen werde, und dass die Begünstigung für den Begünstigten ein eigenes Recht auf den ihm zugewiesenen Versicherungsanspruch begründet. Art. 78 VVG knüpft dieses Recht aber ausdrücklich an den Vorbehalt von Verfügungen nach Art. 77 Abs. 1. Nach dieser Bestimmung kann der Versicherungsnehmer "auch dann, wenn ein Dritter als Begünstigter bezeichnet ist, über den Anspruch aus der Versicherung unter Lebenden und von Todes wegen frei verfügen"; in Abs. 2 wird das zutreffend als Recht, die Begünstigung zu widerrufen, bezeichnet. Der Widerruf kann nicht nur bis zum Eintritt des versicherten Ereignisses erklärt werden, sondern auch noch, wenn die Versicherungssumme bereits fällig, aber noch nicht an den Begünstigten ausbezahlt worden ist (ROELLI/JAEGER, Kommentar zum VVG, N. 11 zu Art. 77 und N. 6 zu Art. 78). AusBGE 41 II 454ergibt sich nichts anderes; dort ist nur von dem Fall die Rede, wo die Versicherung auf das Leben des Versicherungsnehmers selbst gestellt ist; mit dessen Tod erlischt das Recht zum Widerruf, weil es nicht vererblich ist. Das Recht zum Widerruf geht dem "eigenen Recht des Begünstigten auf den Versicherungsanspruch" vor; der Versicherungsnehmer kann nicht nur über eine Anwartschaft, sondern über "den Anspruch aus der Versicherung" frei verfügen - sofern er nicht in den Formen von Art. 77 Abs. 2 auf den Widerruf verzichtet hat. Da die B. A.-G. das nicht getan hatte, kann nicht gesagt werden, sie habe nie Anspruch auf die Versicherungssumme gehabt; auf alle Fälle konnte sie noch, nachdem der Anspruch bereits durch den Tod von P. B. entstanden war, frei darüber verfügen und die Begünstigung widerrufen mit der Wirkung, dass die Versicherungssumme an sie auszuzahlen war. In der Begünstigungsklausel lag noch keine endgültige Zuwendung - schon weil sie nur auf den Todesfall lautete und dessen Eintritt ungewiss war, aber auch weil auf den Widerruf nicht gemäss Art. 77 Abs. 2 verzichtet worden war. Indem aber die B. A.-G. vom Recht zum Widerruf keinen Gebrauch machte, hat sie die Versicherungssumme, die sie hätte für sich beanspruchen können, endgültig der Begünstigten überlassen. Darin liegt eine Zuwendung aus ihrem Vermögen und eine Schmälerung ihres Reingewinnes.
Die von der PATRIA an die Witwe B. ausbezahlte Versicherungssumme ist somit Gegenstand einer freiwilligen Zuwendung der B. A.-G. an einen Dritten und daher gemäss Art. 49 Abs. 1 lit. b WStB zum Reingewinn der A.-G. im Jahre 1951 hinzuzurechnen. Da die A.-G. den Rückkaufswert von Fr. 14'000.-- bereits als Reingewinn versteuert hatte, ist nur noch der Mehrbetrag von Fr. 52'000.-- zu besteuern.
3. Die in der Vernehmlassungen der B. A.-G. und der KRK vorgebrachten Argumente sind unbehelflich:
Der Einwand der B. A.-G., sie habe mit der Lebensversicherung kein Geschäft machen wollen, geht deshalb fehl, weil sie nicht für einen beabsichtigten oder erzielten Gewinn besteuert wird, sondern für eine freiwillige Zuwendung an einen Dritten, wodurch sie gerade auf die Realisierung eines ihr zustehenden Gewinnes verzichtet hat. Dass der Verzicht angeblich erfolgte, um den Erben von P. B. die Rückzahlung des diesem von der A.-G. gewährten Darlehens zu ermöglichen, vermag hieran nichts zu ändern; denn die A.-G. hätte sowohl die Versicherungssumme als auch die Rückzahlung des Darlehens beanspruchen können. Wurde die Versicherung mit der Begünstigung für den Todesfall deshalb abgeschlossen, weil den Erben sonst jene Rückzahlung nicht möglich gewesen wäre, so betraf sie im Grunde ein eigenes Risiko der A.-G.; bei einer Selbstversicherung hätte diese aber die erhaltene Versicherungssumme ebenfalls als Gewinn versteuern müssen.
Die Versicherungssumme wurde der Begünstigten freilich von der PATRIA bezahlt; sie hätte aber, wie oben unter Ziffer 2 dargetan, von der B. A.-G. beansprucht werden können. Deren Zuwendung an die Witwe B. bestand deshalb nicht nur in den Prämien, durch deren Bezahlung sie den Anspruch geschaffen hatte, sondern in der Versicherungssumme selbst. Dass der Zuwendung keine Gegenleistung gegenüberstand, ist an sich unbestritten.
Der von der KRK angestellte Vergleich mit einem geschenkten Lotterielos ist verfehlt, weil der Anspruch aus dem Lose dem Beschenkten und nicht mehr dem Schenker zusteht. Der Vergleich wäre haltbar, wenn die B. A.-G. die Versicherung zugunsten Dritter konsequent durchgeführt und auf den Widerruf in den Formen von Art. 77 Abs. 2 VVG verzichtet hätte.
Die Frage, ob der Verzicht auf den Versicherungsgewinn auch gegenüber einem an der A.-G. nicht beteiligten Dritten denkbar wäre, ist für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde unerheblich; denn die Steuerpflicht für freiwillige Zuwendungen an Dritte gemäss Art. 49 Abs. 1 lit. b WStB hängt nicht von einer gesellschaftlichen Beteiligung der Empfänger ab.
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Wehrsteuer: Behandlung der von einer Aktiengesellschaft auf das Leben eines Geschäftsleiters und Hauptaktionärs abgeschlossenen gemischten Lebensversicherung, mit Begünstigung der Familie des Versicherten im Todesfall. Erfassung der Versicherungssumme, die den Begünstigten ausbezahlt worden ist, bei der Veranlagung der Aktiengesellschaft zur Gewinnsteuer.
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constitutional law and administrative law and public international law
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https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F82-I-119%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document
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82 I 119
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82 I 119
Sachverhalt ab Seite 120
A.- Die B. A.-G. schloss am 1. Oktober 1947 mit der Versicherungsgesellschaft PATRIA eine gemischte Lebensversicherung für Fr. 100'000.-- auf das Leben ihres Geschäftsleiters und Hauptaktionärs P. B. ab. Im Erlebensfalle sollte die Versicherungssumme an die A.-G. als Versicherungsnehmerin ausbezahlt werden; im Todesfalle waren Begünstigte die Ehefrau und bei deren Fehlen die gesetzlichen Erben des Versicherten. Durch einen Zusatz vom 22. November 1947 wurde vereinbart, dass die Versicherungssumme bei Tod innert der ersten fünf Jahre eine abgestufte Reduktion erfahren solle. Die A.-G. verbuchte die in den Jahren 1947-1950 geleisteten Prämien als Unkosten. Den nach Ablauf von drei Jahren entstandenen Rückkaufswert von Fr. 14'000.-- gab sie in der Steuererklärung für die Wehrsteuer der VI. Periode als im Jahre 1950 erzielten Reingewinn an. Im Jahre 1951 starb P. B. Die gemäss Zusatzvertrag reduzierte Versicherungssumme von Fr.66'667.-- wurde von der PATRIA an seine Witwe ausbezahlt.
Die Wehrsteuerverwaltung Basel-Stadt betrachtete die Differenz zwischen dieser Summe und dem als Ertrag versteuerten Rückkaufswert von Fr. 14'000.-- als verdeckte Gewinnausschüttung an eine einem Aktionär nahestehende Person und rechnete daher bei der Wehrsteuer VII den Betrag von Fr. 52'000.-- zum steuerbaren Reingewinn der B. A.-G. im Jahre 1951.
Eine Beschwerde der A.-G. gegen diese Aufrechnung wurde von der Kantonalen Rekurskommission Basel-Stadt (KRK) mit Entscheid vom 6. Dezember 1955 geschützt. Darin wurde ausgeführt, durch den Tod des Versicherten sei seiner Witwe als Begünstigter ohne Zutun der A.-G. ein eigenes Recht auf die Versicherungssumme erwachsen. Die A.-G. habe nie einen Anspruch hierauf, sondern nur auf den Rückkaufswert gehabt. Da sie den Rückkaufswert verloren habe und er in einen Teil der Versicherungssumme umgewandelt worden sei, könne allerdings angenommen werden, dass sie in diesem Umfange eine geldwerte Leistung an eine einem Aktionär nahestehende Person erbracht habe. Nachdem der Rückkaufswert aber bereits als Ertrag versteuert worden sei, komme eine nochmalige Besteuerung nicht in Frage. Auf den Mehrbetrag habe zu Lebzeiten des Versicherten nur eine Anwartschaft bestanden, die kein steuerlich erfassbarer Vermögenswert sei. Diese Differenz sei der A.-G. nie zugeflossen; ihre Besteuerung als Gewinn der A.-G. wäre nicht nur unbillig, sondern unrichtig.
B.- Gegen diesen Entscheid erhebt die eidg. Steuerverwaltung (EStV) Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, die Aufrechnung der Fr. 52'000.-- wiederherzustellen. Sie bringt vor, der Vertrag mit der PATRIA sei von der B. A.-G. als Versicherungsnehmerin geschlossen und der daraus fliessende Anspruch von ihr durch die Prämienzahlungen geschaffen worden; das Recht auf die Versicherungsleistung habe zunächst ihr allein zugestanden. Durch die Begünstigungsklausel habe sie sich dieses Rechtes für den Todesfall zugunsten der Witwe begeben. Die Entäusserung sei noch nicht endgültig gewesen wegen der Möglichkeit des Widerrufes der Begünstigung und derjenigen des Erlebensfalles, wo die Versicherungssumme der A.-G. zugekommen wäre. Erst durch den Tod von P. B. sei der Verlust eingetreten. Seine Ursache liege ausschliesslich in der Begünstigungserklärung. Diese sei nur deshalb abgegeben worden, weil der Versicherte Hauptaktionär gewesen sei; ein derartiger Verzicht auf den potentiellen Versicherungsgewinn zugunsten einer unbeteiligten Person wäre undenkbar. Die B. A.-G. habe zwar geltend gemacht, die Begünstigung habe bezweckt, im Falle vorzeitigen Todes von P. B. seinen Erben die Rückzahlung eines ihm von der A.-G. gewährten namhaften Darlehens zu erleichtern; allein auch dazu wäre einem unbeteiligten Schuldner ein solcher Vorteil nicht ohne Gegenleistung eingeräumt worden. Ohne die Begünstigungsklausel hätte die A.-G. beim Tode von P. B. die Versicherungssumme erhalten und damit einen Gewinn erzielt, der im Betrage der Differenz zwischen Versicherungssumme und Rückkaufswert der Wehrsteuer unterlegen hätte. Ihr Verzicht darauf zugunsten der Witwe des Hauptaktionärs sei eine "freiwillige Zuwendung an Dritte" die nach Art. 49 Abs. 1 lit. b WStB ihrem steuerbaren Reingewinn zuzurechnen sei.
C.- Die B. A.-G. beantragt Abweisung der Beschwerde. Sie macht geltend, durch die Begünstigungserklärung habe sie nicht auf ein Recht verzichtet, dessen Ausübung zur Erhöhung ihres Reingewinnes geführt hätte. Sie habe nie beabsichtigt, mit der Lebensversicherung ein Geschäft zu machen; sie habe damit lediglich im Falle des Todes des Versicherten seinen Erben die teilweise Rückzahlung ihres grossen Darlehens ermöglichen wollen. Die gleiche Lösung wäre auch zugunsten eines an der Gesellschaft nicht beteiligten Schuldners denkbar und zweckmässig. Die A.-G. habe seither analoge Versicherungen auch für ihre weiteren, am Aktienkapital nicht beteiligten Arbeitnehmer abgeschlossen, wobei die Versicherungssummen natürlich nach deren Stellung abgestuft seien. Von einer fehlenden Gegenleistung könnte höchstens gesprochen werden mit Bezug auf die Differenz zwischen aufgewendeten Prämien und Rückkaufswert, nicht aber für die Differenz zwischen jenen und der Versicherungssumme; die Gesellschaft könne doch nicht eine Gegenleistung verlangen für eine Leistung, die nicht sie, sondern ein Dritter ihrem Aktionär erbringen müsse. Es könne genau errechnet werden, um wieviel der Reingewinn der A.-G. durch die Prämienzahlung geschmälert und durch die Aktivierung des Rückkaufswertes verbessert worden sei. Der Betrag, den die Versicherung aus eigenen Mitteln aufgebracht habe, könne aber nicht dem Reingewinn der A.-G. zugerechnet werden, die mit der Versicherung ein vernünftiges Ziel verfolgt habe.
D.- Die KRK beantragt ebenfalls Abweisung der Beschwerde. Sie führt ergänzend aus, eine verdeckte Gewinnausschüttung setze einen Übergang aus dem Vermögen der A.-G. in dasjenige des Aktionärs oder der ihm nahestehenden Person voraus; daran fehle es beim Verzicht auf eine blosse Anwartschaft. Hätte die Gesellschaft einem Aktionär ein Lotterielos geschenkt, so bestände die verdeckte Gewinnausschüttung im Kaufpreis des Loses und nicht in dem darauf gefallenen Treffer; so kämen auch hier als Leistung nur die bezahlten Prämien in Betracht, nicht aber die schliesslich fällig gewordene Versicherungsleistung. Unrichtig sei auch, dass der Verzicht auf den potentiellen Versicherungsgewinn zugunsten einer unbeteiligten Person nicht denkbar sei; der KRK seien solche Fälle bekannt, z.B. der Abschluss einer Versicherung auf das Leben eines neu eingetretenen Direktors durch eine Gesellschaft, wobei der Anteil der Erben an der Versicherungssumme während zehn Jahren degressiv abgestuft worden sei.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut
Erwägungen
in Erwägung:
1. Die gemischte Lebensversicherung, welche die B. A.-G. auf das Leeben ihres Geschäftsleiters und Hauptaktionärs abgeschlossen hat, enthält zwei Elemente. Für den Erlebensfall, wo die Versicherungssumme an die A.-G. ausbezahlt werden soll, stellt sie eine Selbstversicherung oder eigentlich eine Kapitalanlage dar. Für den Todesfall, wo die Witwe bzw. die Erben der versicherten Person als Begünstigte bezeichnet sind, handelt es sich um eine Versicherung zugunsten Dritter (die allerdings jederzeit durch Widerruf der Begünstigung ebenfalls in eine Selbstversicherung umgewandelt werden kann). Wäre nur eines der beiden Elemente gewählt und konsequent durchgeführt worden, so wäre die Lage von Anfang an klar und die steuerliche Behandlung einfach gewesen. Eine reine Selbstversicherung wäre gegeben, wenn die Versicherungssumme auch im Todesfalle an die A.-G. auszuzahlen wäre; damit hätte sich diese für das Risiko versichert, das der Tod ihres Geschäftsleiters für sie bedeutet hätte. Dann wären die Prämien auch unter dem Gesichtspunkt der Besteuerung mit Recht als Unkosten verbucht worden; der dadurch geschaffene Rückkaufswert und bei Eintritt des versicherten Ereignisses (im Todes- wie im Erlebensfalle) der Mehrbetrag der Versicherungssumme über den Rückkaufswert wären von der A.-G. als Gewinn zu versteuern. Umgekehrt läge eine konsequente Versicherung zugunsten Dritter vor, wenn auch im Erlebensfalle die Versicherungssumme an die Begünstigten (dann wohl an die versicherte Person selber) fallen sollte und der Widerruf der Begünstigung in den Formen von Art. 77 Abs. 2 VVG ausgeschlossen worden wäre; dann hätte die A.-G. die Versicherung für ihren Hauptaktionär abgeschlossen, und nur dieser bzw. dessen Erben hätten Ansprüche daraus. Bei der Besteuerung wären dann die von der A.-G. bezahlten Prämien als freiwillige Zuwendungen an Dritte gemäss Art. 49 Abs. 1 lit. b WStB zum jeweiligen Jahresgewinn der A.-G. hinzuzurechnen; dagegen würde die an die Begünstigten ausbezahlte Versicherungssumme die A.-G. überhaupt nicht berühren.
Angesichts der komplexen Natur der tatsächlich abgeschlossenen Versicherung musste einstweilen eine der in Frage kommenden steuerlichen Behandlungen gewählt werden. Die B. A.-G. hat sich für diejenige entschieden, welche der für den Erlebensfall gegebenen Selbstversicherung entspricht, und die Steuerbehörden sind ihr gefolgt. Nun ist jedoch der Todesfall eingetreten und demgemäss die Versicherungssumme an die Witwe von P. B. ausbezahlt worden. Die Besteuerung dieser Summe ist Gegenstand des vorliegenden Streites.
2. Eine Versicherung zugunsten eines Dritten stellt eine Zuwendung des Versicherungsnehmers an den Begünstigten dar. Die von der B. A.-G. abgeschlossene Versicherung auf das Leben von P. B. enthielt also für den - nunmehr eingetretenen - Todesfall eine Zuwendung an seine Witwe. Das ist an sich nicht bestritten, ebenso dass der Zuwendung keine Gegenleistung entsprach. Insbesondere ist nie behauptet worden, dass die Versicherung etwa ein Entgelt für die Tätigkeit von P. B. als Geschäftsleiter der A.-G. gewesen sei; dafür wurde er in Salär und Spesenvergütung reichlich entschädigt. Ebensowenig handelt es sich um eine steuerfreie Aufwendung zu Personalwohlfahrtszwecken (Art. 49 Abs. 2 WStB); denn begünstigt wurde eine dem Hauptaktionär nahestehende Person, und Leistungen an solche werden unter jenem Titel nicht zugelassen. Es ist denn auch grundsätzlich unbestritten, dass eine nach Art. 49 Abs. 1 lit. b WStB steuerbare freiwillige Zuwendung an Dritte vorliegt. Der Streit geht lediglich darum, ob diese Zuwendung auf den Betrag des Rückkaufswertes der Versicherung bzw. der dafür bezahlten Prämien beschränkt ist oder ob sie sich auf die ganze von der PATRIA an die Witwe B. ausbezahlte Versicherungssumme erstreckt. Die zu entscheidende Frage ist, ob in der Versicherungssumme (genauer in deren Mehrbetrag über den Rückkaufswert) eine Leistung der B. A.-G. an die Begünstigte liegt, durch welche der Reingewinn der Gesellschaft geschmälert wurde.
Die EStV bejaht das mit der Begründung, der Anspruch auf die Versicherungsleistungen sei durch die Prämienzahlungen der B. A.-G. geschaffen worden, habe zunächst dieser zugestanden und sei von ihr durch die Begünstigungsklausel und den Verzicht auf deren Widerruf der Witwe B. zugewendet worden. Die KRK hält dem entgegen, die B. A.-G. habe nie Anspruch auf die Versicherungssumme gehabt; bis zum Tode von P. B. habe nur eine Anwartschaft bestanden, und dann sei gemäss Art. 78 VVG der Begünstigten ein eigenes Recht auf den Versicherungsanspruch erwachsen. Unbestreitbar und unbestritten ist, dass dieser Anspruch durch die Versicherungsnehmerin geschaffen wurde und der Witwe B. nur auf Grund der von jener verfügten Begünstigung zukam. Bestritten wird hingegen, dass die B. A.-G. damit eine Zuwendung aus ihrem Vermögen gemacht, ihren Reingewinn geschmälert habe. Richtig ist, dass bis zum Eintritt des versicherten Ereignisses nur eine Anwartschaft bestand, von der zudem ungewiss war, ob sie zu einem Anspruch des Versicherungsnehmers oder der Begünstigten führen werde, und dass die Begünstigung für den Begünstigten ein eigenes Recht auf den ihm zugewiesenen Versicherungsanspruch begründet. Art. 78 VVG knüpft dieses Recht aber ausdrücklich an den Vorbehalt von Verfügungen nach Art. 77 Abs. 1. Nach dieser Bestimmung kann der Versicherungsnehmer "auch dann, wenn ein Dritter als Begünstigter bezeichnet ist, über den Anspruch aus der Versicherung unter Lebenden und von Todes wegen frei verfügen"; in Abs. 2 wird das zutreffend als Recht, die Begünstigung zu widerrufen, bezeichnet. Der Widerruf kann nicht nur bis zum Eintritt des versicherten Ereignisses erklärt werden, sondern auch noch, wenn die Versicherungssumme bereits fällig, aber noch nicht an den Begünstigten ausbezahlt worden ist (ROELLI/JAEGER, Kommentar zum VVG, N. 11 zu Art. 77 und N. 6 zu Art. 78). AusBGE 41 II 454ergibt sich nichts anderes; dort ist nur von dem Fall die Rede, wo die Versicherung auf das Leben des Versicherungsnehmers selbst gestellt ist; mit dessen Tod erlischt das Recht zum Widerruf, weil es nicht vererblich ist. Das Recht zum Widerruf geht dem "eigenen Recht des Begünstigten auf den Versicherungsanspruch" vor; der Versicherungsnehmer kann nicht nur über eine Anwartschaft, sondern über "den Anspruch aus der Versicherung" frei verfügen - sofern er nicht in den Formen von Art. 77 Abs. 2 auf den Widerruf verzichtet hat. Da die B. A.-G. das nicht getan hatte, kann nicht gesagt werden, sie habe nie Anspruch auf die Versicherungssumme gehabt; auf alle Fälle konnte sie noch, nachdem der Anspruch bereits durch den Tod von P. B. entstanden war, frei darüber verfügen und die Begünstigung widerrufen mit der Wirkung, dass die Versicherungssumme an sie auszuzahlen war. In der Begünstigungsklausel lag noch keine endgültige Zuwendung - schon weil sie nur auf den Todesfall lautete und dessen Eintritt ungewiss war, aber auch weil auf den Widerruf nicht gemäss Art. 77 Abs. 2 verzichtet worden war. Indem aber die B. A.-G. vom Recht zum Widerruf keinen Gebrauch machte, hat sie die Versicherungssumme, die sie hätte für sich beanspruchen können, endgültig der Begünstigten überlassen. Darin liegt eine Zuwendung aus ihrem Vermögen und eine Schmälerung ihres Reingewinnes.
Die von der PATRIA an die Witwe B. ausbezahlte Versicherungssumme ist somit Gegenstand einer freiwilligen Zuwendung der B. A.-G. an einen Dritten und daher gemäss Art. 49 Abs. 1 lit. b WStB zum Reingewinn der A.-G. im Jahre 1951 hinzuzurechnen. Da die A.-G. den Rückkaufswert von Fr. 14'000.-- bereits als Reingewinn versteuert hatte, ist nur noch der Mehrbetrag von Fr. 52'000.-- zu besteuern.
3. Die in der Vernehmlassungen der B. A.-G. und der KRK vorgebrachten Argumente sind unbehelflich:
Der Einwand der B. A.-G., sie habe mit der Lebensversicherung kein Geschäft machen wollen, geht deshalb fehl, weil sie nicht für einen beabsichtigten oder erzielten Gewinn besteuert wird, sondern für eine freiwillige Zuwendung an einen Dritten, wodurch sie gerade auf die Realisierung eines ihr zustehenden Gewinnes verzichtet hat. Dass der Verzicht angeblich erfolgte, um den Erben von P. B. die Rückzahlung des diesem von der A.-G. gewährten Darlehens zu ermöglichen, vermag hieran nichts zu ändern; denn die A.-G. hätte sowohl die Versicherungssumme als auch die Rückzahlung des Darlehens beanspruchen können. Wurde die Versicherung mit der Begünstigung für den Todesfall deshalb abgeschlossen, weil den Erben sonst jene Rückzahlung nicht möglich gewesen wäre, so betraf sie im Grunde ein eigenes Risiko der A.-G.; bei einer Selbstversicherung hätte diese aber die erhaltene Versicherungssumme ebenfalls als Gewinn versteuern müssen.
Die Versicherungssumme wurde der Begünstigten freilich von der PATRIA bezahlt; sie hätte aber, wie oben unter Ziffer 2 dargetan, von der B. A.-G. beansprucht werden können. Deren Zuwendung an die Witwe B. bestand deshalb nicht nur in den Prämien, durch deren Bezahlung sie den Anspruch geschaffen hatte, sondern in der Versicherungssumme selbst. Dass der Zuwendung keine Gegenleistung gegenüberstand, ist an sich unbestritten.
Der von der KRK angestellte Vergleich mit einem geschenkten Lotterielos ist verfehlt, weil der Anspruch aus dem Lose dem Beschenkten und nicht mehr dem Schenker zusteht. Der Vergleich wäre haltbar, wenn die B. A.-G. die Versicherung zugunsten Dritter konsequent durchgeführt und auf den Widerruf in den Formen von Art. 77 Abs. 2 VVG verzichtet hätte.
Die Frage, ob der Verzicht auf den Versicherungsgewinn auch gegenüber einem an der A.-G. nicht beteiligten Dritten denkbar wäre, ist für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde unerheblich; denn die Steuerpflicht für freiwillige Zuwendungen an Dritte gemäss Art. 49 Abs. 1 lit. b WStB hängt nicht von einer gesellschaftlichen Beteiligung der Empfänger ab.
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Impôt pour la défense nationale: Traitement de la police d'assurance mixte souscrite par une société anonyme sur la vie d'un directeur actionnaire principal avec clause bénéficiaire enfaveur de la famille de l'assuré pour le cas de mort. Imposition, au titre du bénéfice social, de la somme assurée, payée aux bénéficiaires.
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82 I 119
Sachverhalt ab Seite 120
A.- Die B. A.-G. schloss am 1. Oktober 1947 mit der Versicherungsgesellschaft PATRIA eine gemischte Lebensversicherung für Fr. 100'000.-- auf das Leben ihres Geschäftsleiters und Hauptaktionärs P. B. ab. Im Erlebensfalle sollte die Versicherungssumme an die A.-G. als Versicherungsnehmerin ausbezahlt werden; im Todesfalle waren Begünstigte die Ehefrau und bei deren Fehlen die gesetzlichen Erben des Versicherten. Durch einen Zusatz vom 22. November 1947 wurde vereinbart, dass die Versicherungssumme bei Tod innert der ersten fünf Jahre eine abgestufte Reduktion erfahren solle. Die A.-G. verbuchte die in den Jahren 1947-1950 geleisteten Prämien als Unkosten. Den nach Ablauf von drei Jahren entstandenen Rückkaufswert von Fr. 14'000.-- gab sie in der Steuererklärung für die Wehrsteuer der VI. Periode als im Jahre 1950 erzielten Reingewinn an. Im Jahre 1951 starb P. B. Die gemäss Zusatzvertrag reduzierte Versicherungssumme von Fr.66'667.-- wurde von der PATRIA an seine Witwe ausbezahlt.
Die Wehrsteuerverwaltung Basel-Stadt betrachtete die Differenz zwischen dieser Summe und dem als Ertrag versteuerten Rückkaufswert von Fr. 14'000.-- als verdeckte Gewinnausschüttung an eine einem Aktionär nahestehende Person und rechnete daher bei der Wehrsteuer VII den Betrag von Fr. 52'000.-- zum steuerbaren Reingewinn der B. A.-G. im Jahre 1951.
Eine Beschwerde der A.-G. gegen diese Aufrechnung wurde von der Kantonalen Rekurskommission Basel-Stadt (KRK) mit Entscheid vom 6. Dezember 1955 geschützt. Darin wurde ausgeführt, durch den Tod des Versicherten sei seiner Witwe als Begünstigter ohne Zutun der A.-G. ein eigenes Recht auf die Versicherungssumme erwachsen. Die A.-G. habe nie einen Anspruch hierauf, sondern nur auf den Rückkaufswert gehabt. Da sie den Rückkaufswert verloren habe und er in einen Teil der Versicherungssumme umgewandelt worden sei, könne allerdings angenommen werden, dass sie in diesem Umfange eine geldwerte Leistung an eine einem Aktionär nahestehende Person erbracht habe. Nachdem der Rückkaufswert aber bereits als Ertrag versteuert worden sei, komme eine nochmalige Besteuerung nicht in Frage. Auf den Mehrbetrag habe zu Lebzeiten des Versicherten nur eine Anwartschaft bestanden, die kein steuerlich erfassbarer Vermögenswert sei. Diese Differenz sei der A.-G. nie zugeflossen; ihre Besteuerung als Gewinn der A.-G. wäre nicht nur unbillig, sondern unrichtig.
B.- Gegen diesen Entscheid erhebt die eidg. Steuerverwaltung (EStV) Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, die Aufrechnung der Fr. 52'000.-- wiederherzustellen. Sie bringt vor, der Vertrag mit der PATRIA sei von der B. A.-G. als Versicherungsnehmerin geschlossen und der daraus fliessende Anspruch von ihr durch die Prämienzahlungen geschaffen worden; das Recht auf die Versicherungsleistung habe zunächst ihr allein zugestanden. Durch die Begünstigungsklausel habe sie sich dieses Rechtes für den Todesfall zugunsten der Witwe begeben. Die Entäusserung sei noch nicht endgültig gewesen wegen der Möglichkeit des Widerrufes der Begünstigung und derjenigen des Erlebensfalles, wo die Versicherungssumme der A.-G. zugekommen wäre. Erst durch den Tod von P. B. sei der Verlust eingetreten. Seine Ursache liege ausschliesslich in der Begünstigungserklärung. Diese sei nur deshalb abgegeben worden, weil der Versicherte Hauptaktionär gewesen sei; ein derartiger Verzicht auf den potentiellen Versicherungsgewinn zugunsten einer unbeteiligten Person wäre undenkbar. Die B. A.-G. habe zwar geltend gemacht, die Begünstigung habe bezweckt, im Falle vorzeitigen Todes von P. B. seinen Erben die Rückzahlung eines ihm von der A.-G. gewährten namhaften Darlehens zu erleichtern; allein auch dazu wäre einem unbeteiligten Schuldner ein solcher Vorteil nicht ohne Gegenleistung eingeräumt worden. Ohne die Begünstigungsklausel hätte die A.-G. beim Tode von P. B. die Versicherungssumme erhalten und damit einen Gewinn erzielt, der im Betrage der Differenz zwischen Versicherungssumme und Rückkaufswert der Wehrsteuer unterlegen hätte. Ihr Verzicht darauf zugunsten der Witwe des Hauptaktionärs sei eine "freiwillige Zuwendung an Dritte" die nach Art. 49 Abs. 1 lit. b WStB ihrem steuerbaren Reingewinn zuzurechnen sei.
C.- Die B. A.-G. beantragt Abweisung der Beschwerde. Sie macht geltend, durch die Begünstigungserklärung habe sie nicht auf ein Recht verzichtet, dessen Ausübung zur Erhöhung ihres Reingewinnes geführt hätte. Sie habe nie beabsichtigt, mit der Lebensversicherung ein Geschäft zu machen; sie habe damit lediglich im Falle des Todes des Versicherten seinen Erben die teilweise Rückzahlung ihres grossen Darlehens ermöglichen wollen. Die gleiche Lösung wäre auch zugunsten eines an der Gesellschaft nicht beteiligten Schuldners denkbar und zweckmässig. Die A.-G. habe seither analoge Versicherungen auch für ihre weiteren, am Aktienkapital nicht beteiligten Arbeitnehmer abgeschlossen, wobei die Versicherungssummen natürlich nach deren Stellung abgestuft seien. Von einer fehlenden Gegenleistung könnte höchstens gesprochen werden mit Bezug auf die Differenz zwischen aufgewendeten Prämien und Rückkaufswert, nicht aber für die Differenz zwischen jenen und der Versicherungssumme; die Gesellschaft könne doch nicht eine Gegenleistung verlangen für eine Leistung, die nicht sie, sondern ein Dritter ihrem Aktionär erbringen müsse. Es könne genau errechnet werden, um wieviel der Reingewinn der A.-G. durch die Prämienzahlung geschmälert und durch die Aktivierung des Rückkaufswertes verbessert worden sei. Der Betrag, den die Versicherung aus eigenen Mitteln aufgebracht habe, könne aber nicht dem Reingewinn der A.-G. zugerechnet werden, die mit der Versicherung ein vernünftiges Ziel verfolgt habe.
D.- Die KRK beantragt ebenfalls Abweisung der Beschwerde. Sie führt ergänzend aus, eine verdeckte Gewinnausschüttung setze einen Übergang aus dem Vermögen der A.-G. in dasjenige des Aktionärs oder der ihm nahestehenden Person voraus; daran fehle es beim Verzicht auf eine blosse Anwartschaft. Hätte die Gesellschaft einem Aktionär ein Lotterielos geschenkt, so bestände die verdeckte Gewinnausschüttung im Kaufpreis des Loses und nicht in dem darauf gefallenen Treffer; so kämen auch hier als Leistung nur die bezahlten Prämien in Betracht, nicht aber die schliesslich fällig gewordene Versicherungsleistung. Unrichtig sei auch, dass der Verzicht auf den potentiellen Versicherungsgewinn zugunsten einer unbeteiligten Person nicht denkbar sei; der KRK seien solche Fälle bekannt, z.B. der Abschluss einer Versicherung auf das Leben eines neu eingetretenen Direktors durch eine Gesellschaft, wobei der Anteil der Erben an der Versicherungssumme während zehn Jahren degressiv abgestuft worden sei.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut
Erwägungen
in Erwägung:
1. Die gemischte Lebensversicherung, welche die B. A.-G. auf das Leeben ihres Geschäftsleiters und Hauptaktionärs abgeschlossen hat, enthält zwei Elemente. Für den Erlebensfall, wo die Versicherungssumme an die A.-G. ausbezahlt werden soll, stellt sie eine Selbstversicherung oder eigentlich eine Kapitalanlage dar. Für den Todesfall, wo die Witwe bzw. die Erben der versicherten Person als Begünstigte bezeichnet sind, handelt es sich um eine Versicherung zugunsten Dritter (die allerdings jederzeit durch Widerruf der Begünstigung ebenfalls in eine Selbstversicherung umgewandelt werden kann). Wäre nur eines der beiden Elemente gewählt und konsequent durchgeführt worden, so wäre die Lage von Anfang an klar und die steuerliche Behandlung einfach gewesen. Eine reine Selbstversicherung wäre gegeben, wenn die Versicherungssumme auch im Todesfalle an die A.-G. auszuzahlen wäre; damit hätte sich diese für das Risiko versichert, das der Tod ihres Geschäftsleiters für sie bedeutet hätte. Dann wären die Prämien auch unter dem Gesichtspunkt der Besteuerung mit Recht als Unkosten verbucht worden; der dadurch geschaffene Rückkaufswert und bei Eintritt des versicherten Ereignisses (im Todes- wie im Erlebensfalle) der Mehrbetrag der Versicherungssumme über den Rückkaufswert wären von der A.-G. als Gewinn zu versteuern. Umgekehrt läge eine konsequente Versicherung zugunsten Dritter vor, wenn auch im Erlebensfalle die Versicherungssumme an die Begünstigten (dann wohl an die versicherte Person selber) fallen sollte und der Widerruf der Begünstigung in den Formen von Art. 77 Abs. 2 VVG ausgeschlossen worden wäre; dann hätte die A.-G. die Versicherung für ihren Hauptaktionär abgeschlossen, und nur dieser bzw. dessen Erben hätten Ansprüche daraus. Bei der Besteuerung wären dann die von der A.-G. bezahlten Prämien als freiwillige Zuwendungen an Dritte gemäss Art. 49 Abs. 1 lit. b WStB zum jeweiligen Jahresgewinn der A.-G. hinzuzurechnen; dagegen würde die an die Begünstigten ausbezahlte Versicherungssumme die A.-G. überhaupt nicht berühren.
Angesichts der komplexen Natur der tatsächlich abgeschlossenen Versicherung musste einstweilen eine der in Frage kommenden steuerlichen Behandlungen gewählt werden. Die B. A.-G. hat sich für diejenige entschieden, welche der für den Erlebensfall gegebenen Selbstversicherung entspricht, und die Steuerbehörden sind ihr gefolgt. Nun ist jedoch der Todesfall eingetreten und demgemäss die Versicherungssumme an die Witwe von P. B. ausbezahlt worden. Die Besteuerung dieser Summe ist Gegenstand des vorliegenden Streites.
2. Eine Versicherung zugunsten eines Dritten stellt eine Zuwendung des Versicherungsnehmers an den Begünstigten dar. Die von der B. A.-G. abgeschlossene Versicherung auf das Leben von P. B. enthielt also für den - nunmehr eingetretenen - Todesfall eine Zuwendung an seine Witwe. Das ist an sich nicht bestritten, ebenso dass der Zuwendung keine Gegenleistung entsprach. Insbesondere ist nie behauptet worden, dass die Versicherung etwa ein Entgelt für die Tätigkeit von P. B. als Geschäftsleiter der A.-G. gewesen sei; dafür wurde er in Salär und Spesenvergütung reichlich entschädigt. Ebensowenig handelt es sich um eine steuerfreie Aufwendung zu Personalwohlfahrtszwecken (Art. 49 Abs. 2 WStB); denn begünstigt wurde eine dem Hauptaktionär nahestehende Person, und Leistungen an solche werden unter jenem Titel nicht zugelassen. Es ist denn auch grundsätzlich unbestritten, dass eine nach Art. 49 Abs. 1 lit. b WStB steuerbare freiwillige Zuwendung an Dritte vorliegt. Der Streit geht lediglich darum, ob diese Zuwendung auf den Betrag des Rückkaufswertes der Versicherung bzw. der dafür bezahlten Prämien beschränkt ist oder ob sie sich auf die ganze von der PATRIA an die Witwe B. ausbezahlte Versicherungssumme erstreckt. Die zu entscheidende Frage ist, ob in der Versicherungssumme (genauer in deren Mehrbetrag über den Rückkaufswert) eine Leistung der B. A.-G. an die Begünstigte liegt, durch welche der Reingewinn der Gesellschaft geschmälert wurde.
Die EStV bejaht das mit der Begründung, der Anspruch auf die Versicherungsleistungen sei durch die Prämienzahlungen der B. A.-G. geschaffen worden, habe zunächst dieser zugestanden und sei von ihr durch die Begünstigungsklausel und den Verzicht auf deren Widerruf der Witwe B. zugewendet worden. Die KRK hält dem entgegen, die B. A.-G. habe nie Anspruch auf die Versicherungssumme gehabt; bis zum Tode von P. B. habe nur eine Anwartschaft bestanden, und dann sei gemäss Art. 78 VVG der Begünstigten ein eigenes Recht auf den Versicherungsanspruch erwachsen. Unbestreitbar und unbestritten ist, dass dieser Anspruch durch die Versicherungsnehmerin geschaffen wurde und der Witwe B. nur auf Grund der von jener verfügten Begünstigung zukam. Bestritten wird hingegen, dass die B. A.-G. damit eine Zuwendung aus ihrem Vermögen gemacht, ihren Reingewinn geschmälert habe. Richtig ist, dass bis zum Eintritt des versicherten Ereignisses nur eine Anwartschaft bestand, von der zudem ungewiss war, ob sie zu einem Anspruch des Versicherungsnehmers oder der Begünstigten führen werde, und dass die Begünstigung für den Begünstigten ein eigenes Recht auf den ihm zugewiesenen Versicherungsanspruch begründet. Art. 78 VVG knüpft dieses Recht aber ausdrücklich an den Vorbehalt von Verfügungen nach Art. 77 Abs. 1. Nach dieser Bestimmung kann der Versicherungsnehmer "auch dann, wenn ein Dritter als Begünstigter bezeichnet ist, über den Anspruch aus der Versicherung unter Lebenden und von Todes wegen frei verfügen"; in Abs. 2 wird das zutreffend als Recht, die Begünstigung zu widerrufen, bezeichnet. Der Widerruf kann nicht nur bis zum Eintritt des versicherten Ereignisses erklärt werden, sondern auch noch, wenn die Versicherungssumme bereits fällig, aber noch nicht an den Begünstigten ausbezahlt worden ist (ROELLI/JAEGER, Kommentar zum VVG, N. 11 zu Art. 77 und N. 6 zu Art. 78). AusBGE 41 II 454ergibt sich nichts anderes; dort ist nur von dem Fall die Rede, wo die Versicherung auf das Leben des Versicherungsnehmers selbst gestellt ist; mit dessen Tod erlischt das Recht zum Widerruf, weil es nicht vererblich ist. Das Recht zum Widerruf geht dem "eigenen Recht des Begünstigten auf den Versicherungsanspruch" vor; der Versicherungsnehmer kann nicht nur über eine Anwartschaft, sondern über "den Anspruch aus der Versicherung" frei verfügen - sofern er nicht in den Formen von Art. 77 Abs. 2 auf den Widerruf verzichtet hat. Da die B. A.-G. das nicht getan hatte, kann nicht gesagt werden, sie habe nie Anspruch auf die Versicherungssumme gehabt; auf alle Fälle konnte sie noch, nachdem der Anspruch bereits durch den Tod von P. B. entstanden war, frei darüber verfügen und die Begünstigung widerrufen mit der Wirkung, dass die Versicherungssumme an sie auszuzahlen war. In der Begünstigungsklausel lag noch keine endgültige Zuwendung - schon weil sie nur auf den Todesfall lautete und dessen Eintritt ungewiss war, aber auch weil auf den Widerruf nicht gemäss Art. 77 Abs. 2 verzichtet worden war. Indem aber die B. A.-G. vom Recht zum Widerruf keinen Gebrauch machte, hat sie die Versicherungssumme, die sie hätte für sich beanspruchen können, endgültig der Begünstigten überlassen. Darin liegt eine Zuwendung aus ihrem Vermögen und eine Schmälerung ihres Reingewinnes.
Die von der PATRIA an die Witwe B. ausbezahlte Versicherungssumme ist somit Gegenstand einer freiwilligen Zuwendung der B. A.-G. an einen Dritten und daher gemäss Art. 49 Abs. 1 lit. b WStB zum Reingewinn der A.-G. im Jahre 1951 hinzuzurechnen. Da die A.-G. den Rückkaufswert von Fr. 14'000.-- bereits als Reingewinn versteuert hatte, ist nur noch der Mehrbetrag von Fr. 52'000.-- zu besteuern.
3. Die in der Vernehmlassungen der B. A.-G. und der KRK vorgebrachten Argumente sind unbehelflich:
Der Einwand der B. A.-G., sie habe mit der Lebensversicherung kein Geschäft machen wollen, geht deshalb fehl, weil sie nicht für einen beabsichtigten oder erzielten Gewinn besteuert wird, sondern für eine freiwillige Zuwendung an einen Dritten, wodurch sie gerade auf die Realisierung eines ihr zustehenden Gewinnes verzichtet hat. Dass der Verzicht angeblich erfolgte, um den Erben von P. B. die Rückzahlung des diesem von der A.-G. gewährten Darlehens zu ermöglichen, vermag hieran nichts zu ändern; denn die A.-G. hätte sowohl die Versicherungssumme als auch die Rückzahlung des Darlehens beanspruchen können. Wurde die Versicherung mit der Begünstigung für den Todesfall deshalb abgeschlossen, weil den Erben sonst jene Rückzahlung nicht möglich gewesen wäre, so betraf sie im Grunde ein eigenes Risiko der A.-G.; bei einer Selbstversicherung hätte diese aber die erhaltene Versicherungssumme ebenfalls als Gewinn versteuern müssen.
Die Versicherungssumme wurde der Begünstigten freilich von der PATRIA bezahlt; sie hätte aber, wie oben unter Ziffer 2 dargetan, von der B. A.-G. beansprucht werden können. Deren Zuwendung an die Witwe B. bestand deshalb nicht nur in den Prämien, durch deren Bezahlung sie den Anspruch geschaffen hatte, sondern in der Versicherungssumme selbst. Dass der Zuwendung keine Gegenleistung gegenüberstand, ist an sich unbestritten.
Der von der KRK angestellte Vergleich mit einem geschenkten Lotterielos ist verfehlt, weil der Anspruch aus dem Lose dem Beschenkten und nicht mehr dem Schenker zusteht. Der Vergleich wäre haltbar, wenn die B. A.-G. die Versicherung zugunsten Dritter konsequent durchgeführt und auf den Widerruf in den Formen von Art. 77 Abs. 2 VVG verzichtet hätte.
Die Frage, ob der Verzicht auf den Versicherungsgewinn auch gegenüber einem an der A.-G. nicht beteiligten Dritten denkbar wäre, ist für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde unerheblich; denn die Steuerpflicht für freiwillige Zuwendungen an Dritte gemäss Art. 49 Abs. 1 lit. b WStB hängt nicht von einer gesellschaftlichen Beteiligung der Empfänger ab.
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Imposta per la difesa nazionale: Trattamento della polizza di assicurazione mista stipulata da una società anonima sulla vita d'un direttore, azionista principale della società, con la designazione della famigilia come beneficiaria in caso di morte dell'assicurato. Imposizione, quale utile della società anonima, della somma assicurata pagata ai beneficiari.
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constitutional law and administrative law and public international law
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